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Kreide-Puffer gegen den Zahn der Zeit: Mit dem beigemengten Calciumcarbonat (Kreide) – einem so genannten Zuschlagstoff – garantiert Hahnemühle, dass das Papier säurefrei ist und sich nicht langfristig zersetzt.

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Page 1: Manufaktur trifft Technologie 03 Hahnemühle .pdfPremium Filtrierpapiere für Industrie und Labor. Um die Infrastruktur für den Erfolg auf mehreren Nischenmärkten zu schaffen, setzt

Manufaktur trifft

TechnologieKreide-Puffer gegen den Zahn der Zeit: Mit dem beigemengten Calciumcarbonat (Kreide) – einem so genannten Zuschlagstoff – garantiert Hahnemühle, dass das Papier säurefrei ist und sich nicht langfristig zersetzt.

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apier ist geduldig“, heißt es. Beim Be-treten einer der ältesten Papierfabrikationen der Welt ruft diese altbekannte Redensart eine gewisse Ehrfurcht hervor: 428 Jahre Unternehmensgeschichte begegnen Besu-chern dort, wo noch heute der Hahn als Wasserzeichen auf besonders hochwertigem Papier zu finden ist. Reylingehäusische Pa-piermühle war am 15. Februar 1584 der Gründungsname der heutigen Hahnemühle FineArt. Fast fünf Jahrhunderte zeigt sich nun schon, welch gute Geschäftsidee der Papiermacher Merten Spieß damals hatte. Mit heute 123 Beschäftigten in Relliehausen und Einbeck sowie Vertriebsmitarbeitern auf allen Kontinenten hat sich die Hahne-mühle FineArt GmbH eine außerordentliche Position in mehreren Nischenmärkten erar-beitet. Sie bedient mit ihren Erzeugnissen professionelle Künstler und anspruchsvolle Papierliebhaber, die ihre Werke durch

Seit über 400 Jahren erfolgreich auf dem Papiermarkt – Global Player Hahnemühle FineArt aus dem Solling.

T e x T S t e fa n L i e b i g

F o T o g r a F i e a L c i r o t h e o d o r o d a S i Lv a

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Manufaktur trifft

Technologie

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den Druck auf hochklassige Produkte in bester Qualität möglichst lange haltbar machen möchten.

Ereignisreiche Jahrhunderte hat das Unter-nehmen erlebt. So ist zum Beispiel im Drei-ßigjährigen Krieg die Gründungsurkunde verschwunden. Auch an der Geldfälschungs-aktion zur Boykottierung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg war Hahnemühle betei-ligt: 1940 engagierte das Reichssicherheits-hauptamt die Sollinger, die schon lange als Experten in der Herstellung hochwertiger Wasserzeichenpapiere galten. Papiermacher und Techniker analysierten die Zusammen-setzung der englischen Pfundnoten und de-ren eingearbeitete Sicherheitsmerkmale. Die so genannte Operation Bernhard inspirierte den Drehbuchautor und Regisseur Stefan Ruzowitzky zu seinem Film ,Die Fälscher‘, für den er im Jahr 2008 unter anderem den Oscar erhielt.

Die modernen Gebäude, die großen Misch-behälter und langen Trockenstraßen nehmen schnell die Illusion, eine Reise in die Ge-schichte zu unternehmen. Besucher erhalten einen ersten Eindruck vonmoderner Papier-produktion und der Vielfalt des Produktes Papier. Berge von etwa einem Quadratmeter großen und nur wenige Millimeter starken Zellstoffmatten lagern vor den langen Fließ-bändern und scheinen auf ihre Beförderung in die Mischbottiche zu warten. Das Roh-material aus den USA findet in Kürze seine Bestimmung. Im sogenannten Pulper wird

es mit viel Wasser und einigen, für uns ge-heimen Zutaten zu einem Faserstoffgemisch verarbeitet. Ein Hauch von Klebstoff – nicht sehr intensiv, aber allgegenwärtig – liegt in der Luft. Ein wenig erinnert das entstehende Gemisch an eine Riesenportion Milchreis. Aber Vorsicht ist angeraten: Wer in diese widerstandsarme Masse fallen sollte, sänke ohne jeglichen Auftrieb sofort zum Grund des Behälters. „Das passiert aber nicht sehr oft“, versichert Pressesprecher Stephan Freist augenzwinkernd bei einem Rundgang.

So beruhigt lässt sich die Fasermasse auf ihrem Weg zur Papierwerdung verfolgen: Die zu 98 Prozent aus Wasser bestehende weißgraue Substanz fließt durch Rohre und über Förderbänder, um auf der Langsieb-maschine im benachbarten Gebäudeteil zu landen. Mit hoher Geschwindigkeit rast sie über die Siebpartie. Diese nimmt ihr bereits einen großen Teil des enthaltenen Wassers. Zähflüssiger geworden geht es nun zum Vorgautschen, bei dem der als scheinbar endlose Bahn erkennbare Stoff die ,Manchonwalze‘ durchläuft. Sie presst die inzwischen schon wie Papier aussehende Masse und entzieht ihr so weitere Feuchtig-keit. Druck und Hitze von fast 100 Grad Celsius bringen das Papier schließlich auf den angepeilten Feuchtigkeitsgehalt von nur noch etwa drei Prozent. Riesige Metallrol-len warten am Ende der Langsiebmaschine darauf, die fertige Papierbahn aufzuwickeln. Neben dieser industriellen Technik für

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Zur Historie

Von der Zellstoffmatte zum hochwertigen Papier

Gründung der Reylingehäusischen Papiermühle durch Papiermacher Merten Spieß am 27. Februar

Kauf der Papiermühle durch Johann Jacob Heinrich Andrae

Weiterverkauf an einen Herrn Heinemann

Erwerb durch Carl Hahne. Er gab der Firma den bis heute wohlklin-genden Namen Büttenpapierfabrik Hahnemühle.

Umwandlung der Hahnemühle in eine GmbH und Fusion mit der Firma ,Schleicher & Schuell ‘ aus Düren.

,Schleicher & Schuell‘ wird alleiniger Besitzer der Hahnemühle und inte-griert die Papierfabrik in die ,Schlei-cher & Schuell‘-Gruppe.

Aus ,Hahnemühle‘ wird die Hahne-mühle FineArt GmbH.

Hahnemühle löst sich aus dem ,Schleicher & Schuell‘-Firmenver-bund.

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Haben ihre Nische gefunden: Pressesprecher Stephan Freist (l.) und Geschäftsführer Michael Siekiera

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größere Aufträge verfügen die Relliehäu-ser Papierspezialisten über eine Rundsieb-maschine für exklusive Büttenpapiere. Nach und nach verdrängten diese Maschinen die traditionelle Manufakturtechnik des Schöp-fens mit Handschöpfrahmen. Solche Origi-nalmaschinen mit einem Herstellerstempel von 1885 sind tatsächlich nach wie vor fest in den modernen Papierproduktionsprozess eingebunden. „Für manche Aufgaben gibt es einfach keine besseren Maschinen“, erklärt Freist. Ein sogar über 300 Jahre altes hollän-disches Exemplar bürgt für die Qualität der besonders hochwertigen Papiere. „Papiere, die sowohl im Vatikan als auch von mehre-ren Staatspräsidenten beschrieben wurden“, berichtet Michael Siekiera stolz von den vielen prominenten und qualitätsbewussten Kunden der Sollinger Fabrik. Gemeinsam mit Friedrich Nebel bildet er das Führungs-duo des Traditionsunternehmens und ist seit 2010 für Verkauf und Marketing zuständig.

Maler, Grafiker, Fotografen, Illustratoren und Buchbinder schwören auf das Papier aus dem Solling mit dem besonderen Mar-kenzeichen: dem Hahn als Wasserzeichen. Um deren Zufriedenheit dauerhaft zu ge-währleisten, setzt Geschäftsführer Siekiera auf ein penibles und häufig zeitaufwändiges Qualitätssicherungssystem: Dieses beginnt bei den hochwertigsten Papieren mit der Sichtkontrolle und steigert sich bis zu einer Einzelblattkontrolle per Hand. „Jeder Pa-pierbogen wird sanft gestreichelt, bevor er

uns verlässt. Nur so können wir dauerhaft hervorragende Qualität garantieren.“

Solche Ansprüche lassen sich laut Siekiera am besten mit einer bewussten Kombina-tion aus der Tradition der handwerklichen Manufaktur und modernster Technologie verwirklichen. So können die hoch qualifi-zierten Spezialisten der Entwicklungsabtei-lung stets auf die sich rasant entwickelnden Marktanforderungen reagieren. Kunden, zu denen Udo Lindenberg, Armin Müller-Stahl oder Wim Wenders zählen, wissen das Er-gebnis dieser akribischen Produktionskette zu schätzen. Auf Auktionen erzielen Werke, die auf Hahnemühle-Papier gedruckt sind, häufig Höchstpreise. Qualität, die sich aus-zahlt und, so betont Siekiera, der Hahne-mühle FineArt mit deutlichem Abstand die Marktführerposition im Bereich der digi-talen Fotopapiere sichert.

Ziel ist es, auch im Bereich der traditionellen Produkte, wie etwa grafische Premiumpa-piere, Bucheinbände oder Transparenzpa-piere, in die Top 3 Europas vorzustoßen. In allen Bereichen werden daher Drucktechnik und Trägermaterialien aufeinander abge-stimmt. Darüber hinaus ist die Hahnemühle auch in einem ganz anderen Bereich gut aufgestellt: technische Spezialpapiere und Premium Filtrierpapiere für Industrie und Labor. Um die Infrastruktur für den Erfolg auf mehreren Nischenmärkten zu schaffen, setzt das Traditionsunternehmen auf gezielte Zukäufe. 2007 übernahm Hahnemühle

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Der Weg zum Papier: Aus den großen Bottichen (o.) wird das Gemisch aus Zellstoff-platten und Wasser zum Trocknen über die Langsiebmaschine (Mitte) geschickt. Wenn dem Rohmaterial 95 Prozent Wasser entzogen sind, kommt das Papier auf Walzen.

„Jeder Papierbogen wird sanft gestreichelt,

bevor er unser Haus verlässt.”

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Feine Handarbeit: Zunächst werden die in großen Stapeln gepressten und geleimten Künstlerblöcke von Hand zerteilt (l.) und schließlich mit Blockdeckeln versehen (r.). Besonders hochwertige Papiere durchlaufen eine Einzelblattkontrolle (unten).

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das Werk Lana Papiers Speciaux SAS in Straßburg. Ein ebenfalls geschichtsträchtiges Unternehmen, das 1590 – und damit nur sechs Jahre später als die Reylingehäu-sische Papiermühle – gegründet wurde. Im Februar dieses Jahres kam der bisherige Unternehmensbereich Premium Papier des in der Papierstadt Düren angesiedelten M-real-Zanders unter neuer Firmierung hin-zu. Dieser künftig unter ,Reflex Premium Papier‘ firmierende Neuerwerb bietet nach einer intensiven Restrukturierung in Kürze eine weitere Wachstumsperspektive.

Neue Wege schlägt auch die Personal-abteilung ein. Für die interne Aus- und Weiterbildung eröffnen die verschiedenen Produktions- und Vertriebsstandorte den Mitarbeitern interessante Karrierechancen. Als ein großes Plus für die Angestellten sieht Siekiera die Möglichkeit, in dem innovativen Unternehmen auch internationale Berufser-fahrungen bei den europäischen Tochterge-sellschaften oder in China, in den USA und bald auch in Brasilien sammeln zu können.

Darüber hinaus sind Kooperationen mit der Leibniz-Akademie in Hannover und der Verwaltungsakademie in Göttingen geplant, die den Einstieg ins Unternehmen mit einem dualen Studium ermöglichen sollen. „Mit diesen Optionen nutzen wir den Pool an Ressourcen und können Fachkräfte in un-

sere reizvolle Region locken. Und mindes-tens genauso wichtig: Wir können einhei-mischen Hochqualifizierten eine dauerhafte Karriereperspektive bieten“, erklärt Siekiera seinen Ansatz, die bodenständigen Süd-niedersachsen zu binden. Angelehnt an das Niedersachsenlied, sehe er sein Unterneh-men auch als glaubwürdig, erdverwachsen, geradlinig und schnörkellos. Die extrem ge-ringe Fluktuation innerhalb der Belegschaft spreche für die Zufriedenheit der Mitarbei-ter. Und auf zufriedene Mitarbeiter und ein offenes Gesprächsklima setzt Siekiera. Der beste Garant, damit die Hahnemühle Fine-Art in ihren Nischenmärkten auch in den nächsten Jahrzehnten oder Jahrhunderten zu den Marktführern gehört.

Auch ein anderer Umstand kann dazu bei-tragen, dass Künstlerpapier aus dem Solling noch lange gefragt sein wird: Michael Siekie-ra meint, bei den Menschen eine Rückbesin-nung auf Genuss und alte Traditionen wie das Briefeschreiben festzustellen. Für ihn und seine Mitarbeiter sind diese Menschen Motivation, und er versichert ihnen, auch künftig auf Topprodukten aus Relliehausen schreiben und drucken zu können.

Rückbesinnung

auf Genuss

und alte Traditionen

Zur ProduktionBis zum Ende des 19. Jahrhunderts pro-duzierte die Papiermühle handgeschöpfte Schreib- und Dokumentenpapiere mit we-niger als 15 Mitarbeitern. Unter der Ägide von Namensgeber Carl Hahne begann die Produktion von hochreinen Filterpapie-ren für analytische Laboruntersuchungen. Die Hahnemühle wuchs bis zum Jahr 1920 auf 120 Mitarbeiter. In den 1920er-Jahren nahm die Künstlerpapierproduktion zu, und die Industrialisierung hielt Einzug. Trotz der zunehmenden maschinellen Produkti-on mit Rund- und Langsiebpapiermaschi-nen wurden bis 1960 einige hochwertige Papiere komplett von Hand gefertigt. In den 1970er-Jahren entwickelte die Hahnemühle das ers te säurefreie und damit höchst al-terungsbeständige Papier, das maschinell gefertigt werden konnte. Seit den späten 1990er-Jahren gilt die Hahnemühle als Er-finder der Fine-Art-Inkjet-Papiere – sie ver-edelt seither echte Künstlerpapiere mit einer Premium-Beschichtung für den modernen Tintenstrahldruck.

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Original für Büttenpapier: Die Rundsiebe werden speziell auf Maß für eine Maschine gefertigt, von der es in Deutschland nur noch eine weitere gibt.

faktor-Link: Eine Bildergalerie und weitere Informationen zur Hahnemühle finden Sie direkt über den QR-Code oder unterwww.faktor-magazin.de/hahnemuehle