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WING-business 37 (2005) 1 24 Top-Thema Management Summary Die Bedeutung von Produktdesign als Element der Differenzierung und Posi- tionierung in B2C-Märkten ist unum- stritten. Die Marketing-Manager der Konsumgüterindustrie arbeiten seit Jahrzehnten an professionellem Bran- ding und stellen dabei in nahezu selbst- verständlicher Weise das Produktdesign in den Mittelpunkt. Welche Relevanz Branding und insbesondere das Pro- duktdesign in Investitionsgüterbetrie- ben haben sollte, bleibt weiterhin eine vieldiskutierte Frage, denn das Ausmaß der Beeinflussung der Kaufentschei- dungsprozesse im B2B-Geschäft lässt sich nur erahnen. Markus Waldmann Diplom-Designer (FH); Jahrgang 1965; Partner in der Firma KISKA für die Bereiche Product Design und Environmental Design, Mitglied der Geschäftsleitung; 1997–1999 Lehrbeauftragter der FH Joanneum Graz, Studiengang Industrial Design; Thema: Produktsemantik Arthur Primus Dipl.-Ing. Dr. techn.; Jahrgang 1972; 1999–2003 Univ.-Ass., TU Graz, Institut für Industriebetriebslehre und Innovationsforschung; Sales Process Manager AVL List GmbH; Sales and International Operations; Instrumentation and Test Systems; Lehrbeauftragter der FH Joanneum Graz, Studiengang Industrial Design, Thema: Marketing Zur Rolle von Produktdesign in der Markenpositionierung von Investitionsgüterbetrieben

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W I N G - b u s i n e s s 3 7 ( 2 0 0 5 ) 124

Top-Thema

Management SummaryDie Bedeutung von Produktdesign alsElement der Differenzierung und Posi-tionierung in B2C-Märkten ist unum-stritten. Die Marketing-Manager derKonsumgüterindustrie arbeiten seit

Jahrzehnten an professionellem Bran-ding und stellen dabei in nahezu selbst-verständlicher Weise das Produktdesignin den Mittelpunkt. Welche RelevanzBranding und insbesondere das Pro-duktdesign in Investitionsgüterbetrie-

ben haben sollte, bleibt weiterhin einevieldiskutierte Frage, denn das Ausmaßder Beeinflussung der Kaufentschei-dungsprozesse im B2B-Geschäft lässtsich nur erahnen.

Markus Waldmann

Diplom-Designer (FH); Jahrgang 1965;Partner in der Firma KISKA für die Bereiche Product Design undEnvironmental Design, Mitglied der Geschäftsleitung; 1997–1999 Lehrbeauftragter der FH Joanneum Graz, Studiengang IndustrialDesign; Thema: Produktsemantik

Arthur Primus

Dipl.-Ing. Dr. techn.; Jahrgang 1972;1999–2003 Univ.-Ass., TU Graz, Institut für Industriebetriebslehre undInnovationsforschung;Sales Process Manager AVL List GmbH; Sales and International Operations;Instrumentation and Test Systems; Lehrbeauftragter der FH Joanneum Graz, Studiengang Industrial Design,Thema: Marketing

Zur Rolle von Produktdesign in der Markenpositionierung von Investitionsgüterbetrieben

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Top-Thema

Die Symbiose von „Ratio“ und „Emotio“

Tagtäglich werden wir Konsumentenmit Werbung überhäuft, die über

eine Emotionalisierung von Produktenunsere Kaufentscheidungen lenken.Allerdings sind unsere Kaufentschei-dungsprozesse weit weniger komplex alsim B2B-Bereich, wo Einkaufsgremienlangwierige, von Kriterienbeurteilungengekennzeichnete Verhandlungen in exaktdefinierten Prozessen begleiten. WelcherSpielraum für emotionale Beeinflussungist hier überhaupt gegeben? Kaufent-scheidungen werden auch im B2B-Bereich trotz komplexer Regelwerke amEnde des Tages immer von Menschengetroffen – und hier spielen „Soft Facts“eine nicht zu unterschätzende Rolle.Warum aber kann ein „Soft Fact“ wiedas Image eines Unternehmens, welchesdurch konsequentes Branding aufgebautwird, eine hochkomplexe Kaufentschei-dung industrieller Kunden entscheidendbeeinflussen?Aufgrund der Komplexität und der Viel-falt der in einer B2B-Kaufentscheidungzu berücksichtigenden Faktoren strebenEntscheidungsträger vielfach eineReduktion dieser Komplexität an undnehmen das Image als bedeutendes,wenn auch kaum quantifizierbares Ent-scheidungskriterium in ihren Entschei-dungsprozess auf. Die Bewertung diesesKriteriums erfolgt aufgrund der subjek-tiven Einschätzung der an der Entschei-dung beteiligten Personen. Doch wor-auf basiert diese Einschätzung? Imageentsteht in den Köpfen jener Menschen,die Beziehungen zu einem Unternehmenunterhalten – quasi als Gesamtbild. Die-ses Bild setzt sich aus einer Summe vonEinzelwahrnehmungen zusammen. Ausunternehmerischer Sicht geht es alsodarum, jene Elemente, die von den rele-vanten Bezugsgruppen eines Unterneh-mens wahrgenommen werden können,bewusst und aufeinander abgestimmt zugestalten. Daraus resultiert, dass bei-spielsweise die Produkte, die nach demKauf in die unmittelbare Umgebung derBezugsgruppe „Kunden“ übergehen,eine zentrale Rolle in der Imagebildungeinnehmen und unter Berücksichtigung

dieses Umstandes gestaltet werden müs-sen. Konkret bedeutet dies aber auch,dass ein optisch anspruchsvolles Design,welches in Konsumgütermärkten viel-fach ausreichend ist, auf Investitionsgü-termärkten alleine nicht genügt, da hierdie Gebrauchsfunktion der Produkte imMittelpunkt steht. Daher ist es bedeu-tend, die Produktfunktionen in Hinblickauf Kundenanforderungen auszurichtenund über Produktdesign emotionalisiertzu gestalten. Somit kann im weitestenSinn von einer anzustrebenden Symbio-se aus ratio und emotio gesprochen wer-den – eine Herausforderung, die zur Ent-wicklung eines neuen Berufsbildesgeführt hat – dem Industrial Designer.

Image als Differenzierungselement

Je näher die Angebotsspektren von B2B-Unternehmen hinsichtlich Funktionalitätoder Angebotspreis aneinanderrücken,umso mehr gewinnt der Faktor Image anBedeutung für die Kaufentscheidung.Eine Quasihomogenisierung der Sach-leistungen von Unternehmen ist in vielenindustriellen Branchen zweifellos zuerkennen. Verfügt ein Unternehmen aberüber klare Produktvorteile und zusätz-lich dazu über Imagevorteile, so ist derdaraus resultierende potenzielle Hebel-effekt deutlich. Image kann also zumbedeutenden Element in der Definitioneines komparativen Konkurrenzvorteilsvon industriellen Unternehmen werden.Wichtig ist die Erkenntnis, dass hierzuein bewusstes Management des Bran-ding-Prozesses notwendig wird. DieRolle von Produktdesign im Branding-Prozess beleuchtet z.B. die Studie„Design in Britain 2004–2005“. DieseStudie des britischen Design Council, dieauf einer Befragung von 1500 Unter-nehmen aller Größen und Sektorenbasiert, lieferte ein deutliches Ergebnis:Vor allem in wirtschaftlich schlechtenZeiten entwickeln sich jene Firmen gut,für die Design ein essentieller Faktor ist(Infokasten 1).1

Der Weg zur Symbiose

Eine steigende Zahl von Investitionsgü-terbetrieben hat Produktdesign alspotenzielles Differenzierungselementund Erfolgsfaktor erkannt und mit demSalzburger Unternehmen KISKA (Info-kasten 2) durchgängige Lösungen ent-wickelt. Anlassfall für Unternehmen,eine durchgängige „Produktsprache“ zuentwickeln, ist oft eine historisch wildgewachsene Produktvielfalt, die in derGesamtschau des Marktauftrittes keineDurchgängigkeit zeigt, wenig Marken-Professionalität widerspiegelt und durchdie verschwommene und unfokussierteIdentität spürbare Wettbewerbsnachtei-le nach sich zieht. Die Voraussetzungenbei der Entwicklung einer einheitlichenProduktsprache sind unterschiedlich. Imeinfachsten Fall sind Produktvielfalt undVariantenbreite klein und die ästheti-schen Anforderung gering. Im komple-xen Fall muss der Designer versuchen,den Bogen zwischen großer Vielfalt undenormer Breite mit hoher ästhetischerAnforderung zu spannen. KISKA hatfür Kunden aus dem Investitionsgüter-bereich ein eigenes Produkt namens„Visual Product Language Process(VPLP)“ entwickelt. Mit einer standar-disierten Vorgehensweise (vgl. Abbil-dung 1) wird das Produktdesign strate-gisch ausgerichtet, die Designqualitätangehoben und Durchgängigkeit

- Wo Design ein integraler Bestandteilist, haben 44 % der Firmen alsErgebnis einen Anstieg in Wettbe-werbsfähigkeit und Geschäftsum-satz.

- Wo Design ein integraler Bestandteilist, haben sich 39% der Unterneh-men neue Märkte erschlossen, basie-rend auf den Einsatz von Design.

- Nur 32% der britischen Unterneh-men haben ein neues Produkt odereinen neuen Service eingeführt inden letzten drei Jahren. Aber davonsind 67 % Firmen, in denen Designein integraler Bestandteil ist.

Infokasten 1: Erfolgsfaktor Produkt-Design

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geschaffen. Auf Wunsch und vor allembei großem Produktportfolio wird derKunde in die Lage versetzt, die Design-anpassung über die meisten seiner Pro-dukte selbständig durchzuführen.

Am Anfang der Entwicklung einer Pro-duktsprache für Investitionsgüterunter-nehmen stehen ein bis zwei Workshops,in denen das Produktportfolio analysiertund segmentiert sowie die Ziele derkünftigen Positionierung abgesteckt wer-den. Bei der Positionierung geht es umdie Klärung von Markenwerten, Mar-kenbotschaft und Markenimage. Solltesich hier ein diffuses Bild zeigen, so wirddie genaue Positionierung im Rahmeneines eigenen Workshops nochmals erar-beitet. Ohne diese wäre ein zielgerichte-tes Vorgehen nicht möglich. Anhand vonMoodboards und unter Berücksichti-gung des Mitbewerbs werden die Werteund die Botschaften emotional visuali-siert und verfestigt.Die Analyse des Produktportfolios führt

zur Festlegung von Produkt-Archetypen,die stellvertretend für die funktionalenund formalen Extrema des gesamtenPortfolios stehen. Die Auswahl derArchetypen erfolgt nach designorien-tierten Kriterien. In dieser Startphasesind auf der Kundenseite idealerweisealle wesentlichen Entscheider beteiligt:Geschäftsführung, Marketing, Technik.

Aus der Synthese von Moodboards,Markenwerten, Archetypen, Funktiona-litäten, Ressourcen und Machbarkeitenbeschäftigt sich der Designer zunächstmit der Entwicklung einer „Grund-Geste“. Die Grund-Geste ist die ersteund wichtigste Wahrnehmungsebeneeines Produktes. Eine Vielzahl von mög-lichen Grund-Gesten wird auf dieArchetypen übertragen und auf ihreFunktionsfähigkeit geprüft. Durch diesesVorgehen wird sichergestellt, dass dieletztendlich gewählte Geste den Wertenentsprechend und auf allen Produktenwahrgenommen wird.

Sind die Grund-Gesten fixiert, so wirdjeder Produkt-Archetyp einem eigenenDesign-Prozess unterzogen. Parallel zumDesign-Prozess der Produkt-Archetypenbeginnt ein übergeordneter Prozess, dersich mit Produktions- und Funktions-Details im Kontext mit dem Gesamt-produktportfolio beschäftigt. Ergebnis

dieses Schrittes sind definierte Merkma-le und Funktionalitäten für das Gesamt-programm. An diesem Punkt ist die Pro-duktsprache im Wesentlichen definiertund der Designer erarbeitet gegebenen-falls die exemplarische Umlegung derdefinierten Sprache auf weitere Produk-te. (Abb. 1)

„Do it yourself“ als Ziel

Die Konzeption, Erstellung und Imple-mentierung des VPLP-Handbuchesbereitet die Benutzergruppen auf dieUmsetzung im eigenen Haus vor. DasHandbuch ist ein Leitfaden, anhand des-sen der Kunde selbständig seine Pro-dukte im Sinne der Durchgängigkeit derProduktsprache entwickeln kann. Nurbei hoher Komplexität eines alten oderneuen Produktes wird der Designer hin-zugezogen. Do it yourself steht im Vor-dergrund – eine permanente Abhängig-keit zum Designbüro ist nicht vorgese-hen. Um eine Zukunftssicherheit zugewährleisten, werden im gesamten Pro-zess laufend Entwicklungspotentialeabgesteckt und technische wie ästheti-sche Trends vom Designer eingebracht.

Durch Verwendung von Gleichteilen undintelligenten Konstruktionen können inder Regel Synergieeffekte erzielt werden,

Die KISKA GmbH wurde 1990 vonGerald KISKA in Salzburg gegründet.Mit mittlerweile fast 15 Jahren Erfah-rung und 60 Mitarbeitern aus 10Nationen werden heute umfassendeDesignlösungen angeboten. Im Kerndes Angebotes von KISKA steht „Inte-grated Design Development (IDD)“.IDD steht für die Kombination derwichtigsten markenbildenden Ele-mente Produkt, Produktumgebungund Kommunikation zu durchgängi-gen und zielgerichteten Marken- undMarktauftritten. Als Besonderheit giltder Prozess der „Visual Product Lan-guage (VPL)“, den KISKA seit Jahrenanwendet und damit Investitionsgü-ter-Unternehmen zu einer durchgän-gigen, fokussierten Produktidentitätführt. Neben der Spezialisierung aufdie Investitionsgüter-Industrie arbeitetKISKA für Kunden wie KTM Sport-motorcycles, Silhouette International,Siteco, AKG Acoustics, Trodat, BrauUnion und seit kurzem auch einigeUnternehmen aus Fernost.

Infokasten 2: Das Unternehmen KISKA

Abb. 1: Die Schritte des VPLP

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die eine beträchtliche Kosteneinsparungbewirken. Erwähnt sei auch noch, dassdurch die enge Zusammenarbeit zwi-schen Designer und Kunde im Rahmeneines VPLP vor allem bei den technischorientierten Mitarbeitern ein gesteigertesInteresse und positives Verständnis fürden Wert von Design entsteht. Zudembeschleunigt die Einigung auf eine ein-heitliche Produktsprache Entscheidungs-und Konstruktionsprozesse.

Letztlich stellen Feedbackmeetingssicher, dass der VPLP-Prozess beim Kun-den sicher implementiert und die selbst-ständige Umsetzung einer einheitlichenProduktsprache gewährleistet ist.

Ein international renommierter Herstel-ler von Textildruckmaschinen – dieFirma Stork – beauftragte KISKA mit

der Erstellung einer einheitlichen Pro-duktdesignsprache. Die Abbildungen 2und 3 zeigen die Ausgangssituation unddas Ergebnis.

Die zunehmende Bedeutung von Pro-duktdesign im B2B-Geschäft lässt sichaus Erfahrung der Firma KISKA aufmehrerlei zurückführen:Zum einen trägt Produktdesign innenliegende Werte von Investitionsgüternan die Oberfläche und kann so Pro-duktaussagen und -nutzen verstärkendeinlösen. Zum anderen schafft Produktdesignjene, vielleicht auch substanzielle strate-gische Differenzierung, die Investitions-güterunternehmen entscheidend imPreiswettbewerb bei sich vielleichtgleichzeitig nivellierendem technologi-schem Vorsprung profilieren kann.

Ergänzend sei anzuführen, dass sich imInvestitionsgüter-Bereich eine zuneh-mende designsprachliche Vielfalt, ver-gleichbar mit der Konsumgüterindustrie,einstellt. Und: mit zunehmender Ver-breitung von designten Investitionsgü-ter-Produkten wandelt sich Produktde-sign auf breiter Front vom Kann- zumMuss-Wettbewerbsfaktor. Allerdings wagen sich erst wenige Unter-nehmen der Investitionsgüterindustriean das bewusste Brand-Management,der Verbindung von Produktdesign, Pro-duktumgebung (z. B. Messen) und Pro-duktkommunikation. Nur ganzheitlicheund durchdachte Lösungen führen imEndeffekt zu jenem Vorteil, den man sichaus der Investition in Branding-Prozes-se erwartet.

1 http://www.designcouncil.org.uk

Abb. 2: Produkt vor dem Designprozess

Abb. 3: Produkt nach dem Designprozess