lippstädter stadt-rundgänge · marktkirche (groß) st. marien, geweiht vor 1221 durch bernhard...

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Lippstädter Stadt-Rundgänge Altstadt-Rundgang Städtisches Heimatmuseum 3 3 Das historische Lippstadt entdecken Altstadt-Rundgang Wasser-Rundgang

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Page 1: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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Städtisches HeimatmuseumDas Gebäude wurde nach dem dritten großen Stadtbrand1656 als Fachwerkgiebelhaus errichtet. Es ist eines derschönsten erhaltenen Bürgerhäuser des Rokoko Westfalens.Das für die damalige Zeit ungewöhnlich repräsentative Hauswurde zunächst vom Stadtkommandanten J. E. von Pöllnitzbewohnt, der hier auch Gottesdienste der reformiertenGemeinde abhalten ließ.

Später prägte die Familie Rose, insbesondere Johann ConradRose, Justizrat und „Samtrichter“, dieses Haus über Genera-tionen hinweg (1684 bis 1799). Er ließ es kunstvoll ausstattenund verschaffte dem Gebäude so sein heutiges Aussehen.

Seit 1929 wird das Haus als Museum genutzt. Unter denumfangreichen Beständen aus der Geschichte Lippstadtsbis in die jüngere Zeit erwartet den Besucher eine Sammlungalten Spielzeugs. In den mit Stuckdecken reich verziertenRäumen des Obergeschosses wird der Gast von einem„Hauch von Luxus“ umweht, den eine Sammlung von Fächernaus aller Welt verbreitet.

Die hinter Ihnen liegende Parkplatzfläche war früher bebaut.Hier befand sich lange Zeit die Lippstädter Brauerei W. Nies.

Etwas Mystisches haftet dem Gebäude seit dem Jahr 2006an, als es nach den Recherchen eines Fernsehmagazins alsGeburtshaus des berühmten englischen Freibeuters HenryMorgan bezeichnet wurde. Der Beweis hierfür konnteallerdings bis heute nicht geliefert werden.

Nr. 4Ackerbürgerhaus

3Cappelstraße

Alte Ansicht von der Rathausstraße aus gesehen

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Marktplatz

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Heimat-museum

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Acker-bürgerhaus

Das historische Lippstadt entdecken

Altstadt-RundgangWasser-Rundgang

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Vorab ein WortBürgermeister Sommer unddas Team vom FachbereichStadtentwicklung und Bauen

Ein Blick in die StadtgeschichteFrau Dr. Becker, Stadtarchivarin

Zeittafel

Der Altstadt-Rundgang26 Stationen durchdie historische Innenstadt

Der Wasser-Rundgang14 Stationen entlang der Lippe

ImpressumVielen Dank

Karte mit den StandortenUmschlag

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Inhalt

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An der konzeptionellen Entwicklung, dem Zusammen-tragen des geschichtlichen Hintergrundwissens undder finanziellen Unterstützung waren beteiligt:

die Mitglieder vom Heimatbund Lippstadtdie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des FachbereichsStadtentwicklung und Bauen der Stadt Lippstadtdie Mitarbeiter des BaubetriebshofesSEMPER GRAPHIK-DESIGN, Lippstadtlippstädter werbewerkstattBRANNEKEMPER Metallgestaltung

Volksbank Lippstadt

Land Nordrhein-Westfalen,Ministerium für Bauen und Verkehr

Impressum

Herausgeber:Stadt LippstadtFachbereich Stadtentwicklung und BauenOstwall 159555 Lippstadt

Fotos:Stadt Lippstadt, Volksbank Lippstadt

Druck:Druckerei Harlinghausen, Lippstadt

1. Auflage, Oktober 2008© Stadt Lippstadt

Alle Rechte der Verbreitung einschließlich der Bearbeitung fürFilm, Funk, Fernsehen, CD, DVD, der Übersetzung, Fotokopie unddes auszugsweisen Nachdrucks und Gebrauchs im In- und Auslandbleiben vorbehalten.

Vielen Dank

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Vorab ein Wort

Die Altstadt von Lippstadt hat eine Menge zu bieten. Die über 800-jährige interessante Geschichte, aber auch die Entwicklung der letztenJahrzehnte sind an vielen Orten ablesbar.

Die Lippstädter Stadt-Rundgänge sollen Sie anregen, die Altstadt zuentdecken. Sie können aber auch das Venedig Westfalens, wie Lippstadtebenfalls bezeichnet wird, entlang der Wasserläufe erkunden. An deneinzelnen Punkten der Rundgänge haben Sie die Möglichkeit, sichüber die Geschichte der Stadt und ihrer Gebäude, alte Infrastrukturen,Aspekte des städtischen Lebens, Entwicklungen des Handwerks,Kirchen, die kulturelle Vergangenheit oder auch über frühereStadtbefestigungen oder den Hochwasserschutz zu informieren.Natürlich finden auch Anekdoten und volkstümliche Überlieferungenihren Platz.

Der Altstadt-Rundgang mit insgesamt 26 Tafeln hat eine Länge vonca. 3,4 km. Der Wasser-Rundgang ist mit weiteren 14 Stelen ca. 4,4 kmlang (die Rückkehr von der letzten Tafel zum Startpunkt auf demRathausplatz mit eingerechnet).

Selbstverständlich können Sie an jeder Stelle mit Ihrem Rundgangbeginnen, eine andere Reihenfolge wählen oder auch einmal eineAbkürzung nehmen. Die Nummerierung der einzelnen Schilder dientder Orientierung. So können Sie, wenn Sie Ihren Rundgang einmalunterbrechen müssen, ihn später schnell wieder an der jeweiligenStelle aufnehmen oder einzelne Punkte, auch in dieser Broschüre,leichter wieder finden.

Durch die beschilderten Stadt-Rundgänge wollen wir Ihnen einen vielseitigen und abwechs-lungsreichen Eindruck derLippstädter Altstadt vermit-teln. Auf den wenigen Tafeln lässt sich die Stadtgeschichtejedoch nur in Ausschnittendarstellen.

Bitte nutzen Sie daher auch noch das zusätzliche Angebot derpersönlich geführten Stadtführungen oder vertrauen Sie PAULA,einem elektronischen Guidesystem, das voraussichtlich ab 2009 zurVerfügung stehen wird. Nähere Informationen gibt es in der Stadt-und Kulturinformation im Rathaus, Telefon 02941/58515 oder imInternet unter www.lippstadt.de. In der Stadtinformation erhaltenSie auch weiteres Infomaterial zur Stadt und ihrer Geschichte.

Viel Spaß!

Ihr Bürgermeister

Christof Sommer unddas Team vom Fachbereich Stadtentwicklung und Bauen

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Das untere KanalwehrDas untere Kanalwehr ist 1985 im Zuge der Hochwasser-schutzmaßnahmen für Lippstadt als Ersatz für ein altes, zugering dimensioniertes Wehr errichtet worden.

Das alte Wehr hatte die Aufgabe, einen ausreichend hohenWasserstand im Kanal für die Schifffahrt zu gewährleisten.Das heutige Bauwerk dient dazu, den mit dem Kanalwasser-stand korrespondierenden Grundwasserstand bei niedrigerund mittlerer Wasserführung gleichmäßig hoch zu halten.Dies ist unbedingt erforderlich, weil viele Gebäude im Umfeldauf Holzpfählen gegründet sind. Ständige Schwankungendes Grundwasserspiegels würden zur schnelleren Zersetzungder Holzpfähle führen. Das Wehr hat also unmittelbareBedeutung für die Standsicherheit der zuvor genanntenGebäude. Daneben wirkt die durch den Aufstau vergrößerteWasserfläche im Schifffahrtskanal positiv auf das Stadtbild.

Bei Hochwasser werden die zwei so genannten Fischbauch-klappen gelegt, so dass der für das Hochwasser erforderlicheAbflussquerschnitt freigegeben wird. Das Wehr ist auf einenHochwasserabfluss von 190 cbm/s ausgelegt. Bildlichgesprochen fließen dann 1.200 Badewannenfüllungen in einerSekunde über das Wehr.

31Nr. 32Kanustrecke

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3029

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5

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KanustreckeWasserradBurgmühle

Burgstraße

ehem.Synagoge

Stiftsruine

Stiftspastoratund Torhaus

SteinwerkHochwasser-schutz

Kanalwehr

Soeststraße

Cappelstr.

Stiftsfreiheit

Burgstraße

Kolpingstraße

Lagerplatz

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Alte Ansicht vom Kanalwehr

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Lippstadt entwickelte sich zur Stadt etwa zwischen 1185und 1220, als mit der Verleihung des Stadtrechts durchden Edelherrn Bernhard II. zur Lippe die Gründungsphaseeinen ersten Abschluss fand. Obwohl die Herrschaft schon1196 an den Sohn Hermann II. übergegangen war, wurdedas Stadtrecht im Namen seines Vaters ausgestellt. DieStadt wurde als diejenige Bernhards II. angesehen, demdamit der maßgebliche Anteil an der StadtwerdungLippstadts zukommt.

Doch schon vorher, spätestens in der Mitte des 12.Jahrhunderts, bestand hier eine Kaufmannssiedlung mitMarkt um St. Nicolai. Die Kirche brannte nachweislichum 1177 ab und wurde 1182 wieder aufgebaut. DieseSiedlung und eine weitere um den Sitz der lippischenEdelherren wurden zu Stadtteilen der schnell wachsendenLippstadt, die Stifts-, Markt-, Nicolai- und Jakobihofenhießen.

Zu den frühesten kirchlichen Einrichtungen gehören dasum 1185 gegründete Augustiner-Chorfrauen-Stift mit derKirche (Klein) St. Marien, heute Stiftsruine, und dieMarktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durchBernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobials weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281 gründete Friedrichvon Hörde das Kloster der Augustiner-Eremiten und 1435entstand aus einem Beginenhaus das Kloster derAugustinerinnen, St. Annen Rosengarten.

Die Stadt gedieh zunächst prächtig und spielte auchüberregional eine Rolle. Spätestens seit der Übergabe desStadtrechts um 1220 wurden hier Jahrmärkte abgehaltenund Münzen geprägt. Um 1230 sind die ersten Ratsherrenurkundlich belegt. 1253 gründeten Lippstadt, Dortmund,Münster und Soest den 'Werner Bund' zum Schutz desregionalen Handels. 1255 wurde die Stadt Mitglied imgroßen Rheinischen Städtebund. Seit etwa 1280 gehörtesie der Hanse an.

Aus der Verpfändung der Stadt durch die lippischenStadtherren an den Grafen von der Mark 1376 entstandwä h re n d d e r S o e s t e r Fe h d e ( 1 4 4 4 - 4 9 ) d i e"Samtherrschaft". Damit hatte Lippstadt von 1445 bis 1851stets zwei Stadtherren: die Lipper und die Märker, derenHerrschaft über das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg im 17.Jahrhundert an Brandenburg-Preußen überging. DieSoester Fehde und andere kriegerische Ereignisse hattendie positive Entwicklung Lippstadts unterbrochen. DieStadt wuchs für lange Zeit nicht mehr weiter.

Ein Blick in die Stadtgeschichte

Lippstadt historischvon Dr. Claudia Becker,Leiterin Stadtarchiv Lippstadt

Bereits 1524 wurde in Lippstadt durch denAugustinermönch Johannes Westermann, der inWittenberg studiert hatte, die Reformation eingeführt.In diesem Zusammenhang kam es seit 1531 zuAuseinandersetzungen mit den Stadtherren. Die Stadtunterlag und musste 1535 zahlreiche Einschränkungenihrer bisherigen Rechte hinnehmen.

Mehrere große Stadtbrände suchten Lippstadt im Laufeder Zeiten heim, so bereits 1177, 1209 und 1310. Im 17.Jahrhundert brannte es dann gleich dreimal, 1644, 1656und 1676. Dem zweiten Feuer fielen über 300 Häuserzum Opfer, weshalb nur wenige Gebäude aus frühererZeit erhalten sind. Aus der Wiederaufbauphase stammteine ganze Reihe von Fachwerkhäusern, so in derRathaus- und Poststraße.Im 30-jährigen Krieg erlebte Lippstadt wechselndeBesatzungen durch pfalzneuburgische, kaiserliche undhessische Truppen. Lange Zeit bestimmten Militär undGarnison das Erscheinungsbild der nach 1666 zurgrößten Festung zwischen Rhein und Weserausgebauten Stadt. Nach Ende des SiebenjährigenKrieges wurden die Festungswerke geschleift .Garnisonsstadt aber blieb Lippstadt mit kurzenUnterbrechungen auch weiterhin.

In der Zeit der französischen Herrschaft 1806-13 wurdedie Nicolaikirche 1807 an die katholische Gemeindeübergeben. Sie hatte seit der Reformation kein eigenesGotteshaus gehabt und war Gast im Kloster St. Annen-Rosengarten, das 1814 aufgehoben wurde. 1817 entstandder Kreis Lippstadt und die Stadt wurde Kreissitz.

Bis ins 19. Jahrhundert hatte die Einwohnerzahl etwa3000 betragen, nicht mehr als in der Blütezeit im 13.Jahrhundert. Erst zur Zeit der Industrialisierung wuchsdie Stadt deutlich über ihre mittelalterlichen Grenzenhinaus. Mehrere große Unternehmen siedelten sich hieran und sind zum Teil bis heute tätig. 1850 erfolgte derAnschluss an die Eisenbahn. Damit verlor die erst kurzzuvor erfolgte Schiffbarmachung der Lippe bereitswieder an Bedeutung.

Im Zweiten Weltkrieg blieb Lippstadt trotz mehrerer fürdie Rüstung tätiger Betriebe von Bombenangriffenweitgehend verschont. Die Einwohnerzahl stieg durchZwangsarbeiterInnen sowie durch Flüchtlinge ausausgebombten Städten und – nach dem Krieg – aus denOstgebieten bis auf fast 29.000 im Jahr 1947 an. Durchdie Gebietsreform 1975 verlor Lippstadt den Kreissitz anSoest, wurde aber durch zahlreiche Eingemeindungenwesentlich vergrößert. Die Einwohnerzahl liegt heutebei etwa 72.000.

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Lippstadt entwickelte sich zur Stadt etwa zwischen 1185und 1220, als mit der Verleihung des Stadtrechts durchden Edelherrn Bernhard II. zur Lippe die Gründungsphaseeinen ersten Abschluss fand. Obwohl die Herrschaft schon1196 an den Sohn Hermann II. übergegangen war, wurdedas Stadtrecht im Namen seines Vaters ausgestellt. DieStadt wurde als diejenige Bernhards II. angesehen, demdamit der maßgebliche Anteil an der StadtwerdungLippstadts zukommt.

Doch schon vorher, spätestens in der Mitte des 12.Jahrhunderts, bestand hier eine Kaufmannssiedlung mitMarkt um St. Nicolai. Die Kirche brannte nachweislichum 1177 ab und wurde 1182 wieder aufgebaut. DieseSiedlung und eine weitere um den Sitz der lippischenEdelherren wurden zu Stadtteilen der schnell wachsendenLippstadt, die Stifts-, Markt-, Nicolai- und Jakobihofenhießen.

Zu den frühesten kirchlichen Einrichtungen gehören dasum 1185 gegründete Augustiner-Chorfrauen-Stift mit derKirche (Klein) St. Marien, heute Stiftsruine, und dieMarktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durchBernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobials weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281 gründete Friedrichvon Hörde das Kloster der Augustiner-Eremiten und 1435entstand aus einem Beginenhaus das Kloster derAugustinerinnen, St. Annen Rosengarten.

Die Stadt gedieh zunächst prächtig und spielte auchüberregional eine Rolle. Spätestens seit der Übergabe desStadtrechts um 1220 wurden hier Jahrmärkte abgehaltenund Münzen geprägt. Um 1230 sind die ersten Ratsherrenurkundlich belegt. 1253 gründeten Lippstadt, Dortmund,Münster und Soest den 'Werner Bund' zum Schutz desregionalen Handels. 1255 wurde die Stadt Mitglied imgroßen Rheinischen Städtebund. Seit etwa 1280 gehörtesie der Hanse an.

Aus der Verpfändung der Stadt durch die lippischenStadtherren an den Grafen von der Mark 1376 entstandwä h re n d d e r S o e s t e r Fe h d e ( 1 4 4 4 - 4 9 ) d i e"Samtherrschaft". Damit hatte Lippstadt von 1445 bis 1851stets zwei Stadtherren: die Lipper und die Märker, derenHerrschaft über das Herzogtum Jülich-Kleve-Berg im 17.Jahrhundert an Brandenburg-Preußen überging. DieSoester Fehde und andere kriegerische Ereignisse hattendie positive Entwicklung Lippstadts unterbrochen. DieStadt wuchs für lange Zeit nicht mehr weiter.

Ein Blick in die Stadtgeschichte

Lippstadt historischvon Dr. Claudia Becker,Leiterin Stadtarchiv Lippstadt

Bereits 1524 wurde in Lippstadt durch denAugustinermönch Johannes Westermann, der inWittenberg studiert hatte, die Reformation eingeführt.In diesem Zusammenhang kam es seit 1531 zuAuseinandersetzungen mit den Stadtherren. Die Stadtunterlag und musste 1535 zahlreiche Einschränkungenihrer bisherigen Rechte hinnehmen.

Mehrere große Stadtbrände suchten Lippstadt im Laufeder Zeiten heim, so bereits 1177, 1209 und 1310. Im 17.Jahrhundert brannte es dann gleich dreimal, 1644, 1656und 1676. Dem zweiten Feuer fielen über 300 Häuserzum Opfer, weshalb nur wenige Gebäude aus frühererZeit erhalten sind. Aus der Wiederaufbauphase stammteine ganze Reihe von Fachwerkhäusern, so in derRathaus- und Poststraße.Im 30-jährigen Krieg erlebte Lippstadt wechselndeBesatzungen durch pfalzneuburgische, kaiserliche undhessische Truppen. Lange Zeit bestimmten Militär undGarnison das Erscheinungsbild der nach 1666 zurgrößten Festung zwischen Rhein und Weserausgebauten Stadt. Nach Ende des SiebenjährigenKrieges wurden die Festungswerke geschleift .Garnisonsstadt aber blieb Lippstadt mit kurzenUnterbrechungen auch weiterhin.

In der Zeit der französischen Herrschaft 1806-13 wurdedie Nicolaikirche 1807 an die katholische Gemeindeübergeben. Sie hatte seit der Reformation kein eigenesGotteshaus gehabt und war Gast im Kloster St. Annen-Rosengarten, das 1814 aufgehoben wurde. 1817 entstandder Kreis Lippstadt und die Stadt wurde Kreissitz.

Bis ins 19. Jahrhundert hatte die Einwohnerzahl etwa3000 betragen, nicht mehr als in der Blütezeit im 13.Jahrhundert. Erst zur Zeit der Industrialisierung wuchsdie Stadt deutlich über ihre mittelalterlichen Grenzenhinaus. Mehrere große Unternehmen siedelten sich hieran und sind zum Teil bis heute tätig. 1850 erfolgte derAnschluss an die Eisenbahn. Damit verlor die erst kurzzuvor erfolgte Schiffbarmachung der Lippe bereitswieder an Bedeutung.

Im Zweiten Weltkrieg blieb Lippstadt trotz mehrerer fürdie Rüstung tätiger Betriebe von Bombenangriffenweitgehend verschont. Die Einwohnerzahl stieg durchZwangsarbeiterInnen sowie durch Flüchtlinge ausausgebombten Städten und – nach dem Krieg – aus denOstgebieten bis auf fast 29.000 im Jahr 1947 an. Durchdie Gebietsreform 1975 verlor Lippstadt den Kreissitz anSoest, wurde aber durch zahlreiche Eingemeindungenwesentlich vergrößert. Die Einwohnerzahl liegt heutebei etwa 72.000.

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1177Zeittafel

Lippstädter Geschichte im Überblick

6 71808

1478-1506 Bau des Hallenumgangchors der Marktkirche St. Marien

1524 mit Predigten des Augustinermönchs Dr. Johannes Westermann Beginn der Reformation

1531-1535 nach Unruhen Unterwerfung unter die StadtherrenJohann II. von Kleve und Simon V. zur Lippe

1541 Geburt des jüdischen Gelehrten David Gans

1542 Übergabe des Augustiner-Eremiten-Klosters an die Stadt

1644 dritter Stadtbrand

1618-48 wechselnde Besatzungen in der Stadt; Ausbau der Festung

1656 vierter Stadtbrand

1659 Gründung einer reformierten Gemeinde

1662 Übereignung der renovierten Kirche und eines Teils des Augustiner-Eremiten-Klosters an die reformierte Gemeinde ("Garnisonskirche”)

1673 Fleckfieberseuche

1676 fünfter Stadtbrand

1748 privates jüdisches Bethaus und Judenfriedhof erwähnt

1757/58 Besetzung der Stadt durch die Franzosen

1763 Schleifung der Festungswerke

1773/74 Neubau des Rathauses

1806 Franzosen besetzen Lippstadt erneut

1807 Übereignung der Nicolaikirche an die neu eingerichtete katholische Kirchengemeinde

1808 Großherzogtum Berg statt Preußen Mitlandherr

um 1177 Vorgängerbau von St. Nicolai abgebrannt, Turmsockel (ältestes Bauwerk der Stadt) erhalten; Kaufleute- /Marktsiedlung ebendort

1182 Wiederaufbau der Nicolaikirche

1185/86 entscheidende Entwicklung zur Stadt, Anstoß zur Gründung durch Bernhard II. zur Lippe

1185/90 Gründung des Augustiner-Chorfrauen-Stifts, Baubeginn der Kleinen Marien-(Stifts-) Kirche

1209 erster Stadtbrand

um 1220 erstes Lippstädter Stadtrecht

1221 Bernhard II. weiht als Bischof von Selonien (Livland) die Marktkirche St. Marien

um 1240 Baubeginn St. Jakobi

1253 Lippstadt im "Werner Bund" (mit Soest, Dortmund,Münster, 1264 Osnabrück) zum Schutz des regionalenHandels

seit ca. 1280 Mitglied der Hanse

1281 Friedrich von Hörde gründet ein Augustiner- Eremiten-Kloster im Lippebogen um 1300 Spital zum Heiligen Geist

1310 zweiter Stadtbrand

1376 Verpfändung der Stadt an Engelbert von der Mark

1435 St.-Annen-Rosengarten (zunächst als Beginenhaus)gegründet; erste Erwähnung eines Handwerkeramts(Wollenweber)

1444-49 Soester Fehde, Beginn der "Samtherrschaft" Lippes und nacheinander der Grafschaft Mark, des Herzogtums Kleve-Jülich-Berg und Brandenburg-Preußens über Lippstadt

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Lippstädter Geschichte im Überblick

6 71808

1478-1506 Bau des Hallenumgangchors der Marktkirche St. Marien

1524 mit Predigten des Augustinermönchs Dr. Johannes Westermann Beginn der Reformation

1531-1535 nach Unruhen Unterwerfung unter die StadtherrenJohann II. von Kleve und Simon V. zur Lippe

1541 Geburt des jüdischen Gelehrten David Gans

1542 Übergabe des Augustiner-Eremiten-Klosters an die Stadt

1644 dritter Stadtbrand

1618-48 wechselnde Besatzungen in der Stadt; Ausbau der Festung

1656 vierter Stadtbrand

1659 Gründung einer reformierten Gemeinde

1662 Übereignung der renovierten Kirche und eines Teils des Augustiner-Eremiten-Klosters an die reformierte Gemeinde ("Garnisonskirche”)

1673 Fleckfieberseuche

1676 fünfter Stadtbrand

1748 privates jüdisches Bethaus und Judenfriedhof erwähnt

1757/58 Besetzung der Stadt durch die Franzosen

1763 Schleifung der Festungswerke

1773/74 Neubau des Rathauses

1806 Franzosen besetzen Lippstadt erneut

1807 Übereignung der Nicolaikirche an die neu eingerichtete katholische Kirchengemeinde

1808 Großherzogtum Berg statt Preußen Mitlandherr

um 1177 Vorgängerbau von St. Nicolai abgebrannt, Turmsockel (ältestes Bauwerk der Stadt) erhalten; Kaufleute- /Marktsiedlung ebendort

1182 Wiederaufbau der Nicolaikirche

1185/86 entscheidende Entwicklung zur Stadt, Anstoß zur Gründung durch Bernhard II. zur Lippe

1185/90 Gründung des Augustiner-Chorfrauen-Stifts, Baubeginn der Kleinen Marien-(Stifts-) Kirche

1209 erster Stadtbrand

um 1220 erstes Lippstädter Stadtrecht

1221 Bernhard II. weiht als Bischof von Selonien (Livland) die Marktkirche St. Marien

um 1240 Baubeginn St. Jakobi

1253 Lippstadt im "Werner Bund" (mit Soest, Dortmund,Münster, 1264 Osnabrück) zum Schutz des regionalenHandels

seit ca. 1280 Mitglied der Hanse

1281 Friedrich von Hörde gründet ein Augustiner- Eremiten-Kloster im Lippebogen um 1300 Spital zum Heiligen Geist

1310 zweiter Stadtbrand

1376 Verpfändung der Stadt an Engelbert von der Mark

1435 St.-Annen-Rosengarten (zunächst als Beginenhaus)gegründet; erste Erwähnung eines Handwerkeramts(Wollenweber)

1444-49 Soester Fehde, Beginn der "Samtherrschaft" Lippes und nacheinander der Grafschaft Mark, des Herzogtums Kleve-Jülich-Berg und Brandenburg-Preußens über Lippstadt

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2008

1808Zeittafel

Lippstädter Geschichte im Überblick

8 9

1892 Gründung einer Fabrik für Fahrzeuglampen durchSally Windmüller, später Westfälische Metallindustrie("Hella", 1899 AG)

1905 Verlegung der "Königlichen Artilleriewerkstatt" von (Köln-) Deutz nach Lippstadt;Postgebäude an der Lange Straße

1919 Volks- und Soldatenrat in Lippstadt

1933 Absetzung des Zentrums-Bürgermeisters Holle

1936 Lippstadt wieder Garnisonsstadt; Gründung der "Lippstädter Eisen- und Metallwerke"

1937 Pastor Martin Niemöller, gebürtiger Lippstädter, predigt in der Großen Marienkirche

1938 in der "Reichspogromnacht" Zerstörung der Synagoge nach Brandlegung

1942 Beginn der Judendeportationen

1945 einziger schwerer Bombenangriff auf die Stadt

1945 amerikanische Truppen besetzen nach kampfloser Übergabe die Stadt und schließen beim Wasserturmden "Ruhrkessel"

1946 schweres Hochwasser

1953 neues Stadthaus am Ostwall

1965 letztes schweres Hochwasser

1968 neuer Hauptbahnhof

1970 Abriss des alten Ostendorf-Gymnasiums

1973 Einweihung des Stadttheaters

1974 "Westfälische Union" stellt Produktion ein

1975 Kommunalreform: Vereinigung Lippstadts mit 16 Nachbargemeinden, Verlust des Kreissitzes

1981 Funktionalreform: Lippstadt ,,Große kreisangehörige Stadt“

1985 800jähriges Stadtjubiläum

2007 27. Internationaler Hansetag der Neuzeit

1810 Auflösung der Handwerksämter (Zünfte)

1813 Wiedereingliederung in den preußischen Staatsverband (noch Samtherrschaft)

1814 Aufhebung von St.-Annen-Rosengarten

1817 Gründung des Kreises Lippstadt

1830 Lippe bis über Lippstadt hinaus schiffbar

1848 Gründung der Tageszeitung "Der Patriot"

1850 Anschluss an die Eisenbahn

1850/51 Ende der Samtherrschaft, Lippstadt preußisch, Damen-stift bleibt unter gem. Verwaltung;Choleraepidemie

1852 Evangelisches Krankenhaus mit Waisenhaus an der Alten Soeststraße; Einweihung der Synagoge an derStiftstraße; Julius Ostendorf Rektor derhöherenStadtschule

seit 1854 Amtsgericht und Hauptsteueramt

1855 Kleine Marienkirche wird durch Abtragen von Turm und Gewölben zur Stiftsruine

1855-83 Hermann Müller, Lehrer am Ostendorf-Gymnasium,Kontakte mit Charles Darwin

1856 Katholisches Krankenhaus, Hospitalstraße

1860 Gründung des Linhoffschen Eisenwerks, aus dem sich die "Westfälische Union" entwickelt

1863 Gasanstalt in Betrieb genommen

1872-74 Neubau der Nicolaikirche

1883 Bau eines städtischen Schlachthofs

1886 Fertigstellung der Wasserleitung

1890 Hochwasser (Katharinenflut)

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Page 9: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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2008

1808Zeittafel

Lippstädter Geschichte im Überblick

8 9

1892 Gründung einer Fabrik für Fahrzeuglampen durchSally Windmüller, später Westfälische Metallindustrie("Hella", 1899 AG)

1905 Verlegung der "Königlichen Artilleriewerkstatt" von (Köln-) Deutz nach Lippstadt;Postgebäude an der Lange Straße

1919 Volks- und Soldatenrat in Lippstadt

1933 Absetzung des Zentrums-Bürgermeisters Holle

1936 Lippstadt wieder Garnisonsstadt; Gründung der "Lippstädter Eisen- und Metallwerke"

1937 Pastor Martin Niemöller, gebürtiger Lippstädter, predigt in der Großen Marienkirche

1938 in der "Reichspogromnacht" Zerstörung der Synagoge nach Brandlegung

1942 Beginn der Judendeportationen

1945 einziger schwerer Bombenangriff auf die Stadt

1945 amerikanische Truppen besetzen nach kampfloser Übergabe die Stadt und schließen beim Wasserturmden "Ruhrkessel"

1946 schweres Hochwasser

1953 neues Stadthaus am Ostwall

1965 letztes schweres Hochwasser

1968 neuer Hauptbahnhof

1970 Abriss des alten Ostendorf-Gymnasiums

1973 Einweihung des Stadttheaters

1974 "Westfälische Union" stellt Produktion ein

1975 Kommunalreform: Vereinigung Lippstadts mit 16 Nachbargemeinden, Verlust des Kreissitzes

1981 Funktionalreform: Lippstadt ,,Große kreisangehörige Stadt“

1985 800jähriges Stadtjubiläum

2007 27. Internationaler Hansetag der Neuzeit

1810 Auflösung der Handwerksämter (Zünfte)

1813 Wiedereingliederung in den preußischen Staatsverband (noch Samtherrschaft)

1814 Aufhebung von St.-Annen-Rosengarten

1817 Gründung des Kreises Lippstadt

1830 Lippe bis über Lippstadt hinaus schiffbar

1848 Gründung der Tageszeitung "Der Patriot"

1850 Anschluss an die Eisenbahn

1850/51 Ende der Samtherrschaft, Lippstadt preußisch, Damen-stift bleibt unter gem. Verwaltung;Choleraepidemie

1852 Evangelisches Krankenhaus mit Waisenhaus an der Alten Soeststraße; Einweihung der Synagoge an derStiftstraße; Julius Ostendorf Rektor derhöherenStadtschule

seit 1854 Amtsgericht und Hauptsteueramt

1855 Kleine Marienkirche wird durch Abtragen von Turm und Gewölben zur Stiftsruine

1855-83 Hermann Müller, Lehrer am Ostendorf-Gymnasium,Kontakte mit Charles Darwin

1856 Katholisches Krankenhaus, Hospitalstraße

1860 Gründung des Linhoffschen Eisenwerks, aus dem sich die "Westfälische Union" entwickelt

1863 Gasanstalt in Betrieb genommen

1872-74 Neubau der Nicolaikirche

1883 Bau eines städtischen Schlachthofs

1886 Fertigstellung der Wasserleitung

1890 Hochwasser (Katharinenflut)

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Page 10: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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Informationstafeln Bürgerbrunnen 1Aus der Lippischen Rose, die seit der Stadtgründung imWappen und Siegel der Stadt enthalten ist, ergießt sich dasWasser in den Brunnen. Darunter sind die Wappen der frühe-ren Lippstädter Landesherren dargestellt. Neun beweglicheBronzefiguren stehen für Personen aus der über 800-jährigenGeschichte Lippstadts:

Bernhard II., Edelherr zur Lippegründete um 1185 Lippstadt – die ersteplanmäßig angelegte Gründungsstadt inWestfalen. Bernhard war GefolgsmannHerzog Heinrichs des Löwen und späterMönch in der Zisterzienserabtei Marienfeld,Abt in Dünamünde bei Riga und Bischof vonSelonien in Livland.Friedrich der GroßeDas Standbild Friedrichs II., des „Alten Fritz“,soll daran erinnern, dass ab 1666 Branden-burg-Preußen zunächst Mitlandesherrneben dem Haus Lippe und ab 1850 allei-niger Landesherr Lippstadts war. Friedrichselbst besuchte die Stadt mehrmals.

Bürgermeister Friedrich Bertramwar von 1830 bis 1850 im Amt. Der eifrigeModernisierer und Reformer brachte durchseine Beharrlichkeit die Eisenbahn nachLippstadt, gründete die Sparkasse, die Armen-Versorgungsanstalt und die Sterbekasse.

Amalie Elisabeth von Hessen-KasselWährend der Besetzung durch die Hessen1633 bis 1652 führten die Landgräfin vonHessen-Kassel einige Inspektionsreisen auchnach Lippstadt.Dr. Johannes WestermannDer Augustinermönch hatte in Wittenbergdie Lehre Martin Luthers kennen gelerntund verbreitete dessen Thesen von derKanzel der heutigen Brüderkirche. So kam1523/24 die Reformation nach Lippstadt.Simplizius Simplizissimusist der große Held im Roman von Hans JakobChristoffel von Grimmelshausen „Der aben-teuerliche Simplizius Simplizissimus“. Er sollwährend des 30-jährigen Krieges sein „Un-wesen“ auch in Lippstadt getrieben haben.Kaufmann, Bäuerin, Gerberstehen symbolisch für die drei Stände, diein der Stadt vertreten waren: Kaufleute,Ackerbürger und Handwerker. Das beson-dere Verhältnis der Handwerker zu denStadtoberen zeigt sich deutlich an derStellung des Gerbers zum Rathaus.

1 Bürgerbrunnen(gleichzeitig Tafel des Wasser-Rundgangs)

2 Marienkirche, evangelische Pfarrkirche 3 Städtisches Heimatmuseum 4 Ackerbürgerhaus 5 Ehemaliges Stiftspastorat 6 Ehemalige Synagoge 7 Stiftsruine 8 Altes Steinwerk 9 Die Süsters im St.-Annen-Rosengarten10 Nicolaiweg 11 Katholische Pfarrkirche St. Nicolai12 Am Speelbrink, Spielplatzstraße13 „Thurmann unterm Bäumeken“14 Das Südertor15 Bernhardbrunnen16 Jakobikirche17 Ehemalige Marienschule18 Die Lippstädter Pfade19 Zurhelle-Platz20 Metzgeramtshaus21 Fachwerkhäuser22 Haus Köppelmann23 Rathaus

24 Lippertor • Tivoli-Insel • Lippebug(gleichzeitig Tafel des Wasser-Rundgangs)

25 Steinwehr(gleichzeitig Tafel des Wasser-Rundgangs)

26 Brüderkirche und Niemöllerhaus

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Informationstafeln Bürgerbrunnen 1Aus der Lippischen Rose, die seit der Stadtgründung imWappen und Siegel der Stadt enthalten ist, ergießt sich dasWasser in den Brunnen. Darunter sind die Wappen der frühe-ren Lippstädter Landesherren dargestellt. Neun beweglicheBronzefiguren stehen für Personen aus der über 800-jährigenGeschichte Lippstadts:

Bernhard II., Edelherr zur Lippegründete um 1185 Lippstadt – die ersteplanmäßig angelegte Gründungsstadt inWestfalen. Bernhard war GefolgsmannHerzog Heinrichs des Löwen und späterMönch in der Zisterzienserabtei Marienfeld,Abt in Dünamünde bei Riga und Bischof vonSelonien in Livland.Friedrich der GroßeDas Standbild Friedrichs II., des „Alten Fritz“,soll daran erinnern, dass ab 1666 Branden-burg-Preußen zunächst Mitlandesherrneben dem Haus Lippe und ab 1850 allei-niger Landesherr Lippstadts war. Friedrichselbst besuchte die Stadt mehrmals.

Bürgermeister Friedrich Bertramwar von 1830 bis 1850 im Amt. Der eifrigeModernisierer und Reformer brachte durchseine Beharrlichkeit die Eisenbahn nachLippstadt, gründete die Sparkasse, die Armen-Versorgungsanstalt und die Sterbekasse.

Amalie Elisabeth von Hessen-KasselWährend der Besetzung durch die Hessen1633 bis 1652 führten die Landgräfin vonHessen-Kassel einige Inspektionsreisen auchnach Lippstadt.Dr. Johannes WestermannDer Augustinermönch hatte in Wittenbergdie Lehre Martin Luthers kennen gelerntund verbreitete dessen Thesen von derKanzel der heutigen Brüderkirche. So kam1523/24 die Reformation nach Lippstadt.Simplizius Simplizissimusist der große Held im Roman von Hans JakobChristoffel von Grimmelshausen „Der aben-teuerliche Simplizius Simplizissimus“. Er sollwährend des 30-jährigen Krieges sein „Un-wesen“ auch in Lippstadt getrieben haben.Kaufmann, Bäuerin, Gerberstehen symbolisch für die drei Stände, diein der Stadt vertreten waren: Kaufleute,Ackerbürger und Handwerker. Das beson-dere Verhältnis der Handwerker zu denStadtoberen zeigt sich deutlich an derStellung des Gerbers zum Rathaus.

1 Bürgerbrunnen(gleichzeitig Tafel des Wasser-Rundgangs)

2 Marienkirche, evangelische Pfarrkirche 3 Städtisches Heimatmuseum 4 Ackerbürgerhaus 5 Ehemaliges Stiftspastorat 6 Ehemalige Synagoge 7 Stiftsruine 8 Altes Steinwerk 9 Die Süsters im St.-Annen-Rosengarten10 Nicolaiweg 11 Katholische Pfarrkirche St. Nicolai12 Am Speelbrink, Spielplatzstraße13 „Thurmann unterm Bäumeken“14 Das Südertor15 Bernhardbrunnen16 Jakobikirche17 Ehemalige Marienschule18 Die Lippstädter Pfade19 Zurhelle-Platz20 Metzgeramtshaus21 Fachwerkhäuser22 Haus Köppelmann23 Rathaus

24 Lippertor • Tivoli-Insel • Lippebug(gleichzeitig Tafel des Wasser-Rundgangs)

25 Steinwehr(gleichzeitig Tafel des Wasser-Rundgangs)

26 Brüderkirche und Niemöllerhaus

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Kurz nach der Gründung der Stadt 1185 wurde mit dem Bauder Kirche begonnen. Bei der Weihe 1222 durch den Stadt-gründer Bernhard II. als Bischof von Selonien war die Kirchebis zum Querschiff fertig. Beendet war der Bau der romani-schen Stufenhalle um 1240. Der 65 Meter hohe Turm wurdeum 1250 fertig gestellt. Die barocke Haube erhielt er 1684.An die Stelle des romanischen Rechteckchores wurde von1478 bis 1506 ein spätgotischer Hallenumgangschor gebaut.

Die Marienkirche wirkte über Westfalen hinaus stilbildendauf die romanischen Kirchen in Norddeutschland und imOstseeraum, in welchem Bernhard II. und einige seinerNachfahren im kirchlichen Dienste gestanden haben.

Besonders sehenswert sind im Inneren der Kirche der gotischeSakramentsturm und das barocke Altarretabel. Dieser Altarwurde 1663 vom damaligen Bürgermeister Epping gestiftet,der beim dritten großen Stadtbrand 1656 geschworen habensoll, einen Altar zu spenden, wenn sein Haus von der Feuers-brunst verschont würde.

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Das Gebäude wurde nach dem dritten großen Stadtbrand1656 als Fachwerkgiebelhaus errichtet. Es ist eines derschönsten erhaltenen Bürgerhäuser des Rokoko Westfalens.Das für die damalige Zeit ungewöhnlich repräsentative Hauswurde zunächst vom Stadtkommandanten J. E. von Pöllnitzbewohnt, der dort auch Gottesdienste der reformiertenGemeinde abhalten ließ.

Später prägte die Familie Rose, insbesondere Johann ConradRose, Justizrat und „Samtrichter“, dieses Haus über Gene-rationen hinweg (1684 bis 1799). Er ließ es kunstvoll ausstattenund verschaffte dem Gebäude so sein heutiges Aussehen.

Seit 1929 wird das Haus als Museum genutzt. Unter denumfangreichen Beständen aus der Geschichte Lippstadts bisin die jüngere Zeit erwartet den Besucher eine Sammlungalten Spielzeugs. In den mit Stuckdecken reich verziertenRäumen des Obergeschosses wird der Gast von einem „Hauchvon Luxus“ umweht, den eine Sammlung von Fächern ausaller Welt verbreitet.

Die neben dem Heimatmuseum liegende Parkplatzfläche warfrüher bebaut. Dort befand sich lange Zeit die LippstädterBrauerei W. Nies.Etwas Mystisches haftet dem Gebäude seit dem Jahr 2006an, als es nach den Recherchen eines Fernsehmagazins alsGeburtshaus des berühmten englischen Freibeuters HenryMorgan bezeichnet wurde. Der Beweis hierfür konnteallerdings bis heute nicht geliefert werden.

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Ansicht aus den 50er Jahren

Der Innenraum heute Alte Ansicht - von der Rathausstraße aus gesehen

Marienkirche, evangelische Pfarrkirche Städtisches Heimatmuseum

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Kurz nach der Gründung der Stadt 1185 wurde mit dem Bauder Kirche begonnen. Bei der Weihe 1222 durch den Stadt-gründer Bernhard II. als Bischof von Selonien war die Kirchebis zum Querschiff fertig. Beendet war der Bau der romani-schen Stufenhalle um 1240. Der 65 Meter hohe Turm wurdeum 1250 fertig gestellt. Die barocke Haube erhielt er 1684.An die Stelle des romanischen Rechteckchores wurde von1478 bis 1506 ein spätgotischer Hallenumgangschor gebaut.

Die Marienkirche wirkte über Westfalen hinaus stilbildendauf die romanischen Kirchen in Norddeutschland und imOstseeraum, in welchem Bernhard II. und einige seinerNachfahren im kirchlichen Dienste gestanden haben.

Besonders sehenswert sind im Inneren der Kirche der gotischeSakramentsturm und das barocke Altarretabel. Dieser Altarwurde 1663 vom damaligen Bürgermeister Epping gestiftet,der beim dritten großen Stadtbrand 1656 geschworen habensoll, einen Altar zu spenden, wenn sein Haus von der Feuers-brunst verschont würde.

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Das Gebäude wurde nach dem dritten großen Stadtbrand1656 als Fachwerkgiebelhaus errichtet. Es ist eines derschönsten erhaltenen Bürgerhäuser des Rokoko Westfalens.Das für die damalige Zeit ungewöhnlich repräsentative Hauswurde zunächst vom Stadtkommandanten J. E. von Pöllnitzbewohnt, der dort auch Gottesdienste der reformiertenGemeinde abhalten ließ.

Später prägte die Familie Rose, insbesondere Johann ConradRose, Justizrat und „Samtrichter“, dieses Haus über Gene-rationen hinweg (1684 bis 1799). Er ließ es kunstvoll ausstattenund verschaffte dem Gebäude so sein heutiges Aussehen.

Seit 1929 wird das Haus als Museum genutzt. Unter denumfangreichen Beständen aus der Geschichte Lippstadts bisin die jüngere Zeit erwartet den Besucher eine Sammlungalten Spielzeugs. In den mit Stuckdecken reich verziertenRäumen des Obergeschosses wird der Gast von einem „Hauchvon Luxus“ umweht, den eine Sammlung von Fächern ausaller Welt verbreitet.

Die neben dem Heimatmuseum liegende Parkplatzfläche warfrüher bebaut. Dort befand sich lange Zeit die LippstädterBrauerei W. Nies.Etwas Mystisches haftet dem Gebäude seit dem Jahr 2006an, als es nach den Recherchen eines Fernsehmagazins alsGeburtshaus des berühmten englischen Freibeuters HenryMorgan bezeichnet wurde. Der Beweis hierfür konnteallerdings bis heute nicht geliefert werden.

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Ansicht aus den 50er Jahren

Der Innenraum heute Alte Ansicht - von der Rathausstraße aus gesehen

Marienkirche, evangelische Pfarrkirche Städtisches Heimatmuseum

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Page 15: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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Das Gebäude Marktstraße 24 ist der typische Vertreter eines„Ackerbürgerhauses“ aus dem mittelalterlichen Lippstadt.Ackerbürger waren bis ins 19. Jahrhundert Bürger der Stadt,die teilweise oder überwiegend von der Landwirtschaft lebtenund ihre meist angepachteten Felder und Wiesen vor denStadttoren bewirtschafteten. Der Hof selbst befand sich imSchutz der befestigten Stadt. Oft betrieben die „Stadtbauern“zusätzlich ein Handwerk. Im Gegensatz zu den Bauern in denDörfern besaßen die Ackerbürger städtische Bürgerrechteund waren somit weniger durch Frondienste belastet.

Das Besondere an diesem Fachwerkhaus ist sicherlich derVorbau (die Utlucht) auf der linken Gebäudeseite. ImGegensatz zu einem Erker beginnt eine Utlucht ebenerdig.Heute würde man diesen Raum vielleicht als das„Fernsehzimmer des Mittelalters“ bezeichnen. Die Bewohnerkonnten von diesem Zimmer aus das Leben und Treiben aufder Straße gut beobachten. Ebenso war es möglich, sofort zusehen, welcher Besucher Einlass begehrte - zur damaligenZeit ein netter Luxus, den sich nur wohlhabende Bürger leistenkonnten.

Seit Mitte des 17. Jahrhunderts stand in der Stiftstraße dasPfarrhaus der Stiftsgemeinde St. Marien. Dort wohnte derStiftsprediger, der auf eigene Kosten für die laufende Instand-haltung des Pfarrhauses sorgen musste.

Der Bau war ursprünglich gegliedert in einen Wohnteil undeinen rechts daran angrenzenden Wirtschaftsteil mittypischer haushoher Deele und großem Deelentor. DieseZweiteilung erkennt man heute noch an der zurückgesetztenrechten Hausseite und dem größeren Dachüberstand.

Um 1800 wurde das Gebäude durch Umbau des Wirtschafts-teils einheitlich neu gefasst. Die zweiflügelige, hölzerneEingangstür mit Oberlicht ersetzt seitdem das alte Deelentor.Eine Zwischendecke wurde eingezogen und das Treppenhausmit klassizistischem Geländer eingebaut. Die Räume desObergeschosses erhielten zur Verschönerung eine Stuckdecke.Die letzte Renovierung erfolgte 1995.

Stallungen in einem Ackerbürgerhaus

Vor der Renovierung 1995

Alte Straßenansicht

Ackerbürgerhaus Ehemaliges Stiftspastorat

Auffallend ist die Traufständigkeit des Gebäudes.Früher wurden Häuser überwiegend mit derGiebelseite zur Straße hin ausgerichtet. Dieshatte u.a. den Vorteil, dass über LastenzügeWaren oder Vorräte direkt von der Straße auszur Lagerung in die Obergeschosse gezogenwerden konnten.

Altes TorhausDas Gebäude rechts neben dem ehemaligenStiftspastorat wurde aus Teilen eines Torhauseserrichtet, das im nahe Lippstadt gelegenenStift Cappel gestanden hatte. Baumaterial warauch früher schon sehr teuer, so dass solcheZweitverwendungen vor allem im Fachwerkbauhäufig anzutreffen sind.

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Das Gebäude Marktstraße 24 ist der typische Vertreter eines„Ackerbürgerhauses“ aus dem mittelalterlichen Lippstadt.Ackerbürger waren bis ins 19. Jahrhundert Bürger der Stadt,die teilweise oder überwiegend von der Landwirtschaft lebtenund ihre meist angepachteten Felder und Wiesen vor denStadttoren bewirtschafteten. Der Hof selbst befand sich imSchutz der befestigten Stadt. Oft betrieben die „Stadtbauern“zusätzlich ein Handwerk. Im Gegensatz zu den Bauern in denDörfern besaßen die Ackerbürger städtische Bürgerrechteund waren somit weniger durch Frondienste belastet.

Das Besondere an diesem Fachwerkhaus ist sicherlich derVorbau (die Utlucht) auf der linken Gebäudeseite. ImGegensatz zu einem Erker beginnt eine Utlucht ebenerdig.Heute würde man diesen Raum vielleicht als das„Fernsehzimmer des Mittelalters“ bezeichnen. Die Bewohnerkonnten von diesem Zimmer aus das Leben und Treiben aufder Straße gut beobachten. Ebenso war es möglich, sofort zusehen, welcher Besucher Einlass begehrte - zur damaligenZeit ein netter Luxus, den sich nur wohlhabende Bürger leistenkonnten.

Seit Mitte des 17. Jahrhunderts stand in der Stiftstraße dasPfarrhaus der Stiftsgemeinde St. Marien. Dort wohnte derStiftsprediger, der auf eigene Kosten für die laufende Instand-haltung des Pfarrhauses sorgen musste.

Der Bau war ursprünglich gegliedert in einen Wohnteil undeinen rechts daran angrenzenden Wirtschaftsteil mittypischer haushoher Deele und großem Deelentor. DieseZweiteilung erkennt man heute noch an der zurückgesetztenrechten Hausseite und dem größeren Dachüberstand.

Um 1800 wurde das Gebäude durch Umbau des Wirtschafts-teils einheitlich neu gefasst. Die zweiflügelige, hölzerneEingangstür mit Oberlicht ersetzt seitdem das alte Deelentor.Eine Zwischendecke wurde eingezogen und das Treppenhausmit klassizistischem Geländer eingebaut. Die Räume desObergeschosses erhielten zur Verschönerung eine Stuckdecke.Die letzte Renovierung erfolgte 1995.

Stallungen in einem Ackerbürgerhaus

Vor der Renovierung 1995

Alte Straßenansicht

Ackerbürgerhaus Ehemaliges Stiftspastorat

Auffallend ist die Traufständigkeit des Gebäudes.Früher wurden Häuser überwiegend mit derGiebelseite zur Straße hin ausgerichtet. Dieshatte u.a. den Vorteil, dass über LastenzügeWaren oder Vorräte direkt von der Straße auszur Lagerung in die Obergeschosse gezogenwerden konnten.

Altes TorhausDas Gebäude rechts neben dem ehemaligenStiftspastorat wurde aus Teilen eines Torhauseserrichtet, das im nahe Lippstadt gelegenenStift Cappel gestanden hatte. Baumaterial warauch früher schon sehr teuer, so dass solcheZweitverwendungen vor allem im Fachwerkbauhäufig anzutreffen sind.

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gJuden waren im Mittelalter eine rechtlich, religiös und sozialdiskriminierte Minderheit. Sie trafen sich daher lange Zeit nurin Betstuben, die sich in Privathäusern befanden. Seit demZeitalter der Aufklärung begann mit der allmählichenAnerkennung der Juden als gleichberechtigte Staatsbürgerihre Eingliederung in die Gesellschaft. So entschloss sich auchdie wachsende jüdische Gemeinde Lippstadts zum Bau eineseigenen Versammlungshauses. Am 30. Juli 1852 wurde in derStiftstraße die Synagoge feierlich eingeweiht.

Der zweigeschossige, mit Treppengiebeln geschmückte Baulag etwas zurückgesetzt hinter einem Vorgarten. Er beher-bergte im Erdgeschoss den Gebetsraum und ein Schulzimmer,in dem bis 1910 die jüdische Elementarschule untergebrachtwar. Im Obergeschoss befand sich ein Mehrzweckraum fürkulturelle Veranstaltungen der lebendigen liberalen Gemeinde.Ein kleines Nebengebäude im Garten diente u.a. als Um-kleideraum und Schultoilette.

In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurde dasGotteshaus ein Opfer der Gewalttaten der Nationalsozialisten:das Gebäude wurde in Brand gesetzt, die Giebel wurden ein-geschlagen und nur die Außenmauern blieben stehen. Nachdem Krieg wurden die Reste der Synagoge von den neuenBesitzern in einen Lagerraum umfunktioniert. Der ehemaligeVorgarten wurde bebaut.

Die Reste der Synagoge und das noch vorhandene Nebenge-bäude im Garten stehen heute unter Denkmalschutz undwerden von davor gebauten Garagen verdeckt.

Unmittelbar nach der Stadtgründung um 1185 stifteteBernhard II. einen Teil seines früheren Stammsitzes, des„Hermeling-Hofs“, für die Gründung des Augustinerin-nenstiftes Lippstadt.

Der Bau der Stiftskirche erfolgte ab 1190 zunächst im Westenmit dem romanischen Nonnenchor und einer kleinen drei-schiffigen Kirche. Nach einigen Bauunterbrechungen undPlanänderungen benötigte der spätere hochgotische Hallen-bau bis zu seiner Vollendung fast 150 Jahre und sechs Bau-meister. Die Kirche wurde als „Kleine Marienkirche“ bezeich-net, da auch schon die „Große Marienkirche“ am Rathausplatzerrichtet worden war.

Nach der Auflösung des Klosters 1530 wurde die Kirche Mittel-punkt der Stiftsgemeinde. Infolge von Kriegswirren, Unwetternund Hochwassern entstanden im Laufe vieler Jahre großeSchäden an dem Gebäude. Die Kirche musste daher 1831wegen Einsturzgefahr geschlossen werden. Nach einemlangen Streit um Erhalt oder Abbruch entschied derpreußische König Friedrich Wilhelm IV., beraten durch denArchitekten Schinkel, die Kirche als Ruine zu erhalten.

Die „Kleine Marienkirche“ gilt heute als eine der schönstenKirchenruinen Westdeutschlands und dient häufig als Kulissefür besondere kulturelle Veranstaltungen.

Die Tora im Gebetsraum

Fotomontage aus alten und neuen Ansichten

Ehemalige Synagoge Stiftsruine

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gJuden waren im Mittelalter eine rechtlich, religiös und sozialdiskriminierte Minderheit. Sie trafen sich daher lange Zeit nurin Betstuben, die sich in Privathäusern befanden. Seit demZeitalter der Aufklärung begann mit der allmählichenAnerkennung der Juden als gleichberechtigte Staatsbürgerihre Eingliederung in die Gesellschaft. So entschloss sich auchdie wachsende jüdische Gemeinde Lippstadts zum Bau eineseigenen Versammlungshauses. Am 30. Juli 1852 wurde in derStiftstraße die Synagoge feierlich eingeweiht.

Der zweigeschossige, mit Treppengiebeln geschmückte Baulag etwas zurückgesetzt hinter einem Vorgarten. Er beher-bergte im Erdgeschoss den Gebetsraum und ein Schulzimmer,in dem bis 1910 die jüdische Elementarschule untergebrachtwar. Im Obergeschoss befand sich ein Mehrzweckraum fürkulturelle Veranstaltungen der lebendigen liberalen Gemeinde.Ein kleines Nebengebäude im Garten diente u.a. als Um-kleideraum und Schultoilette.

In der Reichspogromnacht am 9. November 1938 wurde dasGotteshaus ein Opfer der Gewalttaten der Nationalsozialisten:das Gebäude wurde in Brand gesetzt, die Giebel wurden ein-geschlagen und nur die Außenmauern blieben stehen. Nachdem Krieg wurden die Reste der Synagoge von den neuenBesitzern in einen Lagerraum umfunktioniert. Der ehemaligeVorgarten wurde bebaut.

Die Reste der Synagoge und das noch vorhandene Nebenge-bäude im Garten stehen heute unter Denkmalschutz undwerden von davor gebauten Garagen verdeckt.

Unmittelbar nach der Stadtgründung um 1185 stifteteBernhard II. einen Teil seines früheren Stammsitzes, des„Hermeling-Hofs“, für die Gründung des Augustinerin-nenstiftes Lippstadt.

Der Bau der Stiftskirche erfolgte ab 1190 zunächst im Westenmit dem romanischen Nonnenchor und einer kleinen drei-schiffigen Kirche. Nach einigen Bauunterbrechungen undPlanänderungen benötigte der spätere hochgotische Hallen-bau bis zu seiner Vollendung fast 150 Jahre und sechs Bau-meister. Die Kirche wurde als „Kleine Marienkirche“ bezeich-net, da auch schon die „Große Marienkirche“ am Rathausplatzerrichtet worden war.

Nach der Auflösung des Klosters 1530 wurde die Kirche Mittel-punkt der Stiftsgemeinde. Infolge von Kriegswirren, Unwetternund Hochwassern entstanden im Laufe vieler Jahre großeSchäden an dem Gebäude. Die Kirche musste daher 1831wegen Einsturzgefahr geschlossen werden. Nach einemlangen Streit um Erhalt oder Abbruch entschied derpreußische König Friedrich Wilhelm IV., beraten durch denArchitekten Schinkel, die Kirche als Ruine zu erhalten.

Die „Kleine Marienkirche“ gilt heute als eine der schönstenKirchenruinen Westdeutschlands und dient häufig als Kulissefür besondere kulturelle Veranstaltungen.

Die Tora im Gebetsraum

Fotomontage aus alten und neuen Ansichten

Ehemalige Synagoge Stiftsruine

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In dem Gebäude, in dem heute das Stadtarchiv untergebrachtist, befindet sich ein baugeschichtlich sehr interessanter undseltener Bauteil: ein so genanntes Steinwerk. Steinwerke sindeine besondere Bauform mittelalterlicher Architektur undhäufig der Baukunst der Romanik zuzuordnen. Sie wurdenso gebaut und befestigt, dass sie gut gegen Angriffe verteidigtwerden konnten. Steinwerke waren typischerweise gedrungenrechteckig, oft nahezu quadratisch. Sie dienten ursprünglichvermutlich als Speicherbauten oder Zufluchtsstätten fürAdelige und reiche Bürger. Aufgrund ihrer soliden Bauweisewaren Steinwerke für die damalige Zeit auch ziemlich brand-sicher. In der Regel wurden sie zusammen mit einem Vorder-haus errichtet.

Das Lippstädter Steinwerk stammt aus dem 15. Jahrhundert.Es besteht zu drei Seiten aus 1 Meter dicken Bruchsteinwänden.Zum Vorderhaus an der Soeststraße war es offen bzw. nurdurch eine Fachwerkwand getrennt.

In den nachfolgenden Jahrhunderten erfolgten einige Um-bauten. Die Außenwände wurden im 17. Jahrhundert in einenneuen Fachwerkbau einbezogen. Die Saaldecke mit einer guterhaltenen Rankenmalerei hat sich aus dieser Zeit erhalten.Im 20. Jahrhundert wurde das Steinwerk in die Betriebsge-bäude einer Druckerei integriert und erst 1981 bei Sanierungs-maßnahmen wieder entdeckt.

Das unter Denkmalschutz stehende Steinwerk wird heuteals Lesesaal und Veranstaltungsraum genutzt und kann wiedie restaurierte Saaldecke während der Öffnungszeiten desStadtarchivs besichtigt werden.

Das 1981 wiederentdeckte Steinwerk

Heutiger Lesesaal

Fromme Frauen kauften an dieser Stelle schon im frühen 14.Jahrhundert Land an der Straße, die lange auch Süsternstraßehieß. Die den Beginen ähnliche Gemeinschaft der „Süsters“schloss sich dann 1453 unter den Regeln des HeiligenAugustinus zu einer religiösen Gemeinschaft zusammen. ZuEhren der Heiligen Anna, der insbesondere im Spätmittelalterverehrten Patronin der Mütter und Witwen, bauten dieunverheirateten oder verwitweten Süstern auch eine kleineKapelle, die schon bald durch eine größere Kirche ersetztwurde. Die Schwestern legten kein Gelübde ab, verpflichtetensich aber, ein Leben in Keuschheit und Gehorsam zu führen.Ihren Lebensunterhalt verdienten sie durch Handarbeiten odersoziale Dienste.

Von den Zünften waren die Arbeiten der Süsters nicht gerngesehen. Die Wollweber machten daher zur Auflage, dass dieStoffe, die die Süsters in St.-Annen-Rosengarten webten, nurin Ballen verkauft werden durften. Auch die Stadtoberen sahenein drittes Kloster in der Stadt (neben dem Stiftskloster unddem Brüderkloster) mit großer Skepsis. Man wollte nicht nocheine von den Steuern befreite Institution.

Die Süsters unterrichteten in ihren Räumen bis zum Beginndes 19. Jahrhunderts die katholischen Kinder. Danachentwickelte sich dort die Nikolaischule in verschiedenenGebäuden, die Ende des letzten Jahrhunderts der heutevorhandenen Wohnbebauung weichen mussten.

An die Zeit des Nonnenklosters, das 1813 abgerissen wurde,erinnert noch der rekonstruierte Grundriss der Kirche.Bemerkenswert ist, dass das Kirchlein des Klosters nach derReformation das einzige Gotteshaus für die KatholikenLippstadts blieb, bis sie 1807 in die Nicolaikirche übersiedelnkonnten.

Altes Steinwerk Die Süsters im St.-Annen-Rosengarten

Die erste Volksschule

DieRekonstruktionder Klosterkirche

Die NicolaischuleMitte des 20. Jahrhunderts,von der Klosterstraße aus gesehen

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In dem Gebäude, in dem heute das Stadtarchiv untergebrachtist, befindet sich ein baugeschichtlich sehr interessanter undseltener Bauteil: ein so genanntes Steinwerk. Steinwerke sindeine besondere Bauform mittelalterlicher Architektur undhäufig der Baukunst der Romanik zuzuordnen. Sie wurdenso gebaut und befestigt, dass sie gut gegen Angriffe verteidigtwerden konnten. Steinwerke waren typischerweise gedrungenrechteckig, oft nahezu quadratisch. Sie dienten ursprünglichvermutlich als Speicherbauten oder Zufluchtsstätten fürAdelige und reiche Bürger. Aufgrund ihrer soliden Bauweisewaren Steinwerke für die damalige Zeit auch ziemlich brand-sicher. In der Regel wurden sie zusammen mit einem Vorder-haus errichtet.

Das Lippstädter Steinwerk stammt aus dem 15. Jahrhundert.Es besteht zu drei Seiten aus 1 Meter dicken Bruchsteinwänden.Zum Vorderhaus an der Soeststraße war es offen bzw. nurdurch eine Fachwerkwand getrennt.

In den nachfolgenden Jahrhunderten erfolgten einige Um-bauten. Die Außenwände wurden im 17. Jahrhundert in einenneuen Fachwerkbau einbezogen. Die Saaldecke mit einer guterhaltenen Rankenmalerei hat sich aus dieser Zeit erhalten.Im 20. Jahrhundert wurde das Steinwerk in die Betriebsge-bäude einer Druckerei integriert und erst 1981 bei Sanierungs-maßnahmen wieder entdeckt.

Das unter Denkmalschutz stehende Steinwerk wird heuteals Lesesaal und Veranstaltungsraum genutzt und kann wiedie restaurierte Saaldecke während der Öffnungszeiten desStadtarchivs besichtigt werden.

Das 1981 wiederentdeckte Steinwerk

Heutiger Lesesaal

Fromme Frauen kauften an dieser Stelle schon im frühen 14.Jahrhundert Land an der Straße, die lange auch Süsternstraßehieß. Die den Beginen ähnliche Gemeinschaft der „Süsters“schloss sich dann 1453 unter den Regeln des HeiligenAugustinus zu einer religiösen Gemeinschaft zusammen. ZuEhren der Heiligen Anna, der insbesondere im Spätmittelalterverehrten Patronin der Mütter und Witwen, bauten dieunverheirateten oder verwitweten Süstern auch eine kleineKapelle, die schon bald durch eine größere Kirche ersetztwurde. Die Schwestern legten kein Gelübde ab, verpflichtetensich aber, ein Leben in Keuschheit und Gehorsam zu führen.Ihren Lebensunterhalt verdienten sie durch Handarbeiten odersoziale Dienste.

Von den Zünften waren die Arbeiten der Süsters nicht gerngesehen. Die Wollweber machten daher zur Auflage, dass dieStoffe, die die Süsters in St.-Annen-Rosengarten webten, nurin Ballen verkauft werden durften. Auch die Stadtoberen sahenein drittes Kloster in der Stadt (neben dem Stiftskloster unddem Brüderkloster) mit großer Skepsis. Man wollte nicht nocheine von den Steuern befreite Institution.

Die Süsters unterrichteten in ihren Räumen bis zum Beginndes 19. Jahrhunderts die katholischen Kinder. Danachentwickelte sich dort die Nikolaischule in verschiedenenGebäuden, die Ende des letzten Jahrhunderts der heutevorhandenen Wohnbebauung weichen mussten.

An die Zeit des Nonnenklosters, das 1813 abgerissen wurde,erinnert noch der rekonstruierte Grundriss der Kirche.Bemerkenswert ist, dass das Kirchlein des Klosters nach derReformation das einzige Gotteshaus für die KatholikenLippstadts blieb, bis sie 1807 in die Nicolaikirche übersiedelnkonnten.

Altes Steinwerk Die Süsters im St.-Annen-Rosengarten

Die erste Volksschule

DieRekonstruktionder Klosterkirche

Die NicolaischuleMitte des 20. Jahrhunderts,von der Klosterstraße aus gesehen

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Page 21: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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Der Nicolaiweg Anfang 1969

Gademe

Der an der Nicolaikirche entlang verlaufende Nicolaiwegentstand mit der Stadterweiterung nach 1220 und zählt sozu den ältesten Straßen Lippstadts. Zunächst war dieser Wegweder befestigt noch angebaut, worauf der Name GrünerWeg zurückzuführen ist, den die Straße von 1790 bis zurkommunalen Neuordnung 1975 hatte.Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurden auf der Südseiteerste kleine und einfachste Reihenhäuser gebaut, die auch„Gademe“ genannt wurden. Dies waren Mietshäuschen, diein der Regel in Nebenstraßen von begüterten Familien zuRenditezwecken errichtet und in Lippstadt erstmals bereitsim 14. Jahrhundert erwähnt wurden. Hier wohnten Bürger,die nur ein geringes Einkommen und Vermögen hatten. DieBewohner waren Witwen, unverheiratete Frauen, einfacheHandwerker, Zuarbeiter, Tagelöhner oder später auch einfachestädtische Beamte.Seit dem 18. Jahrhundert wurden die Gademe zunehmendvon den Kleinbürgern erworben. So setzte nach der Schleifungder Lippstädter Festungsanlagen ab 1763 im Nicolaiweg eineintensive Bautätigkeit ein. 1776 findet sich der Name„Calvinscher Weg“.

Ende des 20. Jahrhunderts entwickelte sich aus dem früheren „Arme-Leute-Viertel“ ein

ansehnliches Stadtquartier.

Die Pfarrkirche St. Nicolai ist die älteste Lippstädter Kirche. Siewurde erstmalig 1150 und somit noch vor der Stadtgründungals dreischiffige flachgedeckte romanische Kreuzkirche fertiggestellt. Aus dieser Zeit ist noch der massive, wehrhafte West-turm erhalten.

Die Kirche lag an einem Verkehrsknotenpunkt, an dem sichwichtige Fernwege von Münster, Frankfurt am Main undLübeck kreuzten. Kirchenpatron war der Heilige Nikolaus vonMyra, der in Nord- und Niederdeutschland und insbesondereim Hansegebiet sehr verehrt wurde. So war er auch der Patronder Kaufleute und Händler. Man kann vermuten, dass schonvor der Gründung Lippstadts um 1185 um die Nicolaikircheherum ein Marktort oder eine kleine Siedlung gelegen hat.

Um 1177 brannte das Kirchenschiff nach Überfällen ab undwurde zwischen 1193 und 1205 an gleicher Stelle imfrühgotischen Stil wieder neu errichtet. Die Kirche wies gegenEnde des Mittelalters vier oder fünf Altäre auf, an denenvermutlich mindestens ebenso viele Messpriester tätig waren.Im Hochaltar fand sich eine Reliquie des Heiligen Jakobus ausder Zeit um 1200.

Nach einigen grundlegenden Renovierungen musste dasKirchenschiff 1873 wegen Baufälligkeit endgültig abgebrochenwerden. Unter der Leitung des Paderborner DombaumeistersArnold Güldenpfennig wurde dafür die heutige neugotischeHallenkirche errichtet. Die letzte komplette Restaurierung desKircheninnenraumes sowie die Erneuerung des Dachschiefersin englischer Deckung erfolgten im Jahr 1979.

Die alte Kirche um 1871

Nach dem Neubau 1873 Die Reliquienkästchen aus St. Nicolaiund sein Inhalt

Nicolaiweg Katholische Pfarrkirche St. Nicolai

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Der Nicolaiweg Anfang 1969

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Der an der Nicolaikirche entlang verlaufende Nicolaiwegentstand mit der Stadterweiterung nach 1220 und zählt sozu den ältesten Straßen Lippstadts. Zunächst war dieser Wegweder befestigt noch angebaut, worauf der Name GrünerWeg zurückzuführen ist, den die Straße von 1790 bis zurkommunalen Neuordnung 1975 hatte.Gegen Ende des 15. Jahrhunderts wurden auf der Südseiteerste kleine und einfachste Reihenhäuser gebaut, die auch„Gademe“ genannt wurden. Dies waren Mietshäuschen, diein der Regel in Nebenstraßen von begüterten Familien zuRenditezwecken errichtet und in Lippstadt erstmals bereitsim 14. Jahrhundert erwähnt wurden. Hier wohnten Bürger,die nur ein geringes Einkommen und Vermögen hatten. DieBewohner waren Witwen, unverheiratete Frauen, einfacheHandwerker, Zuarbeiter, Tagelöhner oder später auch einfachestädtische Beamte.Seit dem 18. Jahrhundert wurden die Gademe zunehmendvon den Kleinbürgern erworben. So setzte nach der Schleifungder Lippstädter Festungsanlagen ab 1763 im Nicolaiweg eineintensive Bautätigkeit ein. 1776 findet sich der Name„Calvinscher Weg“.

Ende des 20. Jahrhunderts entwickelte sich aus dem früheren „Arme-Leute-Viertel“ ein

ansehnliches Stadtquartier.

Die Pfarrkirche St. Nicolai ist die älteste Lippstädter Kirche. Siewurde erstmalig 1150 und somit noch vor der Stadtgründungals dreischiffige flachgedeckte romanische Kreuzkirche fertiggestellt. Aus dieser Zeit ist noch der massive, wehrhafte West-turm erhalten.

Die Kirche lag an einem Verkehrsknotenpunkt, an dem sichwichtige Fernwege von Münster, Frankfurt am Main undLübeck kreuzten. Kirchenpatron war der Heilige Nikolaus vonMyra, der in Nord- und Niederdeutschland und insbesondereim Hansegebiet sehr verehrt wurde. So war er auch der Patronder Kaufleute und Händler. Man kann vermuten, dass schonvor der Gründung Lippstadts um 1185 um die Nicolaikircheherum ein Marktort oder eine kleine Siedlung gelegen hat.

Um 1177 brannte das Kirchenschiff nach Überfällen ab undwurde zwischen 1193 und 1205 an gleicher Stelle imfrühgotischen Stil wieder neu errichtet. Die Kirche wies gegenEnde des Mittelalters vier oder fünf Altäre auf, an denenvermutlich mindestens ebenso viele Messpriester tätig waren.Im Hochaltar fand sich eine Reliquie des Heiligen Jakobus ausder Zeit um 1200.

Nach einigen grundlegenden Renovierungen musste dasKirchenschiff 1873 wegen Baufälligkeit endgültig abgebrochenwerden. Unter der Leitung des Paderborner DombaumeistersArnold Güldenpfennig wurde dafür die heutige neugotischeHallenkirche errichtet. Die letzte komplette Restaurierung desKircheninnenraumes sowie die Erneuerung des Dachschiefersin englischer Deckung erfolgten im Jahr 1979.

Die alte Kirche um 1871

Nach dem Neubau 1873 Die Reliquienkästchen aus St. Nicolaiund sein Inhalt

Nicolaiweg Katholische Pfarrkirche St. Nicolai

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Auch an dieser Stelle Lippstadts hat sich eine wechselvolleGeschichte abgespielt.

Prof. Hermann Rothert vermutet, dass hier schon lange vorGründung der Stadt eine germanische Kultstätte gelegenhaben könnte. 1363 wird erstmals in Urkunden ein Spelbrinck(Spielplatz = Festplatz) erwähnt oder auf „up dem Spelbrynk“hingewiesen. Mit „Brink“ wurden seit dem Frühmittelalterleicht erhöhte Stellen bezeichnet, die am Rande von Siedlun-gen lagen.

Auch über ein Ballhaus oder Festhaus wurde berichtet. Diesesdiente jedoch nicht dem Tanzvergnügen, sondern den Waffen-und Ballspielen der erwachsenen Bürger. Es war sozusagenein frühes „Fitnesscenter“.

Im Bereich der Spielplatzstraße und des abzweigenden ehe-maligen III. Pfades, heute der Weg Am Speelbrink, ist auch derVorläufer eines Scheibenbruchs, eines Schützenplatzes zusuchen, welcher bis Anfang des 19. Jahrhunderts als Festplatzder Stadt genutzt wurde. Später wurde das Gelände überbaut.

Von 1914 bis 1970 stand an der Stelle der Stadtsparkasse dasvon Prof. Friedrich Ostendorf entworfene imposante Landrats-amt, das Hauptverwaltungsgebäude des ehemaligen Land-kreises Lippstadt.Der moderne Neubau der Stadtsparkasse ermöglicht heuteeine sichere Aufbewahrung des Geldes. Das war nicht immerso. So musste der Chef der ersten Lippstädter Stadtsparkasse(gegründet 1842) die Einlagen seiner Kunden in einer Truhe(ohne Griffe, um den Dieben ihr Tun zu erschweren) noch inseinem Schlafzimmer aufbewahren.

Das alte Landratsamt

Der III. Pfad, heute Am Speelbrink

Das Gebäude diente früher gleich zwei Nutzungszwecken.Die Eigentümerfamilie Thurmann betrieb nämlich neben derLandwirtschaft auch eine Gastwirtschaft.

Die linke Hälfte des traufständigen Fachwerkhauses, das heutezur Straße hin verputzt ist, bot mit ihrem großen Deelentorden Zugang zum landwirtschaftlich genutzten Teil mitdahinter liegenden Scheunen und Ställen. Der rechte Gebäude-teil wurde als Gaststätte genutzt, die bei den Lippstädtern als„Thurmann unterm Bäumeken“ bekannt war – wohl wegender Kastanie vor dem Eingang und zur Unterscheidung derweit verzweigten Familie Thurmann.

Der Wirt war offenbar recht geschäftstüchtig. Denn er hatteim Flur zur Gaststube eine frühe Form der Selbstbedienungeingeführt: in einer kleinen Wandnische fand der eilige Gasteine Flasche Korn, eine Flasche „Kolorierten“ (ein Likör) undein angekettetes Schnapsglas, ein so genanntes Kuhauge.Hier konnte man sich selbst eingießen und bezahlte, indemman eine Münze durch einen Schlitz in ein Wandkästchensteckte.

Übrigens war es üblich, dass an Markttagen die Bauern ausden Dörfern des Umlandes sich in den Gaststätten an denHauptzugangsstraßen der Stadt trafen. Hier fanden sieAusspann und Ausschank – Ausspann für die Pferde, die inden Ställen der Gasthäuser, den „Vorläufern unserer heutigenParkhäuser“, versorgt wurden, und Ausschank für dieMenschen, die sich nach teilweise langer Anfahrt frühmorgensmit Kaffee und anderen Getränken stärken mussten.

Motiv aus der Zeit,als der linke Teil des Gebäudesnoch landwirtschaftlichgenutzt wurde

Am Speelbrink, Spielplatzstraße „Thurmann unterm Bäumeken“

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Auch an dieser Stelle Lippstadts hat sich eine wechselvolleGeschichte abgespielt.

Prof. Hermann Rothert vermutet, dass hier schon lange vorGründung der Stadt eine germanische Kultstätte gelegenhaben könnte. 1363 wird erstmals in Urkunden ein Spelbrinck(Spielplatz = Festplatz) erwähnt oder auf „up dem Spelbrynk“hingewiesen. Mit „Brink“ wurden seit dem Frühmittelalterleicht erhöhte Stellen bezeichnet, die am Rande von Siedlun-gen lagen.

Auch über ein Ballhaus oder Festhaus wurde berichtet. Diesesdiente jedoch nicht dem Tanzvergnügen, sondern den Waffen-und Ballspielen der erwachsenen Bürger. Es war sozusagenein frühes „Fitnesscenter“.

Im Bereich der Spielplatzstraße und des abzweigenden ehe-maligen III. Pfades, heute der Weg Am Speelbrink, ist auch derVorläufer eines Scheibenbruchs, eines Schützenplatzes zusuchen, welcher bis Anfang des 19. Jahrhunderts als Festplatzder Stadt genutzt wurde. Später wurde das Gelände überbaut.

Von 1914 bis 1970 stand an der Stelle der Stadtsparkasse dasvon Prof. Friedrich Ostendorf entworfene imposante Landrats-amt, das Hauptverwaltungsgebäude des ehemaligen Land-kreises Lippstadt.Der moderne Neubau der Stadtsparkasse ermöglicht heuteeine sichere Aufbewahrung des Geldes. Das war nicht immerso. So musste der Chef der ersten Lippstädter Stadtsparkasse(gegründet 1842) die Einlagen seiner Kunden in einer Truhe(ohne Griffe, um den Dieben ihr Tun zu erschweren) noch inseinem Schlafzimmer aufbewahren.

Das alte Landratsamt

Der III. Pfad, heute Am Speelbrink

Das Gebäude diente früher gleich zwei Nutzungszwecken.Die Eigentümerfamilie Thurmann betrieb nämlich neben derLandwirtschaft auch eine Gastwirtschaft.

Die linke Hälfte des traufständigen Fachwerkhauses, das heutezur Straße hin verputzt ist, bot mit ihrem großen Deelentorden Zugang zum landwirtschaftlich genutzten Teil mitdahinter liegenden Scheunen und Ställen. Der rechte Gebäude-teil wurde als Gaststätte genutzt, die bei den Lippstädtern als„Thurmann unterm Bäumeken“ bekannt war – wohl wegender Kastanie vor dem Eingang und zur Unterscheidung derweit verzweigten Familie Thurmann.

Der Wirt war offenbar recht geschäftstüchtig. Denn er hatteim Flur zur Gaststube eine frühe Form der Selbstbedienungeingeführt: in einer kleinen Wandnische fand der eilige Gasteine Flasche Korn, eine Flasche „Kolorierten“ (ein Likör) undein angekettetes Schnapsglas, ein so genanntes Kuhauge.Hier konnte man sich selbst eingießen und bezahlte, indemman eine Münze durch einen Schlitz in ein Wandkästchensteckte.

Übrigens war es üblich, dass an Markttagen die Bauern ausden Dörfern des Umlandes sich in den Gaststätten an denHauptzugangsstraßen der Stadt trafen. Hier fanden sieAusspann und Ausschank – Ausspann für die Pferde, die inden Ställen der Gasthäuser, den „Vorläufern unserer heutigenParkhäuser“, versorgt wurden, und Ausschank für dieMenschen, die sich nach teilweise langer Anfahrt frühmorgensmit Kaffee und anderen Getränken stärken mussten.

Motiv aus der Zeit,als der linke Teil des Gebäudesnoch landwirtschaftlichgenutzt wurde

Am Speelbrink, Spielplatzstraße „Thurmann unterm Bäumeken“

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Die mittelalterliche „Stadt tor Lippe“ wurde von Anfang anvon ihren Bürgern durch den Bau unterschiedlichster Vertei-digungsanlagen zur Abwehr von Feinden geschützt. Dienachweisbare spätmittelalterliche Stadtmauer enthielt um1450 fünf Stadttore, die den Zugang zur Stadt ermöglichten.Eines dieser Tore war das Südertor, das in der Verlängerungder Lange Straße gestanden hat. Von hier führten Wege nachErwitte und Bökenförde bzw. Westernkotten.

Lippstadt entwickelte sich in den folgenden Jahrhundertenzur stärksten Festungsstadt zwischen Rhein und Weser. ImZuge der strategischen Erweiterung der Festungsanlagenwurde das Südertor um 1680 ca. 70 Meter nach Westen verlegt,und zwar an die Stelle, an der heute noch die Lange Straßenach Süden in Richtung Bahn abknickt. Der Festungsbau führtedazu, dass die Stadt Mitte des 18. Jahrhunderts nur noch übereine Vielzahl von Brücken und Wehranlagen erreichbar war.Nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges wurden diemächtigen Festungsanlagen ab 1763 auf Befehl des preußi-schen Königs Friedrichs II. geschleift.

1450 - erste Stadtmauer 1623 - Beginn der Fortifikation

1763 - stärkste Festungsanlage

Der Brunnen wurde 1914 als Denkmal zu Ehren des Stadt-gründers Bernhards II. geplant, dann aber als Ehrenmal fürdie Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtet.

Bernhard II. wurde um 1140 als Sohn des Edelherrn Hermanns I.zur Lippe geboren und sollte eigentlich Geistlicher werden.Nach dem Tod seines Vaters und seines älteren Bruders mussteer aber das weltliche Erbe seiner Familie antreten. Bernhard II.war Anhänger des Sachsenherzogs Heinrichs des Löwen,später Mönch in der Zisterzienserabtei Marienfeld, Abt inDünamünde (bei Riga an der Ostsee) und Bischof von Selonienin Livland. Bernhard war mit der Grafentochter Heilwig vonAre verheiratet. Beide hatten zusammen mindestens fünfSöhne und sechs Töchter.

1185 gründete Bernhard II. mit kaiserlicher Erlaubnis als erstevon mehreren Städten in seinem Herrschaftsgebiet die StadtLippstadt und dort das Augustinerinnen-Stift (Klein) St. Marien.Das Stadtrecht verlieh er den Bürgern um 1220 .

Bernhard II. verstarb 1224 im hohen Alter von über 80 Jahrenund wurde wohl im Kloster Dünamünde beigesetzt.

Das Stadtsiegel von 1231

Alte Ansichten

Das Südertor Bernhardbrunnen

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Page 26: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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Die mittelalterliche „Stadt tor Lippe“ wurde von Anfang anvon ihren Bürgern durch den Bau unterschiedlichster Vertei-digungsanlagen zur Abwehr von Feinden geschützt. Dienachweisbare spätmittelalterliche Stadtmauer enthielt um1450 fünf Stadttore, die den Zugang zur Stadt ermöglichten.Eines dieser Tore war das Südertor, das in der Verlängerungder Lange Straße gestanden hat. Von hier führten Wege nachErwitte und Bökenförde bzw. Westernkotten.

Lippstadt entwickelte sich in den folgenden Jahrhundertenzur stärksten Festungsstadt zwischen Rhein und Weser. ImZuge der strategischen Erweiterung der Festungsanlagenwurde das Südertor um 1680 ca. 70 Meter nach Westen verlegt,und zwar an die Stelle, an der heute noch die Lange Straßenach Süden in Richtung Bahn abknickt. Der Festungsbau führtedazu, dass die Stadt Mitte des 18. Jahrhunderts nur noch übereine Vielzahl von Brücken und Wehranlagen erreichbar war.Nach Beendigung des Siebenjährigen Krieges wurden diemächtigen Festungsanlagen ab 1763 auf Befehl des preußi-schen Königs Friedrichs II. geschleift.

1450 - erste Stadtmauer 1623 - Beginn der Fortifikation

1763 - stärkste Festungsanlage

Der Brunnen wurde 1914 als Denkmal zu Ehren des Stadt-gründers Bernhards II. geplant, dann aber als Ehrenmal fürdie Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichtet.

Bernhard II. wurde um 1140 als Sohn des Edelherrn Hermanns I.zur Lippe geboren und sollte eigentlich Geistlicher werden.Nach dem Tod seines Vaters und seines älteren Bruders mussteer aber das weltliche Erbe seiner Familie antreten. Bernhard II.war Anhänger des Sachsenherzogs Heinrichs des Löwen,später Mönch in der Zisterzienserabtei Marienfeld, Abt inDünamünde (bei Riga an der Ostsee) und Bischof von Selonienin Livland. Bernhard war mit der Grafentochter Heilwig vonAre verheiratet. Beide hatten zusammen mindestens fünfSöhne und sechs Töchter.

1185 gründete Bernhard II. mit kaiserlicher Erlaubnis als erstevon mehreren Städten in seinem Herrschaftsgebiet die StadtLippstadt und dort das Augustinerinnen-Stift (Klein) St. Marien.Das Stadtrecht verlieh er den Bürgern um 1220 .

Bernhard II. verstarb 1224 im hohen Alter von über 80 Jahrenund wurde wohl im Kloster Dünamünde beigesetzt.

Das Stadtsiegel von 1231

Alte Ansichten

Das Südertor Bernhardbrunnen

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Die recht kleine gotische Hallenkirche wurde schon Mitte des13. Jahrhunderts errichtet, um das südöstliche Gebiet derjungen, schnell wachsenden Stadt pastoral zu versorgen.

Leider gibt es nur wenige Belege für die sicherlich spannendeGeschichte des einmal am Jakobs-Pilgerweg gelegenen Gottes-hauses. Bemerkenswert ist ein tiefer Brunnen im südwestlich-en Teil des Kirchenraums. Dies mag mit ein Grund dafürgewesen sein, dass die Kirche Jakobus dem Älteren geweihtwurde. Er war einer der Lieblingsheiligen der hansischenKaufleute und Pilger, gleichzeitig aber auch Brunnen- undWasserheiliger.

Auffällig an der Jakobikirche ist der dicke Wehrturm, von demeine gute Sicht auf etwaige Angreifer möglich war. Bei Gefahrendiente die Kirche sicherlich als Zufluchtsort. Unbewiesen sindSpekulationen, dass ein unterirdischer Verbindungsgang dasGotteshaus mit einem benachbarten Wohnhaus verbundenhat.

Im nordöstlichen Bereich der Kirche, von der angrenzendenJakobikirchstraße aus sehr gut zu sehen, gibt es einen Teil ausFachwerk. Die Explosion eines in der Nähe gelegenen Muni-tionslagers hatte 1764 die Kirche an dieser Stelle sehr starkbeschädigt. Die Reparatur des Mauerwerks erfolgte aus Kosten-gründen nur mit Fachwerk. So waren Renovierungs- und Um-bauarbeiten an der Kirche häufig nur durch Spenden reali-sierbar. Die neue Turmhaube von 1755 konnte erst nach einerKollektenreise des Lippstädter Bürgermeisters Rose errichtetwerden. Auch der Umbau der Jakobikirche im Jahr 2007, derneben der kirchlichen nun auch eine Nutzung für Kunst- undKulturveranstaltungen ermöglicht, wurde erst durch privateSpenden, öffentliche Förderung und Stiftungsgelder möglich.

In der alten Kirche Der Innenraum seit 2007

Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Lippstadt eine von derNicolaigemeinde gegründete Höhere Töchterschule in derKlosterstraße. Diese wurde 1897 von den Heiligenstädter Schul-schwestern übernommen, die in den Folgejahren ein katho-lisches Lyzeum aufbauten. Ein Pensionat war angeschlossenund es gab zusätzlich Ausbildungsmöglichkeiten als Hand-arbeits- und Hauswirtschaftslehrerin oder als Kindergärtnerin.Nach dem 2. Weltkrieg übernahm die Kongregation derSchwestern der Christlichen Liebe die Leitung der Schule, diespäter in den Lippstädter Stadtteil Lipperbruch aussiedelte.

Die gute Entwicklung der Marienschule spiegelt sich auch inden baulichen Tätigkeiten wieder. Nach dem Entwurf desDortmunder Architekten Markmann errichtete man schon1898 einen backsteinsichtigen Massivbau als erstes Schulge-bäude (der mittlere Gebäudeteil). Eine aufwändig gestalteteneugotische Traufwand entlang der Fleischhauerstraße istbesonders erwähnenswert. Schon bald war eine Erweiterungnotwendig, die durch den Architekten Schade aus Arnstadt1902 geplant wurde. Hierbei handelt es sich um die zum Durch-gang hin gelegene vierachsige Erweiterung mit einem neuen,übergiebelten Eingangsportal und einem zum Schulhof hinabgewinkelten Anbau. In diesem Anbau war im Sockelgeschosseine Küche, im Erdgeschoss ein Speisesaal und im Oberge-schoss eine Kapelle untergebracht.

Nach dem Auszug der Marienschule standen die Gebäude fürviele andere Schulzwecke zur Verfügung, so für die Aufbaureal-schule, Volkshochschule, die Außenstellen der StädtischenWilhelmschule oder der Fernuni Hagen und zuletzt die Musikschule.

Bei den in den Jahren 2006/2007 vorgenommenen Umbauar-beiten zur Stadtbücherei konnte die Kapelle in ihrer ursprüng-lichen Form freigelegt werden. Mit den rekonstruierten hohenneugotischen Fenstern, dem ehemaligen Chorbereich undverschiedenen Wandmalereien ist sie heute als repräsentativerVeranstaltungsraum vielfältig nutzbar.

Die frühere Kapelle

Detailder

freigelegtenMalerei

Gartenanlage hinter der Schule

Jakobikirche Ehemalige Marienschule

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Page 28: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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Die recht kleine gotische Hallenkirche wurde schon Mitte des13. Jahrhunderts errichtet, um das südöstliche Gebiet derjungen, schnell wachsenden Stadt pastoral zu versorgen.

Leider gibt es nur wenige Belege für die sicherlich spannendeGeschichte des einmal am Jakobs-Pilgerweg gelegenen Gottes-hauses. Bemerkenswert ist ein tiefer Brunnen im südwestlich-en Teil des Kirchenraums. Dies mag mit ein Grund dafürgewesen sein, dass die Kirche Jakobus dem Älteren geweihtwurde. Er war einer der Lieblingsheiligen der hansischenKaufleute und Pilger, gleichzeitig aber auch Brunnen- undWasserheiliger.

Auffällig an der Jakobikirche ist der dicke Wehrturm, von demeine gute Sicht auf etwaige Angreifer möglich war. Bei Gefahrendiente die Kirche sicherlich als Zufluchtsort. Unbewiesen sindSpekulationen, dass ein unterirdischer Verbindungsgang dasGotteshaus mit einem benachbarten Wohnhaus verbundenhat.

Im nordöstlichen Bereich der Kirche, von der angrenzendenJakobikirchstraße aus sehr gut zu sehen, gibt es einen Teil ausFachwerk. Die Explosion eines in der Nähe gelegenen Muni-tionslagers hatte 1764 die Kirche an dieser Stelle sehr starkbeschädigt. Die Reparatur des Mauerwerks erfolgte aus Kosten-gründen nur mit Fachwerk. So waren Renovierungs- und Um-bauarbeiten an der Kirche häufig nur durch Spenden reali-sierbar. Die neue Turmhaube von 1755 konnte erst nach einerKollektenreise des Lippstädter Bürgermeisters Rose errichtetwerden. Auch der Umbau der Jakobikirche im Jahr 2007, derneben der kirchlichen nun auch eine Nutzung für Kunst- undKulturveranstaltungen ermöglicht, wurde erst durch privateSpenden, öffentliche Förderung und Stiftungsgelder möglich.

In der alten Kirche Der Innenraum seit 2007

Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Lippstadt eine von derNicolaigemeinde gegründete Höhere Töchterschule in derKlosterstraße. Diese wurde 1897 von den Heiligenstädter Schul-schwestern übernommen, die in den Folgejahren ein katho-lisches Lyzeum aufbauten. Ein Pensionat war angeschlossenund es gab zusätzlich Ausbildungsmöglichkeiten als Hand-arbeits- und Hauswirtschaftslehrerin oder als Kindergärtnerin.Nach dem 2. Weltkrieg übernahm die Kongregation derSchwestern der Christlichen Liebe die Leitung der Schule, diespäter in den Lippstädter Stadtteil Lipperbruch aussiedelte.

Die gute Entwicklung der Marienschule spiegelt sich auch inden baulichen Tätigkeiten wieder. Nach dem Entwurf desDortmunder Architekten Markmann errichtete man schon1898 einen backsteinsichtigen Massivbau als erstes Schulge-bäude (der mittlere Gebäudeteil). Eine aufwändig gestalteteneugotische Traufwand entlang der Fleischhauerstraße istbesonders erwähnenswert. Schon bald war eine Erweiterungnotwendig, die durch den Architekten Schade aus Arnstadt1902 geplant wurde. Hierbei handelt es sich um die zum Durch-gang hin gelegene vierachsige Erweiterung mit einem neuen,übergiebelten Eingangsportal und einem zum Schulhof hinabgewinkelten Anbau. In diesem Anbau war im Sockelgeschosseine Küche, im Erdgeschoss ein Speisesaal und im Oberge-schoss eine Kapelle untergebracht.

Nach dem Auszug der Marienschule standen die Gebäude fürviele andere Schulzwecke zur Verfügung, so für die Aufbaureal-schule, Volkshochschule, die Außenstellen der StädtischenWilhelmschule oder der Fernuni Hagen und zuletzt die Musikschule.

Bei den in den Jahren 2006/2007 vorgenommenen Umbauar-beiten zur Stadtbücherei konnte die Kapelle in ihrer ursprüng-lichen Form freigelegt werden. Mit den rekonstruierten hohenneugotischen Fenstern, dem ehemaligen Chorbereich undverschiedenen Wandmalereien ist sie heute als repräsentativerVeranstaltungsraum vielfältig nutzbar.

Die frühere Kapelle

Detailder

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Gartenanlage hinter der Schule

Jakobikirche Ehemalige Marienschule

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Page 29: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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Die Lippstädter Pfade Zurhelle-Platz

Lippstadt gilt als älteste Gründungsstadt Westfalens.Gründungsstädte haben, anders als die aus einer kleinenSiedlung herangewachsenen Städte, einen geregeltenGrundriss und ein klares Wegenetz.

In Lippstadt gab es zwei in Nord-Süd-Richtung verlaufendeHauptstraßen. Dazwischen lagen in gleicher Richtungverlaufende schmale Pätte oder Pfade. Die Stadt brauchtesolche Verbindungswege, damit ihre Verteidiger schnell voneinem Ende der Stadt zum anderen eilen konnten, ohne vomFeind, auch nicht von einem erhöhten Punkt aus, gesehen zuwerden. So waren die Pfade an den Kreuzungen mit den Quer-straßen immer um einige Meter versetzt.

Einer dieser Pfade ist die Dunkle Halle. Diese enge Gasse hatihren Namen wohl, weil sie ursprünglich ganz dicht bebautwar und ein Abschnitt sogar durch das Metzgeramtshaushindurchführte.

In diesem Teil der Stadt standen früher auch noch dieZunfthäuser der Bäcker und Schmiede.

Verlauf der alten Pfade

Der Platz lag noch vor der Stadtgründung im Jahre 1185außerhalb der vorstädtischen Siedlung. Den Verlauf der altenSiedlungsbefestigung, die aus Wällen, Palisaden und Gräbenbestanden hatte, kann man noch heute an der Ausrichtungder östlich gelegenen Gebäude ablesen.

Auf der gegenüber liegenden Straßenseite sieht man dasimposante Gebäude der ehemaligen Reichsbankzentrale.Vom 17. bis zum 20. Jahrhundert befand sich dort das Stamm-haus der Familie Zurhelle, welche das wirtschaftliche undkulturelle Leben in Lippstadt mehr als 300 Jahre lang beein-flusst hat. Die Zurhelles wirkten als Kaufleute und Bankiers.Sie bekleideten politische Ämter und hatten Funktionen alsRichtleute der Kramer, Bürgermeister oder Kommerzienrat inne.

Die gegenüberliegende Straßenseite hatte vor 100 Jahrenein ganz anderes Gesicht

Standort

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Page 30: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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Die Lippstädter Pfade Zurhelle-Platz

Lippstadt gilt als älteste Gründungsstadt Westfalens.Gründungsstädte haben, anders als die aus einer kleinenSiedlung herangewachsenen Städte, einen geregeltenGrundriss und ein klares Wegenetz.

In Lippstadt gab es zwei in Nord-Süd-Richtung verlaufendeHauptstraßen. Dazwischen lagen in gleicher Richtungverlaufende schmale Pätte oder Pfade. Die Stadt brauchtesolche Verbindungswege, damit ihre Verteidiger schnell voneinem Ende der Stadt zum anderen eilen konnten, ohne vomFeind, auch nicht von einem erhöhten Punkt aus, gesehen zuwerden. So waren die Pfade an den Kreuzungen mit den Quer-straßen immer um einige Meter versetzt.

Einer dieser Pfade ist die Dunkle Halle. Diese enge Gasse hatihren Namen wohl, weil sie ursprünglich ganz dicht bebautwar und ein Abschnitt sogar durch das Metzgeramtshaushindurchführte.

In diesem Teil der Stadt standen früher auch noch dieZunfthäuser der Bäcker und Schmiede.

Verlauf der alten Pfade

Der Platz lag noch vor der Stadtgründung im Jahre 1185außerhalb der vorstädtischen Siedlung. Den Verlauf der altenSiedlungsbefestigung, die aus Wällen, Palisaden und Gräbenbestanden hatte, kann man noch heute an der Ausrichtungder östlich gelegenen Gebäude ablesen.

Auf der gegenüber liegenden Straßenseite sieht man dasimposante Gebäude der ehemaligen Reichsbankzentrale.Vom 17. bis zum 20. Jahrhundert befand sich dort das Stamm-haus der Familie Zurhelle, welche das wirtschaftliche undkulturelle Leben in Lippstadt mehr als 300 Jahre lang beein-flusst hat. Die Zurhelles wirkten als Kaufleute und Bankiers.Sie bekleideten politische Ämter und hatten Funktionen alsRichtleute der Kramer, Bürgermeister oder Kommerzienrat inne.

Die gegenüberliegende Straßenseite hatte vor 100 Jahrenein ganz anderes Gesicht

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Metzgeramtshaus Fachwerkhäuser

Der Amtssaal

Das Fachwerkgebäude mit dem Durchgang ist das Amtshausder Lippstädter Metzgerzunft. Es wurde an Stelle eines kleine-ren Vorgängerbaus drei Jahre nach dem großen Stadtbrandvon 1656 errichtet. Bei der Jahreszahl 1574 über dem Durchganghaben die Metzger bewusst „gemogelt“, bezieht sich dieseJahreszahl doch auf die ältesten „Nottuln“, die Satzung dieserhistorischen Zunft.In den unteren Räumen befanden sich früher die von allenMetzgern reihum genutzten Ställe und Schlachtanlagen. Dererste Stock beherbergte den Amtssaal und im südlichen Anbaudie Amtsstube. Dort versammelten sich alle Mitglieder derZunft dreimal jährlich um Petri Stuhlfeier (22. Februar) herum,um z.B. über die streng geregelte Neuaufnahme von Mitglie-dern oder das Schlachtgeld (eine an das Amt zu entrichtendeGebühr) zu entscheiden. Auch die Fleischpreise wurden hierfür ein ganzes Jahr festgesetzt.

Der Amtssaal diente für gemeinsame Feste, bei denen dannauch die Familien der Metzger anwesend sein durften. DieZunft bestand aus nicht mehr als 20 bis 25 Mitgliedern, diewohl nur aus acht Familien stammten.

Durch eine List gelang es den Lippstädter Metzgern, sich derendgültigen Auflösung aller Zünfte zu Beginn des 19. Jahrhun-derts zu entziehen. Durch den scheinbaren Verkauf ihres Zunft-hauses an einen Amtsbruder, der aber insgeheim weiter Mietefür das Gebäude bezahlte, blieb der Bau in den Händen aller Amts-brüder. Nachdem wieder politisch ruhigere Zeiten angebrochenwaren, traf man sich wie gewohnt zu den jährlichen Sitzungen.

Auch heute noch pflegen die Nachfahren der altenAmtsfamilien diese Tradition. Somit ist das Lipp-städter Metzgeramtshaus sicherlich das einzige Zunfthaus in Deutschland, das auch im 21. Jahrhun-dert immer noch als solches genutzt wird.

Im Mittelalter errichteten die Bürger ihre Häuser zumeist inFachwerkbauweise. Steinhäuser waren dagegen zu teuer.Einige sehr gut erhaltene Fachwerkhäuser können Sie in derRathausstraße und in der rechts abzweigenden Helle Hallebewundern. Zunächst wurden wohl kleinere Häuser (z.B. dasHaus Ecke Rathausstraße/Helle Halle 2) erbaut. Nachdem es dieLippstädter zu einigem Wohlstand gebracht hatten, wurdenkleinere Grundstücke zusammengelegt und die heute nochvorhandenen großen und repräsentativen Gebäude errichtet.Nach den in die Balken geschnitzten Jahreszahlen stammendie Fachwerkhäuser aus der Zeit kurz nach dem großenStadtbrand im Jahre 1656.

Beachtenswert sind die kunstvoll in die Balken des Fachwerksals Schmuckwerk eingemeißelten prächtigen Verzierungen.Schöne Inschriften geben Hinweise auf die Erbauer der Häuseroder preisen Gott und flehen um seine Hilfe. Dabei wurdeneinzelne Buchstaben oft so stark mit Schwüngen und Schnörkelnausgestattet, dass man sie nur im Zusammenhang der Wörteroder dem Sinn des ganzen Satzes erraten kann.

Auch Symbole sind in den Balken zu entdecken. So sollte dieSchlange, das Zeichen des Bösen in der christlichen Mythologieund z.B. am Eingang zum Hause Burghardt, Helle Halle 3,zu sehen, die Bewohner des Hauses ständig mahnen, sich vordem Bösen zu hüten und es zu bekämpfen.

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Metzgeramtshaus Fachwerkhäuser

Der Amtssaal

Das Fachwerkgebäude mit dem Durchgang ist das Amtshausder Lippstädter Metzgerzunft. Es wurde an Stelle eines kleine-ren Vorgängerbaus drei Jahre nach dem großen Stadtbrandvon 1656 errichtet. Bei der Jahreszahl 1574 über dem Durchganghaben die Metzger bewusst „gemogelt“, bezieht sich dieseJahreszahl doch auf die ältesten „Nottuln“, die Satzung dieserhistorischen Zunft.In den unteren Räumen befanden sich früher die von allenMetzgern reihum genutzten Ställe und Schlachtanlagen. Dererste Stock beherbergte den Amtssaal und im südlichen Anbaudie Amtsstube. Dort versammelten sich alle Mitglieder derZunft dreimal jährlich um Petri Stuhlfeier (22. Februar) herum,um z.B. über die streng geregelte Neuaufnahme von Mitglie-dern oder das Schlachtgeld (eine an das Amt zu entrichtendeGebühr) zu entscheiden. Auch die Fleischpreise wurden hierfür ein ganzes Jahr festgesetzt.

Der Amtssaal diente für gemeinsame Feste, bei denen dannauch die Familien der Metzger anwesend sein durften. DieZunft bestand aus nicht mehr als 20 bis 25 Mitgliedern, diewohl nur aus acht Familien stammten.

Durch eine List gelang es den Lippstädter Metzgern, sich derendgültigen Auflösung aller Zünfte zu Beginn des 19. Jahrhun-derts zu entziehen. Durch den scheinbaren Verkauf ihres Zunft-hauses an einen Amtsbruder, der aber insgeheim weiter Mietefür das Gebäude bezahlte, blieb der Bau in den Händen aller Amts-brüder. Nachdem wieder politisch ruhigere Zeiten angebrochenwaren, traf man sich wie gewohnt zu den jährlichen Sitzungen.

Auch heute noch pflegen die Nachfahren der altenAmtsfamilien diese Tradition. Somit ist das Lipp-städter Metzgeramtshaus sicherlich das einzige Zunfthaus in Deutschland, das auch im 21. Jahrhun-dert immer noch als solches genutzt wird.

Im Mittelalter errichteten die Bürger ihre Häuser zumeist inFachwerkbauweise. Steinhäuser waren dagegen zu teuer.Einige sehr gut erhaltene Fachwerkhäuser können Sie in derRathausstraße und in der rechts abzweigenden Helle Hallebewundern. Zunächst wurden wohl kleinere Häuser (z.B. dasHaus Ecke Rathausstraße/Helle Halle 2) erbaut. Nachdem es dieLippstädter zu einigem Wohlstand gebracht hatten, wurdenkleinere Grundstücke zusammengelegt und die heute nochvorhandenen großen und repräsentativen Gebäude errichtet.Nach den in die Balken geschnitzten Jahreszahlen stammendie Fachwerkhäuser aus der Zeit kurz nach dem großenStadtbrand im Jahre 1656.

Beachtenswert sind die kunstvoll in die Balken des Fachwerksals Schmuckwerk eingemeißelten prächtigen Verzierungen.Schöne Inschriften geben Hinweise auf die Erbauer der Häuseroder preisen Gott und flehen um seine Hilfe. Dabei wurdeneinzelne Buchstaben oft so stark mit Schwüngen und Schnörkelnausgestattet, dass man sie nur im Zusammenhang der Wörteroder dem Sinn des ganzen Satzes erraten kann.

Auch Symbole sind in den Balken zu entdecken. So sollte dieSchlange, das Zeichen des Bösen in der christlichen Mythologieund z.B. am Eingang zum Hause Burghardt, Helle Halle 3,zu sehen, die Bewohner des Hauses ständig mahnen, sich vordem Bösen zu hüten und es zu bekämpfen.

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Haus Köppelmann Rathaus

Das Haus Köppelmann wurde ca. 1720 als repräsentativer Wohn-sitz des preußischen Festungskommandanten Graf Retbergerrichtet. 1800 kaufte Wilhelm Köppelmann das Patrizierhausund baute es zu einem Gasthof um. Dieser entwickelte sichaufgrund seiner guten Lage zu einem florierenden Hotel. DieHotelnutzung wurde 1967 aufgegeben.

Überraschend ist die reichhaltige Innenarchitektur des äußerlichschlichten Gebäudes. Der Festsaal im Obergeschoss des Ge-bäudes sowie eine Vielzahl von Nebenräumen wurden zwischen1750 und 1760 im Stil des Rokoko umgestaltet. Zierliche Rahmun-gen fassen Wand- und Deckengemälde ein, die das bevorzugteThema der Malerei des 18. Jahrhunderts, die Darstellung desLandlebens, aufgenommen haben. Ergänzend zu diesen Moti-ven werden die vier Jahreszeiten dargestellt. Die Sonne unddie Planeten Erde, Mars, Venus, Jupiter und Saturn schmückendie Decke. Bemerkenswert sind auch die grazil gestalteten Türen.

Das Untergeschoss des Hauses, in dem sich früher auch dasRestaurant befunden hat, fiel leider den Umbauten für geschäft-liche Nutzungen zum Opfer.

Das Haus Köppelmann diente im Laufe der Zeit vielen berühm-ten Persönlichkeiten als Unterkunft. Friedrich der Große fanddort 1763 sein Quartier, 1813 beherbergte es den Zaren Alexandervon Russland. In den Gästelisten des 20. Jahrhunderts findensich so bekannte Politiker wie die Bundespräsidenten TheodorHeuss und Heinrich Lübke oder die Bundeskanzler KonradAdenauer und Ludwig Erhard.

Die Fußgängerzone Anfang der 50er Jahre

Das erste Rathaus wurde im Mittelpunkt Lippstadts vermutlichgleich nach der Stadtgründung im Jahre 1185 errichtet. Erstmalsurkundlich erwähnt wird es 1238. Nachdem im Jahre 1772 derEinsturz des Hauses drohte, wurde es im Jahre 1775 an alterStelle durch einen Neubau im überwiegend klassizistischenStil ersetzt, der später manchen Umbau erfuhr, um weiterenPlatz zu schaffen. Über die aufwändige Freitreppe gelangtman durch das Rokokoportal in die Räume des Obergeschossesund den Ratssaal. Über dem Portal sind der Preußenadler, dasStadtwappen sowie die Lippische Rose zu sehen.

Im Rathaus tagten und verhandelten die Stadträte und befan-den sich die Büros der Stadtverwaltung. Auch eine Mehlwaageund einen Weinverkauf gab es dort. Das Gebäude war eineZeit lang das Domizil der Polizeistation einschließlich der Arrest-zellen. Auch die Realschule war dort einmal untergebracht.Heute wird der große Saal des Gebäudes u.a. für Ratssitzungen,kulturelle Veranstaltungen und Empfänge der Stadt genutzt.

Im Flur des Obergeschosses kann man ein interessantes Modellbesichtigen, das den Ausbau der Stadt im 17. Jahrhundertdarstellt.

Der Rathausplatz wurde im Rahmen der Altstadtsanierung1986 als autofreier Platz gestaltet und ist zentraler Veran-staltungsort vieler traditioneller Volksfeste.

Markttag

22.10.1971DieStädte-partner-schaft mitUdenwirdbesiegelt

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Haus Köppelmann Rathaus

Das Haus Köppelmann wurde ca. 1720 als repräsentativer Wohn-sitz des preußischen Festungskommandanten Graf Retbergerrichtet. 1800 kaufte Wilhelm Köppelmann das Patrizierhausund baute es zu einem Gasthof um. Dieser entwickelte sichaufgrund seiner guten Lage zu einem florierenden Hotel. DieHotelnutzung wurde 1967 aufgegeben.

Überraschend ist die reichhaltige Innenarchitektur des äußerlichschlichten Gebäudes. Der Festsaal im Obergeschoss des Ge-bäudes sowie eine Vielzahl von Nebenräumen wurden zwischen1750 und 1760 im Stil des Rokoko umgestaltet. Zierliche Rahmun-gen fassen Wand- und Deckengemälde ein, die das bevorzugteThema der Malerei des 18. Jahrhunderts, die Darstellung desLandlebens, aufgenommen haben. Ergänzend zu diesen Moti-ven werden die vier Jahreszeiten dargestellt. Die Sonne unddie Planeten Erde, Mars, Venus, Jupiter und Saturn schmückendie Decke. Bemerkenswert sind auch die grazil gestalteten Türen.

Das Untergeschoss des Hauses, in dem sich früher auch dasRestaurant befunden hat, fiel leider den Umbauten für geschäft-liche Nutzungen zum Opfer.

Das Haus Köppelmann diente im Laufe der Zeit vielen berühm-ten Persönlichkeiten als Unterkunft. Friedrich der Große fanddort 1763 sein Quartier, 1813 beherbergte es den Zaren Alexandervon Russland. In den Gästelisten des 20. Jahrhunderts findensich so bekannte Politiker wie die Bundespräsidenten TheodorHeuss und Heinrich Lübke oder die Bundeskanzler KonradAdenauer und Ludwig Erhard.

Die Fußgängerzone Anfang der 50er Jahre

Das erste Rathaus wurde im Mittelpunkt Lippstadts vermutlichgleich nach der Stadtgründung im Jahre 1185 errichtet. Erstmalsurkundlich erwähnt wird es 1238. Nachdem im Jahre 1772 derEinsturz des Hauses drohte, wurde es im Jahre 1775 an alterStelle durch einen Neubau im überwiegend klassizistischenStil ersetzt, der später manchen Umbau erfuhr, um weiterenPlatz zu schaffen. Über die aufwändige Freitreppe gelangtman durch das Rokokoportal in die Räume des Obergeschossesund den Ratssaal. Über dem Portal sind der Preußenadler, dasStadtwappen sowie die Lippische Rose zu sehen.

Im Rathaus tagten und verhandelten die Stadträte und befan-den sich die Büros der Stadtverwaltung. Auch eine Mehlwaageund einen Weinverkauf gab es dort. Das Gebäude war eineZeit lang das Domizil der Polizeistation einschließlich der Arrest-zellen. Auch die Realschule war dort einmal untergebracht.Heute wird der große Saal des Gebäudes u.a. für Ratssitzungen,kulturelle Veranstaltungen und Empfänge der Stadt genutzt.

Im Flur des Obergeschosses kann man ein interessantes Modellbesichtigen, das den Ausbau der Stadt im 17. Jahrhundertdarstellt.

Der Rathausplatz wurde im Rahmen der Altstadtsanierung1986 als autofreier Platz gestaltet und ist zentraler Veran-staltungsort vieler traditioneller Volksfeste.

Markttag

22.10.1971DieStädte-partner-schaft mitUdenwirdbesiegelt

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Page 35: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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Lippertor · Tivoli-Insel · Lippebug Steinwehr

Der Lippstädter Tivoli ist eine kleine Insel, die von der Lippeumflossen wird. Über diese Insel führte schon im Mittelaltereine von Wiedenbrück kommende Straße direkt zu dem andieser Stelle gelegenen nordöstlichen Stadttor, dem Lippertor.

Auf der östlichen Seite der Insel befand sich eine Zeit lang der„Schüttstall“ der Stadt, eine Art Fundbüro für herrenloses Vieh.1870 erwarb der Hotelbesitzer H. Bührnheim das kleine,baumbestandene Inselgrundstück und eröffnete dort eineGartenwirtschaft. In Anlehnung an den KopenhagenerVergnügungspark wurde der beliebte Tanzplatz im Freien vonden Lippstädtern schon bald Tivoli genannt. Das heute nocherhaltene denkmalgeschützte Gebäude wurde um 1900 imStil des romantischen Historismus mit Erkertürmchen, Loggienund Veranden gebaut.

Am Südufer der Lippe stand an der westlichen Inselseite nochbis 1976 die Stadtmühle. Sie wird erstmals in Aufzeichnungenaus dem Jahre 1209 erwähnt. Auf der gegenüber liegendenSeite der Lippe befand sich dort, wo heute das Hotel Lippe-residenz steht, die zu Lipperode gehörende Lippische Mühle,erbaut bereits vor 1222. Sie wurde als Korn-, Lohe-, Graupen-und Sägemühle genutzt.

Ende des letzten Jahrhunderts veränderten viele Baumaßnah-men im Rahmen des Hochwasserschutzes das Straßen- undStadtbild des Lippertores, der Tivoli-Insel und an der Mühlen-straße. So wurden auch die Brücken erweitert und derwestliche Teil der Insel neu gestaltet, der wegen seiner FormLippe-Bug genannt wird. Dort hat bis 1979 ebenfalls einschönes Wohn- und Geschäftshaus gestanden, in dem 1842die Stadtsparkasse Lippstadt ihren ersten Geschäftsbetrieberöffnete.

Die Straße Mitte des letzten Jahrhunderts

Alter Blick in Richtung Rathausplatz

Ein Wehr ist bekanntlich ein Bauwerk, das dem Wasser dennatürlichen Ablauf im Fluss „verwehrt“, um es z. B. inZuleitungsgräben umzuleiten. Genau diesem Zweck dienteauch das Steinwehr, wobei es sich bei den Zuleitungsgräbenum die Festungsgräben der Stadt handelte.

Die Wassermenge des ersten um 1220 angelegtenStadtgrabens musste aufgrund der geringen Ausmaßewahrscheinlich noch nicht über ein Wehr gesteuert werden.Später entstanden aber bis 1623 viele neue Sicherungs- undBefestigungsanlagen mit zusätzlichen Wasserläufen, umLippstadt zur stärksten Festungsstadt zwischen Rhein undWeser auszubauen. Dazu gehörte z. B. der „Avant-fossé“, derVorgraben. Wenig später wurde dieser zum Stadtgrabenerweitert. Davor entstand dann ein „Avant-fossé“ mit zick-zack-förmigem Verlauf, der noch heute die Kernstadt begrenztund als „südliche Umflut“ bezeichnet wird.

Für die vielen Gräben wurde natürlich eine große MengeWasser benötigt. So hatte man schon frühzeitig ein großesWehr gebaut, welches zunächst aus Holz bestand. Das um1711 erbaute Steinwehr weist 10 Durchlässe von 1,8 m Breiteauf, zu denen je eine 8 cm dicke und 1,9 m breite Holzbohlegehört. An starken Ketten hängend konnten die Holzbohlenals Staukörper ins Wasser herabgelassen werden und so dieFunktion als bewegliches Wehr erfüllen.

Nach dem Schleifen der Festung wurden die Sicherungsgräbenbis auf die nördliche und südliche Umflut zugeschüttet. Dochbrauchte man weiterhin viel Wasser für die jetzt begonneneinnerstädtische Kanalisation, deren im 19. Jahrhundert nochoffene Gräben sich durch die gesamte Kernstadt zogen.

Alter Blick aus dem Grünen Winkelauf die Stadt

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Page 36: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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Lippertor · Tivoli-Insel · Lippebug Steinwehr

Der Lippstädter Tivoli ist eine kleine Insel, die von der Lippeumflossen wird. Über diese Insel führte schon im Mittelaltereine von Wiedenbrück kommende Straße direkt zu dem andieser Stelle gelegenen nordöstlichen Stadttor, dem Lippertor.

Auf der östlichen Seite der Insel befand sich eine Zeit lang der„Schüttstall“ der Stadt, eine Art Fundbüro für herrenloses Vieh.1870 erwarb der Hotelbesitzer H. Bührnheim das kleine,baumbestandene Inselgrundstück und eröffnete dort eineGartenwirtschaft. In Anlehnung an den KopenhagenerVergnügungspark wurde der beliebte Tanzplatz im Freien vonden Lippstädtern schon bald Tivoli genannt. Das heute nocherhaltene denkmalgeschützte Gebäude wurde um 1900 imStil des romantischen Historismus mit Erkertürmchen, Loggienund Veranden gebaut.

Am Südufer der Lippe stand an der westlichen Inselseite nochbis 1976 die Stadtmühle. Sie wird erstmals in Aufzeichnungenaus dem Jahre 1209 erwähnt. Auf der gegenüber liegendenSeite der Lippe befand sich dort, wo heute das Hotel Lippe-residenz steht, die zu Lipperode gehörende Lippische Mühle,erbaut bereits vor 1222. Sie wurde als Korn-, Lohe-, Graupen-und Sägemühle genutzt.

Ende des letzten Jahrhunderts veränderten viele Baumaßnah-men im Rahmen des Hochwasserschutzes das Straßen- undStadtbild des Lippertores, der Tivoli-Insel und an der Mühlen-straße. So wurden auch die Brücken erweitert und derwestliche Teil der Insel neu gestaltet, der wegen seiner FormLippe-Bug genannt wird. Dort hat bis 1979 ebenfalls einschönes Wohn- und Geschäftshaus gestanden, in dem 1842die Stadtsparkasse Lippstadt ihren ersten Geschäftsbetrieberöffnete.

Die Straße Mitte des letzten Jahrhunderts

Alter Blick in Richtung Rathausplatz

Ein Wehr ist bekanntlich ein Bauwerk, das dem Wasser dennatürlichen Ablauf im Fluss „verwehrt“, um es z. B. inZuleitungsgräben umzuleiten. Genau diesem Zweck dienteauch das Steinwehr, wobei es sich bei den Zuleitungsgräbenum die Festungsgräben der Stadt handelte.

Die Wassermenge des ersten um 1220 angelegtenStadtgrabens musste aufgrund der geringen Ausmaßewahrscheinlich noch nicht über ein Wehr gesteuert werden.Später entstanden aber bis 1623 viele neue Sicherungs- undBefestigungsanlagen mit zusätzlichen Wasserläufen, umLippstadt zur stärksten Festungsstadt zwischen Rhein undWeser auszubauen. Dazu gehörte z. B. der „Avant-fossé“, derVorgraben. Wenig später wurde dieser zum Stadtgrabenerweitert. Davor entstand dann ein „Avant-fossé“ mit zick-zack-förmigem Verlauf, der noch heute die Kernstadt begrenztund als „südliche Umflut“ bezeichnet wird.

Für die vielen Gräben wurde natürlich eine große MengeWasser benötigt. So hatte man schon frühzeitig ein großesWehr gebaut, welches zunächst aus Holz bestand. Das um1711 erbaute Steinwehr weist 10 Durchlässe von 1,8 m Breiteauf, zu denen je eine 8 cm dicke und 1,9 m breite Holzbohlegehört. An starken Ketten hängend konnten die Holzbohlenals Staukörper ins Wasser herabgelassen werden und so dieFunktion als bewegliches Wehr erfüllen.

Nach dem Schleifen der Festung wurden die Sicherungsgräbenbis auf die nördliche und südliche Umflut zugeschüttet. Dochbrauchte man weiterhin viel Wasser für die jetzt begonneneinnerstädtische Kanalisation, deren im 19. Jahrhundert nochoffene Gräben sich durch die gesamte Kernstadt zogen.

Alter Blick aus dem Grünen Winkelauf die Stadt

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Brüderkirche und Niemöllerhaus Informationstafeln

Bis 1542 gab es in Lippstadt ein Augustiner-Eremiten-Mönchs-kloster, welches schon 1280 von Friedrich von Hörde zuSchwarzenraben und Störmede gestiftet worden war und demStifter auch als Grablege für sich und seine Familie dienen sollte.

Das Kloster selbst ist dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallenund nicht mehr vorhanden. Aber die alte gotische Klosterkirche,deren Fertigstellung sich bis Mitte des 14. Jahrhunderts hin-gezogen hatte, ist noch erhalten. Aus Sicht der Baukunst istdie Kirche wegen ihres seltenen Grundrisses interessant. Siebesteht aus einem Langhaus, dem sich nur an der Südseiteein Nebenschiff mit drei Querdächern und Giebeln anschließt.Im Innern dienen lediglich zwei kräftige runde Säulen dendrei Jochen dieser unsymmetrischen Hallenkirche als Stützen.

Die alte Klosteranlage

Alte Ansicht, im Vordergrund das Niemöllerhaus

Der berühmteste Mönch des Klosters warDr. Johannes Westermann. Er wurde einst vonseinem Konvent zum Studium der Theologienach Wittenberg geschickt. Dort traf ervermutlich Martin Luther. Wieder zurück inLippstadt, begann Westermann sofort damit,Gottes Wort in lutherischer Art, nämlich aufDeutsch, zu predigen. Er hatte so großenZulauf, dass er für seine Predigten in diegroße Marienkirche ausweichen musste.Das Volk war begeistert, die Obrigkeit nicht.Westermann musste Lippstadt später aufDrängen der zwei Landesherren verlassenund ging über Münster nach Hofgeismar.So verbreitete sich auch von Lippstadt unddiesem Kloster aus die Reformation in ganzWestfalen/Lippe.

Heute dient die Kirche der griechisch-orthodoxen Gemeinde als Gotteshaus.

NiemöllerhausDas südlich der Brüderkirche stehendeFachwerkgebäude wurde 1718 bis 1720 alsPfarrhaus der evangelisch-reformiertenGemeinde erbaut. Die Gemeindemitgliedergehörten überwiegend der damals inLippstadt stationierten brandenburgischenGarnison an. In diesem Haus wurde1892 Pastor Martin Niemöller geboren,Widerstandskämpfer in der NS-Zeit undab 1947 hessischer Kirchenpräsident.

1 Bürgerbrunnen(siehe Tafel 1 des Altstadt-Rundgangs)

24 Lippertor •Tivoli-Insel • Lippebug(siehe Tafel 24 des Altstadt-Rundgangs)

27 Burgstraße 28 Die Burgmühle 29 Lagerplatz 30 Hochwasserschutz in Lippstadt 31 Das untere Kanalwehr 32 Kanusport an der Burgmühle 33 Julius Ostendorf • Ostendorf-Gymnasium 34 Stadttheater 35 Villa Linhoff 36 Schifffahrtskanal

25 Steinwehr(siehe Tafel 25 des Altstadt-Rundgangs)

37 Laumannshügel • Mattenklodtsteg 38 Villa Kleine 39 Das Vinzenzkolleg 40 Die Südliche Umflut

Informationstafeln

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Page 38: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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Brüderkirche und Niemöllerhaus Informationstafeln

Bis 1542 gab es in Lippstadt ein Augustiner-Eremiten-Mönchs-kloster, welches schon 1280 von Friedrich von Hörde zuSchwarzenraben und Störmede gestiftet worden war und demStifter auch als Grablege für sich und seine Familie dienen sollte.

Das Kloster selbst ist dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallenund nicht mehr vorhanden. Aber die alte gotische Klosterkirche,deren Fertigstellung sich bis Mitte des 14. Jahrhunderts hin-gezogen hatte, ist noch erhalten. Aus Sicht der Baukunst istdie Kirche wegen ihres seltenen Grundrisses interessant. Siebesteht aus einem Langhaus, dem sich nur an der Südseiteein Nebenschiff mit drei Querdächern und Giebeln anschließt.Im Innern dienen lediglich zwei kräftige runde Säulen dendrei Jochen dieser unsymmetrischen Hallenkirche als Stützen.

Die alte Klosteranlage

Alte Ansicht, im Vordergrund das Niemöllerhaus

Der berühmteste Mönch des Klosters warDr. Johannes Westermann. Er wurde einst vonseinem Konvent zum Studium der Theologienach Wittenberg geschickt. Dort traf ervermutlich Martin Luther. Wieder zurück inLippstadt, begann Westermann sofort damit,Gottes Wort in lutherischer Art, nämlich aufDeutsch, zu predigen. Er hatte so großenZulauf, dass er für seine Predigten in diegroße Marienkirche ausweichen musste.Das Volk war begeistert, die Obrigkeit nicht.Westermann musste Lippstadt später aufDrängen der zwei Landesherren verlassenund ging über Münster nach Hofgeismar.So verbreitete sich auch von Lippstadt unddiesem Kloster aus die Reformation in ganzWestfalen/Lippe.

Heute dient die Kirche der griechisch-orthodoxen Gemeinde als Gotteshaus.

NiemöllerhausDas südlich der Brüderkirche stehendeFachwerkgebäude wurde 1718 bis 1720 alsPfarrhaus der evangelisch-reformiertenGemeinde erbaut. Die Gemeindemitgliedergehörten überwiegend der damals inLippstadt stationierten brandenburgischenGarnison an. In diesem Haus wurde1892 Pastor Martin Niemöller geboren,Widerstandskämpfer in der NS-Zeit undab 1947 hessischer Kirchenpräsident.

1 Bürgerbrunnen(siehe Tafel 1 des Altstadt-Rundgangs)

24 Lippertor •Tivoli-Insel • Lippebug(siehe Tafel 24 des Altstadt-Rundgangs)

27 Burgstraße 28 Die Burgmühle 29 Lagerplatz 30 Hochwasserschutz in Lippstadt 31 Das untere Kanalwehr 32 Kanusport an der Burgmühle 33 Julius Ostendorf • Ostendorf-Gymnasium 34 Stadttheater 35 Villa Linhoff 36 Schifffahrtskanal

25 Steinwehr(siehe Tafel 25 des Altstadt-Rundgangs)

37 Laumannshügel • Mattenklodtsteg 38 Villa Kleine 39 Das Vinzenzkolleg 40 Die Südliche Umflut

Informationstafeln

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Page 39: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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Burgstraße Die Burgmühle

Die Burgstraße änderte im Laufe der Jahrhunderte oft ihrenNamen. Sie wurde als Müllenweg, Wallstraße oder Wallbenannt. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein Abschnittauch als „Schabekuhle“ bezeichnet. Denn dort standen dieHäuteschuppen der Gerber. Diese Handwerker befreiten dieTierhäute zuvor in mehreren Arbeitsschritten von Fleisch undHaaren und gerbten sie anschließend mit Lohe in Gruben.Die Treppen hinunter zur Lippe ermöglichten es ihnen dann,die Häute mit reichlich Wasser zu spülen. Die Gerber wurdenbewusst flussabwärts der ersten Stadtgründung angesiedelt,denn ihre Arbeit war mit viel Gestank verbunden. Damit ihnendie „Felle nicht davon schwammen“, ketteten die Gerber diesemit dicken Ketten aneinander.

An der Burgstraße lag einst auch die von den Edlen Herrenzur Lippe um 1200 errichtete Burg, die ihnen bis 1336 für kurzeAufenthalte gedient, als wirkliche Burg aber nie eine größereBedeutung erlangt hatte.

Im weiteren Verlauf der Burgstraße lag außerhalb derStadtmauer der erste jüdische Friedhof Lippstadts direkt ander Lippe.

Die LohgerberDie Burgstraßemit Blick auf dasKath. Krankenhaus

Alter Blick auf die Lippe - links die Häuser der Burgstraße

Die Burgmühle ist die letzte erhaltene der vier Mühlen, diees früher in Lippstadt gegeben hat und die paarweise an derLippe angeordnet waren. Die Mühle wurde Anfang des 13.Jahrhunderts als Zubehör der Burg des StadtgründersBernhards II. zur Lippe erbaut. Sie steht somit am ältestenbekannten Standort, an dem die Lippstädter die Wasserkraftgeschickt genutzt haben.

1847 ging die Mühle in Privatbesitz über und wurde 1860/61mit dem noch heute betriebsfähigen Wasserrad ausgestattet.Es handelt sich hierbei um ein unterschlächtiges Wasserrad(das Wasser fließt von unten auf die Schaufeln) der ZuppingerBauart. Mit einer Breite von 2,20 m und einem Durchmesservon 7,50 m liefert das Wasserrad bei optimalem Wasserstandrund 30 KW.

Der hohe Schornstein, Teil einer Dampfturbine, ist Zeuge einer„Mühlenkrise“ im 19. Jahrhundert. Ein Bewässerungsprojektnördlich der Stadt entzog der Lippe soviel Wasser, dass dieMühlenbesitzer gezwungen waren, zusätzliche Maschinen-kraft einzusetzen.

Unterschlächtiges WasserradOberschlächtiges Wasserrad

Die Burgmühle um 1935

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Burgstraße Die Burgmühle

Die Burgstraße änderte im Laufe der Jahrhunderte oft ihrenNamen. Sie wurde als Müllenweg, Wallstraße oder Wallbenannt. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein Abschnittauch als „Schabekuhle“ bezeichnet. Denn dort standen dieHäuteschuppen der Gerber. Diese Handwerker befreiten dieTierhäute zuvor in mehreren Arbeitsschritten von Fleisch undHaaren und gerbten sie anschließend mit Lohe in Gruben.Die Treppen hinunter zur Lippe ermöglichten es ihnen dann,die Häute mit reichlich Wasser zu spülen. Die Gerber wurdenbewusst flussabwärts der ersten Stadtgründung angesiedelt,denn ihre Arbeit war mit viel Gestank verbunden. Damit ihnendie „Felle nicht davon schwammen“, ketteten die Gerber diesemit dicken Ketten aneinander.

An der Burgstraße lag einst auch die von den Edlen Herrenzur Lippe um 1200 errichtete Burg, die ihnen bis 1336 für kurzeAufenthalte gedient, als wirkliche Burg aber nie eine größereBedeutung erlangt hatte.

Im weiteren Verlauf der Burgstraße lag außerhalb derStadtmauer der erste jüdische Friedhof Lippstadts direkt ander Lippe.

Die LohgerberDie Burgstraßemit Blick auf dasKath. Krankenhaus

Alter Blick auf die Lippe - links die Häuser der Burgstraße

Die Burgmühle ist die letzte erhaltene der vier Mühlen, diees früher in Lippstadt gegeben hat und die paarweise an derLippe angeordnet waren. Die Mühle wurde Anfang des 13.Jahrhunderts als Zubehör der Burg des StadtgründersBernhards II. zur Lippe erbaut. Sie steht somit am ältestenbekannten Standort, an dem die Lippstädter die Wasserkraftgeschickt genutzt haben.

1847 ging die Mühle in Privatbesitz über und wurde 1860/61mit dem noch heute betriebsfähigen Wasserrad ausgestattet.Es handelt sich hierbei um ein unterschlächtiges Wasserrad(das Wasser fließt von unten auf die Schaufeln) der ZuppingerBauart. Mit einer Breite von 2,20 m und einem Durchmesservon 7,50 m liefert das Wasserrad bei optimalem Wasserstandrund 30 KW.

Der hohe Schornstein, Teil einer Dampfturbine, ist Zeuge einer„Mühlenkrise“ im 19. Jahrhundert. Ein Bewässerungsprojektnördlich der Stadt entzog der Lippe soviel Wasser, dass dieMühlenbesitzer gezwungen waren, zusätzliche Maschinen-kraft einzusetzen.

Unterschlächtiges WasserradOberschlächtiges Wasserrad

Die Burgmühle um 1935

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29 30Lagerplatz Hochwasserschutz in Lippstadt

40 41

Die kleine, nur ca. 100 Meter lange Sackgasse war früher eherein Platz als eine Straße. Nur auf der rechten Straßenseitestanden kleinere Häuser und Schuppen, während die linkeSeite in ganzer Länge bis zum Lippeufer unbebaut war.

Nach Beginn der Lippe-Schifffahrt wurde der Lagerplatz zurAnlegestation und zum Umschlagplatz für Schiffsgüter. Am18. März 1819 wurde das erste Lastschiff in Lippstadt von derBevölkerung mit Jubel begrüßt. Sechs Tage hatte es für die 160km von Wesel bis nach Lippstadt benötigt, da stromaufwärtsdie Schiffe noch von Pferden gezogen werden mussten. DasSchiff brachte Steinkohle her und nahm als Rückfracht 600Zentner Salz und 30 Passagiere mit zum Niederrhein.

Der Lagerplatz hatte plötzlich eine wichtige Funktion als Hafenzu erfüllen, denn eine Weiterfahrt auf der Lippe war zunächstnicht möglich. In Lippstadt versperrten vier Mühlen den Weg.Der neue Hafenplatz boomte: Von April bis Dezember 1819wurden am Lagerplatz schon 50.000 Zentner Waren ein- undausgeladen, die dann in den 10 bis 12 kleinen Gebäuden an derrechten Seite des Lagerplatzes gelagert wurden. Für die weitereVerschiffung stromaufwärts musste man die Waren aufPferdewagen umladen und durch die ganze Stadt fahren, umsie dann weiter östlich wieder auf Boote zu verladen.

Am 16. November 1830 wurde der Schifffahrtskanal mit derSchleuse im Grünen Winkel als Freihafen fertig gestellt. Dieumständlichen Umladearbeiten entfielen. Nun legten amLagerplatz fast nur noch die Sandkähne an, die zum Aus-baggern der Fahrrinne der Lippe benötigt wurden. Die FirmaErdmann betrieb am Lagerplatz bereits seit 1788 eine Sand-baggerei und lagerte dort den feinen Lippesand. Diese Sand-baggerei gab es noch bis 1972.

Die ehemalige Sandbaggereiunterhalb der Brücke

Leben in der alten Straße

Die Lage Lippstadts in der Niederung der Lippelandschafthatte seit jeher auch Nachteile. So wurde die Stadt seit ihrerGründung immer wieder von Hochwassern heimgesucht. DasStraßenniveau in der Altstadt hat sich insbesondere imMittelalter an vielen Stellen durch Ablagerungen deutlicherhöht. Durch die Überschwemmungen sind große Schädenentstanden. In der Neuzeit wurde daher durch viele Baumaß-nahmen in der Stadt selbst und im Ober- und Unterlauf derLippe ein qualifizierter Hochwasserschutz geschaffen.

Im Rahmen des laufenden Hochwasserschutzes betreibt dieBezirksregierung Arnsberg heute Pegelanlagen, um Wasser-stände, Fließgeschwindigkeiten und die jeweiligen Abflüssezu beobachten.Am Pegel ‚Lippstadt 1 / Lippe’ an der Bückeburger Straßenbrückewird der Wasserstand seit 1994 beobachtet und kontinuierlichaufgezeichnet. Seit 1998 erfolgt eine automatische Datenfern-überwachung, so dass die Pegelstände zeitnah sogar imInternet bereit gestellt werden. Die gewonnenen Daten dienenu.a. zur Hoch- und Niedrigwasservorhersage, zum Betreibenund Steuern wasserwirtschaftlicher Anlagen oder zur Bemes-sung von Wasserbauten wie Deichen, Brücken und Wasser-kraftwerken.Das letzte katastrophale Hochwasser überschwemmte diegesamte Innenstadt am 17. Juli 1965. Durch die danach umge-setzten Hochwasserschutzmaßnahmen konnte bis heute,trotz teilweise größerer Wassermengen, eine erneuteÜberschwemmung der Stadt verhindert werden.

DasHochwasser1965überfluteteauch denRathausplatz

Klosterstraße undNicolaiwegwährend desHochwassers 1965

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29 30Lagerplatz Hochwasserschutz in Lippstadt

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Die kleine, nur ca. 100 Meter lange Sackgasse war früher eherein Platz als eine Straße. Nur auf der rechten Straßenseitestanden kleinere Häuser und Schuppen, während die linkeSeite in ganzer Länge bis zum Lippeufer unbebaut war.

Nach Beginn der Lippe-Schifffahrt wurde der Lagerplatz zurAnlegestation und zum Umschlagplatz für Schiffsgüter. Am18. März 1819 wurde das erste Lastschiff in Lippstadt von derBevölkerung mit Jubel begrüßt. Sechs Tage hatte es für die 160km von Wesel bis nach Lippstadt benötigt, da stromaufwärtsdie Schiffe noch von Pferden gezogen werden mussten. DasSchiff brachte Steinkohle her und nahm als Rückfracht 600Zentner Salz und 30 Passagiere mit zum Niederrhein.

Der Lagerplatz hatte plötzlich eine wichtige Funktion als Hafenzu erfüllen, denn eine Weiterfahrt auf der Lippe war zunächstnicht möglich. In Lippstadt versperrten vier Mühlen den Weg.Der neue Hafenplatz boomte: Von April bis Dezember 1819wurden am Lagerplatz schon 50.000 Zentner Waren ein- undausgeladen, die dann in den 10 bis 12 kleinen Gebäuden an derrechten Seite des Lagerplatzes gelagert wurden. Für die weitereVerschiffung stromaufwärts musste man die Waren aufPferdewagen umladen und durch die ganze Stadt fahren, umsie dann weiter östlich wieder auf Boote zu verladen.

Am 16. November 1830 wurde der Schifffahrtskanal mit derSchleuse im Grünen Winkel als Freihafen fertig gestellt. Dieumständlichen Umladearbeiten entfielen. Nun legten amLagerplatz fast nur noch die Sandkähne an, die zum Aus-baggern der Fahrrinne der Lippe benötigt wurden. Die FirmaErdmann betrieb am Lagerplatz bereits seit 1788 eine Sand-baggerei und lagerte dort den feinen Lippesand. Diese Sand-baggerei gab es noch bis 1972.

Die ehemalige Sandbaggereiunterhalb der Brücke

Leben in der alten Straße

Die Lage Lippstadts in der Niederung der Lippelandschafthatte seit jeher auch Nachteile. So wurde die Stadt seit ihrerGründung immer wieder von Hochwassern heimgesucht. DasStraßenniveau in der Altstadt hat sich insbesondere imMittelalter an vielen Stellen durch Ablagerungen deutlicherhöht. Durch die Überschwemmungen sind große Schädenentstanden. In der Neuzeit wurde daher durch viele Baumaß-nahmen in der Stadt selbst und im Ober- und Unterlauf derLippe ein qualifizierter Hochwasserschutz geschaffen.

Im Rahmen des laufenden Hochwasserschutzes betreibt dieBezirksregierung Arnsberg heute Pegelanlagen, um Wasser-stände, Fließgeschwindigkeiten und die jeweiligen Abflüssezu beobachten.Am Pegel ‚Lippstadt 1 / Lippe’ an der Bückeburger Straßenbrückewird der Wasserstand seit 1994 beobachtet und kontinuierlichaufgezeichnet. Seit 1998 erfolgt eine automatische Datenfern-überwachung, so dass die Pegelstände zeitnah sogar imInternet bereit gestellt werden. Die gewonnenen Daten dienenu.a. zur Hoch- und Niedrigwasservorhersage, zum Betreibenund Steuern wasserwirtschaftlicher Anlagen oder zur Bemes-sung von Wasserbauten wie Deichen, Brücken und Wasser-kraftwerken.Das letzte katastrophale Hochwasser überschwemmte diegesamte Innenstadt am 17. Juli 1965. Durch die danach umge-setzten Hochwasserschutzmaßnahmen konnte bis heute,trotz teilweise größerer Wassermengen, eine erneuteÜberschwemmung der Stadt verhindert werden.

DasHochwasser1965überfluteteauch denRathausplatz

Klosterstraße undNicolaiwegwährend desHochwassers 1965

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31 32Das untere Kanalwehr Kanusport an der Burgmühle

42 43

Das untere Kanalwehr ist 1985 im Zuge der Hochwasserschutz-maßnahmen für Lippstadt als Ersatz für ein altes, zu geringdimensioniertes Wehr errichtet worden.

Das alte Wehr hatte die Aufgabe, einen ausreichend hohenWasserstand im Kanal für die Schifffahrt zu gewährleisten.Das heutige Bauwerk dient dazu, den mit dem Kanalwasser-stand korrespondierenden Grundwasserstand bei niedrigerund mittlerer Wasserführung gleichmäßig hoch zu halten.Dies ist unbedingt erforderlich, weil viele Gebäude im Umfeldauf Holzpfählen gegründet sind. Ständige Schwankungen desGrundwasserspiegels würden zur schnelleren Zersetzung derHolzpfähle führen. Das Wehr hat also unmittelbare Bedeutungfür die Standsicherheit der zuvor genannten Gebäude.Daneben wirkt die durch den Aufstau vergrößerte Wasserflächeim Schifffahrtskanal positiv auf das Stadtbild.

Bei Hochwasser werden die zwei so genannten Fischbauch-klappen gelegt, so dass der für das Hochwasser erforderlicheAbflussquerschnitt freigegeben wird. Das Wehr ist auf einenHochwasserabfluss von 190 cbm/s ausgelegt.Bildlich gesprochen fließen dann 1.200 Badewannenfüllungenin einer Sekunde über das Wehr.

Villen an der Friedrichstraße

Das alte Wehr in den50er Jahren

Schon früh haben die Lippstädter die Möglichkeiten desWassersports entdeckt und an der Burgmühle eine der ältestenund schwierigsten Kanuslalomstrecken in Deutschland errich-tet. Unter Ausnutzung der natürlichen Höhenunterschiedeund durch das gezielte Umleiten des Wassers aus der Lippeund dem nahe gelegenen Kanal können die für eine abwechs-lungsreiche und anspruchsvolle Strecke erforderlichen un-ruhigen Wasserverhältnisse hergestellt werden.

Auf der anerkannten Kanustrecke konnten bereits am 30. Sept.1951 in Lippstadt die 1. Nordrhein-Westfälischen Kanuslalom-Meisterschaften durchgeführt werden. Seitdem werden vomheimischen Wasser- und Wintersportclub Lippstadt e.V. regel-mäßig nationale Regatten bis hin zu Deutschen Meister-schaften auf dieser Strecke organisiert. Neben den jährlichenGroßveranstaltungen wird die Kanuslalomstrecke von natio-nalen und internationalen Sportlern und Verbänden alsTrainingsstrecke genutzt.

Bis zum Jahr 2006 gewannen die Kanuten des WSC-Lippstadte.V. insgesamt 8 Weltmeistertitel, 10 Vizeweltmeisterschaften,1 Europameisterschaft und 31 Deutsche Senioren- und Jugend-meisterschaften.

Kanusport Ende der 60er Jahre

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31 32Das untere Kanalwehr Kanusport an der Burgmühle

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Das untere Kanalwehr ist 1985 im Zuge der Hochwasserschutz-maßnahmen für Lippstadt als Ersatz für ein altes, zu geringdimensioniertes Wehr errichtet worden.

Das alte Wehr hatte die Aufgabe, einen ausreichend hohenWasserstand im Kanal für die Schifffahrt zu gewährleisten.Das heutige Bauwerk dient dazu, den mit dem Kanalwasser-stand korrespondierenden Grundwasserstand bei niedrigerund mittlerer Wasserführung gleichmäßig hoch zu halten.Dies ist unbedingt erforderlich, weil viele Gebäude im Umfeldauf Holzpfählen gegründet sind. Ständige Schwankungen desGrundwasserspiegels würden zur schnelleren Zersetzung derHolzpfähle führen. Das Wehr hat also unmittelbare Bedeutungfür die Standsicherheit der zuvor genannten Gebäude.Daneben wirkt die durch den Aufstau vergrößerte Wasserflächeim Schifffahrtskanal positiv auf das Stadtbild.

Bei Hochwasser werden die zwei so genannten Fischbauch-klappen gelegt, so dass der für das Hochwasser erforderlicheAbflussquerschnitt freigegeben wird. Das Wehr ist auf einenHochwasserabfluss von 190 cbm/s ausgelegt.Bildlich gesprochen fließen dann 1.200 Badewannenfüllungenin einer Sekunde über das Wehr.

Villen an der Friedrichstraße

Das alte Wehr in den50er Jahren

Schon früh haben die Lippstädter die Möglichkeiten desWassersports entdeckt und an der Burgmühle eine der ältestenund schwierigsten Kanuslalomstrecken in Deutschland errich-tet. Unter Ausnutzung der natürlichen Höhenunterschiedeund durch das gezielte Umleiten des Wassers aus der Lippeund dem nahe gelegenen Kanal können die für eine abwechs-lungsreiche und anspruchsvolle Strecke erforderlichen un-ruhigen Wasserverhältnisse hergestellt werden.

Auf der anerkannten Kanustrecke konnten bereits am 30. Sept.1951 in Lippstadt die 1. Nordrhein-Westfälischen Kanuslalom-Meisterschaften durchgeführt werden. Seitdem werden vomheimischen Wasser- und Wintersportclub Lippstadt e.V. regel-mäßig nationale Regatten bis hin zu Deutschen Meister-schaften auf dieser Strecke organisiert. Neben den jährlichenGroßveranstaltungen wird die Kanuslalomstrecke von natio-nalen und internationalen Sportlern und Verbänden alsTrainingsstrecke genutzt.

Bis zum Jahr 2006 gewannen die Kanuten des WSC-Lippstadte.V. insgesamt 8 Weltmeistertitel, 10 Vizeweltmeisterschaften,1 Europameisterschaft und 31 Deutsche Senioren- und Jugend-meisterschaften.

Kanusport Ende der 60er Jahre

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33 34Julius Ostendorf · Ostendorf-Gymnasium Stadttheater

44 45

Aus der Lippstädter Schulgeschichte ist der aus Soest stam-mende Julius Ostendorf (1823 bis 1877) nicht wegzudenken.Ostendorf hatte sich zunächst kurz als Politiker versucht undwar mit 25 Jahren zweitjüngster Abgeordneter (Spitzname„Reichsprimaner“) in der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung.Nach dem Scheitern dieses ersten deutschen Parlamentsverfolgte der junge Ostendorf mit Energie seine Karriere alsLehrer in Lippstadt und später in Düsseldorf. Ihm ist es zuverdanken, dass die Lippstädter Schüler nicht mehr nach Soestmussten, um ihr Abitur zu machen. Er engagierte sich in derpreußischen Schulpolitik für die prinzipielle Gleichstellungder Realschule mit dem Gymnasium.

Julius Ostendorf reformierte in Lippstadt die Höhere Bürger-schule (die früher an der Ecke Soeststraße/Cappelstraßegestanden hatte) und holte hervorragende Lehrer wie denBiologen Hermann Müller, einen Weggefährten CharlesDarwins, und andere Wissenschaftler an die kleine Schule.Mit steigenden Schülerzahlen wurde ein Neubau notwendig,der 1863 an der Stelle des heutigen Stadttheaters auf„Bührnheims Wiese“ errichtet wurde. Das „Ostendorf“, wiedie Schule ab 1907 zu Ehren seines Gründers hieß, hatte schonfrüh die „Leibeserziehung“ im Schulprogramm und verfügtedaher seit 1865 als eine der ersten Schulen Westfalens übereine eigene Turnhalle sowie ein Schulschwimmbad an derLippe (heute WSC-Gelände im Grünen Winkel).

Das alte Schulgebäude musste 1969 dem Bau des Stadtthea-ters Platz machen. Das Theater dient dem Gymnasium aberweiter als Schulaula. An seinem früheren Standort ist lediglichdas Ostendorf-Denkmal von 1879 stehen geblieben.

Julius Ostendorf Das Ostendorf-Gymnasium, das für den Bau des Stadttheatersabgerissen wurde

Seit 1973 besitzt Lippstadt sein eigenes Stadttheater. Anfangsnur als Mehrzweckaula für das benachbarte neue Ostendorf-Gymnasium geplant, wurde schließlich nach dem Entwurfdes bekannten Theaterbaumeisters Professor Gerhard Graubneraus Hannover das heutige Haus erbaut. Es hat 787 Sitzplätzeund eine 500 qm große Bühne. Diese kann als „Studiobühne“so umgebaut werden, dass bei kleineren Veranstaltungenauch die Zuschauer darauf Platz finden.Das Lippstädter Stadttheater verfügt über kein eigenesEnsemble, ist aber regelmäßig Gastgeber namhafter natio-naler und internationaler Künstler aller Genres. Der alljährlicheSpielplan spannt einen großen Bogen: vom Kammer- bis zumSinfoniekonzert, vom Schauspiel bis zum Tanztheater, von derOper bis zum Musical, vom Kindertheater bis zur Kleinkunst,vom Klassischen bis zum Zeitgenössischen.

Selbstverständlich nutzen auch die Lippstädter Schulen undKulturschaffenden immer wieder gerne die hervorragendentechnischen Einrichtungen des Hauses.

Neben der kulturellen Nutzung dient das Stadttheater fernerals Kulisse für Empfänge, Versammlungen oder Seminare.

Der Orchestergraben

Das große Haus

Technik im Theater

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Page 46: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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33 34Julius Ostendorf · Ostendorf-Gymnasium Stadttheater

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Aus der Lippstädter Schulgeschichte ist der aus Soest stam-mende Julius Ostendorf (1823 bis 1877) nicht wegzudenken.Ostendorf hatte sich zunächst kurz als Politiker versucht undwar mit 25 Jahren zweitjüngster Abgeordneter (Spitzname„Reichsprimaner“) in der Frankfurter Paulskirchen-Versammlung.Nach dem Scheitern dieses ersten deutschen Parlamentsverfolgte der junge Ostendorf mit Energie seine Karriere alsLehrer in Lippstadt und später in Düsseldorf. Ihm ist es zuverdanken, dass die Lippstädter Schüler nicht mehr nach Soestmussten, um ihr Abitur zu machen. Er engagierte sich in derpreußischen Schulpolitik für die prinzipielle Gleichstellungder Realschule mit dem Gymnasium.

Julius Ostendorf reformierte in Lippstadt die Höhere Bürger-schule (die früher an der Ecke Soeststraße/Cappelstraßegestanden hatte) und holte hervorragende Lehrer wie denBiologen Hermann Müller, einen Weggefährten CharlesDarwins, und andere Wissenschaftler an die kleine Schule.Mit steigenden Schülerzahlen wurde ein Neubau notwendig,der 1863 an der Stelle des heutigen Stadttheaters auf„Bührnheims Wiese“ errichtet wurde. Das „Ostendorf“, wiedie Schule ab 1907 zu Ehren seines Gründers hieß, hatte schonfrüh die „Leibeserziehung“ im Schulprogramm und verfügtedaher seit 1865 als eine der ersten Schulen Westfalens übereine eigene Turnhalle sowie ein Schulschwimmbad an derLippe (heute WSC-Gelände im Grünen Winkel).

Das alte Schulgebäude musste 1969 dem Bau des Stadtthea-ters Platz machen. Das Theater dient dem Gymnasium aberweiter als Schulaula. An seinem früheren Standort ist lediglichdas Ostendorf-Denkmal von 1879 stehen geblieben.

Julius Ostendorf Das Ostendorf-Gymnasium, das für den Bau des Stadttheatersabgerissen wurde

Seit 1973 besitzt Lippstadt sein eigenes Stadttheater. Anfangsnur als Mehrzweckaula für das benachbarte neue Ostendorf-Gymnasium geplant, wurde schließlich nach dem Entwurfdes bekannten Theaterbaumeisters Professor Gerhard Graubneraus Hannover das heutige Haus erbaut. Es hat 787 Sitzplätzeund eine 500 qm große Bühne. Diese kann als „Studiobühne“so umgebaut werden, dass bei kleineren Veranstaltungenauch die Zuschauer darauf Platz finden.Das Lippstädter Stadttheater verfügt über kein eigenesEnsemble, ist aber regelmäßig Gastgeber namhafter natio-naler und internationaler Künstler aller Genres. Der alljährlicheSpielplan spannt einen großen Bogen: vom Kammer- bis zumSinfoniekonzert, vom Schauspiel bis zum Tanztheater, von derOper bis zum Musical, vom Kindertheater bis zur Kleinkunst,vom Klassischen bis zum Zeitgenössischen.

Selbstverständlich nutzen auch die Lippstädter Schulen undKulturschaffenden immer wieder gerne die hervorragendentechnischen Einrichtungen des Hauses.

Neben der kulturellen Nutzung dient das Stadttheater fernerals Kulisse für Empfänge, Versammlungen oder Seminare.

Der Orchestergraben

Das große Haus

Technik im Theater

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Page 47: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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35 36Villa Linhoff Schifffahrtskanal

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Ab 1860 siedelten sich in Lippstadt Eisen und Metall verar-beitende Industriebetriebe an, durch die die Stadt an Bedeu-tung gewann. Wohlstand und Lebensstil der führendenUnternehmerschicht fanden Ausdruck in der aufwändigenArchitektur von eindrucksvollen Gründerzeitvillen. Hierzugehörte auch dieses Gebäude, das 1905 für Ernst Linhoffentworfen wurde. Der das Gebäude umgebende Park reichteanfangs vom Cappeltor (heute Hallenbad) bis zum Lippertor(heute Hotel Lipperesidenz). Die Linhoffs waren Mitbegründerder „Westfälischen Union“, eines Metall verarbeitendenBetriebes, der jahrzehntelang einer der größten ArbeitgeberLippstadts war.Die Grundform des vielfältig gegliederten Baukörpers unter-liegt neubarocken Einflüssen, während im Detail, etwa bei derFarbverglasung und der Innendekoration, Jugendstilanklängefestzustellen sind. Die Räumlichkeiten sind vielen Lippstädternnoch bekannt, da sie zwischenzeitlich als Stadtbibliothek,Abendgymnasium und Volkshochschule genutzt wurden.

Glücklicherweise konnte in den achtziger Jahren ein Abrissdes Gebäudes verhindert werden. Das Baudenkmal mit seinenhistorischen Bleiverglasungen, Ornamentfliesen, Reliefheiz-körpern und Lincrusta-Tapeten präsentiert sich nach derSanierung 2006 fast in seinem Originalzustand.

FliesenmotivDie Farbverglasung

Blick aus dem Garten

Die Lastschiffe, die ab 1819 von Wesel aus die Lippe flussauf-wärts fuhren, konnten ihre Waren zunächst nur bis zum„Lagerplatz“ transportieren, weil die Weiterfahrt durch vierMühlen im Stadtgebiet versperrt war. Der Schiffsverkehr aufder Lippe sollte aber bis nach Neuhaus/Paderborn durchführ-bar sein. Deshalb wurden 1830 zwischen Lippe und nördlicherUmflut der Schifffahrtskanal sowie eine Schleuse im Bereichdes heutigen „Grünen Winkels“ gebaut. Dort konnten dieSchiffe 2 m höher angehoben werden, um dann ohne weitereHindernisse bis nach Neuhaus zu fahren.

Der Lippstädter Hafen befand sich gegenüber dem heutigenFinanzamt. Man hatte ein großes Lagerhaus gebaut und eine„zollfreie Niederlage“ eingerichtet. Die stromaufwärts vonPferden gezogenen Schiffe brachten Steinkohle, Wein,Kolonialwaren, Tabak und dergleichen nach Lippstadt. Auf derTalfahrt nahmen sie Salz, Heu, Bruchsteine, Leder und Häuteoder auch Mastvieh mit. 1837 bis 1855 wurde auch Eisenerzaus Lipperode verladen und zur Westphaliahütte nach Lünentransportiert. Der zunehmende Frachtverkehr erreichte imJahre 1841 mit 600.000 Zentnern für die Bergfahrt und1.500.000 Zentnern für die Talfahrt seinen Höhepunkt.

Die Lastschiffe waren max. 25 m lang, 4 m breit und hatten eineröhrenförmige Laderaumabdeckung. Die Besatzung bestand ausdrei Mann; der Kapitän stand im Freien. 1853 bis 1856 waren sogardrei kleine Raddampfer im Einsatz, die in Koblenz extra für dieLippeschifffahrt konstruiert worden waren.

Nachdem die Stadt 1850 an die Eisenbahn angeschlossen war,ging der Schiffsverkehr so rapide zurück, dass er 1884eingestellt werden musste. Die Schleuse wurde abgebautund durch zwei bewegliche Wehre im Grünen Winkel und ander Friedrichstraße ersetzt.

Partie am Lippstädter Hafen mit Blick auf die Stadt

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Page 48: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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35 36Villa Linhoff Schifffahrtskanal

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Ab 1860 siedelten sich in Lippstadt Eisen und Metall verar-beitende Industriebetriebe an, durch die die Stadt an Bedeu-tung gewann. Wohlstand und Lebensstil der führendenUnternehmerschicht fanden Ausdruck in der aufwändigenArchitektur von eindrucksvollen Gründerzeitvillen. Hierzugehörte auch dieses Gebäude, das 1905 für Ernst Linhoffentworfen wurde. Der das Gebäude umgebende Park reichteanfangs vom Cappeltor (heute Hallenbad) bis zum Lippertor(heute Hotel Lipperesidenz). Die Linhoffs waren Mitbegründerder „Westfälischen Union“, eines Metall verarbeitendenBetriebes, der jahrzehntelang einer der größten ArbeitgeberLippstadts war.Die Grundform des vielfältig gegliederten Baukörpers unter-liegt neubarocken Einflüssen, während im Detail, etwa bei derFarbverglasung und der Innendekoration, Jugendstilanklängefestzustellen sind. Die Räumlichkeiten sind vielen Lippstädternnoch bekannt, da sie zwischenzeitlich als Stadtbibliothek,Abendgymnasium und Volkshochschule genutzt wurden.

Glücklicherweise konnte in den achtziger Jahren ein Abrissdes Gebäudes verhindert werden. Das Baudenkmal mit seinenhistorischen Bleiverglasungen, Ornamentfliesen, Reliefheiz-körpern und Lincrusta-Tapeten präsentiert sich nach derSanierung 2006 fast in seinem Originalzustand.

FliesenmotivDie Farbverglasung

Blick aus dem Garten

Die Lastschiffe, die ab 1819 von Wesel aus die Lippe flussauf-wärts fuhren, konnten ihre Waren zunächst nur bis zum„Lagerplatz“ transportieren, weil die Weiterfahrt durch vierMühlen im Stadtgebiet versperrt war. Der Schiffsverkehr aufder Lippe sollte aber bis nach Neuhaus/Paderborn durchführ-bar sein. Deshalb wurden 1830 zwischen Lippe und nördlicherUmflut der Schifffahrtskanal sowie eine Schleuse im Bereichdes heutigen „Grünen Winkels“ gebaut. Dort konnten dieSchiffe 2 m höher angehoben werden, um dann ohne weitereHindernisse bis nach Neuhaus zu fahren.

Der Lippstädter Hafen befand sich gegenüber dem heutigenFinanzamt. Man hatte ein großes Lagerhaus gebaut und eine„zollfreie Niederlage“ eingerichtet. Die stromaufwärts vonPferden gezogenen Schiffe brachten Steinkohle, Wein,Kolonialwaren, Tabak und dergleichen nach Lippstadt. Auf derTalfahrt nahmen sie Salz, Heu, Bruchsteine, Leder und Häuteoder auch Mastvieh mit. 1837 bis 1855 wurde auch Eisenerzaus Lipperode verladen und zur Westphaliahütte nach Lünentransportiert. Der zunehmende Frachtverkehr erreichte imJahre 1841 mit 600.000 Zentnern für die Bergfahrt und1.500.000 Zentnern für die Talfahrt seinen Höhepunkt.

Die Lastschiffe waren max. 25 m lang, 4 m breit und hatten eineröhrenförmige Laderaumabdeckung. Die Besatzung bestand ausdrei Mann; der Kapitän stand im Freien. 1853 bis 1856 waren sogardrei kleine Raddampfer im Einsatz, die in Koblenz extra für dieLippeschifffahrt konstruiert worden waren.

Nachdem die Stadt 1850 an die Eisenbahn angeschlossen war,ging der Schiffsverkehr so rapide zurück, dass er 1884eingestellt werden musste. Die Schleuse wurde abgebautund durch zwei bewegliche Wehre im Grünen Winkel und ander Friedrichstraße ersetzt.

Partie am Lippstädter Hafen mit Blick auf die Stadt

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Page 49: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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37 38Laumannshügel · Mattenklodtsteg Villa Kleine

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Der Laumannshügel ist die „höchste Erhebung“ Lippstadts.Diese Erhöhung entstand um 1830, als dort Boden gelagertwurde, der beim Aushub des Schifffahrtskanals angefallenwar. Namensgeber war der Kreisheimatpfleger, Gründer undVerleger der Lippstädter Tageszeitung „Der Patriot“.

Der Hügel war schon immer ein besonderer Anziehungspunktfür das Spiel der Kinder. An der in der Nähe fließenden Lippebefand sich „das nasse Dreieck“, eine beliebte ehemalige Bade-stelle.

Rechts vom Laumannshügel befindet sich eine nach WilhelmMattenklodt benannte Fußgängerbrücke.Die feierliche Einweihung zu Ehren des als Großwildjäger undKolonialkämpfer bekannt gewordenen Lippstädters erfolgtezur Herbstwoche 1933. Die Brücke ermöglichte den erstenstadtnahen Zugang zum Grünen Winkel, dem Stadt- undErholungspark Lippstadts. Bereits vor dem 1. Weltkrieg hattedie Stadt eine alte Brücke angekauft, die aber als unzweck-mäßig wieder verkauft werden musste. Die Drahtseile desMattenklodtsteges wurden übrigens im ehemaligenLippstädter Industriebetrieb „Westfälische Union“ hergestellt.

Direkt am Mattenklodtsteg lag früher eine viel besuchte Café-terrasse. Von dort aus konnte man dem Treiben auf dem Flusszusehen. Alte Lippstädter berichten, dass sie auch gern dieSchwimmversuche ihrer Kinder beobachteten, die von einemSchwimmlehrer an einer großen Angel über Wasser gehaltenwurden.

Postkarte mit Blick auf den Mattenklodtsteg

Auf der ehemaligen Caféterrasse

Die architektonisch interessante Villa gibt ein gutes Zeugnisüber die anspruchsvollen Bauherren und die Baukunst in derGründerzeit. So ließ sich auch der Brauereibesitzer WilhelmKleine jun. zwischen 1890 und 1905 in drei Bauabschnittenvon den Gebr. Timmermann ein repräsentatives Wohnhauserrichten. An der Planung war auch der in Lippstadt geboreneund bekannte Architekt Prof. Friedrich Ostendorf beteiligt.

Uneinheitlich, aber opulent präsentierte sich das Gebäudenach seiner Vollendung. Die Lage an der Umflut steigerte dieAttraktivität und schaffte gleichzeitig eine gewisse Distanz.So war das Grundstück nur über eine hauseigene, früher mitabschließbaren Toren gesicherte Brücke erreichbar. Auffälligist der rustikale Eckturm, den früher ein hoher Barockhelmzierte. Interessant sind aber auch die farbig gemustertenMajolikafliesen zwischen den Konsolen des Kranzgesimsesund in den Brüstungsfeldern. Im Kontrast zur relativ üppigenStraßenseite steht die fast schmucklose Gartenseite desGebäudes. Dies ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass dieGesamtkonzeption auf Repräsentation ausgelegt war.

Für die Befestigung des Ufers der Umflut musste 1904 um-ständlich eine deichrechtliche Genehmigung aus Soest,Arnsberg und Münster beantragt werden.

Alte AnsichtenW

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37 38Laumannshügel · Mattenklodtsteg Villa Kleine

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Der Laumannshügel ist die „höchste Erhebung“ Lippstadts.Diese Erhöhung entstand um 1830, als dort Boden gelagertwurde, der beim Aushub des Schifffahrtskanals angefallenwar. Namensgeber war der Kreisheimatpfleger, Gründer undVerleger der Lippstädter Tageszeitung „Der Patriot“.

Der Hügel war schon immer ein besonderer Anziehungspunktfür das Spiel der Kinder. An der in der Nähe fließenden Lippebefand sich „das nasse Dreieck“, eine beliebte ehemalige Bade-stelle.

Rechts vom Laumannshügel befindet sich eine nach WilhelmMattenklodt benannte Fußgängerbrücke.Die feierliche Einweihung zu Ehren des als Großwildjäger undKolonialkämpfer bekannt gewordenen Lippstädters erfolgtezur Herbstwoche 1933. Die Brücke ermöglichte den erstenstadtnahen Zugang zum Grünen Winkel, dem Stadt- undErholungspark Lippstadts. Bereits vor dem 1. Weltkrieg hattedie Stadt eine alte Brücke angekauft, die aber als unzweck-mäßig wieder verkauft werden musste. Die Drahtseile desMattenklodtsteges wurden übrigens im ehemaligenLippstädter Industriebetrieb „Westfälische Union“ hergestellt.

Direkt am Mattenklodtsteg lag früher eine viel besuchte Café-terrasse. Von dort aus konnte man dem Treiben auf dem Flusszusehen. Alte Lippstädter berichten, dass sie auch gern dieSchwimmversuche ihrer Kinder beobachteten, die von einemSchwimmlehrer an einer großen Angel über Wasser gehaltenwurden.

Postkarte mit Blick auf den Mattenklodtsteg

Auf der ehemaligen Caféterrasse

Die architektonisch interessante Villa gibt ein gutes Zeugnisüber die anspruchsvollen Bauherren und die Baukunst in derGründerzeit. So ließ sich auch der Brauereibesitzer WilhelmKleine jun. zwischen 1890 und 1905 in drei Bauabschnittenvon den Gebr. Timmermann ein repräsentatives Wohnhauserrichten. An der Planung war auch der in Lippstadt geboreneund bekannte Architekt Prof. Friedrich Ostendorf beteiligt.

Uneinheitlich, aber opulent präsentierte sich das Gebäudenach seiner Vollendung. Die Lage an der Umflut steigerte dieAttraktivität und schaffte gleichzeitig eine gewisse Distanz.So war das Grundstück nur über eine hauseigene, früher mitabschließbaren Toren gesicherte Brücke erreichbar. Auffälligist der rustikale Eckturm, den früher ein hoher Barockhelmzierte. Interessant sind aber auch die farbig gemustertenMajolikafliesen zwischen den Konsolen des Kranzgesimsesund in den Brüstungsfeldern. Im Kontrast zur relativ üppigenStraßenseite steht die fast schmucklose Gartenseite desGebäudes. Dies ist ein sichtbares Zeichen dafür, dass dieGesamtkonzeption auf Repräsentation ausgelegt war.

Für die Befestigung des Ufers der Umflut musste 1904 um-ständlich eine deichrechtliche Genehmigung aus Soest,Arnsberg und Münster beantragt werden.

Alte Ansichten

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Page 51: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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39 40Das Vinzenzkolleg Die südliche Umflut

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Wilhelm Kleine sen., Gründer der Lippstädter Brauerei Weißen-burg, unternahm weite Auslandsreisen. Der Aufenthaltwährend seiner Hochzeitsreise in einer klassizistischen Villain Italien inspirierte ihn 1878 zum Nachbau. Der von der FamilieKleine bewohnte Neubau lag damals in einem ca. 25.000 qmgroßen weitläufigen Park.

Nach dem Verkauf 1916 schlachtete der neue Eigentümer dieim „römischen Baustil“ gehaltene Gründerzeitvilla aus. Nurdas prunkvolle Jagdzimmer blieb erhalten. Nach fünf JahrenLeerstand erwarb schließlich der Orden der Vinzentiner dasEigentum und nutzte das Gebäude zunächst als Internat. Esdient heute als „geistliches Zentrum“ der Ordensgemein-schaft, die im Volksmund liebevoll „Päterkes“ genannt wird.In der Kapelle im Erdgeschoss finden regelmäßig Gottes-dienste statt. Sehenswert im Gebäude ist eines der letztenerhaltenen Gemälde, das die Gründung der Stadt Lippstadtdarstellt.Stilistisch vom Herrenhaus abgesetzt ist das 1880 erbaute,hinten gelegene „Kutscherhaus“. Es beherbergte früher so-wohl Pferd und Kutsche als auch die Dienstboten. Die getrenn-ten Eingänge für Knechte und Dienstmägde sollten nachdamaligem Verständnis dafür sorgen, die Sittlichkeit zuwahren. Die Dienstmägde, die die grobe Gartenarbeit ver-richten mussten, hatten ihren eigenen Eingang genauso wiediejenigen, die für die Bedienung der Herrschaften zuständigwaren. Das Kutscherhaus dient heute als Gästehaus.

Das Jagdzimmer

Bis 1763 galt Lippstadt als stärkste Festungsstadt zwischenRhein und Weser. An diese Zeit erinnert heute noch die„Südliche Umflut“, deren zickzack-förmiger Verlauf die Altstadtbegrenzt.

Die Südliche Umflut war wichtiger Bestandteil der Stadtbe-festigung. Zum Schutz der Stadt hatte man zwar schon beideren Gründung im 12. Jahrhundert einen hohen Wall miteinem breiten Graben davor angelegt. Aber der systematischeFestungsbau begann erst 1623. Die Stadttore wurden durchBastionen verstärkt. Diese wiederum schützte man durcheinen ringsum verlaufenden Vorgraben, den „Avant-fossé“.

Die Festungsanlagen wurden in den folgenden Jahrzehntenweiter entwickelt. Und so entstand aus der Zusammenlegungvon verschiedenen Wasserläufen die Südliche Umflut, die nochheute den Verlauf und die Ausmaße der ehemaligen Bastionenveranschaulicht.Auf Anordnung Friedrich des Großen wurden die Festungs-anlagen am Ende des Siebenjährigen Krieges geschleift. Übriggeblieben sind nur die Nördliche und die Südliche Umflut.

Die alte Brücke Geiststraße

Querschnitt durch die FestungsanlageQuelle: G. Hagemann „Die Festung Lippstadt“ 1985

Detail des FestungsbausQuelle: G. Hagemann „Die Festung Lippstadt“ 1985

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Page 52: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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39 40Das Vinzenzkolleg Die südliche Umflut

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Wilhelm Kleine sen., Gründer der Lippstädter Brauerei Weißen-burg, unternahm weite Auslandsreisen. Der Aufenthaltwährend seiner Hochzeitsreise in einer klassizistischen Villain Italien inspirierte ihn 1878 zum Nachbau. Der von der FamilieKleine bewohnte Neubau lag damals in einem ca. 25.000 qmgroßen weitläufigen Park.

Nach dem Verkauf 1916 schlachtete der neue Eigentümer dieim „römischen Baustil“ gehaltene Gründerzeitvilla aus. Nurdas prunkvolle Jagdzimmer blieb erhalten. Nach fünf JahrenLeerstand erwarb schließlich der Orden der Vinzentiner dasEigentum und nutzte das Gebäude zunächst als Internat. Esdient heute als „geistliches Zentrum“ der Ordensgemein-schaft, die im Volksmund liebevoll „Päterkes“ genannt wird.In der Kapelle im Erdgeschoss finden regelmäßig Gottes-dienste statt. Sehenswert im Gebäude ist eines der letztenerhaltenen Gemälde, das die Gründung der Stadt Lippstadtdarstellt.Stilistisch vom Herrenhaus abgesetzt ist das 1880 erbaute,hinten gelegene „Kutscherhaus“. Es beherbergte früher so-wohl Pferd und Kutsche als auch die Dienstboten. Die getrenn-ten Eingänge für Knechte und Dienstmägde sollten nachdamaligem Verständnis dafür sorgen, die Sittlichkeit zuwahren. Die Dienstmägde, die die grobe Gartenarbeit ver-richten mussten, hatten ihren eigenen Eingang genauso wiediejenigen, die für die Bedienung der Herrschaften zuständigwaren. Das Kutscherhaus dient heute als Gästehaus.

Das Jagdzimmer

Bis 1763 galt Lippstadt als stärkste Festungsstadt zwischenRhein und Weser. An diese Zeit erinnert heute noch die„Südliche Umflut“, deren zickzack-förmiger Verlauf die Altstadtbegrenzt.

Die Südliche Umflut war wichtiger Bestandteil der Stadtbe-festigung. Zum Schutz der Stadt hatte man zwar schon beideren Gründung im 12. Jahrhundert einen hohen Wall miteinem breiten Graben davor angelegt. Aber der systematischeFestungsbau begann erst 1623. Die Stadttore wurden durchBastionen verstärkt. Diese wiederum schützte man durcheinen ringsum verlaufenden Vorgraben, den „Avant-fossé“.

Die Festungsanlagen wurden in den folgenden Jahrzehntenweiter entwickelt. Und so entstand aus der Zusammenlegungvon verschiedenen Wasserläufen die Südliche Umflut, die nochheute den Verlauf und die Ausmaße der ehemaligen Bastionenveranschaulicht.Auf Anordnung Friedrich des Großen wurden die Festungs-anlagen am Ende des Siebenjährigen Krieges geschleift. Übriggeblieben sind nur die Nördliche und die Südliche Umflut.

Die alte Brücke Geiststraße

Querschnitt durch die FestungsanlageQuelle: G. Hagemann „Die Festung Lippstadt“ 1985

Detail des FestungsbausQuelle: G. Hagemann „Die Festung Lippstadt“ 1985

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Page 53: Lippstädter Stadt-Rundgänge · Marktkirche (Groß) St. Marien, geweiht vor 1221 durch Bernhard II. Um 1240 wurde mit dem Bau von St. Jakobi als weiterer Pfarrkirche begonnen. 1281

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Vorab ein WortBürgermeister Sommer unddas Team vom FachbereichStadtentwicklung und Bauen

Ein Blick in die StadtgeschichteFrau Dr. Becker, Stadtarchivarin

Zeittafel

Der Altstadt-Rundgang26 Stationen durchdie historische Innenstadt

Der Wasser-Rundgang14 Stationen entlang der Lippe

ImpressumVielen Dank

Karte mit den StandortenUmschlag

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Inhalt

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An der konzeptionellen Entwicklung, dem Zusammen-tragen des geschichtlichen Hintergrundwissens undder finanziellen Unterstützung waren beteiligt:

die Mitglieder vom Heimatbund Lippstadtdie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des FachbereichsStadtentwicklung und Bauen der Stadt Lippstadtdie Mitarbeiter des BaubetriebshofesSEMPER GRAPHIK-DESIGN, Lippstadtlippstädter werbewerkstattBRANNEKEMPER Metallgestaltung

Volksbank Lippstadt

Land Nordrhein-Westfalen,Ministerium für Bauen und Verkehr

Impressum

Herausgeber:Stadt LippstadtFachbereich Stadtentwicklung und BauenOstwall 159555 Lippstadt

Fotos:Stadt Lippstadt, Volksbank Lippstadt

Druck:Druckerei Harlinghausen, Lippstadt

1. Auflage, Oktober 2008© Stadt Lippstadt

Alle Rechte der Verbreitung einschließlich der Bearbeitung fürFilm, Funk, Fernsehen, CD, DVD, der Übersetzung, Fotokopie unddes auszugsweisen Nachdrucks und Gebrauchs im In- und Auslandbleiben vorbehalten.

Vielen Dank

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