lizenziatsarbeit_2009_tobias_günter

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UNIVERSITÄT ZÜRICH INSTITUT FÜR POLITIKWISSENSCHAFT Abt. Innenpolitik / Vergleichende Politik Hirschengraben 53 8001 Zürich UND WEHE, SIE BERATEN EUCH NICHT! ——— Zum Einfluss von Diffusionsprozessen und endogenen Charakteristika auf kantonale Reformen der Finanzausgleichssysteme Lizenziatsarbeit Betreuung: Prof. Dr. Daniel Kübler 28. September 2009 TOBIAS GÜNTER Clausiusstrasse 34 8006 Zürich [email protected] 02-720-878 HF: Politikwissenschaft / 1. NF: Wirtschaftsgeschichte in Verbindung mit Sozialökonomie / 2. NF: Staatsrecht

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"Und wehe, sie beraten euch nicht!" Lizentiatsarbeit // Zum Einfluss von Diffusionsprozessen und endogenen Charakteristika auf kantonale Reformen der Finanzausgleichssysteme / 28. September 2009

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UNIVERSITÄT ZÜRICH INSTITUT FÜR POLITIKWISSENSCHAFT

Abt. Innenpolitik / Vergleichende Politik Hirschengraben 53

8001 Zürich

UND WEHE, SIE BERATEN EUCH NICHT!

——— Zum Einfluss von Diffusionsprozessen und endogenen Charakteristika

auf kantonale Reformen der Finanzausgleichssysteme

Lizenziatsarbeit Betreuung: Prof. Dr. Daniel Kübler

28. September 2009

TOBIAS GÜNTER Clausiusstrasse 34

8006 Zürich [email protected]

02-720-878

HF: Politikwissenschaft / 1. NF: Wirtschaftsgeschichte in Verbindung mit Sozialökonomie / 2. NF: Staatsrecht

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Abstract

Diese Arbeit befasst sich mit dem Einfluss von Diffusionsmechanismen und endogener De-

terminanten auf die Reformen kantonaler Finanzausgleichssysteme in Bern und Zürich. Be-

sondere Beachtung wird dabei der Einführung von Ausgleichsinstrumenten für zentralörtliche

Lasten und Leistungen geschenkt. Die These der Diffusion von Policy-Lösungen über ver-

schiedene Gebietskörperschaften hinweg hat in der Vergleichenden Politikwissenschaft in der

Schweiz noch einen schweren Stand, wenn gleich die Ausgestaltung staatspolitischer Struktu-

ren für einen solchen Forschungsansatz sehr erspriesslich wäre. Im Zuge der Reform des bun-

desstaatlichen Finanzausgleiches (NFA) haben sich auch zahlreiche Kantone zu einer Neuges-

taltung ihrer Systeme entschieden. Ihre nahe zeitliche Abfolge macht die Anwendung dieser

Theorie plausibel. Aufbauend auf dem Modell von Hall (1993) konnte nachgewiesen werden,

dass eine Diffusion der Konstrukte der ökonomischen Theorie des Finanzausgleichs sowohl

mittels ihrer Vertreter wie auch durch das Vorbild NFA stattgefunden hat. Kantonale Charak-

teristika wie institutionelle Traditionen, parteipolitische oder sozio-ökonomische Konfliktli-

nien hatten dabei nicht nur eine dämpfende Wirkung auf die Diffusion einer Policy-Lösung,

sondern konnten sie zu spezifischen Zeitpunkten auch fördern. Die verwendete Theorie hat

sich in einigen Punkten als äusserst tauglich erwiesen, die untersuchte Verbreitung von Ideen

zu analysieren. Insbesondere der Lernbegriff, der zwei Komponenten enthält, indem er sich

auf altes und neues Wissen bezieht, kann die Entstehung von kognitiven Dissonanzen gut

erklären, welche eine veränderte Interpretation einer Policy ermöglichen. Gerade am Fall Zü-

rich konnte so dargelegt werden, dass die oft formulierte These über die Bedeutung einer Kri-

se für das Auslösen einer Reform hier nicht bestätigt werden konnte, sondern hauptsächlich

auf die Redefinition der Interessen durch rivalisierende Wissensbestände abgestellt werden

muss. Es konnten aber auch Altersschwächen der Theorie entdeckt werden, die sich parado-

xerweise in der Unterschätzung wissensbasierter Ressourcen, namentlich in der Fokussierung

auf administrative Hemmnisse für eine Diffusion, zeigten. Für weitere Forschungen sind sol-

che Erkenntnisse, welche sich gegen die Annahmen der Theorie stellen, sehr wertvoll, weil

sie auf mögliche neue resp. unterschätzte Zusammenhänge hinweisen. Aus dieser Optik kann

eine vermehrte Anwendung einer an ihren Implikationen gemessenen modernen Theoriefami-

lie gerade für föderalistische Systeme, wie die Schweiz eines darstellt, nur empfohlen werden.

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2

Für meine Mutter, meinen Vater, meine Schwester

und meine Grosseltern.

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3

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 6

2 Einführung in den Gegenstand dieser Untersuchung 8

2.1 Finanzausgleich und die ökonomische Theorie des Föderalismus 8 2.2 Lastenausgleich für Kernstädte 10

2.2.1 Auswirkungen der Urbanisierung 10 2.2.2 Zentrumslasten durch räumliche und fiskalische Externalitäten 11

3 Politikwandel 13

3.1 Verbreitung von Policy-Ideen 13 3.2 Konvergenz, Diffusion und Transfer 14

3.2.1 Rivalisierende Diffusionskonzepte 16 3.2.2 Konstruktivistische Erklärungen 19

3.3 Social Learning 21 3.3.1 Lernmechanismus 22 3.3.2 Wettbewerb und gemeinsame Normen 24

3.4 Interne Einflussfaktoren 25

4 Untersuchungsleitendes Modell 27

4.1 Untersuchungsanordnung und Methode 27 4.2 Fallauswahl 30

5 Untersuchungsfeld Finanzausgleich 32

5.1 Ökonomische Theorie des Finanzausgleichs 32 5.2 Bundesstaatlicher Finanzausgleich 35

6 Hypothesen 37

6.1 Hypothesen zur Diffusion von Ideen 37 6.2 Hypothesen zu institutionellen Traditionen 39 6.3 Hypothesen zu innerkantonalen Konfliktlinien 40

7 Kontext 43

7.1 Bundesstaatlicher Finanzausgleich 43 7.2 Krise und Policy-Anomalien 44 7.3 Economic Viability 47 7.4 Political Viability 48 7.5 Fazit 54

Page 5: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

4

8 Innerkantonale Reformen 58

8.1 Kanton Bern 58 8.1.1 Inhalt des Finanzausgleichs im Kanton Bern 58 8.1.2 Krise 62 8.1.3 Policy-Anomalien 64 8.1.4 Economic Vilability 66 8.1.5 Political Vialbility 70 8.1.6 Fazit 73

8.1.6.1 IKFA 73 8.1.6.2 Lastenausgleich 76

8.2 Kanton Zürich 78 8.2.1 Inhalt des Finanzausgleichs im Kanton Zürich 78 8.2.2 Krise 82 8.2.3 Policy-Anomalien 82 8.2.4 Economic Viability 84

8.2.4.1 Lastenabgeltung für die Stadt Zürich 85 8.2.4.2 Krise 85 8.2.4.3 Economic Viability 85 8.2.4.4 Political Viability 86

8.2.5 Fortsetzung Gesamtsystem IKFA 88 8.2.6 Political Viability 92 8.2.7 Fazit 94

8.2.7.1 IKFA 94 8.2.7.2 Lastenausgleich 97

9 Vergleich der Ergebnisse 99

10 Würdigung 101

11 Literaturverzeichnis 104

12 Anhang 115

12.1 Verzeichnis der interviewten Personen 115 12.2 Interview-Leitfaden 116

Page 6: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

5

Abkürzungsverzeichnis

Abs. Absatz ARE Bundesamt für Raumentwicklung Art. Artikel ASG Aggregierte Steuerbemessungsgrundlage AUE Amt für Umweltkoordination und Energie BfS Bundesamt für Statistik CVP Christdemokratische Partei der Schweiz ebd. ebenda EFD Eidgenössisches Finanzdepartement EFV Eidgenössische Finanzverwaltung et al. et alii f./ff. folgende Seite / folgende Seiten FDK Finanzdirektorenkonferenz FDP Freisinnig-demokratische Partei der Schweiz FN Fussnote GLA Geographisch-topographischer Lastenausgleich GP Grüne Partei der Schweiz GPA AT Gesamtprojektausschuss Aufgabenteilung Kanton Bern HEI Harmonisierter Ertragsindex Hrsg. Herausgeber IFF Institut für Finanzwissenschaft und Finanzrecht Universität St.Gallen IKFA Innerkantonales Finanzausgleichssystem KdK Konferenz der Kantonsregierungen NFA Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen NFP 25 Nationales Forschungsprogramm 25 „Stadt und Verkehr“ NPM New Public Management NZZ Neue Zürcher Zeitung OECD Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit RELA Arbeitsgruppe Regionaler Lastenausgleich SECO Staatssekretariat für Wirtschaft SGB Schweizerischer Gewerkschaftsbund SLA Sozio-demographischer Lastenausgleich SP Sozialdemokratische Partei der Schweiz SVP Schweizerische Volkspartei TP1 Teilprojekt 1 Aufgabenteilung TP2 Teilprojekt 2 Finanz- und Lastenausgleich zit. in zitiert in

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6

1 Einleitung

In zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen und der öffentlichen Debatte wird dem föde-

ralistischen System der Schweiz seit längerer Zeit vorgehalten, dass es notwendige Reformen

überdurchschnittlich stark bremse (u.a. Wagschal/Rentsch 2003, Blöchliger 2005, Frey 2006,

Freitag et al. 2003). Diese Kritik weckt Zweifel, ob die Schweiz für die Entscheidungen, wel-

che in der Zukunft gefällt werden müssen, gewappnet sei.

Es wäre aber verfehlt, allein dem Föderalismus eine den Status quo bewahrende Funktion

zuzuschreiben. Mitbeteiligt daran sind auch ein stark ausdifferenziertes Mehrparteiensystem,

die direkte Demokratie und die institutionelle Fragmentierung, welche allesamt Blockade-

möglichkeiten eröffnen (Braun 2002: 319). Es kann aus einer politikwissenschaftlichen Per-

spektive als erhärtet erachtet werden, dass Konsensdemokratien, wo politische Entscheidun-

gen weniger durch Stimmenmehrheit, sondern durch Verhandlungen getroffen werden, mit

einer hohen Anzahl an institutionellen Vetopunkten zu leben haben (Czada 2003: 171). Diese

erlauben politischen oder gesellschaftlichen Kräften, Reformen in Frage zu stellen und zu

unterbinden (Tsebelis 2002).

Der These der „Politikverflechtungsfalle“ kommt in der Diskussion um die Problemlösungs-

kapazität der Schweiz eine tragende Bedeutung zu (Scharpf 1985: 334f.). Gemeint ist damit

ein Entscheidungssystem, bei welchem zahlreiche Akteure Mitbestimmungsrechte haben,

weshalb ein hoher Koordinationsaufwand für die Erreichung eines Konsenses betrieben wer-

den muss. Ein Reformentscheid ist somit nur dann möglich, wenn „win-win“-Situationen ge-

schaffen werden können. Wird ein solcher Zustand aber nicht erreicht, droht der Status quo.

Solche Systeme werden deshalb als „strukturkonservativ“ bezeichnet.

Die horizontale Ausprägung dieser Problematik zeigt sich zwischen Kantonen oder Gemein-

den.1 Hier besteht Koordinationsbedarf, weil es durch die starke institutionelle Fragmentie-

rung zu einer Diskrepanz zwischen kollektiven Problemen und formalen politischen Ent-

scheidungsstrukturen kommt. Das Erzielen einer Policy-Lösung ist hier besonders schwierig, 1 Auf einer vertikalen Achse beschreibt sie einen funktional verflochtenen Verwaltungsföderalismus (Braun

2003: 328). In diesen Vollzugsarrangements besitzt der Bund die Kompetenzen, Rahmenordnungen vorzugeben,

die Ausführung obliegt aber den Kantonen. Diese besitzen dadurch ein Obstruktionspotential, weshalb zur Ver-

hinderung dieses oft auf Bundesebene schon Kompromisse eingegangen werden (Vatter 1999: 99).

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7

da Akteure die Verhandlungen verlassen und damit eine Nichteinigung provozieren können

(Scharpf 1992).

Die Reformhindernisse, wie diese verkürzte Darlegung bestätigt, sind mannigfaltig. Wie ist es

also möglich, dass es seit Beginn des neuen Jahrtausends auf kantonaler Ebene zu einer Viel-

zahl von Reformen im Bereich Finanzausgleich kam? Gerade ein redistributives Geschäft,

wie es die systematische Umverteilung von öffentlichen Geldern darstellt, scheint wenig ge-

eignet, um die diagnostizierte Reformblockade zu überwinden. In dieser Untersuchung wird

deshalb folgender Forschungsfrage nachgegangen:

Welche Faktoren beeinflussten die Reform der innerkantonalen Finanzausgleichssysteme und

im Besonderen den Lastenausgleich für Städte?

Zur Erklärung dieses Phänomens wird die These vertreten, dass die Reformen das Resultat

einer Policy-Diffusion von Bundes- auf Kantonsebene sind. Als Diffusion wird ein Prozess

beschrieben, bei welchem politische Ideen und Praktiken von einer Gebietskörperschaft in

eine andere hinüberschwappen. In der Schweizerischen Politikwissenschaft ist dies ein noch

wenig verwendeter Ansatz. Die „Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabentei-

lung zwischen Bund und Kantonen“ (NFA) auf Bundesebene und die zeitlich später folgen-

den Reformbemühungen in zahlreichen Kantonen lassen aber die Verwendung dieses Ansat-

zes als plausibel erscheinen.

Wegen der zunehmenden Bedeutung städtischer Regionen in volkswirtschaftlicher und gesell-

schaftspolitischer Hinsicht wird in dieser Untersuchung auch ein besonderes Augenmerk auf

die Einführung lastenausgleichender Instrumente für unter den Kosten der horizontalen

Nichtentscheide leidenden Kernstädte gerichtet.

Als konkurrierende Einflussfaktoren auf das Politik-Ergebnis werden der Diffusion kantonale

Charakteristika entgegengehalten. Institutionellen Traditionen, sozio-ökonomischen Bedin-

gungen oder parteipolitischen Konfliktlinien wurde in vergangenen Untersuchungen schon oft

eine massgebende Wirkung zugesprochen (vgl. u.a. Vatter 2002, Sager et al. 1999).

Die Struktur dieser Arbeit gliedert sich wie folgt: Nach einer knappen Einführung in die hier

vorliegende Thematik werden im zweiten Kapitel die theoretischen Überlegungen zu Diffusi-

ons- und Lernprozessen vorgestellt. Darauf aufbauend werden das Untersuchungsmodell und

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8

die methodische Vorgehensweise besprochen. Aufbauend auf der NFA2 werden die Hypothe-

sen gebildet, welche die Analyse der Fälle leiten. Die darauf folgenden Kapitel widmen sich

dem Prozess auf Bundesebene, welcher hier als Mantel für die Untersuchungsfälle fungiert,

und der Analyse der Einflussfaktoren in den Kantonen Bern und Zürich. Mit einer Zusam-

menfassung der Ergebnisse und einer Würdigung der verwendeten Theorie schliesst diese

Arbeit.

2 Einführung in den Gegenstand dieser Untersuchung

Im Interesse des geneigten Lesers, eine Vertrautheit mit der hier zu behandelnden Thematik

zu entwickeln, wird an dieser Stelle eine kurze Einführung in die theoretischen Hintergründe

des Finanzausgleichs und der Lastenabgeltungen für Kernstädte gegeben.

Die finanzpolitische Ordnung der Schweiz, welche sich aus der staatspolitischen Maxime der

Subsidiarität ableitet, ist für die Begründung des Finanzausgleichs zentral. Die fiskalische

Kompetenzverteilung richtet sich nach einem einfachen Grundsatz: Jede Ebene regelt, erhebt

und verwaltet ihre eigenen Steuern (Schneider 2006: 45). Durch die weit reichenden Einnah-

me- Ausgabe-, und Entscheidungskompetenzen der nachgelagerten Ebenen entsteht ein politi-

scher Wettbewerb um Steuersubjekte; die Bürger und Unternehmen. Die ökonomische Theo-

rie des Föderalismus beschreibt die Vor- und Nachteile, welche sich aus diesem System erge-

ben wie auch deren Folgen, welche u.a. durch einen Finanzausgleich gemildert werden kön-

nen.

2.1 Finanzausgleich und die ökonomische Theorie des Föderalismus

Die wesentlichen Begründungen zur Rechtfertigung der Zweckmässigkeit föderalistischer

Staatsordnungen basieren auf Effizienzgewinnen bei der Bereitstellung öffentlicher Güter (vgl.

z.B. Oates 1972, 1977).

Ihre Vorteile zeigen sich im Wesentlichen darin, dass (1) durch die dezentrale Bereitstellung

von öffentlichen Dienstleistungen diese den Präferenzen der Bürger und Unternehmen besser

angepasst werden können als in zentralistischen Staaten (Frey et al. 1994: 8, Kerber 2003: 5).

(2) Wegen des Wettbewerbs zwischen den verschiedenen Gebietskörperschaften wird, basie-

2 Aus Gründen der Lesbarkeit wird im Folgenden unter „NFA“ nur der Finanzausgleich im engeren Sinne ver-

standen. Dies impliziert, dass kein Bezug auf die Aufgabenteilung oder andere Elemente der NFA genommen

wird, es sein, es wird ausdrücklich darauf hingewiesen.

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rend auf Tiebout (1956), angenommen, dass es zu Effizienzgewinnen kommt. Die Steuersub-

jekte entscheiden sich bei der Wahl ihres Wohn- bzw. Standortes aufgrund der Vergleichs-

möglichkeit für diejenige Gebietskörperschaft, welche die von ihnen gewünschten öffentli-

chen Güter zum günstigsten Steuerpreis anbietet (Frey/Schaltegger 2003: 241). (3) Zudem

fördere der Wettbewerb Innovationen bei der Bereitstellung öffentlicher Güter, weil neue

staatliche Lösungen für wirtschaftliche, soziale oder politische Probleme dezentral erprobt

werden können (Feld et al. 2003: 4). Oates (1999: 1128) bemüht in diesem Zusammenhang

die Metapher eines „laboratory federalism“.

Gleichzeitig werden in der Literatur auch strukturelle Probleme einer föderalistischen Staats-

ordnung thematisiert, welche sich v.a. in Wohlfahrtsverlusten äussern:

(1) Wenn von öffentlichen Leistungen einer Gebietskörperschaft auch Angehörige anderer

Entitäten profitieren, entstehen räumliche Externalitäten, wodurch das Prinzip der fiskali-

schen Äquivalenz gebrochen wird. Fiskalische Äquivalenz besteht dort, wo die Nutzniesser

einer öffentlichen Dienstleistung mit den Kosten- und Entscheidungsträgern identisch sind.

Als Folge dieser „spillover“ kann es entweder zu einer suboptimalen Versorgung mit öffentli-

chen Leistungen oder zu einer ungleichen Aufteilung der Kosten kommen (Frey et al. 1994,

Frey/Schaltegger 2003: 241f.). (2) Durch die dezentrale Bereitstellung öffentlicher Güter las-

sen sich häufig steigende Skaleneffekte und dadurch sinkende Durchschnittskosten nicht aus-

nutzen, weil die Güter nur von einer Gebietskörperschaft und deshalb für eine begrenzte und

häufig zu kleine Menge an Konsumenten bereitgestellt werden (ebd.: 242).

Zur Lösung diese Probleme bieten sich drei Möglichkeiten an:

(1) Eine optimale Aufgabenverteilung wird dann erreicht, wenn gemäss dem Prinzip der Sub-

sidiarität die übergeordnete Gebietskörperschaft eine Aufgabe nur in dem Fall übernehmen

soll, wenn sie diese nachweislich besser erfüllen kann als das untergeordnete Gemeinwesen

(Frey et al. 1994: 44ff., Thöny 2005: 49). (2) Ein anderer Lösungsansatz betrifft die Anpas-

sung der territorialen Grenzen von Gebietskörperschaften an funktionale Räume und orien-

tiert sich ebenfalls an fiskalischer Äquivalenz zur Vermeidung von Externalitäten. (3) Die

dritte Möglichkeit liegt im Finanzausgleich.

Die Rechtfertigung zum Transfer von Geldern geschieht zum einen durch eine normative Ar-

gumentation vor dem Hintergrund eines ethischen Imperativs zur Förderung sozialer Gerech-

tigkeit und wirtschaftlichen Ausgleichs. Da in einer Marktwirtschaft die Teilnehmer entspre-

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chend der Heterogenität der Gesellschaft nicht alle gleich kompetitiv sind und der Wettbe-

werb tendenziell die Einkommensdisparitäten vergrössern kann, können auch im Institutio-

nenwettbewerb föderale Mechanismen zu Finanzkraftdisparitäten zwischen den verschiede-

nen Gebietskörperschaften führen und diese allenfalls vergrössern (Thöny 2005: 33). Ein

zweites Ziel von Umverteilungsmassnahmen können Effizienzgewinne durch gesteigerte Ver-

teilungsgerechtigkeit oder aus Politikverbesserungen sein (ebd.: 34). Die Ansatzpunkte für

Transfers liegen somit beim Ausgleich von Disparitäten durch Umverteilung (Distribution)

sowie bei der Korrektur von externen Effekten (Allokation).

2.2 Lastenausgleich für Kernstädte

Die Entwicklung von Stadtregionen hinsichtlich ihrer räumlichen Ausdehnung ist für die Ein-

führung eines Lastenausgleichs für Kernstädte der zentrale Ansatzpunkt. Mit der Verstädte-

rung grosser Landesteile haben sich Ungleichgewichte und ungerechte Strukturzwänge erge-

ben, welche mit einem Lastenausgleich entschädigt werden sollen. Das Augenmerk liegt da-

bei auf der Herstellung fiskalischer Äquivalenz und Kompensation von als ungerecht emp-

fundenen Belastungen.

2.2.1 Auswirkungen der Urbanisierung

Der Bedeutungszuwachs der Schweizerischen Städte durch die Urbanisierung findet seinen

Ursprung im Beginn der Industrialisierung ab Mitte des 19. Jahrhunderts. Durch die besseren

wirtschaftlichen Entwicklungschancen in der Nähe der Städte kam es zu einer eigentlichen

Landflucht, welche zu einem starken Wachstum der Städte führte. Mit der Verbesserung der

Mobilität, der steten Verbilligung der Energie und der allgemeinen Wohlstandssteigerung

(Sager et al. 1999: 27) können auch Siedlungen im Umland der Städte entstehen, wodurch

sich erste Agglomerationen bilden. Dies ist ab Mitte des 20. Jahrhunderts der Anfang der

Suburbanisierung. Sie charakterisiert sich durch die Trennung von Wohn- und Arbeitsraum.

Die interregionale Vernetzung bildet den Grundstein für die in der Schweiz ab 1965 einset-

zenden Periurbanisierung. Das anhaltende Wirtschaftswachstum, mitbegründet auch in der

Bedeutungszunahme des tertiären Sektors, lassen die Bodenpreise in der Stadt stark ansteigen.

Zusammen mit dem durch Wohlstand generiertem Bedürfnis nach mehr Wohn- und Lebens-

raum entstehen Siedlungen und Arbeitsplätze auch ausserhalb des suburbanen Gürtels. Diese

letzen beiden Urbanisierungsstufen werden denn auch als Desurbanisierung bezeichnet (Frey

2004a: 7). Dies bewirkte einen beachtlichen ökonomischen und funktionalen Substanzverlust

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für die Kernstädte. Diese Prozesse werden ab den 1980er Jahren von einer Metropolisierung

überlagert. Charakteristisch für diese Entwicklung ist eine stärkere Vernetzung der verschie-

denen Städte durch bessere Verkehrsanbindungen, was auch die Einzugsgebiete der Städte

vergrössern lässt, welche zu sich zu sog. „Metropolitanregionen“ erweitern (Kübler 2006:

262f.).

2.2.2 Zentrumslasten durch räumliche und fiskalische Externalitäten

Da die politischen Grenzen in Stadtregionen zwischen Kernstadt und Agglomeration selten

entlang funktionaler Linien verlaufen, können daraus räumliche Externalitäten für Kernstädte

entstehen. Zentralörtliche Gemeinden kommen unter finanziellen Druck, weil die von ihnen

bereitgestellten Dienstleistungen von Bürgern konsumiert werden, welche ihre Steuern nicht

in der Stadt bezahlen müssen, trotzdem die Stadt aber als Arbeitsort und gesellschaftlich-

kulturellen Treffpunkt benutzen (Blöchliger 2005: 96).3

Neben diesen Belastungen hat die Desurbanisierung zusammen mit dem Steuerwettbewerb

weitere Folgen für die finanzielle Situation der Kernstädte: Wanderungen von Bürgern bewir-

ken in der Zuzugsgemeinde tiefere Kosten für die Haushalte, weil sich mehr Nutzniesser an

deren Finanzierung beteiligen. In der Herkunftsgemeinde jedoch entsteht durch den Wegzug

von Steuerzahlern eine Belastung für die anderen Haushalte. Dies führt in dieser Gebietskör-

perschaft zu fiskalischen externen Effekten und zu einer Erhöhung der Steuerbelastung

(Kirchgässner et al. 1999: 194).

Weil sich hauptsächlich Bevölkerungsteile mit mittlerem bis hohem Einkommen für ein Le-

ben in der Agglomeration entscheiden, kommt es in einer Stadtregion zu sozialer Segregation.

Segregation bezeichnet den Vorgang der Entmischung unterschiedlicher Elemente in einem

Beobachtungsraum, in diesem Falle der sozialen Bevölkerungsgruppen in Stadtregionen.

Durch die zunehmende Belastung der Kernstädte wegen externen Effekten müssen sie die

Steuern erhöhen. Reiche und mobile Steuerzahler ergreifen darauf die (Steuer-) Flucht und

lassen sich in einer steuergünstigeren Gemeinde im Umland nieder. Umgekehrt haben auch

Empfänger von Transfers einen Anreiz, sich in die Gebietskörperschaften zu begeben, wo

3 Solche Spillover finden sich v.a. in den Bereichen Polizei, Kultur und Freizeit, Verkehr, Gesundheit und sozia-

le Wohlfahrt (Kübler 2006: 267). Ein Vergleich der Aufwände für öffentliche Güter zwischen Kernstädten und

Agglomerationen zeigt, dass erstere pro Kopf um 44% höhere Kosten zu tragen haben (ARE 2005: 17).

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verlässliche und gut ausgebaute Sozialleistungen bereitgestellt werden und sie diese anony-

mer als im Umland konsumieren können. Dadurch haben Kernstädte grosse Bevölkerungsteile

mit tiefen Einkommen und einem grösseren Bedarf an Sozialleistungen.4 Diese Konzentration

sozial bedürftigen und finanzschwachen Schichten führt zu überdurchschnittlich hohen Kos-

ten für die Stadt.5 Zwar haben die Städte durch ihre Zentrumsfunktion nicht nur Belastungen,

sondern auch Nutzen.6 Weiter ist anzumerken, dass ein hohes Ausgabenniveau öffentlicher

Dienstleistungen auch den Präferenzen ihrer Bürger entsprechen (insbesondere in den Berei-

chen Kultur, Freizeit und Sport) oder Ausdruck geringer Produktivität bei deren Herstellung

sein kann.

Das Problem sinkender resp. stagnierender Steuereinnahmen und überdurchschnittlich hoher

und steigender Ausgaben können für die Entwicklung der volkswirtschaftlich bedeutungsstar-

ken Kernstädte negative Folgen haben, indem sie das finanzielle Gleichgewicht oder deren

Leistungsfähigkeit bedrohen.7 So birgt ein Investitionsstau bspw. bei Infrastrukturvorhaben

Gefahren für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung einer Stadtregion. Die Städte machen

wegen diesem Kostendruck Abgeltungen für die von ihnen erbrachten Leistungen geltend.

Grundsätzlich wären gemäss der ökonomischen Theorie des Föderalismus auch andere Lö-

sungen möglich wie die Zentralisierung von Aufgaben oder die Anpassung der territorialen

Grenzen entlang funktionaler Linien. Gemäss Theorie würden durch Zentralisierung aber die

Vorteile der dezentralen Ordnung verloren gehen und territoriale Reformen sind, wie Kübler

(2006: 272f.) gezeigt hat, nur unter sehr spezifischen Umständen möglich. Deshalb ist der

Ausgleich kernstädtischer Leistungen am vorteilhaftesten durch direkte Abgeltungen zu errei-

chen (Blöchliger 2005: 102f.). 4 Dies zeigt sich in einem überdurchschnittlich hohen Anteil an ausländischen, arbeitslosen, alten, auszubilden-

den und armen Bevölkerungsgruppen, entsprechend der „A-Stadt“-Theorie (ARE 2005: 25). 5 Die Folgen der sozialen Entmischung für Kernstädte muss aus zweierlei Gründen relativiert werden. Grosse

Unterschiede innerhalb der Agglomerationen führen dazu, dass es dort auch Gebietskörperschaften gibt, welche

unter ähnlichen Problematiken wie die Zentren leiden. Auf der anderen Seite gibt es in den Kernstädten auch

Quartiere, in denen die soziale Entmischung auch steuerkräftige Bevölkerungsteile konzentriert. Diese Charakte-

ristik wird innerhalb der Entwicklung der Reurbanisierung als „Gentrification“ betitelt (Heye/Leuthold 2006:

16). 6 Insbesondere in der Besteuerung von juristischen Personen fallen ihnen Einahmen an. Studien haben jedoch

ergeben, dass die Zentrumslasten die -nutzen bei Weitem übersteigen (Blöchliger 2005: 98). 7 Frey (2004a: 8f.) spricht hier von vier Teufelskreisen (öffentliche Finanzen, Verkehr, Umwelt und Bodennut-

zung, Wohnen und Arbeiten), bei dem sich mehrere Faktoren durch Rückkoppelung gegenseitig verstärken und

einen Zustand immer weiter verschlechtern.

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13

3 Politikwandel

3.1 Verbreitung von Policy-Ideen

Zahlreiche politische Ideen, von Frauenrechten über Privatisierungen von staatlichen Unter-

nehmen bis Umweltschutzmassnahmen haben sich im letzten Jahrhundert über den ganzen

Globus ausgebreitet. Zwar ist die Diffusion von Politikprogrammen kein Phänomen des 20.

Jahrhunderts: Der Westfälische Friede von 1648 wird als der Beginn des territorialen Natio-

nalstaates betrachtet, demokratische Staatsstrukturen scheinen die Folgen der Französischen

und Amerikanischen Revolution gewesen zu sein und Merkantilismus oder Keynesianismus

wurden zu Heilsbringern in unzähligen Staaten (Dobbin et al. 2007: 450). Und doch ist die

Untersuchung von Politik-Konvergenzen in den politikwissenschaftlichen Arbeiten noch nicht

lange ein angesehenes Feld der Betätigung.

So hat sich auch die internationale sozialwissenschaftliche Forschung erst in den letzten Jah-

ren verstärkt mit der Tatsache der Verbreitung gesellschaftlicher, politischer und ökonomi-

scher Strukturen und Praktiken auseinandergesetzt (Holzinger et al. 2007: 11). Der Grund für

diese Entwicklung wird, verkürzt gesagt, darin gesehen, dass sich Nationalstaaten und ihre

Gesellschaften international immer stärker vernetzen, wodurch eine zunehmende Interdepen-

denz entsteht (ebd.: 12, Braun/Gilardi 2006: 299, Lütz 2007: 132). Dabei ist sowohl die öko-

nomische Verflechtung durch die Integration der Märkte wie auch die politische Interdepen-

denz zwischen Nationalstaaten hinsichtlich ihrer politischen Lösungsansätze zu betonen.

Während früher davon ausgegangen wurde, dass die Entscheidfindung bei der Wahl von nati-

onalen Policies nur von internen, sprich binnenländischen Bedingungen abhängig war, wird

sie heute stark von den zeitlich früheren Entscheidungen anderer Staaten beeinflusst. Was in

der Forschung lange als „lästiges Problem“ wahrgenommen wurde, wird heute in der rasch

gewachsenen Literatur genauer unter die Lupe genommen und wurde so zu einem eigenstän-

digen Forschungsansatz sowohl in den Internationalen Beziehungen wie auch in der verglei-

chenden Politikwissenschaft (Braun/Gilardi 2006: 299).

Empirisch finden solche Untersuchungen ihren Ursprung in der amerikanischen Politikwis-

senschaft, wo so die horizontale Verbreitung von State-Policies begründet werden konnte

(vgl. Kern 2000: 3). Seit den 1990er Jahren haben diese Ansätze auch in Europa einen Auf-

schwung erfahren. Insbesondere Abhandlungen über die Verbreitung von Policies innerhalb

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der EU sind dabei zu erwähnen (Bandelow 2003: 97, Heichel/Sommerer 2007: 109). Vor-

nehmlich bilden nach wie vor Länder die häufigste Untersuchungsebene, doch auch inner-

staatliche Studien sind mittlerweile häufiger vorzufinden. Hierbei dominieren systembedingt

föderale Gebilde, da deren Subeinheiten in der Regel über Autonomien verfügen, welche die

selbständige Einführung von substaatlichen Policies ermöglicht.

In der vergleichenden Forschung in der Schweiz hat sich das Interesse an Diffusion bis heute

in engen Grenzen gehalten. Angesichts der zahlreichen Interaktionen zwischen den subnatio-

nalen Einheiten mag dies überraschen, wäre die staatliche Struktur dieses Landes doch äus-

serst geeignet für diese Art der Untersuchung. Ausnahmen bilden u.a. die Arbeit von Widmer

und Rieder (2003) über die Verbreitung von „New Public Management“ (NPM) und diejenige

von Kübler und Widmer (2007) über kantonale Drogenpolitik. Der „Mainstream“ der verglei-

chenden Forschung konzentriert sich weiterhin auf interne Determinanten für Politikinnovati-

onen (vgl. u.a. Vattter 2002, Vatter/Freitag 2002, Ladner/Steiner 1998, Sager et al. 1999).

3.2 Konvergenz, Diffusion und Transfer

In der politikwissenschaftlichen Debatte haben sich hinsichtlich der Verbreitung von Policies

verschiedene Begriffe und Konzepte eingenistet, deren Unterscheidung durch die verschiede-

nen ontologischen Traditionen und teilweise stark überlappenden Forschungskonzepte er-

schwert wird, was sich problematisch auf die Analyse und Synthetisierung der Forschungser-

gebnisse und damit auch auf die Weiterentwicklung der Theoriebildung auswirkt (Bandelow

2003: 109, Holzinger et al. 2007: 18, Braun/Gilardi 2006: 301). Aus diesem Grund müssen

hier die unterschiedlichen Begriffe und deren Implikationen genauer unterschieden werden.

Es geht dabei um Konvergenz, Diffusion und Transfer. Während in der Literatur Konvergenz

als Überbegriff für Policy-Verbreitung verwendet wird, werden Diffusion und Transfer nur

für spezifische Formen der Vorbreitung angewandt werden (Holzinger et al. 2007: 11).

Konvergenz schliesst sowohl innerstaatliche wie auch internationale Determinanten für eine

Angleichung von Institutionen und Policies ein. Als Gründe dafür werden gemäss Holzinger

et al. (ebd.: 12) (1) funktionalistische Erklärungen im Sinne einer Angleichung der Problem-

strukturen und dadurch determinierende Folgen für deren Lösungsansätze geltend gemacht;

(2) aus der inter- und supranationalen Verrechtlichung ergeben sich Verpflichtungen für die

Übernahme gewisser Politiken; (3) Konvergenz kann ein Effekt von direkten Zwangsmass-

nahmen von anderen Staaten oder internationalen Organisationen sein, bspw. durch finanziel-

Page 16: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

15

le und politische Konditionalitäten; (4) durch den internationalen Standortwettbewerb können

Anpassungszwänge entstehen und (5) auch Lernprozesse können für die Verbreitung von Po-

litiklösungen verantwortlich gemacht werden.

Die im Weiteren vorgenommenen Konzept-Unterscheidungen zwischen Diffusion und Trans-

fer sind aus Sicht des Autors, abgesehen von der Trennung aufgrund unterschiedlicher Meta-

theorien, für ihre praktische Anwendung nur bedingt notwendig; sie orientieren sich denn

auch eher an divergierenden Begriffsspezifikationen und nur bedingt an ihren Erkenntnisinte-

ressen.

Was indirekt eine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Konzepten erschwert, ist die

inflationäre Entstehung von immer neuen Konzepten und Wortschöpfungen, welche nur mit

geringem zusätzlichem Theoretisierungs- und Forschungsnutzen verbunden sind und deren

Genese deshalb wohl auch im Lichte karrieretechnischer Motivation der Forschenden zu be-

trachten ist. Eine knappe Auflistung über eine ausgewählte Anzahl von Ansätzen wie bspw.

„policy-borrowing (Cox 1999), „systematically pinching ideas“ (Schneider/Ingram 1988) „po-

licy-shopping (Freeman 1998) „lesson drawing“ (Rose 1993) oder „policy-bandwaggoning“

(Ikenberry 1990) verdeutlicht dies (alle zit. in Stone 2000: 4). Forschungsansätzen zur

Verbreitung von Ideen und Policies mangelt es somit nicht an verschiedenen konkurrierenden

Konzepten, aber ironischerweise an Ideen für einheitliche theoretische Grundlagen und Beg-

riffe, welche einer Analyse ein kohärentes und stabiles Fundament geben und sie damit für

weiterführende Vergleiche rüsten würden (Bandelow 2003: 100).

Waren funktionalistische Modernisierungstheorien hauptsächlich zu Beginn der Konvergenz-

forschung im Zentrum des Interesses, sind es heute die inter- und supranationale Verrechtli-

chung (welche in dieser Arbeit indes keine Rolle spielen wird) sowie die Diffusions- und

Transferkonzepte (ebd.: 13, Finnemore/Sikkink 2001: 389, Lütz 2007: 133). Den beiden letz-

teren ist gemeinsam, dass sie sich für „weiche“ Formen des Angleichens jenseits von Hierar-

chie und Macht interessieren und deren Prozesscharakter betonen. Dadurch wird die Bedeu-

tung von Ideen, Informationen und Kommunikation hervorgehoben. Vom viel zitierten Ro-

gers wird Diffusion, breit definiert, als der Prozess, der „occurs when an innovation is com-

municated through certain channels over time among the members of a social system“ ver-

standen (1995, zit. in: Elkins/Simmons 2005: 36). Wichtig bei dieser Art von Konzepten ist,

dass Diffusion direkt zwischen zwei oder mehreren Entitäten stattfindet, weshalb die konkre-

ten Mechanismen der Übertragung im Fokus stehen (Holzinger et al. 2007: 14). In der Ausdif-

Page 17: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

16

ferenzierung und Begründung dieser Mechanismen liegt indes ein wichtiges Unterschei-

dungsmerkmal zwischen Diffusions- und Transferkonzepten. Während letztere alle möglichen

Formen der Ausbreitung von Policies in Betracht ziehen, begrenzen sich erstere auf freiwilli-

ge Mechanismen, womit Zwangsmassnahmen oder Druckmittel in Form von finanziellen und

politischen Konditionalitäten oder Verpflichtungen durch die rechtliche Harmonisierungen

nicht als Diffusion gelten (Dobbin et al 2007: 452). Dadurch verändert sich der Diffusions-

begriff beim Konzept von Policy-Transfer von der Definition von Rogers, da Zwang nicht auf

eine veränderte Überzeugung der Akteure schliessen lässt.

Eine weitere Unterscheidung zwischen diesen beiden Konzepten zeigt sich darin, dass unter

dem Konzept des Policy-Transfers auch Formen der Nachahmung zugelassen werden, welche

Abweichungen von der ursprünglichen Form der Policy erlauben. So richtet dieser Ansatz

sein Erkenntnisinteresse weiter auf die Veränderungen im politischen Prozess und die spezifi-

schen Eigenschaften von Policies, während es bei Diffusion um die Verbreitung einer Idee

geht. Wegbereitend für das Konzept des Policy-Transfer ist die Arbeit von Dolowitz und

Marsh (2000). Aufgrund der stärkeren Akteurzentrierung im politischen Prozess und der Un-

terbewertung von Lernmechanismen resp. dem Einbezug von Zwang (James/Lodge 2003:

188), scheint dieser Ansatz für diese Untersuchung im Vergleich zum Konzept der Policy-

Diffusion weniger angemessen. Grundsätzlich könnte auch Policy-Transfer diese Untersu-

chung leiten, durch die spezifischer Fokussierung auf die Verbreitung wissenschaftlicher

Theorien wird hier jedoch Policy-Diffusion angewendet.

3.2.1 Rivalisierende Diffusionskonzepte

Die Diffusionsforschung ist wie oben angedeutet äusserst vielfältig. Verschiedene sozialwis-

senschaftliche Disziplinen, von der Politikwissenschaft, über die Soziologie bis hin zur Öko-

nomie beschäftigen sich mit diesem Phänomen. Entsprechend unterscheiden sich auch ihre

Ansätze, Untersuchungsgegenstände und Konzepte (Holzinger 2007: 17).

Gemäss Dobbin et al. (2007) geben sich heute mit den Fragen über das was, wann und wie

von Diffusion hauptsächlich zwei verschiedene Schulen ab, wobei sich dahinter zahlreiche

weitere Forschungsansätze verbergen, die sich zwischen diesen beiden Extremen befinden

(Holzinger 2007: 12). Gemeinsam ist ihnen die Vorstellung über den Prozesscharakter von

Diffusion und die Betonung von Lernmechanismen durch die Verbreitung von Informationen

und Erfahrungen. Hinsichtlich der führenden Schulen der Lerntheorie sind nebst den Public

Page 18: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

17

Choice-Theoretikern, welche die Bedeutung und Veränderung von (ökonomischen) Anreiz-

und Entscheidungsstrukturen im internationalen Wettbewerb und der nationalen Politbühne

betonen, auch konstruktivistische Ansätze hervorzuheben.8

Im Folgenden werden anhand von zwei Beispielen rationale Entscheidungsmuster, welche zu

Diffusion führen, knapp aufgezeigt, um anschliessend mit einer ausführlicheren Darlegung

von konstruktivistischen Erklärungen zu demjenigen theoretischen Modell zu führen, welches

diese Untersuchung leiten wird.

Rationale Erklärungsansätze modellieren anhand eines akteurzentrierten Ansatzes politischen

Wandel als Suche nach dem grössten Nutzen. Der erwartete Nutzen einer Policy-Wahl hängt

dabei sowohl von deren Effektivität wie auch von der Anzahl Wählerstimmen, welche damit

gewonnen werden können ab (Braun/Gilardi 2006: 300). Die Ursachen, welche zu Diffusion

führen, sind dabei vom Konzept der Konvergenz abgeleitet (vgl. dazu letztes Kapitel), jedoch

funktionieren deren Mechanismen anders. Die sechs lokalisierten Ursachen für die Diffusion

von Policies sind (1) der Wettbewerb zwischen verschiedenen Entitäten, da im Falle einer

Entscheidung von A für B Externalitäten entstehen können, welche dieser bei seiner Ent-

scheidung berücksichtigen muss. (2) Auch Zwang durch mächtige externe Akteure wird als

Diffusionsmechanismus betrachtet und (3) (begrenzt) rationales Lernen spielt eine wichtige

Rolle, da Informationen über das Verhalten anderer die eigenen Entscheidungen resp. die ei-

ner Policy-Wahl zugrunde liegenden Nutzenüberlegungen beeinflussen können. Darüber hin-

aus kann auch (4) das Bestehen einer automatisch besten Lösung („taken-for-grantedness“),

(5) die Übernahme einer Policy aus Gründen der Legitimationssteigerung („symbolic imitati-

on“) oder (6) die Entstehung gemeinsamer Normen durch häufige Interaktionen („common

norms“) zu Diffusion führen (ebd.: 306ff.).

Braun und Gilardi wollen in diesem Modell zudem die funktionalistische Tatsache in ihre

Untersuchungen miteinbeziehen, dass die Wahl eines spezifischen Politikprogramms nicht

zwingend nur von äusseren Faktoren, sprich der Interdependez, strukturiert sein muss, son-

dern dass auch interne Determinanten des Wahlergebnis beeinflussen können. Sie beziehen

sich dabei auf „Galton’s problem“ (Przeworski/Teune 1970: 51f., zit. in Braun/Gilardi 2006:

291) und integrieren dadurch die Nullhypothese, dass gar keine Diffusion stattgefunden hat,

8 Funktionalistische Erklärungen, welche die Entstehungsphasen der Diffusionsforschung prägten, werden in

dieser Untersuchung nicht berücksichtigt, weil deren Funktionsweise nicht mit einer engen Diffusionsdefinition

kompatibel ist.

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18

systematisch in ihren Ansatz. Die Begründung liegt darin, dass sich die verschiedenen Syste-

me aufgrund früherer Anpassungsprozesse „nur“ einer ähnlichen Problemstruktur ausgesetzt

sehen und deshalb unabhängig zur gleichen Lösung kommen. Sie nennen diese Begründung

„spurious diffusion“ (ebd.: 299).

Braun und Gilardi entwerfen zwar ein kohärentes und elegantes Konzept, welches aber durch

die Verwendung eines reinen nutzenmaximierenden Menschenbildes die genaue Funktions-

weise der Diffusion ausser Acht lässt. Aus diesem Grund wird dieses Konzept hier nicht an-

gewandt.

Ebenfalls von einem akteurzentrierten Ansatz geht Rose (1993) mit „lesson drawing“ aus.

Politische Entscheidungsträger fällen ihre Wahl über eine zu importierende Policy aufgrund

von Unzufriedenheit mit der Funktionsweise des politischen Ist-Zustandes mittels rationaler

Kriterien (Lütz 2007: 136). Entitäten resp. deren Politiker suchen in einer solchen Situation in

anderen Gebietskörperschaften nach möglichen Lösungen und passen sie entlang von erwarte-

ten Nutzenüberlegungen für die eigene Entität an. Eine „lesson“ wird deshalb als Ursache-

Wirkungs-Erklärung einer möglichen politischen Handlung resp. Policy verstanden (Rose

1993: 27). Entsprechend konzentriert sich dieser Ansatz darauf, die Ergebnisse einer Diffusi-

on aufgrund verschiedener Modifikationsszenarien darzustellen, wodurch sich die Art des

Lernmechanismus rekonstruieren lassen soll.9 „Lesson drawing“ unterscheidet sich somit

nicht wesentlich von „normaler“, auf rationalistischen Nutzenüberlegungen basierender Poli-

tikgestaltung. Durch einen breiteren und systematischen Einbezug von neuen Wissensbestän-

den hinsichtlich der Wahl einer Policy-Option wird dieses Konzept zwar erweitert und

schliesst bis zu einem gewissen Grad auch organisations-kulturelle Faktoren in die Analyse

mit ein (James/Lodge 2003: 181). Trotzdem scheint es vor dem Hintergrund verkürzter (ratio-

naler) Wahlüberlegungen und einem nur fragmentarischen Einbezug von Prozesselementen

für diese Untersuchung nicht geeignet.

9 Rose unterscheidet bei der Art der Übernahme einer Policy zwischen einer unveränderten Kopie, einer leicht

angepassten Adaption, einer aus alten und neuen Bausteinen geschaffenen Hybridbildung, einer aus mehreren

Elementen verschiedener Policies zusammengesetzten Synthese und einer Inspiration durch anerkannte Vorbil-

der (Rose 1993: 30ff.).

Page 20: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

19

3.2.2 Konstruktivistische Erklärungen

Im Unterschied zu rationalen Erklärungsmodellen konzentrieren sich konstruktivistische An-

sätze vornehmlich auf „weiche“ Formen der Angleichung und sehen deren Mechanismen in

Ideen, Kommunikationskanälen und Lernprozessen (ebd.: 13, Dobbin et al. 2007: 450). Dabei

spielen eigene Erfahrungen und Analogien aus anderen Entitäten eine gewichtige Rolle.

Der Standpunkt, dass kognitive Konstrukte wie Ideen das Handeln von Individuen (und abge-

leitet davon Politik-Programme) zu prägen vermögen, findet seinen Ursprung in der philoso-

phischen Frage der Ontologie, wie die grundlegende Struktur des Seienden, also die (in die-

sem Falle politische) Wirklichkeit beschaffen ist. Wissenschaftstheoretisch betrachtet wird

mit einem konstruktivistischen Ansatz eine Perspektive verfolgt, die davon ausgeht, dass

Werte und (metaphysische) Prinzipien, welche die Weltanschauungen von Akteuren definie-

ren, durch kognitive Rahmenwerke geprägt werden (Surel 2000: 495). Der Kerngedanke kon-

struktivistischer Perspektiven - im Sinne eines ontologischen Minimalkonsenses – ist somit,

dass die soziale Welt bzw. die sozialen Strukturen durch das gesellschaftliche Handeln und

die Sinninterpretationen der Akteure konstruiert sind (Risse 2003: 105).10 Basierend auf die-

ser Strukturierungstheorie kann darum davon ausgegangen werden, dass die Konstitution so-

zialer Akteure und Strukturen keine voneinander unabhängigen Phänomene darstellen. Aus

dieser wechselseitigen Konstituiertheit von Akteuren und Strukturen folgt, dass Ideen nicht

nur regulativ auf das Handeln der Akteure wirken, sondern auch deren Identitäten und somit

Interessen und Präferenzen mitdefinieren.

In der Literatur werden drei Arten von Ideen unterschieden (Surel 2000: 498): Es sind dies

Weltanschauungen, prinzipielle und kausale Ideen: Weltanschauungen werden als praktisch

unveränderbare kognitive Paradigmen wahrgenommen, welche die Kausalbeziehungen spezi-

fizieren. Sie bestimmen den Rahmen politischer Handlungsmöglichkeiten. Prinzipielle Ideen

bilden den normativen Hintergrund politischer Wahlentscheidungen und strukturieren die

Alternativen, welche die Akteure in einer bestimmten Situation als legitim betrachten können.

Normen sind hauptsächlich dann ausschlaggebend, wenn Unsicherheit darüber besteht, wel-

che Politiklösung die effektivste und effizienteste ist. Kausale Ideen schlussendlich definieren

10 Mit dem Fokus auf die Sinninterpretationen der Akteure geben konstruktivistische Ansichten sozialen gegen-

über materiellen Phänomenen den Vorzug. Zwar wird die materielle Realität wahrgenommen und solchen Wer-

ten auch eine kausale Wirkung zugestanden, aber für die Sinninterpretationen sind sie nicht ausschlaggebend.

(Risse 2003: 105).

Page 21: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

20

die konkreten Handlungsoptionen zur Lösung bestimmter politischer Probleme. Sie bilden das

Argumentarium im politischen Prozess (Campbell 2002: 22ff.).

Kognitive und normative Elemente spielen deshalb nicht nur dann eine gewichtige Rolle,

wenn es darum geht, wie Akteure die Welt verstehen und erklären, sondern auch dann, wenn

sozialer Wandel durch politische Handlungen erklärt werden soll. Dies führt auf handlungs-

theoretischer Ebene dazu, dass „Human actors (...) follow rules that associate particular iden-

tities to particular situations, approaching individual opportunities for action by assessing si-

milarities between current identities and choice dilemmas and more general concepts of self

and identities“ (March/Olsen 1998: 951, zit. in: Risse 2003: 107). Akteure versuchen demzu-

folge in jeder Situation das sozial Angemessene zu tun, indem sie einer „Logik der Angemes-

senheit“11 folgen. In politischen Prozessen gibt es jedoch oftmals Verhältnisse, in welchen

Unsicherheit über eine adäquate Verhaltensweise besteht. In solchen Situationen der Unklar-

heit können sich politische Akteure nicht einfach auf ihre internalisierten Normen verlassen,

sondern müssen Erkenntnis darüber erlangen, welchen Normen zu folgen ist. (Risse 2003:

110). Solche Konflikte entscheiden schlussendlich darüber, welche Sinninterpretationen resp.

politischen Ideen sich in der politischen Realität durchsetzen.

Konstruktivistische Ansätze in den Sozialwissenschaften betonen insbesondere die Rolle von

kollektiven resp. intersubjektiven Ideen und Vorstellungen der sozialen Wirklichkeit (Finne-

more/Sikkink 2001: 392). Wie der „rational choice“-Ansatz bereiten sie ein Rahmenwerk zum

Verständnis der Realität und der darin ablaufenden Interaktionen, jedoch ohne Aussagen über

deren spezifischen Inhalt zu machen. Konstruktivismus ist deshalb eher als soziale und weni-

ger als politische Theorie zu verstehen, was sich auch durch ihre Entstehung in soziologischen

Kontexten begründen lässt (ebd.: 393). Für handlungstheoretische Anwendungen in empiri-

schen Untersuchungen gibt es jedoch zahlreiche Ansätze.12 Meistens widmen sich diese der

Analyse von Prozessen und darin der Frage, wie Identitäten und Interessen geschaffen wer-

den.

11 March und Olsen unterscheiden zwischen der „logic of consequentialism“, dem nutzenorientierten Handeln

zur Durchsetzung der eigenen Präferenzen, und der „locic of appropriateness“, dem normorientierten Verhalten.

Vertreter zweckrationaler Konzepte beziehen sich auf erstere, konstruktivistische Vertreter auf letztere.

(March/Olsen 1998, zit. in Risse 2003: 108) 12 Für eine Übersicht dazu vgl. Finnemore/Sikkink 2001.

Page 22: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

21

Das Verständnis über die Konstitution des Untersuchungsgegenstands ist zentral für die Er-

klärungen von sozialem Handeln und politischen Ergebnissen, da deren Konstitution spezifi-

sches Verhalten oder dessen Effekte fördern oder hemmen kann (ebd.: 401). Deshalb ist in

einer konstruktivistischen Untersuchung keine Information neutral, sondern bedarf einer In-

terpretation. Dies heisst aber nicht, dass alle Interpretationen gleichwertig sind: Gewissen

Erklärungen ist aus logischen oder empirischen Gründen ein grösseres Gewicht beizumessen,

was deren Einflusskraft auf die politische Wirklichkeit stärkt. Aus konstruktivistischer Sicht-

weise werden Ideen resp. kognitive Konstrukte als Mittel zum Zweck verwendet und so von

Akteuren als „Waffen“ benutzt. Dadurch können andere gesellschaftliche Akteure überzeugt

und die eigenen Interessen durchgesetzt werden. Diese Sichtweise legt nahe, dass Politik ein

Kampf um die Hierarchie von Ideen ist (Stone 2000: 6).

Für die Anwendung eines solchen Gedankenkonstruktes ist wie gesagt eine handlungstheore-

tische Konkretisierung von Nöten. Für den Wandel von politischen Programmen und den ih-

nen zu Grunde liegenden Ideen bedeutet dies, dass sich das Erkenntnisinteresse an der folgen-

den Frage orientiert muss: Wie und unter welchen Umständen können neue Ideen auf die

Agenda gelangen, sich schlussendlich durchsetzen und welches sind die dazu notwendigen

Mechanismen? Zur Untersuchung dieser Vorgänge wird in dieser Arbeit das Modell von Hall

angewendet.

3.3 Social Learning

Peter Halls Konzept des „social learning“ (1989,1993) stellt eine mögliche Erklärung dar, wie

es innerstaatlich zu einem Policy-Wandel kommen kann. Angewendet auf intergouvernemen-

tale Diffusionsprozesse konzentriert sich dieser Ansatz auf die Dynamiken, welche innerhalb

der „importierenden“ Gebietskörperschaft ablaufen. Hall (1993: 278) definiert seinen Lern-

begriff „social learning“ „as a deliberate attempt to adjust to goals or techniques of policy in

response to past experience and new information. Learning is indicated when policy changes

as a result of such a process.“ Die Betonungen von „social learning“ liegt auf der Redefinition

der Interessen auf Basis neuer Wissensbestände im Vergleich zu gemachten Erfahrungen und

den daraus resultierenden kognitiven Dissonanzen, wodurch das grundlegende Verständnis

über die Funktionsweisen von Policies beeinflusst wird. Deshalb kann Lernen sowohl Verän-

derungen von Normen und Zielen politischer Akteure als auch deren Strategien zur Errei-

chung ebendieser erklären. Die Verbreitung einer neuen Policy-Idee kann dabei das Resultat

Page 23: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

22

dieses Lernprozesses sein. Social Learning ist somit ein sozialer und kollektiver Prozess, der

auf dem Austausch von Informationen zwischen verschiedenen Gruppen beruht

(Knöpfel/Kissling-Näf 1998: 346). Im politischen Prozess der Entscheidfindung sieht Hall die

Akteure aber nicht nur „puzzling“ um Ideen, sondern auch „powering“ (Hall 1993: 289). Dies

betont die Bedeutung von Politik als Kampf um die Vorherrschaft gewisser Ideen und deren

kausalen Hintergründe.

In einer historischen Fallstudie schreibt er die Zuwendung zu einer an Keynes orientierten

Wirtschaftspolitik nach der Weltwirtschaftskrise der 1930er Jahre einem politischen Paradig-

menwechsel durch Lerneffekte zu (Hall 1989). Dieses Modell wendet er in einem späteren

Werk (1993) auch auf die Abwendung von Keynes hin zu einem rigiden Monetarismus in

Grossbritannien zwischen 1970 und 1989 an. Zum Test seiner Theorie eignet sich nichts bes-

ser, als das Feld ökonomischer Policies, denn dieses ist sehr wissensintensiv und abhängig

von der verherrschenden wirtschaftlichen Doktrin, welche sich explizit in diesen Policies äus-

sert (ebd.: 277).

3.3.1 Lernmechanismus

Hall unterscheidet drei Stufen von Lernen, welche zur Veränderungen in einer Policy führen

können (Hall 1993: 284):

(1) Veränderung der Anordnung von Steuerungsinstrumenten („first order learning“)

(2) Wahl neuer Steuerungsinstrumente („second order learning“)

(3) Veränderung der Zielhierarchien („third order learning“)

Grundlage für diese Einteilung bildet eine Lernkonzeption auf Makro-Level. Kognitive und

normative Rahmenwerke („frames“) bilden ein kohärentes System mit hierarchisch geordne-

ten Elementen, wie es im vorangegangenen Kapitel vorgestellt wurde. (1) Lernen 1. Ordnung

beinhaltet nur kleinere Änderungen an der konkreten Ausgestaltung einer Policy. (2) Lernen

2. Ordnung wird charakterisiert durch eine Veränderung der Policy-Werkzeuge, sprich der

verwendeten Instrumente. Dies schliesst auch strategische Faktoren mit ein. Veränderungen

auf diesen beiden Ebenen fallen unter „normale“ politische Veränderungen durch Inkrementa-

lismus (Stone 2000: 12). Der grösste Umbruch findet beim Lernen dritter Ordnung (3) statt:

Dabei werden neue Zielhierarchien ausgesteckt und neue Instrumente angewendet. Sie grün-

den auf einer komplett modifizierten Konzeptualisierung des Policy-Problems.

Page 24: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

23

Die häufigste Form von Lernen findet gemäss Hall in den ersten beiden Ordnungen statt, was

er als „normal policymaking“, bezeichnet. Selten ist dagegen ein paradigmatischer Wandel,

da er alle Formen von Lernen einschliesst und deshalb grosse Anforderungen an die betroffe-

nen Akteure stellt (1993: 280). Dabei werden auch breitere gesellschaftliche Kräfte in den

Wandel miteinbezogen.

Die Theorie des „social learning“ beruht auf der Annahme, dass eine Policy-Idee sich auf ho-

rizontaler Ebene zwischen verschiedenen Entitäten durch Lernmechanismen verbreitet. Im

Folgenden wird der Verlauf von Lernen gemäss Hall (1993: 281ff.) dargestellt. Er lehnt sich

an das oft verwendete phasenheuristische Politikzyklus-Modell an.

Abbildung 1: Diffusionszyklus-Modell nach Hall (1989)

(eigene Darstellung)

Zu Beginn eines Umwälzungsprozesses steht eine politische, ökonomische oder gesellschaft-

lichen Krise (1). Sie bildet durch ein sog. „policy window“ die Möglichkeit, dass bestehende

Ideen hinterfragt werden können. Dadurch wird der Einfluss von Ideen aber auch beschränkt,

da neue Wissensbestände nur unter bestimmten Bedingungen auf die politische Agenda ge-

langen können. Ein Paradigma kann sich gemäss Hall mit Verweis auf Kuhn (1970) halten,

weil sich politische Entscheidungsträger in einem Rahmenwerk von Ideen und Standards be-

wegen, welches nicht nur die Ziele und Instrumente einer Policy vorgibt, sondern auch die

Natur des gesamten Problems. Diese eingebetteten Vorstellungen verstärken sich durch den

Gebrauch spezifischer Terminologien und das tägliche Handeln innerhalb dieses Schemas,

oder anders formuliert: Ideen werden durch Rückkoppelung institutionalisiert. Dies macht ein

Policy-Paradigma unangreifbar und immun gegenüber einer Hinterfragung. Das Aufkommen

einer Krise ist in Halls Erklärung deshalb zentral. (2) Das bestehende Paradigma in einem

Page 25: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

24

Politikfeld wird erst bezweifelt, wenn darin „Anomalien“ auftreten und so die vorherrschende

Policy-Idee an Erklärungskraft einbüsst. Hier beginnt in Halls Zyklus der Lernprozess. (3) In

der Folge werden in einem wissenschaftlichen Wettstreit andere Lösungen gesucht und getes-

tet. Hall betitelt diese Phase als die „economic viability“ einer neuen Policy-Idee. Durch diese

Gegenüberstellung wird das noch geltende Paradigma abgelöst. (4) Die neue Idee setzt sich

im Folgenden im politischen Prozess durch („political viability“). (5) Für die Implementie-

rung muss die neue Theorie zudem noch administrativ umgesetzt werden können.

3.3.2 Wettbewerb und gemeinsame Normen

In der Theorie über Policy-Diffusion ist es unbestritten, dass neben Lernprozessen weitere

Mechanismen auf eine Verbreitung Einfluss haben können (Stone 2000: 10ff.). Um zu einer

differenzierten analytischen Einschätzung über die Abläufe der Diffusion von Ideen zu gelan-

gen, ist es wichtig, auch moderne Erklärungsmechanismen in die 20- resp. 16-jährige Theorie

von Hall einzubauen. So werden in der Literatur mittlerweile eine Reihe solcher Prozesse

dargelegt, welche hinsichtlich der Kompatibilität mit Halls „policy learning“ für eine Integra-

tion in Frage kommen. Halls Betonung der Kognition und der Redefinition von Interessen auf

der Basis von neuen Wissensbeständen lässt als Begründungsmechanismus für einen Policy-

Wandel vor dem Hintergrund eines konstruktivistischen Verständniskonzeptes auch eine brei-

tere Betrachtung seines Lernbegriffes zu (Stone 2000: 18ff., Bandelow 2003: 99f., Holzinger

et al. 2007: 13f.). Zentral dafür ist Halls Modifikation der Wahrnehmung über die Funktions-

weisen einer Policy (Bandelow 2003:111). So kann argumentiert werden, dass eine Form des

Handelns auf Wettbewerbsdruck (Braun/Gilardi 2006: 309) - also Effizienzverbesserung in

einer oder mehreren Entitäten - ebenfalls als Lernen begriffen werden kann. Bedingung dafür

ist jedoch, dass eine Veränderung der Policy-Interpretation nicht durch (indirekten) Zwang13

aufoktroyiert wird, sondern, dass sie erstens durch die Wahrnehmung von neuen Lösungen

resp. Ideen eintritt, und zweitens auch Bezug auf eine Interpretation von eigenen Erfahrungen

nimmt. Gegeben der Fall, dass durch die Interpretation von Wissensbeständen in einem politi-

schen System Anomalien zu Tage treten und gleichzeitig neue Informationen verfügbar wer-

den, die auf Basis von Effizienzverbesserungen oder Vermeidung von Externalitäten eine

neue Idee portieren, welche ihretwegen aufgenommen und implementiert wird, kann Wettbe-

werbsdruck als Mechanismus von „social learning“ verstanden werden.

13 Wie in Kap. 3.2 beschrieben, fungieren Zwangsmechanismen nicht unter dem Begriff Diffusion, weil sich

keine Veränderung in der Sichtweise der Akteure über ein gewisses politisches Problem beobachten lassen.

Page 26: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

25

Dieselbe Begründung kann auch für die Übernahme von gemeinsam geteilten Normen gelten,

mit dem Unterschied, dass es anstelle von Effizienzdruck oder anfallenden materiellen Kos-

ten, Kosten der Legitimität sind, die entstehen. Die Bildung von gemeinsamen Normen wird

in gemeinsamer Sozialisierung und häufigen Interaktionen in einem Netzwerk gesehen. Da-

durch ergeben sich für Akteure mit gemeinsamen Weltvorstellungen und Ideen über gewisse

kausale Zusammenhänge in einem spezifischen Kontext im Sinne eines „framing“ angemes-

sen Handlungsweisen (Finnemore/Sikkink 1998: 891).

3.4 Interne Einflussfaktoren

In der Literatur wird zur Erklärung des Wandels von Policies nicht nur auf exogene Einfluss-

faktoren wie die Existenz alternativer Policy-Lösungen Bezug genommen, welche durch

Lernprozesse, Wettbewerbsdruck oder gemeinsam geteilte Normen eine Diffusion herbeifüh-

ren können. Eine wichtige Rolle können auch endogene Determinanten spielen (vgl. u.a. Ber-

ry/Berry 1999: 181, Braun/Gilardi 2006: 301, Kern 2000: 263, Lütz 2007: 141).

Dass kein Einfluss von internen Faktoren vorliegt, bewerten Berry und Berry als unwahr-

scheinlich, da keine Gebietskörperschaft wohl „blind“ eine Policy von einer anderen Entität

übernehme (1990: 396). Durch den Nachweis der Bedeutung dieser Faktoren in der Literatur

sollen diese auch explizit in die hier vorliegende Untersuchung einbezogen werden. Ansons-

ten wäre ein analytischer Fehlschluss sehr wahrscheinlich. Hall ist sich dieser Problematik

zwar ebenfalls bewusst, wendet mit der analytischen Unterscheidung zwischen den verschie-

denen Stufen von Lernen jedoch nur einen sehr selektiven, auf den Untersuchungsgegenstand

begrenzten Einbezug von internen Faktoren an, womit er seinem Konzept einen institutiona-

listischen Anstrich verpasst. Oder wie es Lenschow et al. (2005: 802) formulieren: „ As Hall

is mostly concerned with analysing the balance between structure and agency in explaining

different ‘orders’ of learning, he does not investigate the precise nature of domestic structures

that impact on actors“. Um dieses Manko zu umgehen, wird an dieser Stelle ein Konzept bei-

gezogen, welches die Effekte, welche von internen Determinanten ausgehen, kontrollieren

kann.

Die Frage nach der übergelagerten Tendenz bei der Entwicklung von Policies in verschiede-

nen Gebietskörperschaften ist nicht nur in der Diffusionsforschung ein viel beachtetes Thema

(Ladner/Steiner 2003: 345). Pfadabhängigkeit und Konvergenzthesen markieren dabei die

Page 27: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

26

beiden Pole im Spektrum der Angleichung von Politikprogrammen. Empirische Beobachtun-

gen, dass sich Policies unterschiedlich entwickeln und diese Unterschiede in Zusammenhang

mit internen resp. institutionellen Charakteristika der jeweiligen Gebietskörperschaft gebracht

werden können, haben dem Begriff der Pfadabhängigkeit eine grosse analytische Bedeutung

zugetragen (Pierson 2000: 252). Auch in der vergleichenden Forschung in der Schweiz wird

diesen Erklärungsfaktoren viel Papier gewidmet (vgl. u.a. Sager et al. 1999, Vatter 2002, Vat-

ter/Freitag 2002).

Die These der Pfadabhängigkeit impliziert, dass jede Veränderung, sei es durch Lernen oder

andere Mechanismen, nur im Rahmen der bisher bestehenden Institutionen erfolgen kann. So

erklärt Pierson (2000: 253ff.) in Anlehnung an North (1992), dass bei der Entwicklung von

Policies in einem bestimmten Raum eine Pfadabhängigkeit entsteht, weil ein einmal einge-

schlagener Weg resp. die vorangegangene Policy Einfluss auf weitergehende Entwicklungen

in diesem Bereich hat (vgl. auch Rogers 1995). Dieser Pfad determiniert zwar kein bestimm-

tes Endziel, doch die Menge an Alternativen wird eingeschränkt. Diese Annahmen, dass die

Vergangenheit die zukünftigen Handlungsweisen mitprägen, beruhen auf neo-

institutionalistischen Ansätzen (u.a. Steinmo/Thelen 1992).

March und Olsen (1989: 160) definieren Institutionen in diesem Zusammenhang als „collecti-

ons of interrelated rules and routines that define appropiate actios in terms of relation between

roles and situations“. Ihr theoretischer Ursprung in polit-ökonomischen Überlegungen findet

sich im Versuch, die Diskrepanz zwischen der Annahme effizienter Institutionenentwicklung

und der Beständigkeit von nicht effizienten Institutionen zu erklären. Die dazu relevanten

Mechanismen werden in hohen Gründungskosten (Transaktionskosten) für Institutionen und

in sich selbstverstärkenden Momenten, sog. „positiven Feedback-Effekten“ gesehen, bei de-

nen jeder Schritt in der anfangs eingeschlagenen Richtung durch neue Vorteile belohnt wird,

so dass sich die Richtung unabhängig von der Effizienz des Weges zunehmend verfestigt

(ebd. 34ff.). So kann die Durchsetzung von suboptimalen Outcomes erklärt werden, wie sie

insbesondere auch in der Technikgeschichte14 zahlreich vorzufinden sind. Aus einer politik-

wissenschaftlichen Warte sind hierzu ineffiziente politische Institutionen oder Programme zu

nennen.

14 Dazu gehört u.a. das Beispiel der QWERTY-Tastatur, die trotz einer nachweislich unergonomischen Anord-

nung der Tasten bis heute fortbesteht. Durch die Wechselwirkung zwischen Technologie, Gewohnheit der An-

wendern und Markt wurde ein Pfad eingeschlagen, der nicht durchbrochen werde konnte.

Page 28: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

27

Trotzdem ist ein umfassender Policy-Wandel nach diesem Ansatz möglich. Dafür sind zwei

Erklärungsmodelle von Bedeutung:

(1) Ein Policy-Wandel kann nach einem externen Schock erfolgen. Dies können Erschütte-

rungen sein, die entweder das politische, gesellschaftliche oder ökonomische Gleichgewicht

zerstören und dadurch die Kontextbedingungen radikal verändern, in welchen sich neue Insti-

tutionen herausbilden können. (2) Zudem wird angenommen, dass der gewählte Weg dann

verlassen werden kann, wenn die Effizienzverluste grösser sind als die Kosten der Erschaf-

fung einer neuen und effizienten Institution (North 1992, zit. in Pierson 2000: 259). Diese

Funktionsweise kann in Zusammenhang mit der Verbreitung von Informationen und Ideen

sowie deren Aufnahme durch die relevanten Akteure stehen.

In dieser Untersuchung bilden die bestehenden kantonalen Institutionen resp. Charakteristika

auf Basis institutionalistischer Ansätze die Gegenthese zur lernbasierten Annahme der Diffu-

sion von Finanzausgleichs-Policies. Für das in dieser Untersuchung verwendete Modell be-

deutet dies, dass zwei Hypothesengebilde getestet werden, die gegen einander wirken und

sich so abschwächen. Dadurch wird versucht, herauszufinden, wie stark die These zu den

Funktionsmechanismen der Diffusionstheorie in den untersuchten Fällen bestätigt werden

kann. Im folgenden Kapitel wird dieses Modell vorgestellt.

4 Untersuchungsleitendes Modell

4.1 Untersuchungsanordnung und Methode

Der Vergleich als Methode zur Erkenntnisgewinnung gehört zu den am meisten verwendeten

Verfahrensweisen in den Sozialwissenschaften. Mit ihm lassen sich durch eine systematische

Gegenüberstellung von Sachlagen Unterschiede und Gemeinsamkeiten erkennen und dadurch

Theorien testen wie auch (weiter-)entwickeln. In dieser Untersuchung wird mittels zweier

vergleichender Fallstudien versucht, kausale Mechanismen durch Diffusionsprozesse nach-

zuweisen. Die Relevanz der Erklärung kausaler Prozesse liegt darin, Scheinkausalität auszu-

schliessen und die Vorgänge zwischen Explanans und Explanandum zu entschlüsseln. So

können vergleichende Fallstudie sowohl zum Theorietest wie auch zur Theorieentwicklung

verwendet werden (Schimmelfennig 2006, zit. in Muno 2009: 125). Anhand von zwei Fällen

kann zum einen eine ausreichende Tiefe der Analyse erreicht werden, zum anderen sind die

Ergebnisse mit der entsprechenden Fallauswahl auch vergleichbar (ebd.: 136).

Page 29: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

28

Neben solchen Vorteilen haben qualitativ vergleichende Fallstudien mit einer kleinen Anzahl

von Fällen aber auch mit mannigfaltiger Kritik zu kämpfen, wobei hauptsächlich die Genera-

lisierbarkeit deren Ergebnisse in Frage gestellt wird (Rohlfing 2009: 133f.)

Durch eine Prozessanalyse wird versucht, die für die Outputs verantwortlichen Einflussfakto-

ren zu identifizieren. „Process-tracing“ unterscheidet sich von einer rein deskriptiven Be-

schreibung, weil sie die Handlungsmuster von relevanten Akteuren entlang theoretisch identi-

fizierter Variablen sequentiell nachzeichnet (Schäfer 2005: 17). Kognitiven Variablen wie

Lernprozessen ist aber ein grundsätzliches Methodenproblem inhärent, weil sie, da materiell

nicht beobachtbar, nur begrenzt direkt nachgewiesen werden können. Da die Methode der

Prozessanalyse zudem aufgrund fehlender Theorien über das Verhalten von Akteuren noch

nicht hinreichend konkretisiert wurde, müssen für diese Untersuchung induktiv ad-hoc Krite-

rien gebildet werden, durch welche ein Nachweis der kausalen Wirkung einer unabhängigen

Variablen erbracht werden kann (Muno 2009: 126). So soll versucht werden, einzelne Ereig-

nisse, Handlungen und Äusserungen plausibel durch kausale Zusammenhänge zu verbinden.

Zur Abfolgelokalisierung der Einflussfaktoren werden sie anhand der fünf unten erwähnten

Prozessphasen zeitlich gegliedert. Dazu werden Regierungsdokumente, Zeitungsartikel und

weitere Quellen einer semantischen und inhaltlichen Analyse unterzogen und auf mögliche

Parallelen und Verweise untersucht, um die „blackbox of backstage politics“ zu lüften. Zu-

dem werden auch Experten anhand eines problemzentrierten Interviews (Widmer/Binder

1997: 225ff.) befragt, welches sich auf einen Leitfaden stützte.15 Bei den Experten16 handelt

es sich um Personen, die mit dem jeweiligen Fallmodell gut vertraut sind und zu den betref-

fenden Fragen Auskunft geben können. Durch die Möglichkeit des Vergleichs der einzelnen

Aussagen untereinander und die Gegenüberstellung mit den vorgefundenen Informationen aus

der Dokumentenanalyse kann für diese Quellen eine hohe Validität angenommen werden,

weil so überindividuellw Wissensbestände herausgearbeitet werden können (Meuser/Nagel

1994: 457). Auch werden im Sinne einer argumentativen Validierung (Widmer/Binder: 222)

die eigenen theoriegeleiteten Annahmen im Gespräch offen gelegt.

Zur Untersuchung des Einflusses von Diffusionsmechanismen auf einen Policy-Wandel wird

gleichzeitig eine moderierende Einflusskraft beigezogen: Endogene Faktoren, in dieser Unter-

suchung kantonsspezifische Charakteristika, und ihre Wirkungskraft auf die Policy- 15 Der Leitfaden ist im Anhang angefügt. 16 Die Liste mit den interviewten Personen findet sich ebenfalls im Anhang.

Page 30: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

29

Gestaltung wurden schon in zahlreichen Fällen nachgewiesen. Hier wird für sie ein negativer

Einfluss angenommen, weil sie den Diffusionsprozess beeinträchtigen können.

Formales Modell

+ Diffusionsmechanismen Policy-Wandel (unabhängige Variable) (abhängige Variable)

_

Kantonale Charaktristika (moderierende unabhängige Variable)

Bei der Analyse der empirischen Resultate, wann und wie stark die unabhängigen Variablen

einen Einfluss auf den Policy-Output hatten, wird zu fünf verschiedenen Zeitpunkten resp.

Phasen im Politikzyklus von Hall (1989) gemessen:

(1) Aufkommen einer Krise

(2) Nachlassende Erklärungskraft der vorherrschenden Policy-Idee („Anomalien“)

(3) Suche nach Policy-Alternativen und Durchsetzung dieser in der (wirtschafts-) wis-

senschaftlichen Debatte („economic viability“)

(4) Durchsetzung der Ideen in der politischen Debatte („political viability“)

(5) Durchsetzung der Ideen in der Verwaltung („administrative viability“)

Da entsprechend der Thesen angenommen wird, dass die Reform des bundesstaatlichen Fi-

nanzausgleichs NFA einen zentralen Einfluss auf die beiden zu untersuchenden Fälle hatte,

werden gemäss einer „embedded case study“ die Implikationen der NFA in einem ersten

Schritt möglichst umfassend dargelegt (Scholz/Teitje 2002: 34ff.). Der Grund für ein solches

Vorgehen liegt darin, dass zum einen das Ausmass und die Wirkungsweisen von Diffusions-

mechanismen sich nicht eindeutig festlegen lassen, weil sie noch zu wenig erforscht sind und

deshalb theoretisch nur vage festgelegte Methoden-Instrumente zur Analyse bereitstehen.

Somit muss ein heuristisches Verfahren zur Ermittlung kausaler Zusammenhänge angewendet

werden. Zum anderen wird angenommen, dass sowohl der Entstehungsprozess des NFA so-

wie die Hintergründe und bestehenden Konzepte auf kantonaler Ebene im Hinblick auf die

angewendete Theorie problembezogen erläutert und untersucht werden müssen. Dadurch

Page 31: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

30

können in komplexen Wirkungszusammenhängen möglicherweise vernachlässigte Einfluss-

faktoren und Kanäle resp. Quellen für Diffusionseffekte identifiziert werden.

4.2 Fallauswahl

Durch die Methode der gemeinsamen Bedingungen nach Mills für Vergleiche mit wenigen

Fällen (1874) kann untersucht werden, weshalb unterschiedliche Entitäten das Gleiche tun.

Um diese zu beantworten, werden Fälle ausgewählt, die bis auf ein Kriterium auf den unab-

hängigen Variablen Varianz aufweisen und auf der abhängigen Variable gleiche oder zumin-

dest ähnliche Werte besitzen.17 Dadurch werden Selektionseffekte („selection bias“) bis zu

einem gewissen Grad kontrolliert und damit die Aussagekraft und Validität der erzielten Er-

gebnisse erhöht, weil die Fälle untereinander nicht resp. nur schwach korrelieren. Da ein

Lerneffekt nur anhand einer tatsächlichen Veränderung beobachtet werden kann, werden Fälle

ausgewählt, welche auf der abhängigen Variable keine Varianz aufweisen resp. wo zwischen

1999 und 2009 eine Reform des IKFA stattgefunden hat.

Dazu wurden die Fälle Bern und Zürich ausgewählt. Im Folgenden werden die Unterschiede

zwischen den beiden Kantonen dargelegt. Der Zeitpunkt des Vergleichs liegt zwischen 1990

und 1995, wo die Reformen in Angriff genommen wurden.

Wirtschaftliche Verhältnisse

Zürich ist der volkswirtschaftliche Motor der Schweiz. Fast jeder 4. Franken des Bruttoin-

landprodukts wird in Zürich verdient. Bern erreicht dagegen nur knapp die Hälfte (BfS b).

Entsprechend ist auch die Verteilung der kantonalen Einkommen. Grundsätzlich ist die Wirt-

schaftsstruktur in Zürich v.a. hinsichtlich produktiver und ertragsreicher Branchen deutlich

günstiger als in Bern (AUE 2006: 8). Dazu gehört auch eine ausgeglichenere Verteilung der

Einkommen und Vermögen (ebd.: 11). Während Zürich volkswirtschaftlich im Schnitt über-

durchschnittlich gewachsen ist, liegt die Berner Entwicklung knapp unter dem Schweizeri-

schen Durchschnitt (BfS 2006: 28). Mit ein Grund dafür dürfte im verhältnismässig grossen

Anteil an strukturschwachen Randregionen und Beschäftigten im 1. Sektor liegen (AUE

2006: 7). Vergleichsweise tief sind in Bern dagegen die Lebenskosten und die Arbeitslosen-

quote, während diese in Zürich, wenn auch hinter Genf, nationale Spitzenwerte erreichen

(AUE 2006: 8).

17 Im Gegensatz dazu werden mit der Methode der Differenz Fälle ausgewählt, welche sich auf der unabhängi-

gen, jedoch nicht auf der abhängigen Variable unterscheiden.

Page 32: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

31

Parteipolitische Verhältnisse

Es lassen sich Differenzen in den Ausprägungen politischer Konfliktlinien in der unterschied-

lichen politischen Landschaft finden, die Unterscheide sind aber nicht sehr stark ausgeprägt.

Sowohl Zürich wie auch Bern haben ein ähnliches Parteienverhältnis wie auf Bundesebene,

wobei die SVP in Bern die anderen Parteien stärker überragte als in Zürich (Vatter 2002:

183). In beiden Kantonen ist ein deutlicher Stadt-Land-Graben zu beobachten. Während die

Städte rot-grün dominiert sind, ist das Umland in Bern eher rechts-liberal und in Zürich eher

rechts-konservativ. Bern scheint zwar parteipolitisch betrachtet deutlich gespalten, ist jedoch,

was ideologische und sachpolitische Standpunkte betrifft, homogener als zu erwarten wäre. In

Zürich ist dagegen eine starke ideologische wie sachpolitische Differenz zwischen den bevöl-

kerungsmässig ähnlich grossen Teilen Stadt und Land auszumachen. Unterschiede in der poli-

tischen Partizipation sind ebenfalls zu verzeichnen. Diese ist in Zürich im Durchschnitt knapp

8% höher (BfS g).

Institutionelle Struktur

Bern hat trotz weniger Einwohner als Zürich mehr als doppelt so viele Gemeinden. Deren

Zahl hat sich, abgesehen von der Abspaltung des Kantons Jura 1979, seit 1940 um 19 auf heu-

te 392 Gemeinden reduziert. In Zürich gab es seit dieser Zeit keine einzige Fusion zwischen

den 171 Gemeinden zu verzeichnen (Ladner /Steiner 2003: 240). So finden sich folglich auch

Divergenzen in Bezug auf die durchschnittliche Gemeindegrösse und die Siedlungsdichte,

welche in Bern, dem flächenmässig zweitgrössten Kanton der Schweiz, signifikant tiefer lie-

gen als in Zürich. Zudem ist die Siedlungszusammensetzung deutlich heterogener (BfS e, f).

In Zürich ist zudem die Dominanz der Stadt Zürich weitaus grösser als diejenige der Stadt

Bern gegenüber dem Kanton. Hinsichtlich des Zentralisierungsgrads der Ausgaben und Ein-

nahmen der öffentlichen Hand ist Bern deutlich weniger zentralisiert als Zürich (Vatter 2002:

160). Deutliche Unterschiede zeigen sich auch in den divergierenden Steuerbelastungen (Ge-

samtindex): Hier gehört Bern zum teureren Drittel, während Zürich nur (mit Abstand) hinter

den steuergünstigsten Kantonen liegt (BfS a). Der öffentliche Haushalt in Bern ist im Gegen-

satz zu Zürich stark belastet (AUE 2006: 8). So machen in Bern bundesstaatliche Subventio-

nen auch einen wichtigen Anteil am Kantonsbudget aus (SECO 2007: 42). Die öffentlichen

Ausgaben pro Kopf sind in Zürich leicht höher als in Bern. Dies betrifft hauptsächlich die

Bereiche Öffentliche Sicherheit, Kultur und Freizeit sowie Bildung. Bern gibt nur in volks-

wirtschaftlichen Belangen mehr aus als Zürich (SECO 2007: 146ff.). Angesichts des Lei-

Page 33: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

32

tungsangebots werden öffentliche Güter in Zürich aber deutlich günstiger produziert (SECO

2007: 12). Schlussendlich unterscheiden sich diese beiden Kantone auch in der Ausgestaltung

direktdemokratischer Partizipationsmöglichkeiten betreffen den Referendumsrechten (im Be-

sonderen für das Finanzreferendum), wo Bern demokratischer ist (Freitag et al. 2003: 359).

Ein gewisse Varianz zwischen den einzelnen Variablen kann als gegeben erachtet werden, es

bleibt jedoch anzumerken, dass in zahlreichen Bereichen eine Korrelation zwischen den Fäl-

len angenommen werden muss, insbesondere weil sich die Kantone im selben Land befinden,

aber auch, weil beide zu den grössten Kantonen zählen und über ein relativ grosses städtisches

Zentrum verfügen. In Bezug auf die Untersuchung lastenausgleichender Instrumente für

Kernstädte musste damit indes gerechnet werden. Bei zu geringer Varianz zwischen den un-

abhängigen Variablen spricht man auch von „Galton’s problem“. Dies kann zur Folge haben,

dass der Einfluss von endogenen Variablen unterschätzt wird, weil sich die Kantone durch

Diffusion von anderen Policies zu einem früheren Zeitpunkt angenähert haben könnten. Da-

durch könnte übersehen werden, dass u.U. ein ähnlicher Problemdruck die Ursache für die

Übernahme ähnlicher resp. gleicher Policies ist und nicht der Lerneffekt.

5 Untersuchungsfeld Finanzausgleich

Für die Hypothesenbildung und den Vergleich der Policy-Outputs zwischen der NFA und den

Kantonen wird im Folgenden die Ausgestaltung des Finanzausgleichs auf Bundesebene dar-

gestellt. Mit Hilfe der ökonomischen Theorie des Finanzausgleichs wird er zudem auf seine

Kohärenz mit der Theorie überprüft.

5.1 Ökonomische Theorie des Finanzausgleichs

Für die Schaffung eines modernen und effizienten Umverteilungssystems sind bestimmte wis-

senschaftliche Kriterien zu berücksichtigen. Ein Transfersystem wird aus Sicht der ökonomi-

schen Theorie des Föderalismus als optimal erachtet, wenn es zum einen dem Prinzip der fis-

kalischen Äquivalenz folgt und zweitens die Finanzkraftdisparitäten zwischen den Jurisdikti-

onen auf ein - politisch festzulegendes - „erträgliches“ Mass reduzieren kann (Frey et al.

1994: 12f.). Die Ansatzpunkte für Transfers liegen beim Ausgleich von Disparitäten durch

Umverteilung (Distribution) sowie bei der Korrektur von externen Effekten (Allokation). Die-

se Unterscheidung zwischen diesen Zielen ist relevant, weil eine Vermischung zu einem inef-

Page 34: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

33

fizienten Transfersystem führen kann und dadurch nur schwer kontrollier- und steuerbar wird,

was Wohlfahrtsverluste zur Folge haben kann. Aus diesem Grund besagt die Tinbergen-

Regel, dass mit einem Instrument jeweils nur ein Ziel verfolgt werden soll (Frey 2004a: 3f.)

Distribution

Disparitäten in der Ressourcenbasis zwischen Gebietskörperschaften werden nur dann ausge-

glichen, wenn sie unverschuldet zustande gekommen sind und deshalb als ungerecht und un-

erwünscht erachtet werden. Finanzkraftunterschiede können ihre Wurzel in ungünstigen topo-

graphischen, demographischen, geographischen oder volkswirtschaftlichen Bedingungen ha-

ben. Solche Faktoren werden als exogene Ursachen beschrieben, weil sie von der betroffenen

Gebietskörperschaft nicht beeinflusst werden können (Thöny 2005: 63). Disparitäten, deren

Ursachen mit politischer Einflussnahme begründet und als endogen beschrieben werden, wie

das Niveau und Kosten öffentlicher Güter, die zum einen von den Präferenzen der Bürger

oder von einer ineffizienten Bereitstellung herrühren, werden nicht ausgeglichen. Der Grund

dafür liegt in möglichen Fehlanreizen (Frey et al. 1994: 42). Wenn Leistungserbringer davon

ausgehen können, dass gewisse Kosten von einer anderen Gebietskörperschaft übernommen

werden, könnten sie versucht sein, nicht haushälterisch mit ihren Ressourcen umzugehen;

Oder anders formuliert: Die Höhe der Transfers sollte nicht direkt von Entscheidungen der

betroffenen Gebietskörperschaften beeinflusst werden können (Thöny 2005: 64). Dies würde

die Steuerpreise für die bereitgestellten Güter verzerren und damit das Prinzip der fiskalischen

Äquivalenz brechen. Aus diesem Grund sollen sich die Berechnungen über die auszuglei-

chenden Disparitäten nicht an den Ausgaben, sondern an den Einnahmen orientieren. Dort ist

es mittels eines aggregierten und harmonisierten Steuerkraftpotentials einfach und zweckdien-

licher, die Unterschiede festzulegen. Damit die Autonomie der nachgelagerten Gebietskörper-

schaften nicht eingeschränkt wird und den Präferenzen und Bedürfnissen der Bürger entspro-

chen werden kann, sollen die Beiträge pauschal und ohne Zweckbindung ausbezahlt werden.

Damit entspricht dieses Instrument des Finanzausgleichs dem Subsidiaritätsprinzip, der fiska-

lischen Äquivalenz und den Forderungen des New Public Management.

Allokation

Der Ausgleich von öffentlichen Leistungen, welche unter externen Effekten leiden, können

ebenfalls ausgeglichen werden. Dadurch soll die fiskalische Äquivalenz zwischen Nutzer, Be-

reitsteller und Kostenträger erreicht werden. Zentral ist dabei ebenfalls, dass nur exogene

Kennzahlen als Kriterien für die Ausgleichszahlungen herangezogen werden (ebd.: 111). Je-

Page 35: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

34

doch können solche Beiträge auch zweckgebunden sein, sofern sie sich auf explizit berechne-

te Lasten beziehen.

Die Kriterien, welche einen modernen Finanzausgleich gemäss der ökonomischen Theorie des

Finanzausgleichs charakterisieren, sind grundsätzlich abhängig von bestimmten Bedingungen.

Die Gebietskörperschaften sollten über keine weichen Budgetrestriktionen („bail-out“) und

über eine Eigenständigkeit betreffend Einnahme- und Ausgabenkompetenzen verfügen (ebd.:

143).

Nach folgenden sechs Kriterien ist ein modernes Ausgleichssystem zu gestalten (Frey et a.

1994, Thöny 2005):

1. Subsidiarität

2. Orientierung an fiskalischer Äquivalenz

3. Ausgleich nur von exogen verursachten Disparitäten

4. Ausgleich von Leistungen, deren Konsum unter externen Effekten leidet

5. Pro Instrument wird nur ein Ziel verfolgt

6. Globalbeiträge anstelle von zweckgebundenen Transfers

Als Konkretisierung dieser Kriterien werden zwei Instrumente vorgeschlagen (Frey et al.

1994: 47f., Thöny 2005: 154ff.):

1. Ressourcenausgleich zum Abbau von Disparitäten zwischen den Gebietskörperschaf-

ten. Die Berechnungsgrundlage bildet das aggregierte Steuerkraftpotenzial mit einem

einheitlichen Steuerfuss. Die Beträge, welche zu dieser Umverteilung ausbezahlt wer-

den, sind ohne Zweckbindung zu entrichten. Durch ein solches Instrument werden die

Kriterien 1, 2, 3, 5 und 6 erfüllt.

2. Lastenausgleich zur Abgeltung von eventuellen Sonderlasten oder Leistungen, welche

unter externen Effekten leiden mittels exogener Kennzahlen für eine begrenzte Anzahl

Gebietskörperschaften. Die Bestimmung der ausgleichsberechtigten Leistungen und

Lasten hat sich dabei streng an die oben genannten Kriterien zu halten. Mit einem sol-

chen Vorgehen wird allen Kriterien Genüge getan.

Page 36: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

35

5.2 Bundesstaatlicher Finanzausgleich

Der NFA beschränkt sich nicht nur auf die Neuordnung der Finanzströme, sondern regelt

gleichzeitig auch die Aufgabenverteilung zwischen den Ebenen neu. Deren Darlegung ist für

das Verständnis und den Kontext der Reform wichtig, weil die beiden Reformpfeiler mitein-

ander interagieren. In dieser Untersuchung wird jedoch nur der Finanzausgleich im engeren

Sinne (IV), sprich die zwei oben beschriebenen Instrumente behandelt.

Der NFA beruht auf vier Säulen (EFD 2007, Schweizerischer Bundesrat 2005: 6056ff.):

(I) Entflechtung der Aufgaben

Diese Entflechtung beinhaltet Aufgabenteilungen zwischen Bund und Kantonen im Wert von

5,4 Mrd. CHF oder 40% des gesamten Transfervolumens.

(II) Neue Zusammenarbeits- und Finanzierungsformen bei gemeinsamen Aufgaben

Da weiterhin gewisse Aufgaben im Verbund erbracht werden sollen, werden die Kooperati-

ons- und Finanzierungsfragen neu geregelt.

(III) Interkantonale Zusammenarbeit mit Lastenausgleich

Da sich die territorialen und sozio-ökonomischen Lebensräume immer weniger decken, sollen

mehr kantonale Aufgaben regional in horizontaler Zusammenarbeit erbracht werden.

(IV) Neues Ausgleichssystem

Der eigentliche Finanzausgleich im engeren Sinne besteht aus den drei Instrumenten Ressour-

cenausgleich, Lastenausgleich und Härtefallausgleich.

Für den Vergleich mit den IKFA ist nur Säule IV relevant. Sie kann wie folgt charakterisiert

werden:

(1) Ressourcenausgleich

Durch den Ressourcenausgleich sollen die Finanzkraftunterschiede zwischen finanzstarken18

und finanzschwachen Kantonen ausgeglichen werden. Dieses Ausgleichsinstrument bildet das

Kernstück des Finanzausgleichs. Als Index für die kantonale Finanzkraft wurde ein sog.

„Ressourcenindex“ entwickelt. Er richtet sich nach dem kantonalen Steuerpotenzial, der sog.

„Aggregierten Steuerbemessungsgrundlage“ (ASG), und soll das Ressourcenpotential, d.h.

das fiskalisch abschöpfbare Finanzvolumen der Kantone abbilden, wodurch er sich nur auf

18 Es sind dies ZH, ZG, VD, GE, SZ, NW, BS und BL.

Page 37: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

36

nicht beeinflussbare Faktoren stützt.19 Sowohl Kantone wie Bund beteiligen sich an der Fi-

nanzierung des Ressourcenausgleichs. Ziel des Ressourcenausgleichs ist es, alle Kantone auf

ein Niveau von mindestens 85 % der kantonalen Durchschnittsressourcen zu bringen. Die

Einzahlungen sollen proportional zum Ressourcenpotential der Kantone anfallen, während die

Auszahlungen, die zweckbefreit sind, progressiv berechnet werden. Mit dem Ressourcenaus-

gleich wird ein distributives Ziel verfolgt. Damit erfüllt er alle von der Theorie geforderten

Kriterien. Das Volumen beträgt 3’176 Mio. CHF.20

(2) Sonderlastenausgleiche

Durch die Sonderlastenausgleiche werden Kantone entschädigt, welche wegen exogen be-

dingten Faktoren höhere Ausgaben zu verzeichnen haben als andere. Dadurch werden alloka-

tive Ziele verfolgt. Die Beiträge sind alle ungebunden.

Über einen topographisch-geografischen Lastenausgleich (GLA) soll dem unterschiedlichen

Finanzbedarf der Berggebiete Rechnung gezollt werden. Er berechnet sich aus einem Index

aus Siedlungshöhe, Steilheit des Geländes, Siedlungsstruktur und der Bevölkerungsdichte.21

Der sozio-demografische Lastenausgleich (SLA) berücksichtigt finanzielle Zusatzbelastungen

von Ballungsgebieten22, die sich aus ihrer ungünstigen Bevölkerungszusammensetzung erge-

ben. Dieser richtet sich beim ersten Teilindikator „Kernstädte“, der einen Drittel des Betrags

des SLA ausmacht, nach der Gemeindegrösse, der Siedlungsdichte und der Beschäftigungs-

quote. Er soll externe Effekte abgelten. Der zweite Teilindikator „Segregation“, dem zwei

Drittel des SLA zugesprochen werden, richtet sich nach der Anzahl Sozialhilfebezüger, der

Altersstruktur und der Ausländerquote. Dadurch werden die Folgen der Segregation kompen-

siert.

GLA und SLA sind mit jeweils 350 Mio. CHF dotiert. Die Beiträge werden proportional zur

Höhe der Höhe der Sonderlasten verteilt.

19 Die Berechnung der ASG fasst die Summe der steuerbaren Einkommen und Vermögen der natürlichen Perso-

nen sowie die Summe der Gewinne der juristischen Personen zu einer Masszahl zusammen und basiert auf einer

gesamteidgenössisch harmonisierten Steuerbemessungsgrundlage (Fischer et al. 2003: 416f.). Die ASG pro Ein-

wohner eines Kantons im Verhältnis zur gesamtschweizerischen ASG ergibt den Ressourcenindex dieses Kan-

tons. Dieses Ressourcenpotential kann sich nur ändern, wenn sich die Einkommen, Gewinne oder Vermögen von

natürlichen oder juristischen Personen verändern wie auch wenn diese zu- oder abwandern. 20 Alle Daten in diesem Kapitel beziehen sich auf das Jahr 2009 (Verordnung über den Finanz- und Lastenaus-

gleich FiLaV vom 7. November 2007). 21 Ausser den Kantonen ZH, ZG, SO, BL, BS, SH, AG, VD und GE profitieren alle Kantone vom GLA. 22 Dadurch werden die Kantone ZH, BE, BS, SH, TI, VD, NE und GE entschädigt.

Page 38: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

37

III Der Härtefallausgleich sorgt mit abnehmender Wirkung über eine begrenzte Zeitspanne

von 28 Jahren dafür, dass kein Kanton für die Umstellung vom alten zum neuen System ge-

wichtige Einbussen in seinem finanziellen Handlungsspielraum hinnehmen muss.23 Dabei

richtet sich die Berechnung nach dem Ressourcenindex. Das Volumen beträgt 365 Mio. CHF.

Insgesamt werden so ca. 4’240 Mio. CHF für Kantone mit unterdurchschnittlicher Finanzkraft

oder Sonderlasten umverteilt. Da alle Beiträge ohne Zweckbindung ausbezahlt werden, richtet

sich der neue Finanzausgleich, wie durch die Beschreibung der einzelnen Instrumente hervor-

geht, streng an die Ziele, welche aus der ökonomischen Theorie des Finanzausgleichs abgelei-

tet wurden.

6 Hypothesen

Aufbauend auf die im letzten Kapitel dargelegte Ausgestaltung des bundesstaatlichen Finanz-

ausgleichs und seinen Instrumenten werden im Folgenden die in dieser Untersuchung zu tes-

tenden Hypothesen formuliert.

6.1 Hypothesen zur Diffusion von Ideen

H1: Je stärker Diffusionsmechanismen den Reformprozess des IKFA beeinflussen, desto stär-

ker nähert sich der Policy-Output dem nationalen Vorbild an.

H2: Je stärker Diffusionsmechanismen den Prozess der Ausgestaltung lastenausgleichender

Instrumente für Kernstädte beeinflussen, desto stärker nähert sich der Policy-Output dem na-

tionalen Vorbild an.

Begründung, Begriffsspezifikation und Operationalisierung der unabhängigen Variable

Die Begründungen für den Einfluss von Diffusionsmechanismen werden aus der Theorie von

Hall (1989, 1993) über „social learning“ und konstruktivistischen Erklärungen24 abgeleitet.

Erstere betont auf Basis konstruktivistischer Annahmen die Bedeutung von Wissensbeständen

im Gegensatz zu Macht und Hierarchie im politischen Prozess. Als Diffusion wird somit die

23 Davon profitieren die Kantone BE, LU, OW, GL, FR, SH, NE und JU. 24 Vgl. dazu Kap. 3.3.2 und 3.3.

Page 39: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

38

Verbreitung von politischen Ideen über die Grenzen verschiedener Gebietskörperschaften

hinweg verstanden. Aus dieser Begründung folgend wird Diffusionsmechanismen eine positi-

ve Wirkung auf die Annäherung einer kantonalen Lösung an die zeitlich vorangehende Re-

form des Finanzausgleichs auf nationaler Ebene zugeschrieben. Als Diffusionsmechanismen

werden gemäss der erweiterten Theorie sowohl Lernprozesse, interkantonaler und internatio-

naler Wettbewerbsdruck sowie gemeinsam geteilte Normen verstanden. Die Verbreitung von

neuen Ideen zur Überwindung eines Policy-Problems kann durch Interaktionen zwischen

Wissenschaftler resp. den von ihnen propagierten theoretischen Konstrukten und politischen

Entscheidungsträgern in den Kantonen zu einer Diffusion führen. Durch die Redefinition der

Interessen der entscheidungsbefugten Akteure mittels des Vergleichs alter und neuer Wis-

sensbestände kann dies die Umsetzung eines Politikprogramms fördern, welches auf der Basis

dieser neuen Ideen beruht. Dieser Prozess wird als Lernen verstanden.25 Die Verbreitung ge-

meinsam geteilter Normen erklärt sich durch ähnliche Vorstellungen der Akteure über kausale

Zusammenhänge, welche sich aus ihren „belief system“ ableiten. Sie kommen so zu einer

modifizierten Wahrnehmung über die Lösung eines Policy-Problems, weil ihre Interpretation

der vorliegenden Informationen es ihnen als angemessen resp. legitim erscheinen lässt, ent-

sprechend den sich aus der neuen Theorie entwickelten Normen zu handeln. Dies kann so zur

Diffusion einer neuen Idee führen.26 Ähnlich funktioniert der Wettbewerbsmechanismus: Er

führt ebenfalls zu einer Änderung der Wahrnehmung eines Policy-Problems durch neue In-

formationen, jedoch beruht die Motivation der Akteure, die von der Redefinition der Problem-

Interpretation abgeleitet ist, auf der Angemessenheit des Handelns wegen den erwarteten Kos-

ten, welche durch eine Nicht-Anwendung der Theorie entstehen könnten.

Die Messung von Diffusionsvorgängen während des Reformprozesses wird mittels einer

„process-tracing“-Analyse durch Dokumentenanalyse und Experteninterviews vorgenommen.

Dabei wird, verkürzt gesagt, darauf geachtet, ob, durch wen, wann und wie die Konstrukte der

verfolgten Policy-Idee sich im Verlauf der kantonalen Reform des Finanzausgleichs vorfinden

lassen. Diese Begründung gilt für die unabhängigen Variablen der Hypothesen 1 und 2.

Begriffsspezifikation und Operationalisierung der abhängigen Variablen

Unter dem Policy-Output des nationalen Vorbilds wird die durch den politischen Prozess er-

zielte politische Lösung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs verstanden wie er im voran-

gegangenen Kapitel dargestellt wurde. Nicht zu verwechseln ist dieser mit der Wirkung der 25 Vgl. dazu Kap. 3.3 und 3.3.1. 26 Vgl. dazu Kap. 3.3.2.

Page 40: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

39

Policy. Die Veränderung einer Policy erfordert gemäss Hall (1989) einen Reformprozess,

welchen er wie folgt charakterisiert: Bedingung für eine Diffusion ist das Auftreten einer Kri-

se in einem Politikfeld, das Infragestellen und die Ablösung der alten Theorie, welche die

Ausgestaltung des bestehenden Systems beeinflusst hat sowie das Bestehen der neuen Theorie

in der wissenschaftlichen und politischen Diskussion als auch in administrativer Hinsicht. Für

H2 wird bezüglich des Prozesses der Ausgestaltung derselbe Vorgang verstanden. Zur Mes-

sung der Annäherung werden Übereinstimmung zwischen kantonalem und nationalem Fi-

nanz- resp. Lastenausgleich gesucht. Dies geschieht (1) durch einen Vergleich der zentralen

theoretischen Konzepte und Kriterien resp. der Begründung der Policy-Lösung27 und (2) de-

ren Umsetzung, d.h. den verwendete Instrumenten und deren Berechnungskriterien (Output).

Für die abhängige Variable von H1 geht es dabei hauptsächlich um das Vorhandensein, die

Bemessungskriterien und die Begründung des Ressourcen-, Sonderlasten- und Härtefallaus-

gleichs. Eine detaillierte Übersicht über die genauen Vergleichsparmeter findet sich im vo-

rangegangenen Kapitel.

Für die abhängige Variable von H2 werden ebenfalls die Bemessungskriterien und Begrün-

dungen des sozio-demographischen Sonderlastenausgleichs (SLA) auf nationaler Ebene mit

derjenigen auf kantonaler Ebene verglichen.

Diese Prüfung wird durch einen Dokumentenvergleich vorgenommen.

6.2 Hypothesen zu institutionellen Traditionen

H3: Je stärker die institutionellen Traditionen eines Kantons den Reformprozess des IKFA

beeinflussen, desto stärker weicht der Policy-Output vom nationalen Vorbild ab.

H4: Je stärker die institutionellen Traditionen eines Kantons den Prozess der Ausgestaltung

lastenausgleichender Instrumente für Kernstädte beeinflussen, desto stärker weicht der Policy-

Outcome vom nationalen Vorbild ab.

Begründung, Begriffsspezifikation und Operationalisierung der unabhängigen Variable

Institutionen bilden einen Kontextrahmen, der sich auf die Politikgestaltung auswirken kann.

Wie theoretisch dargelegt28, können institutionelle Charakteristika in einer Gebietskörper-

schaft einen Pfad vorgeben, in welchem die möglichen politischen Handlungsoptionen liegen.

27 Vgl. dazu vorangegangenes Kapitel. 28 Vgl. dazu Kap. 3.4.

Page 41: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

40

Institutionen können dadurch gewisse Interessen bevorzugen und andere benachteiligen (Csi-

go 2006: 42). So wirken sie regulativ, indem sie divergierende Interessen der Akteure kanali-

sieren. Durch hohe Transaktionskosten wird die Überwindung einer solchen Struktur als un-

wahrscheinlich betrachtet (March/Olsen 1989: 165). Institutionelle Traditionen werden hier

deshalb verstanden als Rahmen für politische Handlungen, wodurch ein Bereich für angemes-

sene Lösungen für ein politisches Problem festgelegt wird. In dieser Untersuchung wird dieser

Tradition ein negativ moderierender Einfluss auf das Zustandekommen einer Diffusion attes-

tiert. Die Begründung dafür liegt darin, dass der neue Policy-Output durch vergangene Regu-

lierungen vorstrukturiert wird, was eine starke Veränderung resp. Diffusion eines anders

strukturierten Finanzausgleichs vermindern würde, sofern er zu stark von der alten Policy

abweicht. So argumentiert auch Rogers (1995), wenn er behauptet, dass die Diffusion einer

Policy abhängig ist von der Kompatibilität mit der alten Policy.

Spezifische Traditionen im Bereich Finanzausgleich werden für H3 mit dem alten Finanzaus-

gleichssystem resp. dessen Charakteristika und Ausgestaltung operationalisiert. Für H4 gilt

entsprechend für die kantonale Tradition das Bestehen eines Lastenausgleichs für Kernstädte

vor der Umsetzung des IKFA. Dadurch werden nicht allgemeine institutionelle Traditionen,

sondern nur deren spezifische Ausprägungen auf das zu untersuchende Politikfeld gemessen.

Dies, weil für ihn angenommen wird, dass er einen normativen und realpolitischen Konsens

der Präferenzen der Bürger über das Ausmass und die Reichweite des innerkantonalen Aus-

gleichs darstellt. Ihr Einfluss könnte sich dahingehend bemerkbar machen, indem Elemente

des alten IKFA auch in den neuen IKFA einfliessen oder letzerer erst gar nicht umgesetzt

wird.

In Bezug auf institutionelle Traditionen im weiteren Sinne könnte auch das Ausmass der di-

rekten Demokratie als abschwächender Faktor auf eine Diffusion gewertet werden. Da aus

Angst vor einem drohenden Referendum die Vorlage referendumsfester, d.h. konsensorien-

tierter gemacht werden könnte, würde eine umfassende Diffusion der neuen Policy-Lösung

behindert werden. Und andere Interagierende Policies zur Reform der IKFA müssen wohl

ebenfalls mitberücksichtigt werden (Berry/Berry 1999). Je nach Art der Policy kann deren

Einfluss hemmend oder fördernd für eine Diffusion sein.

6.3 Hypothesen zu innerkantonalen Konfliktlinien

H5: Je stärker die innerkantonalen Konfliktlinien den Reformprozess des IKFA beeinflussen,

desto stärker weicht der Policy-Output vom nationalen Vorbild ab.

Page 42: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

41

H6: Je stärker die innerkantonalen Konfliktlinien den Prozess der Ausgestaltung und Formu-

lierung lastenausgleichender Instrumente für Kernstädte beeinflussen, desto stärker weicht der

Policy-Output vom nationalen Vorbild ab.

Begründung, Begriffsspezifikation und Operationalisierung der unabhängigen Variable

Als Konfliktlinien werden spezifische Interessensgegensätze zwischen gesellschaftlichen

Gruppen verstanden. Die theoretische Begründung dieses Phänomens stammt u.a. von Lipset

und Rokkan (1985). Sie gehen von vier „cleavages“ innerhalb einer Gesellschaft aus. Zwei,

die Gräben zwischen Zentrum und Peripherie sowie Kirche und Staat werden als Folge der

Staatenbildung und divergierender Identitätsvorstellungen gewertet. Die anderen beiden,

Stadt-Land und Kapital-Arbeit, gehen aus der industriellen Entwicklung und ökonomischen

Gegensätzen hervor (ebd.: 127ff.). Aus diesen Konfliktlinien ist die Entstehung der verschie-

denen Parteien zu verstehen. Durch die Säkularisierung, veränderte Werteinstellungen, ge-

stiegenes Ausbildungsniveau und höhere Lebensstandards haben sich die traditionellen Kon-

fliktlinien aber gewandelt. Laut Kriesi et al. (2006: 923) haben sich zwei neue Interessensge-

gensätze entwickelt29: Eine spiegelt sich im Konflikt über die Rolle des Staates gegenüber der

Wirtschaft. Aus ihr wird die parteipolitische Konfliktlinie abgeleitet. Sie zeigt sich zwischen

linken und liberalen Werten. Während erstere eher für den Ausgleich innerhalb der Gesell-

schaft einsteht, propagieren zweitere den Vorzug individualistischer Werte. Gemäss den Aus-

sagen von Kübler (2006)30 dürfte sich dieser Konflikt zwischen der Kernstadt und dem subur-

banen Raum abspielen, weil in der Stadt eher links und im ersten Agglomerationsgürtel eher

rechts-liberal gewählt wird. Die Stärke der jeweiligen Ausprägungen ist für die Intensität die-

ses Konflikts massgebend. Je stärker die Polarisierung, umso stärker ist der Konflikt. Hier

wird davon ausgegangen, dass durch einen starken Konflikt eine Diffusion eingeschränkt

wird, weil im politischen Prozess nur ein Kompromiss erzielt werden kann, der die vollstän-

dige Umsetzung der Theorie abschwächt.

29 Sprachlich begründete Interessensunterschiede (Vatter/Freitag 2002, Kriesi et al. 1996) sind in der Schweiz

zwar nach wie vor vorhanden, dürften aber in dieser Untersuchung wegen der geringen Grösse des französisch

sprechenden Teils von Bern keine grosse Rolle spielen, zumal sie sich sowieso eher in anderen Politfeldern zei-

gen (bspw. Aussenpolitik). 30 Kübler (2006) betont, dass sich unterschiedliche parteipolitische Präferenzen zunehmend an sozio-

geographischen Unterschieden zwischen Kernstadt, sub- und periurbanen Zonen festmachen lassen.

Page 43: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

42

Die zweite Konfliktlinie gemäss Krise (2006: 923) besteht zwischen modernen und konserva-

tiven Werten. Sie begründet die sozio-ökonomische Konfliktlinie, die sich wiederum entspre-

chend den Aussagen von Kübler zwischen der links-liberalen Stadt und dem rechts-

konservativen peripheren Umland abzeichnen dürfte. Je nach der Stärke der Ausprägung mo-

derner Werte des suburbanen Gürtels dürfte dieser näher bei der Stadt oder beim Umland zu

lokalisieren sein. Für die Durchsetzung der diffundierten Ideen wird wie bei der parteipoliti-

schen Konfliktlinie angenommen, dass eine starke Divergenz zwischen den beiden Polen eine

umfassende Umsetzung der Theorie verhindert resp. diese anschwächt. Alternativ werden

Ideologiekonflikte in der Debatte zur Umsetzung einer neuen Idee durch Verteilungskonflikte

überlagert, weshalb sich zwischen Verlieren und Gewinnern ebenfalls kein Kompromiss fin-

den lässt. Wejnert (2002: 308) bestätigt diese beiden Begründungen, indem sie sagt, dass die

Homogenität der Akteure resp. deren „structural equivalence“ wichtig für die Umsetzung ei-

ner Policy sei.

Gemessen wird der Einfluss solcher Divergenzen anhand der Abweichungen des kantonalen

Policy-Outputs vom nationalen und theoretischen Vorbild sowie zur Herleitung mittels Exper-

tenbefragungen und Zeitungsartikeln.

Da Kübler (2006), wie beschrieben betont, dass sich unterschiedliche parteipolitische Präfe-

renzen zunehmend auch an (sozio-) geographischen Unterschieden zwischen Kernstadt, sub-

und periurbanen Zonen resp. der Lebensvorstellung und deshalb im Wohntypus festmachen

lassen, stehen die parteipolitischen Spannungslinien dadurch in starkem Zusammenhang mit

den sozio-ökonomischen. Dies kann bedeuten, dass durch die starke Korrelation der beiden

Variablen ihr jeweiliger Einfluss sich vom anderen analytisch nicht genau trennen lässt.

Eine weitere Einschränkung betrifft die Ergebnisse bisheriger empirischer Forschung, denn

hier ist der negative Einfluss von internen Faktoren nicht unbestritten (u.a. Berry/Berry 1999).

Eine mögliche Kontrollvariable könnte dazu in den parteipolitischen Machtkonstellationen

gesehnen werden, d.h., wenn die Konfliktlinie nur wenig ausgeprägt ist. Die Stärke linker

Parteien oder ausgleichsbedürftiger, d.h. finanziell schwacher Regionen mit hoher Steuerbe-

lastung, könnte sich positiv auf eine Diffusion auswirken, da sie für eine Verbesserung von

Ausgleichspolitiken eintreten (Vatter 2002), vorausgesetzt, dass solche Kreise zu den „Ge-

winnern“ einer Reform gehören, was wiederum in Abhängigkeit vom alten IKFA steht. Um-

gekehrt könnte aber auch angenommen werden, dass Vertreter von Effizienzverbesserungen,

wozu v.a. wirtschaftsorientierte und staatskritische Parteien zählen, eine Reform befürworten

Page 44: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

43

würden. Das Ausmass an konservativen Werten in einer Gesellschaft könnte sich dagegen

wiederum negativ auf die Annahme neuer Ideen und Praktiken auswirken, weil ihnen nur ge-

ringer Veränderungswille zugesprochen wird (Wejnert 2002: 314). Ebenfalls zu beachten in

dieser Hinsicht ist die Stärke der Regierungskoalition: Durch eine starke Exekutive, welche

sich für eine Reform einsetzt, könnte gemäss Jänicke (2007: 142) ein positiver Effekt auf eine

Diffusion entstehen.

7 Kontext

In diesem Kapitel wird der Rahmen, in welchem die beiden Fälle Bern und Zürich anhand der

im letzten Kapitel formulierten Hypothesen untersucht werden, dargelegt. Dies ist notwendig,

weil wie in der Beschreibung über das untersuchungsleitende Modell begründet, die Refor-

men der Kantone inhaltlich im nationalen Kontext eingebettet sind.

7.1 Bundesstaatlicher Finanzausgleich

Der Finanzausgleich in der Schweiz wurde nicht nach einem systematischen Ansatz einge-

führt. Vielmehr hat er sich allmählich entwickelt (Frey et al. 1994: 3). Bis spät in die 1950er

Jahren war kein politisches Instrument zur expliziten Verminderung kantonaler Finanzkraft-

unterschiede vorhanden (OECD 2002: 71). Neben der Splittung der direkten Bundessteuer

gab es zwar gewisse Sektoralpolitiken, die zumindest implizit den Auftrag hatten, räumliche

Disparitäten zu mindern.31 Von einem gezielten Vorgehen zum Abbau der Unterschiede

konnte indes nicht die Rede sein. Der erste Ansatz zu einem Ausgleich zwischen den Kanto-

nen, der fast ausschliesslich durch vertikale Transfers bewerkstelligt wurde (Frey/Wettstein

2008: 2), trat 1959 mit dem Finanzausgleichsgesetz FAG in Kraft, welches, rechtlich abge-

stützt auf dem ein Jahr zuvor geschaffenen Finanzausgleichsartikel 42ter der Bundesverfas-

sung, die finanzkraftabhängigen Prinzipien für die finanzielle Zusammenarbeit zwischen den

beiden höchsten föderalen Ebenen regelte. Als Folge davon richtete sich ein Grossteil der

bundesstaatlichen Subventionen „in irgendeiner Form“ nach der Finanzkraft der Kantone

(Schweizerischer Bundesrat 2005: 6054).

31 Diese bezogen sich hauptsächlich auf die Unterstützung der Landwirtschaft und öffentlicher Infrastrukturbau-

ten.

Page 45: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

44

7.2 Krise und Policy-Anomalien

Die bis Ende 2007 geltende Finanzordnung zwischen Bund und Kantonen entstand inkremen-

tell und wurde dadurch zu einer Giesskanne, die verschiedenste Partikularinteressen befriedig-

te. Mitverantwortlich dafür war die schleichende Zentralisierung der Aufgaben beim Bund,

welche sich durch die Verschiebung von immer mehr neuen Kompetenzen und Mitbestim-

mungsrechten von den Kantonen zum Bund während der 60er und 70er Jahre ergeben hatte

(Braun 2009: 2). So erstreckte sich das Transfersystem mittlerweile über mehr als 50 Einzel-

massnahmen. Diese Entwicklung lässt gemäss Hall auf ein Lernen 1. Ordnung schliessen, bei

dem nach und nach die Steuerungselemente auf Grund besseren Wissens oder durch margina-

le Instrumenterweiterungen verändert werden.

Wegen des inkohärenten Systems des Finanzausgleichs, der zahlreichen Einzelmassnahmen

und der ungenauen Zielvorgaben existierte bis zu Beginn der 1990er Jahre keine umfassende

Wirkungsbilanz über die Finanzströme zwischen dem Bund und den Kantonen (Schweizeri-

scher Bundesrat 2001: 2314). Wegen der mangelnden Transparenz der Verflechtungen und

dem grossen Volumen an verschobenen Geldern kamen aber Vermutungen über deren Ineffi-

zienz resp. traten - entsprechend der untersuchungsleitenden Theorie – „Anomalien“ auf

(Frey/Schaltegger 2003: 247f.).

Als 1988 die Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren (FDK) das Finanzdepartement be-

auftragte, eine Wirkungsanalyse der Transferzahlungen vorzunehmen, schloss der Bund als

Reaktion auf die zunehmende Zentralisierung auf bundesstaatlicher Ebene und die schwin-

dende Autonomie bei den Kantonen gerade eine zweistufige Neuordnung der Aufgabenvertei-

lung, ab. Die Grundzüge eines dezentralen und beweglichen Föderalstaates schienen über die

Jahre Schritt für Schritt verloren gegangen zu sein. Das gemeinsame Grundinteresse bestand

in der Absicht, die Funktionalität des Bundesstaates aufrecht zu erhalten resp. zu verbessern

(Braun 2009: 92f.). Hier sind somit die ersten Zeichen einer grösseren Unzufriedenheit über

die Funktionsfähigkeit des Systems zu verorten. Doch anstelle einer „föderativen Neuord-

nung“ zur Belebung des Systems waren sowohl Bund wie Kantone enttäuscht vom mageren

Ergebnis, beschränkten sich doch die Neuerungen vornehmlich auf administrative und organi-

Page 46: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

45

satorische Belange und verfolgten praktisch keine finanzpolitischen Ziele mehr (Freiburghaus

2001: 18f., Hirter et al. 2005: 35).32

Nicht unwesentliche Rollen für die Hinterfragung des bestehenden Finanzausgleichs spielten

auch externe Einflüsse wie weltwirtschaftliche und aussenpolitische Faktoren, die im Sinne

Halls Krise gewertet werden können. Dies in zweierlei Hinsicht: Zum einen sahen sich Bund

und Kantone angesichts der aufkommenden Wirtschaftskrise zu Beginn der 1990er Jahre mit

einer stagnierenden Wirtschaftsentwicklung („Nullwachstum“) grossem finanziellem Druck

ausgesetzt (Freiburghaus 2001: 19, Wettstein 2001: 1). Diese Situation wurde gemeinhin als

Schock wahrgenommen, was die Kantone dazu brachte ein virulentes Interesse an Reformen

zu entwickeln. Die begründeten, wenn auch noch nicht nachgewiesen Zweifel an der Effi-

zienz der Bundessubventionszahlungen bestärkten diese Absichten (Braun 2009: 98). Zum

anderen wurde den Kantonen vor Augen geführt, dass sie wegen der verstärkten Globalisie-

rung und der Zunahme von internationalen Verträgen (vgl. dazu auch die Debatte um den

Anschluss an die EU und den EWR) immer stärker in die Abhängigkeit des Bundes rutschten.

So machte hier zum ersten Mal ein Wettbewerbselement bemerkbar.

Als Folge dieser Debatten kann der Zusammenschluss der Kantone in der 1993 gegründeten

Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) gewertet werden, welche sich seither stark für den

Interessensausgleich unter den Kantonen wie auch gegenüber dem Bund einsetzte (Braun

2009: 95f.).33 Durch diese Ereignisse nahm auch immer mehr die Erklärungskraft des alten

Systems ab.

32 Gemeinhin wird aufgeführt, dass ein Grundkonsens über die Richtung der Reformen durch Partikularinteres-

sen sowohl der verschiedenen Ebene wie auch zwischen den Kantonen zerfressen wurde, was auch auf einen

Mangel an Vertrauen unter den Akteuren hindeutet (Braun 2009: 93). Über die genauen Gründe für das Schei-

tern der Reform, kann zum heutigen Zeitpunkt aber nur mehr spekuliert werden. 33 Dieser Prozess ist auch vor dem Hintergrund des Verfassungsreformprozesses Ende der 1990er Jahre zu be-

trachten. In dieser wurde das „Governance“-Prinzip für die Steuerung der Gesetzgebungsabläufe eingeführt, was

auch als „kooperativer Föderalismus“ bezeichnet wird (ebd.). Darunter verstehen Häfelin/Haller (2005: N. 1242)

Formen der Kooperation zwischen und innerhalb der Ebenen Bund und Kantone, „welche die effiziente Erfül-

lung der Staatsaufgaben von regionalem und nationalem Interesse ermöglichen, ohne dabei in die bundesstaatli-

che Kompetenzverteilung einzugreifen.“ Gestützt auf Art. 44 der Bundesverfassung unterstützen Bund und Kan-

tone sich in der Erfüllung ihrer Aufgaben und arbeiten zusammen. Durch erweiterte Mitwirkungsrechte der Kan-

tone bei der Gesetzgebung auf Bundesebene, insbesondere bei der Willensbildung bildet dieser „Partnerschafts-

artikel“ den Wandel von einem „ausgeprägten Kompetenzföderalismus hin zu einem echten, erneuerten födera-

listischen Staatsverständnis“ ab (Ehrenzeller 2005: 3f.).

Page 47: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

46

Die Eidgenössische Finanzverwaltung (EFV) legte 1991 eine Untersuchung zur Gesamtbilanz

aller Transfers zwischen Bund und Kantonen vor (EFV 1991). Die Ergebnisse der Evaluation

waren „ernüchternd“ (Experteninterview): Obwohl das Volumen der Transfers seit den

1970er Jahren real stark zugenommen hatte, gingen die Unterschiede in der Finanzkraft der

Kantone nicht zurück, sondern nahmen ebenfalls zu. Zwar war für die Zunahme der Transfer-

volumina auch das positive Wirtschaftswachstum mitverantwortlich, doch wurden durch die

Evaluation auch unbeabsichtigte Effekte wie die überdurchschnittliche Zunahme der Trans-

fers an finanzkräftige Kantone offensichtlich. Zur Aufklärung dieser Wirkungsweisen wurde

eine Expertenstudie in Auftrag gegeben, welche diese Fragen wissenschaftlich klären sollte.

Ihre Schlüsse waren die folgenden (Frey et al. 1994):

Drei Hauptmängel belasteten das System (ebd.: 2f.).34

(1) Die Vermischung von allokativen und distributiven Zielen

Mit dem Instrument des Finanzkraftindex35 zum Ausgleich der Finanzkraft der Kantone wer-

den sowohl die Versorgung der Bevölkerung mit öffentlichen Gütern wie auch die verschie-

denen Ausgangslagen der Kantone hinsichtlich ihrer Finanzkraft und ihrer topographischen

Gegebenheiten beeinflusst. Zusätzlich sind auch weitere Subventionen abhängig von der Fi-

nanzkraft, was arme Kantone dazu verleitet, ihr öffentliches Angebot durch Bundessubventi-

onen übermässig stark auszudehnen. Durch diese Vermischung der Allokations- und Distribu-

tionsziele wird die Steuerbarkeit des Systems stark eingeschränkt und bewirkt Wohlfahrtsver-

luste.

(2) Eine zu zentralistische Ordnung und das Fehlen von horizontalen Transfers

Diese Beschreibung bezieht sich hauptsächlich auf die Aufgabenverflechtung zwischen Bund

und Kantonen. Gewisse Aufgaben könnten effizienter bewältigt werden, wenn sie entweder

nur dem Bund oder nur den Kantonen unterliegen.

(3) Eine ineffiziente Art der Ausgestaltung und Ausrichtung der Transfers

Problematisch ist insbesondere der Einbezug der Sterbelastung in den Finanzkraftindex. Da-

durch geraten arme Kantone in Versuchung, die Steuerbelastung künstlich zu erhöhen um

34 Unter den drei Hauptmängeln werden jeweils nur die gravierendsten Fehlfunktionen beschrieben. Für eine

ausführliche Darstellung vgl. Frey et al. 1994. 35 Dieser bemisst sich nach folgenden vier Masszahlen: Volkeinkommen, Steuerkraft, Steuerbelastung und An-

teil Berggebiet.

Page 48: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

47

mehr Bundessubventionen zu kassieren.36 Daneben sind weiter fehlende oder unklare Ziele,

eine zu hohe Regelungsdichte bei Subventionszahlungen, eine unzureichende Prüfung der

Auswirkungen und zweckgebundene Transfers, welche tendenziell zu einer Mengenauswei-

tung eines subventionierten Gutes und nicht wie ungebundene Zahlungen zu einem Einkom-

menseffekt führen, zu bemängeln.

Die Vermutungen über die Anomalien des Systems waren also begründet. Durch den Nach-

weis der Fehlfunktionen des bestehenden Finanzausgleichs wurde das alte System diesem

Politikfeld diskreditiert, was dazu führte, dass in der Folge nach einem alternativen Modell

gesucht wurde, welches diese Missstände beseitigen könnte.

7.3 Economic Viability

Als Folge der Darlegung dieser Mängel des Finanzausgleichs- und Transfersystems wurde

eine Reform in Angriff genommen. Noch bevor die Studie von Frey et al. 1994 erschien,

schuf die FDK 1992 zuhanden des Bundesrates einen Orientierungsrahmen, welcher die

Grundzüge einer neuen Finanzausgleichsordnung beinhaltete. In diesem „Orientierungsrah-

men“ (FDK 1992) beschrieb sie die möglichen Zielsetzungen einer Neuordnung der Finanz-

ströme. Geprägt wurde dieser Rahmen von Zielsätzen des New Public Management37 (NPM)

über „effizienten Mitteleinsatz“, „klare Zielvorgaben“, „zielgerichtete Steuerung“ und

„Transparenz des Verfahrens“.

Dies war der erste Schritt auf der Suche nach Alternativen. Der zweite Schritt wurde mit der

Studie von Frey et al. gelegt. Denn sie hatte den Auftrag, nicht nur die Mängel des Systems zu

benennen und zu begründen, sondern auch eine Aussage über die Vorschläge des Orientie-

rungsrahmens der FDK zu machen. Diese wurden grundsätzlich als in die richtige Richtung

zielend bewertet (Experteninterview). Im Terminus von Hall kann diese vorläufige Bestäti-

gung als Vorstufe zur „economic viability“ bezeichnet werden. Die (wirtschafts-) wissen-

schaftliche Suche nach politischen Alternativen wird hier einem Wettbewerb um die Durch-

36 Da sich der Verteilschlüssel aber nicht ändert, wenn sich alle Kantone so verhalten, führt dieses Verhalten nur

zu einer Erhöhung der Steuerbelastung und dadurch zu einer Abwanderung des Steuersubstrats ins Ausland. 37 Neu waren diese Grundsätze zu diesem Zeitpunkt nicht, gab es doch in den 1990er Jahren den Versuch einer

Verwaltungsreform nach den Zielen des NPM. Wenn diese auch scheiterte, so waren sowohl die Bundesverwal-

tung wie auch kantonale Administrationen mit deren Leitgedanken vertraut (Schedler 1995, zit. in Braun 2009:

95).

Page 49: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

48

setzung von Ideen gleichgesetzt. Durch die wissenschaftliche Unterstützung der Orientie-

rungsthesen der FDK wurde ein wichtiger Grundstein gelegt, indem der eingeschlagene Weg

der Lösungssuche bekräftigt wurde. Umgekehrt betrachtet könnte aber auch gesagt werden,

dass die Expertengruppe mit ihrem Gutachten von dieser Vorgabe der FDK profitierte. Es war

aber an den Experten, die Verbindungen zwischen den verschiedenen Begriffen schlüssig

aufzuzeigen. Und dies geschah durch die ökonomische Theorie des Föderalismus. Orientierte

sich der NPM-Ansatz tendenziell eher an „Governance“-Aspekten, so war es Ersterer vorbe-

halten, die Begründungen zur Reform des Finanzausgleichs im theoretischen Sinne zu liefern.

Dass die Verbindung dieser beiden Lehren reibungslos klappt, ist darauf zurückzuführen, dass

sie beide derselben theoretischen Familie, dem Public Choice entstammen. Gemäss Experten-

aussagen wurden andere alternative Modelle nur und wenn überhaupt am Rande diskutiert.

Dies kann auch mit der Abwesenheit vergleichbarer föderaler Systeme erklärt werden, deren

Policies als praktikable Vorbilder hätten dienen können. Dass sich das im weiteren Verlauf

durchsetzende Modell den wirtschaftswissenschaftlichen Wettstreit, sofern mangels „Gegner“

überhaupt von einem solchen gesprochen werden kann, gewonnen hatte, scheint aus heutiger

Sicht eindeutig. Weiter bestätigt wurde dies mit der 1996 erschienenen „Konkretisierung der

Gründzüge“, welche später die Basis für die erste Vernehmlassung bildete (EFD/FDK 1996).

Sie enthielt folgende Vorschläge: Konsequente Ausrichtung der Aufgabenverteilung am Prin-

zip der Subsidiarität, Ausbau der interkantonalen Zusammenarbeit, Einsetzung nicht zweck-

gebundener Transfers mit exogenen Bestimmungskriterien und ein politisch steuerbarer Res-

sourcenausgleich.

7.4 Political Viability

Dadurch dass die ersten Verbesserungsvorschläge von der FDK kamen, kann diese Bestäti-

gung in der „Konkretisierung“ aber auch als erster Schritt in Richtung einer „political viabili-

ty“ betrachtet werden, weil den schon zu diesem Zeitpunkt involvierten (auf Ebene der Kan-

tone wichtigen, weil entscheidungsbefugten) politischen Akteuren ein positives Feedback für

ihre Überlegungen erteilt wurde. Diese wurden dadurch in ihren Annahmen gestärkt, was sich

durch die Übereinstimmung zwischen wissenschaftlichen und politischen Vorstellungen posi-

tiv auf den weiteren Prozess und insbesondere die Meinungsbildung auf kantonaler Ebene

auswirkte (Experteninterview).

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49

Als Folge dieses Berichts über die Neuordnung der Aufgabenverteilung und des Finanzaus-

gleichs (Frey et al. 1994) setzte der Bund ab Ende 1994 eine paritätische, aus Vertretern der

Kantone und des Bundes bestehende Projektorganisation ein, welche ein ausführliches und

konkretes Konzept erarbeiten sollte, wie die Mängel des Transfersystems zu beheben wären.

Dies kann als der eigentliche Ausgangspunkt für die politische Durchsetzung der neuen Ideen

betrachtet werden. Als sehr vorteilhaft für das Gelingen der Reform und der Durchsetzung des

Projekt auf politischer Ebene kann das strategische Vorgehen der Projektorganisation gewer-

tet werden: Von Anfang an wurden Kantonsvertreter in die verschiedenen Kommissionen und

Gremien aufgenommen und hatten die gleichen Veto-Rechte wie der Bund.

Dabei wurde gleichfalls darauf geachtet, dass allen Landesteilen sowie auch den unterschied-

lichen kantonale Typen Genüge getan wurde, d.h. dass sich in den verschiedenen Organen der

Projektorganisation arme wie reiche, grosse und kleine, städtische und ländliche Repräsentan-

ten einfanden (Wettstein 2001: 46). Dazu wurde von der technischen Seite her ein „pragmati-

sches“ Vorgehen gewählt, bei welchem die richtungsweisenden Entscheide zu Beginn des

Prozesses nicht rein technokratischer Natur waren („von Technokraten für Technokraten“,

Wettstein 2001: 38), sondern darauf geachtet wurde, dass realpolitische Lösungen gefunden

werden konnten, welche auch im Parlament mehrheitsfähig schienen. Die bewusste und selek-

tive Einsetzung von Experten kam insbesondere auch dann zur Geltung, als das Projekt durch

aufkommende Verteilungskonflikte im Jahr 2000 kurz vor der Formulierung der ersten Bot-

schaft ins Stocken kam. Die wirtschaftswissenschaftliche „Ziel- und Wirkungsanalyse“ (Frey

2001) liess die Akteure wissen, dass der vorliegende Vorschlag in Übereinstimmung mit den

in den Vernehmlassungen formulierten Zielen wie der ökonomischen Theorie stand und das

abgesegnete Kausalmodell allen nochmals in Erinnerung rief (Experteninterview).

Der Entschluss des Bundes, die Kantone als gleichwertige Partner zu betrachten und ein

„Gemeinschaftsprojekt“ in Angriff zu nehmen, kann im Nachhinein als kluger Zug gewertet

werden. So wurden die Kantone durch die Teilhabe nicht nur in die Entscheide miteinbezo-

gen, was die Überzeugungsarbeit um Vieles erleichterte, sondern auch in die Verantwortung

genommen werden (Braun 2009: 101). Durch diese Mitwirkungslogik wurde es für die ein-

zelnen Teilnehmer schwieriger, die Verhandlungen zu verlassen, auch wenn eine nicht für alle

Seiten optimale Lösung gefunden wird. Die kaskadenartige Vorgehensweise des Prozesses

band die Akteure über die Zeit immer stärker an die gemeinsam erzielten Ergebnisse. Da-

durch war es möglich, die Orientierungen der Reformteilnehmer stärker auf Problemlösungen

und weniger auf individuelle Verhandlungsgewinne zu richten (Scharpf 1997: 73).

Page 51: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

50

Das zweite relevante Merkmal für den Erfolg der Reform war das zweistufige Vernehmlas-

sungsverfahren. In der ersten Runde 1996 wurden nur die allgemeinen Grundsätze der Reform

zur Diskussion gestellt und dadurch der Kampf um die „economic viability“ definitiv ent-

schieden. Mittels des theoretischen Rahmenwerks, welches ein in sich geschlossenes System

bildete, konnte die Spannweite, in welcher die politischen Debatten zu führen waren, vorge-

geben werden. Das zur Beratung stehende ökonomische Modell bildete für die betroffenen

Vernehmlassungsteilnehmer einen „Schleier des Nichtwissens“ (Rawls 1991: 28ff.), vor wel-

chem sie ihre Position zwar erahnen, jedoch ihre genauen Gewinne oder Verluste nicht be-

messen konnten. Dies führte zu einer rationaleren, problemlösungs-orientierteren und weniger

politisierten Diskussion, als wenn es abschliessend um Verteilungsfragen geht. So konnte ein

„mixed-motive-game“ installiert werden, in welchem die beteiligten Akteure sowohl einer

kooperativen wie einer kompetitiven Orientierung folgen können (Scharpf 1997: 73). Der

Widerstand gegen ein kohärentes System, welches die reformleitenden Kriterien der Effizienz

und der Subsidiarität beinhaltete, wird dadurch erschwert, solange keine ebenso kohärente

Alternative zur Verfügung steht. Die Ergebnisse der Vernehmlassung fielen denn auch grund-

sätzlich positiv aus. Nur der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und die Sozialdemo-

kratische Partei (SP) äusserten sich skeptisch bis ablehnend. Zudem wurde von Berg- und

Stadtkantonen eine Abgeltung ihrer Sonderlasten gefordert.

In Bezug auf diesen Letzen Punkt ist hier kurz innezuhalten, denn dieser ist für die Einfüh-

rung des Lastenausgleichs für Kernstädte zentral. Im ursprünglichen Modell von Frey et al.

(1994) ist die Kompensation der Lasten nicht vorgesehen. Ein Experte begründete dies damit,

dass man die Vorlage nicht überladen wollte, weil man dachte, diese sei mit dem Einbezug

dieses Instruments nicht mehr mehrheitsfähig. Die wissenschaftliche Begründung dieser Bür-

den bestand denn auch schon längere Zeit (u.a. Frey 1990 aufbauend auf europäischer und

amerikanischer wirtschaftswissenschaftlicher Literatur der 1970er und 80er Jahre). Dass diese

Idee schlussendlich in den NFA integriert und ihre „economic viability“ durchgesetzt werden

konnte, hat verschiedene Gründe. Zum einen spielte sicherlich die bundesstaatliche Beschäf-

tigung mit dieser Thematik eine wichtige Rolle. Um diese darzulegen ist ein kurzer Rückblick

notwendig, der auch interagierende Politikfelder miteinbezieht.

Anfangs der 1990er Jahre nimmt der Bund erstmals konkret zu den Problemen von Stadtregi-

onen Stellung. Bis zu diesem Zeitpunkt sah er die Agglomerationsprobleme als reine Sache

der Kantone an. Der erste Schritt zu einer bewussten Problemwahrnehmung war im „Raum-

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51

planungsbericht 1987“ über den Stand der Bodennutzung und Besiedlung der Schweiz zu

vernehmen (Schweizerischer Bundesrat 1987, zit. in Flückiger 1999: 55). Darin äusserte sich

der Bundesrat erstmals, wen auch noch sehr diffus, zur Städteentwicklung. Er erkannte, dass

die Städte bisher in der Raumplanung nicht integral integriert gewesen waren und es Koordi-

nationsprobleme in Agglomerationen gebe. Er formulierte darauf einen Auftrag an das Bun-

desamt für Raumordnung für die Erarbeitung von Grundzügen über die gewünschte räumliche

Entwicklung der Schweiz als Grundlage für politische Schritte des Bund in Koordination mit

den Kantonen. Fast gleichzeitig 1987 startete der Schweizerische Nationalfond mit dem nati-

onalen Forschungsprogramm „Stadt und Verkehr“ (NFP 25) (Frey 1996: 11f.). Dieses setzte

sich mit den Dynamiken der Städte und ihres Umlands u.a. hinsichtlich der Sicherstellung der

Funktionsfähigkeit der Städte im nationalen und internationalen Rahmen auseinander (u.a.

Frey 1994) und wurde nach seiner Fertigstellung 1995 zu einer wichtigen Quelle der Agglo-

merationspolitik des Bundes (Frey 2004b: 9). Der im Mai 1996 erschienene „Bericht über die

Grundzüge der Raumordnung Schweiz“ wurde vom Parlament zustimmend zur Kenntnis ge-

nommen. Der Bundesrat schreibt darin, dass für die Stellung der Schweiz im internationalen

Standortwettbewerb die Agglomerationen und Kernstädte als Motoren der Volkswirtschaft ein

tragendes Element seien und deren Funktionsfähigkeit erhalten bleiben müsse (Flückiger

1999: 57).

Seit diesen Jahren am Ende des 20. Jahrhunderts wurden die Probleme der Städte in der Bun-

despolitik nach intensivem Lobbying ernst genommen (Kübler 2006: 278). Auch wandelte

sich das Bild von den armen ländlichen Gebieten und den reichen Städten, drehte sich z.T. gar

ins Gegenteil (Sager et al. 1999: 28). Die Politik des Bundes soll sich in der Zukunft gemäss

einem der vier Grundpfeiler der Raumordnung der funktionalen Vernetzung und dem Zu-

sammenwirken der Städte untereinander mit dem ländlichen Raum widmen (Flückiger 1999:

59).

Konsequenterweise hat sich der Bundesrat auf der Grundlage der beschriebenen Quellen an

die Konkretisierung einer Agglomerations- und Städtepolitik gemacht. Folgen davon sind der

Bericht über die Kernstädte und die Agglomerationspolitik (Schweizerischer Bundesrat 1999,

2001). Die verfassungsrechtliche Grundlage dazu bildet der mit der Gesamtrevision der Bun-

desverfassung (BV) 1999 neu geschaffene sog. „Städteartikel“, in welcher sich der Bund ver-

pflichtet, auf die Berggebiete wie auch auf die Agglomerationen und Städte Rücksicht zu

nehmen (BV Art. 50 Abs. 3). Die Umsetzung dieser Strategie werden mit sog. „Modellvorha-

ben“ und „Agglomerationsprogrammen“ unterstützt. Erstere sollen eine Verbesserung der

Page 53: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

52

Koordination in Agglomerationen bewirken, während mit letzteren konkrete Vorhaben zwi-

schen Kernstadt, Agglomeration und Kanton finanziell unterstützt werden. Zu diesen Instru-

menten ist auch die Schaffung der Tripartiten Agglomerationskonferenz TAK 1999 zu zählen,

in welcher Bund, Kantone und Gemeinden eine Plattform zur Verfügung gestellt bekamen,

wo vertikale Kooperationsvorhaben in Angriff genommen werden können (Kübler 2006:

280f.).

Der Hintergrund dieser Trendwende muss neben der angesprochenen Interessenvertretung

auch in der starken Zersiedelung der Landschaft und einer damit einhergehenden starken He-

terogenisierung der Raumordnung gesehen werden, hatte es der Bundesrat bis dahin „nie ver-

standen, die baurechtlichen und stadtplanerischen Inhalte der Raumplanung zu unterstreichen

und eine gedankliche Brücke zwischen Raumplanung und Stadtplanung zu schlagen” (Lendi

1996: 25, zit. in Sager et al. 1999: 27). Diese Versäumnisse wurden nun angesichts des objek-

tivierbaren, weil gebauten, Erscheinungsbildes offensichtlich. Auf der Darlegung dieser Ent-

wicklungen scheint es plausibel zu sein, weshalb sich ein Lastenausgleich für Kernstädte wis-

senschaftlich etablieren konnte und seine „economic viability“ belegt werden kann.

Trotz der praktischen Relevanz, die diese Thematik durch die bundesstaatliche Beschäftigung

erfahren hatte, überrascht ihre politische Durchsetzung in der NFA. Sie kann wohl zu einem

Teil aus dem Zusammenspiel und der Interaktion verschiedener Bundespolitiken verstanden

werden, die sich gegenseitig verstärkten. Da die Entwicklung der NFA in dieser Hinsicht der

Herausbildung agglomerationspolitischer Programm vorangeht, bleibt aber bis zu einem ge-

wissen Grad trotzdem unklar, weshalb er sich politisch durchsetzen konnte.

Als Erklärungsfaktoren dafür kann angenommen werden, dass neben der Erkenntnis der Be-

deutung des Erhalts und Förderung der Funktionsfähigkeit von Stadtregionen als Motoren der

Schweizer Volkswirtschaft für das gesamte Land und auch im Kontext des entstandenen

Standortwettbewerbs, die Kompensationszahlungen für die Kernstädte vor einem verhand-

lungspolitischen Hintergrund zu betrachten sind (Experteninterview). Schliesslich sind es die

Stadtkantone, welche durch ihre grosse finanzielle Stärke einen gewichtigen Teil der Aus-

gleichszahlungen zu bewerkstelligen haben. Um die Solidarität dieser nicht zu überfordern,

wird ihnen zur Befriedigung ihrer Interessen das Gesamtpaket der NFA mit dem Lastenaus-

gleich als Dank für deren Annahme schmackhaft gemacht. Dies scheint im Lichte der Kon-

sensorientierung im Schweizerischen Föderalismus plausibel, verliert aber bei der Betrach-

tung der realen Mehrheitsverhältnisse wieder einen Teil seiner Erklärungskraft. Schliesslich

Page 54: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

53

sind die Bezahler-Kantone in einer deutlichen Minderheit gegenüber den Nutzniessern resp.

Empfängern der Reform. So bleibt als Interpretation letztendlich hauptsächlich der Lernpro-

zess über die Relevanz der Stadtregionen für die Schweizerische Volkswirtschaft und ge-

samtwirtschaftliche Kontext. Auch wird an diesem Beispiel deutlich, dass eine Trennung zwi-

schen „economic“ und „political viability“ nicht in jedem Fall sinnvoll resp. von praktischer

Relevanz ist.

Um zum politischen Prozess der NFA zurückzukehren: Der Bundesrat beauftragte nach der

Vernehmlassung mit seinem Beschluss vom 23. Oktober 1996 eine erweiterte Projektorgani-

sation, das Konzept in der eingeschlagenen Richtung mitsamt der Erweiterung um den Las-

tenausgleich für Kernstädte zu konkretisieren. Die Koordination unter den Kantonen nahm

neu die KdK wahr. Ihr wurde denn auch eine tragende Rolle zur Formulierung und Vermitt-

lung der kantonalen Zielsetzungen zuteil. Die Entstehung eines relativ kohärenten kollektiven

Akteurs, der gegenüber dem Bund eine zielorientierte Politik trotz unterschiedlicher Interes-

senlagen der Kantone relativ geschlossen vermitteln konnte, war für den politischen Erfolg

des Projektes wesentlich. Insbesondere die Disziplinierung seiner Mitglieder und die Konser-

vierung einer positiven Grundstimmung gegenüber den übergeordneten Zielen der Reform

haben dazu beigetragen (Braun 2003: 108, Wettstein 2007).

Die Ergebnisse des Schlussberichts zur Konkretisierung (EFD/KDK 1999) wurden im April

1999 vom Bundesrat zur Kenntnis genommen und in die zweite Vernehmlassung geschickt.

Insgesamt gab es dort knapp 2000 Änderungsanträge (EFD/KDK 2000). Als grösste daraufhin

vorgenommene Modifikation kann der Härteausgleich bezeichnet werden, der die Umstellung

vom alten zum neuen System abfedern sollte. Ansonsten bezogen sich die Vorschläge u.a. auf

die Berechnung des Ressourcenausgleichs. Grundsätzliche staatspolitische Bedenken hatten

nur die SP und der SGB. Auf der Grundlage der Vernehmlassungsergebnisse entwarf der

Bundesrat seine Botschaft vom 14. November 2001 mit dem Bundesbeschluss über die Ver-

fassungsänderungen sowie dem Finanz- und Lastenausgleichsgesetz (FiLaG) (Schweizeri-

scher Bundesrat 2001).

Zur parlamentarischen Auseinandersetzung mit der NFA: Zwischen Februar und September

2002 wurde sie von einer Spezialkommission des Ständerates behandelt, welche das Geschäft

in der Herbstsession dem Plenum überwies. Die Vorlage stiess dort auf grosse Zustimmung.

In der Schlussabstimmung vom 3. Oktober 2003 nahm der Ständerat sowohl den Bundesbe-

Page 55: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

54

schluss zur NFA (Verfassungsvorlage), als auch das Bundesgesetz über den Finanz- und Las-

tenausgleich FiLaG deutlich an. Im Nationalrat wurde die Vorlage ebenfalls in einer Spezial-

kommission vorberaten und für die Sommersession 2003 dem Plenum unterbreitet. Die bür-

gerlichen Fraktionen begrüssten die Vorlage grossmehrheitlich, während die Ratslinke ihr

ablehnend gegenüber stand38. In der Schlussabstimmung vom 3. Oktober 2003 erhielten die

beiden Vorlagen jeweils knapp 70% Zustimmung.

Das obligatorische Referendum zur Verfassungsänderung wurde am 28. November 2004 in

einer Volksabstimmung mit gesamthaft 64,4 % der Stimmen angenommen. Nur die Kantone

Zug, Nidwalden und Schwyz lehnten die Vorlage ab. Erst als das Rahmenwerk auf festen

Füssen stand, wurden die eigentlichen Finanzierungsfragen angegangen. So konnte erreicht

werden, dass die Verbesserungsvorschläge und Einwände in die Konkretisierung des Vorha-

bens im zweiten Vernehmlassungsverfahren eingeschlossen werden konnten und es damit für

eine breite Basis annehmbar war (Wettstein 2001: 48).

Durch die ausstehenden Dotierungsdebatten konnte jedoch noch nicht sichergestellt werden,

dass die Vorlage auch zur Anwendung kommen und damit eine „political viability“ erreicht

werden würde. Rückblickend über den ganzen Prozess, war denn auch nicht ganz unerwartet

deren Bestätigung die grosse Schwierigkeit (Experteninterview).

Am 22. Juni 2007 schliesslich stimmten National- und Ständerat mit jeweils deutlichen Mehr-

heiten den Ausführungsgesetzgebungen zu. In den parlamentarischen Verhandlungen zuvor

kam es noch zu zahlreichen Änderungen, welche die Dotierungen und die spezifischen

Ausgestaltungen der Instrumente betrafen. Aufgrund der Menge an Modifikationen konnte

nicht mehr analysiert werden, welche Ursache resp. welcher Urheber für die einzelnen

Veränderungen verantwortlich war und wie diese zusammenhängen. Es kann aber behauptet

werden, dass sowohl parteipolitische wie auch regionale Interessen darin zur Geltung kamen.

7.5 Fazit

Die NFA trat am 1. Januar 2008 in Kraft und gilt als eine der grössten Föderalismusreformen

in der Schweiz seit der Gründung des Bundesstaates 1848 (Experteninterviews). Das Ausmass

einer solchen Reform überrascht angesichts der für den Föderalismus typischen Politikver-

38 Deren Befürchtungen betrafen einen möglichen Leistungsrückgang in den kollektiven IV-Massnahmen durch

deren Kantonalisierung.

Page 56: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

55

flechtung, der grossen Anzahl Vetospielern mit stark divergierenden partei- und regionalpoli-

tischen Interessen und der daraus gefolgerten strukturellen Reformblockade (Czada 2003:

178). Ihre Entstehungsgeschichte wurde denn auch nicht auf einem einzelnen Blatt geschrie-

ben, vielmehr ist sie vor dem Hintergrund einer gescheiterten Reform in den 1980er Jahren,

der aufkommenden Rezession der 1990er Jahre und deren finanzpolitischen Implikationen für

die kantonalen Haushalte sowie einer weitsichtigen Projektführung zur Integration unter-

schiedlichster Interessen und einer gelungenen Vermittlung von Kausalzusammenhängen zu

erklären (Braun 2009, Wettstein 2002, 2007, Freiburghaus 2001, Hirter et al. 2005, Experten-

interviews).

Hinsichtlich der Durchsetzung von neuen Ideen in der NFA muss Folgendes angebracht wer-

den: Von einer grundlegend „neuen“ Idee zu sprechen, wäre verfehlt. Die ökonomische Theo-

rie des Finanzausgleichs auf Basis derjenigen des Föderalismus besteht schon seit längerer

Zeit. Und wie in den Expertengesprächen betont wurde, konnten ausländische Vorbilder nicht

grundsätzlich ausgeblendet werden, doch hätten sie nur mit grössten Einschränkungen ange-

wendet werden können, weil sich die verschiedenen vergleichbaren föderalen Systeme zu

stark unterscheiden. Aus diesem Grund kann hier auch nicht von einer Diffusion im prakti-

schen Sinn gesprochen werden, sondern eher von einer Konkretisierung der theoretischen

Prinzipien.

Dass bei einer solch komplexen und weitläufigen Materie wie der Aufgabenneuordnung und

dem Finanzausgleich Experten eine wichtige Rolle spielten, ist an sich nicht überraschend.

Die Wissenschaft kann Orientierungs- und Sachwissen bereitstellen, welches der Politik Lö-

sungen für ein Problem aufzeigen kann, welche aus einer neutralen und objektiven Warte her-

rühren und dadurch, gerade bei Verteilungskonflikten, Legitimation erzeugt. Der grosse Er-

folg der Experten-Arbeit ist denn auch darin zu sehen, dass sie durch ihre Argumentationen

Kausalketten herstellen konnten, welche dem ganzen Projekt einen „réferentiel global“, ein

umfassendes Rahmenwerk verschafften. Die Bildung eines solchen „frame“ erhält seine Be-

deutung durch die kausale und vermittelbare Anbindung an die gesamte Funktionalität des

Systems. Dadurch konnten die Akteure mittels stringenter Zusammenhänge neue Wissensbe-

stände aufnehmen und durch den Vergleich mit dem alten System einen Lernprozess initiali-

sieren. Der Ideenwettbewerb um die „economic viability“ konnte deshalb ohne grössere Wi-

derstände entschieden werden. Für diese Durchsetzung der ausgleichsleitenden Prinzipien im

wissenschaftlichen Wettkampf war es aber auch wichtig, dass nur Experten berufen wurden,

Page 57: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

56

welche alle kohärente theoretische Richtungen vertraten, den „wirtschaftspolitischen

Mainstream“ und die zwar politisch interessiert waren, sich aber nicht einer parteipolitischen

Schublade zuordnen liessen. Dadurch konnte die Glaubwürdigkeit ihrer Vorschläge stark ge-

steigert werden was schlussendlich auch zur Implementierung ebendieser führte (Expertenin-

terview).

Nur mit einem kausalen Rahmen aber Geschlossenheit herzustellen ist aber eine nicht hinrei-

chende Begründung. Es muss dafür die doppelte Wirkungsweise des Begriffs Effizienz be-

müht werden: Diese hatte zum einen die Folge, dass die Akteure in einem ersten Schritt ihre

Partikularinteressen an das Allgemeininteresse binden konnten und zum anderen, von den

Gewinnen durch verbesserte Wirkungsabläufe der Transferzahlungen angelockt, ihre indivi-

duellen Präferenzen befriedigen konnten. Erst so wurde der Begriff der Effizienz als allge-

meine Interpretationshilfe für die Diagnose der Problemlösung je länger je mehr zum Inbe-

griff der gesamten Reform (Braun 2009: 100f.).39

Als „sortenreine“ Kopie einer wissenschaftlichen Doktrin kann die Umsetzung dennoch nicht

gewertet werden. Das heutige Modell entspricht einer Anwendung für die politischen Ver-

hältnisse. Den Charakteristika des Schweizerischen Systems, d.h. dem Grad der Autonomie

der substaatlichen Ebene, den sozio-ökonomischen und topographischen Disparitäten wie

auch den unterschiedlichen Präferenzen der involvierten Akteure hätte retrospektiv ohne diese

Anpassung nicht gerecht werden können. Es wird anhand der Ergebnisse, d.h. des Policy-

Outputs offensichtlich, dass interne Determinanten einen wesentlichen Einfluss auf die Aus-

gestaltung und insbesondere auf die Dotierung der Instrumente hatten. Deutlichstes Zeichen

der Aufrechnung von Widerständen ist die Schaffung des Härtefallausgleichs als systemfrem-

des Element. Die Funktionsweise der systemleitenden Prinzipien beim Finanzausgleich hat

dies aber nur sehr unwesentlich beeinflusst.

Im Widerspruch zur Annahme über die Einflussphase interner Determinanten hauptsächlich

39 Der zweite zentrale Begriff in der wissenschaftlichen Begründung des Reformweges, die Subsidiarität, wirkte

neben der konnektiven Wirkung der Effizienz als „Versicherung“ für die Kantone, genügend Mittel für die

Erbringung ihrer öffentlicher Güter zu erhalten und in ihrer Autonomie vom Bund nicht eingeschränkt zu wer-

den. Denn er formte das Verhältnis zwischen den Verhandlungspartnern vor dem Hintergrund, die Einflusssphä-

re des anderen wirkungsvoll beschränkt zu sehen. Subsidiarität war wie ein „gegenseitiges Versprechen“, die

Aufgabenteilung entlang einer zweckmässigen Linie zu koordinieren (ebd.: 101).

Page 58: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

57

in der politischen und nicht der wissenschaftlichen Debatte steht die Einführung des Lasten-

ausgleichs für Kernstädte. Obwohl die Expertengruppe gemäss Experteninterviews persönlich

stark für den Ausgleich von sozialer Segregation und Externalitäten zulasten von Kernstädten

einsteht - eines ihrer Mitglieder, René L. Frey, gehört denn auch zu den wichtigsten theoreti-

schen Verfechtern der Internalisierung von Spillover - hatte sie aus Angst um eine Überla-

dung der Vorlag und einem Scheitern der Reform „den Mut nicht“, diesen bei der Konstrukti-

on des Modells zu integrieren. Erst die Reaktionen der Städte und Stadtkantone in der ersten

Vernehmlassung 1996, welche ihre Leistungen kompensiert sahen wollten, brachten dieses

Thema auf die politische Agenda. Weshalb es schliesslich „zurück“ in den Finanzausgleich

fand, ist retrospektiv nicht ganz eindeutig zu bestimmen. Eine wichtige Rolle spielte sicher-

lich die damalige öffentliche und politische Debatte über die Bedeutung von Stadtregionen für

die Volkswirtschaft, welche ja bis heute nicht abgeklungen ist. Dadurch wird der Wettbe-

werbsmechanismus hervorgehoben. Ebenfalls zentral für die Umsetzung war die Entwicklung

auf Bundesebene und damit interagierende Policies. Durch die Beschäftigung mit zentralörtli-

chen Thematiken in der Raumplanung und insbesondere in der Agglomerationspolitik sowie

durch die Festschreibung der Rücksichtnahme auf Städte und Agglomerationen in der revi-

dierten Bundesverfassung, konnten die politischen Akteure dieses Thema und seine kausalen

Implikationen in ihre Sinninterpretationen integrieren. Mit einen Ausschlag zugunsten deren

Integration gegeben hat laut den Aussagen in Expertengesprächen auch die Tatsache, dass die

Stadtkantone fast alle zu den reichen Kantonen und somit zu den Financiers des Ressourcen-

ausgleichs zählten. Um sie für ihre steigenden Beitragszahlungen zu entschädigen, wurden sie

mit dem Lastenausgleich „bestochen“.

Hinsichtlich Halls Phasenmodell ist schon zum jetzigen Zeitpunkt zu bemerken, dass die Un-

terscheidungen zwischen des Prozessschritten fliessend, wenn nicht vielmehr überlappend

verläuft.Festzuhalten ist schlussendlich, dass der NFA keine paradigmatische Veränderung

des Finanzausgleichs darstellt. Ein Paradigmenwandel gemäss Hall findet nur statt, wenn es

zu einer Veränderung der Zielhierarchien kommt. Die Ziele wurden aber nur insofern leicht

verändert, als ein neues Ziel, der Ausgleich von Lasten durch Zentrumsleistungen von Städ-

ten, hinzugekommen ist. Dies hat aber keinen Einfluss auf die Zielhierarchie der Ausgleichs-

und Verteilungsintentionen, sondern stellt eine Erweiterung dar. Das erstes Ziel ist immer

noch der Abbau von finanziellen Disparitäten sowie der derjenige von ausserordentlichen

Lasten. Was somit eine Änderung erfahren hat, was aber nur ein Lernen 2. Ordnung darstellt,

sind die Mechanismen, mit welchen diese Ziele erreicht werden sollen. Fiskalische Äquiva-

Page 59: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

58

lenz und Subsidiarität spielten schon vorher eine zentrale Rolle, nur wurden sie durch den

inkrementellen Wandel stark verwässert, wodurch sie ihre Funktion nicht mehr erfüllen konn-

ten. Ihre Wirkung wurde vor dem Hintergrund von NPM-Ansätzen wieder aufgefrischt. Die

vier neuen Mechanismen resp. Prinzipien, nach welchen Finanzausgleich und Aufgabenord-

nung sich orientieren sind wie oben dargelegt, dass (1) nur noch exogen verursachte Dispari-

täten ausgeglichen werden, (2) pro Instrument nur ein Ziel verfolgt wird, (3) Globalbeiträge

anstelle zweckgebundener Transfers getätigt werden und (4) Externalitäten, im Besonderen

solche, unter welchen die Leistungen Kernstädte leiden, ausgeglichen werden.

Durch die Abwesenheit eines Paradigmenwandel erklärt sich auch, weshalb die Durchsetz-

barkeit auf administrativer Ebene in dieser Untersuchung keine Rolle spielte. Die behördli-

chen Abläufe für die Umsetzung und Berechnung des neuen Finanzausgleichs scheinen sich

nicht fundamental von denjenigen des alten zu unterscheiden. Zumindest konnte für das Vor-

handensein und die Relevanz einer „administrativ viability“ weder durch Dokumentenanalyse

noch durch Aussagen der befragten Experten ein Anzeichen gefunden werden.

8 Innerkantonale Reformen

8.1 Kanton Bern

8.1.1 Inhalt des Finanzausgleichs im Kanton Bern

Seit dem 1. Januar 2002 ist der neue Finanzausgleich des Kantons Bern in Kraft. Grundlage

ist das Gesetz über den Finanz- und Lastenausgleich FILAG, welchem der Grosse Rat, das

kantonale Parlament, am 27. November 2000 zugestimmt hat. Das bedeutendste Ziel der

Neuordnung des Finanz- und Lastenausgleichs liegt darin, finanzschwachen und strukturell

benachteiligten Gemeinden angemessene Mittel zur Verfügung zu stellen und damit ihre Au-

tonomie zu stärken.

Neben der Reform des Finanzausgleichs im engeren Sinne wurde auch eine Neuordnung der

Aufgabenverteilung vorgenommen40. Die beiden Teile wurden immer als integrale Bestand-

40Der wichtigste Aspekt der Aufgabenneuordnung betrifft die Ausdünnung der, welche aber immer noch den

grössten Teil des Finanzausgleichs im weiteren Sinn ausmacht. Zahlreiche Bereiche wurden – entsprechend dem

Vorgehen auf Bundesstufe – entweder Kantonalisiert oder die Finanzierung der Verbundaufgaben wurde neu

geregelt (Regierungsrat des Kantons Bern 2000a: 11ff.).

Page 60: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

59

teile eines Ganzen betrachtet (Experteninterviews). Wegen der Intergation des Lastenaus-

gleichs im FILAG kann er hier nur z.T. separat behandelt werden.

Der Berner Finanzausgleich verfügt über drei Hauptmechanismen mit insgesamt fünf Instru-

menten (Finanzdirektion des Kantons Bern 2000: 2ff.):

(I) Direkter Finanzausgleich

Dieser ist das Hauptinstrument des Finanzausgleichs. Mit ihm sollen die Finanzkraftunter-

schiede zwischen armen und reichen Gemeinden verringert werden. Er verfolgt daher eine

distributive Wirkung. Als Grundlage für die Berechnung des direkten Finanzausgleichs wird

der harmonisierte Steuerertragsindex HEI der Gemeinden verwendet. Dieser berechnet sich

durch die Indexierung der harmonisierten Pro-Kopf-Steuererträge und entspricht somit einer

Bemessung durch nicht beeinflussbare Kriterien.

Die Berechnung der direkten Ausgleichszahlung ist zweistufig geregelt:

(1) Disparitätenabbau: Finanzstarke Gemeinden mit einem HEI über dem Indexwert 100 be-

zahlen eine Ausgleichsleistung, welche die Differenz ihres HEI zum HEI von 100 um 25%

reduziert. Finanzschwache Gemeinden mit einem HEI unter 100 erhalten einen Zuschuss.

Dieser reduziert die Differenz ihres HEI zum HEI von 100 ebenfalls um 25%. Dieses Teilin-

strument entspricht einem horizontalen Ausgleich, weil nur die Gemeinden diesen bewerkstel-

ligen. Das Volumen beträgt ca. 76 Mio. CHF.

(2) Mindestausstattung: Gemeinden mit einem HEI nach Disparitätenabbau von unter

80 erhalten eine zusätzliche Ausgleichsleistung. Dies soll be-

wirken, dass alle Gemeinden nach dem Finanzausgleich einen HEI von mindestens

80 haben. Die Mindestausstattung ist ein vertikales Instrument, weil diese nur durch den Kan-

ton finanziert wird. Der Umfang liegt bei ca. 32 Mio. CHF

(II) Sonderlastenausgleich

Mit dem Sonderlastenausgleich wird ein allokatives Ziel verfolgt, nämlich die Kompensation

von als ungerechtfertigt betrachteten Lasten.

(3) Abgeltung für Zentrumslasten

Zur Abgeltung von Zentrumsleistungen, die auch von Bürgern anderer Gebietskörperschaften

konsumiert werden, wurde eine Berechnung dieser Lasten vorgenommen, welche sich auf

exogene Kriterien stützt (Ecoplan 1997: 11f.). Den am stärksten belasteten Städten Bern, Biel

und Thun wird eine pauschale Abgeltung ihrer Sonderlasten zugesprochen. Bern erhält 32,12

Page 61: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

60

Mio. CHF, Biel 8,73 und Thun 1,25. Zudem werden die massgebenden Zentrumslasten41 bei

der Berechnung des HEI vom Gesamtsteuerertrag abgezogen. Die Finanzierung wird zu drei

Vierteln vom Kanton und zu einem Viertel von den Gemeinden der jeweiligen Agglomeration

bezahlt.

(4) Abgeltungen für Gemeinden mit hoher Steuerbelastung

In die Kategorie der Gemeinden mit hoher Steuerbelastung fallen solche mit einer Ge-

samtsteuerbelastung, welche bei der harmonisierten Steuerbelastung einen Indexwert von 105

bis 115 aufweisen. Von diesen Gemeinden erhalten aber nur diejenigen einen Zuschuss, wel-

che entweder eine über 80% über dem Durchschnitt liegende Gemeindefläche pro Kopf oder

eine über 80% über dem Durchschnitt liegende Strassenlänge pro Kopf ausweisen. Das Vo-

lumen dieser Ausgleichsteilinstrumente liegt bei 10 resp. 5 Mio. CHF.

(III) Härtefallausgleich

(5) Mit diesem Instrument werden die durch die Neuordnung wegfallenden Beiträge kompen-

siert. Der Härtefallausgleich wird über sieben Jahre mit abnehmender Ausschüttung einge-

setzt.

Zur Beurteilung des Berner Finanzausgleichs entlang der aus der ökonomischen Theorie des

Finanzausgleichs abgeleiteten Vorgaben ist zu bemerken, dass es sich mit Ausnahme von In-

strument (4) an exogenen Bestimmungskriterien orientiert. Die Ziele der Instrumente sind

gemäss der Tinbergen-Regel getrennt nach Allokations- und Distributionsziel. Zudem sind

alle Beiträge zur freien Verfügung der Gemeinden. Allein der Härtefallausgleich ist ein sys-

temfremdes Instrument.

Im Vergleich mit der Lösung auf Bundesebene ist zur Prüfung der Ausprägungen der abhän-

gigen Variable, ob Gemeinsamkeiten vorliegen, auf folgende Charakteristika zu verweisen:

Gesamtsystem

- Ressourcen, Lasten- und Härtefallausgleichsinstrumente sind in Bern wie in der NFA

vorhanden. Dadurch werden Allokations- und Distributionsziele getrennt. So wird die

Tinbergen-Regel erfüllt.

41 Im Unterschied zu den pauschalen Abgeltungen, welche einen politischen Kompromiss darstellen, werden

beim Anzug die tatsächlich berechneten Lasten abgezogen. Für Bern sind dies 56,7 Mio. CHF, für Biel 16,3 und

für Thun 5,0. Von dieser Begünstigung profitieren auch Burgdorf (2,0 Mio. CHF) und Langenthal (1,8) (Regie-

rungsrat des Kantons Bern 2000a: 8f.).

Page 62: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

61

- Wie bei der NFA sind alle Beiträge ohne Zweckbindung.

- Zwar sind in Bern durch die Verbundaufgaben noch einzelne indirekte Ausgleichsin-

strumente vorhanden, deren Zuordnung gilt in einem modernen IKFA jedoch dem Fi-

nanzausgleich im weiteren Sinne.42

Einzelne Instrumente

Ressourcenausgleich

- Die Berechnungsgrundlage stellt auf die harmonisierten steuerlichen Einnahmepoten-

tiale ab. Dies entspricht einer grösst möglichen Gleichheit.

- Die Mindestausstattung beim Ressourcenausgleich beträgt 80 und nicht wie bei der

NFA 85%.

Lastenausgleich

- Sowohl in Bern und der NFA gibt es jeweils ein Teilinstrument, welches entweder

Lasten der Zentren oder der ländlichen Gebiete ausgleicht.

- Der Lastenausgleich für Kernstädte gleicht in Bern nur die finanziellen Folgen räumli-

cher Spillover entsprechend dem 2. Teilinstrument des SLA aus, deren Berechnungen

im Unterschied zum Bund auf effektiven Kosten und nicht einem Annäherungsmass

beruhen. Kosten durch Segregation werden nicht abgegolten.

- Wie beim GLA des Bundes werden schwierige geographische Verhältnisse ausgegli-

chen. Die Berechnungskriterien sind jedoch nicht dieselben.

Härtefallausgleich

- Der Härtefallausgleich gleicht in Bern wie auf Bundesebene Härten beim Übergang

vom alten zum neuen System aus, sein Betrag verringert sich ebenfalls über Zeit.

- Die Bemessung richtet sich bei der NFA nach der Ressourcenstärke und der Einwoh-

nerzahl, in Bern hingegen nach der Mehrbelastung in Steuerprozenten und ist somit

beeinflussbar. Die Wirkung dieses Elements hat beim Bund eine Dauer von 28 Jahren,

in Bern sind es sieben.

Die Übereinstimmungen zwischen dem Berner und dem bundsstaatlichen Finanzausgleichs

sind abgesehen von kleineren Unterschieden gross. Insbesondere die Ähnlichkeit der Ziele

des Gesamtsystems ist frappant, wo sich beide Policies nach denselben wirtschaftswissen- 42 Vgl. dazu FN 40.

Page 63: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

62

schaftlichen Kriterien richten. Die Ziele der beiden Lastenausgleichsinstrumente sind eben-

falls äquivalent, konkret werden aber andere Lasten ausgeglichen, weshalb man sich auch auf

unterschiedliche Berechnungskriterien stützt. Anhand dieser Gegenüberstellung sind die Vor-

aussetzungen für eine Diffusion gegeben. Im Folgenden soll versucht werden nachzuweisen,

ob dies tatsächlich der Fall war resp. wie der Einfluss von kantonalen Charakteristika auf den

Policy-Output zu werten ist.

8.1.2 Krise

Bevor anhand der Politikzyklusses von Hall die Krise, welche zur Reform des Bernischen

Finanz- und Lastenausgleichs führte, nachgezeichnet wird, muss zuerst auf den politischen

Kontext eingegangen werden, der dieser Krise voranging.

Ab Mitte der 1980er Jahre wurde im Kanton Bern intensiv über die Steuerbelastung im Ver-

gleich zu anderen Kantonen diskutiert (Miesch 1996: 251). Da Bern eine im Schweizerischen

Mittel überdurchschnittlich hohe Steuerbelastung aufzuweisen hatte, drängte dieses Thema

auch in die öffentliche Diskussion. In diesem Kontext kam es im Grossen Rat von verschie-

dener Seite zu parlamentarischen Vorstössen, welche neben der Angleichung von Steuersät-

zen auch zusätzliche Mittel für finanzschwache Gemeinden verlangten. Diese Anliegen kon-

kretisierten sich in den Forderungen nach einer Überprüfung des Subventions- und Lasten-

ausgleichswesens (ebd.).43 1989 wurde durch das Gesetz über den Steuerrabatt GS und 1991

mit einer Steuergesetzreform (Gesetz über die direkten Staats- und Gemeindesteuern StG) die

Steuerbelastung gesenkt, was wiederum die armen Gemeinden, deren Haushalte durch diese

Reform schwer getroffen wurden, in ihren Bestrebungen, einen verstärkten Ausgleich zu be-

mühen, bestärkte (Miesch 1996: 252).

Dieser revidierte Finanzausgleich trat am 1. Januar 1992 in Kraft (Gesetz über den Finanz-

ausgleich vom 9. Dezember 1990 FAG). Seine Stossrichtung lässt sich mit dem Hinweis auf

einen ausgebauten Ausgleich zugunsten finanziell schwacher Gemeinden gut charakterisieren.

Vorgenommen wurde dies hauptsächlich mit dem Instrument des direkten Lastenausgleichs.

Eine indirekte Abgeltung der zentralörtlichen Leistungen wurde zwar vorgenommen, indem

43 Der Kanton Bern kennt seit 1953 ein Finanzausgleichsgesetz, das der Entlastung von Gemeinden mit hohen

Steuersätzen diente. 1968 wurde der indirekte Finanzausgleich eingeführt und 1980 die Finanzierung, welche bis

dahin von den beiden kantonalen Staatsbanken getragen wurde zugunsten einer Umlagefinanzierung durch den

Kanton und reiche Gemeinden neu geregelt (Miesch 1995: 4f.).

Page 64: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

63

mittels einer indizierten Berechnung der Lasten bei der Bemessung der Steuerkraft, welche

die Berechnungsgrundlage für die Ausgleichszahlungen stellt, Ausgaben der Städte einflies-

sen konnten. (ebd.: 254). Die anderen Elemente sollten zu einem späteren Zeitpunkt überar-

beitet werden. Hall würde in diesem Fall von Lernen 1. Ordnung sprechen, da die Instrumente

nur leicht angepasst wurden.

Ab 1992 umfasste der Finanzausgleich ein Volumen von 3,01 Mia. CHF, wovon 60 Mio. über

den direkten, 2,5 Mia. über den indirekten Finanzausgleich und 450 Mio. durch Staatsbeiträge

entrichtet wurden (ebd.).

Zwar wurde durch diese Revision eine Angleichung der Steuerbelastungen und ein ausgegli-

chenerer Finanzkraftindex erreicht - alle Gemeinden verfügten über mindestens 70% des kan-

tonalen Mittels - doch im Vollzug des FAG zeigten sich offensichtliche Mängel (Miesch

1995: 12f.): Die Transparenz des Systems wurde durch seine Komplexität und die unsystema-

tischen Anpassungen deutlich verringert, auch wurden durch zwei Verwaltungsbeschwerden44

die Unzufriedenheit gewisser Gemeinden verdeutlichten und es gab es auch Teilinstrumente,

welche explizit nicht den Zielvorgaben entsprachen. Insbesondere den reichen Gemeinden der

Agglomeration Bern waren die ineffizienten Regelungen und die damit verbundenen Fehlan-

reize, welche ärmere Gemeinden zu (fremdfinanzierten) überhöhten Investitionsausgaben

verleiteten, ein Dorn im Auge (Experteninterview). Zudem waren, wie unten noch detaillierter

aufgezeigt wird, auch für die Städte Effizienzverbesserungen ein wichtiges Anliegen.

Von den Experten wurde einhellig die schwierige Lage des Bernischen Haushalts hervorge-

hoben. Die Finanzlage war „desolat“ und der Haushalt „schlecht geführt“. Hinzu kam das

Debakel um die Berner Kantonalbank45, das für den Kanton finanzielle Folgen in der Höhe

44 Die Beschwerden von Muri und Mörigen, welche die Rechtmässigkeit der rückwirkenden Inkraftsetzung des

FAG und die Progressionsregelungen für finanzkräftige Gemeinden anzweifelten, wurde abgewiesen; diejenige

der Städte Bern und Biel, welche die Berechnung der Bevölkerungszahlen für die ausgleichsbestimmenden

Kennzahlen auf Basis des zivilrechtlichen anstelle des wirtschaftlichen Wohnsitzprinzips hinterfragten, wurde

dagegen für gut befunden, was eine rückwirkende Neuberechnung der Finanzausgleichzahlungen zur Folge hatte

(Miesch 1996: 268). 45 Die Berner Kantonalbank wurde, ähnlich der heutigen Finanzkrise, durch ein Kreditmissmanagement wegen

zu vieler „fauler“ Kredite zu einer ausserordentlich hohen Wertberichtigung und zur Auslagerung dieser Kredite

in eine Auffanggesellschaft (Dezennium AG) gezwungen, welche vom Kanton durch Staatsgarantien geführt

wurde (EBK 1992: 34f., 1993: 39).

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64

von mehr als 1,5 Mia. CHF hatte. Gleichzeitig traten erste Anzeichen einer Rezession auf,

was insbesondere die Stadt Bern stark traf, hatte diese doch erst kurz zuvor die Steuern ge-

senkt, was das Haushaltsdefizit „explodieren“ liess. Die wirtschaftspolitische Situation des

Kantons, welche sich im parlamentarischen Alltag durch die Beschäftigung mit einer Vielzahl

von Sparpaketen äusserte, als auch diejenige der kleinen Gemeinden, die volkswirtschaftliche

Lage, gekennzeichnet durch die aufkommend Rezession sowie ein „Bauchgefühl“ über die

Ineffizienz des Ausgleichssystems bewirkten einen Drang nach grundlegenden Reformen.

Diese Konstellation kann im Sine Halls als Übergang zwischen Krise und der nachlassenden

Erklärungskraft der Policy-Lösung im IKFA bezeichnet werden.

8.1.3 Policy-Anomalien

Gemäss Art. 6 Abs. 4 FAG ist periodisch eine Erfolgskontrolle des direkten Finanzausgleichs

vorzunehmen, was Ende 1995 erstmals der Fall geworden wäre. Die Verwaltung nutzte diese

Vorgabe aber auch, um eine prospektive Evaluation durchzuführen. Hier muss angefügt wer-

den, dass es 1994, als Hans Lauri (SVP) neu in den Regierungsrat gewählt wurde, einen poli-

tischen Wechsel an der Spitze des Finanzdepartements zu verzeichnen gab, der von den Ex-

perten einstimmig als wichtige Voraussetzung und Triebfeder der Reform bezeichnet wurde.

Unterstützt wurde dieses Vorgehen der Verwaltung durch die vom Grossen Rat anfangs 1994

überwiesene „Motion Joder“, welche eine Neuverteilung der Aufgaben zwischen Kanton und

Gemeinden forderte (Miesch 1996: 271). Gemäss Expertenaussagen stand eine nur auf den

Finanzausgleich im engeren Sinne begrenzte Reform nie zur Debatte. Dass auch die Aufga-

benzuteilung hinterfragt werden musste, wurde zum einen aus der Theorie resp. Kohärenz-

gründen wie auch vom Beispiel der NFA abgeleitet.

Der Regierungsrat bildete deshalb im April 1994 eine Projektorganisation (Gesamtprojektaus-

schuss Aufgabenteilung GPA AT), welche unter dem gemeinsamen Präsidium des Finanzdi-

rektors und des Justiz-, Gemeinde- und Kirchendirektors stand. Die Projektleitung wurde von

zwei externen Beratern eingenommen. Neben den Vertretern aller betroffenen Verwaltungs-

bereiche hatten auch Repräsentanten der Gemeinden und Gemeindeverbände Einsitz, es war

also ein paritätischer Gesamtprojektausschuss (ebd.). Im Oktober 1994 wurde diese Organisa-

tion auf zwei Teilprojekte aufgeteilt, wobei sich Teilprojekt 1 (TP1) mit der Aufgabenteilung,

und das andere (TP2) mit der Überprüfung des bestehenden Finanz- und Lastenausgleichs

sowie der Entwicklung eines neuen Modells befasste.

Page 66: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

65

So wurden erste Bemühungen, neue Modelle zu entwerfen, innerhalb der Verwaltung unter-

nommen. Der Anfangspunkt bestand darin, die Anforderungen an ein neues System zu kon-

kretisieren. Dies kann als der effektive Beginn der Suche nach einem alternativen Modell ge-

mäss Hall charakterisiert werden. Gleichzeitig wurde die Aufgabe zur Evaluation Claude

Jeanrenaud, Professor für Regionalwirtschaft an der Universität Neuenburg, übertragen. Jean-

renaud wurde ausgewählt, weil er 1994 schon an der Evaluation des bundesstaatlichen Fi-

nanzausgleichs und der Erarbeitung neuer Vorschläge für die NFA (Frey et al. 1994) beteiligt

war (Experteninterview). Hier läst sich somit ein erster personalisierter Ansatzpunkt für den

Diffusionsprozess einer Policy-Idee festmachen. Gemeinsam mit der Beratungsfirma B,S,S

wurde die Evaluation und die Entwicklung einer neuen Lösung vorgenommen, welche 1996

veröffentlicht wurde (Jeanrenaud/Spillmann 1996). Die Ergebnisse bestätigten die geäusserten

Vermutungen über die Fehlfunktionen und die ungenügende Effizienz des Systems. Die Män-

gel waren die Folgenden (Jeanrenaud 1996: 153ff.):

- Gesamtsystem: Die Unterschiede zwischen armen und reichen Gemeinden haben sich

in den letzten Jahren vergrössert statt verkleinert.

- Ungenaue und fehlende Zielsetzungen auch in zeitlicher Hinsicht verunmöglichen eine

konkrete Wirkungsanalyse und Mängel des Systems werden so nicht erkannt.

- Die Interdependenzen der verschiedenen Ausgleichsinstrumente erschweren die Steu-

erbarkeit des Systems und schwächen deren Transparenz. Dadurch kommt es auch zu

einer Vermischung zwischen Allokations- und Distributionszielen.

- Indirekter Lastenausgleich: Durch die Dominanz zweckgebundener Ausgleichsbeiträ-

ge durch den indirekten Lastenausgleich wird der finanzpolitische Spielraum und da-

mit die Autonomie der Gemeinden stark eingeschränkt. Dies widerspricht der Orien-

tierung am Subsidiaritätsprinzip.

- Die Verursacher von Kosten werden nur zu einem geringen Teil zu deren Finanzie-

rung herangezogen, was falsche Anreize setzt und eine überdurchschnittliche Auswei-

tung des Leistungsangebots zu Folge hat. Die fiskalische Äquivalenz wird dadurch

nicht eingehalten.

- Durch die Inputorientierung, d.h. die ausgabenseitigen Berechnungsgrundlagen, beste-

hen weder Spar- noch Effizienzanreize. Die Berechnung richtet sich somit nach endo-

genen Kriterien.

- Staatsbeiträge: Für dieses Instrument gelten im Allgemeinen dieselben Einschränkun-

gen wie für den indirekten Lastenausgleich.

Page 67: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

66

- Direkter Finanzausgleich: Dieser ist mit 60 Mio. CHF im Verhältnis zu den anderen

Instrumenten massiv unterdotiert.

- Abgeltung der Zentrumslasten: Diese Massnahmen vermindern die Netto-

Ausgleichszahlungen der Städte nicht, sondern wirken kontraproduktiv.

Die Implikationen des bestehenden Systems widersprechen gemäss der ökonomischen Theo-

rie des Finanzausgleichs einer ganzen Reihe von wichtigen finanzwissenschaftlichen Prinzi-

pien. Durch die Publikation dieser Evaluation verlor das alte System an Erklärungskraft, weil

dieses systematisch diskreditiert in dem Fehlfunktionen aufgezeigt wurden.

Da durch Jeanrenaud und Spillmann gleichzeitig ein Vorschlag für ein neues System gemacht

wurde, stellt dieser Zeitpunkt gleichsam den Anfangspunkt des Ideenwettbewerbs für die neu-

en Prinzipien dar („economic viability“). Wie bei der NFA wird hier durch die verwaltungsin-

ternen Vorarbeiten deutlich, dass der Übergang zwischen Krise, Erklärungsverlust des alten

Systems und der Suche nach neuen Lösungen fliessend ist und die Elemente sich teilweise

auch überlappen.

8.1.4 Economic Vilability

Wie oben angedeutet, wurden zu Beginn des Jahres 1995 schon verwaltungsintern die Zielset-

zungen des neuen Systems in Angriff genommen. Im April dieses Jahres wurde mit einer

Vorstudie die Projektabwicklung erarbeitet (Regierungsrat des Kantons Bern 1998: 11). Der

Zwischenbericht wurde vom TP2 im Frühling 1996 dem GPA AT vorgelegt. Zu diesem Zwi-

schenbericht gehört auch die erwähnte Studie von Jeanrenaud und Spillmann (1996). Diese

Ergebnisse wurden gleichzeitig auch der Öffentlichkeit vorgestellt und auch die Aufsichtrats-

kommission des Grossen Rates wurde laufend über die Arbeiten informiert (ebd.).

Um den Anliegen der städtischen Zentren nach einer gerechteren Verteilung der Zentrumslas-

ten besser Rechnung tragen zu können, wurde im Juni 1996 eine spezielle Arbeitsgruppe Re-

gionaler Lastenausgleich (RELA) unter der Leitung von Ulrich Zimmerli, Rechtsprofessor an

der Universität Bern und Ständerat (SVP) von 1986 bis 1998, eingesetzt. Für die „economic

viability“ des Lastenausgleichs für Kernstädte war dies aber nicht der Startschuss, sondern

viel mehr der Zieleinlauf. Denn dass schon zu einem früheren Zeitpunkt in Fachkreisen wie in

der öffentlichen Wahrnehmung das Wissen über das Vorliegen von Zentrumslasten bestand,

steht ausser Frage. Die Schwierigkeit bei der Untersuchung in dieser Frage liegt somit in der

Einschätzung, wann sie von der wissenschaftlichen Seite als politisch durchsetzbar betrachtet

Page 68: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

67

wurden, d.h. den Schnittpunkt zwischen „economic“ und „political viability“ zu erfassen. Um

zu ermitteln, muss wiederholt werden, dass Zentrumslasten ja schon ins FAG von 1992 ein-

flossen, jedoch war es zu diesem Zeitpunkt gemäss dem Verhalten der Entscheidungsträger

noch nicht legitim resp. politisch durchsetzbar, diese direkt und nicht nur indirekt einzubezie-

hen, indem sie nicht von der Steuerkraft, sondern von den effektiven Ausgleichzahlungen

abgezogen werden konnten. Der Zeitpunkt für die Anerkennung der Annahme der politischen

Umsetzbarkeit liegt dementsprechend zwischen 1992 und Juni 1996 und der Gründung der

RELA. Die Experten konnten zu dieser Frage keine genaue Auskunft geben. Es ist jedoch zu

vermuten, dass neben der öffentlichen Debatte auf Bundesebene sowie durch verschiedene

wissenschaftliche Publikationen auch zur Bedeutung von Stadtregionen für die Schweizeri-

sche Volkswirtschaft (Frey 1990, 1996) insbesondere die Hartnäckigkeit der Stadt Bern, wel-

che durch die Erstellung verschiedener Studien auf die Thematik aufmerksam machte und sie

nicht von der Agenda verdrängen liess, und deren Mitarbeiter, welche über grösste Sach-

kenntnisse in diesem Bereich verfügten, den Ausschlag gab, den Nachweis der „political via-

bility“ erbracht zu haben.

Dass die anderen Städte, die alle deutlich kleiner als Bern sind und dementsprechend geringe-

re Zentrumslasten ausweisen konnten, in den IKFA miteinbezogen wurden, ist zum einen dem

Aspekt der wissenschaftlichen Vollständigkeit, aber auch einem politischen Kompromiss zu

verdanken, auch wenn die Bemühungen von Biel und ihrem Stadtpräsidenten Hans Stöckli

(SP) nicht zu unterschätzen sind (Experteninterview). Die Analyse von Kübler (2007), dass

sich die Situation auf Bundesebene für die Städte erst nach intensivem Lobbying verbesserte,

ist für den Fall Bern sicherlich auch nicht falsch. Neben dem Hinweis auf die diskursive

Durchsetzung dieser Idee ist aber auch auf die volkswirtschaftliche Situation zu verweisen,

welche mit Ausnahme der reichen Gemeinden um die Stadt Bern herum fast alle Gemeinde-

typen in grosse Bedrängnis brachte und die Hilfeschreie der Stadt Bern somit auch als glaub-

würdig und nicht als Ausflucht einer linken Regierung zur Überdeckung ihrer „Unfähigkeit“

in Sachen Haushaltsführung erscheinen liess.

Die Experten waren sich denn auch einig, dass ohne den Einbezug der Zentrumslasten in den

IKFA dieser politisch nicht durchsetzbar gewesen wäre. Um wieder in die Terminologie Halls

zurückzukehren, kann dies als deren „political viability“ betrachtet werden. Dass der Einbe-

zug der Zentrumslasten aber ein Drahtseilakt blieb, beweist die spätere Diskussion im Parla-

Page 69: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

68

ment. Das Pendel hätte also nicht nur sprichwörtlich, sondern im politischsten Sinne des Wor-

tes nach „links“ oder „rechts“ ausschlagen können.

Für die Durchsetzung des Lastenausgleichs waren die Vorarbeiten der RELA zentral, denn

durch die Kostenrechnung der Zentrumslasten, waren deren Ausmass keine Schätzung mehr,

sondern beruht auf nachgewiesenen Berechnungen (Ecoplan 1997). Was dieses Vorhaben

unterstützte, war der Einbezug einer externen Beratungsfirma (Ecoplan), welche die Neutrali-

tät der Berechnungen garantierte. Dabei wurden nicht nur die Lasten in den Bereichen Ver-

kehr, Kultur, Sicherheit, Bildung, Soziales, Sport und Verwaltung erhoben, sondern auch die

Zentrumsnutzen gegengerechnet wie auch, und dies stellte gemäss den Kenntnissen des Au-

tors in der Schweiz bis zu diesem Zeitpunkt eine Ausnahme dar, die Belastungen der Umland-

und Agglomerationsgemeinden durch die Bürger der Stadt Bern in Abzug gebracht. Dadurch

wurden aber nicht nur die Kosten der Agglomerationsgemeinden in Erfahrung gebracht und in

den IKFA einbezogen, sondern deren Akteure selber wurden durch die Einholung von Infor-

mationen direkt an der Gegenrechnung beteiligt und dadurch gewissermassen zu „Mittätern“

gemacht.

Dass neben der Abgeltung expliziter Leistungen nicht auch die Folgen der Segregation resp.

der fiskalischen Externalitäten miteinbezogen wurden, war auf die eine Seite ein politischer

Entscheid „um das Fuder nicht zu überlasten“ (Experteninterview) und die Städte sicher in-

tegrieren zu können. Auf der anderen Seite wurde argumentiert, dass die Folgen der Segrega-

tion, d.h. die unterdurchschnittlichen Steuerzuflüsse durch finanzschwache Bürger sich schon

in einem tieferen Steuerkraftindex ausdrücken würden (Ecoplan 1997: 14). Diese Begründung

scheint zwar plausibel, vor dem Hintergrund der NFA, wo diese Lasten im SLA explizit mo-

niert wurden, aber auch fraglich. Denn insbesondere die Kosten der Sozialdienste wurden nur

begrenzt miteinbezogen. Auch schwer zu quantifizierbare Bereiche wie Folgen der Umwelt

wurden nicht berücksichtigt.

Dass die Städte mit der ihr zukommenden Entlastung indes nicht ganz befriedigt waren, liess

sich durch übereinstimmende Expertenaussagen validieren. Was ebenfalls dafür spricht, sind

die Vorschläge, welche von der Stadt Bern kamen, um die Abgeltung über andere Instrumente

als den Finanzausgleich im engeren Sinne zu bewerkstelligen.46 46 Es sind dies die Umverteilung der Steuereinnahmen durch das wirtschaftliche Wohnsitzprinzip, eine Pendler-

steuer oder ein regionales Lastenausgleichssystem ((Finanzdirektion der Stadt Bern 1996 : 12ff.)).

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69

An dieser Stelle ist wieder zur Ausarbeitung des IKFA zurückzukehren. Für die Erarbeitung

des Modells wie es zum damaligen Zeitpunkt 1996 Bestand hatte, wurde von allen befragten

Experten der Wissenschaft eine gewichtige Rolle zugesprochen. Innerhalb der Teilprojekte

wurden sehr früh die Begriffe, welche aus der ökonomischen Theorie des Föderalismus

stammten, verwendet (Experteninterview). Betont wurde dahingehend nicht nur die Wichtig-

keit externer Berater, sonder auch das grosse Wissen, welches durch finanzpolitisch kompe-

tente Mitarbeiter und insbesondere die Leitfiguren in der Verwaltung bestand. Durch ihr Ver-

ständnis der kausalen Zusammenhänge war es für die ökonomischen Ideen, welche hinter dem

Konzept stehen, nicht schwierig, die Überzeugung der Verantwortlichen zu gewinnen. Andere

kantonale Lösungen wurden dabei zwar ebenfalls in Betracht gezogen47 und insbesondere der

Vorschlag von Ernst Buschor für den Kanton Zürich. Aus der Retroperspektive wurde aber

erwähnt, dass diese schlussendlich nur als negative Vorbilder genutzt wurden, „wie man es

eben nicht machen wollte“ (Experteninterview). Gerade das Zürcher Modell erwies sich spä-

testens ab Mitte 1996 als nicht praxistauglich.

Was die eingeschlagene Richtung unterstützte, war die gleichzeitige Beschäftigung mit dieser

Thematik auf Bundesebene. Zwar verliess man sich nicht blind auf das Modell, welches für

die NFA ausgearbeitet wurde, weil es erst 1999 in die Vernehmlassung kam und eine Bestäti-

gung nicht sicher war. Man schielte aber immer mit „eineinhalb Augen“ auf die Bundesver-

waltung und pflegte auch einen direkten Austausch. Ab 1996 und einer teilweisen Bestätigung

des NFA-Modells durch die Publikation der „Grundzüge“ (EFD/FDK 1996), stieg das Ver-

trauen in die Funktionsfähigkeit des entworfenen Konzepts weiter. Dies ist somit einer der

Zeitpunkte, an welchem sich das Modell aus wissenschaftlicher Perspektive weiter durchsetz-

te und die „economic viability“ allgemein bestätigt wurde. Zwar war das Modell intern schon

vorher ziemlich unbestritten, zumal es keine ernsthafte Alternative gab und, wie erwähnt, mit

Jeanrenaud ein Experte beigezogen wurde, der die strenge Beachtung wirtschaftswissen-

schaftlicher Prinzipien befürwortete. Dasselbe kann auch vom Büro B,S,S behauptet werden,

da dort vorzugsweise „Jünger“ von René L. Frey walteten, der als Regionalwirtschaft-Experte

und ebenfalls Teil der Expertengruppe für die NFA, ein grosser Verfechter dieser Theorieum-

setzung war. Angesichts der Vorkenntnisse über die theoretische Orientierung von Jeanrenaud

47 Gemäss Vortrag des Regierungsrates an den Grossen Rat waren dies die Modelle der Kantone Zürich, Luzern,

Freiburg, Neuenburg, Solothurn und das der beiden Basel (Regierungsrat des Kantons Bern 2000a: 19f.)

Page 71: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

70

und B,S,S, könnte somit auch behaupt werden, dass die „economic vaibility“ mit ihrer Wahl

schon feststand.

Der Schlusspunkt der Prüfung der wissenschaftlichen Durchsetzbarkeit kann zwischen 1999

und 2000 gesehen werden, als dem Grossen Rat auf Basis der vorangegangene Arbeiten 19

Leitsätze zur Prüfung vorgelegt, welche denn auch positiv gewürdigt wurden. Zudem wurden

dann auch die Ergebnisse der NFA-Vernehmlassung publiziert, welche deutliche Zustimmung

erhielt (EFD/FDK 2000). Ähnlich wie auf Bundesebene wurde dem Parlament somit zuerst

ein theoretisches Konstrukt vorgelegt, welches die genauen Auswirkungen noch „verschleier-

te“. Die Wirkung dieses Vorgehens kann, wie bei der Analyse des Prozesses der NFA aufge-

zeigt, als äusserst vorteilhaft betrachtet werden, weil die involvierten Akteure einem „Mec-

chano“ zustimmten, deren Folgen sie noch nicht genau abschätzen konnten (vgl. Rawls 1974).

Ob dieses Vorgehen der NFA abgekupfert worden war, lässt sich nicht mehr genau prüfen.

Das verwaltungsinterne Wissen über die Prozessabläufe bei der NFA legt diesen Schluss in-

des nahe. Gleichzeitig kann dieses Prozesselement auch schon zur „political viability“ gezählt

werden.

8.1.5 Political Vialbility

Wie schon verschiedentlich angedeutet, hatte die Prüfung der politischen Durchsetzbarkeit

schon früh begonnen. Als erster Schritt dazu kann die Bildung einer paritätischen Projektor-

ganisation gedeutet werden, bei der auch zahlreiche Gemeindevertreter mit in die Planung

einbezogen wurden. Wie bei der Analyse der Erfolgsfaktoren auf Bundesebene ist diesem

Vorgehen zweierlei Bedeutung zuzumessen: Zum einen konnten so offensichtliche Probleme

bei der späteren Durchsetzung durch die Einbringung der einzelne Interessen schon früh be-

hoben werden, zum anderen wurden die verschiedenen Akteure durch ihre Mitwirkung in die

Verantwortung gezogen werden, was ein späteres politisches Ausscheiden unwahrscheinlicher

machte. Entsprechend der Analyse der NFA kann hier von einem „mixed-motive-game“ ge-

sprochen werden (vgl. Scharpf 1997: 73).

Im Januar 1997 schliesslich wurde als zweiter Schritt dem Grossen Rat ein Zwischenbericht

des GPA AT mitsamt den Vorschlägen zum neuen Finanz- und Lastenausgleich vorgelegt,

welchen dieser zustimmend zur Kenntnis nahm (Staatskanzlei des Kantons Bern 1997:

141ff.). Darauf folgend ging man im November selben Jahres in ein breites Vernehmlas-

sungsverfahren zu 19 noch relativ offen gehaltenen Leitsätzen. Das Vorgehen gleicht wieder-

Page 72: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

71

um demjenigen auf Bundesebene, wo ebenfalls zuerst die theoretischen Konstrukte in die

Vernehmlassung geschickt wurden. Hier erhielt das Gesamtmodell ebenfalls gute Noten.48

Diese positive Tendenz zeigte sich auch daran, dass sich nur 82 von 400 Gemeinden an der

Vernehmlassung beteiligten (ebd.: 26). Bemängelt wurde vorab der Lastenausgleich für Kern-

städte.49 Insbesondere die Agglomerationsgemeinden sahen sich einer zu grossen Belastung

ausgesetzt, weil sie allein für die Pauschalen der Kernstädte aufkommen sollten. Als Reaktion

darauf beteiligte sich der Kanton neu zu 25% an den Zentrumslasten. Diese Reaktion kann als

Einfluss der parteipolitischen Ausprägungen in den reichen Agglomerationsgemeinden inter-

pretiert werden, indem sich die Rechts-liberalen gegen Vorteile für die links-grün dominierten

Städte wandten. Verbunden mit diesen ist aber auch die sozio-ökonomische Konfliktlinie zwi-

schen neu durch den Ausgleich belasteten Gemeinden gegenüber den entlasteten. Zudem

wurde zu diesem Zeitpunkt ein Härtefallausgleich für die Einführungsphase geschaffen. Hier

nahm ebenfalls die sozio-ökonomische Konfliktlinie einen negativen Einfluss auf die politi-

sche Durchsetzung neuer Ideen, weil die Disparitäten zwischen den Gemeinden zu gross

schienen, als dass sie vom Grundmodell alleine hätten geschluckt werden können. Als letzte

grosse Änderung wurde die Mindestausstattung neu an die Bedingung hoher Steuerfüsse ge-

knüpft. Dies kann als Rückfall in alte Zeiten betrachtet werden, da die Bindung an Steuerfüsse

ein „Relikt“ aus dem FAG ist. Aus Angst, dass die Finanzierung für die armen Gemeinden

nicht ausreichte, wurde ein bekanntes Berechnungskriterium gewählt, welches aber den öko-

nomischen Prinzipien widersprach.

Diese Phase der Vernehmlassung ist als ein Zeitpunkt zu werten, an dem die kantonalen Cha-

rakteristika das theoretisch konstruierte Modell veränderten. Ihr Einfluss blieb aber punktuell

begrenzt und die Grundzüge des Modells wurden nicht verwischt.

Als nächste grosse Hürde stand am 27. Januar 1999 die Eintretensdebatte im Parlament auf

dem Programm. Die Diskussionen waren zwar ausführlich, doch am Grundmodell wurde oder

konnte nicht gerüttelt werden. Sobald ein solcher Versuch unternommen wurde, kam die

Antwort, man solle nicht versuchen „überall herumzuschrauben“, weil man sonst das ganze

48 Eine zusätzliche Umfrage des Verbands Bernischer Gemeinden VBG, einem wichtigen Akteur in Bern, der

insbesondere die kleinen Gemeinden vertritt (Experteninterview), ergab dabei 92% Zustimmung zum Grundmo-

dell (Regierungsrat des Kantons Bern 2000b: 27). 49 Andere Einwände betrafen u.a. die indirekten Lastenausgleichssysteme, ein Mitspracherecht bei der Verwen-

dung der pauschalen Abgeltungen für die Kernstädte sowie die Steuerbelastungsverschiebungen zwischen Ge-

meinden und Kanton (ebd.: 26f.)

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72

„Mecchano“ zerstöre. Alle Parteien waren der Vorlage denn auch positiv gesinnt und die Än-

derungswünsche blieben minim (Staatskanzlei des Kantons Bern 1999: 180ff.).

Bevor die erste Lesung des FILAG im Parlament abgehalten wurde, war es an der Kommissi-

on, die Vorlage zu bearbeiten. Dort versammelte sich die „crème de la crème“ der Bernischen

Parteivertreter und Finanzexperten. Das FILAG schien somit für alle Parteien von grosser

Bedeutung gewesen zu sein (Experteninterview). Entsprechend dem Fachwissen der Beset-

zung und im Gegensatz zu den politischen Debatten im Parlament und der Öffentlichkeit wa-

ren die Verhandlungen äusserst technischer Natur und die theoretischen Konzepte mitsamt

ihren Terminologien spielten eine zentrale Rolle. „Man sprach dieselbe Sprache.“ Als wichtig

werden auch die politischen Vermittler betrachtet, welche die Balance zwischen Zahlern und

Nutzniessern herbeiführen konnten. Als solche waren insbesondere „Verräter“ zentral, welche

die Standpunkte anderer Gemeindetypen dem eigenen näher bringen konnten.

Die Konflikte, die schon in der Kommission herrschten, waren exemplarisch für die noch fol-

gende parlamentarische Debatte: Die linken Städte verbündete sich mit dem rechts-

konservativen Umland, da beide in einer Bittsteller-Rolle waren. Durch diese „unheilige Alli-

anz“ wie durch das Gewicht der Städte war die Durchsetzung der Lastenabgeltungen für das

Gesamtprojekt von existenzieller Bedeutung (Experteninterviews). Das Erreichen eines

Gleichgewichts resp. einer „win-win“-Situation zwischen Stadt und Umland wurde als fun-

damental erachtet. Die Konflikte trugen sich zwischen sozio-ökonomisch unterschiedlichen

Entitäten ab und parteipolitische Kontroversen blieben die Ausnahme50, auch wenn sich deren

Ausprägungen überschnitten. Begründung für die Position war der eigene Wohnort.

Dass des FILAG schlussendlich zur Anwendung gelangte, war der Kompromissbereitschaft

aller Akteure zu verdanken. Die Städte waren eher schlecht als recht zufrieden, aber nahmen

lieber „den Spatz in der Hand, als die Taube auf dem Dach“. Aber auch die Agglomerations-

und teilweise die Umlandsgemeinden mussten Eingeständnisse machen. Dass am Ende alle

50 Dies war innerhalb der Stadt Bern der Fall, wo sich rechts-liberale Kreise nicht dazu überwinden konnten, für

die Abgeltung der Zentrumslasten einzustehen, sondern „lieber die linke Stadt hätten ausbluten sehen“ (Exper-

teninterview).

Page 74: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

73

nicht ganz unzufrieden waren, ist neben vereinzelt verteilten politischen „Geschenken“51 auch

den erhofften mittelfristigen Effizienzgewinnen zu verdanken, welche das Gesamtsystem pro-

pagierte. Die Verweise auf die NFA, vor wie auch während der Verhandlungen im Parlament

(Staatskanzlei des Kantons Bern 2000: 690ff.), der herrschende Problemdruck und die unge-

wisse weitere volkswirtschaftliche Entwicklung sowie das Bestehen einer kohärenten Alterna-

tive zum deutlich diskreditierten alten System waren wichtige Einflussfaktoren. Weiter war

auch der politische Druck zur Erreichung einer Lösung nach fast sieben-jähriger Vorbereitung

gross.

Für die politische Durchsetzung des Lastenausgleichs ist auch noch zu erwähnen, dass die

Ergebnisse in Zürich und Neuenburg einen positiven Einfluss hatten, wo kurz vor der 1. Le-

sung im Parlament solche Instrumente implementiert werden konnten, was einen kompetiti-

ven Druck auslöste (Experteninterview).

Neben der Verbreitung einer überzeugenden Idee spielten somit eine ganze Reihe von Fakto-

ren ein Rolle, dass die „political viability“ erreicht werden und die parlamentarische Schluss-

abstimmung mit 156 zu 7 Stimmen deutlich gewonnen werden konnte (Staatskanzlei des Kan-

tons Bern 2000: 1195).

8.1.6 Fazit

8.1.6.1 IKFA

Dass die Wissenschaft und ihre Konzepte für die Herausbildung des FILAG eine tragende

Rolle spielte, lässt sich durch die Verweise in Dokumenten des Kantons und der Stadt Bern

auf die einschlägige Literatur begründen.52 Die Schwierigkeit zur Bestimmung, ob es in Bern

zu einer Diffusion gekommen ist wegen dem Vorbild NFA oder aber nur wegen den theoreti-

schen Konstrukten, liegt darin begründet, dass sich ein Grossteil der Abläufe von NFA und

FILAG parallel resp. nur leicht verschoben abspielten. Durch die zahlreichen Querverweise

auf die NFA, die Wahl der externen Experten wie auch durch darauf hinzielende Experten-

51 Prominentestes Beispiel dafür ist der Einbezug von Thun in den Lastenausgleich für Kernstädte. Sowohl an-

fangs wie auch nach der ersten Lesung noch explizit ausgeschlossen, wurde es aus Angst vor einem Referendum

doch noch, wohlgemerkt aber auf Kosten der anderen Städte, miteinbezogen (Experteninterviews). 52 Hier ist allerdings anzumerken, dass die semantische Analyse der Begriffe sich nicht wie gewünscht vorneh-

men liess, da wichtige Dokumente, hierzu vornehmlich die wissenschaftliche Grundlage von Jeanrenaud und

Spillmann (1996), auf französisch verfasst waren. Ein inhaltlicher Vergleich musste hier deshalb ausreichen.

Page 75: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

74

aussagen ist eine Diffusion bestimmter Ideen und Elemente durch ein praktisches Vorbild

allerdings sehr wahrscheinlich, wenn gleich es durch die Stringenz der ökonomischen Prinzi-

pien verstärkt wurde. Davon zeugen die gemeinsame Verwendung des Grundmodells mit

Ressourcen- und Lastenausgleich, der Trennung des letzteren auf Lasten des Umlandes und

der Kenstädte sowie der Bezug auf die gleichen theoretischen Kausalzusammenhänge und

Konstrukte wie fiskalische Äquivalenz, Trennung zwischen allokativen und distributiven Zie-

len, die Hinwendung zu exogenen statt endogenen Berechnungskriterien und nicht zuletzt die

konsequente Verwendung von zweckfreien Beiträgen. Schweizweit betrachtet kann somit

sowohl der NFA wie auch dem Kanton Bern eine gewisse Vorreiterrolle zugesprochen wer-

den.53

Ein Lernprozess hat somit sehr wahrscheinlich stattgefunden. Die Anzahl der Verweise auf

ähnliche und direkte Quellen, die bestätigenden Expertenaussagen wie auch die den Akteuren

zugesprochene Veränderung der Wahrnehmung einer Policy-Lösung im Sinne der Redefiniti-

on von Interessen lassen diesen Schluss zu. Lerneffekte waren, wie in Tabelle 1 dargelegt, ab

der Suche nach alternativen Lösungen (Phase 3) bis zur politischen Durchsetzung tragend für

den FILAG-Prozess. Vorher (Phase 2) traten sie im noch diffusen Streben nach Effizienzver-

besserungen und der Einführung lastenausgleichender Instrumente für Kernstädte auf. Dass

dabei sowohl Lernen 1. und 2. Ordnung auftrat, erklärt sich aus Erweiterung der Ziele und der

ihnen angeschlossenen Instrumenten. Ihr gegen Ende nachlassender Effekt kann dadurch er-

läutert werden, als die theoretischen Zusammenhänge im politischen Prozess nicht mehr so

dominant waren wie zu Beginn in der Verwaltung, sondern vermehrt gemeinsam geteilte

(NFA-) Normen und vermittlungstechnisch begründete „short-cuts“ verwendet wurden.

Dass auch die Konkurrenzsituation zwischen den Kantonen zur Durchsetzung beigetragen hat,

muss bejaht werden. Dabei ist insbesondere der Verweis auf die Diskussionen betreffend

53 Es muss hier aber auch einschränkend erwähnt werden, dass von allen Experten die Ähnlichkeit des Kantons

Bern mit der Schweiz sowohl in institutioneller, parteipolitische und sozio-ökonomischer Hinsicht betont wurde.

Dies lässt eine ähnliche Problemstruktur vermuten, wodurch eine „spurious diffusion“, d.h. die zufällige Anwen-

dung derselben Policy, nicht sicher ausgeschlossen werden kann, auch wenn die Nullhypothese wegen der beleg-

ten Verweise relativ unwahrscheinlich ist.

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75

Tabelle 1: Einfluss der unabhängigen Variablen auf die Ähnlichkeit des FILAG mit der NFA

Legende: Phase 1: Krise; Phase 2: Policy-Anomalien, Phase 3: Economic Viability, Phase 4: Political Viability;

Phase 5: Administrative Viability.

Bewertung: einfache Ausprägung: schwacher Einfluss; zweifache Ausprägung: mittlerer Einfluss; dreifache

Ausprägung: starker Einfluss.

der Höhe der Steuerbelastung im Schweizerischen Vergleich im Sinne des sich in dieser Zeit

entwickelnden Standortwettbewerbes zu machen. In der politischen Durchsetzung war dann

v.a. der Vergleich mit anderen Kantonen bei der Durchsetzung des Lastenausgleichs für

Kernstädte relevant.

Entgegen den Annahmen zur Begründung der Hypothesen H3-H6 hatten interne Determinan-

ten auch einen positiven Einfluss auf das Hinwirken zu einer Diffusion. Hier sind zur Begrün-

dung der nachlassenden Erklärungskraft des alten Modells (Phase 2) die ungenügende Wir-

kung des FAG als institutionelle Tradition zu erwähnen, die verschiedenen Einflüsse divergie-

render politischer Richtungen, bspw. die rot-grüne Stadt oder die rechts-liberalen Agglomera-

tionsgemeinden, die mit jeweils unterschiedlichen Mechanismen des FAG unzufrieden waren

wie auch die Verstärkung der sozio-ökonomischen Unterschiede, welche durch die nachlas-

sende Wirkungskraft des FAG entstand. Alle drei endogenen Einflussfaktoren stehen gemäss

dieser Darlegung in gegenseitiger Verbundenheit miteinander. Der positive Einfluss der so-

zio-ökonomischen Variable in Phase 3 lässt sich dadurch erklären, dass nicht zu grosse Dispa-

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76

ritäten und Steuerfussunterschiede die Übernahme des NFA-Modells erleichtern, woderch

keine zusätzlichen Instrumente eingeführt werden mussten (Angelini/Thöny 2004: 3). Dass

endogene Faktoren bei der politischen Umsetzung eine Diffusion beeinträchtigten, wird an-

hand der im Prozess der „political viability“ durch die vorgenommenen Änderungen deutlich.

Den stärksten Einfluss hatten dabei sozio-ökonomische Unterschiede, da die Positionen der

Akteure vornehmlich vom der Struktur ihrer Heimatgemeinde determiniert wurde. Allerdings

vermochten die endogenen Charakteristika eine Diffusion nicht zu verhindern, beeinträchtig-

ten aber ihre volle Entfaltung, weil einige politische Kompromisse eingegangen werden muss-

ten, wobei man sich auf „Relikte“ des FAG stützte und auch einen Härteausgleich schuf. Par-

teipolitische Faktoren wirkten vornehmlich in der kompromissorientierten Begrenzung des

Lastenausgleichs für Kernstädte.

Die formulierten Hypothesen zu den endogenen Einflussfaktoren wurden somit nur in Phase 4

des Politikprozesses bestätigt.

8.1.6.2 Lastenausgleich

Für die Einführung des Lastenausgleichs können ähnliche Begründungen angefügt werden.

Erste Forderungen während der Krise, die Verweise auf die Theorie während Phase 2, aber

v.a. die theoretische und praktische „Beweisführung“ während der „economic viability“ las

sen einen Lerneffekt als wahrscheinlich erscheinen. Durch den Bezug auf die Abgeltung von

Spillover und nicht von Segregationsfolgen war die Diffusion durch Lernprozesse indes nicht

ganz so stark wie im Gesamtsystem (Phase 2). Die relativ abnehmende Wirkung am Ende mit

der gleichzeitigen Zunahme von Norm- und Konkurrenz-Bezügen, bspw. auf die Stadt Zürich,

scheint aber wieder vergleichbar mit derjenigen im Gesamtsystem. Der Wettbewerbsmecha-

nismus war durch die schlechte Haushaltslage der Stadt während des ganzen Prozesses von

immenser Bedeutung. Deswegen klang zum einen die Steuerbelastungsdebatte nie ab. Zum

anderen beeinflussten die finanziellen Schwierigkeiten im ganzen Kanton das politische Kli-

ma positiv.

Institutionelle Traditionen spielten beim Auftreten von Anomalien (Phase 2) und durch die

frühere Beschäftigung mit lastenausgleichenden Instrumenten im FAG eine förderliche Rolle

für eine Diffusion, was sich in der Gründung der RELA (Phase 3) zeigte. Im politischen Pro-

zess wurde aber deutlich, dass ihre Anerkennung noch nicht das für die Stadt erwünschte

Ausmass erreicht hatte. Parteipolitische und sozio-ökonomische Konfliktlinien waren mass-

gebend für die vorgenommene Beschränkung auf eine politisch „angemessene Gewichtung“

Page 78: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

77

Tabelle 2: Einfluss der unabhängigen Variablen auf die Ähnlichkeit des Lastenausgleichs im

Kanton Bern mit dem SLA.

Legende: Phase 1: Krise; Phase 2: Policy-Anomalien, Phase 3: Economic Viability, Phase 4: Political Viability;

Phase 5: Administrative Viability.

Bewertung: einfache Ausprägung: schwacher Einfluss; zweifache Ausprägung: mittlerer Einfluss; dreifache

Ausprägung: starker Einfluss.

der Berechnungsergebnisse der Belastungen. Der negative Einfluss letzter konnte durch die

unheilige Allianz zwischen Stadt und Peripherie aber wieder abgeschwächt werden.

Die formulierten Hypothesen zu endogenen Einflussvariablen können wie im gesamten IKFA

nur im politischen Prozess, und wenn auch dort nur mit Einschränkungen, als bestätigt erach-

tet werden. Dazu muss aber der starke Zusammenhang zwischen Lastenausgleich und IKFA

betont werden, wie er auch von den Experten bestätigt wurde. Im Unterschied zum IKFA-

Prozess muss hier indes auf den früheren Einbezug theoretischer Begründungen hingewiesen

werden.

Keine Relevanz für eine Diffusion konnte in der „administrative viability“ gesehen werden.

Dies ist damit zu erklären, dass durch die Zunahme des Bildungsstandards auch in der Ver-

waltung technisch keine Probleme mehr bei der Umsetzung einer Policy bestehen.

Page 79: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

78

8.2 Kanton Zürich

8.2.1 Inhalt des Finanzausgleichs im Kanton Zürich

Da die Reform des Zürcher Finanzausgleichs noch nicht abgeschlossen ist, wird im Folgenden

auf die letzten Ergebnisse nach der Vernehmlassung und den nun vorliegenden Gesetzesent-

wurf Bezug genommen. Dieses Vorgehen kann die Resultate dieser Untersuchung beeinträch-

tigen, namentlich, weil die parlamentarischen Verhandlungen noch ausstehen. Es wurde denn

auch von allen Experten angenommen, dass das nun zu besprechende Modell mit grosser

Wahrscheinlichkeit noch Änderungen erfahren wird.

Im Gegensatz zum Kanton Bern und zur NFA wurde in Zürich neben der Reform zum IKFA

keine Neuordnung der Aufgabenteilung vorgenommen. Weil die Einführung des Lastenaus-

gleichs für Kernstädte in Zürich während der Reform des IKFA stattfand, wird er in dieser

Analyse entsprechend der zeitlichen Abfolge integriert untersucht.

Der neue IKFA in Zürich gliedert sich gemäss dem Finanzausgleichsgesetz FAG vom 28.

Januar 2009 entlang dreier Ausgleichsmechanismen mit sechs Instrumenten (Direktion der

Justiz und des Inneren des Kantons Zürich 2009: 32ff.):

(I) Direkter Finanzausgleich

(1) Ressourcenausgleich

Dieser stellt das Hauptinstrument des IKFA dar. Mit ihm sollen die Finanzdisparitäten der

Gemeinde ausgeglichen werden, er verfolgt dadurch eine distributive Wirkung. Die Grundla-

ge für die Berechnung bildet das Kantonsmittel der Steuerkraft pro Kopf, die somit auf exo-

genen Faktoren beruht. Für die Kalkulation des Zuschusses wird aber neben der Anzahl Ein-

wohner auch der von der Gemeinde erhobene Steuerfuss miteinbezogen. So haben endogen

Faktoren doch einen, wenn auch geringen Einfluss auf die Bemessung des Zuschusses. Diese

Beiträge sollen die Ressourcen finanzschwacher Gemeinden auf 95% des kantonalen Durch-

schnitts anheben. Die Abschöpfung bei ressourcenstarken Gemeinden beträgt 75% des Be-

trags, der über 110% der kantonalen Steuerkraft liegt. Es gibt somit einen Bereich resp. Ge-

meinden, welche vom Ressourcenausgleich nicht betroffen sind. Das Volumen liegt bei ca.

600 Mio. CHF, wobei die Stadt Zürich 315 Mio. beisteuert54. 54 Die Abschöpfung bei der Stadt Zürich wird mit dem Zentrumslastenausgleichsbeitrag

an die Stadt verrechnet, der betragsmässig die Abschöpfung übersteigt.

Page 80: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

79

(II) Lastenausgleiche

Die vier folgenden Instrumente haben durch den Ausgleich von als ungerechtfertigt betrachte-

ten Lasten ein allokatives Ziel.

(2) Demographischer Sonderlastenausgleich

Er soll Gemeinden unterstützen, welche einen Anteil von über 110% des kantonalen Durch-

schnitts an Bürgern von 0 bis 19 Jahren aufweisen. Pro Person über diesem Wert wird ein

Betrag von 12'000 CHF ausbezahlt, der jedoch mit abnehmendem Steuerfuss sinkt. Die Be-

rechnung richtet sich somit in erster Linie an ein exogenes Kriterium, der Steuerufuss als en-

dogener Faktor hat aber trotzdem noch einen Einfluss auf die Zuschüsse. Das Volumen dieses

Instrument beträgt ca. 20 Mio. CHF.

(3) Geographisch-topographischer Sonderlastenausgleich

Dieses Instrument unterstützt Gemeinden mit einer besonders feingliedrigen Besiedlung und

schwierigen topographischen Verhältnissen. Die Berechnung für die Bestimmung der zu-

schussberechtigten Gemeinden stützt sich auf zwei Faktoren: Gemeinden, welche entweder

weniger als 150 Einwohner pro km2 haben oder deren Gebiet zu über 15% eine Hangneigung

aufweist, die mehr als 35 Steigungsprozent beträgt. Bei der Kalkulation dieser Zuschüsse hat

der Steuerfuss den gleichen Einfluss wie beim demographischen Sonderlastenausgleich. Da-

für sollen ebenfalls ca. 20 Mio. CHF aufgewendet werden.

(4) Individueller Sonderlastenausgleich

Dadurch sollen Lasten ausgeglichen werden, die von den übrigen Instrumenten nicht erfasst

werden. Er wird von Fall zu Fall politisch ermittelt. Gemeinden haben erst Anspruch auf ei-

nen solchen Ausgleich, wenn ihr Steuerfuss das 1,3-fache des kantonalen Durchschnitts über-

trifft. Auch hier wird somit auf endogene Berechungskriterien abgestellt. Seine Gesamtsum-

me soll 5 Mio. CHF betragen.

(5) Zentrumslastenausgleich

Für die Städte Zürich und Winterthur wird ein Instrument geschaffen, das die Mehrlasten,

hervorgehend aus ihrer Zentrumsfunktion, ausgleichen soll. Für die Stadt Zürich sind 433 und

für Winterthur 74,6 Mio. CHF vorgesehen. Für Zürich setzt er sich aus 48 Mio. für Polizei, 45

Mio. für Kultur und 28 Mio. für Sozialhilfe zusammen, deren Quantifizierung der Lastenab-

Page 81: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

80

geltung aus dem Jahr 1999 entstammt. Die restlichen 310 Mio. stammen aus der Kompensati-

on für die Schlechterstellung aus dem Ressourceausgleich.

(III) Härtefallausgleich

(6) Härtefallausgleich

Um den Übergang vom alten zum neuen System für die Gemeinden nicht zu hart zu machen,

wird ein Härtefallausgleich eingeführt, der sich am alten Steuerfussausgleich orientiert.

Dieses Instrument soll sechs Jahre lang in Kraft bleiben.

Alle Instrumente haben sowohl eine horizontale wie auch eine vertikale Dimension, da die

reichen Gemeinden und der Kanton die Mittel gemeinsam bereitstellen. Alle Beiträge sind

zudem zweckbefreit.

Zur Beurteilung des Zürcher Finanzausgleichs entlang der aus der ökonomischen Theorie des

Finanzausgleichs abgeleiteten Vorgaben ist zu bemerken, dass er sich nur begrenzt an exoge-

nen Bestimmungskriterien orientiert. Die Ausgleichsinstrumente 1 bis 4 richten sich zwar in

erster Linie nach solchen Kriterien, die letzte Berechnungsstufe schliesst jedoch den Steuer-

fuss, ein endogenes Bestimmungsmerkmal, mit ein. Die Ziele der Instrumente sind gemäss

der Tinbergen-Regel getrennt nach Allokations- und Distributionsziel. Zudem sind alle Bei-

träge zur freien Verfügung der Gemeinden und somit nicht zweckgebunden. Allein der Härte-

fallausgleich ist ein systemfremdes Instrument. Die wirtschaftswissenschaftlichen Prinzipien

werden dadurch zu einem grossen Teil befolgt. Im Vergleich mit der Lösung auf Bundesebe-

ne ist zur Prüfung der Ausprägungen der abhängigen Variable, ob Gemeinsamkeiten vorlie-

gen, auf folgende Charakteristika zu verweisen:

Gesamtsystem

- Ressourcen, Lasten- und Härtefallausgleichsinstrumente sind in Zürich wie in der

NFA vorhanden. Dadurch werden Allokations- und Distributionsziele getrennt und

wie bei der NFA sind alle Beiträge ohne Zweckbindung.

Einzelne Instrumente

Ressourcenausgleich

- Die Mindestausstattung beim Ressourcenausgleich beträgt 95% und nicht wie bei der

NFA 85%. Zudem gibt es in Zürich durch eine Beschränkung der Ausgleichswirkung

Page 82: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

81

eine Spannweite, in welcher Gemeinden mit einer mehr oder weniger durchschnittli-

chen Steuerkraft nicht zuschussberechtigt resp. abgabepflichtig sind. Durch den Ein-

bezug des Steuerfusses in die Berechnung wird nicht nur auf exogene Bestimmungs-

kriterien zurückgegriffen.

Lastenausgleich

- Sowohl im NFA gibt es jeweils Teilinstrumente, welche entweder Lasten der Zentren

oder Lasten der ländlichen Gebiete ausgleichen.

- Zur Abfederung der demographischen Sonderlasten gibt es im Kanton Zürich das In-

strument 2, welches sich mit dem Bezug auf 0 bis 19-jährige Bevölkerungsteile von

den Kriterien beim sozio-demographischen Lastenausgleich der NFA unterscheidet,

aber grundsätzlich dasselbe Ziel verfolgt.

- Zum Ausgleich von ungünstigen Gebietsstrukturen ist das Instrument 3 gedacht, wel-

ches sich wegen seiner Bestimmungskriterien sehr stark an den topographisch-

geographischen Lastenausgleich des Bundes anlehnt.

- Einen Ausgleich von individuellen Sonderlasten kennt das bundesstaatliche Modell

hingegen nicht.

- Der Lastenausgleich für Kernstädte orientiert sich wie beim SLA an den Folgen der

Segregation und der Spillover.

Härtefallausgleich

- Der Härtefallausgleich gleicht in Zürich wie auf Bundesebene Härten beim Übergang

des alten zum neuen System aus, sein Betrag verringert sich ebenfalls über Zeit. In Zü-

rich ist er jedoch an die Höhe des Steuerfusses gebunden und hat eine Wirkungszeit

von sechs gegenüber 28 Jahren bei der NFA.

Abschliessend kann gesagt werden, dass es zwischen der bundesstaatlichen und der Zürcher

Policy grosse Gemeinsamkeiten gibt, insbesondere was das Gesamtsystem betrifft. Bei den

einzelnen Instrumenten unterscheiden sie sich in einigen Bereichen, grundsätzlich verfolgen

sie aber mehrheitlich die gleichen Ziele, auch wenn sie leicht unterschiedliche Kriterien zur

Berechnung anwenden. In Zürich werden zudem die Prinzipien der wirtschaftswissenschaftli-

chen Theorie weniger konsequent angewendet wie bei der NFA, was hauptsächlich mit dem

Einbezug des Steuerfusses zu begründen ist. Anhand dieser Gegenüberstellung sind die Vor-

aussetzungen für eine Diffusion aber grösstenteils gegeben. Im Folgenden soll versucht wer-

Page 83: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

82

den aufzuzeigen, ob eine Diffusion auch wirklich stattfand resp. wie der Einfluss von kanto-

nalen Charakteristika auf den Policy-Output zu werten ist.

8.2.2 Krise

Erste Bemühungen, den IKFA zu reformieren, lassen sich in Zürich bis 1989 zurückverfolgen.

Da zu diesem Zeitpunkt die aufkommende Rezession der 1990er Jahre noch nicht bemerkbar

waren, kann in Zürich als Ausgangspunkt nicht von einer wirtschaftlichen, politischen oder

gesellschaftlichen Krise gesprochen werden. Dadurch unterscheiden sich die Fälle Bern wie

auch die Reform auf Bundesebene, was die Voraussetzungen betrifft, deutlich vom Kanton

Zürich, da erstere zu einem späteren Zeitpunkt begonnen wurden.

8.2.3 Policy-Anomalien

1989 war es eine Behördeninitiative des Gemeinderats der Stadt Zürich an den Kanton mit der

Forderung, die polizeilichen Sonderlasten der Stadt abzugelten55. Im Gespräch wurde damals

von Stadtseite ein Beitrag von 30 bis 40 Mio. CHF (NZZ vom 25. 1. 1994, S. 54). Dazu muss

gesagt werden, dass die Stadt Zürich nicht im IKFA integriert war aber geringe Subventionen

für ihre Leistungen in Form von zweckgebundenen Zuschüssen an Kunstinstitute erhielt.56

Vielmehr als volkswirtschaftliche Faktoren gaben im Kanton Zürich also die Forderung des

Stadt Zürich, welche ihre zentralörtlichen Lasten ausglichen haben wollten und zudem die

Unsicherheit über die Effizienz des bestehenden Finanzausgleichs den Ausschlag dafür, dass

die Reform des IKFA in Angriff genommen wurde (Experteninterviews). Im Kanton herrsch-

te zwar kein Problemdruck, weil das vorrangige Ziel des IKFA, die Angleichung der Steuer-

füsse relativ gut funktionierte (Experteninterviews). Da aber die sonstige Wirkung des Sys-

tems wegen mangelnder Transparenz unklar war, wurde die Prüfung der Forderungen der

Stadt mit einer Evaluation des kantonalen Finanzausgleichs verbunden. Dies ist darauf zu-

rückzuführen, dass diese Intransparenz des Systems durch die Verflechtung der Instrumente

bei einigen Akteuren, insbesondere von den durch immer grössere Abschöpfungen belasteten

reichen Gemeinden ein Bauchgefühl entstehen liessen, welches die Wirksamkeit des IKFA in

Frage stellte (Experteninterview). Dies lässt sich auch nachlesen im Einführungskapitel des

55 Diese Initiative wurde im Stadtzürcher Gemeinderat einstimmig (sic!) überwiesen. 56 Dieser Ausschluss wurde als implizite Verletzung der Kantonsverfassung gewertet (Buschor et al. 1992: 77,

Experteninterview).

Page 84: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

83

Berichtes von Ernst Buschor, Professor für Betriebswirtschaftslehre mit besonderer Berück-

sichtigung der öffentlichen Verwaltung an der Universität St. Gallen und späterer Regierungs-

rat (CVP) in Zürich, welcher die als „Bericht Buschor“ bekannt gewordene Studie über den

Zürcher Finanzausgleich verfasste ( Buschor et al. 1992: 17f.). Per Regierungsratsbeschluss

wurde im Januar 1991 gefragt nach der Wirkung des bestehenden IKFA, wie sich die Lasten-

ausgleichsforderungen der Stadt Zürich begründen lassen, wie die Stadt in den IKFA einge-

baut werden können und welche alternativen Modelle zur Verfügung stehen würden.

Diese Bedenken wurden denn durch den Bericht Buschor auch bestätigt (Buschor et al. 1992:

67ff.).

Direkter Finanzausgleich

- Der Steuerfussausgleich erzielt zwar seine Wirkung in der Angleichung der Steuerfüs-

se, dadurch aber, dass zahlreiche Gemeinden ihren Steuerfuss auf eine politisch be-

stimmten Maximalsatz heben müssen, um in den Genuss dieser Leistungen zu kom-

men, wirkt er gleichzeitig steuerfusstreibend.

- Beim horizontalen Steuerkraftausgleich gibt es ebenfalls eine steuerfusstreibende Be-

zugsgrenze: das kantonale Mittel des Steuerfusses. Zudem besteht nach dem Erreichen

dieser Grenze für die Gemeinden bei der Erbringung von Leistungen kein Spar- oder

Effizienzanreiz mehr, weil der Kanton mit einer Defizitgarantie die Kosten, welche

jenseits dieser Grenze anfallen, begleicht.

- Die administrativen Aufwände des Kantons sind durch die Prüfung zur Anerkennung

der Leistungen sehr hoch.

- Der Steuerkraftausgleich wird als „ausgeschöpft“ beurteilt, weil die reichen Gemein-

den z.T. schon mehr als 50% ihrer Einkünfte abgeben müssen.

Indirekter Finanzausgleich

- Die Zweckbindung der Staatsbeiträge hat zur Folge, dass die begünstigten Gemeinden

höhere Ausgaben tätigen, um vermehrt zweckgebundene Beiträge auslösen zu können.

- Weiteren Instrumenten wurde angesichts ihres geringen Volumens nur geringe Wir-

kung zugesprochen, durch ihre Existenz trugen sie aber einen Teil zur Intransparenz

des Systems bei.57 57 Hinsichtlich der Funktionsweise von modernen Finanzausgleichssystemen muss im Vergleich mit späteren

Analysen hier erwähnt werden, dass die Evaluation von Buschor nur einen Teil der tatsächlichen Fehlanreize

und Inkonsistenzen aufzeigte, was aber anscheinend genügte, um die Wirkung des IKFA in Frage zu stellen.

Page 85: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

84

Gleichfalls wird durch Buschor die Bestätigung geliefert, dass die Forderungen der Stadt be-

rechtigt sind, indem er auf die stagnierende Steuerkraft durch Segregation und Nutzenspillo-

ver verwies. Dabei zitierte er Studien aus dem weiter oben schon erwähnten NFP 25 „Stadt

und Verkehr“ und legitimiert damit die Anliegen der Stadt durch wissenschaftliche Beweise

(ebd.: 85ff.).

Als Lösung zur Umgehung der Mängel des bestehenden IKFA formulierte er einen Normlas-

tenausgleich. Ein solches Ausgleichssystem soll nur explizit normierte Lasten, welche durch

eine „Normenkommission“ wissenschaftlich und politisch für jedes einzelne Aufgabengebiet

festgelegt werden, ausgleichen. Buschor bezog sich dabei auf Beispiele in Grossbritannien

und den USA (ebd.: 89ff., vgl. auch Schedler 1996: 281ff.)

Diese Phase kann entsprechend des Lernzyklusses von Hall sowohl als Ende der Vorherr-

schaft des bestehenden Policy-Paradigmas als auch als Beginn des wirtschaftswissenschaftli-

chen Wettbewerbs betrachtet werden, in welchem sich alternative Policy-Lösungen gegenü-

berstehen und über deren Durchsetzbarkeit entschieden wird.

8.2.4 Economic Viability

Das Normlastenmodell von Buschor dominierte die politische Debatte bis 1994. Von den Par-

teien wie von den Verwaltung erhielt es zuerst Applaus und 1993 auch Zustimmung in der

Vernehmlassung (NZZ vom 20.3.1993, S. 53), „weil sich jeder darunter vorstellen konnte,

was er wollte“ (Experteninterview). Bei der administrativen Auseinandersetzung mit dessen

Implikationen durch die Verwaltung, welche versuchte ein solches Modell umzusetzen, wurde

aber je länger umso deutlicher, dass dieses System nicht praktikabel war. Ein zu grosser Auf-

wand steckte hinter jeder Normierung, welche jeweils auch politisch hätte angezweifelt wer-

den können (Experteninterviews). Im Sommer 1994 wurde der Versuch mit dem Normalas-

tenausgleich dann auch abgebrochen (NZZ vom 26.8.1994, S. 51). Damit verlor diese wissen-

schaftliche Idee den Kampf um ihre Durchsetzung, weil sie praktisch nicht umsetzbar war.

Durch den Rückzug dieser Vorlage wurden denn auch die Rufe der Stadt wieder lauter.

Page 86: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

85

An dieser Stelle wird nun ein Einschub vorgenommen und auch die individuelle Abgeltung

der Zentrumslasten für die Stadt Zürich nach dem Zyklus von Hall analysiert58.

8.2.4.1 Lastenabgeltung für die Stadt Zürich

8.2.4.2 Krise59

Wie schon oben erwähnt, entstammten die Forderungen der Stadt nach einer Abgeltung ihrer

zentralörtlichen Lasten nicht dem Kontext einer volkswirtschaftlichen Krise. Durch die Ver-

zögerung der Behandlung des Themas durch die Auseinandersetzung mit dem Normlasten-

modell von Buschor wurde es inmitten der Rezession der 1990er Jahre wieder virulent und

deshalb wohl auch stärker als zuvor wahrgenommen. Seit 1990 verzeichnete der städtische

Haushalt jedes Jahr ein steigendes Defizit, was bis 1994 zur Umsetzung von fünf Sparpaketen

und einer deutlichen Erhöhung des Steuerfusses führte. Ende 1995 wurde ein Bilanzfehlbetrag

von über einer Mia. CHF ausgewiesen (NZZ vom 11.2.1994, Sonderbeilage). Somit muss bei

der neuerlichen Diskussion über die Abgeltung von Zentrumslasten von einer wirtschaftlichen

Krise als Hintergrund ausgegangen werden.

8.2.4.3 Economic Viability

Schon während der Debatte über die Ausgestaltung des IKFA nach Normlasten wurde deut-

lich, dass sich diese Modell nicht innert nützlicher Frist umsetzen lassen würde, weshalb Bu-

schor selber für den zeitlichen Vorzug der Abgeltungen für die Stadt votierte (NZZ vom

20.3.1993, S. 53). Ihm und seiner Studie war es denn auch zum Teil zu verdanken, dass trotz

des Scheiterns, die Lasten der Stadt als Thema von der Agenda nicht mehr verdrängt werden

konnten. Der Buschor-Bericht wurden im weiteren Verlauf in der Öffentlichkeit mehrmals als

Beleg für die Abgeltungswürdigkeit städtischer Lasten herbeigezogen (ebd., NZZ vom

13.5.1994, S. 51). Zwar gab es vorher schon Untersuchung zur Begründung und Quantifizie-

58 Eine integrierte Darlegung dieses Untersuchungsgegenstandes bietet sich hier deshalb an, weil es chronolo-

gisch den Prozess der Durchsetzung einer Idee nicht unterbricht, was für die noch folgenden Darlegungen wie

auch für das Verständnis des Lesers von Relevanz ist. Zudem kann so auf störenden Wiederholungen, welche bei

einer separaten Behandlung zwingend die Folge wären, verzichtet werden. 59 Gleichzusetzen mit der Krise ist in diesem Fall die Phase, in welcher das vorherrschende Paradigma seine

Bedeutung verliert, weil die Nicht-Existenz eines Lastenausgleichs als Paradigma als ungenügend taxiert und

durch dessen Abwesenheit die Krise verstärkt wurde.

Page 87: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

86

rung der Lasten, insbesondere im Kulturbereich (Experteninterview), die wurden jedoch von

der Stadt nahe stehenden Personen unternommen, was deren Annerkennung einen Abbruch

tat. Offensichtlich wurden die erbrachten Leistungen für andere Gemeinden auch am An-

wachsen der Drogenszene im Platzspitzpark, deren Zusammensetzung sich nachweislich nicht

nur auf städtische Drogenabhängige reduzieren liess (NZZ vom 11.2.1994, Sonderbeilage).

Ein wichtiger Grund für die Persistenz des Thematikums muss auch in der aufkommenden

Standortfrage im europäischen Wettbewerb um Investitionsgüter gesehen werden. Die Beto-

nung der volkswirtschaftlichen Relevanz des Ausgleichs wurde insbesondere von der Stadt

mehrmals vorgebracht (Experteninterview). Die Debatten drehten sich denn auch im weiteren

Verlauf weniger um die Legitimität der Forderungen, als viel mehr um die Höhe des Aus-

gleichsbetrages. Damit schien die „economic viability“ dieses Themas endgültig anerkannt.

Von ersterem zeugt die relativ deutliche Annahme der 1989 formulierten Behördeninitiative

des Gemeinderates der Stadt durch den Kantonsrat 1992 (NZZ vom 13.5.1994, S. 51). In der

Diskussion über die Höhe der Abgeltung dagegen schien sich nicht so leicht ein gemeinsamer

Nenner finden zu lassen. Diese Auseinandersetzungen markierten denn auch den Eintritt in

den Kampf um die politische Durchsetzung dieser Idee.

8.2.4.4 Political Viability

Fast seit Beginn der Krise wurde der Stadt vorgehalten, dass deren Haushaltsführung ungenü-

gend sei. Diese Kritik muss auch damit begründet werden, dass der Kantonshauptort ab 1990

von Rot-grün regiert wurde und dadurch mit dem bürgerlichen Umland politisch nicht mehr

kohärent war. Hier liegt somit ein Beleg dafür, dass sich parteipolitische in Korrelation mit

sozio-ökonomischen Konfliktlinien im Prozess bemerkbar machten. Während die Stadt von

300 bis 400 Mio. CHF für die Aufwendungen im Bereich Polizei und Kultur ausging, wurden

ihnen von der anderen Seite Beträge von 20 bis 60 Mio. CHF entgegengehalten (NZZ vom

20.3.1993).

Als richtungsweisend für die politische Durchsetzung dieser Idee erwies sich im Nachhinein

eine kantonale Abstimmung: 1994 wurde die Bevölkerung zur Frage über die Kantonalisie-

rung des Opernhauses an die Urne gebeten. Die Oper wurde nachweislich zu einem grösseren

Teil von ausserstädtischen Besuchern in Anspruch genommen. Die Vorlage kam aber erst

zustande, als die Stadt aufgrund zu hoher Lasten mit der Schliessung des Hauses drohte, wor-

Page 88: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

87

auf die Stimmbürger sie am 25. September 1994 mit 73,2 der Stimmen deutlich annahmen60

(NZZ vom 17.9.1994, S. 53). In der Folge kam es im Juni 1995 zur Abstimmung über die

Abgeltung von polizeilichen Lasten. Durch die Vorstrukturierung der öffentlichen Debatte

sowohl wegen dem Opernhaus als auch der Drogenszene, wurde es politisch als legitim und

gerecht betrachtet, dass die Stadt für ihre Leistungen mit einem Beitrag von 47,5 Mio. CHF

entschädigt würde. Der Vorlage wurde mit knapp 70% Ja-Voten deutlich zugestimmt. Im

Sinne Halls kann diese Zustimmung als Lernen 2. Ordnung beschrieben werden. Es wurde

nicht nur wie bei der Kantonalisierung des Opernhauses ein neues Instrument resp. dessen

Ausprägung erweitert, waren ja schon früher gewisse Ausgaben zentralisiert worden, sondern

es wurde ein neues Ziel definiert: Der direkte Ausgleich von kernstädtischen Sonderlasten.

Da sich der Kanton ab 1996 unter dem 1994 neu gewählten Regierungsrat Markus Notter (SP)

wieder mit der Überarbeitung des IKFA befasste, wurde 1997 eine Studie erstellt, welche

erstmals die gesamten Zentrumslasten der Stadt zu quantifizieren versuchte (Infras/Nabholz

1997: 12ff.). Darin werden die massgebenden Leistungen auf 313 Mio. CHF veranschlagt.

Der Regierungsrat hat davon 147 Mio. als abgeltungswürdig und angemessen taxiert (NZZ

vom 20.10.1998, S. 57). Angesichts der weiterhin schlechten Haushaltslage der Stadt61 führte

die zu einer regierungsrätlichen Vorlage ans kantonale Parlament, worin die Stadt frühzeitig

und umfassender als bisher entschädigt werden sollte. Von diesen 147 Mio. CHF werden 47,5

für polizeiliche Dienste und 11,5 Mio. CHF für Kulturinstitutionen schon entschädigt62, wo-

mit knapp 90 Mio. an offenen Leistungen übrig bleiben. Am 19. Oktober 1998 wurde diese

Vorlage im Parlament behandelt und mit 123 zu 31 Stimmen angenommen (ebd.). Im Verlauf

der Debatte wurde insbesondere auf die Vorbildrollen von Bern und St.Gallen wie auch auf

andere Länder verwiesen.

Im Wahlkampf wichtiger war aber das Argument der Standortattraktivität (Experteninter-

view). Sie hatte mit grosser Wahrscheinlichkeit einen Einfluss darauf, dass im Vergleich zum

Kanton Bern alle Parteien ausser der SVP über das ganze Kantonsgebiet hinweg, wenn auch

nach anfänglichem Zögern, für die Vorlage einstanden (Experteninterview). Mit über zwei

60 Für den Kanton bedeutete dies, dass er zwar die städtischen Kulturinstitutionen Tonhalle und Kunsthaus, wel-

che er seit den 1980er Jahren fördert, nicht mehr zu unterstützen brauchte, es durch die Übernahme des Opern-

hauses zu einer Zunahme seiner Belastungen um 25 Mio. CHF kam (NZZ vom 26.8.1994, S. 51). 61 Die Defizite waren weiterhin hoch und von 1996 bis 1998 wurden die Sparpakete 6 bis 9 beschlossen. 62 Zudem sollen weitere 60 Mio. CHF über die Kantonalisierung von Bildungsaufgaben abgegolten werden. Dies

betrifft die Fachhochschulen und die Finanzierung von Jugendheimen wie Jugendhilfen.

Page 89: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

88

Drittel der eingegangenen Stimmen war die Zustimmung denn auch beträchtlich. So erhielt

die Stadt insgesamt 90 Mio. CHF an Abgeltungen für die Folgen der Segregation (Sozialhilfe)

und von Spillover (Polizei und Kultur). Mit der Veränderung des FAG wurden Übergangsbe-

stimmungen für fünf Jahre getroffen, welche mit dem Inkrafttreten des neuen IKFA abgelöst

werden sollten.

Durch die Annahme wurde die politische Durchsetzung der Idee vom Lastenausgleich im

Kanton Zürich definitiv bestätigt. Dies zeigt sich auch bei den späteren Verlängerungen der

Zuschüsse im Kantonsrat.

An dieser Stelle und der Erreichung der „political viability“ für zentralörtlichen Lastenaus-

gleich wird wieder zur wissenschaftlichen Debatte über die, die Reform des gesamten IKFA

leitende Idee, zurückgekehrt.

8.2.5 Fortsetzung Gesamtsystem IKFA

Wie oben erwähnt, nahm der Regierungsrat ab 1996 einen zweiten Anlauf, die Effizienzmän-

gel im IKFA zu beseitigen und die Städte Zürich und Winterthur zu integrieren. Direkt im

Anschluss an die Annahme der Zentrumsabgeltungen wurde ab 1999 verwaltungsintern ein

Projekt gestartet, welches die Optimierung des direkten und indirekten Finanzausgleichs zum

Ziel hatte (Direktion der Justiz und des Inneren des Kantons Zürich 2002: 57f.). Dazu wurde

ab Mitte 2000 eine Projektgruppe eingesetzt, in welcher sowohl Vertreter von verschiedenen

Gemeindetypen als auch die vom IKFA betroffenen Direktionen unter der Leitung von Regie-

rungsrat Notter Einsitz hatten. Vom Beratungsbüro Nabholz wurde bis 2001 eine Studie ent-

worfen, welche dann bis Mitte 2002 zu einer Vorlage ausgebaut wurde (ebd.: 58). Diese wur-

de im Juni 2003 den Medien präsentiert (NZZ vom 5.9.2003, S. 55).63

Die Ziele wurden ähnlich wie diejenigen des Bundes und des Kantons Bern definiert (Nab-

holz 2003: 5f.). Als wichtigste Änderung wurde vorgeschlagen, auf die ausgleichende Wir-

kung des indirekten Finanzausgleichs zu verzichten. Funktionierende Elemente wie die des

direkten Finanzausgleichs sollten erhalten bleiben, gleichzeitig aber auch ihre Wirksamkeit

63 Dass es knapp drei Jahre dauerte, bis das neue Modell vorgestellt werden konnte, ist neben der aufwändigen

Suche nach politischen Kompromissen auf Vorbehalte der betroffenen Verwaltungen zurückzuführen, welche

durch den geplanten Abbau von Staatsbeträgen wichtige Steuerungsinstrumente zu verlierend drohten und des-

halb weitere Untersuchung einforderten (Experteninterview).

Page 90: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

89

noch verbessert werden. Die Lastenabgeltung für die Stadt sollte zudem definitiv eingeführt

werden, weil kein praktikabler Weg gefunden wurde, die Stadt in den IKFA zu integrieren.

In dem vorgelegten Ansatz lassen sich bestimmte Elemente der NFA vorfinden. So wurde

insbesondere eine Trennung zwischen allokativen und distributiven Zielen vorgenommen und

ein Grossteil der Beiträge wurde zweckbefreit. Auch wurde für die Motivation einer „grund-

legenden“ Reform auf die NFA verwiesen (ebd.: 20). Ein semantischer Vergleich ergab dazu,

dass gewisse Begriffe ebenfalls dem NFA-Vokabular resp. der Expertenstudien (Frey et al.

1994) entstammen. An anderer Stelle wird aber explizit erklärt, dass eine stärkere Anlehnung

an des NFA-Modell im Kanton Zürich nicht umsetzbar sei (ebd.: 42). Trotz dieser sehr ver-

kürzten Darstellung hier, kann behauptet werden, dass diese Vorlagen eindeutig von der Re-

form auf Bundesebene beeinflusst wurde, wenn auch deren Prinzipien willentlich mit Bezug

auf die unterschiedlichen Voraussetzungen nicht konsequent umgesetzt wurden.

Kritisiert wurde in der Vernehmlassung denn auch hauptsächlich, dass die bestehenden Fehl-

funktionen nicht durchs Band aufgehoben werden würden. Zudem gab es von zahlreichen

Seiten Einwände, die hier wegen ihrer divergierenden Richtungen nicht explizit aufgelistet

werden sollen, die aber stark auf die sozio-ökonomischen Charakteristika der Kritiker-

Gemeinde zurückzuführen sind (NZZ vom 5.9.2003, S. 55).

Obwohl die Ergebnisse der Ende 2003 stattfindenden Vernehmlassung „nicht schlecht“ wa-

ren, wurde dieser Ansatz schliesslich nicht weiterverfolgt (Experteninterview).

Ein Grunde dafür lagen darin, dass es durch parallel ablaufende andere Reformen Interaktio-

nen mit der Reform des IKFA gab64, welche die Weiterführung behinderten. Der andere

Grund für die Aufgabe dieser Policy-Idee ist darin zu sehen, dass die vorgeschlagene Rich-

tung nur eine schwache Verbesserung des IKFA ergeben hätte, in der Terminologie Halls also

nur ein schwaches Lernen 2. Stufe erfolgt sei, und man anscheinend mit diesem Resultat auf

Gemeinde- wie auch auf Verwaltungsstufe nicht ganz glücklich war. Ob die NFA ein Grund

für den Unterbruch war, konnte nicht schlüssig in Erfahrung gebracht werden. Sicher ist zu-

mindest, dass die Projektgruppe, welche die Reform des IKFA leitete über die Bestrebungen

auf Bundesebene genau informiert war, was sich durch die Verweise in der Studie von Nab-

64 Namentlich waren dies Reformen der Volksschule und im Spitalbereich. Beide waren durch den indirekten

Finanzausgleich an den IKFA gebunden. Der Regierungsrat entschied schliesslich, dass diese beiden Geschäfte

vorzuziehen seien (Experteninterview). Durch die Ablehnung der Volksschulreform an der Urne kam es in der

Folge zu einer weiteren Verzögerung.

Page 91: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

90

holz bestätigen lässt. Dies ist neben der breiten öffentliche Debatten und die bevorstehende

Volksabstimmung 2004 auch auf die intergouvernementalen Interaktionen von Regierungsrä-

ten in den entsprechenden Gremien (KDK, Fachdirektorenkonferenzen) wie in den persönli-

chen Netzwerken zurückzuführen (Experteninterview). Somit kann der Einfluss von anderen

Kantonen wie von der bundesstaatlichen Ebene als möglich erachtet werden.

Zeitlich wurde so zwischen 1993 und 1995 eine zweijährige Pause bei den Reformbemühun-

gen eingelegt. Nach der Wiederaufnahme des Projekts kann der Einfluss der NFA durch Ex-

pertenaussagen belegt werden. Er führte dazu, dass die bestehenden Zweifel an einer deutli-

chen Wirksamkeitsverbesserung und der Anspruch der politischen Akteure, nach der schon

langen Beschäftigungsdauer mit der Reform des IKFA, einen „grossen Wurf zu landen“ ver-

stärkt wurden. Das Unbehagen über die zahlreichen politischen Kompromisse, welche die

Studie von Nabholz auszeichneten und sich v.a. in einer grossen Anzahl von Instrumenten

bemerkbar machten, musste aber zuerst bestätigt werden. Bei der Suche nach externen Bera-

tern halfen die bestehenden Regierungskontakte. Im Besonderen wurde auf Peter Schönen-

berger (CVP), Regierungsrat von St. Gallen, verwiesen, welcher in seinem Kanton, der aus

Sicht der entscheidungsrelevanten Akteure strukturelle Ähnlichkeit mit dem Kanton Zürich

aufwies, eine Reform des IKFA umsetzte, welche grosse Übereinstimmungen mit der NFA

besitzt (Experteninterview). Aus diesem Grund wurden die Berater von St.Gallen, das Institut

für Finanzwissenschaft und Finanzrecht IFF der Universität St.Gallen angefragt, ob man die

bestehende Vorlag auf deren Zielerreichung überprüfen und gleichzeitig eine Zieldefinition

für einen IKFA in Zürich vorlegen könne (Angelini et al. 2005: 1).

Im Dezember 2005 erschien der verlangte Bericht und lieferte Folgendes zu Tage (ebd.: 4ff.):

Methodische Mängel in der Vorlage von Nabholz seien ausschlaggebend gewesen, dass die

Wirksamkeit nicht so habe herbeigeführt werden können, wie sie erwünscht gewesen wäre.

Durch unklare Zieldefinitionen habe man versucht, gegensätzliche Absichten unter einen Hut

zu bringen, zudem könne mit der Gesamtwirkung des Modells nur unwesentliche Verbesse-

rungen erzielt werden.

Im Wettbewerb um die Durchsetzung von wissenschaftlichen Ideen wurde mit dieser Beurtei-

lung die „economic viability“ des vorgeschlagenen Modells zurückgewiesen. Wie es Hall

propagiert, ist die Wirkung von Lernprozessen hier wahrnehmbar. Bereits zum zweiten Mal

hat somit in Zürich eine mögliche Policy-Lösung einen Rückschlag erlitten. Dass die Austra-

gung eines Diskurses hier so direkt stattfindet, ist in erster Linie dem starken Einfluss eines

konkurrenzieren Modells auf Bundesebene und kausal nachgestellt dem politischen Umfeld

Page 92: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

91

zu verdanken, welches durch eine kritische Haltung Unsicherheit auslöste und so eine wissen-

schaftliche Gegenüberstellung provozierte. Die Richtung des kausalen Zusammenhangs ist

hier zwar nicht eindeutig, doch ist die Annahme, dass eher die ideelle Alternative die politi-

sche Skepsis hervorzurufen vermag wahrscheinlicher, als dass ein nur von endogenen kogni-

tiven Determinanten geprägtes Denken eine Rückweisung des Modells bewirkt hätte. Kontra-

faktische Überlegungen mögen an dieser Stelle hilfreich sein, wenngleich sie nur hypotheti-

scher Natur sind: Ohne die Existenz des NFA-Modells hätte sich ceteris paribus wahrschein-

lich der Vorschlag von Nabholz, wenn auch mit etwelchen politisch motivierten Veränderun-

gen, durchgesetzt. Ein solches Gedankenexperiment unterliegt einigen potenziellen Fehl-

schlüssen, doch kann damit das propagierte Verhältnis zwischen Ursache und Wirkung ver-

deutlicht werden65.

Die Charakteristika des Modells, wie es vom IFF vorgeschlagen wurde, können in der Einlei-

tung dieses Kapitel betrachtet werden, weshalb hier nur noch punktuell darauf eingegangen

wird. Die grosse Übereinstimmung mit der NFA-Lösung in den grundsätzlichen Elementen

wird dort ebenfalls behandelt. Entsprechend der ökonomischen Theorie des Finanzausgleichs

wurde von Angelini et al. neben den schon bei Nabholz vorgefundenen Elementen verstärkt

auf die Bedeutung der Einhaltung der fiskalischen Äquivalenz und der Trennung zwischen

endogenen und exogenen Bezugskriterien hingewiesen (ebd.: 16ff.). Als Veränderung in der

Zieldefinition wird explizit die politisch Begrenzung der Steurfussdisparitäten ausgeschlos-

sen, ansonsten scheinen die Ziele mit dem Modell Nabholz weitgehend ähnlich zu sein (ebd.:

23f.). Die Konkretisierung dieser Vorschläge finden sich in dem im Sommer 2006 vorgeleg-

ten „Grundmodell“ (Angelini et al. 2006), welches im März 2007 als Vorlage der Öffentlich-

keit vorgestellt und in die Vernehmlassung geschickt wurde.

In Ermangelung des definitiven Resultates über die Umsetzung der vom IFF „adoptierten“

NFA-Idee, wird der Prozess um die politische Durchsetzung auf die Vernehmlassung und die

darauf gemachten Veränderungen verkürzt. Dies setzt für die Analyse der Hypothesen die

Annahme voraus, dass das Modell wie es zum jetzigen Zeitpunkt Bestand hat, angenommen

wird. Dies zieht verschiedenen Konsequenzen für die Ergebnisse dieser Arbeit nach sich: Ers-

tens werden mit grösster Wahrscheinlichkeit die noch in den parlamentarischen Debatten vor-

65 Hingewiesen sei an dieser Stelle auf kontrafaktische Gedankenexperimente in der Philosophie, bspw. in der

Herleitung des Sittengesetzes in der „Kritik der reinen Vernunft“ bei Kant (1787) oder die Begründung der „ide-

alen Sprechsituation“ bei Habermas (u.a. 1982).

Page 93: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

92

zunehmenden politischen Änderungen unterschätzt, zweitens können die einzelnen Einfluss-

faktoren nicht genügend stark auseinander gehalten werden und drittens kann ein grundlegen-

der Fehlschluss vorliegen, sollte das Modell abgelehnt werden, was auf eine Überschätzung

des Einflussfaktors „Lernen“ zurückzuführen wäre. Somit sollten die in die Hypothesenprü-

fung einfliessenden Ausprägungen der einzelnen unabhängigen Variablen in der Phase der

„poilitcal viability“ mit grösster Skepsis betrachtet werden.

8.2.6 Political Viability

Die Ergebnisse der Vernehmlassung vom Herbst 2007, welche eine hohe Beteiligung erfuhr,

lassen sich folgendermassen darstellen (Direktion der Justiz und des Inneren des Kantons Zü-

rich 2008): Das Modell erhielt für die eingeschlagene Richtung Zustimmung von allen Partei-

en ausser der SVP. Gleichzeit wurden aber zahlreiche Änderungsvorschläge angebracht, wel-

che sich nach parteipolitischen und sozio-ökonomischen Einflussfaktoren trennen lassen.

Grosse und mittelgrosse Gemeinden begrüssten den REFA grundsätzlich. Kleiner Gemeinden

forderten zusätzliche Mittel, weil sie nicht mehr in dem Masse profitieren sollen wie vorher.

Von ländlichen Gemeinwesen und linken Parteien wird insbesondere ein Lastenausgleich für

unvorteilhafte Siedlungsstrukturen und topographische Verhältnisse gefordert. Reiche Ge-

meinden und wirtschaftsorientierte Parteien kritisieren die starke Abschöpfung. Die pauschale

Abgeltung von Zentrumslasten findet hauptsächlich in der Stadt und in linken und Mitte-

Parteien Zuspruch. Von verschiedener Seite werden zudem Veränderungen bei den Berech-

nungskriterien für die einzelne Sonderlastenausgleiche gefordert. In der Folge kam es unter

den Verlierern der Reform, namentlich kleinen ländlichen und reichen suburbanen Gemein-

den zur Bildung einer „unheiligen Allianz“. Ob diese auch weiterhin Bestand hat, wird sich

jedoch erst in den parlamentarischen Auseinandersetzungen weisen.

Wie es zu einer Einsicht über die Notwendigkeit einer Reform kam, wie sie von den Experten

bestätigt wurde und auch in der Vernehmlassung z.T. Ausfluss fand, hat verschiedene Grün-

de. Zum einen wird die lange Dauer des Reformprozesses erwähnt, der sich zwar nicht in ei-

nem Problemdruck äusserte, dafür aber einen Entscheidfindungsdruck entstehen liess (Exper-

teninterview). Dies trotz der Tatsache, dass sich die Disparitäten im Kanton insbesondere in

den Steuerbelastungen verstärkt haben (Nabholz 2003: 24) und der mehrmaligen Betonung

durch die führenden Akteure, dass der bestehende IKFA „eigentlich ganz gut funktioniere“.

Durch die wiederholte Darlegung der Fehlanreize und die mangelnde Effizienz des Systems

wurden diese Erkenntnisse den politischen Akteuren anscheinend „eindoktriniert“ und von

Page 94: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

93

diesen auch angenommen. Dieser Vorgang ist sicherlich auch damit zu erklären, dass diese

sich in der Beschäftigung mit drei verschiedenen Modell lange Zeit mit der Materie auseinan-

dersetzten, wenn auch einschränkend gesagt werden muss, dass es nur wenige Politiker gab,

welche seit 1992 am gesamten Prozess beteiligt waren. Diese Erklärung gilt somit nicht für

diejenigen Akteure, welche nur eine oder zwei Etappen mitgemacht haben. Hier kommt den

auch noch ein anderer Mechanismus zum Zug.

Wie ein Experte meinte, führe die Reform eines IKFA die direkte Demokratie mit ihren Mi-

lizparlamentariern an die Grenze des Machbaren, weil für das Verständnis eines solch kom-

plexen Themas viel Zeit und Fachwissen notwendig sei, was nicht jeder auf- oder mitbringen

könne. Für ein praxisorientiertes Verständnis und die Erklärung wirklichkeitsbezogener Zu-

sammenhänge heisst dies, dass sich die Akteure gemäss einer handlungsleitenden konstrukti-

vistischen Theorie auf Normen beziehen, welche sich in ihren „belief system“ finden. Solche

Normen sind abhängig von ihrem Umfeld, ihren Vorstellungen und Sinninterpretationen.

Durch das Aufkommen und die Persistenz effizienzorientierter Analysemuster in der gesell-

schaftlichen, kulturellen und politischen Realität werden solche Normen zu handlungsleiten-

den Vorgaben, weil sie den Akteuren als angemessen erscheinen. Die kann dazu führen, dass

Begriffe wie „Effizienz“ zu verkürzten Anwendungsmustern werden. Dies schliesst nicht aus,

dass ein Grossteil der Leute „nicht verstehen, was Ökonomen unter Effizienz verstehen, dass

dies nicht nur Kosten-Nutzen-Rechnungen sind“, wie ein Experte meinte, weil Normen eben

genau auf solchen „short-cuts“ beruhen. Dadurch wird verständlicher, weshalb politisches

Lernen am Beispiel der REFA auch vor dem Hintergrund der Durchdringung der Gesellschaft

durch Konzepte wie des NPM, dem Public Choice oder dem Neoliberalismus betrachtet wer-

den muss. Die Erkenntnis über die Notwendigkeit einer Reform kann relativ unabhängig vor

der eigentlichen Wirkung des bestehenden Systems entstehen, solange die Reform-Idee „an-

gemessenen“ Normen entspricht. Dass in der politischen Debatte durch den NFA auch noch

konkrete Mechanismen zur Verfügung gestellt wurden, um diese Effizienz-Normen zu erfül-

len, macht es für das spezifische politische Lernen im Bereich Finanzsausgleich erheblich

leichter.

Dass ein Lernprozess stattgefunden hat, wurde von den Experten denn auch mehrheitlich bes-

tätigt. Für den Fall Zürich war es sicher ebenfalls wichtig, dass das NFA-Modell schon von

verschiedenen Kantonen übernommen wurde, wenn auch durch die bisherige kurze Wir-

kungszeit noch nicht sehr viel über deren tatsächliche Wirksamkeit zu erfahren war. Trotzdem

Page 95: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

94

wird das Modell als relativ unbestritten betrachtet, wenn gleich es für jeden Kanton in seiner

Feingliederung ein wenig anders konzipiert werden muss (Experteninterview).

Nach der Analyse diese Ergebnisse wurde der REFA bis zu Beginn 2009 verändert und im

Februar den Medien in der in der Einleitung dieses Kapitels dargelegten Form präsentiert. Die

vorgenommenen Anpassungen betreffen die Einführung eines geographisch-topographischen

Sonderlastenausgleichs nach dem Vorbild der NFA zur Abgeltung dünner Besiedlung und

steilem Gelände, zusätzlich werden auch die Abgeltungen für sozio-demographische Lasten

erhöht. Dadurch wird v.a. den Forderungen kleiner, armer und peripherer Gemeinden mit ei-

ner rechts-konservativen Einstellung Genüge getan. Dies kann als Reaktion auf die Bildung

der unheiligen Allianz verstanden werden. Bei der Abschöpfung der über dem kantonalen

Durchschnitt liegenden Ressourcen wird neu ein einheitlicher Satz anstelle einer progressiven

Lösung verwendet, womit man die reichen Gemeinden versuchte zufrieden zu stellen. Mit

dem leichten Ausbau des Härtefallausgleichs wurden zudem die Einwände aller Verlierer

stärker berücksichtigt. Obwohl der Regierungsrat mehrfach auf die Budgetneutralität der

REFA verwiesen hatte, ist der Kanton nun bereit, geringe Mehrbelastungen auf sich zu neh-

men.

8.2.7 Fazit

8.2.7.1 IKFA

Dass in Zürich66 eine Diffusion der NFA-Idee stattgefunden hat, lässt sich durch die gemein-

same Verwendung des Grundmodells mit Ressourcen- und Lastenausgleich sowie der Tren-

nung der Abgeltungen auf Lasten des Umlandes und der Kernstädte erahnen.

Mit dem Modell Buschor wurde 1992 zwar eine konzeptionelle Neuorientierung in Angriff

genommen, Merkmale eines modernen IKFA waren darin jedoch nur im Begriff der Effizienz

zu erkennen, weshalb hier hinsichtlich der NFA-Ideen nur von einem Lernen 1. Ordnung ge-

sprochen werden kann (Phase 3a). Stärker war dieser Einbezug 2003 im Modell von Nabholz

(3b), wo insbesondere eine Trennung zwischen allokativen und distributiven Instrumenten

66 Hinsichtlich der Analyse des Gesamtmodells wird die formale Darstellung in den Phasen der „economic“ und

„political viability“ erweitert um die drei verschiedenen Anläufe differenziert betrachten zu können.

Page 96: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

95

vorgenommen und zweckbefreite Beiträge eingeführt werden sollten. Verweise auf die öko-

nomische Theorie und die NFA konnten mehrfach vorgefunden und auch von Experten

Tabelle 3: Einfluss der unabhängigen Variablen auf die Ähnlichkeit des REFA mit der NFA

Legende: Phase 1: Krise; Phase 2: Policy-Anomalien, Phase 3: Economic Viability, Phase 4: Political Viability;

Phase 5: Administrative Viability.

Bewertung: einfache Ausprägung: schwacher Einfluss; zweifache Ausprägung: mittlerer Einfluss; dreifache

Ausprägung: starker Einfluss.

bestätigt werden. Der Einbau von Lastenausgleichsinstrumenten für Leistungen der Kernstäd-

te ergab sich hauptsächlich aus den vier Jahre zuvor eingeführten Abgeltungen und wurde

durch die NFA und die ökonomische Theorie verstärkt. Hier fand somit zwar ein Lernen 2.

Ordnung statt, jedoch nur in einer schwachen Form, weil gewisse NFA-Ziele nicht verfolgt

wurden. Erst im Modell des IFF (3c) wurden alle zentralen Elemente der NFA übernommen,

wobei hier neben den erwähnten Instrumenten v.a. die Bezugnahme auf endogene Berech-

nungskriterien und die verstärkte Orientierung an fiskalischer Äquivalenz erwähnt werden

muss. Wenn diese Konstrukte auch nicht ganz konsequent umgesetzt werden sollen, kann hier

trotzdem von einer starken Wirkung von Diffusion gesprochen werden.

Dass diese Diffusion hauptsächlich auf Lernprozesse zurückzuführen ist, lässt sich mit Rück-

griff auf dessen Begriffsumschreibung erläutern: Durch die Redefinition von Interessen auf-

grund von neuen Wissensbeständen und gemachten Erfahrungen lässt sich für Zürich exem-

plarisch darstellen, dass durch IKFA, welche in der Vergangenheit nur mehr oder weniger die

Page 97: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

96

Bedürfnisse der Akteure erfüllten und so negative Erfahrungen auslösten und der „nationalen

Durchdringung“ durch die NFA-Ideen ein solcher Prozess stattfand. Die immer zahlreicher

werdenden Verweise auf die NFA und die ökonomische Theorie lassen diesen Schluss als

bestätigt erscheinen. Eine „spourious diffusion“ kann fünf Jahre nach der eidgenössischen

Volksabstimmung und den oben angebrachten Erklärungen deshalb als äusserst unwahr-

scheinlich ausgeschlossen werden. Zusammengefasst kann hier behauptet werden, dass sich

die Diffusion von Modell zu Modell verstärkte. Ab 2003 spielte die NFA eine wesentliche

Rolle. Sie wurde, wie es zwei Experten bezeichneten, zu einer „Norm“ für einen modernen

Finanzausgleich, womit sich auch der sich verstärkende Einfluss dieses Wirkungsmechanis-

mus erklärt (3c und 4c). Die Überzeugungskraft von Normen steht auch in starker Verbindung

zur Vermittlung dieser Ideen im politischen Prozess. Durch den Gebrauch von kognitiven

Abkürzungen erlangten Normen grösseres Gewicht, was wiederum die Lerneffekte mittels der

komplexen ökonomischen Theorie eingeschränkten (4c), ihr aber immer noch starke Wirkung

zugesprochen werden kann. Wettbewerbsmechanismen spielten seit Phase 2 im Verweis auf

die interkantonale und internationale Standortfrage eine Rolle, ihre grösste Wirkung indes

entfalteten sie bei der Durchsetzung des Lastenausgleichs für die Stadt Zürich.

Der Einfluss von Konfliktlinien kann, basierend auf der Annahme der Umsetzung des IFF-

Modells in Zürich, zwar grundsätzlich als negativ betrachtet werde (3c und 4c), war aber nicht

ausreichend, um eine Diffusion zu verhindern. Dieser Einschätzung haften aufgrund der hypo-

thetischen Annahmen aber grosse Mängel an. Eine Revision dieses Befundes wäre nach einer

möglichen Ablehnung des vorliegenden Modells zwingend. So weit die Untersuchung aller-

dings durchgeführt werden konnte, ist für parteipolitische und sozio-ökonomische Konfliktli-

nien zu sagen, dass sie hauptsächlich während der Phase der wissenschaftlichen (3c) und poli-

tischen Umsetzung (4c) des letzten Modells negativ wirkten, weil durch sie einige Kompro-

misse sprich Abweichungen vom theoretischen Modell sowohl in der Vorbereitung als auch

nach der Vernehmlassung gemacht werden mussten. Positiv für den Gesamtprozess waren

ihre Einflüsse und derjenige der institutionellen Traditionen aber während der Phase der „po-

litical viability“ des Nabholz-Modells (4b), weil sie mithalfen, das Modell zu stürzen und da-

durch den Weg für eine noch stärkere Diffusion der hier untersuchten Policy-Ideen frei mach-

ten. Ansonsten ist die Funktion von Letzteren ein wenig differenziert zu beschreiben. In der

Frühphase des Nabholz-Modells (3b) hatten sie eine positive Wirkung auf ebendieses Modell

und damit auf die Diffusion von Teilen der NFA-Ideen, weil durch das Bestehen des Aus-

gleichs für die Stadt dieses Instrument einfacher integriert werden konnte. Paradoxerweise

Page 98: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

97

wäre durch die Umsetzung dieses IKFA die weitere Diffusion von NFA-Ideen aber verhindert

worden, weshalb auch eine negative Wirkung konstatiert werden muss. Ähnliches gilt für den

gesamten wissenschaftlichen und politischen Prozess des IFF-Modells (3c und 4c): Dort por-

tierten die Traditionen weiterhin den Lastenausgleich für Städte, durch das Weiterleben von

endogenen Berechnungsfaktoren in Form der Steuerfussbindung hatten sie indes auch einen

negativen Effekt.

8.2.7.2 Lastenausgleich

Bei der erstmaligen Forderung der Stadt nach Abgeltungen war noch keine Krise zu spüren.

Durch die Verzögerung bis Mitte der 1990er Jahre wurde der Problemdruck durch die wirt-

schaftliche Situation aber virulent, weshalb ein gewisser Wettbewerbsdruck angenommen

wird. Während der Stadt-Land-Konflikt vorerst nicht sehr stark ausgeprägt war, nahm er ab

der Debatte um die „economic viability“ (3) wegen der zunehmenden Verschlechterung und

Disparitäten der Haushaltslagen der Gemeinden und später wegen den parteipolitischen Aus-

differenzierungen nach dem Gewinn der politischen Mehrheit durch Rot-grün in der Stadt zu.

Ersteres zeigt sich daran, dass innerhalb der Stadt bezüglich der Position zu den Abgeltungs-

vorlagen in den 1990er Jahren nur geringe parteipolitische Konflikte auszumachen waren und

auch im Kanton alle Parteien ausser einigen Regionalsektionen und der SVP einen zustim-

menden Beschluss fassten. Die Hypothesen zu den Konfliktlinien werden hier also schwach

bestätigt, wobei der Einfluss sozio-ökonomischer Unterschiede als gewichtiger zu werten ist.

Institutionelle Traditionen spielten zuerst insofern eine positive Rolle, als der Kanton schon

seit längerer Zeit Subventionen für städtische Kulturinstitutionen sprach (3). In der politische

Debatte (4) wurde dann aber klar, dass die bisherige Abwesenheit von Ausgleichsmechanis-

men in den Bereich Polizei und Soziales einen negativen Einfluss auf die Durchsetzung dieser

Policiy-Idee haben würde, was sich daran beobachten lässt, dass die Ausgleichsbeträge auf

ein „politisch akzeptables Niveau“ gekürzt werden mussten. Der Einfluss von institutionellen

Traditionen kann somit als zwiespältig bezeichnet werden. Zusammengefasst war die negative

Wirkung kantonaler Charakteristika begrenzt, wie sich durch die Annahme der Vorlage 1999

zeigte.

Hinweise darauf, dass zu Beginn des Prozesses gegen Ende der 1980er Jahre auf andere prak-

tische Beispiele Bezug genommen wurde, wurden keine gefunden. Dass es solche zumindest

im Ausland gab, ist aber wahrscheinlich. Mit den Studien von Buschor 1992 und den Berech-

nungen durch Infras und Nabholz 1997 wurden die Abgeltungen zentralörtlicher Lasten theo-

Page 99: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

98

retisch hergeleitet (3). Eine Diffusion hat hier somit mit grosser Wahrscheinlichkeit stattge-

funden, das Lernen bezog sich aber grösstenteils auf wissenschaftliche Konstrukte. Zwar

Tabelle 4: Einfluss der unabhängigen Variablen auf die Ähnlichkeit des Zürcher Lastenaus-

gleichs für Kernstädte mit dem SLA

Legende: Phase 1: Krise; Phase 2: Policy-Anomalien, Phase 3: Economic Viability, Phase 4: Political Viability;

Phase 5: Administrative Viability.

Bewertung: einfache Ausprägung: schwacher Einfluss; zweifache Ausprägung: mittlerer Einfluss; dreifache

Ausprägung: starker Einfluss.

besteht hier auch noch die Option, dass „spourius diffusion“ vorliegt, wobei diese Annahme

aufgrund der zahlreichen Interaktionen und die enge Verflechtung der Schweizer Kantone und

Städte mehr als fraglich ist. Zu erwähnen sind hier für den späteren Verlauf des Prozesses

sicherlich Bern und St.Gallen oder die Tatsache, dass ein städtischer Kanton wie Genf zur

Deckung der Kosten der Stadt eine Einnahmeteilung kannte. Es konnte zwar nicht direkt

nachgewiesen werden, dass von diesen Beispielen eine grosse Ausstrahlung ausging, trotzdem

ist eine Normendiffusion wahrscheinlich (4). Auch nahm der Wettbewerbsdruck im Verlauf

des Prozesses durch den Vergleich mit anderen Entitäten aber hauptsächlich wegen der

aufkommenden Standortfrage zu.

Wie in Bern konnte für die „administrative viability“ kein Hinweis für die Wirkung auf die

Diffusion festgestellt werden.

Page 100: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

99

9 Vergleich der Ergebnisse

Sowohl in Bern und Zürich kann von einer Diffusion ökonomischer Ideen für die IKFA ge-

sprochen und damit die entsprechende Hypothese bestätigt werden. Während in Bern schon

früh der Bezug auf die Theorie und die Verbindung zum NFA zentral war, drehte Zürich, sa-

lopp formuliert, noch zwei Extrarunden mit Modellen, welche die Bedürfnisse der Akteure

nicht zu befriedigen vermochten, aber den Kanton dem Ziel immer ein wenig näher brachten.

Erst ab 2005 wurde eine Reform in Angriff genommen, welche sich schliesslich mit wenigen

Ausnahmen konsequent nach den Ideen der NFA und der Theorie richtete. Dafür konnte

schon 1999 ein für die Schweiz exemplarischer Lastenausgleich für die Stadt Zürich einge-

führt werden, der sich ebenfalls mit Diffusions- und Lernprozessen, basierend aber hauptsäch-

lich auf theoretischen Ableitungen, und auch beständigem Lobbying erklären lässt. Der Kan-

ton Bern war in diesem Punkt ein wenig langsamer, dafür erhielt er gleich ein ganzes und the-

oretisch gut verschnürtes Paket an modernen Lösungen.

Laut Expertenaussagen kann für die frühere Umsetzung in Bern eindeutig der grössere Prob-

lemdruck verantwortlich gemacht werden. Dies scheint auf den ersten Blick schlüssig und

lässt sich mit Blick auf die unterschiedlichen Haushaltssituationen auch belegen, kann aber

nicht erklären, weshalb direkt das NFA-Modell und nicht zuerst ein Normlastenansatz wie in

Zürich zum Zug kam. Ein paar Experten meinten, dass es an der Praktikabilität und der Strin-

genz des Modells gelegen habe, was sicherlich als eine Teilerklärung gelten mag, aber wegen

der noch ausstehenden Wirkungsanalyse nicht hinreichend ist. Andere verwiesen auf die Ko-

härenz mit der ökonomische Denkweise und ihren Schlagworten „Effizienz“, „Deregulie-

rung“ und „Markt“, die sich in politischen, gesellschaftlichen und insbesondere wirtschaftli-

chen Bereichen ab den 1990er Jahren verstärkt breitzumachen begannen und sich auf staatli-

cher Ebene in Prozessen wie der (rechtlichen) Privatisierungen von Post und SBB, der wirt-

schaftlichen Öffnungstendenzen in internationaler Hinsicht oder Verwaltungsreformen nach

dem NPM-Ansatz zeigten. Braun (2003: 323) bspw. sieht in der Schweiz die Zuwendung an

die ökonomische Theorie des Föderalismus begründet in der Pfadabhängigkeit des Diskurses

um die zu erzielende Wirkung der staatlichen Ausgestaltung. Ein historisches Misstrauen ge-

genüber dem Zentralstaat, welches sich in der Bildung der Institutionen spiegelt, und der Vor-

rang dezentraler Entscheidfindung spielen dabei eine wichtige Rolle. Solche Überlegungen

mögen ebenfalls eine mögliche Erklärung bieten, lassen jedoch eine spezifische Betrachtung

für diese Untersuchung Aussen vor. Eine etwas genauere Lupe bieten Interaktionsvermutun-

gen, welche auf die wechselseitigen Beziehungen und aufeinander bezogenes Handeln, oder

Page 101: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

100

anders ausgedrückt, auf Interdependenzen verweisen, welche in Verbindung mit den im Theo-

rieteil besprochenen Konvergenzthesen stehen. Gerade für den Kanton Bern und die geringe

räumliche Distanz zu Bundesbern mag dies schlagend scheinen. Durch die systembedingte

Koppelung der verschiedenen Ebenen miteinander kann so sicherlich ein Teil der Bezüge und

Verweise erklärt werden. Auch in Zürich waren solche Bezüge auffindbar. Genaueres dazu

lässt sich aber nur mehr sagen, wenn auf die Akteursebene herunter gebrochen wird: Ohne

kluge finanzpolitische Köpfe, seien sie innerhalb der Verwaltung vorhanden oder von Aussen

beigezogen, wäre bei der Reform des IKFA nur wenig erreicht worden. Gut ausgebildete Per-

sonen bilden die Transportgefässe, durch welche die untersuchten Ideen vermittelt werden.

Was ebenfalls belegt werden kann, ist der Einfluss von kantonalen Eigenschaften wie Politik-

traditionen oder Konfliktlinien. Für alle drei untersuchten Variablen konnte in bestimmten

Phasen, insbesondere im politischen Prozess, nach Hall der „political viability“, eine negative

Wirkung auf die Durchsetzung einer Diffusion nachgewiesen werden, weil sich der viel be-

schworene „Kantönligeist“ gegen Neues und Unerprobtes zu wehren vermag, wenn auch sein

Einfluss schlussendlich nur begrenzt ausfiel. Zu differenzieren sind diese Beobachtungen von

den vorangehenden Prozessphasen, wo sich z.T. gegenteilige Tendenzen offenbarten. Institu-

tionelle Traditionen können dort sowohl förderlich sein, wo sie schon vorhandene moderne

Elemente portieren konnten, als auch eine spätere Diffusion von Grundkonzepten oder ergän-

zenden Instrumenten zumindest kurz- oder mittelfristig behindern. Gerade in der Schlussbe-

reinigung wird auf sie als vermeintlich verlässliche Instrumente zurückgegriffen, wenn sich

die politischen Differenzen der Akteure nicht anders lösen lassen.

Parteipolitische und sozio-ökonomische Konfliktlinien, welche in Stadtkantonen stark korre-

lieren, sind ebenfalls als Hindernisse bei den hier untersuchten Reformbemühungen zu be-

trachten, weil sie gerade vor dem Hintergrund ihrer kummulierten Wirkung von ideologischen

und regionalpolitischen Interessenslagen für die politische Balance- und Kompromisssuche

nur einen schmalen Grat bieten. Gerade in Zürich wird sich noch weisen, ob die vorgeschla-

gene Policy genug austariert ist. Zwar wurden in dieser Hinsicht in Bern und Zürich ähnliche

Resultate erzielt, deren Zustandekommen ist jedoch mehrheitlich auf unterschiedliche Ein-

flussfaktoren zurückzuführen.

Mit zunehmender Dauer des Prozesses, so zeigte sich in dieser Untersuchung, kann die zwar

nur schwierig steuerbare, aber sehr effektive Normenentwicklung zu einer Diffusion beitragen

und so den Politik-Output beeinflussen. Gerade weil sie in diesem Fall von einer höheren E-

Page 102: Lizenziatsarbeit_2009_Tobias_Günter

101

bene im politischen Sinn herabwirkt, verbreitet sie den süssen Duft des für viele Interessen

betörend riechenden Kompromisses. So können gemeinsam geteilte Normen auch in komple-

xen Zusammenhängen, wie es hier der Fall ist, einfache und verständliche Lösungen bereiten,

die auch für nicht Fachkundige eine positive Wirkung, wenn auch nicht kurz-, sodann mittel-

fristig, vermitteln kann. Insbesondere in Zürich hatte dieser Faktor Einfluss, welcher sowohl

in der langen Dauer der Reform, aber auch durch den Vergleich mit anderen Kantonen zu

sehen ist. Dabei spielte aber anscheinend weniger die Masse anderer reformfreudiger Kantone

eine Rolle, sondern vielmehr der Vergleich mit als „ähnlich strukturiert“ wahrgenommenen

Vorbilder.

Nicht zuletzt soll hier auch noch auf den Einfluss von Wettbewerbselementen verwiesen wer-

den, welche zwar nicht deutlich zum Vorschein kamen, aber wie die Normen auf leisen Soh-

len die Pfade für die Akteure aufzeigen können. Dieser zeigte sich insbesondere im Lasten-

ausgleich für Kernstädte, wo die Frage nach der Standortattraktivität anscheinend eine grösse-

re Rolle, als im gesamten Kanton spielte, was durch die stärkere wirtschaftliche Orientierung

zu erklären ist. Für den innerkantonalen Wettbewerb zwischen den Städten wurde dazu aber

praktisch kein Hinweis gefunden.

Auch der Wirkung interagierender Policies für die IKFA ist in dieser Untersuchung keine

grosse Bedeutung zuzumessen. Bei Lastenausgleichs-Lösungen aber kommt sie ein wenig

deutlicher zur Geltung. Hier konnte ihr Effekt zumindest für die NFA in der bundesstaatlichen

Beschäftigung mit stadt- und agglomerationspolitischen Themen ergründet werden.

10 Würdigung

Die verwendete Theorie von Hall hat sich in einigen Punkten als äusserst tauglich erwiesen,

die untersuchte Verbreitung von Ideen zu untersuchen. Der Lernbegriff, der zwei Komponen-

ten enthält, indem er sich auf Vergangenes und Neues bezieht, erlaubt einen relativ umfassen-

den Einbezug von verschiedenen Ideen zur Lösung eines Policy-Problems. Gerade am Fall

Zürich konnte so gezeigt werden, dass die oft formulierte These über die Bedeutung einer

Krise für das Auslösen einer Reform hier nicht bestätigt werden konnte, sondern hauptsäch-

lich auf die Redefinition der Interessen durch rivalisierende Wissensbestände abgestellt wer-

den kann. Für weitere Forschungen sind solche Erkenntnisse, welche sich gegen die Annah-

men der Theorie stellen wertvoll, weil sie auf mögliche neue resp. unterschätzte Zusammen-

hänge hinweisen. Insbesondere vor dem methodisch schwierigen Hintergrund von nicht sys-

temisch unabhängigen Fällen ist diese Erkenntnis umso höher zu bewerten. Wenn auch die

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hier erzielten Ergebnisse wegen der angewendeten Untersuchungsanordnung und Methode

nur äusserst begrenzt zu Generalisieren sind, konnte doch die Wirkung von Lernprozessen,

gemeinsamen Normen oder Konkurrenzmechanismen auf einen Policy-Output schlüssig dar-

gelegt werden. Dadurch hat sich der Vorhang der Blackbox politischer Programmgestaltung

ein Stück weit geöffnet.

Auch die auf wissenschaftliche Politikprogramme ausgerichtete Prozessabfolge stellte im

Vergleich zum gängigen Politikzyklusmodell einen Vorteil dar, weil viel zielgerichteter auf

die spezifischen Prozesselemente einer akademischen Debatte fokussiert wird.

Aber auch kritisch muss diese starke Fokussierung Halls auf wirtschaftswissenschaftliche

Themen betrachtet werden, weil sie weitere Anwendungen auf ein breiteres Feld politischer

Programme einschränkt. Polit-ökonomische Konflikte haben den Vorteil, dass sie trotz unter-

schiedlicher Problemwahrnehmung oder Zieldefinitionen auf wenig umstrittene Kriterien zur

Messung ihrer Wirksamkeit zurückgreifen können. Erwähnt seien hier nur die Beispiele

Haushaltsrechnung oder eben finanzielle Disparitäten. Im Unterschied zu anderen Politikfel-

dern dreht sich die Debatte hauptsächlich um die Hierarchie der Ziele und die dafür in Frage

kommenden Instrumente. Bereiche wie Sozial-, Bildungs- oder Landwirtschaftspolitik, wel-

che wegen normativen Interessenskonflikten weniger auf konsensuale Zieldefinitionen und

auf übergreifende Kriterien zur Bemessung der Zielereichung zurückgreifen können, können

mit diesem Ansatz weniger gut untersucht werden, weil die Mängel einer bestehenden Policy-

Lösung nur subjektiv wahrnehmbar sind und sich folglich auch die Debatte über mögliche

Verbesserungen nicht entlang der von Hall beschriebenen Phasen beobachten lässt. Hier muss

zwar mildernd in Erinnerung gerufen werden, wie stark politisiert die Debatten um die Re-

formen beim Finanzausgleich verliefen. Der vorherige Kritikpunkt wurde aber auch in der

hier vorliegenden Arbeit angeschnitten: Die Trennung und Chronologie der Prozessabläufe

war oft nicht eindeutig, überlappend oder umgedreht. Insbesondere die Übergänge zwischen

wissenschaftlicher und politischer Diskussion entbehren eines systematischen Analyserasters.

Wie gewisse Elemente einer Theorie auch Altersschwächen zeigen können, wurde anhand der

„administrative viability“ deutlich. Gerade für grosse Kantone dürften zu geringe administra-

tive Ressourcen kein Hindernis darstellen. Aber auch vor dem Hintergrund der technologi-

schen Entwicklung und des Bildungsstandards ist auch in kleineren Entitäten nicht mit sol-

cherlei Restriktionen zu rechnen.

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Für eine Gesamtbetrachtung war es hilfreich, rivalisierende Einflussfaktoren in die Untersu-

chung miteinzubeziehen, weil dadurch gewisse Abweichungen vom theoretischen Konzept

gut erklärt werden konnten. Da das Modell durch diese Erweiterung indes nicht konsistenter

wurde, bieten sich für einen systematischeren Umgang mit Veränderungen einer Policy-Idee

die Ansätze von Rose (1993) oder Dolowitz und Marsh (1996) an, welche explizit von solch

endogen verursachten Anpassungen bei Policies ausgehen.

Unklar bleibt bis zu einem gewissen Punkt das Akteursverständnis von Hall. Zwar schreibt er

Wissenschaftlern im Sinne von Ideenträgern eine wichtige Rolle in der Vermittlung und

Durchsetzung von bestimmten theoretischen Konstrukten zu, integriert in sein Modell werden

sie jedoch nicht. Diese Problematik führt auch zu der in der heutigen Diffusions- und Lernfor-

schung häufig gestellten Frage nach dem Lernsubjekt. Für die Bearbeitung solcher Themen

wie die Gegenüberstellung von individuellem und kollektivem Lernen oder den Nachvollzug

von Interaktionsmuster sei im Speziellen auf die Verwendung von Netzwerkansätzen, wie sie

Sabatier (1999) oder Haas (1992) bieten, verwiesen. Da liegen zweifelsohne noch Verbesse-

rungsbedarf und verborgene Erkenntnisse - um auch gleich noch in den m.E. berechtigten

Kanon über die mangelnde Systematisierung und Vergleichbarkeit diffusionstheoretischer

Ansätze und deren Ergebnisse einzustimmen. Für die weitere Forschung wäre deshalb ein

konsistenteres Modell weiterhin wünschenswert.

Die erzielten Resultate über die Relevanz von wirtschaftswissenschaftlicher Beratung mögen

in einem grösseren Zusammenhang auch eine Lösung darstellen, wie Reformblockaden durch

eine objektivere Darstellung der Ziele oder Wirkungsmechanismen zu überwinden sind, so-

fern die Policy denn kompatibel mit den oben erwähnten Einschränkungen ist. Im Besonderen

komplexe und weit verzweigte Politikfelder könnten durch eine breitere Fundierung und Ein-

bezug wissenschaftlicher Forschung entflechtet werden. Die vermehrte Anwendungen von

„best practice“- oder „benchmarking“-Modellen stellen einen solchen Schritt dar. Für kleinere

Entitäten mit geringeren finanziellen Kapazitäten als die hier untersuchten, welche mittelfris-

tig nicht aus der helvetischen Politiklandschaft verschwinden werden, wären auch wegen der

geringen Anzahl an wirtschaftspolitischen Experten Hilfestellungen in Form von Kompetenz-

zentren an Universitäten oder zwischen den staatspolitischen Ebenen angesiedelten Bera-

tungsdiensten eine valable Lösung zur effizienteren Verbreitung von objektivierbaren Policy-

Ideen.

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Materialien KANTON BERN EIDGENÖSSISCHE BANKENKOMMISSION EKB (1992): Jahresbericht 1992. Bern. EIDGENÖSSISCHE BANKENKOMMISSION EKB (1993): Jahresbericht 1993. Bern. ECOPLAN (1997): Zentrumslasten und -nutzen. Hauptbericht. Projekt Aufgabenteilung Kan-ton/Gemeinden im Kanton Bern. Teilprojekt 2: Finanz- und Lastenausgleich. Arbeitsgruppe Regiona-ler Lastenausgleich RELA. Bern. FINANZDIREKTION DES KANTONS BERN (2000): Gesetz über den Finanz- und Lastenausgleich (FILAG). Technische Beschreibung. Bern. FINANZDIREKTION DER STADT BERN (1996): Entlastung der Kernstädte im kantonalen Finanz-ausgleich. Vorschläge zur Revision des Finanzausgleichsgesetzes unter besonderer Berücksichtigung der Situation der Stadt Bern. Bern. JEANRENAUD, Claude (1996): Evaluation des effets de la péréquation financière directe, in: JEANRENAUD, Claude und SPILLMANN, Andreas (Hrsg.): Finanz- und Lastenausgleich im Kanton Bern. Bern: Haupt. S. 19-228. JEANRENAUD, Claude und SPILLMANN, Andreas (Hrsg.) (1996): Finanz- und Lastenausgleich im Kanton Bern. Bern: Haupt. REGIERUNGSRAT DES KANTONS BERN (1998a): Die neue Aufgaben- Finanz- und Lastenvertei-lung im Kanton Bern. Band 1: Das Gesamtprojekt Aufgabenteilung Kanton - Gemeinden. Bericht des Regierungsrates an den Grossen Rat vom 17. Juni 1998. Bern. REGIERUNGSRAT DES KANTONS BERN (1998b): Die neue Aufgaben- Finanz- und Lastenvertei-lung im Kanton Bern. Band 2: Die Neuordnung des Bernischen Finanz- und Lastenausgleichs. Bericht des Regierungsrates an den Grossen Rat vom 17. Juni 1998. Bern. REGIERUNGSRAT DES KANTONS BERN (2000a): Gesetz über den Finanz- und Lastenausgleich (FILAG).Vortrag des Regierungsrates z. Hd. des Grossen Rates vom 16. Februar 2000. Bern. REGIERUNGSRAT DES KANTONS BERN (2000b): Gesetz über den Finanz- und Lastenausgleich (FILAG). Gemeinsamer Antrag des Regierungsrates und der Kommission. Beilage zum Tagblatt des Grossen Rates. Bern REGIERUNGSRAT DES KANTONS BERN (2008): Optimierung der Aufgabenteilung und des Finanz- und Lastenausgleichs im Kanton Bern (FILAG 2012) Bericht des Regierungsrates an den Grossen Rat vom 29. Oktober 2008. Bern. STAATSKANZLEI DES KANTONS BERN (1997): Tagblatt des Grossen Rates 1997. Bern. STAATSKANZLEI DES KANTONS BERN (1999): Tagblatt des Grossen Rates 1999. Bern. STAATSKANZLEI DES KANTONS BERN (2000): Tagblatt des Grossen Rates 2000. Bern.

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KANTON ZÜRICH ANGELINI, Terenzio, THÖNY, Bernhard und GULDE, Alexander (2005): Finanzausgleichsreform im Kanton Zürich. Bericht zum Gesamtkonzept für eine Finanzausgleichsreform vom 16. Dezember 2005. St.Gallen: Institut für Finanzwissenschaften und Finanzrecht. ANGELINI, Terenzio, THÖNY, Bernhard und GULDE, Alexander (2006): Grundmodell für die Re-form des Finanzausgleichs im Kanton Zürich. Zweiter Zwischenbericht zuhanden der Regierung vom 14. Juli 2006. St.Gallen: Institut für Finanzwissenschaften und Finanzrecht. BUSCHOR, Ernst, SCHEDLER, Kuno und STÄGER, Luca (1992): Finanz- und Lastenausgleich im Kanton Zürich. Gutachten zuhanden des Regierungsrates des Kantons Zürich. Zürich: Haupt. DIREKTION DER JUSTIZ UND DES INNERN DES KANTONS ZÜRICH (2002): Konsolidierter Entwicklungs- und Finanzplan 2002-2005. Zürich DIREKTION DER JUSTIZ UND DES INNERN DES KANTONS ZÜRICH (2008): Reform des Zür-cher Finanzausgleichs (REFA). Vernehmlassungsbericht zur Gesetzesvorlage 2007 vom 8. April 2008. Zürich DIREKTION DER JUSTIZ UND DES INNERN DES KANTONS ZÜRICH (2009): Reform des Fi-nanzausgleichs im Kanton Zürich. Antrag des Regierungsrates vom 28. Januar 2009, Präsentation vom 5. Februar 2009. Zürich. INFRAS/NABHOLZ (1997): Lastenabgeltung für die Stadt Zürich. Schlussbericht vom 23. Mai 1997. Zürich. NABHOLZ (2003): Reform des Zürcher Finanzausgleichs. Schlussbericht vom 11. Juni 2003. wif!-Projekt Nr. 71/2807. Zürich. NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (1993): Spuren von Konsens für neuen Lastenausgleich, vom 20. März 1993, S. 53. NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (1994): Abgeltung zentralörtlicher Polizeiaufgaben. Kripo kantonalisie-ren, vom 25. Januar 1994, S. 54. NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (1994): Politik im Zeitraffer - die Legislaturperiode 1990 bis 1994 im Überblick, Sonderbeilage vom 11. Februar 1994. NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (1994): Lastenausgleich in verschiedenen Tranchen? Zur Abgeltung für die Stadtzürcher Kriminalpolizei, vom 13. Mai 1994, S. 51. NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (1994): Der Rückzug einer Finanzausgleichsvorlage. Erzwungener Abbruch eines Verzögerungsmanövers, vom 26. August 1994, S. 51. NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (1994): Kantonale Volksabstimmung: Die Oper und das liebe Geld, vom 17. September 1994, S. 51. NEUE ZÜRCHER ZEITUNG (2003): Schlechte Noten für den neuen Finanzausgleich. Armen Ober-länder Gemeinden wehren sich, vom 5. September 2003, S. 55.

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NFA EIDGENÖSSISCHES FINANZDEPARTEMENT EFD (2007): Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen – NFA. Bern. EIDGENÖSSISCHES FINANZDEPARTEMENT EFD UND KONFERENZ DER KANTONALEN FINANZDIREKTOREN FDK (1996): Der Neue Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen. Grundzüge. Bericht der vom Eidgenössischen Finanzdepartement und der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren gemeinsam getragenen Projektorganisation; Bern und Luzern. EIDGENÖSSISCHES FINANZDEPARTEMENT EFD UND KONFERENZ DER KANTONSREGIERUNGEN KDK (1999): Der Neue Finanzausgleich zwischen Bund und Kantonen. Konkretisierung der Grundzüge vom 1. Februar 1996. Schlussbericht vom 31. März 1999. Bern und Solothurn. EIDGENÖSSISCHES FINANZDEPARTEMENT EFD UND KONFERENZ DER KANTONSREGIERUNGEN KDK (2000): Bericht über die Vernehmlassung zum Schlussbericht der vom Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) und der Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) gemeinsam getragenen Projektorganisation vom 31. März 1999. Bern und Solothurn. EIDGENÖSSISCHE FINANZVERWALTUNG EFV (1991): Finanzausgleichsbilanz. Bilanz des bundesstaatlichen Finanzausgleichs. Rechnungsjahre 1970, 1976, 1982, 1988. Bern. FREY, René L., DAFFLON, Bernard, JEANRENAUD; Claude und MEIER, Alfred (1994): Der Fi-nanzausgleich zwischen Bund und Kantonen. Expertise zu den Finanzhilfen und Abgeltungen des Bundes an die Kantone im Auftrag der Eidgenössischen Finanzverwaltung und der Konferenz der kantonalen Finanzdirektoren Bern. FREY, René L., SCHALTEGGER, Christoph A. (2001): Ziel und Wirkungsanalyse des Neuen Fi-nanzausgleichs. Bericht zu Handen der Eidgenössischen Finanzverwaltung und der Konferenz der Kantonsregierungen. KONFERENZ DER KANTONALEN FINANZDIREKTOREN FDK (1992): Finanzausgleichsbilanz und Orientierungsrahmen für die künftige Ausgestaltung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs (Brief an Bundesrat Otto Stich vom 20. Oktober 1992). Luzern: FDK-Sekretariat. SCHWEIZERISCHER BUNDESRAT (1999): Kernstadtbericht. Bern: Bundesamt für Raumentwick-lung und Staatssekretariat für Wirtschaft. SCHWEIZERISCHER BUNDESRAT (2001): Agglomerationspolitik des Bundes. Bern: Bundesamt für Raumentwicklung. SCHWEIZERISCHER BUNDESRAT (2001): Botschaft zur Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen (NFA) vom 14. November 2001. Bern. SCHWEIZERISCHER BUNDESRAT (2005): Botschaft zur Ausführungsgesetzgebung zur Neuges-taltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) vom 7. September 2005. Bern.

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Internetquellen BUNDESAMT FÜR STATISTIK BfS (a): Statistisches Lexikon. Thema Öffentliche Verwaltung und Finanzen. Steuerbelastung nach Kanton, Entwicklung des Gesamtindexes. Zugang über: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/infothek/lexikon/bienvenue___login/blank/zugang_lexikon.topic.1.html (7.9.2009). BUNDESAMT FÜR STATISTIK BfS (b): Statistisches Lexikon. Thema Volkswirtschaft. Kanto-nale Volkseinkommen nach Empfänger 2005. Zugang über: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/infothek/lexikon/bienvenue___login/blank/zugang_lexikon.topic.1.html (7.9.2009). BUNDESAMT FÜR STATISTIK BfS (c): Statistisches Lexikon. Thema Öffentliche Verwaltung und Finanzen. Schulden der Kantone. Zugang über: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/infothek/lexikon/bienvenue___login/blank/zugang_lexikon.topic.1.html (7.9.2009). BUNDESAMT FÜR STATISTIK BfS (d): Statistisches Lexikon. Thema Öffentliche Verwaltung und Finanzen. Schulden der Städte und Kantonshauptorte. Zugang über: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/infothek/lexikon/bienvenue___login/blank/zugang_lexikon.topic.1.html (7.9.2009). BUNDESAMT FÜR STATISTIK BfS (e): Statistisches Lexikon. Thema Raum und Umwelt. Bo-dennutzung. Zugang über: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/infothek/lexikon/bienvenue___login/blank/zugang_lexikon.topic.1.html (7.9.2009). BUNDESAMT FÜR STATISTIK BfS (f): Statistisches Lexikon. Thema Raum und Umwelt. Flä-che und Bevölkerung nach Kantonen. Zugang über: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/infothek/lexikon/bienvenue___login/blank/zugang_lexikon.topic.1.html (7.9.2009). BUNDESAMT FÜR STATISTIK BfS (g): Statistisches Lexikon. Thema Politik. Kantonale Par-lamentswahlen 2006-2009. Zugang über: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/infothek/lexikon/bienvenue___login/blank/zugang_lexikon.topic.1.html (7.9.2009).

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12 Anhang

12.1 Verzeichnis der interviewten Personen

Kanton Bern

Frau Betriebsökonomin FH/MBA Barbara Hayoz-Wolf, Gemeinderätin (FDP) Stadt Bern,

Direktorin für Finanzen, Personal und Informatik, Präsidentin Kommission FILAG, am 27.

August 2009 in Bern.

Frau lic. phil. Regula Rytz, Gemeinderätin (GB) Stadt Bern, Direktorin für Tiefbau, Verkehr

und Stadtgrün, Mitglied der Kommission FILAG, am 27. August 2009 in Bern.

Herr Dr. iur. Hans Lauri, Alt-Regierungsrat (SVP) Kanton Bern, Finanzdirektor 1994-2001,

am 28. August 2009 in Zürich.

Kanton Zürich

Herr Dr. iur. Markus Notter, Regierungsrat (SP) Kanton Zürich, Direktor der Justiz und des

Innern, am 13. August 2009 in Zürich.

Herr Dr. oec. Terenzio Angelini, Institut für Finanzwissenschaft und Finanzrecht, Universität

St.Gallen, am 24. August in St.Gallen.

Herr lic. iur. Martin Vollenwyder, Stadtrat (FDP) Stadt Zürich, Finanzvorstand, am 11. Sep-

tember 2009 in Zürich.

NFA

Herr Prof. em. Dr. Dr. h.c. René L. Frey, Institut für Wirtschaftspolitik, Universität Basel, am

18. August in Basel.

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12.2 Interview-Leitfaden

Einführung in das Forschungsvorhaben. A) Agendasetting Was führte dazu, dass Ihrer Ansicht nach in ... eine Reform des innerkantonalen Fi-nanzausgleichs (IKFA) in Angriff genommen wurde? -------- - Wie kam das Thema auf die Agenda? - Wer brachte es zur Sprache? - Gab es Informationen über eine ungenügende Effizienz des Systems? - Gab es einen Problemdruck? (Problemstruktur, Disparitäten, Steuerwettbewerb?) - Andere Gründe? B) Problemdefinition Wie wurde bestimmt, in welchen Bereichen der Finanzausgleich reformbedürftig ist resp. in welche Richtung es gehen sollte? Und was waren die Gründe? -------- - Welche Rolle spielte die Wissenschaft? - Welche Rolle spielte der NFA? - Gab es Einflüsse durch andere Kantone? Welche waren dies? - Sie haben nun ein ähnliches System wie der Bund: Wie erklären Sie sich dies?

- Zufall? - Ähnliche Problemstruktur? - Lerneffekte/Informationsaustausch? - Wissenschaftlicher State-of-the-art? - Wettbewerbsdruck? - Standen Sie durch die Einführung des NFA unter Druck? Übernahme von Normen? - Gab es im Kanton ein gemeinsames Problembewusstsein? Wie äusserte sich dies?

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- War es schwierig die kausalen Zusammenhänge zwischen dem Modell und den Begründungen zu vermitteln?

C) Debatte Wie verlief der Prozess der Entscheidfindung? -------- - Wie würden Sie das Klima bei redistributiven Geschäften (Umverteilungen) in Ihrem Kanton beschreiben? (Auch im Vergleich mit ähnlichen oder anderen Geschäften.) - Wer waren die Vorantreiber/Bremser der Verhandlungen? - Wie waren die Verhandlungspositionen in der Debatte verteilt? Gab es Konfliktlinien? - Stadt-Land? - Parteipolitisch? - Sozio-ökonomisch? - Welche Rolle spielten der Politikstil in Ihrem Kanton? - Welche politischen Traditionen würden Sie Ihrem Kanton zuschreiben? - Gab es ein gemeinsames Problembewusstsein der involvierten Stellen/Parteien/ Gemeinden im Kanton? Oder hat es sich im Laufe der Debatten entwickelt? - Wie würde Sie allgemein die Rolle der Städte im Prozess beschreiben? D) Konkretisierung der Forschungsfragen Was war stärker im Reformprozess: Neue Informationen zur Verbesserung des IKFA oder kantonsspezifische Charakteristika? -------- - Welche Überbleibsel des alten IKFA sind im neuen IKFA noch vorhanden? - Weshalb konnten diese Elemente den Reformprozess überleben? - Traditionen? - Parteipolitische Einflüsse? - Regionale Einflüsse (Gemeinden)? - Spezifische (sozio-ökonomische) Charakteristika des Kantons? - Denken Sie, dass Lernprozesse aufgrund ausgetauschter Informationen für die Reform des IKFA relevant waren? Wenn ja: - in welchem Stadium des politischen Prozesses?

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- In Bezug auf die Grundidee/Instrumente/Dotierung? - Was war der Grund für das Lernen von anderen? - Problemdruck? - Innovation? - Wettbewerb? - Beste Lösung? - Gemeinsame Normen? Wenn nein: Weshalb nicht? Was waren dann die stärksten Einflussfaktoren?

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Selbständigkeitserklärung

Ich erkläre hiermit ausdrücklich, dass ich diese Arbeit selbständig verfasst und keine anderen

als die angegebenen Quellen benutzt habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäss aus

Quellen entnommen wurden, habe ich als solche kenntlich gemacht.

Ich nehme zur Kenntnis, dass Arbeiten, welche die Grundsätze der Selbstständigkeitserklä-

rung verletzen, als Plagiat betrachtet werden und die entsprechenden rechtlichen und diszipli-

narischen Konsequenzen nach sich ziehen können.

Tobias Günter

Zürich, 28. September 2009