medizintechnische teile ohne ckw entfetten

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JOT 3 | 2002 22 derungen an eine Entfettungsanlage, „das geht nicht mit Wasser.“ Aber es durften aus umweltpolitischen Grün- den keine chlorierten Lösungsmittel zum Einsatz kommen. Denn der Gil- lette-Konzern, zu dem Braun seit 1967 gehört, hatte sich – wie viele andere Konzerne auch – zum Ziel gesetzt, kei- ne Lösemittel mehr einzusetzen. „Wir mussten deshalb auf wässrige Reini- gungs-Systeme umstellen“, erinnert sich Dittrich an die Folgen dieser Ent- scheidung. Bei vielen Teilen, die im Werk Walldürn hergestellt werden, gelang diese Substitution – nur bei den Medi- zin-Teilen hatte man keine Erfolge. In Versuchen stellte sich heraus, dass die auf Grund ihres geringen Durchmes- sers von nur 3 mm sehr dicht liegenden Wellen, die zu 5000 Stück in Drahtkör- ben zum Entfetten gebracht wurden, förmlich aneinander klebten. Das ein- gesetzte Schneidöl mit seinen moder- nen Additiven war der Grund, weshalb das wässrige Reinigungs-Medium nicht in der Lage war, zwischen die Teile zu „kriechen“. Aber zum Härten C hlorierte Kohlenwasserstoffe (CKW) sind Reinigungsmittel mit hoher Wirtschaftlichkeit. Aber beim Thema Umweltschutz und Ge- sundheits-Gefährdung stoßen sie schnell an ideologische Grenzen. Das mussten auch die Verantwortlichen im Werk Walldürn der Braun GmbH leid- voll erfahren. Doch wie sollten sie ihre Teile völlig fettfrei bekommen ohne Einsatz solcher Medien? Jahre lange Versuche mit wässrigen Lösungen haben mehr Probleme aufgeworfen als Lösungen gebracht. Erst der Einsatz eines Vakuum-Entfettungsautomaten von Pero mit modifiziertem Alkohol erfüllt alle Anforderungen. „Unsere Medizin-Teile müssen kli- nisch rein sein“, beschreibt Alfred Dittrich, Fertigungsplaner im Werk Walldürn der Braun GmbH, die Anfor- Medizintechnische Teile ohne CKW entfetten Ein Vakuum-Entfettungsautomat, der ursprünglich mit CKW arbeitete, wurde so weiterentwickelt, dass er nun mit modifiziertem Alkohol reinigt und gleich gute Ergebnisse bei gleicher Taktzeit liefert. Zufrieden mit Wirtschaftlichkeit und Umweltschutz: Alfred Dittrich (rechts), Fertigungsplaner im Werk Walldürn der Braun GmbH, und Bernd Graner (links), Vertriebs-Inge- nieur bei der Pero AG. Der Vakuum-Entfettungsautomat „V1“ arbeitet mit modifiziertem Alkohol und einem zusätzlichen, externen Destillations-Modul für permanent sauberes Wasch-Medium. REINIGEN & VORBEHANDELN DAS WERK WALLDÜRN… … ist ein Fertigungs-Werk der zum Gillette-Konzern gehörenden Braun GmbH. Es besteht seit 1954 und produzierte anfangs nur Elektro-Ra- sierer. Heute sind 1350 Mitarbeiter mit der Herstellung von elektrischen Rasier-Apparaten, medizinischen Thermometern und Wecker-Uhren beschäftigt. Außerdem ist hier die Abteilung Spanende Bearbeitung angesiedelt, die sämtliche Dreh-, Fräs- und Schleif-Arbeiten für den gesamten Konzern leistet. 30 Mitar- beiter produzieren 100 Millionen Drehteile im Jahr, die nach ihrer Reinigung völlig fettfrei in die eige- ne Montage oder in andere Werke des Konzerns geliefert werden.

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derungen an eine Entfettungsanlage,„das geht nicht mit Wasser.“ Aber esdurften aus umweltpolitischen Grün-den keine chlorierten Lösungsmittelzum Einsatz kommen. Denn der Gil-lette-Konzern, zu dem Braun seit 1967gehört, hatte sich – wie viele andereKonzerne auch – zum Ziel gesetzt, kei-ne Lösemittel mehr einzusetzen. „Wirmussten deshalb auf wässrige Reini-gungs-Systeme umstellen“, erinnertsich Dittrich an die Folgen dieser Ent-scheidung.

Bei vielen Teilen, die im WerkWalldürn hergestellt werden, gelangdiese Substitution – nur bei den Medi-zin-Teilen hatte man keine Erfolge. InVersuchen stellte sich heraus, dass dieauf Grund ihres geringen Durchmes-sers von nur 3 mm sehr dicht liegendenWellen, die zu 5000 Stück in Drahtkör-ben zum Entfetten gebracht wurden,förmlich aneinander klebten. Das ein-gesetzte Schneidöl mit seinen moder-nen Additiven war der Grund, weshalbdas wässrige Reinigungs-Mediumnicht in der Lage war, zwischen dieTeile zu „kriechen“. Aber zum Härten

Chlorierte Kohlenwasserstoffe(CKW) sind Reinigungsmittel

mit hoher Wirtschaftlichkeit. Aberbeim Thema Umweltschutz und Ge-sundheits-Gefährdung stoßen sieschnell an ideologische Grenzen. Dasmussten auch die Verantwortlichen imWerk Walldürn der Braun GmbH leid-voll erfahren. Doch wie sollten sie ihreTeile völlig fettfrei bekommen ohneEinsatz solcher Medien? Jahre langeVersuche mit wässrigen Lösungenhaben mehr Probleme aufgeworfen alsLösungen gebracht. Erst der Einsatzeines Vakuum-Entfettungsautomatenvon Pero mit modifiziertem Alkoholerfüllt alle Anforderungen.

„Unsere Medizin-Teile müssen kli-nisch rein sein“, beschreibt AlfredDittrich, Fertigungsplaner im WerkWalldürn der Braun GmbH, die Anfor-

Medizintechnische Teile ohne CKW entfettenEin Vakuum-Entfettungsautomat, der ursprünglich mit CKW arbeitete,wurde so weiterentwickelt, dass er nun mit modifiziertem Alkohol reinigt und gleich gute Ergebnisse bei gleicher Taktzeit liefert.

Zufrieden mit Wirtschaftlichkeit undUmweltschutz: Alfred Dittrich(rechts), Fertigungsplaner im WerkWalldürn der Braun GmbH, undBernd Graner (links), Vertriebs-Inge-nieur bei der Pero AG.

Der Vakuum-Entfettungsautomat „V1“ arbeitet mit modifiziertem Alkohol undeinem zusätzlichen, externen Destillations-Modul für permanent sauberesWasch-Medium.

R E I N I G E N & V O R B E H A N D E L N

D A S W E R K W A L L D Ü R N …

… ist ein Fertigungs-Werk der zumGillette-Konzern gehörenden BraunGmbH. Es besteht seit 1954 undproduzierte anfangs nur Elektro-Ra-sierer. Heute sind 1350 Mitarbeitermit der Herstellung von elektrischenRasier-Apparaten, medizinischenThermometern und Wecker-Uhrenbeschäftigt. Außerdem ist hier dieAbteilung Spanende Bearbeitungangesiedelt, die sämtliche Dreh-,Fräs- und Schleif-Arbeiten für dengesamten Konzern leistet. 30 Mitar-beiter produzieren 100 MillionenDrehteile im Jahr, die nach ihrerReinigung völlig fettfrei in die eige-ne Montage oder in andere Werkedes Konzerns geliefert werden.

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unter Vakuum mussten die Teile abso-lut fettfrei sein. Das bewährte Systemder Bearbeitung mit Schneidöl stattEmulsion sollte aber nicht in Fragegestellt werden.

Drei Jahre nach einer Lösung gesucht

Also bemühte man sich, die kleinenWellen für die elektrischen Zahnbür-sten zu vereinzeln. Doch der Aufwanddafür war sehr hoch, und die Ergebnis-se waren immer noch unbefriedigend.Schuld war die Physik. Das abgewa-schene Öl schwamm nämlich auf derwässrigen Lösung auf und benetzte diegewaschenen Teile erneut, wenn derKorb mit den Teilen aus dem Bad her-ausgehoben wurde. Der Prozess mus-ste programmtechnisch so umgestelltwerden, dass das Öl vorher abge-skimmt wird.

Dieser zusätzliche Arbeitsgang ver-längerte die Zykluszeiten und brachtetrotzdem keine Prozess-Sicherheit.Fast drei Jahre musste sich die Ferti-

mit modifiziertem Alkohol als Ersatz-Reinigungsmittel gleich gute Ergeb-nisse bei gleichen Taktzeiten erzielt.

In der Fertigungsplanung im Braun-Werk Walldürn erkannte man schnelldie Vorteile dieses Systems und hattegenug Vertrauen zu Pero, um sich dafürstark zu machen, die erste Anlage indie Halle zu stellen. „Wir sind vollaufzufrieden“, bewerten die Verantwortli-chen aus Fertigung und Qualitätssiche-rung denn auch die Reinigungs-Ergeb-nisse der neuen Anlage, die seit 5.August 2001 arbeitet und vom Startweg alle Braun-Erwartungen erfüllte.Auf Grund der Erfahrungen mit ande-ren Anlagen sollte der neue Ent-fettungs-Automat ohne menschlicheKontrolle vollautomatisch arbeiten, dasReinigungs-Medium permanent rege-nerieren und eingewaschenes Öl wie-der ausschleusen. Darum wurde beiPero auch gleich eine Vakuum-Restde-stillation mit geordert. Diese mit demReinigungs-Automaten fest verbunde-ne Einheit unterstützt das integrierte

gung mit diesem Problem herumschla-gen, bis man bei der Pero AG fündigwurde. Die Königsbrunner Reini-gungs-Spezialisten hatten ihren Vaku-um-Entfettungsautomaten „V1“, derursprünglich mit CKW arbeitete, da-hingehend weiterentwickelt, dass er

Die Anlage arbeitet vollautomatisch:Der Werker stellt den Korb mit den öli-gen Teilen auf eine Rollenbahn vor dieÜbergabestation und entnimmt denKorb mit den gereinigten Teilen hinterder Übergabestation zur Behandlungs-kammer.

Die Behandlungskammer ist das Herzstück der Anlage. Ihr Deckel öffnet sichzu einer Rollenbahn, von der die Drahtkörbe mit den zu entfettenden Teilenautomatisch eingeschoben werden.

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ist ein kontinuierlicher Entfettungs-Ablauf gewährleistet, ohne dass einWerker die Reinigungs-Anlage direktbetreuen muss.

Wie groß ist der Verlust an Reini-gungs-Medium? „Die Gesetze undVerordnungen erlauben den Verlustvon maximal einer Tonne pro Jahr imgesamten Betrieb“, erläutert BerndGraner, Vertriebs-Ingenieur und Ver-fahrens-Berater der Pero AG, das juri-stische Umfeld. „Da in dieser Anlagedie selbe Rückgewinnung wie in einerCKW-Anlage praktiziert wird, ist derVerbrauch so gering, dass ein Betreibermehrere Anlagen dreischichtig ineinem Werk nutzen kann, ohne diesenGrenzwert zu überschreiten.“ DieseAussage verdeutlicht den hohen An-spruch von Pero, eine extrem umwelt-freundliche Anlage zu liefern.

Über die Wirtschaftlichkeit der neu-en Pero-Reinigungsanlage will sich dasBraun-Management nicht äußern. „Sieist vorhanden, unser Return-on-Invest-ment stimmt“, lautet das Statement.Dabei war die Anlage 25000 Mark teu-rer als Wettbewerbs-Produkte. DiesesGeld wurde in die Sicherheits-Technikinvestiert. „Unser Sicherheits-Ingeni-eur hat sich davon überzeugt, dass alleverbindlichen Vorschriften – und dazugehört auch der Ex-Schutz – eingehal-ten werden und die Anlage das CE-Zeichen zu Recht trägt.“

Außerdem war für die Entschei-dungsträger bei Braun beim Kauf derAnlage mit ausschlaggebend, dass dieAnlage vollautomatisch arbeitet, derAufwand für die Vereinzelung der Tei-le entfällt, und die Teile klinisch reinden Automaten verlassen. Was für dieSicherheits- und Umwelt-Verantwortli-chen im Braun-Werk Walldürn nochganz wichtig war, sich aber nicht inMark und Pfennig ausdrücken lässt:Der neue Pero- Vakuum-Entfettungs-automat „V1“ setzt in punkto Umwelt-verträglichkeit neue Maßstäbe, denner erfüllt schon die seit 1.8.2000 gültigeVOC-Richtlinie – lange vor Ende derobligaten Übergangsfrist. ■

mit Medium aus Tank 2 gespült, dasdank der ausgereiften Destillations-Technik fettfrei gehalten werden kann.

Beim anschließenden Dampf-Ent-fetten werden die Teile porentief sau-ber. Mit bewährter Kondensations-und moderner Vakuum-Technik wirddann dafür gesorgt, dass sie absoluttrocken und geruchsfrei wieder aus derBehandlungs-Kammer auf die Rollen-bahn ausgeschleust werden. Dort wer-den sie manuell entnommen und zumHärten oder in die Montage gebracht.

Da die Rollenbahn über sechs Plätze für Transportkörbe verfügt und die durchschnittliche Chargenzeit beisechs Minuten liegt, kann auch in denPausenzeiten gereinigt werden. Damit

Destillations-Modul und entfernt daseingewaschene Öl kontinuierlich ausdem Automaten.

Die eingesetzte Vakuum-Technikbeim Destillieren und Trocknen sowiedas seitens des Herstellers geboteneHöchstmaß an Sicherheit sorgen füreinen emissionsfreien und sicherenArbeitsplatz. Dank der SPS-Steuerung,die keine unlogischen Abläufe zulässt,und der ausgefeilten Sicherheits-Tech-nik sind Fehlbedienungen ausge-schlossen. Das ist ganz wichtig, denndie Entfettungs-Anlage steht abseitsdes Fertigungs-Flusses und ist nichtständig im Blick der Werker. Nur wennKörbe mit Reinigungsgut zum Auto-maten gebracht oder von dort wiederabgeholt werden, erfolgt ein direkterKontakt zwischen Mensch und Ma-schine.

Porentief sauber und trocken

Die Körbe mit den Teilen werdenauf eine angetriebene Rollenbahn auf-gelegt und von dort automatisch in dieBehandlungs-Kammer eingeschoben.Diese Kammer ist das Herzstück derAnlage. Nach einer Prüfung auf Dich-tigkeit findet der Reinigungs-Prozessstets unter Vakuum in mehreren Schrit-ten statt. Nach dem Vorwaschen mitReinigungs-Medium aus Tank 1 wird

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... mit dem vollständigen Name „Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie1999/13/EG über die Begrenzung von Emissionen flüchtiger organischer Ver-bindungen“ hat die Fertigungs-Verantwortlichen in der Industrie ganz schön inSchrecken versetzt, denn das seit 1.8.2000 gültige Gesetzeswerk sorgt fürerhebliche Veränderungen in den europäischen Betrieben.

Aber nicht nur diese Verordnung muss beachtet werden beim Bau und Betrei-ben von Anlagen, in denen mit CKW, KW oder modifizierten Alkoholen Teilegereinigt werden soll. Weitere Normen sind bindend für Anlagen mit CE-Zei-chen:

• Verordnung der BRD über die Begrenzung von Emissionen flüchtiger, organischer Verbindungen vom 21.08.2001 (31. BImSchV)

• Europäische Norm EN 1127-1 über die Sicherheit von Maschinen, Unfall-Verhütung, Explosions-Schutz und Brand-Verhütung

• Europäische Norm 1012-2 über die Sicherheit von Vakuum-Pumpen

• Europäische Norm 50014 über Betriebsmittel für explosionsgefährdeteBereiche

• Europäischer Normen-Entwurf prEN 13478 über Brandschutz-Sicherheit von Maschinen

Die SPS, die alle Anforderungendes Kunden berücksichtigt, steuertalle Prozesse des Vakuum-Entfet-tungsautomaten

Der Autor: Norbert Schmidt, freier Fachjournalist;

Kontakt: Pero AG, Königsbrunn, Robert Huber, Tel 08231/6011-0