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Heilpädagogik & Pädagogische Beziehungen
Betrachtungen nach Paul Moor – der Begründer der deutschsprachigen Heilpädagogik
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Paul Moor
• Paul Moor (1899 – 1977) gilt zusammen mit Heinrich Haselmannals der Begründer der deutschsprachigen Heilpädagogik.
• Er war zuerst Assistent und später Nachfolger von HeinrichHanselmann, der Professor für Heilpädagogik und der erste Leiterdes Heilpädagogen–Seminars in Zürich war.
• Während Hanselmanns Heilpädagogik durch den Begriff derEntwicklungshemmung geprägt und sehr biologistischausgerichtet war, zeigte sich bei Paul Moor mehr diepädagogische Seite.
• Paul Moors Aussage war:
• „Heilpädagogik ist Pädagogik und nichts anderes!“
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Heilpädagogik - Definitionen
• HP ist die wissenschaftlich begründete Lehre vonder Erziehung unter erschwerten Bedingungen
• Sie berücksichtigt Erziehungsbedürfnisse beiindividuellen und sozialen Lebenserschwernissen
• HP beschäftigt sich auch mit der Erziehung, die vonder Gefahr der erschwerten Bedingungen bedrohtist
• HP ist Pädagogik und nichts anderes, d.h. derBegriff Pädagogik kommt aus dem griechischen„pais“ und bedeutet führen, leiten, ziehen
• Heil – altdeutsch „ganz“ = ganzheitliche Erziehung
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Grundlagen der Heilpädagogik
• Ist eine personenzentrierte Haltung, unter der man eine vorrangigeAnnahme des Gegenüber versteht – dies geschieht ausschließlichüber Bindung und Beziehung
• Sie sieht den Menschen in seiner psychischen und physischenGanzheit, d.h. die HP sieht den Menschen als Ganzes und stellt nichtein Merkmal in den Vordergrund
• dies geschieht durch sprachliche Akzentuierung
• der Mensch wird nicht durch sein Merkmal definiert
• die HP ist von der Entwicklungsfähigkeit eines jeden Menschenüberzeugt
• die HP orientiert sich an den individuellen Problemen und ihrerBedeutung für den einzelnen Menschen
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• nicht gesellschaftliche Normen, sondern der Mensch mit seinenMöglichkeiten ist der eigentliche Maßstab einer heilpädagogischenFörderung
• Basis = zwischenmenschliche Kontakte/Beziehungen äußerstwichtig, d.h. Gleichwertigkeit spielt die Hauptrolle und es handeltsich immer um die Begegnung zweier Objekte, wobei eine hoheAchtung des Gegenüber von enormer Bedeutung ist
• Ziel = den Menschen in seinem So-Geworden-Sein, seinemBedingungshintergrund und in seiner augenblicklichen Situation undden daraus resultierenden Problemen zu verstehen, akzeptieren undannehmen – den guten Grund erfassen und verstehen lernen
• Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen der inneren undäußeren Erlebniswelt
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Die Ganzheitlichkeit des Kindes
Die Tatsache, dass das Kind als Individuum geschaffen ist, macht es überaus wertvoll. Ihm kommt als Geschöpf eine große Würde zu. Der
Mensch wird nicht im Laufe seines Lebens wertvoll, sondern ist es gleich vom Augenblick der Zeugung an – der Mensch als Geschöpf so wertvoll wie
sein Schöpfer selbst
Verantwortlichkeit
Denkvermögen
Kreativität
PersonhaftigkeitEmotionalität
Ganzheitlichkeit
Gemeinschaftsfähigkeit
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Grundsätze von Paul Moor
Der innere Halt und seine Zusammenhänge
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Wir sind nicht einfach Menschen, sondern wir sind zum Menschsein berufen.
Halt ist nicht ein Zustand, sondern ein inneres Werden.
DerInnere
Halt
Aktives Leben• Können
• Wollen• Empfänglich-
keit
Empfangene Leben
• Angesprochen-sein
• Erfülltsein• Verwirklichung
Willen-Stärke
(bei Entschei-dungen und
zur Meinungs-bildung)
Gefühls-Tiefe
(Aufbau einer tiefen, Stetigen, emotionalenBindung zu Personen
Und Dingen)
DerÄußere
Halt(Halt aus der
Umgebung des
Kindes) =
Inklusion
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Der Begriff des Inneren Halts
• Der Mensch zeigt in seinem Willensleben Selbstsicherheit, sowieWillensstärke und Geschlossenheit in seinem Charakter.
• Der innere Halt ist für MOOR das Ziel der Erziehung, das Ziel desMenschsein überhaupt.
• Er unterscheidet 2 Komponenten in diesem Mensch-sein-Prozess –das aktive Leben (Können – Wollen – Empfänglichkeit) und dasempfangene Leben (Angesprochensein – Erfülltsein –Verwirklichung).
• Wir sind nicht einfach Menschen, sondern wir sind zum Menschseinberufen
• Halt ist nicht ein Zustand, sondern ein inneres Werden
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• Zum inneren Halt gehören Willensstärke undGefühlstiefe, wichtig ist, dass beides vorhanden ist =beides ist Voraussetzung zur Entwicklung des innerenHalts = Postulat
• Gefühlstiefe = Aufbau einer tiefen, stetigen, emotionalenBindung zu Personen und Dingen
• Willenstärke = ein fester Wille bei Entscheidungen undMeinungsbildung
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Biologische Grundlagen für die Entwicklung des Gefühlslebens und des Willenslebens
• Als die biologische Grundlage für die Entwicklung des Gefühlslebensbezeichnet MOOR die natürlichen Stimmungen des Menschen, d.h.der Mensch hat von Natur aus die Möglichkeit, sich im emotionalempfangenden Leben zu entwickeln.
• Als die biologische Grundlage für die Entwicklung des Willenslebensbezeichnet MOOR die natürlichen Antriebe des Menschen, d.h. dassder Mensch von Natur aus die Energie hat, um aktiv zu werden.
• Die Entwicklung beider Aspekt trennt MOOR nur zu unserembesseren Verständnis – beides muss ganzheitlich betrachtet werden,da sich weitere Entwicklungen gegenseitig bedingen
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• MOOR spricht nicht von Anlagen und Zielen, sondern bezeichnet dasVorhandene als das Gegebene und das Ziel der Entwicklung als dasAufgegebene und das Verheißene.
• Mit dem Gegebenen meint MOOR, dass das Kind von Geburt an zuseelischen Regungen fähig sein muss.
• Diese wiederum sind Grundlage für die Entwicklung des Willens unddes stetigen Erfülltseins und müssen so sein, dass sich der Menschsowohl auf der Seite des aktiven als auch auf der Seite desempfangenen Lebens entwickeln kann.
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Der Begriff der Entwicklungshemmung
• Da HANSELMANN die Entwicklung eines Kindes stark biologisch undaus klinischer – medizinischer – naturwissenschaftlicher Sicht sieht,betrachtet er auch die Entwicklungshemmungen aus dieser Sichtheraus, z.B. dass Entwicklungshemmungen angeboren sein können
• Für MOOR hingegen liegt dann eine Entwicklungshemmung vor,wenn ein Kind sich nicht auf die pädagogische Zielvorstellung hinentwickelt
• Dieses Ziel ist der innere Halt, der durch Haltschwäche,Gefühlschwäche und Willensschwäche stark beeinträchtigt werdenund es dadurch wiederum zur Entwicklungshemmung kommen kann
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• Geistig behinderte Kindern z.B. haben eine geschwächte Disposition,d.h. sie bedürfen lebenslanger Hilfe durch den Erzieher = dieseMenschen brauchen einen dauerhaften äußeren Halt
• Wurden trotz Dispositionen bei nicht beeinträchtigten Kindern keineLebenstechniken entwickelt, bzw. wurden diese z.B. aufgrund einesTraumas beeinträchtigt, kann es zu Entwicklungshemmungenkommen, da diese Kinder nicht gelernt haben, Antriebe durchGewohnheiten zu zügeln. Hier fehlen wichtige Grundlagen um einWillensleben zu entwickeln und die Erziehung muss sich auf dasNachholen der Entwicklung von Lebenstechniken konzentrieren
• Bei Kindern, denen Gewohnheiten zwar anerzogen, aber dieemotional vernachlässigt wurden, treten ebenfallsEntwicklungshemmungen auf; diese Menschen scheinen zwar nachaußen hin stark, brechen aber in Krisen sehr schnell zusammen
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• Wenn ein Mensch von der Entwicklung zum inneren Haltabkommt oder daran gehindert wird, spricht MOOR vonHaltschwäche. Dies ist ein zentraler Begriff seinerHeilpädagogik.
• Liegt eine Schwäche des Willens oder des Gefühls oder beidesvor, dann spricht MOOR von Haltlosigkeit.
• Zeigt ein Mensch keine Stetigkeit und keine Festigkeit in seinenWillensentscheidungen und lässt er sich ständig von diesem undjenem beeinflussen, dann spricht MOOR von Willensschwäche.
• Kann sich ein Mensch emotional für nichts erwärmen, wird ervon seinen Gefühlen hin und hergerissen und kann bei keinemGefühl bleiben, dann spricht MOOR von Gefühlsschwäche.
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Der äußere Halt
• Weiter entsteht innerer Halt in Wechselwirkung mit äußerem Halt,d.h. am Halt, den die Umgebung des Kindes besitzt
• An diesem Halt rankt sich der werdende Halt des Kindes empor
• Der innere Halt der Umgebung des Kindes wird zum ergänzendenäußeren Halt für das Kind d.h. dass die Umgebung einesentwicklungsgehemmten Kindes in die Arbeit mit einbezogenwerden muss
• Wichtiger Leitsatz von MOOR = Kinder zu mündigen Menschenerziehen bedeutet, sie zu innerem Halt zu führen
• Der äußere Halt = gute Bindungen und Beziehungen desErwachsenen zum Kind mit ausgewogener Nähe-Distanz-Regulation
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„Wir müssen ein Kinderst verstehen lernen,
bevor wir es
erziehen/beurteilen!!“
Wir müssen erst das betroffene Kind verstehen lernen,
bevor wir urteilen, es in eine Schublade legen oder Dinge
äußern oder denken,welche unwahr sind.
Verstehen lernen bedeutet, sich damit ernsthaft auseinander zu setzen, eineganzheitliche Bereitschaft für das Kennenlernen des Gegenüber haben.
Ganzheitlich, d.h. nicht nur Körper,Geist und Seele, sondern das Gesamt-system um die betroffene Person mussberücksichtigt werden.
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„Nicht nur das „beeinträchtigte“ Kind, sondern auch seine
Umgebung muss erzogen werden.“
„Und …und wenn ein Mensch geehrt wird,
so freuen sich alle anderen mit
und wenn ein Mensch leidet,
so leiden alle Anderen mit…“
Systemischer Ansatz =Im Blickfeld muss immer das Gesamte Umfeld, d.h. Familie,
Freunde, Schule, etc.stehen, der Bezug, dieBesonderheiten, usw.
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„Wo immer ein Kind versagt, darf man nicht fragen –
was tut man dagegen, sondern was tut man dafür?“
Nicht versuchen, das momentane Defizit oder die Beeinträchtigung weg zu trainieren oder gegen
die seelische Beeinträchtigung und somitauch gegen das Kind zu kämpfen. Die Gaben und Fähigkeiten
und nicht die Defizite stehen im Vordergrund
Was kann ich für das Kind tun, damit es ihm in seinemLeben gut geht und es mit der momentan
schwierigen Situationumgehen lernt.
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Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit
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