mehrfachbeschäftigung: ein job ist nicht genugdoku.iab.de/kurzber/2006/kb2206.pdf · 2...
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KurzberichtIn aller Kürze
Autor/in
Aktuelle Analysen aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit
Bundesagentur für Arbeit
Mehrfachbeschäftigung
Ein Job ist nicht genug Immer mehr Menschen gehen in Deutschland mehr als einer Beschäftigung nach – Persönliche Motive und gesetzliche Rahmenbedingungen bestimmen den Trend
Warum üben manche Menschen mehrere Beschäftigungsverhältnisse gleich-zeitig aus? Sind sie postmoderne „Flex-Worker“ auf der Suche nach beruf-licher Erfüllung durch variierende Tätigkeiten? Oder gehorchen sie ökono-mischen Zwängen, weil ein Job den Lebensunterhalt nicht sichert? Handelt es sich vielleicht um freiwilliges „Patchworking“ für zusätzlichen Konsum und Luxus? Die Analyse zeigt ein ambivalentes Bild, das sich im Gefolge von Ar-beitsmarktreformen rasch ändern kann.1
Messbare Mehrfachbeschäf-tigung
Die Gründe dafür, dass manche Menschen mehrere Beschäftigungsverhältnisse gleichzeitig ausüben, sind vielfältig und kaum vollständig zu erfassen.2 Letzten Endes können nur die Betroffenen selbst Auskunft geben. Neben persönlichen Motiven, Zwängen oder Präferenzen hängt Mehrfachbeschäftigung aber auch von gesetzlichen Rahmenbedingungen ab und von Arbeitsmarktlagen wie dem regionalen Angebot an Arbeitsplätzen.
Allgemein bezeichnet Mehrfachbe-schäftigung die Kombination mehrerer Beschäftigungsverhältnisse oder auch verschiedener Erwerbsformen. Das Phä-
no men Mehrfachbeschäftigung kann mithin vielerlei Ausprägungen aufwei-sen. Einige davon sind in der Be schäf tig-tenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) erfasst und somit quantitativen Untersuchungen zugänglich. Anhand dieser Datenbasis können drei Varianten von Mehrfachbeschäftigung identifi ziert werden (vgl. Abbildung 1, Seite 2): Variante I: die Kombination mehrerer sozialversicherungspfl ichtiger Beschäfti-gungsverhältnisse (SVB)�, Variante II: die Kombination mehre-rer geringfügiger Beschäftigungsverhält-nisse (GEB)4 und Variante III: die Kombination sozi-alversicherungspfl ichtiger mit gering-fügigen Beschäftigungsverhältnissen (SVB+GEB).
Leider geben die Daten der BA keinen Auf schluss über Personen, die nicht der Sozialversicherungspfl icht un ter liegen. Offen bleiben muss deshalb, inwieweit beispielsweise auch Beamte und Selb-ständige mehrfachbeschäftigt sind.
Mitte 2004 gingen in Deutschland rund 1,� Millionen Menschen mehr als einer Beschäftigung nach. Die Mehrfach-
Franziska HirschenauerFrank Wießner
Ausgabe Nr. 22 / 6.12.2006
Mitte 2004 gingen in Deutschland rund 1,� Millionen Menschen mehr als einer Beschäftigung nach. Die Mehrfachbeschäftigungsquote be-trug damit 4,7 Prozent.
82 Prozent der Mehrfachbeschäf-tigten übten neben einer sozialversi-cherungspfl ichtigen Hauptbeschäfti-gung eine geringfügige Nebentätig-keit aus. 11 Prozent kombinierten mehrere Mini-Jobs und 7 Prozent hatten mehrere sozialversicherungs-pfl ichtige Beschäftigungen.
Zwischen 2002 und 2004 hat die Mehrfachbeschäftigung deutlich zu-genommen.
Ein wesentlicher Grund dafür lag in der Änderung der gesetzlichen Rah menbedingungen. Seit April 200� können in einem Mini-Job maximal 400 € monatlich steuer- und abga-benfrei hinzu verdient werden, selbst wenn man bereits im Hauptjob sozial-versicherungspfl ichtig be schäf tigt ist.
Die räumliche Verteilung der Mehrfachbeschäftigung spiegelt die regionale Arbeitsmarktlage recht deutlich wider: In Regionen mit vergleichsweise günstiger Beschäf-tigungssituation wird häufi ger mehr-fach gearbeitet.
Noch ist unklar, ob Mehrfachbe-schäftigte freiwillig nach fl exible-ren Erwerbsformen suchen, oder ob sie schlicht der Not gehorchen. Fest steht aber, dass institutionelle Regeln Veränderungen durchaus beschleuni-gen oder auch bremsen können.
Messbare Mehrfachbeschäftigung
1 Der vorliegende Beitrag orientiert sich an einer Veröffentlichung der Autoren im Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland.2 Siehe hierzu grundlegend Hillmann (2003) � Zu den sozialversicherungspfl ichtigen Beschäfti-gungsverhältnissen zählen auch die so genannten Midi-Jobs in der Gleitzone von 401 bis 800 Euro Monatseinkommen.4 Als geringfügige Beschäftigung oder Mini-Jobs werden Beschäftigungsverhältnisse mit bis zu 400 Euro Monatseinkommen bezeichnet.
2 IABKurzbericht Nr. 22/2006
beschäftigungsquote, also der Anteil der Mehrfachbeschäftigten an der Ge-samtheit der 26,� Millionen sozialver-sicherungspfl ichtig und 4,8 Millionen ausschließlich geringfügig Beschäftigten betrug damit 4,7 Prozent.
Die meisten der Mehrfachbeschäf-tigten, nämlich 82 Prozent (1.19�.000 Personen), übten neben einer sozialver-sicherungspfl ichtigen Hauptbeschäfti-gung eine geringfügige Nebentätigkeit aus. 11 Prozent (16�.000 Personen) kombinierten mehrere Mini-Jobs und 7 Prozent (101.000 Personen) hatten mehrere sozialversicherungspfl ichtige Beschäftigungsverhältnisse.�
Zwischen Juni 2000 und Juni 2004 entwickelte sich die Zahl der Mehrfach-beschäftigten unterschiedlich. Bis Mitte
des Zeitraums ging sie von 1.1�6.000 auf 916.000 zurück, was einer Abnah-me um 20,7 Prozent entsprach. In den Folgejahren, vor allem zwischen Juni 200� und Juni 2004, stieg sie wieder an und lag am Ende des Zeitraums mit 1.460.000 um 20,8 Prozent höher als im Ausgangsjahr 2000.
Ähnlich wie die Zahl der Mehrfach-beschäftigten zeigt auch die Quote der Mehrfachbeschäftigten zunächst eine Abnahme – von �,6 Prozent auf 2,9 Prozent – und anschließend eine Zunah-me auf 4,7 Prozent (vgl. Abbildung 2). Bedingt durch die leichten Rückgänge der Bezugsgröße in beiden Zeiträumen fällt die Abnahme der Mehrfachbe-schäftigungsquote etwas niedriger und die Zunahme geringfügig höher aus, als dies bei konstanter Bezugsgröße der Fall gewesen wäre.
Ein wesentlicher Grund für die beachtli-che Zunahme der Mehrfachbeschäfti-gung – insbesondere als geringfügige Tä tig keit in Ergänzung zur sozialversi-cherungspfl ichtigen Hauptbeschäftigung – lag in der Änderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen.
Institutioneller Rahmen
Mit dem Zweiten Gesetz für Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt („Hartz II“) wurde unter anderem die geringfügige Beschäftigung neu gere-gelt. Seit April 200� können in Mini-Jobs monatlich 400 Euro steuerfrei verdient werden – für Arbeitnehmer auch frei von Sozialbeiträgen. Dies gilt auch, wenn der Mini-Job neben einer sozialversi-cherungspfl ichtigen Tätigkeit ausgeübt wird. Die im April 1999 eingeführte Sozialversicherungspfl icht für geringfü-gige Nebentätigkeiten wurde damit nach nur vier Jahren wieder aufgehoben. Bis dahin war eine zusätzliche geringfügige Beschäftigung neben einer sozialversi-cherungspfl ichtigen Hauptbeschäftigung steuerlich und sozialversicherungsrecht-lich wie eine Ausweitung der bereits bestehenden abhängigen Beschäftigung behandelt worden. Seit der Novellierung ist ein solcher Hinzuverdienst aus einem Mini-Job für den Arbeitnehmer wieder brutto gleich netto.6 Speziell diese Va-riante von Mehrfachbeschäftigung hat damit in fi nanzieller Hinsicht deutlich an Attraktivität gewonnen.Neu eingeführt wurden mit der Reform außerdem die so genannten „Midi-Jobs“ mit ermäßigten Sozialversiche-rungsbeiträgen für Arbeitnehmer in der „Gleitzone“ zwischen 400 und 800 Euro Monatseinkommen. Die Midi-Jobs zählen deshalb in der Statistik der BA als sozialversicherungspfl ichtig.Zu den monetären Anreizen sozialver-sicherungsfreier Beschäftigungsver-hältnisse merkt Breiken (1999:20) an, dass „… Entgeltvereinbarungen mit ge-ringfügig beschäftigten Arbeitnehmern regelmäßig auf der Grundlage einer Nettolohnvereinbarung geführt werden.“ Der Vorteil für den Arbeitnehmer ist da-mit evident, insbesondere dann, wenn die soziale Absicherung bereits anderweitig gewährleistet ist. Zugleich entstehen in diesem Fall dem Arbeitgeber geringere Kosten. Um aus einer beitragspfl ichtigen Beschäftigung das gleiche Netto-Entgelt zu erzielen, müsste ja der Bruttolohn dem Arbeitnehmer ansonsten die anfallende Lohnsteuer und seinen Anteil an den Sozialbeiträgen kompensieren. Dies dürfte den gegenwärtig großen Anteil der Kombination SVB+GEB an der Mehrfachbeschäftigung erklären.
� Zur Beschäftigtenstatistik der BA und der hier zugrunde liegenden Defi nition von „Mehrfachbe-schäftigung“ siehe Info-Box auf Seite 6.6 Bei Mini-Jobs – gleich ob sie als alleinige oder zusätzliche Beschäftigung ausgeübt werden – zahlt nur der Arbeitgeber eine pauschale Abgabe. Mit dem Haushaltsbegleitgesetz werden diese Pauschal-abgaben ab dem 01.07.2006 von vormals 2� auf �0 Prozent des Einkommens erhöht. Davon gehen 1� Prozent (vormals 11%) an die gesetzliche Kranken-versicherung und 1� Prozent (vormals 12%) an die gesetzliche Rentenversicherung. Der Rest deckt die Bearbeitungskosten der Minijob-Zentrale, die an die Bundesknappschaft angegliedert ist.
2000 2001 2002 2003 2004
1,21,1
0,9
1,1
1,5
3,6 3,62,9
3,4
4,7
Mehrfach-beschäftigtein Mio.
Mehrfach-beschäfti-gungsquotein %
Mehrfachbeschäftigte und Mehrfachbeschäftigungsquote
- 2000 bis 2004 -
IABQuelle: Beschäftigtenstatistik der BA;eigene Berechnungen
Abbildung 2
Institutioneller Rahmen
ca. 26,5 Mio. geringfügige Beschäftigung
(GEB)ca. 6 Mio.
III
III
Variante I: SVB+SVB (101.000 Personen haben mehrere sozial-versicherungspfl ichtige Beschäftigungsver-hältnisse)
Variante II: GEB+GEB (165.000 Personen kombinieren mehrere geringfügige Beschäftigungen)
Variante III: SVB+GEB (1.193.000 Personen haben neben einem sozialversicherungspfl ichtigen auch einen geringfügen Job)
Sozialversicherungspfl ichtige Beschäftigung (SVB)
Kombinationen von Mehrfach-beschäftigungen im Jahr 2004
Quelle: Beschäftigtenstatistik der BA© IAB
Abbildung 1
II
III
I
IABKurzbericht Nr. 22/2006 �
In einer abgeschwächten Form wirken diese Anreizmechanismen auch bei der gleichzeitigen Ausübung mehrerer geringfügiger Beschäftigungen. Bleibt das gesamte Monatseinkommen unter 400 Euro, so ist es weiterhin nicht steu-er- und beitragspflichtig. Damit sind al-lerdings gewisse Nachteile verbundenen, insbesondere fehlende Ansprüche auf Leistungen aus der Arbeitslosen- oder Rentenversicherung sowie Einschrän-kungen bei Kranken- und Pflegeversi-cherung. Überschreitet das Einkommen aus den kumulierten Mini-Jobs diese Grenze, wird daraus ein Midi-Job, jedoch mit reduzierten Abgaben.
Die am seltensten zu beobachtende Mehrfachbeschäftigungsvariante, die Kombination mehrerer SVB, bietet hinsichtlich der Abgabenlast keine be-sonderen Vorteile. Denn hier müssen sowohl Arbeitgeber als auch Arbeit-nehmer jeweils für alle Beschäftigungs-verhältnisse in vollem Umfang Steuern und Sozialbeiträge entrichten. Doch ist im Gegenzug in dieser Konstellation die soziale Absicherung des Beschäftigten uneingeschränkt gewährleistet. Natür-lich bietet diese Kombination auch die Chance, aus mehreren SVB ein höheres Gesamteinkommen zu erzielen.
Wie verteilt sich Mehrfachbeschäftigung?
Mehr im Süden und im WestenDie räumliche Verteilung der Mehrfach-beschäftigung spiegelt die regionale Arbeitsmarktlage recht deutlich wider: In Baden-Württemberg und Südbayern – also in Regionen mit vergleichsweise günstiger Beschäftigungssituation – wird häufiger mehrfach gearbeitet (vgl. Abbildung 3). Dabei ist vor allem die Kombination SVB+GEB maßgebend. Dort, wo die Lage auf dem Arbeitsmarkt relativ entspannt ist und günstige Relati-
Wie verteilt sich Mehrfachbeschäftigung?
45 - 163,3
30 - 45
15 - 30
0 - 15
-15 - 0
-30 - -15
-47,3 - -30
Bodensee Bodensee
in Prozentin Prozent
Schleswig-Holstein
Nord
Schleswig-HolsteinMitte Schleswig-
Holstein Ost
Schleswig-Holstein
Süd
Schleswig-
Holstein Süd- West
Bremer- haven
Ost-Friesland
Oldenburg
Emsland Osnabrück
Bremen-Umland
Bremen
Hamburg-Umland-Süd
HamburgWestmecklenburg
Südheide
Lüneburg
Altmark
MünsterBielefeld
Hannover
Braun-schweig
Duisburg/ Essen
Düsseldorf
Aachen
Köln
Bonn
Trier
Arnsberg
Mittelrhein-Westerwald
MittleresMecklenburg/
Rostock
Vorpommern
MecklenburgischeSeenplatte
Prignitz-Oberhavel
Uckermark-Barnim
Oderland-Spree
Berlin
Havelland-Fläming
Magdeburg
Dessau
Westsachsen
Lausitz-Spreewald
Oberlausitz-Niederschlesien
Oberes Elbtal/
OsterzgebirgeChemnitz-Erzgebirge
Halle/S.
Mittelthüringen
Ostthüringen
Südwest-sachsen
Süd-thüringen
Main-Rhön
Ober-franken-West
Oberfranken- Ost
Oberpfalz-Nord
Regens-burg
Industrieregion Mittelfranken
Donau-Wald
Landshut
Ingolstadt
München
Südost-oberbayern
OberlandAllgäu
Augsburg
Bodensee-OberschwabenHochrhein-
Boden- see
SüdlicherOberrhein
Schwarzwald-Baar-Heuberg
Mittlerer
Ober-rhein
Stuttgart
Neckar-Alb
Donau-Iller (BW) Donau-
Iller (BY)
Ost-württemberg
FrankenWestmittel- franken
Saar
Westpfalz
Rhein-pfalz
Siegen
Mittelhessen
Rhein-Main
Nordhessen
Ost-hessen
Rhein-hessen- Nahe
StarkenburgWürzburg
UntererNeckar
Bay. Unter-main
Nord-schwarz-
wald
Hildes-heim
GöttingenPaderborn
Nordthüringen
Dort-mund
Bochum/ Hagen
Emscher-Lippe
Schleswig-Holstein
Nord
Schleswig-HolsteinMitte Schleswig-
Holstein Ost
Schleswig-Holstein
Süd
Schleswig-
Holstein Süd- West
Bremer- havenOst-Friesland
Oldenburg
Emsland Osnabrück
Bremen-Umland
Bremen
Hamburg-Umland-
Süd
Hamburg
Westmecklenburg
Südheide
Lüneburg
Altmark
MünsterBielefeld
Hannover
Braun-schweig
Duisburg/ Essen
Düsseldorf
Aachen
Köln
Bonn
Trier
Arnsberg
Mittelrhein-Westerwald
MittleresMecklenburg/
Rostock
Vorpommern
MecklenburgischeSeenplatte
Prignitz-Oberhavel
Uckermark-Barnim
Oderland-Spree
Berlin
Havelland-Fläming
Magdeburg
Dessau
Westsachsen
Lausitz-Spreewald
Oberes Elbtal/
OsterzgebirgeChemnitz-Erzgebirge
Halle/S.
Mittelthüringen
Ostthüringen
Südwest-sachsen
Süd-thüringen
Main-Rhön Ober-franken-West
Oberfranken- Ost
Oberpfalz-Nord
Regens-burg
Industrieregion Mittelfranken
Donau-Wald
Landshut
Ingolstadt
München
Südost-oberbayern
OberlandAllgäu
Augsburg
Bodensee-OberschwabenHochrhein-
Boden- see
SüdlicherOberrhein
Schwarzwald-Baar-Heuberg
Mittlerer
Ober-rhein
Stuttgart
Neckar-Alb
Donau-Iller (BW) Donau-
Iller (BY)
Ost-württemberg
FrankenWestmittel- franken
Saar
Westpfalz
Rhein-pfalz
Siegen
Mittelhessen
Rhein-Main
Nordhessen
Ost-hessen
Rhein-hessen- Nahe
StarkenburgWürzburg
UntererNeckar
Bay. Unter-main
Nord-schwarz-
wald
Hildes-heim
GöttingenPaderborn
Nordthüringen
Dort-mund
Bochum/Hagen
Emscher-Lippe
Oberlausitz-Niederschlesien
© Leibniz-Institut für Länderkunde 2006
Mehrfachbeschäftigte Männer
Autoren: F.Hirschenauer, F.Wießner
25 750 50 100 km
Mehrfachbeschäftigte Frauen
Anzahl der mehrfach-beschäftigten Männerbzw. Frauen
1mm² 800 mehrfach be-schäftigten Männern bzw.Frauen
=̂
2000010000500020001000
492
44544
Veränderung der Anzahlder mehrfachbeschäftig-ten Männer bzw. Frauenseit Juni 2000
Mehrfachbeschäftigungs-quote der Männer bzw.Frauen
7 - 8,5
6 - 7
5 - 6
4 - 5
3 - 4
2 - 3
1,2 - 2
Staatsgrenze
Ländergrenze
Grenze der Raum-ordnungsregion
Männer Frauen
Mehrfachbeschäftigung im Juni 2004 nach Raumordnungsregionen
Die Abbildung wurde freundlicherweise vom Leibniz-Institut für Länderkunde (IFL) zur Verfügung gestellt.
Abbildung 3
4 IABKurzbericht Nr. 22/2006
onen zwischen Angebot und Nachfrage bestehen, gibt es grundsätzlich auch genügend Möglichkeiten, ein Haupt-beschäftigungsverhältnis durch einen Zusatzjob aufzustocken. Mithin könnte ein „Demand-Pull“ des Arbeitsmarktes Personen zu Mehrarbeit motivieren.
Allerdings sind solche Schlussfolge-rungen mit Vorsicht zu genießen, solange keine Individualinformationen zu den Motiven der Mehrfachbeschäftigten vorliegen. Denn auch bei allgemein guter Arbeitsmarktlage können einzelne Beschäftigte auf ein zusätzliches Ein-kommen angewiesen sein, um gut über die Runden zu kommen.
Etwas anders stellt sich die Lage dar, wenn mehrere sozialversicherungs-pflichtige Beschäftigungsverhältnisse oder auch mehrere geringfügige Be-schäftigungen kombiniert werden. Diese Varianten haben in strukturschwächeren Regionen und vor allem im Osten einen vergleichsweise hohen Anteil an der gesamten Mehrfachbeschäftigung.
Angesichts der Arbeitsmarktsituati-on in den Regionen, in denen diese Kombinationen stärker vertreten sind, ist anzunehmen, dass hier vor allem „Push-Faktoren“ wirken: Mehrfachbe-schäftigung wird dann (notgedrungen) angestrebt, wenn ein Arbeitsverhältnis allein den Lebensunterhalt nicht ausrei-chend sichern kann.
Dabei scheint vor allem die Kombination mehrerer Mini-Jobs aus der Not geboren. Denn die Vorteile auf Arbeitnehmerseite (Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit) sind hinfällig, sobald das kumulierte Einkommen aus mehreren geringfügigen Beschäftigungen 400 Euro im Monat übersteigt. In diesem Falle müssen sich die Mehrfachbeschäftigten bei den Kran-kenkassen anmelden und unterliegen der regulären Steuer- und Beitragspflicht oder sie müssen als Midi-Jobber pro-gressive Sozialversicherungsbeiträge entrichten.
Im Zeitverlauf scheinen sich diese groß-räumigen Unterschiede in der Mehrfach-beschäftigung zu verfestigen: Während in Westdeutschland in den letzten Jahren sowohl absolut als auch relativ eine Zunahme der Mehrfachbeschäftigung zu verzeichnen war, hat sie sich in Ost-deutschland insgesamt kaum verändert.
Autoren: F.Hirschenauer, F.Wießner© Leibniz-Institut für Länderkunde 2006
Kombination mehrerer sv Beschäftigungsverhältnisse (SVB)Männer Frauen
Kombination mehrerer geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse (GEB)Männer Frauen
Kombination von sv und geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen (SVB/GEB)Männer Frauen
StaatsgrenzeLändergrenzeGrenze derRaumord-nungsregion
12,5 - 26,810,0 - 12,57,5 - 10,05,0 - 7,53,7 - 5,0
Anzahl der Männer bzw.Frauen mit mehreren svBeschäftigungsverhält-nissen
Anteil an allen Mehr-fachbeschäftigtenin Prozent
1 mm² entspricht 150beschäftigen Männernbzw. Frauen
85,0 - 90,980,0 - 85,075,0 - 80,070,0 - 75,066,1 - 70,0
Anzahl der Männer bzw.Frauen mit sv und ge-ringfügigen Beschäfti-gungsverhältnissen
Anteil an allen Mehr-fachbeschäftigtenin Prozent
1 mm² entspricht 1500beschäftigen Männernbzw. Frauen
20,0 - 26,915,0 - 20,010,0 - 15,05,0 - 10,03,2 - 5,0
Anzahl der Männer bzw.Frauen mit mehrerengeringfügigen Beschäf-tigungsverhältnissen
Anteil an allen Mehr-fachbeschäftigtenin Prozent
1 mm² entspricht 150beschäftigen Männernbzw. Frauen
3085
29
20001000
500200
419620001000
50020077
38081200001000050002000
372
Formen der Mehrfachbeschäftigung im Juni 2004 nach Raumordnungsregionen
Männer Frauen
Männer Frauen
Männer Frauen
Abbildung 4
Die Abbildung wurde freundlicherweise vom Leibniz-Institut für Länderkunde (IFL) zur Verfügung gestellt.
Sozialversicherungspfl. und geringfügige Beschäftigungsverhältnisse (SVB+GEB)
Mehrere geringfügige Beschäftigungsverhältnisse (GEB)
Mehrere sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse (SVB)
IABKurzbericht Nr. 22/2006 �
Nur eine Frauensache?Offenbar ist Mehrfachbeschäftigung eher „Frauensache“. Frauen dominieren nämlich auf diesem Gebiet, sowohl in absoluten Zahlen als auch relativ (vgl. Abbildung 3, Seite 3). Mitte 2004 gin-gen rund 8�2.000 Frauen und 628.000 Männer mehr als einer Beschäftigung nach. Die Mehrfachbeschäftigungsquote betrug damit bei den Frauen �,� Prozent und bei den Männern �,9 Prozent.
Daneben unterscheiden sich auch die Kombinationstypen bei Männern und Frauen (vgl. Abbildung 4). So kombinie-ren mehrfachbeschäftigte Frauen weitaus häufiger als mehrfachbeschäftigte Män-ner mehrere Mini-Jobs (1�,2 % gegenü-ber 6,2 %). Vor allem in den ostdeutschen Regionen spielt diese Variante eine rela-tiv große Rolle. Möglicherweise ist hier – mangels sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze – die Kombination meh-rerer geringfügiger Beschäftigungsver-hältnisse wichtiger für die Sicherung des Lebensunterhaltes.
Männer kombinieren dagegen deutlich seltener mehrere GEB. Bei ihnen do-miniert noch häufiger als bei Frauen die Ergänzung eines „Normalarbeitsverhält-nisses“ mit einem Nebenjob (86,2 % ge-genüber 78,4 %), wobei die Unterschiede in Westdeutschland stärker ausgeprägt sind als im Osten. Die Mehrfachbe-schäftigung wird hier also bevorzugt als Nebenerwerb praktiziert.7
Auch üben Männer etwas häufiger als Frauen mehrere sozialversicherungs-pflichtige Beschäftigungen aus (7,6 % gegenüber 6,4 %). Im Unterschied zu den Männern, die in ihrer Hauptbe-schäftigung meist Vollzeit arbeiten, halten sich bei den Frauen Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigung im Hauptberuf in etwa die Waage.
Dienstleistungen dominierenDer Dienstleistungssektor ist für die Ne-benerwerbstätigkeit noch bedeutsamer als für die Haupterwerbstätigkeit. Der Kombinationstyp SVB+GEB wird in Abbildung 5 dargestellt.
Von den Mehrfachbeschäftigten waren 82 Prozent der Männer und 87 Prozent der Frauen nebenberuflich im Dienst-
leistungssektor tätig. Im Hauptberuf arbeiteten dort �� Prozent der Männer und 84 Prozent der Frauen. Entsprechend klar dominiert die Kombination mehrerer Dienstleistungstätigkeiten. Auch ist es für Personen aus dem Verarbeitenden Gewerbe offenbar einfacher, ihre Haupt-beschäftigung mit einem Nebenjob im Servicebereich zu kombinieren als umge-kehrt. Neben formalen Voraussetzungen könnte vor allem auch die branchen-spezifische Arbeitskräftenachfrage eine Ursache hierfür sein.
Fazit
Eine Bewertung der Mehrfachbeschäf-tigung fällt schwer. Sie liegt irgendwo zwischen den Extremen einer erzwun-genen Kombination mehrerer schlecht bezahlter Jobs und dem freiwilligem „Job Enlargement“. Noch ist unklar, ob das Normalarbeitsverhältnis zunehmend erodiert, weil Arbeitnehmer freiwillig und bewusst nach flexibleren Erwerbs-formen suchen, oder ob sie schlicht der Not gehorchen.
Insofern kann man noch nicht sagen, ob die beobachtete Zunahme der Mehrfach-beschäftigung Ursache oder Folge dieser Entwicklungen ist. In den letzten Jahren fällt der kontinuierliche Rückgang der Erwerbstätigkeit in der Bundesrepublik auf. Ein Ende bzw. eine Umkehr dieses Trends wird erst für das Jahr 2006 erwar-tet.8 Dies beruht jedoch in erster Linie auf einer Zunahme bei Teilzeitarbeit und geringfügiger Beschäftigung, während die Vollzeitbeschäftigung wohl weiterhin rückläufig bleiben wird.
Die individuellen Hintergründe und Mo-tive der Mehrfachbeschäftigung mussten hier zwar unberücksichtigt bleiben. Je-doch ist anzunehmen, dass regionale Ge-gebenheiten und persönliche Merkmale wie Geschlecht, Alter und Qualifikation die Freiheitsgrade innerhalb dieses Spek-trums erheblich beeinflussen. Inwieweit Mehrfachbeschäftigte nur temporäre Er-scheinungen oder Vorboten des Wandels sind, ist heute schwer abzuschätzen. Fest steht aber, dass institutionelle Regeln diese Veränderungen durchaus beschleu-nigen oder auch bremsen können – wie die Neuregelung der Mini-Jobs im Zuge der Hartz-Reformen gezeigt hat.
Ausgangspunkte erneuter Interventionen wären neben fiskalischen Aspekten beispielsweise die Entwicklung der Beitragseinnahmen der Sozialversiche-rungen sowie Fragen der Beitrags- bzw. Leistungsgerechtigkeit. So ist es den Be-schäftigten kaum zu vermitteln, warum einige erst durch Beitragszahlungen lei-stungsberechtigt werden, während andere für die gleichen Versicherungsleistungen nur teilweise Sozialabgaben abzuführen haben. Eine dritte Gruppe erwirbt trotz pauschalierter Arbeitgeberbeiträge sogar keinerlei Ansprüche.
7 Dagegen ist der Zuerwerb, d.h. die Kombination einer Erwerbstätigkeit mit Haushalts- und Fami-lienarbeit, bzw. Schule, Studium oder Ruhestand eine Frauendomäne. Für die vorliegende Analyse ist diese Unterscheidung zumindest quantitativ nicht relevant, da gemäß unserer Definition nur mehrere Beschäftigungsverhältnisse miteinander zu Mehrfachbeschäftigung kombiniert werden. Allerdings können sich daraus in qualitativer Hinsicht, beispielsweise bei der sozialen Absi-cherung oder dem Arbeitnehmerschutz, erhebliche Unterschiede ergeben.8 Vgl. Bach et al. (2006: 2).
Männer Frauen
58,9 23,5
179,7
80,0
249,8477,2
35,6
60,9 Haupttätigkeit im Dienstleistungssektor,Nebentätigkeit im Produzierenden Gewerbe
Haupt- und Nebenjob der Mehrfach-beschäftigten nach Sektoren
Juni 2004, Personen in 1.000
IABQuelle: Beschäftigtenstatistik der BA
Abbildung 5
Haupt- und Nebentätigkeitim Dienstleistungssektor
Haupttätigkeit imProduzierenden GewerbeNebentätigkeit im Dienstleistungssektor
Haupt- und Nebentätigkeitim Produzierenden Gewerbe
Fazit
6 IABKurzbericht Nr. 22/2006
LiteraturApel, Helmut, Friedrich, Werner, Belzer, Volker, Berger, Michael, Eltges, Kai (1999): Geringfügig Beschäftigte nach der Neuregelung des „6�0-DM-Ge-setzes“. Köln/Düsseldorf: ISG.
Bach, Hans-Uwe, Gaggermeier, Chri-stian, Klinger, Sabine, Rothe, Thomas, Spitznagel, Eugen, Wanger, Susanne (2006): Die Konjunktur belebt den Ar-beitsmarkt 2006. IAB-Kurzbericht Nr. 12/2006 vom 26.7.2006.
Bäcker, Gerhard, Koch, Angelika (200�): Mit Mini- und Midi-Jobs aus der Arbeits-losigkeit? In: Sozialer Fortschritt 4/200�, S. 94-102.
Bundesagentur für Arbeit (2004): Mini- und Midijobs in Deutschland. Sonderbe-richt. Nürnberg.
Bundesagentur für Arbeit (2005): Er-werbspersonenpotenzial, Erwerbstä-tigkeit, sozialversicherungspflichtige und geringfügige Beschäftigung. Ent-wicklung und Struktur 2000 – 200�. Nürnberg.
Breiken, Claudia (1999): Die gering-fügige Beschäftigung unter besonderer Berücksichtigung der Mehrfachbeschäf-tigung. Frankfurt: Peter Lang.
Hillmann, Karl-Heinz (2003): Werte-wandel. Würzburg: Carolus.
Hirschenauer, Franziska, Wießner, Frank (2006): Mehrfachbeschäftigung – Last oder Lust. In: Leibniz-Institut für Länderkunde (Hrsg.): Nationalatlas Bundesrepublik Deutschland. Bd. 12: Leben in Deutschland. Heidelberg 2006, S. 70-71.
Rudolph, Helmut (2003): Mini- und Midi-Jobs: Geringfügige Beschäftigung im neuen Outfit. IAB-Kurzbericht Nr. 6/200� vom 2�.�.200�.
Steiner, Viktor, Wrohlich, Katharina (2005): Minijob-Reform: Keine durch-schlagende Wirkung. DIW-Wochenbe-richt Nr. 8/200� vom 2�.2.200�.
IABKurzbericht Nr. 22 / 6.12.2006
Redaktion Ulrich Möller, Elfriede Sonntag
Graphik & Gestaltung Monika Pickel, Elisabeth Strauß Technische Herstellung pms Offsetdruck GmbH, Wendelstein
Rechte Nachdruck – auch auszugsweise – nur mit Genehmigung des IAB gestattet
ISSN 0942-167X
BezugsmöglichkeitIAB-Bestellservice c/o IBRo Versandservice GmbH Kastanienweg 1 18184 Roggentin Fax: 0180 5 00 38 66 e-Mail: [email protected]
IAB im Internet: http://www.iab.de Dort finden Sie unter anderem auch diesen Kurzbericht im Volltext zum Download
Rückfragen zum Inhalt anFranziska Hirschenauer, Tel. 0911/179-3256 Dr. Frank Wießner, Tel. 0911/179-5235 oder e-Mail: [email protected]
Impressum
DatenquelleAls Datenquelle dient die Beschäftigten-Historik (BeH) der Bundesagentur für Arbeit (BA). Diese umfasst sämtliche Jahresmeldungen bzw. Abmeldungen zur Sozialversicherung für sozialversicherungspflichtig oder geringfügig Beschäftigte in der Bundesrepublik.Für die vorliegende Untersuchung wurden aus diesem Datenmaterial stichtagsbezogene Auswertungen für die Jahre 2000 bis 2004 durchgeführt. Verfahrensbedingt liegen für das Jahr 2004 erst ca. 90 bis 95 Prozent der Meldungen vor. Entsprechend ist von einer gewissen Untererfassung der Mehrfachbeschäftigung für 2004 auszugehen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt korrigiert werden kann.
Methodische und technische AnmerkungenInsbesondere „kleine Beschäftigungsverhältnisse“ sind von einer weitaus höheren Dynamik geprägt als reguläre Beschäftigungen in Voll- oder Teilzeit. Um tagesaktuelle Schwankungen oder „Ein-Tages-Beschäftigungen“ auszugleichen, zählt in dieser Auswer-tung als „Mehrfachbeschäftigung“ erst eine Überschneidung von mindestens 7 Tagen.
StichtagDie Auswertung der BeH erfolgte stichtagsbezogen jeweils zum 30. Juni der Jahre 2000 bis 2004.
„Normalarbeitsverhältnis“Das so genannte „Normalarbeitsverhältnis“ ist keine Legaldefinition im engeren Sinne, sondern lediglich eine spezifische Form des institutionellen Arrangements bzw. eine Art Denkkonstrukt in Bezug auf eine bestimmte Organisation von Arbeit, an dem sich jedoch die Gesetzgebung, die Rechtsprechung und mithin auch die Verwaltung durchaus orientieren. Im Allgemeinen versteht man darunter ein abhängiges, sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis, das auf Dauer angelegt ist. Die Arbeitszeiten sind fest geregelt und üblicherweise auf Vollzeit ausgelegt. Das Arbeitsentgelt ist gewöhnlich tarifver-traglich normiert oder zumindest an einschlägige Tarifvereinbarungen angelehnt. Die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers von seinem Arbeitgeber manifestiert sich unter anderem auch in einer unmittelbaren Weisungsgebundenheit hinsichtlich Art, Ort, Zeit und Inhalt der Leistungserbringung, zu der typischerweise der Arbeitgeber die Arbeitsmittel stellt.
Info-Box