lernen? ja, gerne! - ggs · 2018. 10. 23. · 02 01 editorial 02 impressum 04 „lernen ist ein...
TRANSCRIPT
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02 18W i s s e n s c h a f f t V o r s p r u n g
Lernen? Ja, Gerne!
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01
Prof. Dr. Tomás Bayón
Editorial
zu behalten, und der Wissensdurst auf
das Neue, ohne sich vom Unbekannten
verrückt machen zu lassen.
Wissensdurst lässt sich mit Lernen löschen.
Und hierfür ist man bekanntlich nie zu alt. In der
aktuellen Ausgabe unseres Magazins Quarterly durch-
leuchten wir deshalb das Thema Lernen von allen Seiten
und diskutieren mit namhaften Experten über den Wert
von Bildung. Wir sind uns einig, Lernen ist ein mensch-
liches Bedürfnis und permanente Weiterbildung wird zu
einer Pflicht, um zukünftige Herausforderungen mei-
stern zu können. Denn disruptive Prozesse lösen einen
Kulturwandel aus und verändern damit nicht nur unsere
Arbeitswelt, sondern auch die Wissenskultur.
Wir alle – Lehrende und Lernende – müssen beweg-
lich bleiben und unsere Kompetenz zum lebenslangen
Lernen immer wieder überprüfen. Wer flexibel agiert und
reagiert, wird sich durch den Umgang mit Unsicher-
heiten und schnellen Veränderungen nicht irritieren oder
abschrecken lassen. Wir müssen uns die kontinuierliche
Veränderung immer wieder in Erinnerung rufen, ohne in
Panik zu verfallen. Und dabei hilft Gelassenheit.
Viel Gelassenheit und positive Energie wünscht Ihnen
Ihr
„Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbe-
wusstseins.” Dieser weise Satz der mährisch-österrei-
chischen Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach
ist auch über einhundert Jahre nach seiner Schöpfung
aktueller denn je.
Doch wie kann man heutzutage Gelassenheit erlan-
gen oder sich bewahren? Unsere Umwelt ist geprägt
von Dynamik, neuen Technologien und einer Flut von
Kommunikation, die immer häufiger von Oberflächlich-
keit oder gar Fake News geprägt wird. Das sind nicht
gerade die besten Voraussetzungen für Besonnenheit.
Für mich liegt daher der Schlüssel im Schaffen persön-
licher Freiräume sowie der ständigen Reflexion unseres
eigenen Tuns und dem Verhalten unseres beruflichen
und privaten Umfelds.
Gelassenheit ist ein wichtiger Wert, den wir als Busi-
ness School transportieren können. Nur wer in hitzigen
Diskussionen ruhig bleibt, mit Ausgeglichenheit ein-
seitige Sichtweisen kontert und ein ehrliches Interes-
se an Menschen hat, kann eine verantwortungsvolle
Führungskraft sein und seinem Umfeld positive Energie
spenden. Dazu gehören, das große Ganze im Auge
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02
01 Editorial
02 Impressum
04 „Lernen ist ein menschliches Bedüfnis“ Interview mit Tatjana Linke und Prof. Dr. Tomás Bayón
10 Heute schon gelernt? Die GGS fragt nach 12 „Lebenslanges Lernen wird zu einer Pflicht“ Interview mit Thomas Halder
16 Wann war das letzte Mal das erste Mal? Kolumne von Anja Förster und Dr. Peter Kreuz
Impressum
20
40
Inhalt
Herausgeber:
German Graduate School of Management and Law gGmbH
Bildungscampus 2 · D-74076 Heilbronn
Tel.: +49 (0) 7131 - 64 56 36 - 0
Fax: +49 (0) 7131 - 64 56 36 - 27
Geschäftsführer:
Prof. Dr. Tomás Bayón
V.i.S.d.P.:
Thomas Rauh, Public Relations
Tel.: +49 (0) 7131 - 64 56 36 - 45
Redaktion:
Kerstin Arnold-Kapp
Tel.: +49 (0) 7131 - 64 56 36 - 22
E-Mail: [email protected]
Autoren dieser Ausgabe:
Kerstin Arnold-Kapp, Norbert Barnikel, Renée Ricarda Eisel-
Billau, Anja Förster, Armin Himmelrath, Lennart Jäger, Oliver
Kössel, Dr. Peter Kreuz, Jürgen Paul, Karina Piersig, Thomas
Rauh, Ina Rudolph, Ralf Schnörr, Mara Stolle
Verantwortlich für die Anzeigen:
Verena Kruppa, Marketing
Tel.: +49 (0) 7131 - 64 56 36 - 18
Auflage:
700 Exemplare
Gestaltung:
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Druck:
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Bildquellen:
Terzo Algeri: (24, 38), Norbert Barnikel: (27, 31), Mario Berger:
(2, 20-23, 40-43), dfv Mediengruppe: (50), Tobias Fischer/Un-
splash: (12-13), Anja Förster und Dr. Peter Kreuz: (17), Armin
Himmelrath: (19), Fotolia: (19, 27, 44-45, 46, 47), GGS: (3, 4-9,
25, 36-37, 44, 45, 46-47, 50), Thomas Halder: (13), Gaelle
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(48-49), Mara Stolle: (10), Maarten van den Heuvel/Unsplash:
(16-17), Rawpixel/Unsplash: (52)
Stand:
Oktober 2018
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18 Echtes Plus mit nachhaltigen Effekten Kommentar von Armin Himmelrath
20 Führung will gelernt sein Der Unternehmer Fabian Hauff im Portrait
24 Vom Wissensvermittler zum Lernbegleiter Standpunkt von Karina Piersig
27 Mehrwert durch Weiterbildung Seminarangebote der Executive Education
28 Digital Marketing in der Transformation von Norbert Barnikel
32 Faculty Days 2018
36 Im Aufzug mit... Prof. Dr. Benjamin von Bodungen
38 Zwischen den Zeilen Lennart Jäger
40 Keine halben Sachen Gesichter der GGS: Jan Fries
44 Alumni-Verein
46 Zwiebelrostbraten und Deutscher Mittelstand Studierende der Universität Nebraska-Lincoln zu Gast
48 Der Bildungscampus Heilbronn
50 kurz notiert/Termine
52 Life Science Kongress
12
32
04
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04
»Lernen ist ein menschliches Bedürfnis«
04
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05
Im Interview treffen Tatjana Linke, Geschäftsführerin der Akademie für Innovative
Bildung und Management (aim), und GGS-Vorstand Prof. Dr. Tomás Bayón aufeinander.
Sie diskutieren über Trends auf dem Bildungsmarkt, Qualifikationen für die Zukunft und
erklären, wie wir uns die kindliche Leichtigkeit des Lernens bewahren können.
Die Menschheitsgeschichte ist auch eine Geschich-
te des Lernens. Was treibt die Menschen an, sich
weiterzubilden? Welche Ziele können sie dadurch
erreichen?
Tatjana Linke: Lernen ist ein menschliches Bedürfnis.
Jedes kleine Kind hat eine intrinsische Motivation zu ler-
nen, um selbstständiger und unabhängiger zu werden
und sich zu verwirklichen. Ich habe einmal gehört, dass
jedes Kind, das Laufen lernt, im Durchschnitt 8000
Mal hinfällt und noch keines hat es aufgegeben. Das
Dranbleiben ist eine substantielle Notwendigkeit, um
selbstständig zu werden. Das Lernen dient später dazu,
sich ändernden Verhältnissen und Umständen anzu-
passen, sich weiterzuentwickeln und letztlich einfach
auch zu überleben. Also, das wirtschaftliche und auch
das physische Überleben abzusichern.
Tomás Bayón: Auch ich glaube, dass jeder Mensch
nach dem Lernen strebt. Wir können an der GGS be-
obachten, dass natürlich auch extrinsische Reize eine
Rolle spielen. Je älter wir werden, desto wichtiger wird
der Abschluss an sich, weil die notwendigen Investiti-
onen gegengerechnet werden. Ich bin trotzdem davon
überzeugt – auch wenn die Leute sagen, sie seien nur
am Abschluss interessiert – dass es einen intrinsischen
Reiz beim Lernen gibt. Sonst könnten sie nicht in einem
berufsbegleitenden Weiterbildungsformat wie bei uns in
den Studiengängen zwei Jahre durchhalten.
Welche Trends gibt es auf dem Bildungsmarkt?
Bayón: Im Vergleich zu vor zwanzig, dreißig Jahren
geht es heutzutage stärker um Reputation. Natür-
lich sind Inhalte nach wie vor wichtig. Die Marke und
Innovation spielen bei der Auswahl des Bildungspart-
ners eine wichtige Rolle. Da geht es um Innovation in
der Methodik und um Innovation in den behandelten
Themen. Hinzu kommt natürlich die ganze Thematik
der Digitalisierung, die momentan ein bisschen hoch
„gehyped“ wird.
Linke: Das Thema Digitalisierung muss man von zwei
Seiten sehen. Ganz explizit wird von uns gefordert –
das ist auch im Bildungsplan von Baden-Württemberg
verankert –, dass Mediennutzung und -kompetenz im
Fachunterricht mitvermittelt werden müssen. Das heißt,
dass wir Angebote aufgenommen haben, um Lehr-
kräfte in die Lage zu versetzen, die entsprechenden
Kompetenzen zu erwerben. Die Grundsätze wie
Datenschutz spielen eine Rolle, aber zum Beispiel auch
zu lernen, den Unterricht aufzubauen und dabei sinnvoll
neue Medien einzubinden. Und dann gilt es eben einen
Fachunterricht zu gestalten, der unterschiedliche As-
pekte von Medienkompetenz mitvermittelt. Im Vorder-
grund steht dabei die kritische Auseinandersetzung mit
Inhalten, was in der Schule ein ganz wichtiges Thema
ist. Die Bedeutung der Digitalisierung für den Bildungs-
markt wird sich aber nach und nach relativieren. Als
Methode setzen wir digitale Instrumente nur ganz
gezielt ein, weil wir festgestellt haben, sie müssen Sinn
machen und es ist bei weitem nicht so, dass sie an
jeder Stelle das beste Mittel sind. Doch sie haben ihre
Berechtigung. Wenn wir uns den Bereich der Compu-
terspiele genauer anschauen, stellen wir fest, dass man
im Rahmen von Strategiespielen wichtige Zukunftskom-
petenzen wie Verantwortung zu übernehmen, voraus-
zudenken, strategisch zu planen oder zu reflektieren,
erwerben kann.
Abschließend möchte ich das Thema Soft Skills beto-
nen. Dazu gehören: Wie verkaufe ich mich richtig? Wie
präsentiere ich mich richtig? Das ist für mich auch ein
wichtiger Trend auf dem Bildungsmarkt.
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06
Es ist essenziell, dass man offen bleibt für Neues.»Prof. Dr. Tomás Bayón
Bayón: Dieses Thema ist auch für
Management und Leadership sehr
wichtig. Wir nehmen wahr: Persönlich-
keitsbildung und individueller Nutzen
stehen im Vordergrund. Vor allem bei
unseren Firmenkunden geht der Trend
zu maßgeschneiderten und individuellen
Lösungspaketen.
Das Angebot an Weiterbildung ist
unheimlich groß. Was gilt es bei der
Auswahl der richtigen Weiterbildungs-
maßnahme zu beachten?
Linke: Auf der einen Seite gilt es
natürlich, eine passende Fortbildung zu
finden. Aber dann muss es auch darum
gehen, eine wirksame Fortbildung zu
finden. Was macht eine Fortbildung
qualitativ gut? Wo entsteht ein großer
Lerneffekt? Wer die richtige Weiterbil-
dung finden will, muss sich zunächst klar
darüber sein, was er erreichen möchte.
Nur dann kann man beurteilen: Was
leisten die Weiterbildungsanbieter und
kann ich damit das Ziel erreichen, das
ich vor Augen habe. Dann ist es natürlich
sinnvoll, Institutionen auszuwählen, die
erfolgreich arbeiten, also nachweisen
können, dass sie zertifiziert sind und gute
Dozenten beschäftigen. Sich da eine
gewisse Transparenz zu schaffen, ist ein
wichtiges Thema.
Der für mich noch wichtigere Punkt ist
die reflektierte Praxis. Theoretischen In-
put zu bekommen, ihn in der Praxis um-
zusetzen und dann zu reflektieren, ob die
Dinge tatsächlich so umgesetzt werden
konnten. Dieser Punkt hat bei uns dazu
geführt, dass wir fast keine Seminare
mehr anbieten, sondern überwiegend
Lehrgänge oder Seminarreihen, in denen
auch praktische Erfahrungen gesammelt
werden und jeder das Erlernte reflektie-
ren muss.
Bayón: Gerade für Weiterbildung ist
das sehr wichtig. Das funktioniert nur,
wenn die jeweilige Person oder das Un-
ternehmen wissen, was sie wollen und
welche Kompetenzen erreicht werden
sollen. Dann kann man gemeinsam mit
dem Weiterbildungsanbieter definieren,
wie und welche Methodik erarbeitet wird.
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Weiterbildung ist ein klassisches Erfahr-
ungs- und Vertrauensgut. Da geht es
selbstverständlich auch um Referenzen
und Zertifikate. Aber ich glaube, das ist
gar nicht so wichtig. Das Wichtigste ist,
dass man selbst weiß, was man will,
sich einen Überblick verschafft und dann
Programme anschaut und testet. An der
GGS bieten wir dafür Formate wie den
LL.M. for a Day oder Webinare an.
Linke: Es gibt noch einen weiteren
Punkt, der wichtig ist. Man muss die not-
wendigen Voraussetzungen richtig ein-
schätzen können. Das heißt, Ehrlichkeit
mit sich selbst und zu wissen, wo man
steht und ob man das, was man sich
vornimmt, auch wirklich schaffen kann.
Man muss sich schon ein Stück fordern,
aber es darf keine zu starke Überforde-
rung sein. Dann gibt es Misserfolge und
das ist eher kontraproduktiv.
Bei vielen Chefs scheint Weiterbildung
kein beliebtes Thema zu sein. Woran
liegt das?
Bayón: Erfolgreiche Unternehmen
müssen innovativ sein. Dafür ist es es-
senziell, dass man offen bleibt für Neues,
sich austauschen kann und Input in der
ein- oder anderen Form reinholen kann.
Dazu gehört, sich selbst zu fordern,
geistig vital zu bleiben und Dinge zu
reflektieren. Das bringt kurzfristig nicht
unbedingt einen Tagesnutzen für den
Chef. Führungskräfte sehen bei Weiterbil-
dungsmaßnahmen zunächst das Fehlen
der Mitarbeiter am Arbeitsplatz. Statt-
dessen sollten sie Weiterbildung auch
langfristig von der Nutzenseite sehen.
Linke: Weiterbildung ist eine Investiti-
on. Und jede Investition kostet einfach
mehr, als sie im ersten Moment bringt.
Wir machen aber auch die Erfahrung,
dass Leidensdruck eine gute Motiva-
tion ist, jemanden zur Fortbildung zu
schicken. Dann wird sichtbar, dass
man mit einem gewissen Problem nicht
umgehen kann. Wir haben zum Beispiel
seit Jahren Angebote im Programm,
wie man Fachunterricht für Kinder, die
nicht Deutsch als Muttersprache gelernt
haben, gestalten kann. Diese Angebote
wurden seither nicht genutzt. Doch seit
viele Zuwanderer im Land sind, deren
Kinder oft kein Deutsch können, wird der
Druck viel größer.
Ein interessanter Ansatz ist für mich
auch, Fortbildung als Incentive zu platzie-
ren. Fortbildung wird ja auch von vielen
Chefs gern genutzt. Wenn Mitarbeiter
beispielsweise Englisch lernen, dann ist
es zwar für ihren Job wichtig, aber man
hat auch privat etwas davon, was den
Incentive-Ansatz untermauert.
Hat man als Mitarbeiter ein Anrecht
auf Weiterbildung?
Linke: Jeder Arbeitnehmer hat in
Baden-Württemberg Anspruch auf fünf
Tage Bildungsurlaub im Jahr. Man kann
das auf zwei Jahre ansparen, sodass
man dann zehn Tage hat. Im Unterschied
zu anderen Bundesländern werden
in Baden-Württemberg nicht Einzel-
maßnahmen, sondern Bildungsträger
anerkannt. In anderen Bundesländern
können Arbeitgeber unter bestimmten
Voraussetzungen auch eigene Fortbil-
dungen auf den Bildungsurlaub anrech-
nen. Unternehmen, die weniger als zehn
Mitarbeiter haben, können den Bildungs-
urlaub ablehnen. Größere Unternehmen
können Bildungsurlaub ablehnen, wenn
schon zehn Prozent davon in Anspruch
genommen worden sind. Unabhängig
vom Anspruch auf Weiterbildung gefällt
mir die Argumentation „Es ist nicht nur
rechtlich festgeschrieben, sondern es
macht auch ganz viel Sinn“ noch besser.
Schlagwörter wie „Industrie 4.0“ oder
„Bildung 4.0“ sind en vogue. Welche
Qualifikationen sind auf dem Arbeits-
markt von morgen besonders gefragt?
Bayón: Vor allem mittelständische
Firmen sind nicht wirklich gut auf diese
Entwicklung vorbereitet. Sie wissen oft
nicht, wie sie neue Technologien mit
einer herkömmlichen Produktion oder mit
herkömmlichen Prozessen verknüpfen
können. Sie setzen auf eine kontinuier-
liche Weiterentwicklung anstatt sich zu
fragen: „Wo stehe ich in fünf oder zehn
Jahren?“ Versucht man diese Frage zu
beantworten, kommt man nicht umhin
den Nutzen von Digitalisierung, Indivi-
dualisierung und Dezentralisierung zu
diskutieren. Gerade die jüngere Gene-
ration legt starken Wert auf Freiräume,
Wertschätzung und gestalterische Dinge.
Unternehmen müssen ihren Mitarbeitern
Räume für Weiterbildung schaffen und
sie auf dem Weg zur dezentralen Arbeit
unterstützen.
Linke: Ich möchte noch so ein Schlag-
wort in die Runde werfen, das heißt
„Future Skills“. Ich war neulich bei einem
Workshop zu diesem Thema und da ha-
ben wir zuerst einmal das Wort „Future“
gestrichen, weil es eigentlich um Dinge
geht, die man schon jetzt braucht. Die
Basis ist eine natürliche Fachkompetenz.
Dazu kommt soziale Kompetenz. Wenn
man zum Beispiel räumlich getrennt
arbeitet, werden eine ganz andere Em-
pathie und ein stärkeres Einfühlungsver-
mögen benötigt. Eine wesentlich stärkere
Rolle als bisher wird Selbstkompetenz
spielen. Das heißt, sich selbst motivieren
zu können und Selbststeuerungsmecha-
nismen anzuwenden, um mit Frustration
fertig zu werden und die Persönlichkeit
zu stärken. Ich persönlich finde auch eine
gute Allgemeinbildung wichtiger denn
je. Nur ein breites Allgemeinwissen und
auch geschichtliches und politisches
Wissen versetzen einen in die Lage,
rasant stattfindende neue Entwicklungen
einordnen und bewerten zu können.
Allgemeinbildung und Wertebewusst-
sein geben Stabilität, Orientierung und
dienen als Leitplanken für die Entwick-
lung. Man muss sich auch zukünftig auf
das besinnen, was früher hochgehalten
wurde: Generalist zu sein und in der
Lage zu sein, sich immer wieder in neue
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Dinge rein zu finden. Das ist eigentlich
wichtiger denn je.
Bayón: Es ist schwer zu definieren,
was in fünf Jahren sein wird. Wird
unsere Arbeitswelt noch schnelllebiger,
und werden sich bestimmte Dinge noch
radikaler ändern? Wir wissen es nicht,
aber mit Sozial- und Selbstkompetenz
ist man gut für den Wandel vorbereitet.
Das ist das Entscheidende.
Linke: Zur Selbstkompetenz gehört,
dass man ein Selbstkonzept hat, indem
Lernen positiv besetzt ist. Dieses Thema
muss man schon früh mit auf den Weg
geben. Eigentlich schon im Kindergar-
ten bei den kleinen Kindern, weil diese
bereits die Motivation haben. Sie nicht
kaputtzumachen – das ist eigentlich der
entscheidende Punkt. Den Kindern zu
vermitteln: Lernen ist etwas Tolles. Das
ist auch etwas, was einen durch das
ganze Leben trägt. Es hilft außerdem,
Frust zu überwinden und durchzuhal-
ten. Hier zu motivieren, das ist unsere
Aufgabe.
Die Arbeitsanforderungen scheinen
immer komplexer zu werden und es
gibt einen Trend zur Höherqualifizie-
rung. Werden ungelernte Arbeitskräfte
und ältere Arbeitnehmer bald nicht
mehr benötigt?
Linke: Es darf nicht passieren, dass
ein Teil der Bevölkerung überflüssig
wird. Ich meine, dass man früh gute
Bedingungen schaffen sollte, dass jeder
Mensch im Rahmen seiner Möglich-
keiten eine gute Bildung mitbekommt.
Ich glaube, dass ist unstrittig. Aber
dennoch ist es so, dass nicht jeder die
Möglichkeiten hat, sich in gleicher Weise
und auf dem selben Niveau zu qualifi-
zieren. Ich finde, wir müssen differen-
zierter denken und zum Beispiel sehen,
dass es einen sehr hohen Bedarf an
Menschen gibt, die Dienstleistungen für
andere erbringen. Zum Beispiel im Ge-
sundheitsbereich oder in der Pflege. Wir
müssen eine gesellschaftliche Änderung
hinbekommen, Kompetenzen, die nicht
auf „Future Skills“ und Digitalisierung
ausgerichtet sind, höher zu schätzen
und auch materiell besser zu honorie-
ren. Dann ist auch keiner überflüssig,
weil es dann einfach individuelle Talente
und Begabungen zu erkennen gilt. Von
so einer Hierarchie, in der ein Studium
oder eine Promotion das Nonplusultra
sind, weg- und zu einem Gleichgewicht
zu kommen, würde dazu führen, dass
sich niemand mehr überflüssig fühlt.
Bayón: Es es gibt einen Unterschied
zwischen beruflicher und akademischer
Bildung und man sollte den Meister nicht
mit dem Master gleichsetzen. Trotz-
dem sollte eine akademische Bildung
per se nicht höher bewertet werden als
berufliche Bildung. Das ist eine Frage
der Gesellschaft, dass wir uns dessen
bewusst werden. Im Moment haben wir
ein Problem auf der Fachqualifikations-
ebene und leiden unter dem Mangel an
Fachkräften. Denken wir langfristig kann
es schon passieren, dass einfache oder
ungelernte Arbeitskräfte – ich sage es
einmal so wie vor dreißig Jahren – durch
den Computer ersetzt werden. Aber ge-
rade deswegen ist das Thema Bildung im
Kinder- und Jugendalter extrem wichtig.
Hier müssen wir motivieren, damit die
heutigen Kinder- und Jugendgenera-
tionen so qualifiziert sind, dass sie am
Arbeitsmarkt nicht verloren gehen.
Linke: Und dass man dran bleibt. Wir
sehen das aktuell an vielen Stellen, zum
Beispiel mit jugendlichen Flüchtlingen.
Die kommen hierher und sind im dualen
System sehr gerne gesehen. Wir führen
ein Vorbereitungsprogramm durch, in
dem sie Deutsch lernen. Die meisten
haben aber große Schwierigkeiten, das
B1- oder B2-Level zu erreichen. Dann
geht es darum, dass man sie nicht fallen
lässt und aussortiert, sondern sie durch
Weiterbildung und Begleitung in der
Ausbildung und im Berufsleben unter-
stützt, sodass sie dann im Rahmen ihrer
Möglichkeiten partizipieren können und
auch einen Beitrag leisten. Dazu gibt es
im Moment eine Bereitschaft, weil wir
einen Fachkräftemangel haben.
Wie können wir uns die kindliche Leich-
tigkeit des Lernens bis ins hohe Alter
bewahren?
Bayón: Ich glaube wir können uns den
Lernwillen vor allem bewahren, indem wir
uns frühzeitig mit dieser Frage beschäfti-
gen. Entscheidend ist, die Motivation zu
aktivieren, sodass man mit Freude lernt
und es nicht als Druck empfindet.
Linke: Es wird leider nicht klappen, die
kindliche Leichtigkeit hundertprozentig
zu behalten, denn das hat unter ande-
rem etwas mit Synapsenbildung zu tun.
Im Alter wird man einfach ein bisschen
träger. Aber ich glaube, man kann sich
selbst aktiv unterstützen, indem man nicht
aufhört, zu lernen und in keinem Moment
nachlässt, sondern immer in irgendeiner
Weise lernt. Es gibt immer etwas Neues
zu entdecken: Wir können Sportarten
lernen oder Kochrezepte ausprobieren
und damit den Lernprozess fördern. Hat
man Übung im Lernen, fällt es einem auch
leichter. Aktiv unterstützend für diejenigen,
die später einmal ins Berufsleben kom-
men. Und für die Kleinen, da gilt es die
intrinsische Motivation zu erhalten sowie
zu fördern und nicht zu zerstören.
Wie läuft das ab, wenn die intrinsische
Motivation zum Lernen bei Kindern
zerstört wird?
Linke: Das geht ganz einfach. Zum
Beispiel im Kindergarten, wenn zu Kin-
dern, die sich gerade mit etwas beschäf-
tigen, gesagt wird: „So jetzt ist Schluss.
Jetzt machen wir alle zusammen etwas
anderes. Wir malen jetzt“. Indem man
Kindern einfach nicht die Möglichkeit
lässt, sich wirklich konzentriert mit einer
Aufgabe auseinanderzusetzen und den
kindlichen Interessen nicht genug Raum
gibt. Mein Sohn hat zum Beispiel, als er
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09
Zur Selbstkompetenz gehört, dass man ein Selbstkonzept hat, indem Lernen positiv besetzt ist.
»Tatjana Linke
klein war, ein ganz tiefes Loch im Garten
gegraben und wollte sehen, ob er irgend-
wo auf der anderen Seite rauskommt.
Das hat eine Woche gedauert und wurde
später auch ein bisschen gefährlich, weil
man das Ganze abstützen musste. Im
Anschluss wurde ein Gartenteich daraus.
Das war eine ganz wichtige Erfahrung und
das Ergebnis hat am Ende auch gezeigt,
dass gute Rahmenbedingungen und eine
förderliche Umgebung zu schaffen, Kin-
dern Anregung bringt und sie unterstützt.
Es ist nicht wichtig, dass Kinder nur das
machen können, was sie wollen. Sie
brauchen auch ein Gegenüber, jemanden
mit dem sie über diese Dinge reflektieren
können und der ihnen weiterführende
Fragen stellt. Es gibt ein Projekt, das heißt
„Ich bin ich“ und findet in Kindergärten
statt. Dort möchte man erfahren, was
für ein Selbstkonzept Kinder haben. Es
gibt Klötzchen und den Kindern werden
Fragen gestellt, wie: „Kannst du gut Tur-
nen?“. Die Kinder können dann anhand
der Größe der Klötzchen zeigen, wie gut
sie in diesem Gebiet sind. Dabei wurde
festgestellt, dass sich das Selbstkonzept
von Kindern zu 100 Prozent von dem
von Eltern und Erziehern unterscheidet.
Kinder wissen genau, was sie können
und was sie nicht so gut können. Das ist
dann eben die Grundlage für Förderung.
Dass man Lernen als etwas Positives
empfindet, ist ein ganz wichtiger Punkt.
Wir reden ja auch viel darüber, was Kinder
mitbringen müssen, wenn sie in die
Schule kommen. Dann heißt es immer:
„Sie müssen wissen wo die Turnhalle ist“.
Ich bin anderer Meinung. Ich finde, die
Kinder müssen Lernen als etwas Positives
erfahren haben. Wenn man das geschafft
hat und das noch weiter unterstützen
kann, bekommt man das nicht mehr
kaputt. Das hält an und trägt durch das
ganze Leben.
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1010
Schon seit meiner Kindheit faszinieren mich Autos und Motor-
sport. Als Jugendlicher wollte ich beruflich irgendetwas rund
um das Thema Kraftfahrzeuge lernen. Wie bei so vielen kam
es aber auch bei mir ganz anders: Ich absolvierte eine Ausbil-
dung in der Rathausverwaltung mit anschließendem Studium
der Verwaltungswissenschaften.
Heute bin ich als Hauptgeschäftsführer der Handwerkskam-
mer Heilbronn-Franken immerhin auch für das Kfz-Handwerk
zuständig und konnte dadurch beispielsweise schon Gesel-
len- und Meisterprüfungen im Kfz-Handwerk live miterleben.
Die Branche hat in den letzten Jahrzehnten tolle Entwick-
lungen und Innovationen hervorgebracht und wird dies auch
in Zukunft tun. Man denke nur an das Antiblockiersystem,
Notbrems- und Spurhalteassistenten, Müdigkeitswarner oder
die Elektromobilität.
Trotz dieser herausragenden technischen Innovationen
üben auch Youngtimer und Oldtimer eine ganz besondere
Anziehungskraft auf mich aus. Sehr gerne würde ich eines
Tages ein Auto meines Geburtsjahrgangs 1973 mein Eigen
nennen. Vielleicht einen VW Käfer oder einen Ford Mustang.
Wenn es tatsächlich dazu kommen sollte, möchte ich aber
auch gerne selbst an diesem Fahrzeug herumschrauben
können. Deshalb möchte ich mich im Bereich Kfz-Technik
unbedingt noch fortbilden und lernen, wie man ältere Kraft-
fahrzeuge technisch und optisch in Schuss hält.
Ralf Schnörr, Hauptgeschäftsführer Handwerkskammer
Heilbronn-Franken
Heute schon gelernt?Was treibt Menschen an zu lernen? Welche Ziele stecken sie sich dabei und was möchten sie im Leben durch Lernen erreichen? Das Quarterly hat eine Schauspielerin, einen Personalleiter, eine Studentin und den Geschäftsführer der Handwerkskammer Heilbronn-Franken befragt.
Ich möchte die Frage umdrehen: Wann wäre denn der richtige
Zeitpunkt, um mit dem Lernen aufzuhören? Nach dem Studi-
um? Nach einem Jobwechsel? Nach der Familiengründung?
Nach Erreichen eines Alters von 40, 50 oder 60 Jahren?
Es fällt mir nicht schwer, immer mindestens einen Grund zu
finden, warum dies eben nicht der richtige Zeitpunkt wäre.
Folglich werde ich mein Leben lang lernen. Und aus der Sicht
einer Bankerin ist Bildung, und damit gleich gesetzt Erfahrung,
für mich eine, wenn nicht sogar die risikoloseste Anlagemög-
lichkeit.
Mara Stolle, Studentin LL.M. in Business Law an der GGS
Was möchte ich un-bedingt noch lernen?
Warum ist lebens-langes Lernen wichtig für Sie?
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1111
Seit einigen Monaten hält mich das Studium der Quanten-
physik in Atem. Aus Büchern, Vorträgen und Filmen erfahre
ich, dass höchstwahrscheinlich vieles, was ich über das,
„was die Welt im Innersten zusammenhält”, gelernt habe,
nicht stimmt. Weite ich meinen Blick, sehe ich, dass das
schon immer so war. Es gab Zeiten, da war die Erde eine
Scheibe, und Zeiten, in denen wir geglaubt haben, dass
unsere Gene alles bestimmen und unveränderlich festgelegt
sind. Ich helfe seit fast zwanzig Jahren Menschen, blockie-
rende gedankliche Konstrukte abzulegen. Wie ich die Welt
wahrnehme, hängt davon ab, was ich glaube. Ich nehme
Dinge, Eigenschaften und Umstände, an die ich nicht glaube,
schlicht nicht wahr.
Nun könnte es sein, dass unsere Welt eine 3D-Projektion von
im Universum gespeicherten Informationen ist, das Universum
ein Hologramm und von allem, was wir Materie nennen, gibt
es mehrere Möglichkeiten, bevor wir es durch unsere Beob-
achterrolle in eine bestimmte Form materialisieren. Mir gefällt
die Vorsicht, mit der Wissenschaftler den Konjunktiv benutzen:
„Es könnte sein...“. Es streichelt mich geradezu innerlich, dass
nicht einfach behauptet wird: Es ist so. Dann wird es von vie-
len geglaubt, bis neue Entdeckungen diesen Glauben wieder
ablösen und man in der Zeitung liest: Entdeckung! Es ist doch
anders, als wir dachten!
Ina Rudolph, Schauspielerin
…als erstes für die Flexibilisierung der Bildung eintreten.
Früher wurde oft nach Lehrberuf oder Studium ein Leben lang
im jeweiligen Fachgebiet gearbeitet. Heute benötigen wir deut-
lich mehr Anpassungsbereitschaft und eben auch -fähigkeit.
Das heißt, wir müssen organisations- und unternehmensüber-
greifend Möglichkeiten zur Querqualifizierung bieten und diese
gesellschaftlich anerkennen. Damit können wir Menschen aller
Altersklassen die Möglichkeit geben, ihre Qualifikation den
Bedürfnissen anzupassen. Industrie 4.0 und digitale Transfor-
mation führen am Arbeitsmarkt zu einer gewaltigen Nachfrage
an Software-Experten, die aktuell nicht gestillt werden kann.
Schmerzhaft spüren wir das bei technischer Software, die für
den Betrieb modernster Maschinen und im Kontext digitaler
Geschäftsmodelle wichtig ist. Wir müssen früh damit anfan-
gen, Kinder für Digitalisierung zu begeistern. Mit Smartphone
und Tablet kommen die meisten frühzeitig in Kontakt und
können damit umgehen. Entscheidend ist aber das Interesse
daran, wie die Geräte funktionieren. Hier muss schon in der
Grundschule die Basis geschaffen werden, um das Interes-
se der Kinder an Technik, Software und digitalen Medien zu
wecken. Auch in den Lehrberufen und in den Studiengängen
muss dieses Thema stärker integriert werden.
Als Minister würde ich den Austausch des Lehr- und Wis-
senschaftsbetriebs mit Industrie und den anwendenden
Organisationen forcieren. Damit könnten Lehrpläne frühzeitig
und flexibel den Bedürfnissen angepasst werden. Auch in
den späteren Phasen des Arbeitslebens muss dafür gesorgt
werden, dass digitale Medienkompetenz zur Bereicherung und
nicht zur Belastung wird. Hier gilt es, attraktive Angebote zur
Weiterbildung zu schaffen. Schließlich werden viele von uns
zukünftig deutlich länger leben, arbeiten und lernen. Dabei
bedarf es neben einem „Ohr am Markt“ auch der Bereitschaft,
mehr und gezielt in Bildung zu investieren. Weil die Karriere-
wege nicht mehr linear sein werden, müssen wir als Gesell-
schaft jedem die Möglichkeit zum Links- und Rechtsabbiegen
bieten. Deshalb setze ich mich für die Weiterbildung in allen
Lebensphasen ein. Und noch eines: Deutschland verfügt im
internationalen Vergleich über ein starkes duales Ausbildungs-
system. Das ist ein wesentliches Element unseres Erfolgs-
modells. Wir dürfen uns daher auch nicht von irgendwelchen
OECD-Statistiken ins Bockshorn jagen und in ein reines Studi-
ensystem zwängen lassen. Hier muss die Politik entschieden
widerstehen!
Oliver Kössel, Personalleiter WITTENSTEIN SE
Was haben Sie zuletzt gelernt?
Als Minister für Bil-dung und Forschung würde ich….
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121212
Lebenslanges
einer Pflicht
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131313
Lebenslanges
einer Pflicht
wird zuLernen
Interview mit Thomas Halder, Geschäftsführer
des Verbands der Privaten Hochschulen
Zur Person:Thomas Halder ist seit 2011 Geschäftsführer des Verbands der Privaten Hochschulen (VPH) in Heidelberg. Nach seinem Studium der Rechtswissenschaften in Tübingen arbeitete er von 1979 bis 2011 als Landesbeamter in Baden-Württem-berg, unter anderem in führenden Positionen des Kultusmi-nisteriums und als Amtschef im Ministerium für Arbeit und Soziales. Der Volljurist ist verheiratet, hat drei Töchter und wohnt in Schwäbisch Gmünd.
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Was fasziniert Sie besonders am
Wissenschaftsbetrieb?
Mich fasziniert einerseits, dass die For-
schung in unterschiedlichsten Bereichen
unser menschliches Wissen ständig
erweitert und andererseits, dass mittler-
weile – gerade an privaten Hochschulen –
vor allem durch berufsbegleitende, duale,
Teilzeit- und Fernhochschul-Studiengän-
ge Personen an das tertiäre Bildungs-
system herangeführt werden, die sonst
vermutlich nie ein Studium begonnen
hätten.
Viele werfen der Wissenschaft vor, im
Elfenbeinturm zu hausen. Wie kann
man die Wissenschaft einer breiten
Bevölkerungsschicht verständlich
machen?
Schon heute schafft es der Wissen-
schaftsbetrieb über Formate wie Tag
der offenen Tür, Nacht der Wissenschaft
oder laienverständliche Veröffentli-
chungen Verständnis zu wecken und
Informationen zu streuen. Mit dem Vor-
marsch der tertiären Weiterbildung wird
dies auch dadurch flankiert werden.
Bildung und Forschung sind in
Deutschland Ländersache. Ist das ein
Vorteil oder eher ein Nachteil im inter-
nationalen Wettbewerb?
Kirchturmpolitik ist nachteilig, Bildungs-
föderalismus als Wettbewerbsfödera-
lismus von Vorteil. Bund und Länder
arbeiten in der Kultusministerkonferenz
(KMK) oder der Gemeinsamen Wissen-
schaftskonferenz (GWK) eng zusam-
men. Im internationalen Wettbewerb
sind dezentrale Strukturen durch das
flächendeckende Vorhandensein gleich-
mäßiger Forschungs- und Hochschul-
landschaften von Vorteil, jedoch durch
weitgehendes Fehlen absoluter Hoch-
schul- und Forschungs-Leuchttürme
teilweise auch von Nachteil. Bund und
Länder versuchen hier mit verschiedenen
Hochschulpakten wie der Exzellenzini-
tiative entgegen zu steuern. Hinweisen
möchte ich an dieser Stelle, dass sich
die privaten Hochschulen durch die
bisher nicht gleichberechtigte Teilhabe
an den Hochschul-Förderprogrammen
in Bund-Länder-Vereinbarungen massiv
benachteiligt sehen.
Bei der Digitalisierung hinkt Deutsch-
land hinterher – inwiefern kann die
Wissenschaft dazu beitragen, einen
Vorsprung zu erarbeiten?
Die Hochschulen wirken im Hochschul-
forum Digitalisierung des Stifterverbands
für die Deutsche Wissenschaft zusam-
men. Dort wurde das Diskussionspapier
„20 Thesen zur Digitalisierung der Hoch-
schulbildung“ erarbeitet. Gerade die in-
novationsfreudigen, privaten Hochschu-
len marschieren hier mit Online-Campus,
Online-Vorlesungen, Fernhochschul-Stu-
diengängen voran und können Vorbild
für Wirtschaft und Verwaltungen sein.
Die Rahmenbedingungen für schnelles
Internet und Digitalisierung müssen aber
Staat und Kommunen bereitstellen.
Der deutsche Forschungsbetrieb
steht im internationalen Wettbewerb um
die besten Wissenschaftler. Was muss
passieren, damit Deutschland nicht den
Anschluss verliert?
Forscher benötigen ein Forschungsum-
feld, das ihnen praktisch „den Rücken
freihält“, um ihre Forschungen voran-
zutreiben: sachliche, regulatorische
und finanzielle Rahmenbedingungen,
Mitarbeiter und kooperierende Unterneh-
men. Dank der Unterstützung staatlicher
Programme gelingt es deutschen Hoch-
schulen und Forschungseinrichtungen
immer besser, mit ausländischen Einrich-
tungen erfolgreich zu konkurrieren.
Es gibt immer mehr Abiturienten und
damit auch Studenten. Dafür bleiben
zahlreiche Ausbildungsplätze unbe-
setzt. Wieso hat Ausbildung einen so
schlechten Stellenwert? Wie kann
man das ändern?
Die OECD-Vorgaben zu Abiturienten-
quoten missachten, dass außerhalb
Deutschlands die Berufsausbildung
meistens an Hochschulen und nicht
im dualen System, in den Betrieben,
stattfindet. Der Europäische und der
Deutsche Qualifikationsrahmen (EQR
und DQR) für lebenslanges Lernen
haben glücklicherweise schon eine
gewisse Gleichstellung (hoch)schulischer
und beruflicher (Aus-)Bildung bewirkt.
Außerdem wirken Handwerks- und
Industrie- und Handelskammern mit
Berufspraktika, Bildungspartnerschaften
und Kontaktbörsen auf ein positives Bild
von Ausbildungsberufen hin. Zusätzlich
könnte eine Schulpolitik, die mehr auf
die Förderung der unterschiedlichen
Talente als auf Gleichmacherei und Abi-
turientenschwemme setzt, das Ausbil-
dungsimage nachhaltig stärken.
Welche Ausbildungsform wird zukünf-
tig an Bedeutung gewinnen?
Die duale Ausbildung ist ein Export-
schlager Deutschlands und wird auch
künftig die bevorzugte Ausbildungsform
in Deutschland sein. Warum sollen die
oberen Klassen von Haupt- und Real-
schulen nicht noch mehr mit denen der
Beruflichen Schulen kooperieren bis hin
zur Verschmelzung? Auch die Flexi-
bilisierung der Studienangebote wird
eine bedeutende Rolle spielen, damit
Personengruppen den Zugang zum
Studium finden, die bisher aufgrund ihrer
Berufstätigkeit oder familiärer Aufgaben
kein klassisches Vollzeitpräsenzstudium
machen können.
Sie haben ein Studium der Rechts-
wissenschaften abgeschlossen
und danach zahlreiche Ämter in der
Politik ausgeübt. Wie wichtig ist für
Sie lebenslanges Lernen?
Lebenslanges Lernen ist unabdingbar
in jedem Beruf. Zu meinem Berufs-
start 1979 gab es weder Handy noch
Internet. Nur wer auf der Höhe der Zeit
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bleibt, wird seinen Arbeitsplatz dauer-
haft sichern können. Da das in Zukunft
für fast alle Arbeitnehmer gelten wird,
lässt sich festhalten, dass lebenslanges
Lernen zu einer Pflicht wird.
Wie werten Sie aktuell die Verknüpfung
von Wissenschaft und Wirtschaft? Ent-
stehen hier Abhängigkeiten, die nicht
gut sind?
Private Hochschulen kooperieren in
positiver Weise mit der Wirtschaft, etwa
bei der Trägerschaft, im Hochschulrat,
bei der Entwicklung praxisnaher Studi-
engänge, Praktika oder mit Dozenten
aus der Wirtschaft. Wirtschaftsnahe und
anwenderbezogene Forschung ist für die
Weiterentwicklung des Wirtschaftsstand-
orts Deutschland unabdingbar. Werden
die hier gegebenen Regeln eingehalten,
ist dies in keinster Weise zu beanstanden.
Zu guter Letzt: Welche Ziele haben
Sie sich persönlich als Geschäftsführer
des Verbands der Privaten Hochschu-
len gesetzt?
Ich möchte die plurale Hochschul-
bildung in Deutschland fördern und
dafür sorgen, dass private Hochschu-
len an wettbewerblichen staatlichen
Hochschul-Förderprogrammen und an
Wissenschaftsgremien gleichberechtigt
teilhaben können. Ein ganz persönlicher
Wunsch ist es, die Zahl der VPH-Mit-
gliedshochschulen von 14 in 2004
über 48 in 2011 und aktuell 79 auf
90 zu erhöhen.
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ls sie das fünfte Mal sex hatten … wird Ihnen kaum im Gedächtnis geblieben sein.
Jede Wette, dass Sie sich nicht mehr daran erinnern.
Genauso wenig wie an Ihren dreizehnten Schultag, den
sechsten Tag, als Sie Ihr neugeborenes Baby auf dem Arm
hatten oder den Tag, an dem Sie zum dritten Mal an einer Wahl
teilnehmen durften.
Nein, Sie erinnern sich an die Premieren! An die erste eigene
Wohnung. An das erste selbstverdiente Gehalt. An den ersten
Kuss, an die erste Freundin, an den ersten Urlaub ohne Eltern.
Mit deM alter niMMt die Zahl der PreMieren stetig abWir können uns an viele Premieren in unserem Leben erinnern.
Das sind fantastische Erinnerungen, die unser Leben enorm
bereichert haben. Ihnen wird es genauso gehen. Natürlich
erinnern wir uns an die Premieren genau deshalb so viel besser
als an das zweite oder dritte Mal, weil beim ersten Mal so viel
mehr Emotionen im Spiel waren. So funktioniert unser Gehirn:
Je emotionaler, desto tiefer der Eindruck, desto länger die Halb-
wertszeit der Erinnerung.
Aber wer hat gesagt, dass Premieren nur etwas für Ihre Ju-
gendzeit sind? Für die meisten Menschen gilt leider: Mit dem
Alter nimmt die Zahl der Premieren stetig ab. Und das nicht
16 Kolumne
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etwa, weil die Möglichkeiten beschränkt wären. Das Gegenteil
ist doch der Fall: Wenn Menschen älter werden, haben die
meisten sogar mehr Möglichkeiten, Geld und Gelegenheiten
etwas auszuprobieren. Aber dennoch vermeiden sie die neuen
Erfahrungen mehr und mehr und richten sich in den Erinne-
rungen an die Premieren der Vergangenheit ein.
das geheiMnis jung Zu bleibenDas ist kein kluges Konzept. Denn das Geheimnis jung
zu bleiben, besteht darin, immer wieder bewusst Premieren
zu suchen und sich förmlich in die ersten Male zu verlieben.
Werden Sie süchtig danach! Halten Sie es mit Mark Twain:
„Wirf die Leinen und segle fort aus deinem sicheren
Hafen. Fange den Wind in deinen Segeln. Forsche.
Träume. Entdecke.“
Werden sie süchtig nach PreMierenDenn es ist doch so: Sie sind nur so jung, wie die Anzahl der
Premieren, die Sie in Ihrem Leben zulassen. Wir stellen immer
wieder fest, dass die erfolgreichsten und interessantesten Men-
schen, die wir in den letzten 15 Jahren kennengelernt und über
die wir in unseren Büchern und Artikeln geschrieben haben,
eine Sache gemeinsam haben: Sie brennen für Premieren!
Sie treiben das Neue an, selbst wenn das Alte noch bestens
funktioniert. Wie zum Beispiel René Redzepi, der Küchenchef
und Mitbesitzer des Noma in Kopenhagen. Oder wie Gisbert
Rühl vom Stahlhändler Klöckner & Co. aus Duisburg.
Sie lernen von anderen Branchen und kombinieren Geschäfts-
modelle. Wie zum Beispiel der schweizerische Matratzen-
hersteller, der Mikrochips in Matratzen baut und mit ihnen
zur person:Anja Förster und Dr. Peter Kreuz sind Bestseller-autoren und Managementberater. In einem Um-feld der Digitalisierung, Disruption und tiefgreifen-den Veränderung unterstützen sie Führungskräfte und ihre Teams, erfolgreich zu navigieren und fit für das Morgen zu sein.
www.foerster-kreuz.com.
Besuchen Sie das erste Mal eine Konferenz oder Messe, die Sie noch nie besucht haben! – Premiere!
Gehen Sie einfach mal mit jemand aus Ihrer Firma zum Essen, mit dem Sie noch nie zusammen gearbeitet, diskutiert oder gesprochen haben! – Premiere!
Setzen Sie ein Projekt auf, das es so in Ihrem Unternehmen oder gar Ihrer Branche noch nie gegeben hat! – Premiere!
Machen Sie eine völlig andere Art von Urlaub – Rucksack, Luxus, Camping, Hiking, Trampen, AirBnB, Tauchen, Angeln, Kreuzfahrt – in Ländern, in denen Sie noch nie zuvor waren! – Premiere!
Probieren Sie eine neue Sportart aus! – Premiere!
Besuchen Sie eine Stadt, ein Museum, ein Konzert, eine Oper, ein Theater, ein Fußballspiel, einen Fast-nachtsumzug, einen Gottesdienst, einen Shop, ein Restaurant, wo Sie noch nie zuvor waren! – Premiere!
Flottenmanagement betreibt. Oder wie der mittelständische
Büroartikelhersteller, der eine Flatrate für Büromaterial erfindet.
Sie arbeiten mit ungewöhnlichen Partnern. Wie zum Beispiel
das Krankenhaus, das mit Ferrari kooperiert.
Alles, was Sie brauchen, ist ein kleines bisschen Mut, um ein
kleines bisschen verrückt zu sein. Ihr Lohn dafür ist, dass Sie
sich Ihr Funkeln in den Augen bewahren.
Werden sie Wieder süchtig nach PreMieren!
reMierentiPPs
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as Tempo, mit dem unser Wissen umgeschlagen,
erneuert und teilweise auch wieder entsorgt wird,
hat sich dramatisch erhöht. Früher haben sich
solche Erneuerungszyklen über Generationen
erstreckt. Und diese langen Zeiträume entließen die Gestalter
von Bildungsprozessen gewissermaßen aus der individuellen
Verantwortung, mit der jeweiligen Entwicklung Schritt halten zu
müssen. Denn: Beim Wissen und beim Vermitteln hinterherzu-
hinken hatte nur geringe Auswirkungen, wirkte vielleicht schrul-
lig oder allenfalls veraltet und ein wenig aus der Zeit gefallen
– aber eben nicht komplett überholt.
Das hat sich massiv geändert. Die Gefahr, als einzelner Leh-
render oder als gesamte Bildungsinstitution heute komplett
abgehängt zu werden, ist längst real und allgegenwärtig. Denn
wenn es irgendwo auf der Welt jemanden gibt, die oder der
besser erklärt, moderner vermittelt und Neueres weiß, dann
werden heutige Lernende als digital natives diesen Menschen
auftreiben und sein Wissen und didaktisches Können in Ver-
gleich zu den eigenen Lehrerinnen und Lehrern setzen.
Klingt nach einer Bedrohung? Vielleicht – aber bei genauerer
Betrachtung überwiegen doch die Chancen und Vorteile. Das
fängt bei der eigenen Beweglichkeit an: Die Kompetenz zum
lebenslangen Weiterlernen muss von Lehrenden nicht mehr
nur vermittelt, sie muss auch selbst gelebt und immer wieder
überprüft werden. Sich nicht behaglich auf dem didaktischen
Wissensstand der eigenen Ausbildung einrichten zu können,
führt im besten Fall zu einer verstärkten Selbstreflexion und
gesteigerter fachlicher und didaktischer Aufmerksamkeit: Das
höhere Tempo der Wissensgenerierung durch disruptive Pro-
zesse würde damit für bessere Lehrstrategien sorgen.
Vorteil Nr. 2: Auch Lernende sind stärker gefordert, müssen
flexibler agieren und reagieren – und bereiten sich damit auf
genau das Szenario vor, das im zukünftigen Arbeitsalltag
erwartet werden kann. Wer heute Kompetenzen erwirbt, die
für noch unbekannte Berufsbilder und Tätigkeiten nutzbar sein
sollen, der darf sich durch den Umgang mit Unsicherheiten,
Unklarheiten und schnellen Veränderungen nicht irritieren oder
abschrecken lassen. Sich diese Selbstsicherheit im eigenen
Handeln schon früh im Bildungsprozess aneignen zu können,
ist ein echtes Plus mit nachhaltigen Effekten.
Und dann gibt es noch einen dritten Vorteil, den disruptive
Entwicklungen auf die Wissenskultur haben. Sie machen
eindrücklich klar, wie vergänglich ein bestimmter Entwicklungs-
stand sein kann – und werden damit zum Warnsignal, sich
nicht auf dem auszuruhen, was als gesichert und festbetoniert
wahrgenommen wird. Wissen und Technologie, Gesellschaft
und Kommunikation sind in Bewegung und werden mutmaßlich
nicht mehr zur Ruhe kommen. Gut, wenn uns das Wissen um
diese kontinuierliche Veränderung immer wieder in Erinnerung
gerufen wird.
Das alles klingt nach Lernprozessen, die in Zukunft deutlich an-
strengender für alle Beteiligten werden, könnte man einwenden.
Eine andere Formulierung ist aus meiner Sicht jedoch pas-
sender: Das Lernen wird pädagogischer und didaktischer, es
wird individueller und damit nachhaltiger. Natürlich müssen sich
Bildungsinstitutionen dafür verändern, reformieren und neue
Wege gehen. Na und? Viel zu lange haben sich Akteure im
Bildungssektor auf dem ausgeruht, was sie gelernt und dann
DDDisruptive Prozesse verändern die Wissenskultur. Welche Chancen bietet das für die Bildung?Ein Kommentar von Armin Himmelrath
E c h t e s P l u sE c h t e s P l u sm i tm i t
E f f e k t e nE f f e k t e nn a c h h a l t i g e nn a c h h a l t i g e n
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Armin Himmelrath ist Bildungs- und Wissenschaftsjour-
nalist in Köln und arbeitet unter anderem für Spiegel On-
line, WDR und Deutschlandfunk. Er ist außerdem Autor
mehrerer Sachbücher zu bildungspolitischen Themen.
Zuletzt erschienen: „Berufsschulen auf dem Abstellgleis.
Wie wir unser Ausbildungssystem retten können“ (mit
Katharina Blaß) und „Fake News. Ein Handbuch für
Schule und Unterricht“ (mit Julia Egbers).
Disruptive Prozesse verändern die Wissenskultur. Welche Chancen bietet das für die Bildung?Ein Kommentar von Armin Himmelrath
n a c h h a l t i g e nn a c h h a l t i g e n
Zur Person:Zur Person:
als dauerhaft gesetzt betrachtet hatten. Doch das war schon
früher eine Illusion – und jetzt wird sie, endlich, als Trugschluss
spürbar. Lernen ist (und war schon immer) ein dynamischer
Prozess, und zwar nicht nur auf Seiten der Lernenden, sondern
auch bei denen, die Wissen und Kompetenzen weitergaben
und vermittelten. Gute Lehrer haben das gespürt und verstan-
den, aber die Umstände erlaubten es eben auch den weniger
Guten, trotzdem im Lehrberuf zu bestehen. Wenn sich hier
durch die äußeren Wandlungen der Druck erhöht, Lehre und
Unterricht nicht von irgendwem, sondern nur noch von den am
besten Geeigneten durchführen zu lassen, ist das so ziemlich
das Beste, was dem Bildungssektor passieren kann.
Ob es gelingt, diejenigen auch zu finden, hängt dann noch
einmal von ganz anderen Faktoren ab. Da geht es unter ande-
rem um das Image von wissensvermittelnden Berufen, um die
finanziellen Rahmenbedingungen von Bildungsinstitutionen und
nicht zuletzt um Arbeitsbedingungen, die die Wertschätzung
gegenüber Lehrenden und Forschenden deutlich machen. Hier
anzusetzen, ist eine notwendige Folgerung aus den Befunden
zu den sich wandelnden Bildungsprozessen. Das tastende
Vorangehen mit dem Mut zur Wandlung und zum Irrtum sollte
also nicht nur innerhalb von Lehreinrichtungen, sondern auch in
der Bildungs- und Wissenschaftspolitik und darüber hinaus in
der gesamten Gesellschaft geübt und praktiziert werden. Denn
ohne die Bereitschaft, nachhaltige Bildung im oben beschrie-
ben Sinn umfassend zu ermöglichen und abzusichern, droht
Stillstand – und der wäre sofort ein Rückschritt. Wir haben die
Chance, das zu verhindern. Nutzen wir sie.
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Führung will gelernt seinFührung will gelernt seinDer Leingartener Unternehmer Fabian Hauff setzt auf
Weiterbildung – bei sich selbst und seinen Mitarbeitern.
Von Jürgen Paul
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Fabian Hauff hätte es sich einfach machen können. Als Unternehmer-sohn hätte er nach der Schule in den elterlichen Holzfachmarkt einstei-
gen und diesen irgendwann komplett übernehmen können. Doch Fabian Hauff ist keiner, der sich gerne ins gemachte Nest setzt. Er geht lieber seinen
eigenen Weg, auch wenn dieser länger und unbequemer ist.
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Führung will gelernt seinFührung will gelernt seinVon Jürgen Paul
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as war schon zu Schulzeiten
so. Nachdem Fabian Hauff die
Realschule in Schwaigern ab-
geschlossen hatte, wollte er unbedingt
noch etwas draufsatteln. Also ging er
aufs Wirtschaftsgymnasium nach Heil-
bronn und machte dort sein Abitur.
Den Zivildienst leistete er im Rettungs-
dienst beim Deutschen Roten Kreuz
ab – keine leichte Aufgabe, aber eine
Tätigkeit, die Fabian Hauff viel füs Leben
gebracht hat.
Nach Abitur und Zivildienst wusste der
junge Mann nicht so genau, wie es
weitergehen sollte. Klar war ihm ledig-
lich, dass ein Einstieg ins Unternehmen
seines Vaters (noch) nicht in Frage kam.
„Als Juniorchef wäre ich dort entweder
in Watte gepackt oder von den Kollegen
nicht wirklich respektiert worden“, sagt
der 32-Jährige rückblickend. Beides
wollte Hauff unbedingt vermeiden – und
entschied sich 2007, an der Dualen
Hochschule in Mosbach Holzbetriebs-
wirtschaft zu studieren. Damit war der
Pfad ins Familienunternehmen angelegt,
der allerdings erst 2013 zum Ziel führte.
Denn nach dem Studium zog es Fabian
Hauff erst einmal weg vom Unterland.
Beim bayerischen Holzhändler Thalho-
fer begann er seine berufliche Karriere,
lernte dort die Holzbranche kennen.
In Hof und in Nürnberg hat Hauff das
Geschäft „von der Pike auf gelernt“.
„Da wusste ich recht schnell, dass mir
der Beruf Spaß macht und eine Zukunft
hat“, erinnert sich Hauff. Im Vertrieb und
im Innendienst übernahm Fabian Hauff
bei Thalhofer schnell Verantwortung,
führte ein kleines Team mit zwei Mitar-
beitern. In dieser Zeit baute er sich auch
ein Netzwerk auf – „davon profitiere ich
noch heute“, sagt Hauff.
Nach dreieinhalb Jahren in Bayern, in
denen Hauff auch konjunkturell schwie-
rige Phasen erlebt hatte, spürte der
damals 27-Jährige, dass es Zeit wird
für den nächsten Schritt. „Karrieremäßig
ging es in Nürnberg nicht mehr weiter,
auch weiterbilden konnte ich mich dort
nicht so, wie ich es mir gewünscht
hätte“, blickt Hauff zurück. Sein Vater
Werner Hauff war damals überzeugt,
dass seine Söhne – Fabians Bruder
Sebastian ist vier Jahre älter und heute
ebenfalls Geschäftsführer – nun in der
Lage sind, Verantwortung im Familien-
unternehmen zu übernehmen. „Ich habe
mich reif gefühlt“, erinnert sich Fabian
Hauff. Die Jahre fernab von zu Hause
haben ihm einen unverstellten Blick auf
die Branche und den Beruf ermöglicht,
D
den er so in Leingarten wohl nie be-
kommen hätte.
Im April 2013 war es schließlich so-
weit. Fabian Hauff stieg ins elterliche
Unternehmen ein, aber nicht gleich als
Geschäftsführer, sondern zunächt als
Prokurist. Das war ein wichtiges Zeichen
für die Belegschaft, dass hier nicht der
neue Chef kommt, der alles besser weiß
oder alles anders machen will. Aber
eben auch keiner, der vom Holzhandel
und den Gegebenheiten in der Branche
keine Ahnung hat. „Ich war auf Augen-
höhe mit den Kollegen, konnte von An-
fang an überall mitreden“, erinnert sich
Fabian Hauff an diese wichtige Zeit.
Ganz bewusst hat der Sohn des Chefs
zunächst auch keine konkrete Zustän-
digkeit im Betrieb übernommen. „Ich
habe mir alle Prozesse und Abläufe im
Unternehmen in aller Ruhe angeschaut
und mir meine Gedanken gemacht“, be-
richtet Fabian Hauff. Mit seinem Wissen
aus dem Studium und seiner beruflichen
Erfahrung hat er schnell erkannt, wo es
Verbesserungspotenzial im bisher eher
traditionell geführten Betrieb gibt. So hat
Hauff unter anderem eine EDV-gestützte
Tourenplanung eingeführt und dafür
gesorgt, dass die moderne Technik dafür
eingesetzt wird, die Betriebsabläufe zu
optimieren. Die Aufträge werden nun bei-
spielsweise automatisch an die zustän-
digen Mitarbeiter geleitet – digital, ohne
den aufwendigen Papierkram von früher.
Fabian Hauff ist überzeugt: „In zwei bis
drei Jahren haben wir ein volldigitalisier-
tes Lagersystem.“ Seit Mitte 2017 führt
Fabian Hauff gemeinsam mit seinem
Bruder Sebastian die Geschäfte bei
Wir haben so viele verschiedene Bereiche im Unter-
nehmen, da sollte jeder Mitarbeiter Bescheid wissen» «
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Holz-Hauff, Vater Werner Hauff mischt
als Prokurist noch mit. Fabian kümmert
sich um die Bereiche Lager, Logistik,
Bearbeitung, Buchhaltung und IT, Se-
bastian verantwortet Verkauf, Einkauf,
Marketing und Personal. Die Brüder
wissen, dass sie das Unternehmen
Stück für Stück modernisieren müssen,
um wettbewerbsfähig und zukunftsfest
zu bleiben. Die Digitalisierung ist für
einen Mittelständler wie Holz-Hauff eine
enorme Herausforderung. Doch den
Geschäftsführern ist auch bewusst, dass
man die Beschäftigten mitnehmen muss,
schließlich lösen Veränderungsprozesse
gerade bei altgedienten Mitarbeitern mit-
unter Ängste und Verunsicherung aus.
Entsprechend wichtig sind Fabian Hauff
die Themen Führung und Fortbildung.
„Ich war und bin immer bereit, mich
fortzubilden“, sagt der Geschäftsfüh-
rer. Nur wenn man selbst als Vorbild
vorangeht, kann man auch von seinen
Mitarbeitern verlangen, dass sie offen
sind für Qualifizierung und Fortbildung.
Hier kamen Fabian Hauff seine guten
Kontakte zur German Graduate School
of Management and Law (GGS) in Heil-
bronn zu Gute. Im Rahmen der Executi-
ve Education nahm der Geschäftsführer
2016 am GGS-Programm „Leadership
Certificate“ teil. „Das Studium war
schon sechs Jahre her, da hatte ich das
Bedürfnis, mich fortzubilden“, erinnert
sich der Unternehmer. Im Mittelpunkt
des intensiven einwöchigen Programms
stand das Thema Führung. „Wie kann
ich meine eigene Führung verbessern?“
Diese Frage war zentral für Fabian Hauff.
Das Programm an der GGS hat ihm viel
gebracht. „Mein Bewusstsein in Füh-
rungsfragen und im Umgang mit den
Mitarbeitern wurde geschärft“, sagt der
Geschäftsführer. Auch der Austausch
mit den anderen Teilnehmern, die aus
unterschiedlichen Branchen kamen, hat
Hauff als spannend empfunden.
Für seine Arbeit im eigenen Unterneh-
men hat Fabian Hauff einige Impulse
und Instrumente aus dem GGS-Seminar
mitnehmen können. Gleichwohl weiß
der Geschäftsführer, dass Fort- und
Weiterbildung trotz der enormen Fülle
an Angeboten im Alltagsstress häufig
zu kurz kommen. „Das geht manchmal
unter“,räumt er ein. Deswegen beschäf-
tigt sich Fabian Hauff auch in seiner
knapp bemessenen Freizeit mit Fach-
und Branchenthemen, um auf der Höhe
der Zeit zu sein.
Im Unternehmen wollen Fabian und
Sebastian Hauff eine gewisse Weiterbil-
dungskultur einführen, ohne die Mitarbei-
ter zu gängeln oder zu überfordern. So
gibt es seit einigen Monaten das interne
Programm „Von Kollegen für Kollegen“.
Dabei geht es schlicht darum, dass
erfahrene Mitarbeiter jüngere Kollegen
an ihrem theoretischen und praktischen
Know-how teilhaben lassen. Und zwar
abteilungsübergreifend und authen-
tisch. „Wir haben so viele verschiedene
Bereiche im Unternehmen, da sollte
jeder Mitarbeiter Bescheid wissen“, sagt
Hauff. Ziel sei es, die Mitarbeiter aus
ihrer Komfortzone herauszuholen und sie
fit für die anstehenden Veränderungen zu
machen. Die Geschäftsführer wollen ihre
100 Mitarbeiter auch ermutigen, selbst
die Initiative zu ergreifen und Seminare
zu beantragen. „Wir wollen das forcie-
ren“, betont Fabian Hauff.
Breites Wissen über das Unternehmen
und die Geschäftsabläufe sollen auch
die Auszubildenden bei Holz-Hauff ver-
mittelt bekommen. Die 14 Lehrlinge
in den Berufen Groß- und Außenhan-
delskaufmann und -kauffrau, Fachkraft
für Lager und Logistik, Holzbearbei-
tungsmechaniker und IT-Kaufmann
durchlaufen alle Abteilungen im Familien-
unternehmen, um stets das große Ganze
im Blick zu behalten. Und natürlich
respektieren es die Geschäftsführer,
wenn sich ein Lehrling nach der Berufs-
ausbildung weiterentwickeln möchte
und studieren geht – auch wenn er dem
Betrieb dann verloren geht. „Aber bisher
konnten wir immer alle Stellen besetzen“,
betont Fabian Hauff. Schließlich bietet
das Unternehmen dem engagierten
Nachwuchs eine Menge Entwicklungs-
möglichkeiten – Weiterbildung inklusive.
Informationen zum Unternehmen:
Holz-Hauff wude 1933 von Karl Hauff gegründet.
Das Familienunternehmen gilt heute als einer der
führenden Holzhändler für den gewerblichen und
privaten Bereich in der Region. Geführt wird die
Firma von Fabian (32) und Sebastian Hauff (36)
in vierter Generation. Fabian Hauff ist verheira-
tet und hat einen kleinen Sohn. In seiner Freizeit
treibt er gerne Sport, auch der Urlaub mit der
Familie ist dem Unternehmer sehr wichtig.
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vom wissensvermittler zum lernbegleiter
Es gibt kaum einen Gesellschaftsbe-
reich, der nicht vom digitalen Wandel
durchdrungen wird. Das gilt auch für
Hochschulen. Digitale Medien und Tech-
nologien nehmen Einfluss darauf, wie
wir lernen, lehren und forschen.
Das Spektrum reicht vom Einsatz digi-
taler Medien in der Präsenzlehre, über
Online-Lernplattformen bis hin zu kom-
plett virtualisierten Lernumgebungen.
Die Gegenüberstellung von analog und
digital weicht zunehmend auf. Statt-
dessen wird zukünftig die Integration
digitaler Technologien in die Lehre eine
der zentralen Aufgaben von Hochschu-
len sein.
Digitale Bildungsrevolution
Als 2008 der erste Massive Open Online
Course (MOOC) mit über 2000 Teilneh-
menden durchgeführt wurde und die
New York Times 2012 das MOOC-Jahr
ausrief, war die Rede von einer digitalen
Bildungsrevolution. Es wurden grund-
legende Veränderungen im Bildungs-
system propagiert, die bis zum Ende
der Präsenzlehre an den Hochschulen
reichten. In den folgenden Jahren
wurden weltweit tausende Online-Kurse
entwickelt und über Plattformen wie
edX, Coursera und Udacity mit hundert-
tausenden Teilnehmenden durchgeführt.
Inhalte werden in diesen Kursen multi-
medial vermittelt, beispielsweise durch
Lehrvideos und Online-Konferenzen.
Das Besondere ist, jede Person, die
über eine E-Mail-Adresse verfügt, kann
sich – egal wo sie auf der Welt sitzt – zu
den Kursen anmelden. Das ermöglicht
den Austausch mit einer internationalen
Lerngemeinschaft.
Digitales Lernen hält zunehmend Einzug
in die betriebliche Weiterbildung. Dabei
stehen die neuen Formate aus Unter-
nehmenssicht für skalierbaren und effi-
zienten Wissenstransfer. Sie bieten die
Möglichkeit, zeit- und ortsunabhängig
zu lernen und das Lernen besser in das
Berufs- und Privatleben zu integrieren.
Berufstätige sehen darin die Möglich-
keit, berufsrelevante Kompetenzen zu
erlangen, sich zu vernetzen und ihre
Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu
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von Karina Piersig
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Über den einsatz digitaler bildungsformate
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erhöhen. Bei der Bereitstellung digitaler
Lernangebote für das lebenslange Ler-
nen von Studierenden und Arbeitneh-
menden können insbesondere Business
Schools mit ihren engen Verbindungen
zu Wirtschafts- und Industrieunterneh-
men eine wichtige Rolle einnehmen.
Herausforderungen meistern
Trotz der beschriebenen Potentiale ist
die Verwendung digitaler Werkzeuge
kein Garant für effizientes Lernen. Zwar
steigen die Anzahl und die Popularität
digitaler Formate rapide an, aber feh-
lende Lernmotivation der Teilnehmenden
und hohe Abbruchquoten stellen seit
Beginn eine große Herausforderung dar.
Ein wesentlicher Grund ist die oft man-
gelnde Qualität der Angebote. Digitale
Lehre ist nicht automatisch besser als
analoge Lehre. Denn wie in der traditi-
onellen Lehre hängt der Erfolg digitaler
Lernformate von der didaktischen
Ausgestaltung ab. Technologische In-
novationen führen somit nur zum Erfolg,
wenn sie in sinnvolle Lernstrategien
eingebettet sind.
Hinzu kommt, dass die Entwicklung und
Produktion technologiebasierter Lern-
umgebungen aufwendig und kostspielig
ist. Es gibt zwar bereits eine Vielzahl von
Einzelprojekten, aber es bedarf noch im-
mer erheblicher Anstrengungen, um die
Mehrwerte digitalen Lernens flächen-
deckend zu implementieren. Anstatt den
digitalen Wandel als ein zusätzliches
Ärgernis zu begreifen, sollte er als ein
Lösungsansatz für bestehende Heraus-
forderungen angesehen werden. Die
Frage, ob sich digitales Lernen durch-
setzen wird, stellt sich damit nicht mehr,
sondern nur noch die Entscheidung, ob
die Hochschulen den digitalen Wandel
aktiv mitgestalten wollen.
Innovation in der Lehre
Vor diesem Hintergrund setzte die
GGS die entsprechenden Ressourcen
für die Entwicklung eines neuen Lehr-
und Lernformats frei. Ziel war es, das
interaktive, praxisnahe Lehrprofil der
Business School in die Online-Welt
zu überführen und den Anspruch an
qualitative und vor allem innovative
Lehre zu untermauern. Das Ergebnis
ist der Online-Kurs „Human Resource
Management in the Digital Age“, der als
Pflichtmodul im MBA-Programm der
GGS curricular verankert ist, und im
Herbst 2016 erstmals stattfand.
Der Kurs beleuchtet, wie sich die Digita-
lisierung auf zentrale Funktionsbereiche
im Personalwesen auswirkt und bietet
den berufsbegleitenden Studierenden
ein flexibles Format, das die Komplexität
der digitalen Arbeitswelt widerspiegelt.
Im Kurs werden selbstorganisiertes
Lernen, kollaborative Arbeitsweisen und
virtuelle Teamzusammenarbeit geschult.
Die Studierenden arbeiten über Foren
und Chats und mittels digitaler Tools
zusammen, lösen interaktive Grup-
penaufgaben und bilden kleine Lern-
gruppen. Dabei ist der Kurs neben den
GGS-Studierenden auch für externe
Teilnehmer mit Interesse an den Themen
Personalmanagement, Digitalisierung
und digitale Bildung geöffnet.
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Digitale Lehre gestalten
Unsere Praxis hat gezeigt, der Einsatz digitaler Formate in der
Lehre ist kein Selbstzweck. Nur mit einem schlüssigen didak-
tischen Konzept können digitale Medien die Wissensvermitt-
lung bereichern und die Kompetenzbildung steigern. Daraus
ergeben sich folgende Empfehlungen:
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Mit Hilfe von Lehrvideos, Videokonferenzen oder Livestreams können Unternehmenspartner in den
virtuellen Seminarraum eingeladen werden, um wertvolle Einblicke in die Praxis zu geben und per Chat
Fragen der Studierenden zu beantworten. Die Fähigkeit, mit digitalen Werkzeugen umzugehen, sollte
durch ergänzende Tutorials oder Live-Veranstaltungen geschult werden, um Frust zu vermeiden und
eine positive Lernerfahrung zu gewährleisten.
Technische Schwierigkeiten und Unsicherheiten im Umgang mit digitalen Werkzeugen sind Teil der
Lernerfahrung. Der MOOC bietet einen sicheren Ort zum Ausprobieren und Experimentieren.
Die Rolle des Lehrenden verschiebt sich vom Wissensvermittler zum Lernbegleiter. Während die medial
aufbereiteten Inhalte jederzeit zur Verfügung stehen, moderiert und steuert er – just in time – die Zusam-
menarbeit in den Gruppen und unterstützt die individuellen Lernprozesse der Teilnehmenden.
Während des Kurses sollte mit Hilfe von Learning Analytics der Lernfortschritt der Teilnehmenden sowie
der Lerngruppen ermittelt werden, um eine zeitnahe und zielgerichtete Unterstützung bieten zu können.
Ein aktives Community Management ist für eine gute Kursdynamik wesentlich, auch wenn es mit erheb-
lichen personellen Ressourcen einhergeht.
Formate wie der GGS-MOOC lassen sich effektiv in die Präsenzlehre integrieren. In sogenannten Blended
Learning Szenarien bauen jeweils analoge und digitale Lerneinheiten aufeinander auf und werden
auf diese Weise optimal miteinander verzahnt.
digitales lernen kultivieren
An vielen Hochschulen sind bereits Experimentierräume
für neue, digitale Lehr- und Lernszenarien entstanden. Oft
beschränken sich die Aktivitäten jedoch auf wenige Leucht-
turmprojekte. Diese entstehen meist parallel zum regulären
Lehrbetrieb und werden von ambitionierten Einzelpersonen
vorangetrieben, leider allzu oft ohne nachhaltigen Erfolg. Um
die Potentiale digitaler Lehre flächendeckend zu nutzen und
die neuen Formate in die Studienprogramme zu integrieren,
müssen übergreifende Strategie- und Veränderungsprozesse
angestoßen werden. Die sinnvolle Nutzung von Technolo-
gien in der Hochschulbildung ist nicht nur von vorhanden
technischen Infrastrukturen und medial aufbereiteten Inhal-
ten abhängig. Voraussetzung sind zentrale Entscheidungen
auf strategischer Ebene. Medienlabore und Strukturen für
unterstützendes Personal müssen aufgebaut, Weiterbildungs-
programme für das Lehrpersonal entwickelt und durchgeführt
sowie Anreizsysteme geschaffen werden. Nur dann entwi-
ckeln sich Hochschulen von einer lehrenden zur lernenden
Organisation. Digitales Lehren und Lernen will gelernt sein.
Mehr zum GGS-MOOC unter: https://www.ggs.de/digihrm/
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Projektmanagement für Rechtsdienstleister in der Digitalen Transformation
Modul 2: Projektmanagement bei Transaktionen - Ablauf und Anwendungsfälle | 19.-20.10.2018
Das Management von komplexen Rechtstransaktionen stellt eine große Herausforderung hinsichtlich Kon-zeption und Durchführung dar. Dabei gilt es, unterschiedliche Beteiligte und Informationen zu verknüpfen und effizient zu steuern. Um diese Aufgaben erfolgreich zu meistern, werden erfolgreiche Projektmanagement-Kon-zepte vorgestellt und deren Umsetzung auf das juristische Projekt- und Transaktionsmanagement anhand von Praxisbeispielen vermittelt.
Dozenten: Prof. Dr. Heinz-Theo Wagner, Professor für Management und Innovation, GGS Prof. Dr. Martin Schulz, Professor für deutsches und internationales Privat- und Unternehmensrecht, GGS Modul 3: Projektmanagement in der juristischen Wertschöpfungskette | 23.-24.11.2018
Dieses Modul gibt einen Überblick über die Bestandteile des rechtlichen Risikomanagements in Unternehmen. Außerdem werden die Grundelemente eines effektiven Compliance-Management-Systems (CMS) vermittelt und die Projektschritte beim Aufbau eines CMS im Unternehmen vorgestellt. Im Kapitel „Internal Investigation“ lernen die Teilnehmer die Vorbereitung, Begleitung und Nachbereitung interner Durchsuchungen sowie das erforderliche Krisenmanagement im Rahmen behördlicher Untersuchungen kennen.
Dozenten: Prof. Dr. Martin Schulz, Professor für deutsches und internationales Privat- und Unternehmensrecht, GGS Dr. Michael Holzhäuser, Rechtsanwalt, Partner der Kanzlei Ashurst, Frankfurt am Main
Leadership Masterclass
Digital Marketing Bootcamp für Führungskräfte | 22.-23.11.2018
Digitales Marketing für Führungskräfte bedeutet, aktuelle Trends und Innovationen in der technologischen Ent-wicklung für das Digitale Marketing frühzeitig zu erkennen und Wettbewerbsvorteile zu sichern. Aber auch die Arbeitswelt und deren Prozesse unterliegen einem Kulturwandel. Mitarbeiter erwarten Kommunikation und Mo-tivation. Das Bootcamp unterscheidet sich deshalb von klassischen Seminaren oder Workshops und nutzt agile Elemente wie das Arbeiten mit Business Model Canvas, World Caffee, Fishbowl, Sketch Notes und Mock-Ups.
Dozent: Norbert Barnikel, Experte für Digital Marketing Transformation
Das Seminarangebot der Executive Education ist vielseitig und reicht von individuell konzipierten Inhouse-Schulungen für Unternehmen über offene Seminare und Zertifi-katslehrgänge bis hin zu langfristigen Projekten des berufsbegleitenden Lernens.
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uch den Marketing Abteilungen sitzt
seit geraumer Zeit das Gespenst
Digitalisierung im Nacken. Unsere Welt
wird rasanter und tiefer denn je tech-
nologisiert. Der Lifestyle, das Kauf- und
Nutzungsverhalten der Kunden adaptiert
dies. Sie verlangen immer mehr – aktiv
wie passiv – nach digitalisierten Pro-
zessen und Services. Darum werden
Arbeitsgruppen gegründet, neue Stellen
und Verantwortlichkeiten geschaffen
und Mottos wie „Digital first“ ausgege-
ben. Trotzdem gelingt es den meisten
tradierten Unternehmen noch nicht über
mehr oder weniger gelungene Einzelpro-
jekte hinaus zu kommen. Es fehlen we-
sentliche Dynamiken in Strategie, Investi-
tion und vor allem bleiben viele Prozesse,
insbesondere im Marketing, tradiert und
nicht mehr zeitgemäß. Woran liegt das
und was sollten wir dagegen tun?
In vielen Marketing-Abteilungen aber
auch in Agenturen arbeitet man häufig
noch im finsteren Mittelalter des Digital-
Marketings. Das erlebe ich in meinen
über 200 Seminartagen pro Jahr und in
der Beratung nahezu täglich. Das Tages-
geschäft hat vorrangigen Stellenwert
– weit vor Veränderung, Innovation und
kontinuierlicher Weiterentwicklung. Dabei
ist das Tagesgeschäft häufig fern vom
aktuellen Kundenbedarf und beschäftigt
sich mit Interna, Prozessen und Inhalten,
die irgendwann festgelegt wurden, aber
längst überholt sind. Man hört und liest
Digital Marketing in der Transformation: Agilität und Dynamik sind gefordert.
zwar von datengetriebenem, automati-
siertem Arbeiten, Chat-Bots, künstlicher
Intelligenz und Algorithmen. Es bleibt
aber nach theoretischen oder halbher-
zigen Versuchen am Ende doch beim
Stillstand. Ein exzellentes Beispiel dafür
ist die DSGVO, die bekanntlich verpflich-
tend ist und zwei Jahre Vorlaufzeit hatte.
Kurz vor der Einführung wurden wir dann
„überrascht“ und die Panik zog in die
Marketing-Abteilungen ein. Sorry Marke-
ters. Aber das ist typisch. Hört auf, die
Getriebenen zu sein und fangt stattdes-
sen an zu treiben.
Deshalb möchte ich in diesem Artikel auf
wichtige Säulen des Digital Marketings
eingehen, die sich dringend ändern oder
verbessern müssen, und für die I H R
anfangen solltet zu kämpfen – am besten
gestern. Dabei handelt es sich um Kun-
dennutzen – Technologie – Plattformen
– Arbeitsweisen.
Den Einsatz von Marketingtechnologien
verbindet man zuerst mit dem Wunsch
nach Performance-Orientierung. Man
trifft Entscheidungen anhand der KPIs,
die auf aktuellen Zahlen, Daten und
Fakten beruhen. Die kontinuierliche An-
passung der Kanäle und Inhalte sind hier
der Weg zum Erfolg. Zum anderen steht
Marketing-Automation, also halb- oder
vollautomatisiertes Abarbeiten definierter
Prozesse im Fokus der Marketer. Idealer-
weise in Echtzeit.
Beides bedeutet Aufwand und Investiti-
onen für Unternehmen. Die Umstellung
fällt nicht leicht. Zumal für beide Einsatz-
gebiete mittlere bis große, aber valide
Datenmengen benötigt werden. So
argumentieren „analoge“ Unternehmen
meist auf eine der beiden Arten.
„Wir haben zu viele Daten, das können
wir nicht handeln“ – das passiert, zum
Beispiel wenn jahrelanger Investitions-
stau in moderne Technologien, massive
Datensilos fabriziert hat.
Oder das Gegenteil: „Wir haben zu
wenig Daten, dadurch bekommen wir
nicht ausreichend Daten“ – das passiert
durch mangelnde Weitsicht und Investi-
tionsstau, Reichweitengenerierung und
insbesondere Markenbildung. Und genau
hier trifft der Lösungsansatz. Wir müssen
uns mit Technologie künftig wesentlich
schneller auseinandersetzen, offene
Möglichkeiten finden, die zu uns passen,
und vor allem Investitionsstau vermeiden.
Weniger als die Hälfte aller Unternehmen
hat sich bisher mit e-commerce, Platt-
formökonomie und modernen Vertriebs-
methoden beschäftigt. Sie setzen weiter-
hin auf: „Gute Produkte und Lösungen
findet der Kunde schon von selbst“ oder:
„Wir haben Vertriebspartner, wir können
doch nicht …“. Das sind gefährliche
Werte in einer digitalen Welt, die nichts
dergleichen verzeiht.
A
von Norbert Barnikel
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Digital Marketing in der Transformation: Agilität und Dynamik sind gefordert.
MARKETING AUTOMATION – Soft-
ware für regelbasierte, immer häufiger
mit künstlicher Intelligenz versehene
Kampagnenprozesse, die den Nutzer
profilieren und ihm individualisierte und
hoch personalisierte Informationen und
Produkte auf seinen Devices und je nach
Ausbaustufe, Omni-Channel ausspielen.
> Warum brauche ich das?
Weil die Individualisierung von komple-
xen Datenmengen nur mit Automati-
sierung gelingt. Außerdem entscheiden
Kunden eigenständig, wann, wo und
welche Informationen und Angebote
sie erhalten möchten. Mittelgroße und
große Adressdatenbanken können
unmöglich manuell gepflegt werden.
Mit Marketing Automatic qualifiziert sich
der Kunde durch seine Interaktion mit
uns selbst. Wir können mittels Scoring
und Bewertung der jeweiligen Kunden-
Aktionen feststellen, wohin die Reise in
der Beziehung geht.
Eintönige, sich wiederholende Tätig-
keiten werden dadurch im Marketing
reduziert, fallen im Idealfall weg und
schaffen endlich Freiraum für die ele-
mentare Aufgabe, die das Marketing
leider zu oft hintanstellen muss: Den
Kundennutzen.
> Ist es schon perfekt im Einsatz?
Marketing Automation und seine Funk-
tionen sehe ich, insbesondere wegen
des künftig hohen Einsatzgrades der
künstlichen Intelligenz, als eine Brücken-
technologie. Allerdings eine mit hohem
Reifegrad. Insbesondere marktführende
Lösungen lassen kaum Wünsche offen.
Lediglich die Usability der Administrati-
onsbereiche ist oftmals extrem komplex
und gewöhnungsbedürftig.
PLATTFORM ÖKONOMIE - Google,
Facebook, Amazon und andere wesent-
liche Plattformen des zweiten und dritten
digitalen Zeitalters arbeiten verstärkt
am „vendor log-in“. Das bedeutet, dass
wir uns immer mehr auf die großen
Plattformen verlassen müssen, weil sich
dort, und nur dort, die Menschen auf-
halten. Google setzt verstärkt Services
wie Cards, Snippets oder Accelerated
Mobile Pages in der Suchmaschine ein,
die Klicks zur Website weitestgehend
obsolet machen. Mit den von künstlicher
Intelligenz gesteuerten Instrumenten
Google Ads, Google Marketing Plat-
Technologien und Methoden
für erfolgreiches Digital-
Marketing
Digitalisierung in deutschen Unternehmen
Pioniere, Wegbereiter und
Ressourcen und Kompetenzen
Modus Vivendi, Digitale Denker,Hohe Unternehmensdurchdringung
Verständnis fürRelevanz & Priorität
Verweigerung und Ablehnung
51%
12%
37%
AVANT GARDE
KOMPETENT
DINOSAURIER
ExcELLENcE
AKZEPTANZ
Hohe Software- und Implementierungs-
kosten schrecken den Mittelstand ab.
Leider wird dadurch der Investitionsstau
und die Schere zu den digitalen Unter-
nehmen immer größer. Insbesondere
Entscheider, die keine Digital Natives
sind oder in einem Umfeld der Digitalen
Avantgarde oder Excellence denken und
handeln, müssen deshalb dringend an
ihrem Skill- und Mind-Set feilen.
Disruption und Innovation kommen meist
von außen, weil uns intern die Kapa-
zitäten, der Mut und der tatsächliche
Wille zum Change fehlen. Das sollten wir
ändern.
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form und Google Ad Manager setzt das
Unternehmen den Werbemarkt erneut
unter Druck. Ähnliches versuchen Fa-
cebook und Co. mit ihren Messengern
und entsprechenden Formaten wie in
Plattform-landing-pages. Amazon ist
der Shopping-Suchkanal Nummer 1
geworden und erweitert täglich sein
Sortiment und seine Service-Bandbreite,
insbesondere mit Alexa. Die Gesetz-
mäßigkeiten der Plattformökonomie
basieren auf Verdrängung und Monopoli-
sierung. Das setzt langsame, konservativ
agierende Unternehmen über kurz oder
lang Schachmatt.
> Warum brauche ich das?
Reichweite und Kunden, die sich gezielt
informieren oder kaufen, gewinnt man
kaum noch auf anderem Weg als durch
Cross-Plattform Präsenz. Aber Achtung!
Aus meiner Sicht kann man nirgends
so schnell Geld im Marketing verbren-
nen wie hier. Halten sie Ihre Customer-
Journey also immer präsent, messen Sie
diese permanent und entscheiden Sie
danach, wo sie am meisten Erfolg für Ihr
Budget haben.
Jede Plattform hat Stärken und Re-
geln, die uns nützen. Eignen Sie sich
fundiertes Fachwissen an, nutzen Sie
die klaren Vorteile der Plattformen.
Adaptieren Sie deren Stärken für Ihre
eigene Strategie und Kanäle. Und im
Idealfall nutzen Sie deren Schwachstel-
len für sich. Lange schon plädiere ich
dafür, dass sich deutsche Unternehmen
zusammenschließen, eigene Plattformen
gründen und den internationalen Playern
Konkurrenz machen. Dabei gilt es keine
Klone zu erstellen, sondern einmalige
neue Plattformen zu entwickeln.
> Ist es schon perfekt im Einsatz?
Etwa 15 Prozent der Unternehmen
verstehen bereits die Notwendigkeit,
konzentrieren sich aber wieder einmal
der Einfachheit halber auf one-size-fits-
all-Strategien. Und das funktioniert eben
nicht für die digitalen Kunden. Indivi-
dualität auf den Plattformen und der
Fokus auf „Stars“ und „Cash Cows“,
anstatt Masse, erfordern Investitionen
und Umdenken.
POST-WEB – Keine andere Technologie
hat bisher so schnell den Modus Vivendi
erreicht wie digitale Assistenten und
ChatBots mit Sprachein und -ausgabe.
Augmented und Virtual Reality haben
in Nischen ebenfalls ihre Anwendung
gefunden, warten aber noch auf den
großen Technologie-Sprung, um ganz
nach oben zu kommen. Typische Marke-
ters leben aber immer noch im WWW-
SocMed-geschriebenes-Wort-Zeitalter.
Vielleicht ist das ein Grund warum ich
diesen Artikel noch tippe, anstatt ihn auf
Podcast, Video oder anderen Medien
zu veröffentlichen. Die Website „ist