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Ärzte gegen Tierversuche e.V. www.aerzte-gegen-tierversuche.de Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik, Spemannstr. 38, 72076 Tübingen Um der Frage nachzugehen, wie das Affenhirn Videos mit nicht synchron laufendem Ton ver- arbeitet, werden zunächst mehrere Rhesusaf- fen in Primatenstühlen fixiert, um ihre Rufe zu filmen. Die eigentlichen Experimente erfolgen mit zwei erwachsenen Rhesusaffen, die schon an einem früheren Experiment „teilgenommen“ haben. Für dieses Experiment waren bereits eine Elektrodenkammer über einem Bohrloch im Schädelknochen angebracht sowie ein Haltebolzen. Der Kopf eines Affen wird an dem Bolzen fixiert, so dass er ihn nicht mehr bewegen kann. Das Tier muss einen Punkt auf einem Bildschirm anstarren. Dann wird eine Videosequenz von einem rufenden Affen gezeigt. Der Affe darf den Blick nicht von der Bildschirmmitte abwenden. Macht er es dem For - scherwunsch entsprechend, erhält er einen Tropfen Saft. Wendet er seinen Blick ab, fängt der Versuch von vorn an. Außerhalb der Experimente erhalten die Tiere nichts zu trinken, damit sie so durstig sind, für die lebensnotwendige Flüssigkeit die Versuche über sich ergehen zu lassen. Die Videos mit den rufenden Affen werden ent- weder komplett präsentiert oder Bild und Ton getrennt oder versetzt. Gleichzeitig werden über die durch die Kammer in das Hirngewebe eingelassenen Elektroden Nervenströme in dem Hirnareal gemes- sen, der beim Menschen dem Sprachzentrum entspricht. Am Ende der Experimente werden die beiden Affen getötet, um festzustellen, ob die Elektroden an der richtigen Stelle gesessen haben. 1 Das Beispiel zeigt, wie grausam Tierversuche sind. Der quä- lende Durst, der die Tiere zur Kooperation zwingt, die massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit, der dauerhafte Stress und möglicherweise bohrende Kopfschmerzen durch die implan- tierten Gerätschaften auf dem Kopf – viele Affen müssen die- se Torturen jahrelang ertragen. Aus ethischen Gründen und we- gen mangelnden medizinischen Nutzens haben die zuständigen Behörden in München und Berlin in den letzten Jahren für gleich- artige Tierversuche an Affen die Genehmigung verweigert. In Tübingen werden seit Jahren fast identische Versuche an mitt- lerweile vier Instituten durchgeführt: Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung, Institut für Neurobiologie der Universität Tübingen, Max-Planck-Institut (MPI) für Biologische Kybernetik sowie seit ca. 2012 Exzellenzcluster Werner Reichhardt Centrum für Inte- grative Neurowissenschaften (CIN). Millionenfaches Leid Rund drei Millionen Mäuse, Ratten, Affen, Hunde, Katzen, Ka- ninchen, Meerschweinchen und andere Tiere werden jedes Jahr in deutschen Laboratorien gequält und getötet. Im Tierversuch werden Tiere wie Messinstrumente behandelt, die nach Ge- brauch weggeworfen werden. Doch Tiere sind fühlende, leidens- fähige Mitgeschöpfe, die Freude und Angst empfinden, Schmerz und Qualen erleiden, genau wie wir. Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin Universitätsklinikum Tübingen, Hoppe-Seyler-Str. 3., 72076 Tübingen Um die Rolle eines bestimmten Proteins bei Lungenentzündung zu untersuchen, werden genmanipulierte Mäuse in eine enge Röhre gesteckt, aus der nur die Nase herausschaut. Diese wird mit Bakteriengiften begast. Vier Stunden später werden die Mäu- se betäubt, ein Schnitt wird in die Luftröhre gemacht, durch den eine Kochsalzlösung in die Lunge gesprüht und anschließend wieder abgesaugt wird. In der abgesaugten Flüssigkeit werden Entzündungszellen untersucht. Die Mäuse werden getötet, ihre Lungen herausgeschnitten und untersucht. 2 Völlig unterschiedlich Tiere und Menschen unterscheiden sich in Körperbau, Organ- funktionen und Stoffwechsel wesentlich voneinander. Ein und dieselbe Substanz kann bei Tier und Mensch zu völlig unter- schiedlichen Reaktionen führen. So führt Aspirin bei Hunden, Katzen, Affen, Ratten und Mäusen zu Embryoschäden, nicht aber beim Menschen. Umgekehrt waren für den Menschen ex- trem embryotoxisch wirkende Substanzen, wie das Schlafmittel Thalidomid (Contergan), im Routine-Tierversuch völlig unauffäl- lig. Penicillin ist gut verträglich für Menschen, aber schädlich für Meerschweinchen. Arsen ist tödlich für Menschen, für Schafe nicht. Asbest verursacht bei Menschen Krebs, bei Ratten nur in sehr hohen Dosen. Der Süßstoff Saccharin ist gut verträglich für Menschen, männliche Ratten bekommen Blasenkrebs. We- gen dieser Unterschiedlichkeit sind die Ergebnisse von Tierver- suchen nicht auf den Menschen übertragbar. Tödliche Nebenwirkungen Regelmäßig berichten Experimentatoren und Medien über an- gebliche Erfolge im Kampf gegen Krebs, Alzheimer, Parkinson und andere Krankheiten. Doch die Hoffnungen der betroffenen Patienten werden so gut wie immer enttäuscht. Von den angeb- lichen Wundermitteln hört man nie wieder etwas. Denn: Was beim Tier funktioniert, klappt beim Menschen noch lange nicht. Im Gegenteil: Viele im Tierversuch geprüfte Pharmaprodukte richten schwere Schäden an. Blutfettsenker Lipobay, Rheuma- mittel Vioxx, Diabetesmittel Avandia und das Herzmedikament Trasylol – alle waren im Tierversuch für sicher befunden worden, riefen aber beim Menschen schwerste, oft sogar tödliche Nebenwirkungen hervor. Allein in Deutschland gehen jährlich 58.000 Todesfälle auf das Konto von Nebenwirkungen tierver- suchserprobter Arzneimittel. Tierversuche machen also unse- re Medikament nicht sicher. Künstlich krank gemacht Das tierexperimentelle System beruht auf einem falschen methodischen Ansatz. Im Tierversuch werden die Krank- heiten des Menschen auf Symptome reduziert und bei Tie- ren in sogenannten „Tiermodellen“ künstlich hervorgerufen. Alzheimer wird durch Genmanipulation bei Mäusen ausge- löst, ein Schlaganfall durch Verstopfen einer Hirnarterie bei Ratten oder Mäusen, Diabetes durch Injektion eines zellzer- störenden Giftes bei Ratten, ein Herzinfarkt durch Verschluss einer Herzkranzarterie bei Hunden und Krebs durch Genma- nipulation oder wie im folgenden Beispiel durch Einimpfen von Krebszellen bei Mäusen. Translationale Gastrointestinale Onkologie, Innere Medizin I, Universität Tübingen, Geissweg 3, 72076 Tübingen Um der Frage nachzugehen, warum das Krebsmedikament Sorafenib beim Menschen nicht gut wirkt, werden Mäusen menschliche Leberkrebszellen in die Leber gespritzt. Dazu werden die Tiere betäubt und der Bauch wird aufgeschnitten. Einigen Mäusen wird das Krebsmedikament Sorafenib jeden zweiten Tag per Schlundsonde in den Magen eingegeben. Andere Mäuse erhalten zum Vergleich ein anderes Medika- ment oder beide Mittel zusammen. Manche Mäuse bleiben unbehandelt. Es wird beobachtet, wann die Mäuse an Krebs sterben. Der Todeszeitpunkt liegt bei allen Gruppen zwischen 40 und 48 Tagen, unabhängig davon ob und welches Medi- kament sie bekommen haben. Den toten Mäusen wird die Leber zur Untersuchung entnommen. 3 Das Titelbild und das Foto links zeigen den Affen Malish mit implan- tierter Elektrodenkammer und Haltebolzen. Die Aufnahmen aus der Hebrew University in Jerusalem wurden 2001 von israelischen Tier- schützern mit versteckter Kamera gemacht. 2014 gelang es SOKO- Tierschutz und der britischen Organisation Cruelty Free International undercover im MPI in Tübingen zu filmen. Der Vergleich zeigt, dass sich in den 13 Jahren an den Methoden in der Hirnforschung nichts geändert hat.

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Page 1: Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik, Spemannstr ... · Das Titelbild und das Foto links zeigen den Affen Malish mit implan-tierter Elektrodenkammer und Haltebolzen. Die

Ärzte gegen Tierversuche e.V. www.aerzte-gegen-tierversuche.de

Max-Planck-Institut für Biologische Kybernetik,Spemannstr. 38, 72076 Tübingen

Um der Frage nachzugehen, wie das Affenhirn Videos mit nicht synchron laufendem Ton ver-arbeitet, werden zunächst mehrere Rhesusaf-fen in Primatenstühlen fixiert, um ihre Rufe zu filmen. Die eigentlichen Experimente erfolgen mit zwei erwachsenen Rhesusaffen, die schon an einem früheren Experiment „teilgenommen“ haben. Für dieses Experiment waren bereits

eine Elektrodenkammer über einem Bohrloch im Schädelknochen angebracht sowie ein Haltebolzen. Der Kopf eines Affen wird an dem Bolzen fixiert, so dass er ihn nicht mehr bewegen kann. Das Tier muss einen Punkt auf einem Bildschirm anstarren. Dann wird eine Videosequenz von einem rufenden Affen gezeigt. Der Affe darf den Blick nicht von der Bildschirmmitte abwenden. Macht er es dem For-scherwunsch entsprechend, erhält er einen Tropfen Saft. Wendet er seinen Blick ab, fängt der Versuch von vorn an. Außerhalb der Experimente erhalten die Tiere nichts zu trinken, damit sie so durstig sind, für die lebensnotwendige Flüssigkeit die Versuche über sich ergehen zu lassen. Die Videos mit den rufenden Affen werden ent-weder komplett präsentiert oder Bild und Ton getrennt oder versetzt. Gleichzeitig werden über die durch die Kammer in das Hirngewebe eingelassenen Elektroden Nervenströme in dem Hirnareal gemes-sen, der beim Menschen dem Sprachzentrum entspricht. Am Ende der Experimente werden die beiden Affen getötet, um festzustellen, ob die Elektroden an der richtigen Stelle gesessen haben.1

Das Beispiel zeigt, wie grausam Tierversuche sind. Der quä-lende Durst, der die Tiere zur Kooperation zwingt, die massive Einschränkung der Bewegungsfreiheit, der dauerhafte Stress und möglicherweise bohrende Kopfschmerzen durch die implan-tierten Gerätschaften auf dem Kopf – viele Affen müssen die-se Torturen jahrelang ertragen. Aus ethischen Gründen und we-gen mangelnden medizinischen Nutzens haben die zuständigen Behörden in München und Berlin in den letzten Jahren für gleich-artige Tierversuche an Affen die Genehmigung verweigert. In Tübingen werden seit Jahren fast identische Versuche an mitt-lerweile vier Instituten durchgeführt: Hertie-Institut für Klinische Hirnforschung, Institut für Neurobiologie der Universität Tübingen, Max-Planck-Institut (MPI) für Biologische Kybernetik sowie seit ca. 2012 Exzellenzcluster Werner Reichhardt Centrum für Inte-grative Neurowissenschaften (CIN).

Millionenfaches Leid Rund drei Millionen Mäuse, Ratten, Affen, Hunde, Katzen, Ka-ninchen, Meerschweinchen und andere Tiere werden jedes Jahr in deutschen Laboratorien gequält und getötet. Im Tierversuch werden Tiere wie Messinstrumente behandelt, die nach Ge-brauch weggeworfen werden. Doch Tiere sind fühlende, leidens-fähige Mitgeschöpfe, die Freude und Angst empfinden, Schmerz und Qualen erleiden, genau wie wir.

Universitätsklinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin Universitätsklinikum Tübingen, Hoppe-Seyler-Str. 3.,72076 TübingenUm die Rolle eines bestimmten Proteins bei Lungenentzündung zu untersuchen, werden genmanipulierte Mäuse in eine enge Röhre gesteckt, aus der nur die Nase herausschaut. Diese wird mit Bakteriengiften begast. Vier Stunden später werden die Mäu-se betäubt, ein Schnitt wird in die Luftröhre gemacht, durch den eine Kochsalzlösung in die Lunge gesprüht und anschließend wieder abgesaugt wird. In der abgesaugten Flüssigkeit werden Entzündungszellen untersucht. Die Mäuse werden getötet, ihre Lungen herausgeschnitten und untersucht.2

Völlig unterschiedlich Tiere und Menschen unterscheiden sich in Körperbau, Organ-funktionen und Stoffwechsel wesentlich voneinander. Ein und dieselbe Substanz kann bei Tier und Mensch zu völlig unter-schiedlichen Reaktionen führen. So führt Aspirin bei Hunden, Katzen, Affen, Ratten und Mäusen zu Embryoschäden, nicht aber beim Menschen. Umgekehrt waren für den Menschen ex-trem embryotoxisch wirkende Substanzen, wie das Schlafmittel Thalidomid (Contergan), im Routine-Tierversuch völlig unauffäl-lig. Penicillin ist gut verträglich für Menschen, aber schädlich für Meerschweinchen. Arsen ist tödlich für Menschen, für Schafe nicht. Asbest verursacht bei Menschen Krebs, bei Ratten nur in sehr hohen Dosen. Der Süßstoff Saccharin ist gut verträglich für Menschen, männliche Ratten bekommen Blasenkrebs. We-gen dieser Unterschiedlichkeit sind die Ergebnisse von Tierver-suchen nicht auf den Menschen übertragbar.

Tödliche Nebenwirkungen Regelmäßig berichten Experimentatoren und Medien über an-gebliche Erfolge im Kampf gegen Krebs, Alzheimer, Parkinson und andere Krankheiten. Doch die Hoffnungen der betroffenen Patienten werden so gut wie immer enttäuscht. Von den angeb-lichen Wundermitteln hört man nie wieder etwas. Denn: Was beim Tier funktioniert, klappt beim Menschen noch lange nicht. Im Gegenteil: Viele im Tierversuch geprüfte Pharmaprodukte richten schwere Schäden an. Blutfettsenker Lipobay, Rheuma-mittel Vioxx, Diabetesmittel Avandia und das Herzmedikament Trasylol – alle waren im Tierversuch für sicher befunden worden, riefen aber beim Menschen schwerste, oft sogar tödliche Nebenwirkungen hervor. Allein in Deutschland gehen jährlich 58.000 Todesfälle auf das Konto von Nebenwirkungen tierver-

suchserprobter Arzneimittel. Tierversuche machen also unse-re Medikament nicht sicher.

Künstlich krank gemacht Das tierexperimentelle System beruht auf einem falschen methodischen Ansatz. Im Tierversuch werden die Krank-heiten des Menschen auf Symptome reduziert und bei Tie-ren in sogenannten „Tiermodellen“ künstlich hervorgerufen. Alzheimer wird durch Genmanipulation bei Mäusen ausge-löst, ein Schlaganfall durch Verstopfen einer Hirnarterie bei Ratten oder Mäusen, Diabetes durch Injektion eines zellzer-störenden Giftes bei Ratten, ein Herzinfarkt durch Verschluss einer Herzkranzarterie bei Hunden und Krebs durch Genma-nipulation oder wie im folgenden Beispiel durch Einimpfen von Krebszellen bei Mäusen.

Translationale Gastrointestinale Onkologie, Innere Medizin I, Universität Tübingen, Geissweg 3, 72076 Tübingen Um der Frage nachzugehen, warum das Krebsmedikament Sorafenib beim Menschen nicht gut wirkt, werden Mäusen menschliche Leberkrebszellen in die Leber gespritzt. Dazu werden die Tiere betäubt und der Bauch wird aufgeschnitten. Einigen Mäusen wird das Krebsmedikament Sorafenib jeden zweiten Tag per Schlundsonde in den Magen eingegeben. Andere Mäuse erhalten zum Vergleich ein anderes Medika-ment oder beide Mittel zusammen. Manche Mäuse bleiben unbehandelt. Es wird beobachtet, wann die Mäuse an Krebs sterben. Der Todeszeitpunkt liegt bei allen Gruppen zwischen 40 und 48 Tagen, unabhängig davon ob und welches Medi-kament sie bekommen haben. Den toten Mäusen wird die Leber zur Untersuchung entnommen.3

Das Titelbild und das Foto links zeigen den Affen Malish mit implan-tierter Elektrodenkammer und Haltebolzen. Die Aufnahmen aus der Hebrew University in Jerusalem wurden 2001 von israelischen Tier-schützern mit versteckter Kamera gemacht. 2014 gelang es SOKO-Tierschutz und der britischen Organisation Cruelty Free International undercover im MPI in Tübingen zu filmen. Der Vergleich zeigt, dass sich in den 13 Jahren an den Methoden in der Hirnforschung nichts geändert hat.

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Bild auszuwählen. Die Tiere erhalten nur dann Futter, wenn sie nach Forscherwunsch reagieren. Ihre notwendige Futterration müssen die Krähen sich „erarbeiten“.4

Solche zweckfreie Grundlagenforschung dient lediglich der Karriere einzelner Per-sonen. Die Qualität der Forschung wird nämlich nicht daran gemessen, wie vielen Menschen geholfen werden konnte, son-

dern an der Anzahl der Fachartikel eines Forschers. Davon ist die Höhe der Forschungsgelder abhängig. Diese werden für neue Tierversuche verwendet. Etwas Sinnvolles für kranke Menschen kommt dabei nicht heraus.

System-Neurophysiolgie, Exzellenzcluster Werner Reichhardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften (CIN), Uni-versität Tübingen, Otfried-Müller-Straße 25, 72076 TübingenRatten können durch aktives Streichen ihrer Tasthaare über eine Oberfläche diese erkennen und unterscheiden. Um he-rauszufinden, wie sie das machen, wird Ratten unter Narkose eine Schraube in den Schädelknochen eingebracht. An dieser wird der Kopf der wachen Ratte fixiert. Als „Trainingsmethode“ wird Wasserentzug eingesetzt. Die Tasthaare eines fixierten Tieres werden durch ein Gerät in Vibration versetzt. Nach einer gewissen Zeit werden Intensität oder Schwingungsfrequenz ge-ändert. Spürt die Ratte die Änderung, muss sie an einem Nip-pel lecken. Gab es tatsächlich eine Vibrationsänderung, wird das Tier mit einem Wassertropfen belohnt. Leckt die Ratte, ob-wohl nichts passiert ist, wird sie „bestraft“ indem der Versuch von vorn anfängt.5

Tierversuche werden nicht zum Wohle des Menschen durch-geführt, sondern weil einflussreiche Interessengruppen davon profitieren. Experimentatoren, Universitäten, Pharma- und che-mische Industrie, Auftragslabors, Versuchstierhändler, Firmen, die Zubehör herstellen – sie alle wollen, dass Tierversuche bei-behalten werden.

Solche „Tiermodelle“ sind nicht mit der komplexen Situation beim menschli-chen Patienten vergleich-bar. Wichtige Aspekte der Krankheitsentstehung wie Ernährung, Lebensge-wohnheiten, schädliche Umwelteinflüsse sowie psychische und soziale

Faktoren werden bei dieser Art der Forschung nicht berück-sichtigt. Dank Bevölkerungsstudien ist bekannt, dass die Ursachen von Krebs beim Menschen zu einem Drittel auf Rauchen und zu einem Drittel auf zu fleisch- und fetthaltige Ernährung beruhen und nicht auf Injektion von Krebszellen. Krebs ist ein Paradebeispiel für die Erfolglosigkeit der tier-experimentellen Forschung. Krebsmäuse wurden schon mil-lionenfach geheilt, aber beim Menschen wirken die so ge-fundenen Mittel dann nicht. Tatsächlich versagen 92-95 % der im Tierversuch als wirksam und sicher geprüften neuen Wirkstoffe beim Test am Menschen („klinische Studien“). Die schlechte Wirksamkeit von Krebsmitteln nun ausgerechnet im Tierversuch ergründen zu wollen, ist völlig abwegig. Expe-rimente an Tieren sind nicht geeignet, die Krankheiten des Menschen zu erforschen und zu heilen.

Warum Tierversuche? Tierversuche werden oft mit der Behauptung gerechtfertigt, sie dienten der Entwicklung neuer Medikamente gegen un-heilbare Krankheiten. Doch wie in den nachfolgenden Bei-spielen haben die Ergebnisse oft keinerlei praktischen Bezug.

Abteilung für Tierphysiologie, Institut für Neurobiologie, Universität Tübingen, Auf der Morgenstelle 28,72076 Tübingen Um die Gedächtnisleistung von Rabenkrähen zu erforschen, wird auf dem Kopf der Tiere eine Steckdose installiert, über die das Tier im Versuch verkabelt wird. Über einem Bohrloch im Schädel wird ein Antriebsgerät mit acht Elektroden verankert. Mit der Vorrichtung können die Elektroden in das Hirngewebe eingelassen werden, um die Aktivität von Nervenzellen zu messen. Die Tiere müssen lernen, Fotos auf einem Bildschirm wiederzuerkennen und durch Anpicken mit dem Schnabel ein

Impressum:

Für eine bessere Medizin Tierversuche und eine ethisch vertretbare Medizin und Wissen-schaft schließen sich aus. Achtung und Ehrfurcht vor dem Leben müssen das höchste Gebot menschlichen und insbesondere auch ärztlichen und wissenschaftlichen Handelns sein. Ein Ende der Tierversuche bedeutet nicht ein Ende der medizinischen For-schung. Im Gegenteil: Ohne Tierversuche wäre die Medizin schon viel weiter, denn Tierversuche halten – wegen ihrer falschen Er-gebnisse – den medizinischen Fortschritt nur auf. Eine Vielzahl tierversuchsfreier Verfahren, die mit menschlichen Zell- und Ge-webekulturen oder Multi-Organchips arbeiten, liefern im Gegen-satz zum Tierversuch aussagekräftige Ergebnisse. Viele Krank-heiten könnten zudem durch Veränderung unserer Lebensweise verhindert werden. Tierversuche müssen abgeschafft werden, um den Weg frei zu machen für eine moderne, ethisch vertret-bare Forschung, bei der die Beseitigung der krankmachenden Ur-sachen in Ernährung, Lebensweise und Umwelt im Vordergrund steht. Nur so lässt sich ein Fortschritt in der Medizin erzielen.

Die genannten Tierversuche aus Tübingen und mehrere Tausend weitere, in den letzten Jahren in Deutschland durchgeführte Tierexperimente, sind unter www.datenbank-tierversuche.de dokumentiert.

Quellen: (1) C. Perrodin et al.: Natural asynchronies in audiovisual communication signals regulateneuronal multisensory interactions in voice-sensitive cortex. PNAS 2015: 112(1); 273-278(2) J.M. Roth et al.: Semaphorin 7A aggrevates pulmonary inflammation during lung injury.PLOS One 2016: 11(1); e0146930(3) R. Rudalska et al.: In vivo RNAi screening identifies a mechanism of sorafenib resistancein liver cancer. Nature Medicine 2014: 10; 1138-1146(4) L. Veit et al.: Spatially tuned neurons in corvid nidopallium caudolaterale signal targetposition during visual search. Cerebral Cortex 2015: doi:10.1093/cercor/bhv299(5) C. Waiblinger et al.: Support for the slip hypothesis from whisker-related tactile perception of rats in a noisy environment. Frontiers in Integrative Neuroscience 2015: 9(53). doi:10.3389/fnint.2015.00053

Postanschrift: Ärzte gegen Tierversuche e.V.Goethestraße 6-851143 KölnTel.: 02203-9040990Fax: 02203-9040991info@aerzte-gegen-tierversuche.dewww.aerzte-gegen-tierversuche.de

Ärzte gegen Tierversuche e.V. ist als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Spenden und Mitgliedsbeiträge sind steuerlich absetzbar.© 2017 Ärzte gegen Tierversuche e. V

Text: Dr. Corina GerickeSatz: www.vego-design.deFotos: AESOP Project, Dyrevernalliansen, istockphoto.com, BUAV/SOKO-TS, Jack Wolf (CC BY-ND 2.0)Vereinskonto: Sparda-BankIBAN: DE30 5009 0500 0000 9517 31BIC: GENODEF 1S12

Tierversuche im Brennpunkt: Teil 16

Tübingen

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