live communication und social media - die perfekte symbiose

6
| SOCIAL MEDIA | 34 Marketing Review St. Gallen 2 | 2011  S eit Jahren zeichnet sich ein Paradigmenwechsel im Marketing ab. Während die traditionelle Einweg-Kommunikation nach und nach an Bedeutung verliert, startet das Internet durch und wird noch in diesem Jahrzehnt die klassische Werbung als neues Leitmedium ablösen. Mit ungeheurer Entwicklungsdynamik brei- ten sich die Social Media aus. Fast täglich sind neue Rekordmel- dungen über Facebook, Twitter und Youtube in der Presse zu lesen. Durch diese Anwendungen wird das Internet zum Mitmachme- dium und zur sozialen Austauschplattform. Damit geht das Web 2.0 genau genommen einen Schritt zurück und rückt – ähnlich wie in der „prä-medialen Ära“ – wieder den Menschen und die soziale Interaktion in den Mittelpunkt (Hartmann 2008, S. 120 ff.). Der vorliegende Beitrag untersucht die Auswirkungen der zunehmenden Digitalisierung der Medienlandschaft auf die Live Communication. Unter dem Dachbegriff der Live Communica- tion sollen hier alle physischen Veranstaltungsplattformen verstan- den werden, die eine persönliche Begegnung von Mensch und Marke in einem emotional inszenierten Umfeld erlauben (Kirch- Live Communication und Social Media – die perfekte Symbiose Mit der digitalen Medienrevolution entwickelt sich auch die Live Communication weiter. Das Live- Erleb- nis wird zukünftig über die eigentliche physische Veranstaltung hinweg zeitlich und medial ausgedehnt. Durch die Integration der Online-Kanäle entstehen neue „hybride“ Veranstaltungsformate, die reales und virtuelles Erleben miteinander kombinieren. Hierzu bedarf es der integrierten Planung aller Aktivi- täten – vor, während und nach Live-Auftritten. DAGOBERT HARTMANN Foto: © Warchi/istock.com

Upload: dagobert-hartmann

Post on 05-Dec-2014

2.131 views

Category:

Business


3 download

DESCRIPTION

Marketing Review St. Gallen, Sonderheft Live Communication, 02/2011

TRANSCRIPT

Page 1: Live Communication und Social Media - die perfekte Symbiose

|| SOCIAL MEDIA ||

34 Marketing Review St. Gallen 2 | 2011

 Seit Jahren zeichnet sich ein Paradigmenwechsel im Marketing ab. Während die traditionelle Einweg-Kommunikation nach und nach an Bedeutung verliert, startet das Internet durch und

wird noch in diesem Jahrzehnt die klassische Werbung als neues Leitmedium ablösen. Mit ungeheurer Entwicklungsdynamik brei-ten sich die Social Media aus. Fast täglich sind neue Rekordmel-dungen über Facebook, Twitter und Youtube in der Presse zu lesen. Durch diese Anwendungen wird das Internet zum Mitmachme-dium und zur sozialen Austauschplattform. Damit geht das Web 2.0

genau genommen einen Schritt zurück und rückt – ähnlich wie in der „prä-medialen Ära“ – wieder den Menschen und die soziale Interaktion in den Mittelpunkt (Hartmann 2008, S. 120 ff.).

Der vorliegende Beitrag untersucht die Auswirkungen der zunehmenden Digitalisierung der Medienlandschaft auf die Live Communication. Unter dem Dachbegriff der Live Communica-tion sollen hier alle physischen Veranstaltungsplattformen verstan-den werden, die eine persönliche Begegnung von Mensch und Marke in einem emotional inszenierten Umfeld erlauben (Kirch-

Live Communication und Social Media –die perfekte SymbioseMit der digitalen Medienrevolution entwickelt sich auch die Live Communication weiter. Das Live- Erleb-nis wird zukünftig über die eigentliche physische Veranstaltung hinweg zeitlich und medial ausgedehnt. Durch die Integration der Online-Kanäle entstehen neue „hybride“ Veranstaltungsformate, die reales und virtuelles Erleben miteinander kombinieren. Hierzu bedarf es der integrierten Planung aller Aktivi-täten – vor, während und nach Live-Auftritten.

DAGOBERT HARTMANN

Foto: © Warchi/istock.com

Page 2: Live Communication und Social Media - die perfekte Symbiose

|| Live Communication und Social Media – die perfekte Symbiose Live Communication und Social Media – die perfekte Symbiose ||

Marketing Review St. Gallen 2 | 2011 35

georg 2009a, S. 17). Hierzu zählen insbesondere Messen und Events, aber auch Promotion- und Sponsoring-Aktivitäten. Nach einer kurzen Einführung zum Wandel der Kommunikation deckt der Beitrag die Unterschiede und die Wechselwirkungen der bei-den Dialoginstrumente auf und liefert Anwendungsszenarien, wie sich Live Communication und Social Media wirkungsvoll integrieren lassen. Der Beitrag versteht sich als erste Standort-bestimmung und versucht, die nächste Evolutionsstufe der Live Communication zu skizzieren.

Die nachfolgenden Ausführungen basieren auf der Uniplan Live Trends Studie 2009/10, die in Kooperation mit dem Lehrstuhl Mar-ketingmanagement an der HHL Leipzig durchgeführt wurde (Kirchgeorg 2009b). Für die repräsentative Untersuchung standen über 400 Marketingentscheider aus den umsatzstärksten Unter-nehmen Deutschlands Rede und Antwort. Die Befragungsergeb-nisse von 2009 sind als Tendenzaussagen zu verstehen, wohl wis-send, dass diese aufgrund der hohen Dynamik der Social Media eigentlich einer laufenden Aktualisierung bedürfen.

Entwicklung und Prinzipien des Web 2.0

Während das Web 1.0 vor allem eine Ansammlung statischer Web-sites ist und zum passiven Konsum von Texten und Bildern genutzt wird, hat sich das Web 2.0 zu einem interaktiven und kollaborati-ven Medium entwickelt. Treibender Faktor der Veränderung waren die zunehmende Verbreitung von Breitbandanschlüssen und die enorme Senkung der Internetkosten (Flatrates). Dadurch wurde das Internet der breiten Bevölkerung zugänglich gemacht und hat sich als neues Alltags- und Massenmedium etabliert. Mit dem technologischen Fortschritt einhergehend hat sich auch das Nutzungsverhalten stark geändert. So ist das anonyme Internet zu einer Plattform der Selbstinszenierung mutiert, bei der die Nutzer bereitwillig ihre Online-Identität preisgeben. Gleichzeitig sind die

Nutzer bereit, selbst eigene Inhalte (User Generated Content) für das Netz zu produzieren und zu verbreiten (Hettler 2010, S. 3). Damit wandelt sich die Rolle des Internetnutzers: vom passiven Konsumenten hin zum aktiven Prosumenten (= Produzent + Kon-sument). Durch die „kollektive Intelligenz“ (Wisdom of the Crowds) der Nutzer entstehen viele attraktive Webplattformen (wie z.B. Wikipedia), die einen hohen Mehrwert für das gesamte Internet aufweisen.

Verlust der Kommunikationshoheit

Mit dem Social Web steigt die Macht der Konsumenten: denn jeder kann heute problemlos eigene Inhalte produzieren und verbreiten. Die Unternehmen hingegen verlieren langsam aber sicher ihr gefühltes Kommunikationsmonopol. Viele Marketingmanager wol-len sich nicht auf den drohenden Kontrollverlust einlassen. Sie fürchten, dass sich negative Meinungen „aufschaukeln“ und das Markenimage beschädigen könnten. So haben etliche Unterneh-men durch halbherziges Engagement zu spät auf die Kritik der Kon-sumenten reagiert und ein wahres PR-Desaster erlebt. Doch ohne eigene Social-Media-Aktivitäten laufen sie Gefahr, jegliche Kon-trolle über die Gespräche im Internet zu verlieren. Zudem vergeben sie die Chance, den Konsumenten und seine Bedürfnisse besser zu verstehen. Mit dem Aufkommen des Social Web wandelt sich unser Kommunikationsmodell grundlegend. Während es beim tradi-tionellen Paradigma einen Sender gibt, der eine Botschaft an viele Empfänger richtet („one to many“), ist beim neuen Modell jeder Empfänger zugleich auch ein Sender. In Zukunft werden also viele Sender mit vielen Empfängern („many to many“) kommunizieren. Unternehmen sind dann nur noch ein Sender unter vielen und ver-lieren die Hoheit über die Markenführung. Die neuen Autoritäten und Multiplikatoren sind die Kunden und die Mitarbeiter. Diesen Machtwechsel im Kommunikationsmarkt zu verstehen und die

Abb. 1 Nutzung von Social Media in Unternehmen

Quelle: Uniplan

Videoclips 61,9 %

Blogs und Foren 47,5 %

Social Networking-Plattformen 42,4 %

Podcasts 40,8 %

Virtuelle Welten 18,2 %

Photo Sharing 17,0 %

Mobile Media 14,8 %

Gaming 13,2 %

„Welche der folgenden Instrumente würden Sie im nächsten Jahr für Ihr Unternehmen bzw. Ihren Geschäftsbereich einsetzen?“ (Top-2-Box auf 5-er-Skala) Basis: nmax = 368

Page 3: Live Communication und Social Media - die perfekte Symbiose

|| SOCIAL MEDIA ||

36 Marketing Review St. Gallen 2 | 2011

Gefahren und Chancen zu managen, gehört zu den größten Her-ausforderungen für die gesamte Marketingkommunikation.

Social Media als Dachbegriff

Obwohl Social Media seit 2009 das „Buzzword“ der Kommunika-tionsbranche ist, hat sich bislang noch kein allgemeingültiges Begriffsverständnis durchgesetzt. Ebenso wie Live Communica-tion ist auch Social Media als ein Dachkonzept zu verstehen. Dies kommt in der Definition des Branchenverbandes BVDW zum Ausdruck, der hier gefolgt werden soll (BVDW 2009, S. 5):

„Social Media sind eine Vielzahl von digitalen Medien und Technologien, die es den Nutzern ermöglichen, sich untereinan-der auszutauschen und mediale Inhalte einzeln oder in Gemein-schaft zu gestalten. Die Nutzer nehmen durch Kommentare, Bewertungen und Empfehlungen aktiv auf die Inhalte Bezug und bauen auf diese Weise eine soziale Beziehung untereinander auf. Als Kommunikationsmittel setzt Social Media einzeln oder in Kombination auf Text, Bild, Audio oder Video und kann plattform-unabhängig verwendet werden.“

In der Praxis findet sich ein breites Spektrum von Social-Media-Anwendungen, mit deren Hilfe die Nutzer eigene Inhalte (User Generated Content) erstellen und in virtuellen Communities ver-breiten. Es würde den Umfang dieses Beitrages sprengen, diese im Detail zu erläutern. Daher sollen hier nur überblickartig die zent-ralen Medien aufgeführt werden, die bereits heute für Unterneh-men und Marken eine hohe Relevanz haben. Laut BVDW lassen sich die Social-Media-Instrumente in die folgenden vier Gruppen einteilen (BVDW 2009, S. 5). ■ Communication: Blogs, Microblogs, Social Networks, Podcasts,

Newsgroups, Social-Network-Aggregatoren, Instant Messaging ■ Collaboration: Wikis, Social-Bookmarking-Dienste, Social-

News-Seiten

■ Multimedia: Foto- und Videosharing, Musicsharing ■ Entertainment: Virtuelle Welten, Online-Spiele

Die Grenzen zwischen den einzelnen Kategorien sind fließend. Die Nutzung der einzelnen Kanäle und deren Vernetzung schreitet mit hohem Tempo voran.

Nutzung von Social Media in Unternehmen

Seit knapp zwei Jahren boomt Social Media auch in Deutschland. Vor allem die jüngere Generation, die sogenannten „Digital Nati-ves“, die mit dem Internet aufgewachsen sind, nutzen das Social Web intensiv. So sahen im Jahr 2009 laut Social Media Tracker (Universal McCann 2009, S. 31) 74 % (zum Vergleich: 44 % in 2007) der aktiven Internetuser Videos im Netz , 57 % lasen Blogs (15 % in 2007) und 47 % erstellten ein eigenes Profil in einem sozi-alen Netzwerk (19 % in 2007).

Uniplan Live Trends wollte nun wissen, inwieweit auch die Unternehmen Social Media entdeckt haben und in ihrer Kom-munikationsstrategie berücksichtigen. Die Ergebnisse sind über-raschend: Die Mehrzahl der befragten Unternehmen beabsich-tigt in den nächsten 12 Monaten (d.h. im Jahr 2010) Social-Media-Anwendungen einzusetzen. Ebenso wie bei den Nutzern

» Viele Unternehmen streben möglichst schnell ins Social Web,

ohne über eine passende Social-Media-Strategie zu verfügen. «

Abb. 2 Bewertung von Live und Virtual Communication

Quelle: Uniplan

„Bei welchem der folgenden Kriterien ist die Live Communication der Virtual Communication überlegen?“ (Vorgabe 15 Kriterien)

Top-3-Kriterien Überlegenheit Live Com

Vertrauensaufbau 71,8 %

Multisensualität 67,1 %

Kundenbindung 64,9 %

Bottom-3-Kriterien Überlegenheit Virtual Com

Bildung von Communities 81,2 %

Reichweite 79,2 %

Kontaktkosten 76,2 %

Basis: nmax = 401

Page 4: Live Communication und Social Media - die perfekte Symbiose

|| Live Communication und Social Media – die perfekte Symbiose Live Communication und Social Media – die perfekte Symbiose ||

Marketing Review St. Gallen 2 | 2011 37

liegen Viralvideos, Blogging und Microblogging (Twitter) sowie Social-Networking-Plattformen in der Präferenz ganz vorne. Innerhalb der einzelnen Branchen ergeben sich jedoch große Unterschiede: Vorreiter sind mit großem Abstand die Automo-bilhersteller, die Lebensmittelindustrie sowie die IT/TK-Bran-che. Andere Branchen hinken dieser Entwicklung noch stark hinterher.

Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft jedoch eine Lücke. Viele Unternehmen streben möglichst schnell ins Social Web, ohne über eine passende Social-Media-Strategie zu verfügen. Oft fehlt es auch am nötigen Verständnis hinsichtlich der Wirkungsweisen und Funktionsprinzipien. So wird Social Media oftmals als weite-rer Abspielkanal für Werbebotschaften (miss-)verstanden. Viel-mehr geht es darum, als Unternehmen eine glaubwürdige Reputa-tion, eine sogenannte „Social Voice“ zu entwickeln und mit den Nutzern in einen echten und dauerhaften Dialog zu treten. Damit haben Social Media und Live Communication vieles gemeinsam. Beide haben den Anspruch, Kundenbeziehungen auf- und auszu-bauen. Doch wie ist nun das Verhältnis von Live Communication und Social Media?

Die perfekte Symbiose – „Live plus Social“

Werden virtuelle Welten in Zukunft physische Veranstaltungen ersetzen? Nur nahezu 10 % der befragten Entscheider sehen die-ses Szenario als wahrscheinlich an. 67 % betonen allerdings, dass bisherige Live-Com-Formate durch Informations- und Unterhal-tungsangebote im Internet ergänzt werden. Dieses Ergebnis deu-tet darauf hin, dass die Live Communication dann verlieren wird, wenn sie sich nicht auf ihre Stärken konzentriert. Gegenüber den

virtuellen Plattformen wird sie ihren Nutzenvorteil klar herausstel-len und verteidigen müssen.

Doch worin liegen nun die besonderen Stärken von Live Com-munication und den digitalen und sozialen Medien? Uniplan Live Trends legte den Befragten eine Liste mit fünfzehn Kriterien vor. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Live Communication punktet beim Thema Vertrauensaufbau. Ist sie doch in der Lage, dem Kunden im persönlichen Gespräch das Gefühl zu geben, ernst genommen und wertgeschätzt zu werden. Sie schafft zudem etwas, was selbst das beste Interneterlebnis nicht leisten kann: eine Marke mit allen Sinnen erlebbar zu machen. Gerade in der multisensorischen Inszenierung liegt der enorme Wirkungsvorteil der Live Commu-nication. Denn je mehr Sinne innerhalb eines Markenerlebnisses angesprochen werden, desto intensiver wird die Marke erinnert und desto nachhaltiger wird die Bindung zwischen Konsument und Marke.

Die Social Media hingegen erzielen bei gegebenen Kosten eine hohe Reichweite, die weit über die von traditionellen Medien hin-ausgehen kann. Darüber hinaus sind sie in der Lage, für Nutzer mit gleichen Interessen themenbezogene „Communities of Choice” zu formen. Genau in diesem Punkt stimulieren sich die Social Media und die Live Communication gegenseitig. Rund zwei Drit-tel der Befragten sind der Meinung, dass Online Communities starke Anreize zur persönlichen Begegnung auf realen Veranstal-tungen bieten. Die Social Media werden die Live Communication also nicht ersetzen. Ganz im Gegenteil. Beide Instrumente ergän-zen sich ideal und unterstützen sich gegenseitig in ihrer Wirkung. Der Schlüssel zum Wirkungserfolg liegt in der Bündelung der jeweiligen Stärken sowie der intelligenten Verknüpfung der beiden Dialoginstrumente.

Abb. 3 Integrierte Planung der Live Communication

Quelle: Uniplan

Blogs / Foren

Social Networks

Video Sharing

Mobile Media

Gaming

Virtuelle Welten

„Buzz“ / „WoM“

User Generated Content

Crowdsourcing

etc.

VORMesse / Event

WÄHRENDMesse / Event

NACHMesse / Event

Dialog über alle Phasen + Integration des Kunden!

physischeVeranstaltung

Page 5: Live Communication und Social Media - die perfekte Symbiose

|| SOCIAL MEDIA ||

38 Marketing Review St. Gallen 2 | 2011

Notwendigkeit einer integrierten Planung

Wurden Kunden bislang auf Messen und Events nur punktuell angesprochen, geht es in Zukunft darum, einen kontinuierlichen Kundendialog zu führen. Durch die Integration der Online-Kanäle lässt sich das Live-Erlebnis über die physische Veranstaltung hin-aus zeitlich und medial verlängern. Durch die Verlängerung des Lebenszyklus entstehen neue „hybride“ Veranstaltungsformate, die sowohl reale als auch virtuelle Elemente enthalten. Um diese opti-mal aufeinander abzustimmen, bedarf es einer integrierten Pla-nung über alle Stufen einer Veranstaltung, d.h. vor, während und nach den Live-Auftritten (Li 2010, S. 6). ■ Maßnahmen vor der Veranstaltung

Im Vorfeld gilt es, eine Veranstaltung über Blogs, Foren und Communities bekannt zu machen. Die Kunden werden dabei selbst zu authentischen Multiplikatoren. Sie tragen als Marken-botschafter die Informationen für das Unternehmen in die Welt. Durch die virale Verbreitung kann ein enormer „Buzz“ (Mund-propaganda) rund um die Veranstaltung aufgebaut werden. Durch die Netzwerk effekte lassen sich neue Zielgruppen anspre-chen, die sonst nicht zu erreichen wären. Da die Kunden über Social-Media-Kanäle „always connected“ sind, können sie – schon lange vor Beginn einer Veranstaltung – miteinander in Kontakt treten. Durch die Möglichkeit der virtuellen Vernetzung erhöht sich der Anreiz, eine reale Veranstaltung zu besuchen

und sich von Angesicht zu Angesicht zu treffen. Dabei ist es egal, ob man sich schon vorher in persona getroffen hat oder nicht. Desweiteren lässt sich bereits in der Planungsphase das Feed-back der Kunden einholen. So können beispielsweise die Teil-nehmer einer Konferenz Vorschläge für Redner oder Themen machen. Durch den frühzeitigen Einbezug des Kunden in die Veranstaltungsplanung lässt sich die Live Communication noch stärker an den Kundenbedürfnissen ausrichten und damit die Qualität von Live-Auftritten insgesamt erhöhen.

■ Maßnahmen während der Veranstaltung Es gibt immer Zielgruppen, die aus Kosten- oder Zeitgründen eine Veranstaltung nicht besuchen können. Diese können nun per „ Internet-Streaming“ an einer Live-Inszenierung virtuell teil-haben. Die Möglichkeiten des „Broadcasting“ sind vielfältig. So können Veranstaltungen in Echtzeit (live) übertragen oder nach-träglich bei Bedarf (on demand) abgerufen werden. Darüber hin-aus können die virtuellen Teilnehmer und die Besucher vor Ort miteinander interagieren. So lassen sich durch Einrichtung von „Backchannels“ Programminhalte kommentieren, Informationen austauschen oder Abstimmungen durchführen. Doch in der Pra-xis sind die meisten Veranstaltungen noch einseitige „Frontalbe-schallungen“. Die vielfältigen Möglichkeiten des Zwei-Wege- Dialogs werden bislang noch nicht ausreichend genutzt. Mit dem Voranschreiten des mobilen Internets und der internetfähigen

Abb. 4 Integration von Social Media in der Live Communication

Quelle: Uniplan

„Welche der folgenden Maßnahmen führen Sie aktuell bzw. zukünftig durch, um Live Communication und Virtual Communication stärker miteinander zu verknüpfen?“ (Angaben in Prozent)

Online-Einladungen und Registrierung für Messen oder Events 70,3

Internetpräsenz zu Messen undEvents mit eigenem Branding 62,9

Themenbezogene Podcasts undVideoclips zu Veranstaltungen 38,5

Content-Generierung auf Messen undEvents für Internetnutzung 31,9

Moderierte Chats, Blogs und Forenbei Messen oder Events 22,9

Tools zur Vernetzung derTeilnehmer (Matchmaking) 20,6

Live-Übertragung vonVeranstaltungen im Internet 18,0

Aufbau von Online Communities zuMessen und Events 17,8

61,6 8,7

56,1 6,8

26,7 11,8

16,9 15,0

8,6 14,3

10,8 9,8

15,4

15,4

aktuell zukünftig

2,6

2,4

Basis: nmax = 390

Page 6: Live Communication und Social Media - die perfekte Symbiose

|| Live Communication und Social Media – die perfekte Symbiose Live Communication und Social Media – die perfekte Symbiose ||

Marketing Review St. Gallen 2 | 2011 39

Endgeräte („Smartphones“) sind allerdings eine verstärkte Inter-aktion und eine neue Dynamik unter den Teilnehmern zu erwar-ten. Der Einsatz von Social-Media-Anwendungen kann somit einer Live-Veranstaltung im wahrsten Sinnes des Worts „neues Leben“ einhauchen. Die virtuellen Teilnehmer können sich selbst einen Eindruck von der Qualität der Veranstal tung machen und sind – eine positive Bewertung vorausgesetzt – beim nächsten Mal eher bereit, selbst vor Ort live dabei zu sein.

■ Maßnahmen nach der Veranstaltung Nach dem Event geht es darum, das Live-Erlebnis in der digita-len Welt weiter fortzuführen. Die einmal begonnene Konversa-tion darf nicht abreißen und ist über Blogs, Foren und Websites weiter zu führen. So können fehlende Informationen als Follow-Up bereitgestellt, Fotos der Teilnehmer und Videos von Rednern hochgeladen oder über Umfragen Feedback zur Veranstaltung eingeholt werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die

Teilnehmer weiter über die Programminhalte diskutieren. Dadurch steigt nicht nur das Interesse an einer Folgeveranstal-tung teilzunehmen, sondern es lassen sich vor allem feste Com-munities um Veranstaltungen herum aufbauen. Live-Auftritte sind dadurch nicht mehr länger punktuelle Ereignisse, die einen oder wenige Tage dauern, sondern werden zu Dialogplattfor-men, die mehrere Wochen oder sogar Monate andauern. Im Ide-alfall ist ein ganzjähriger dauerhafter Dialog („365 Tage-Kom-munikation“) möglich. In Zukunft werden es Live-Auftritte, die es nicht schaffen eine Community aufbauen, schwer haben sich am Markt durchzusetzen.

Status quo der Implementierung

Während im Corporate Marketing die Unternehmen bereits erste Erfahrungen mit Social Media sammeln, bestehen zurzeit noch erhebliche Berührungsängste, Live-Auftritte mit Social Media zu kombinieren. Uniplan Live Trends fragte, welche Web-Anwen-dungen Unternehmen im Rahmen ihrer Live-Aktivitäten aktuell als auch zukünftig einsetzen. So setzt die Mehrzahl der befrag-ten Unternehmen auf herkömmliche Online-Einladungen und eine eigene Webpräsenz. Zukunftsträchtige Anwendungen wie Live Streamings und Community Building kommen so gut wie gar nicht zum Einsatz, bei ihnen wird jedoch der größte Nach-holbedarf gesehen. Unternehmen, die den Nutzen der Social-Media-Integration erkennen, werden in Zukunft die Effizienz und Effektivität ihrer Live-Com-Aktivitäten erheblich steigern können.

Schlussbetrachtung

Die Live Communication hat sich in den letzten Jahren kaum geändert und ist heute in der Regel ein „Solitär-Ereignis“. Durch die Integration von digitalen und sozialen Medien lässt sich das Live-Erlebnis jedoch über die eigentliche physische Veranstaltung hinaus ausdehnen – mit weitreichenden Folgen: Denn durch die virtuelle Kundenbeteiligung verändern sich die „Spielregeln“ im Markt. Der Kunde wird neben den Organisatoren zum Co-Pro-duzenten, der mit eigenem Content die Veranstaltung „energeti-siert“. Live-Auftritte werden so zu attraktiven „Content-Plattfor-men“, die dann ihre volle Wirkung in den virtuellen Medien ent-falten. Die Live Communication avanciert damit zum zentralen Referenzpunkt („Epizentrum“) für die gesamte Marketingkom-munikation.

Doch noch bestehen erhebliche Berührungsängste, Live Com-munication und Social Media wirkungsvoll miteinander zu ver-knüpfen. Live Communication wird heute immer noch als kurz-fristige Push-Taktik eingesetzt, weniger als Plattform für einen kontinuierlichen und nachhaltigen Kundendialog begriffen. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, ist ein kultureller Wandel in den Unternehmen notwendig. Neben einer übergreifenden Stra-tegie ist vor allem eine Social Media Governance aufzusetzen, die den internen Umgang mit Social Media regelt. Unternehmen, die es schaffen, diesen Change-Prozess zu steuern, werden in Zukunft einen schwer zu imitierenden Wettbewerbsvorteil erlangen. Dabei müssen sie sich nicht vom traditionellen Marketing verabschieden, sondern dieses lediglich um Social-Media-Aktivitäten ergänzen.

LiteraturverzeichnisBVDW (2009): Social Media Kompass, Düsseldorf.Hartmann, D. (2008): Wertschöpfung durch Live Communication, in: Her-

brand, N.O. et. al. (Hrsg.): Schauplätze dreidimensionaler Markeninszenie-rung, Stuttgart, S. 119-134.

Hettler, U. (2010): Social Media Marketing, München.Kirchgeorg, M./Springer, C./Brühe, C. (2009a): Live Communication Manage-

ment, Wiesbaden.Kirchgeorg, M./Ermer, B./Brühe, C./Hartmann, D. (2009b): Live Trends

2009/10, live@virtuell – neue Formen des Kundendialogs, Köln, Leipzig.Li, C. (2010): Creating a Social Media Strategy for Your Event, Altimeter Group,

www.slideshare.net/Eventbrite/creating-a-social-media-strategy-for-your-event (Stand 06.09.2010).

Universal McCann (2009): Power to the People, Social Media Tracker, Wave 4, www.universalmccann.de/social_media_studie/wave4/ (Stand 06.09.2010).

Der Autor

Dagobert Hartmann ist Director Consulting and Research bei der Live Com-munication Agentur Uniplan und verantwortet gemein-sam mit der HHL Leipzig die „Uniplan Live Trends“ Studien E-Mail: [email protected]

» Mit dem Aufkommen des Social Web wandelt sich unser Komm u-

nikationsmodell grundlegend. «