metall€¦ · metall 9/2006 5 3die friedrichshafener ig metall bremste den führenden...
TRANSCRIPT
Grundsicherung im AlterWenn die Rente zum Leben nicht mehr reicht
MonatsökonomKoalition würgt Konjunktur ab
Berliner Sozialabbau
September 2006Jahrgang 58D 4713
Nr. 9
D a s M o n a t s m a g a z i n d e r I G M e t a l l
metall
Wen es trifft
red_09_01_Titel_apm.qxp 23.08.2006 10:11 Uhr Seite 1
metall 9/2006
Vier Wochen lang regierte König Fußball. Nicht die Bundesregierung und
die Parteien bestimmten die Nachrichten, sondern das Fußballgeschehen.
Allerdings: Das politische Leben ging weiter. Und die Große Koalition nutz-
te das Fußballfieber, um schnell – ohne großen Aufschrei der
Öffentlichkeit – weitere »Reformen« zu präsentieren. Im Fußball wurde
Neues gewagt – erfolgreich. Im Gegensatz dazu die Große Koalition. Sie
hat nicht den Mut neue Wege zu gehen. Wie immer in den vergangenen
Jahren bedeuten die Pläne der Bundesregierung: Arbeitgeber werden
erheblich entlastet – die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und ihre
Familien kräftig belastet.
Zum Beispiel die Gesundheitsreform: Die Finanzierung der Gesetzlichen
Krankenversicherung soll auf ein Fondsmodell umgestellt werden. Schon
jetzt ist klar: Die Beiträge der Beschäftigten werden höher sein,
als die der Arbeitgeber. Bis zu einem Prozent des Bruttohaushaltseinkom-
mens müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Zukunft zusätz-
lich zahlen. Die Arbeitgeber werden damit endgültig aus der Verantwortung
für eine solidarische Finanzierung des Gesundheitswesens entlassen.
Zum Beispiel die Steuerpolitik: Die bestehende Schieflage zu Lasten
der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird weiter verschärft, wenn
die Pläne der Bundesregierung Gesetz werden. Während die Eckpunkte
zur Unternehmenssteuerreform die Unternehmen jährlich um rund acht
Milliarden Euro entlasten, wird den Beschäftigten wieder kräftig in die Ta-
sche gegriffen: durch den Abbau der Pendlerpauschale und des Sparer-
freibetrags oder durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Damit zeigen
auch die beiden jüngsten Reformschritte: Die Große Koalition setzt die
Umverteilungspolitik der Vorgängerregierungen fort. Den Kleinen wird ge-
nommen, den Großen gegeben.
Was wir zu dieser Politik sagen, liegt auf der Hand: Schluss mit den Ge-
schenken für Arbeitgeber und weiteren Belastungen für Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer. Es muss anders werden. Das geht besser. Wir sa-
gen nicht nur Nein. Wir haben Alternativen: für eine aktive Beschäftigungs-
politik, für mehr öffentliche Investitionen in Infrastruktur und soziale
Dienstleistungen, für eine nachhaltige und sozial gerechte Bürgerversi-
cherung.
Das kommt aber nicht von allein. Darum werden wir gemeinsam mit
Bündnispartnern zu regionalen Demonstrationen gegen die Politik der
Bundesregierung in Berlin, München, Stuttgart, Wiesbaden und Dortmund
am 21. Oktober mobil machen. Jetzt gilt es, in der Gesellschaft und bei den
Parteien für eine andere Politikzu werben – und Druckzu machen. Denn
entschieden ist in Sachen Gesundheitsreform, Unternehmenssteuer und
Rente mit 67 noch nichts.
Das geht besser –aber nicht von allein
Jürgen Peters,Erster Vorsitzenderder IG Metall
»Schluss mit den Geschen-
ken für Arbeitgeber und
weiteren Belastungen für
Arbeitnehmer. Es muss an-
ders werden. Das geht bes-
ser. Wir sagen nicht nur
Nein. Wir haben Alternati-
ven: für eine aktive
Beschäftigungspolitik, für
mehr öffentliche Investitio-
nen in Infrastruktur und
soziale Dienstleistungen,
für eine nachhaltige und
sozial gerechte Bürgerver-
sicherung.«
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Editorial
2
red_09_02_03_apm.qxp 22.08.2006 18:48 Uhr Seite 2
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EditorialJürgen Peters über die
Schwarz-Rote Politik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2
MagazinDie Kampagne hinter der »Bild«-Kampagne. . . . . . . . . . 4Erfolgreicher Widerstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5Von Amtswegen: 60 Stunden-Woche . . . . . . . . . . . . . . . 6Interview mit SAP-Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Titel: Noch mehr Reformen
Warum sich der Kampf gegen Gesundheitsfonds,
Rente mit 67 und Unternehmenssteuer lohnt . . . . . 8
ArbeitsmarktEin-Euro-Jobs verdrängen reguläre Beschäftigung . . . . 12
Serie über MenschenrechteKinder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14
BetriebsreportWie Auto 5000 zur Erfolgsgeschichte wurde . . . . . . . . 15
MitgliederAlle ziehen mit: Metaller werben Metaller . . . . . . . . . . 16
Stahl-TarifrundeEhrgeizige Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
KMUMehr Wachstum durch Innovation . . . . . . . . . . . . . . . 19
PorträtZu Besuch bei Werner Kubitza . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
RatgeberGrundsicherung: Wenn die Rente nicht reicht . . . . . . . 24Welche Rechte haben Azubis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
RätselMonats- und Drei-Monats-Rätsel . . . . . . . . . . . . . . . . 28
MonatsökonomDierk Hirschel über
Konjunktur und Koalition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
RegionalesAus den Bezirken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32Lokales/Karikatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35Impressum/Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
Inhalt
Titelillustration: Silvan Wegmann
metall 9/2006
Mitglieder-Kampagne
Die Kampagne »Ziehen Sie mit!«
läuft auf Hochtouren, noch bis in
den Herbst. Warum es sich lohnt
und Spaß macht, neue Mitglie-
der zu werben, verraten
Metaller in dieser Ausgabe.
Seite 16
Welche Rechte habenAuszubildende?
Müssen Auszubildende das
Auto vom Chef waschen?
Dürfen sie während der Arbeits-
zeit ihr Piercing tragen?
metall weiß die Antworten.
Seite 26
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Mittelstandspolitik
Hinter dem Begriff »Entbürokratisierung« versteckt sich ein
geplanter Angriff auf Mitbestimmung, Kündigungsschutz und
Arbeitszeit. Das lässt sich die IG Metall nicht gefallen. Sie
fordert Innovation und Weiterbildung.
Seite 19
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red_09_02_03_apm.qxp 22.08.2006 18:55 Uhr Seite 3
4 metall 9/2006
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Auf Speth wirkt die »Bild«-Seriewie eine Optimismus-Therapie.»Es kommen immer die gleichenBegriffe wie Wachstum oder In-novation vor.« Ein wenig erin-nert das an die Kampagne »Dubist Deutschland«,die mit positi-ver Stimmung das Land auf Ver-änderung trimmen wollte. Die»wichtigen Bild-Chefs«, Hein-rich von Pierer, Kai-Uwe Rickeund Utz Claassen unterstützenauch den Mitinitiator der Kam-pagne »Partner für Innovation«.So ganz scheint die Botschaft von»Du bist Deutschland« bei ihnennicht angekommen zu sein. Dortheißt es: »Behandle dein Landwie einen guten Freund.Meckerenicht über ihn ...«7
Ausgerechnet im Gespräch mit
dem Freizeit-Blatt »Hörzu« kam
Staatsfinanzwächter Peer
Steinbrück auf die glorreiche
Idee, seinen Mitmenschen den
Urlaub mies zu machen. Statt
ihr Geld in den bayrischen Al-
pen oder an der Costa Brava zu
verprassen, sollten sie es lie-
ber in den Private-Altersvorsor-
ge-Strumpf stecken. Mit Prügel
hatte der Mann ja gerechnet.
Aber dann kam es von allen
Seiten ziemlich knüppeldick
und Steinbrück entschuldigte
sich kleinlaut. Niemand suchte
nach dem Grund für das merk-
würdige Verhalten des Finanz-
ministers. Dabei hätten seine
Kritiker doch nur einmal unter
»Stress-Symptome« nach-
schlagen müssen. Dazu zählen
nämlich neben Konzentrations-
schwäche und Gereiztheit auch
Tagträumerei. Klare Sache: Der
Mann ist einfach urlaubsreif.7
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Eine weitere »Bild«-Aktion
sorgt für Zoff: Leser können
ihre Schnappschüsse veröf-
fentlichen. Gefragt sind Un-
fall-Opfer oder Prominente.
Die 500 Euro, die »Bild« den
Lesern zahlt, sind verglichen
mit den Profi-Honoraren,
Schnäppchen-Preise. Solche
Veröffentlichungen sind hei-
kel, warnt Presseanwalt Mat-
thias Prinz. Nicht nur »Bild«,
sondern auch die Hobby-Foto-
grafen können sich strafbar
machen. Der Grund: Die Ver-
letzung von Persönlichkeits-
rechten. Denn Fotos aus dem
Privatleben dürfen nur veröf-
fentlicht werden, wenn es der
Abgelichtete erlaubt. 7
»Bild«-Leser-Fotos:Spiel mit dem Feuer
Die Botschaft ist immer die selbe:Bürokratie, Arbeitsrecht und So-zialstaat sind schlecht.Unterneh-mensförderung, ein schlankerStaat und ein freier Markt sindgut. Seit ein paar Wochen präsen-tieren die Vorstandschefs undAufsichtsräte deutscher Großun-ternehmen den »Bild«-Leserntäglich ihr einfaches Weltbild. Dafordert der Vorstandschef der Me-tro-Gruppe, Hans-Joachim Kör-ber, mehr Freiheit für die Wirt-schaft. Und während Arend Oet-ker, Chef der Oetker Holding AG(und Botschafter der InitiativeNeue Soziale Marktwirtschaft),einmal mehr den Kündigungs-schutz zum Sündenbock macht,erklärt der »wichtige Chef« desEnergieriesen Eon, Wulf Ber-notat, die Sozialabgaben zum Ar-beitsplatzvernichter.
Deutsche Bank-Chef JosefAckermann und der Vorstands-vorsitzende des Finanzdienstleis-ters AWD Holding AG, CarstenMaschmeyer, singen das hoheLied auf die private Altersvorsor-ge, was vor allen Dingen den eigenen Interessen dienen dürf-te, vermutet Buchautor AlbrechtMüller. Schließlich verdientengerade ihre Unternehmen an derPrivatisierung der Rente.
So viel Unternehmereintrachtauf einem Fleck findet auch Ru-dolf Speth von der Freien Univer-sität Berlin auffällig. Speth hatsich in mehreren Studien mit In-itiativen, wie der Neuen SozialenMarktwirtschaft, beschäftigt.»Das hat schon Kampagnencha-rakter, wenn Vorstandsvorsitzen-de im Tagesabstand in ein unddieselbe Richtung marschieren.«
»Bild«-Chef-Serie
Täglich ein einfaches Weltbild
Kampagne in eigener Sache
Magazin
Pflaume des Monats
»Bild« nennt sie »Deutsch-
lands wichtigste Chefs«, lässt
sie im Tagestakt auf den inneren
Seiten des Blattes aufmar-
schieren und erklären,
»wie unser Land
Spitze bleibt«
Doch hinter der
»Wir-müssen-nur-
die-Ärmel-hoch-
krempeln-und-anpa-
cken-Rhetorik« steckt
oft nichts anderes als
Werbung für die Inter-
essen ihrer eigenen Un-
ternehmen.
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So präsentierte die »Bild«im August den DeutschenBank-Chef Josef Ackermann
Peer Steinbrück
red_09_04_05_magazin_apm.qxp 22.08.2006 19:21 Uhr Seite 4
5metall 9/2006
3Die Friedrichshafener IG Metall
bremste den führenden Wohnmo-
bilhersteller »Hymer« aus. Hymer
(rund 1200 Beschäftigte) hatte die
Beschäftigten gedrängt, jährlich
135 Stunden zusätzlich und um-
sonstzu arbeiten. Außerdem muss-
ten sie sich bereit erklären, die Vo-
lumen ihrer Arbeitszeitkonten ent-
gegen den Bestimmungen des Ta-
rifvertrags auf 200 Stunden zu ver-
doppeln. Dabei fährt Hymer riesige
Gewinne ein. Auf Antrag der IG Me-
tall hat das Ulmer Arbeitsgericht
jetzt die Wohnwagen-Firma ver-
pflichtet, die tarifwidrigen Arbeits-
zeitregelungen zurückzunehmen.
3Bei Daimler-Chrysler gibt es
endlich eine neue Betriebsverein-
barung über gleitende und flexible
Arbeitszeit, für die so lange
gekämpft wurde. Seit 1. Juli ist die
Vereinbarung in Kraft. Bis zum
1. Oktober sollen die Zeitguthaben
auf maximal 75 Stunden abgebaut
sein.
Außenansicht
Witwenrente
Recht auf Existenz
Es gibt kaum ein Thema, das so
emotionsgeladen diskutiert
wird wie Familienpolitik. Kein
Wunder, dass der Vorstoß des
CDU-Rentenexperten Peter
Weiß, die Witwenrenten zu be-
schneiden,
heftige Dis-
kussionen
ausgelöst hat.
Warum eigent-
lich? Frauen-
verbände for-
dern seit lan-
gem die Ab-
schaffung des
Ehegatten-
splittings, weil
es die Einver-
diener-Ehe för-
dert. Auch die Rente für die Ehe-
frau ist ein Relikt der Familien-
ideologie, nach der Frauen
Hausfrauen oder Zuverdienerin-
nen sein sollen. Durch die Be-
günstigung dieser Lebensform
werden alle anderen Lebensfor-
men diskriminiert. Warum sollte
man das nicht abschaffen?
In Schweden gibt es seit 1999
keine Witwenrente mehr.
Schweden geht vom Recht auf
eigenständige Existenzsiche-
rung der Frauen aus und be-
trachtet sie nicht als Anhängsel
eines Ehemanns. Schweden hat
eine Frauenbeschäftigungsquo-
te von über 70 Prozent;
Deutschland von 58 Prozent.
Schweden investiert in Kinder-
betreuung; es hat eine Mindest-
sicherung für alte Menschen. In
Deutschland ist die Armut unter
alten Frauen hoch.
Wenn wir dafür sorgen, dass
jeder Mensch als eigenständi-
ges Wesen betrachtet wird, das
ein Recht auf Existenz aus eige-
ner, sinnvoller Erwerbsarbeit
hat, aus der er/sie entsprechen-
de Rentenansprüche ableiten
kann, dann brauchen wir
zukünftig keine Witwenrente.7
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Gisela Notz, Vorsitzendedes »pro familia«-Bun-desverbands
3Gleiches Recht für alle: Das
Gleichbehandlungsgesetz tritt in
Kraft. Wer sich wegen Alter, Ge-
schlecht oder Hautfarbe diskrimi-
niert fühlt, hat jetzt gute Chancen
zu klagen. Den Arbeitgebern geht
dasGesetzzu weit. Pech. Die IG Me-
tall begrüßt das Gesetz. Jetzt gilt
auch für deutsche Beschäftigte,
was europaweit schon längst
rechtskräftig ist.
3Dacromet-Schrauben mussten
zum 1. Juli ausgetauscht werden.
Schrauben, die beim Automobil-
hersteller Daimler-Chrysler in Un-
tertürkheim benutzt wurden, ste-
hen im Verdacht, Krebs auszulö-
sen. Sie sind mit der Substanz
»Dacromet« beschichtet. Die Ge-
schäftsleitung spielte die Sache
herunter (metall berichtete im Juli
2005). Neue Schrauben sollten erst
von der Entwicklungsabteilung frei-
gegeben werden. Der Betriebsrat
blieb hartnäckig. Nun wurden die
Schrauben doch ausgetauscht.
3Beschäftigungspakt mit Thys-
sen-Krupp Steelgeschlossen. »Wir
haben einen Leuchtturm gesetzt«,
sagt Willi Segerath, Gesamtbe-
triebsratsvorsitzender der Thys-
sen-Krupp Steel AG. Gemeint ist
der Beschäftigungspakt, den die IG
Metall Nordrhein-Westfalen und
der Betriebsrat mit dem Stahlkon-
zern geschlossen haben. Danach
verkürzt sich die Arbeitszeit der
18000 Beschäftigten ab 1. Oktober
um eine Stunde auf 34 Wochen-
stunden. Das macht nicht nur be-
triebsbedingte Kündigungen über-
flüssig. Es werden sogar 500 Ar-
beitsplätze geschaffen, 1000 Aus-
gebildete in ein unbefristetes Be-
schäftigungsverhältnis übernom-
men und 500 Altersteilzeitverträge
zusätzlich abgeschlossen. Der Pakt
gilt bis 30. September 2013. Sieben
Jahre Beschäftigungssicherheit –
das gab’s noch nie. IG Metall-Be-
zirksleiter Detlef Wetzel: »Das ist
ein gewichtiges Signal gegen den
neoliberalen Mainstream.«7
Foto
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Auch in der Urlaubszeit wehrten sich Metallerinnen und Metaller. Hier einige
Beispiele dafür, wo sich der Widerstand gelohnt hat.
Gute Zeiten...
Wo erfolgreich gekämpft wurde
Dacromet-Schrauben stehen im Verdacht, Krebs auszulösen: Dank IG Metall werden sie künftignicht mehr verwendet
Magazin
red_09_04_05_magazin_apm.qxp 22.08.2006 19:21 Uhr Seite 5
6 metall 9/2006
Köpfe
Rolf Becker, Schauspieler und
aktiver Gewerkschafter, gas-
tierte dieses Jahr häufig bei
politischen Aktionen. So be-
suchte Becker mehrfach die
Streikenden
von CNH in
Berlin und un-
terstützte sie
im Kampf um
ihre Arbeits-
plätze. Becker,
ehrenamt-
licher Funktio-
när bei Verdi,
kämpfte auch
beim Streik im
öffentlichen Dienst an vorder-
ster Front. Im September liest
er bei einer Veranstaltung der
IG Metall in Braunschweig.
Seine Lieblingstexte: Brecht,
Tucholski, Fried und das Kom-
munistische Manifest.7
Kong Jun und Li Xintao,Textilar-
beiter aus China, sitzen zwei
und fünf Jahre im Gefängnis. Sie
hatten Proteste gegen die Be-
kleidungsfirma Huamei organi-
siert. Die Konkurs-Firma hatte
sechs Monate keine Löhne mehr
an ihre Beschäftigten gezahlt.
Kong Jun und Li Xintao wurden
wegen »Störung der gesell-
schaftlichen Ordnung« verur-
teilt. Die Internationale Textil-,
Bekleidungs- und Lederarbeiter-
Vereinigung (ITBLAV) fordert ,
sie sofort frei zu lassen.7
Arianna Huffington, Publizistin,
organisiert in den USA Gegenöf-
fentlichkeitvon links. Mit ihrer
Internetseite, www.huffington-
post.com, macht sie Druckauf
die Bush-Admi-
nistration. Pro-
minente ver-
pflichtet die
ehemalige Ko-
lumnistin zu
Gastbeiträgen.
Ein Beispiel, das
Schule machen
könnte.7
Magazin
rend verwies darauf, dass sie seit13 Jahren Vollzeit arbeite. Dochdie Arge blieb hart. Die Muttereines siebenjährigen Sohnesmüsse einmal pro Monat imAmt erscheinen und nachwei-sen, dass sie sich um zusätzlicheEinkünfte bemüht habe.Als Ma-rion Berend einwand, dass siean manchen Tagen auch Über-stunden schiebe und deshalbkaum einen Nebenjob anneh-men könnte, erhielt sie als Ant-
wort: Ihr Chef könne nichts da-gegen haben, wenn sie am Wo-chenende Zeitungen austrage.
Der DGB-Rechtschutz inZwickau hat inzwischen Wider-spruch eingelegt. Für BüroleiterHarald Gerber schießt die Argeübers Ziel hinaus. Marion Be-rend versteht die Behörde nicht.Für ihr niedriges Einkommenkann sie schließlich nichts. »Icharbeite den ganzen Tag undmuss trotzdem betteln.« 7
Marion Berend soll trotz Vollzeitstelle einen Nebenjob annehmen
An Arbeit mangelt es Marion Be-
rend (Name geändert) nicht. Acht
Stunden schuftet sie täglich in
der Produktion. Doch weil ihr Ein-
kommen nicht reicht, um auch ih-
ren arbeitslosen Lebensgefähr-
ten zu ernähren, soll sie abends
oder am Wochenende Zusatzjobs
annehmen. Das meint jedenfalls
die Arge im sächsischen Plauen.
Anfang Mai schickte das Amtder 33-Jährigen eine Eingliede-rungsvereinbarung. Marion Be-
Amt besteht auf Nebenjob
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40 Stunden sind nicht genug
3 Die IG Metall fordert ein um-
fangreiches Unternehmens-
konzept für Fujitsu Siemens.
Verhandelt wird erst, wenn Fu-
jitsu Siemens ein nachhaltiges
Unternehmenskonzept vorlegt.
Das ist das Ergebnis eines
ersten Sondierungsgesprächs
zwischen der Tarifkommission
der IG Metall und Fujitsu Sie-
Schlechte Zeiten...
mens. Das Unternehmen will we-
gen Umsatzeinbruch ein Sparpro-
gramm fahren. Auf Grundlage des
Pforzheimer Abkommens fordert
es für die knapp 3000 Tarifbe-
schäftigten in Deutschland die Ar-
beitszeit von 35 auf 40 Stunden
ohne Lohnausgleich zu verlän-
gern, beziehungsweise tarifliche
Leistungen wie Urlaubs- und Weih-
nachtsgeld zu kürzen. Die Beleg-
schaft soll diese Beiträge im Ge-
genwert von zehn Millionen Euro
über drei Jahre hinweg leisten. Un-
klar ist jedoch, wie die übrigen 90
Millionen Euro Einsparungen er-
bracht werden sollen. Die IG Me-
tall fordert deshalb vom Unterneh-
men ein zukunftsfähiges Konzept,
um die deutschen Standorte zu si-
Die Wirtschaft brummt. Doch nicht alle Menschen profitieren davon. Im
Gegenteil: Politik und manche Arbeitgeber sind unverschämt wie noch nie.
Wo weiter hartnäckiger Widerstand geleistet wird
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red_09_06_07_Magazin_apm.qxp 22.08.2006 19:29 Uhr Seite 6
Magazin
7
Interview mit SAP-Betriebsrat Schick
metall: Bis zur Betriebsratswahl
hattet ihr heftigen Gegenwind.
Schick: Wir haben einige böse E-
Mails aus dem Unternehmen be-
kommen. Glücklicherweise hatte
ich an meinem konkreten Ar-
beitsplatz aber keine Probleme.
Ich habe immer offen gesagt,
dass ich in der IG Metall bin und
betriebliche Mitbestimmung für
das einzig Wahre halte. Nach der
Anspannung der letzten Monate
war ich dann sehr froh, dass un-
sere Liste »Pro Betriebsrat« 8,9
Prozent der Stimmen bekam.
metall: Wie war die Unterstüt-
zung durch die IG Metall?
Schick: Ohne die sachkundige
Beratung der Gewerkschaft
hätten wir das nicht geschafft.
Mit dem Knowhow der Kollegen
von der Verwaltungsstelle
konnten wir formale Fehler ver-
meiden. Durch unseren Gang
vors Arbeitsgericht haben wir
SAP dazu gebracht, den Wider-
stand gegen den Betriebsrat
aufzugeben. Die Zeit war jetzt
einfach reif dafür.
metall 9/2006
metall sprach mit Eberhard Schick, 39, einem der drei Initiatoren, die die Betriebsratswahl beim
Softwarekonzern SAP durchgesetzt haben. Er wurde mit den Mitstreitern Johannes Reich und Ralf
Kronig in das 37 Mitglieder bestehende Gremium gewählt.
metall: Obwohl SAP-Mitgründer
Dietmar Hopp zeitweise sogar ge-
droht hatte, die SAP-Zentrale zu
verlegen.
Schick: Das war die ganz heiße
Phase. Da wurde so getan, als ob
ein Betriebsrat SAP in den Ruin
treiben würde. Gegen solche Zu-
spitzungen haben wir einfach ver-
sucht, weiter sachlich zu argumen-
tieren. Unser erklärtes Ziel war, die
Arbeitnehmervertretung im Auf-
sichtsrat abzulösen, die immer
den Konflikt mit dem Vorstand ge-
scheut hat.
metall: Was hat sich durch die
Wahl bei SAP verändert?
Schick: Die Einstellung zum Be-
triebsrat ist jetzt deutlich ent-
spannter als vor einem Vierteljahr.
Man spürt jetzt bei vielen die Be-
reitschaft, die Arbeit des Betriebs-
rats positiv mitzugestalten. Das ist
der eigentliche Sieg.
metall: Welche Außenwirkung ha-
ben die Vorgänge bei SAP?
Schick: Bei anderen Unternehmen
in der IT-Branche wurde von den
Mitarbeitern sehr aufmerksam
verfolgt, wie das bei uns gelaufen
ist. Wir fänden es gut, wenn ande-
re IT-Firmen auch den Mut auf-
bringen und nachziehen.
metall: Was wollt ihr im Betriebs-
rat als erstes angehen?
Schick: Grundsätzlich geht es dar-
um, die Belange der 11 000 Mitar-
beiter von SAP gut zu vertreten
und die Kollegen über interne Zu-
sammenhänge zu informieren.
Mein Kollege Ralf Kronig vertritt
unsere Liste im geschäftsführen-
den Ausschuss des Betriebsrats.
Ich selbst werde mich im Aus-
schuss »Personelle Einzelmaß-
nahmen« bei Einstellungen, Ver-
setzungen, Eingruppierungen und
Kündigungen für die SAP-Beschäf-
tigten einsetzen.
metall: Wird einer von euch dreien
freigestellt?
Schick: Bei insgesamt 37 Manda-
ten müssen mindestens 13 Be-
triebsräte freigestellt werden. Wir
werden die Freistellungen wohl
auf alle verteilen, so dass sich
chern. »Bei einem Lohnkostenan-
teil von zwei bis drei Prozent sind
die Personalkosten ohnehin ein
denkbar schlechter Ansatz zum
Sparen«, sagte Verhandlungsfüh-
rerin Sibylle Wankel von der Be-
zirksleitung in Bayern. »Wir erwar-
ten in erster Linie innovative Vor-
schläge zur nachhaltigen Verbes-
serung von Prozessen und Struk-
turen.« Erst wenn diese Vorschlä-
ge auf dem Tisch liegen, werde die
Tarifkommission der IG Metall ent-
scheiden, ob sie über tarifliche Ab-
weichungen für Fujitsu Siemens
verhandeln werde.
3 Der Lippstädter Automobilzu-
lieferer Hella – die letzte Firma,
die noch Scheinwerfer in
Deutschland produziert (3,1 Milli-
arden Euro Umsatz) – ist auf
Crashkurs. Das Familienunter-
nehmen will in den nächsten fünf
Jahren fast 1900 seiner gut 11 100
Arbeitsplätze hierzulande ver-
nichten. Auch durch betriebsbe-
dingte Kündigungen. Davon be-
troffen sind drei Standorte: Lipp-
stadt, Paderborn und Wembach
im Schwarzwald. Dort soll außer-
dem die 40-Stunden-Woche wie-
der eingeführt werden. Für alle
sechs Standorte – auch für Bre-
men, Hamm und Recklinghausen
– ist die Kürzung des Urlaubs- und
Weihnachtsgelds im Gespräch.
Außerdem will das Unternehmen
fünf Urlaubstage streichen. Wer
also seinen Job nicht verliert, soll
für die Sanierung des Unterneh-
mens kräftig zahlen. Die IG Metall
hat erstmals eine bundesweite Ta-
rifkommission für Hella gewählt.
Sie organisiert den Widerstand.
Und erarbeitet mit Hilfe des Saar-
brücker Info-Instituts Alternativen
zu den Kahlschlagplänen der Ge-
schäftsführung.
3 Die WTO-Verhandlungen sind
erneut nicht vorangekommen –
was nach Ansicht der IG Metall
nicht schlecht sein muss. Denn
die Absicht der Industrienatio-
nen, den Weltmarkt weiter zu libe-
ralisieren, ist damit in weitere Fer-
ne gerückt. Die IG Metall fürchtet
um Arbeitsplätze in den weniger
entwickelten Ländern, wenn die
reichen Nationen ihre Waren ohne
Zollschranken dort noch preis-
werter absetzen könnten. In ei-
nem Brief an die Bundesregierung
plädiert Jürgen Peters für faire
Zoll- und Einfuhrbedingungen. 7
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»Der Kampf hat sich gelohnt«
Eberhard Schick, 39, einer von dreiMetallern, die die Betriebsratswahlbei SAP durchsetzten
jeder im Normalfall mit rund 30
Prozent seiner Stelle der Betriebs-
ratsarbeit widmen kann.
metall: Und wie ist dein Resümee
nach den Stürmen der vergange-
nen Monate?
Schick: Der Kampf hat sich auf alle
Fälle gelohnt und er ist noch nicht
zu Ende, weil Mitbestimmung kei-
ne einmalige Angelegenheit ist. 7
red_09_06_07_Magazin_apm.qxp 22.08.2006 19:29 Uhr Seite 7
Belastungen für Patienten steigenDie Hauptlast im Gesundheitswesen tragen schon
längst die Versicherten. Während die Kosten vor gut
zehn Jahren noch annähernd je zur Hälfte auf Ar-
beitgeber und Arbeitnehmer verteilt waren, hat sich
das Verhältnis inzwischen deutlich verschoben.
Das geht aus einer Veröffentlichung des Statisti-
schen Bundesamts hervor.
So finanzierten Arbeitgeber 1995 noch rund
40 Prozent der Gesundheitsausgaben. Der Anteil
der privaten Haushalte lag bei 42 Prozent. Im Jahr
2004 zahlten die privaten Haushalte bereits 47 Pro-
zent der Gesundheitskosten. Der Anteil der Arbeit-
geber sank dagegen auf 36 Prozent.
Es trifft
metall 9/2006
Titel
Text:
Fritz Arndt,
Sylvia Koppelberg,
Fabienne Melzer
Illustrationen:
Silvan Wegmann
8
red_9_08_11_Titel_apm.qxp 22.08.2006 19:38 Uhr Seite 8
Von Reformen erschlagenRente, Gesundheit, Unternehmensteuer – die Bundesregierung reißt eine Re-
formbaustelle nach der anderen auf. Auf Arbeitnehmer, Patienten und
Versicherte kommen vor allen Dingen mehr Belastungen zu.
9
Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von
einem großen Durchbruch, als sie nach
durchverhandelter Nacht die Eckpunkte der
Gesundheitsreform präsentierte. Jubel ern-
tete sie dafür nicht. Gewerkschaften und
Patientenvertreter nannten das Paket unso-
zial. Und der Widerstand wächst.
Der Juso-Vorsitzende machte sich keine Illusionen. »Die Gesundheitsreformkommt«, sagt Björn Böhning. Nur das»Wie« steht für ihn noch keineswegs sofest,wie es manche Politiker in der Öffent-lichkeit verkündet hatten. »Ich bin sehrzuversichtlich, dass es noch Änderungengeben wird. Der Widerstand in der Parteiist spürbar«, sagt Böhning.
Der regt sich auch in den Gewerkschaf-ten. Die IG Metall spricht von einem»Rückschritt auf Kosten der Versicher-ten«.Die Last der Finanzierung verschiebesich weiter auf die Arbeitnehmer. Dennder Gesundheitsfonds, Kernstück der Re-form, hat es aus Sicht der Gewerkschaft insich. Aus dem Fonds sollen zukünftig alleKassen einen Betrag pro Versicherten er-halten. Doch die Kassen haben völlig un-terschiedliche Versicherte: reiche und ar-me, gesunde und kranke Versicherte ver-teilen sich ganz unterschiedlich über dieeinzelnen Kassen. Es ist völlig unklar, wiediese Unterschiede ausgeglichen werden.
Experten befürchten, dass sich die Jagdnach gesunden und gut verdienenden Ver-sicherten zwischen den Kassen verschär-fen könnte. Den Verlierern dieses Wettbe-werbs bliebe dann nur, Leistungen zustreichen oder zusätzliche Beiträge vonihren Versicherten zu erheben. ZumindestLetzteres hat die Regierung schon einge-plant. Kommt eine Kasse mit ihrem Anteil
aus dem Fonds nicht aus, kann sie einenzusätzlichen Beitrag, die sogenannte»kleine Kopfpauschale«, von ihren Mit-gliedern erheben. Für SPD-Mann Böhningist die »kleine Kopfpauschale« der Knack-punkt der Reform. Sie wäre der Einstiegins Prämiensystem, der sich nicht mehrumkehren ließe, fürchtet er. Deshalb müs-se die Pauschale auf jeden Fall verhindertwerden.
Zwar will die Regierung den Griff indie Portmonaies der Versicherten be-schränken. Nur fünf Prozent der Kassen-ausgaben sollen mit der »kleinen Kopf-pauschale« bestritten werden.Und sie sollein Prozent des Einkommens nicht über-schreiten. Doch diese Grenzen sind janicht für alle Zeiten in Stein gemeißelt,gibt Rolf Rosenbrock vom Wissenschafts-zentrum Berlin (WZB) zu bedenken.Auch ließe der Fonds eigentlich alles of-fen.»Der Gesetzgeber kann die Steuermit-tel erhöhen oder einseitig Arbeitgeberoder Arbeitnehmer belasten.«
»Unsozial und anachronistisch«
Wenn die Eckpunkte auf ihrem Weg zumGesetzentwurf nicht noch erheblich geän-dert werden, befürchtet Rosenbrock,»könnte eine gesetzliche Krankenversi-cherung mit tendenziell wachsenderKopfpauschale und weiterhin ungelöstenFinanzproblemen schneller kommen alsuns allen lieb sein kann«.
Doch nicht nur das, was in den Eck-punkten drin steht, stößt auf Kritik, son-dern auch das, was nicht drin steht. Sokönnen sich besser verdienende und ge-sunde Menschen weiter aus der Solidarge-meinschaft verabschieden und privat ver-sichern. »Die private Krankenversiche-
Nach der Sommerpause erwartet
die Schwarz-Rote Koalition zwei-
erlei: erstens Arbeit, zweitens
Ärger. Noch in diesem Jahr will
die Regierung mehrere dicke
Reformpakete fertig schnüren.
Die Reformpakete enthalten
Gesetze, die in der Bevölkerung
kaum jemand will: Wie die Rente
mit 67. Jeder weiß, dass kaum
ein Betrieb einen Mitarbeiter
über 60 beschäftigt. Oder die
Gesundheitsreform mit ihren
Zusatzbeiträgen, die Versiche-
rungen wieder mal teurer macht
– für die Versicherten, nicht für
die Arbeitgeber. Oder die Steuer-
reform, die den Unternehmen
neue Milliardengeschenke be-
schert, während die Bürgerinnen
und Bürger durch höhere Mehr-
wertsteuern zur Ader gelassen
werden. Es sind die altbekann-
ten Therapieversuche für die
Wirtschaft und die Sozialsys-
teme. Bisher haben sie noch
keinen der »Patienten« fitter
gemacht.
Aber noch ist es nicht zu spät,
die Diagnosen und Rezepte zu
überdenken und neue, bessere
Reformen zu beschließen. Das
wollen die Gewerkschaften klar
machen: am 21. Oktober, bei den
Aktionstagen in Berlin, Dort-
mund, Wiesbaden, Stuttgart und
München.
die Falschen
metall 9/2006
Titel
Knackpunkt»kleine Kopfpauschale«
red_9_08_11_Titel_apm.qxp 22.08.2006 19:38 Uhr Seite 9
rung ist unsozial«, kritisiert Rosenbrock.Die private Krankenversicherung abzuschaf-fen, würde zwar nicht alle Finanzproblemelösen, aber sie spürbar entschärfen, sagt derExperte. Denn das Gesundheitssystem kran-ke vor allen Dingen an fehlenden Einnah-men. Hohe Arbeitslosigkeit, sinkende Löhneund die Zunahme von Minijobs hätten die
Finanzbasis ausgehöhlt. Den Einnahme-schwund stoppen könne am besten eineBürgerversicherung. Die fordert auch die IGMetall. Ihr Konzept sieht unter anderem vor,alle Erwerbstätigen – also auch Beamte,Selbstständige und Freiberufler – in die ge-setzliche Krankenversicherung einzubezie-hen, Beiträge auf große Kapitaleinkünfte zuerheben und die Einkommensgrenze, bis zuder Krankenversicherungsbeiträge erhobenwerden, anzuheben.
»Wir dürfen mit der nächsten Gesundheitsreform rechnen«
Im Gegensatz zum Prämiensystem lässt sichder Effekt der Bürgerversicherung auch wis-senschaftlich belegen.Würde das System so-fort umgestellt, könnte der Beitragssatz umbis zu zwei Prozentpunkte sinken. Selbst ei-ne schrittweise Einführung bis 2050 würdeden Beitragsanstieg deutlich abbremsen.Dashaben Finanzwissenschaftler der UniversitätAugsburg ausgerechnet.Ganz einfach sei derWeg zur Bürgerversicherung nicht, sagtBernhard Langer vom Lehrstuhl für Finanz-wissenschaften und soziale Sicherung derUniversität Augsburg. »Aber sie hätte einendeutlichen Entlastungseffekt.« Bei einemPrämiensystem sei dagegen nicht klar,wie esdie Krankenversicherung effizienter machenkönne.
Welche Vorteile der Gesundheitsfondsbringen soll, kann Langer nicht erkennen.Seine Nachteile allerdings schon: »Er schafftmehr Bürokratie und macht das System teu-rer.« Auch Rosenbrock ist sicher, dass dieHerausforderungen im Gesundheits-system damit nicht bewältigt würden.Ange-sichts der Regierungspläne fällt ihm einePrognose nicht schwer:»Wir dürfen mit dernächsten Reform rechnen.«7
Titel
da erhöhe eine längere Lebensarbeitszeitnur die Langzeitarbeitslosigkeit Älterer;zweitens würden auch noch Beschäftigte»auf Arbeitsplätzen mit begrenzter Tätig-keitsdauer« verdrängt.
Doch den Merkels und Münteferingsscheinen die Arbeitgeberinteressen wich-tiger zu sein als Expertenmeinungen. »Alserstes muss wieder wirklich bis 65 gear-beitet werden. Danach müssen wir die Le-bensarbeitszeit bis 67 ausdehnen«, sagtJürgen Thumann, Präsident des Bundes-verbands der Deutschen Industrie. Ge-plant ist jetzt,die Rente mit 67 schrittwei-se zwischen 2012 und 2029 einzuführen.Betroffen wären alle Jahrgänge ab 1947und jünger. Im Herbst soll ein Gesetzent-wurf dazu vorliegen.
Mit ihrem Reformplan entfernt sichdie Politik immer weiter von den Bedürf-
Rente mit 67»Richtig hinterhältig«
metall 9/200610
Während Arbeitslose bei den Arbeitsagen-
turen schon mit Mitte 40 als schwer vermit-
telbar gelten und kaum noch Betriebe
Menschen über 60 Jahre beschäftigen, soll
die gesetzliche Rente in Zukunft erst mit 67
beginnen. Viele argwöhnen, dass es dabei
in Wirklichkeit nur um höhere Abschläge bei
der Rente geht.
Als das Bundeskabinett Anfang Juli den »5. Altenbericht« verabschiedete, mussArbeitsminister Müntefering (SPD) vonheftigen Schweißausbrüchen geplagtworden sein. Denn eine zentrale Aussagedes Berichts, von namhaften »Sachver-ständigen« für das Familien- und Sozial-ministerium erstellt, hält die geplanteRente mit 67 schlicht für verfehlt. Erstenssei die Arbeitsmarktlage »bis mindestens2015 angespannt«, analysiert der Bericht,
»Eine gesetzliche Krankenversicherung
mit tendenziell wachsender Kopf-
pauschale und weiterhin ungelösten
Finanzproblemen könnte schneller
kommen als uns allen lieb sein kann.«
red_9_08_11_Titel_apm.qxp 22.08.2006 19:38 Uhr Seite 10
Titel
metall 9/2006
Noch eine Reform: Kombilohn als Einstiegshilfe Um das Volk davon zu überzeugen, dass die Rente mit 67 sinnvoll ist, muss
erst mal Arbeit für Ältere her. Darum wirbt Minister Müntefering für den Kombi-
lohn für Ältere. Doch alle Kombilohnmodelle erwiesen sich bisher als Flop.
Titel
nissen der Menschen. Kein Wunder, dass dieBeschäftigten wütend sind. Joachim Schwa-de, VK-Vorsitzender beim AutozuliefererGKN in Offenbach am Main: »Rente erst ab67? Unsere Leute sind aufgrund der Arbeits-verdichtungen schon mit 60 Jahren kaputt.Und leichtere Arbeiten für Ältere gibt esnicht mehr.« Was also soll da eine längereLebensarbeitszeit? Schwade hat das längstdurchschaut: »Eine Rente ab 67 würde vorallem weniger Geld bedeuten. Richtig hin-terhältig ist das.«
Schon heute fallen die Renten immer wei-ter hinter die Erwerbseinkommen zurück.Dernoch von Rot-Grün erfundene »Nachhaltig-keitsfaktor« hat Rentnerinnen und Rentnerdrei Nullrunden hintereinander beschert.Nach Auffassung aller Fachleute wird das inden nächsten Jahren so weitergehen. Bis zumJahre 2030,schätzt etwa Ingo Nürnberger,Re-ferent für Alterssicherung beim DGB,wird dasNetto-Rentenniveau nur noch 50 Prozent be-tragen.Derzeit sind es noch 70 Prozent.
Wer hält eigentlich noch bis zur regulärenAltersgrenze mit 65 durch? Der durch-schnittliche Rentenbeginn liegt heute bei 63 Jahren. Nur noch 40 Prozent der über 55-Jährigen sind erwerbstätig. Nein, die Arbeitsbedingungen in Deutschland sindnicht alternsgerecht, das belegt auch der»Zweite Europäische Vergleich der Arbeits-bedingungen«.
»Die soziale Ungleichheit im Alterwird sich erhöhen«
Der Vergleich untersucht, welche körperli-chen Anforderungen an Ältere gestellt wer-den und wie angepasst die Arbeitsbedingun-gen sind. Ergebnis: Unter 15 Ländern liegtDeutschland auf dem vorletzten Platz. Nurfür ältere Beschäftigte in Griechenland istdie Arbeit noch härter.
Sicher ist: Auch wenn der gesetzlicheRenteneintritt verschoben werden sollte,werden viele möglichst früh in Rente gehen.Denn jede Stunde, die sie länger arbeitenmüssen, geht auf die Gesundheit. »Die ge-plante Heraufsetzung des Rentenalters wirddie soziale Ungleichheit im Alter erhöhen«,warnt daher das Gelsenkirchener »InstitutArbeit und Technik« (IAT). Da Arbeitsplätze
für Ältere fehlten, müssten die Betroffenenden »Ausweg vorzeitige Altersrente« mit biszu 18 Prozent Abschlägen bezahlen.Anderewürden zu »schwervermittelbaren Lang-zeitarbeitslosen« gemacht oder müssten»unterwertige Beschäftigung mit auf-stockendem Arbeitslosengeld kombinie-ren«. Wer nicht einmal solche Jobs fände,»wird durch Ein-Euro-Jobs zumindest vorü-bergehend aus der Statistik genommen«.
Noch kann dieses Drama verhindert wer-den. Die IG Metall hat Alternativen formu-liert. Sie will:3flexible Ausstiegsmöglichkeiten bis 65Jahre.Verlängerung der Altersteilzeit. Leich-terer, abschlagsfreier Ausstieg nach 40 Versi-cherungsjahren und verbesserte Erwerbs-minderungsrenten.3Selbstständige, Freiberufler, Politiker undkünftige Beamte müssten schrittweise in diegesetzliche Rentenversicherung einbezogenwerden.3Alle Erwerbsarbeiten müssen voll renten-versichert werden.7
11
Ab 2008 sollen Unternehmen in Deutschland fünf bis zehn Milliar-
den Euro weniger Steuern zahlen. Von diesem Milliardengeschenk
verspricht sich die Schwarz-Rote Koalition mehr Investitionen.
Aber für diese Hoffnung gibt es kaum Belege.
Schon 2001 beglückte die damalige Rot-Grüne Koalition die Wirt-
schaft mit Steuersenkungen. In den Jahren danach investierten Be-
triebe in Deutschland jedoch nicht mehr, sondern jedes Jahr weni-
ger. Der Anteil des »Bruttoinlandsprodukts«, also des in Deutsch-
land erwirtschafteten Reichtums, der in neue Maschinen und Indu-
strieanlagen floss, schrumpfte von 21,5 Prozent (im Jahr 2000) auf
18,3 (2002) und weiter bis auf 17,1 Prozent (2005). Ein anderes Argu-
ment, mit dem Politiker niedrigere Unternehmenssteuern begrün-
den, ist, die hohen Steuersätze in Deutschland schreckten Investo-
ren ab. Verglichen mit anderen Ländern sind die Sätze für Kapitalge-
sellschaften in Deutschland auf dem Papier auch hoch. Aber nicht im
wirklichen Leben. Dank Schlupflöcher und legaler Tricks lassen sich
Gewinne kleinrechnen. Was Firmen fleißig nutzen. So zahlen sie
tatsächlich nicht 39, sondern nur 17,4 Prozent. Das ist weniger als der
Durchschnittssatz in der EU, der – osteuropäische Länder eingeschlos-
sen – bei 17,7 Prozent liegt, wie die EU-Kommission errechnet hat.
Es gibt verschiedene Methoden, Gewinne vor dem Finanzamt wegzu-
zaubern. Zum Beispiel eine Holding in einer ausländischen Steueroase
gründen, ihr Eigenkapital übertragen, um anschließend von ihr Geld
zurückzuleihen. So wird aus Eigenkapital Fremdkapital. Vorteil: Die
Zinsen verkleinern den Gewinn und sind überdies in Deutschland steu-
erlich abzugsfähig. Solche Möglichkeiten, Steuern zu umgehen, will
die Regierung zwar eindämmen. Allerdings gibt es dazu bisher nur va-
ge Aussagen: »Vorschläge werden geprüft ...«
Ein gutes Steuersystem muss aus Sicht der IG Metall die Lasten ge-
recht verteilen und dafür sorgen, dass der Staat seine Aufgaben erfül-
len kann. Angesichts der vielen Dinge, die im Argen liegen, etwa in der
Bildung, brauche der Staat nicht weniger, sondern mehr Einnahmen. 7
Für Firmen Spendierhosen statt enggeschnallter GürtelUnternehmenssteuern
red_9_08_11_Titel_apm.qxp 22.08.2006 19:38 Uhr Seite 11
enn Pit Krause überden Hof des früheren
Krupp-Kaltwalzwerksin Hohenlimburg wieselt, fühlt ersich wie ein kleiner Patriarch.»Drüben,die frühere Betriebskran-kenkasse, gehört uns auch, und dasehemalige Casino daneben.«Während Krause den Eingang derehrwürdigen Halle passiert, tau-chen im Halbdunkel Menschen anlangen Werkbänken auf. Rund 120Ein-Euro-Jobber, Männer undFrauen, nehmen ausgediente Fern-seher auseinander und sortierendie Rohstoffe. »Schade, dass sie nur 30 Wo-chenstunden arbeiten dürfen«, sagt Krausemissmutig, »je Stunde schaffen die etwazwei Geräte.« Schüchterne Monteure rund-
Ein-Euro-Jobs, zentraler
Baustein von Hartz IV
und das am häufigsten
genutzte Eingliederungs-
instrument, verdrängen
Hilfs- und Facharbeiter.
Und vermeiden zusätz-
liche Beschäftigung.
Parallel entstehen Einfalls-
tore für Niedrigstlöhne.
12 metall 9/2006
Arbeitsmarkt
Die Billig -Konkurrenz
Ein-Euro-Jobs
Elektroschrott-Recycling durch Ein-Euro-Jobber in Hagen: Einfallstor für Niedriglöhne
Die Tariflöhne
3Die Bundesregierung versucht permanent, Druck auf Tariflöhne auszuüben. Erst die
Ein-Euro-Jobs; jetzt der »Kombilohn« – Mini-Lohnbereiche, die der Staat bezuschusst.
Parallel hat Arbeitsminister Müntefering (SPD) weitere Kürzungen bei Erwerbslosen an-
gekündigt. Sie sollen gezwungen werden, jeden Job für jeden Lohn anzunehmen und
werden damit regulär Beschäftigte verdrängen. Die IG Metall will diese Spirale nach un-
ten verhindern und fordert : Der Kündigungsschutz muss erhalten bleiben, die Regelsät-
ze müssen »armutsfest« gemacht und die Zumutbarkeitsregelungen vor Lohndumping
geschützt werden. Mit einem gesetzlichen Mindestlohn auf dem Niveau des untersten
Tarifentgelts, mindestens aber 7,50 Euro je Stunde, lassen sich Hungerlöhne vermeiden.
Im Visier
um ziehen die Köpfe ein. Krause ist der Chefdes Hagener »Werkhof«, eine Tochter derStadt. Er beschäftigt 70 Menschen fest – plus580 Ein-Euro-Jobber. Der aufstrebende Ver-
ein hat das stillgelegte Walzwerk gekauft.Ein-Euro-Jobber sollen an dem Standort maleinen »Energiepark« betreiben.
Das Recycling alter Elektrogeräte läuftdort heute schon. Den Schrott liefert die Lü-nener Firma Remondi. Sie betreibt für dieHersteller das Recycling und holt die Roh-stoffe nach der Demontage wieder ab. »JeRöhre zahlt Remondi 1,50 Euro«, verrätKrause, »dafür entsteht in der freien Wirt-schaft kein Markt.« Reguläre Jobs, meint erdamit, werden nicht verdrängt.
Mit dieser Meinung steht Krause allein.»Die Verwertung von Elektroschrott, wie sieder Werkhof macht, ist eine Aufgabe, die inder Regel ein Privatunternehmen machensollte«,hatder Hauptgeschäftsführer der Süd-westfälischen Industrie- und Handelskam-mer (SIHK),Hans-Peter Rapp-Frick,kritisiert.
W
red_09_12_13_1eurojobs_apm.qxp 22.08.2006 19:46 Uhr Seite 12
13metall 9/2006
Das Hagener Recycling ist kein Ein-zelfall, wie ein metall vorliegenderUntersuchungsbericht des Bundes-rechnungshofs belegt. Demnachvermittelten die »Argen«, in denenArbeitsagenturen und Kommunenzusammenarbeiten, im vergange-nen Jahr bundesweit knapp630000 Ein-Euro-Jobber. Und»bei fast bei einem Viertel der ge-prüften Maßnahmen lagen die För-derungsvoraussetzungen nichtvor«, bemängeln die Autoren. Malwaren die Jobs nicht im öffentli-chen Interesse, mal nicht »wettbe-werbsneutral«. Bei weiteren 50Prozent der geprüften Fälle hattendie »Argen« nicht einmal Ahnungvon den Job-Inhalten,»so dass auchhier Zweifel an der Förderungs-fähigkeit bestanden«.Nach Angaben des Bundesrech-nungshofs mussten Ein-Euro-Job-ber etwa termingebundene Hilfsar-beiter-Stellen auf dem Bau anneh-men oder notwendige Pflege- undReinigungsarbeiten erledigen. So,warnt die Bundesbehörde, würden»reguläre Arbeitsplätze verdrängt«.Dabei kostet dieses Programm zurStellenvernichtung viel Geld. DemBericht zufolge geben sich die»Argen« recht spendabel undübernehmen sogar Sachkosten für»originäre Aufgaben der Maßnah-meträger«. Im Schnitt kassiertendie Träger – neben 180 Euro »Auf-wandsentschädigung« monatlichje Erwerbslosem – eine »Kosten-pauschale« von über 255 Euro
monatlich. Mancher Geschäftsführer, spottetdie Essener Professorin für Sozial- und Ar-beitsrecht Helga Spindler, habe diese Auf-stockung längst »für den regulären Personal-kostenetat entdeckt«.
Wieder andere Unternehmen nutzen Ein-Euro-Jobber, um »regulär Beschäftigte vonMehrarbeit zu entlasten«, wie etwa der Vor-sitzende der Mitarbeitervertretungen im Be-reich der Deutschen Bischofskonferenz,Günter Däggelmann, beobachtet hat. Auchso werden neue Stellen überflüssig. Mit»Fördern« oder »Brückenbauen«, offiziellerZweck der Ein-Euro-Jobs, hat das alles nichtsmehr zu tun.Was Wunder, dass die Eingliede-rungsquoten bescheiden bleiben. »Caritas«etwa,bundesweit einer der größten Träger,er-mittelte gerade mal eine Quote von 4,6 Pro-zent.
Arbeitsmarkt
Und was geht das die »Festen« an? »Betroffenvon den Wirkungen der Ein-Euro-Jobs sind ge-rade auch die Arbeitsbedingungen, in jenenBranchen,die nichts mit diesen Jobs zu tun ha-ben« warnt die frühere Grünen-Bundestagsab-geordnete Gaby Gottwald. Die ehemalige Ge-schäftsführerin des Qualifizierungsträgers»Abakus« (Hamburg) weiß, wovon siespricht: Infolge der Ein-Euro-Konkurrenzmusste »Abakus« aufgeben, die Qualifizie-rung Langzeitarbeitsloser wurde eingestellt.
Während die Bundesregierung dem Trei-ben tatenlos zuschaut, organisieren Betroffe-ne Gegenwehr. So hat der Marburger »Ar-beitskreis Erwerbslose im DGB« die Evangeli-sche Kirche dabei ertappt, wie sie die er-werbslose Erzieherin Birgit Theis (Namegeändert) als Billig-Jobberin ausnutzen woll-
te.Theis hatte zuvor monatelang in MarburgerKindergärten der Kirche gearbeitet und inihrem Zeugnis nur beste Noten. Als sie sichnach Beendigung des befristeten Beschäfti-gungsverhältnisses für eine feste Stelle be-warb, lehnte die Kirche ab. Dafür gab es einAngebot des Kreisjobcenters für einen Ein-Euro-Job als Erzieherin im evangelischen Kin-dergarten. Erst auf Intervention des DGB-Ar-beitskreises zog das Jobcenter die Offertezurück. In Bremen haben Erwerbslose etli-che »Einsatzstellen« von Ein-Euro-Jobbernmit grellen Plakaten beklebt.»Ein-Euro-Jobssind nicht ›zusätzlich‹«, stand darauf, »son-dern ersetzen reguläre Beschäftigung.«Und: »Ein-Euro-Jobs sollen uns an Nied-riglohn gewöhnen.«7
Fritz Arndt
Foto
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Fra
nk
Ro
gn
er
metall: Verdrängen Ein-Euro-Jobs reguläre?
Angelika Beier: Ja, ich kenne Beispiele bei
der Gebäudereinigung oder bei der Sanie-
rung alter Industrieanlagen im Osten,
natürlich auch bei der Altenpflege oder in
Schulen. In Frankfurt sollte ein Computer-
Fachmann eine EDV-Anlage einer Schule
warten. Alles Arbeiten, die normalerweise
feste Beschäftigte übernehmen.
metall: Nach dem Gesetz ist das doch gar
nicht erlaubt ...
Beier: ... nein, aber viele Betroffene wehren
sich nicht, weil sie 150 Euro brauchen. Das Ar-
beitslosengeld II reicht eben zum Leben kaum
aus, und die Beiräte kontrollieren kaum.
metall: Sind Ein-Euro-Jobs wirklich, wie ge-
plant, Brücken in den ersten Arbeitsmarkt ?
Beier: Höchstens in einzelnen Fällen, wenn
bei einem großen Träger zufällig mal eine
Stelle frei wird. Die suchen sich dann den Ein-
Euro-Jobber aus, der ihnen am besten gefällt.
Aber dafür wären keine Ein-Euro-Jobs nötig,
die machen für mich keinen Sinn.
metall: Viele Erwerbslose wollen
Ein-Euro-Jobs ...
Beier: ... aus der Not heraus und weil ihnen
die Decke auf den Kopf fällt. Natürlich wür-
den sie für die Arbeit lieber richtig bezahlt.
metall sprach mit Angelika Beier, beim DGB Hessen für Arbeits-
marktpolitik zuständig.
»Im Prinzip sind diese Jobs schädlich«
Interview
metall: Also weg mit den Ein-Euro Jobs?
Beier: Zumindest, solang sie obligatorisch
sind. Sie sollen laut Gesetz ja auch nur
nachrangig eingesetzt werden. Aber im
Prinzip sind diese Jobs schädlich, weil sie
reguläre Arbeit ersetzen.
metall: Was wäre die Alternative?
Beier: Sozialversicherungspflichtige, öf-
fentlich geförderte Maßnahmen, die das
Gesetz ja auch vorsieht. Das heißt dort »Ar-
beitsgelegenheiten der Entgeltvariante«.
metall: Für Eingliederungen waren
schon 2005 über sechs Milliarden Euro
vorgesehen ...
Beier: ... aber nur die Hälfte davon wurde
ausgegeben. Offenbar ist es Argen und
Kommunen wichtiger, über Ein-Euro-Jobs
den Niedriglohnbereich auszubauen und
den Druck auf die Löhne zu erhöhen.7
Foto
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GB
red_09_12_13_1eurojobs_apm.qxp 22.08.2006 19:46 Uhr Seite 13
Serie
Vor dreieinhalb Jahren
startete bei Volkswagen
das Projekt Auto 5000 –
mit Chancen und Risiken.
Die Mannschaft hat seit-
dem alle Hürden mit
Bravour gemeistert. Nach
einer erfolgreichen ersten
Tarifrunde bei Auto 5000
laufen jetzt die Vorberei-
tungen zur Produktion
eines kleinen Gelände-
wagens. Aus einem be-
fristeten Projekt ist
Normalbetrieb geworden.
metall 9/2006 14
Die Menschenrechte
In Deutschland lebt jedes zehnte
Kind in »relativer Armut«. Damit
stieg ihre Zahl seit Anfang der 90er
Jahre um knapp drei Prozentpunk-
te an. Nur in sechs der insgesamt
24 OECD-Staaten nahm die Kinder-
armutlauteiner Studie desUN-Kin-
derhilfswerks Unicef noch stärker
zu als in Deutschland.
Arm sein heißt in Deutschlandfür Kinder oft ausgegrenzt sein.Sie bleiben zu Hause, währendihre Mitschüler auf Klassenfahrtfahren.Musikschulen oder Sport-vereine besuchen nur wenigevon ihnen. Oft wohnen sie inVierteln, in denen viele Kinderähnlich leben. Sie bleiben untersich, werden weder zu Hausenoch in ihrem Umfeld gefördert.Und ihre Zahl wächst.
Mehr arme Kinder
Laut Unicef lebten 2005 rund1,5 Millionen deutsche Kinder in»relativer Armut«. Das heißt ihreEltern haben weniger als dieHälfte des Durchschnittseinkom-mens im Monat. In diesem Jahrsind es nachAngaben des Kinder-schutzbunds bereits knapp zweiMillionen. Dabei zeigt der inter-nationale Vergleich: Die Zahl ar-mer Kinder hängt direkt mit derHöhe staatlicher Sozialleistungenzusammen. In Ländern wie denUSA und Italien, die weniger als
In Deutschland ist jedes zehnte Kindarm. Die Zukunft dieser Kinder siehtdüster aus. Denn Bildung hängtin Deutschland von der sozialen Her-kunft ab.
Ein Tag für Kinderrechte und Träume
Vor 60 Jahren gründeten die Vereinten Nationen Unicef, um
Kindern in Not zu helfen. Heute arbeiten für Unicef rund 7000
Mitarbeiter in 160 Ländern der Erde. Seit 1954 richtet Unicef ge-
meinsam mit anderen Organisationen jährlich einen Weltkin-
dertag aus. An diesem Tag sollen sich Kinder auf der ganzen
Welt für ihre Rechte und Träume stark machen. Das Datum hat
jedes Land selbst festgelegt. In Deutschland ist es der 20.Sep-
tember. In vielen Städten organisieren Kinder- und Jugendor-
ganisationen an diesem Tag Feste. www.unicef.de
3Die Serie »Menschenrechte« will dazu beitragen, dass die
Menschenrechte nicht in Vergessenheit geraten.7
Artikel 25 (2)
»(...) Kind(er) haben Anspruch
auf besondere Fürsorge und
Unterstützung.«
fünf Prozent ihres Bruttosozial-produkts für Sozialleistungenausgeben, leben mehr als 15 Pro-zent der Kinder in relativer Ar-mut. Skandinavische Länder wieDänemark geben deutlich mehraus.Mit Erfolg:Bei den Nachbarnim Norden gelten nur drei Pro-zent der Kinder als arm.
Bildungssystem spaltet
Deutschland tut zu wenig bei denSozialleistungen für Kinder, sagtHelga Kuhn, Sprecherin vonUnicef Deutschland. In den poli-tischen Debatten stehen Kindernicht im Mittelpunkt. Sie kom-men oft nur am Rande vor, etwawenn es um den Fortbestand derGesellschaft oder die Berufstätig-keit der Eltern geht. Gerade bei
der Kinderbetreuung dürfe esaber nicht um reine Aufbewah-rung gehen. »Wir brauchenBetreuungs- und Bildungsein-richtungen, die arme Kinderfördern«, sagt sie. Doch stattdie Armutskarrieren zu durch-brechen, verstärkt das Bil-dungssystem sie.Wer in Armutlebt, hat deutlich geringereChancen auf einen guten Ab-schluss, eine Ausbildung undeinen erfolgreichen Berufsstartals Kinder aus höheren sozia-len Schichten. Das sei eine ge-fährliche Entwicklung, sagtHelga Kuhn. »Wer arm auf-wächst, bleibt oft auch als Er-wachsener arm. Das darf diePolitik nicht länger zulassen.«7
Fabienne Melzer
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red_09_14_15_apm.qxp 22.08.2006 19:49 Uhr Seite 14
Produktion des Touran in Wolfsburg: Bei Auto 5000 wird bei hoher Qualität effektivund innovativ gearbeitet.
erste Touran vom Band und wurde ein Ver-kaufsschlager. Heute sind sie eine starkeMannschaft, die stolz auf ihr Produkt ist. DieRendite von Auto 5000 steht im Konzern-vergleich glänzend da. In diesem Jahr mei-sterte die Belegschaft weitere Bewährungs-proben. Im März waren die ersten Betriebs-ratswahlen. »Die Wahlbeteiligung war sehr,sehr hoch«,sagt Betriebsrat Heim.Ebenso dieZustimmung für die Liste der IG Metall: Sielag bei 87 Prozent.
Konfliktreiche Tarifrunde
Nach den Betriebsratswahlen folgte die tarif-politische Feuertaufe mit der ersten Tarifrun-de.Denn die Laufzeit des Projekts näherte sichdem Ende. Nun ging es um die Konditioneneines Dauerbetriebs. Die Beschäftigten hattenberechtigte Einkommensforderungen. Dasssie gute Arbeit leisteten, konnte man an denUnternehmenszahlen ablesen. Umso empör-ter reagierten sie, als die Geschäftsführungper Tarifvertrag den Urlaubsanspruch beiKrankheit kürzen und eine Nullrunde fahrenwollte. Das machte viele Mitarbeiter sauer.»Da wurde vielen richtig bewusst, dass dasein kapitalistisch geführtes Unternehmen istund kein Arbeiterparadies«, sagt AndreasHeim. Die Beschäftigten gingen mit Schma-ckes die Vorbereitungen an: In der Freizeitwurden T-Shirts, Plakate und Buttons gestal-tet.Dann liefen drei Warnstreiks mit hervorra-gender Beteiligung. »Das war der Praxistestfür die Kampffähigkeit der IG Metall-Mitglie-der bei Auto 5000«, sagt VerhandlungsführerHartmut Meine,der Bezirksleiter von Nieder-sachsen. Soviel Einsatz beeindruckte die Ar-beitgeberseite, die stückchenweise ihre For-derungen reduzierte. So waren bald die Ideeeiner Nullrunde und die Urlaubskürzungvom Tisch. Nach fünf schwierigen Verhand-lungsrunden hatte die Belegschaft (Organisa-tionsgrad 93 Prozent) eine dreiprozentigeEntgelterhöhung und einen Rentenbausteinerkämpft. Weitere Samstagsspätschichtenkonnten verhindert werden.
Jetzt laufen die Vorarbeiten, dass ab 2007auch ein kleiner Geländewagen hier gefer-tigt werden kann. Hartmut Meine: »Aus ei-nem befristeten Projekt ist Normalbetriebgeworden.«7
Martina Helmerich
15
Betriebsreport
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metall 9/2006
olkswagenwerk Wolfsburg,Halle 8.Mitarbeiter in gelben T-Shirts und
grauen Arbeitshosen montieren denMinivan Touran. Die Arbeitsabläufe bei Auto5000 sind kurz. Ein bis zwei Minuten – damuss jeder Handgriff sitzen. Auto 5000 istnicht nur die jüngste Fabrik im Volkswagen-verbund. Nirgendwo sonst wird so intensivdaran gearbeitet, Produktionsabläufe zu opti-mieren.Dazu gibt es die sogenannten Lernfa-briken: In verglasten Räumen werden die Be-schäftigten am PC geschult. Ziel: Kompeten-zen entwickeln,um Probleme zu lösen. Inno-vation, Teamarbeit und ständige Qualifizie-rung werden hier ganz groß geschrieben.»Esgeht um die stetige Verbesserung des Arbeits-
prozesses«, erklärt der Vorsitzende des Auto5000-Ausschusses im VW-Betriebsrat,Andre-as Heim.Die Mannschaft von Auto 5000 wur-de vor über drei Jahren per Internetausschrei-bung ausgewählt. Rund 45000 Menschenaus dem ganzen Bundesgebiet bewarben sichum einen der begehrten Jobs. Nach einemsehr differenzierten Auswahlverfahren erhiel-ten zumeist Facharbeiter aus dem Metallfachden Zuschlag.
Sie kamen aus ganz Deutschland nachWolfsburg. Jeder wurde zu Beginn in einermehrmonatigen Schulungsphase auf die An-forderungen der Autoproduktion vorbereitet.2003 standen die Kolleginnen und Kollegenerstmals zusammen am Band. Dann lief der
Mit Schmackesan die Sache ran
Auto 5000 GmbH
V
red_09_14_15_apm.qxp 22.08.2006 19:49 Uhr Seite 15
16
Ulli Hasert, Betriebsrat bei Krupp
Thyssen Presta Steer Tec, Esslingen
Ulli Hasert hat eine Schwäche für große Pro-jekte. Privat heißt das: umbauen. Aus demvor zehn Jahren gekauften Haus soll einTraumhaus werden – ein Vorhaben, für dasman Zeit mitbringen muss. Dabei ist ZeitMangelware für den 42-jährigen Betriebs-ratsvorsitzenden, der sich auch als MetallerGroßes vorgenommen hat: Angestellte fürseine Gewerkschaft werben. Seine Bilanzkann sich sehen lassen: In den letzten Mona-ten kletterte der Organisationsgrad in sei-nem Betrieb von müden zwölf auf stolze 75Prozent. Gut 9o Beschäftigte arbeiten beidem Esslinger Ableger des Weltkonzerns, fastalle sind Ingenieure und hoch qualifizierteTechniker, die an innovativen Lenkungs-systemen für Automobile tüfteln – nicht ge-rade die klassischen Gewerkschaftsmitglie-der. Einem »Verein« treten sie nur bei, wennsie genau wissen, was es ihnen bringt. Eben
IG Metall
Einen sicheren Job, mehr Geld in der Tasche und
gute Arbeitsbedingungen – was will man mehr im
Arbeitsleben? Die IG Metall setzt sich dafür ein, dass
es für ihre Mitglieder so bleibt – oder so wird. Für ihr
Engagement braucht sie Stärke. Und das sind viele
Menschen, die sich gemeinsam mit ihrer Gewerk-
schaft für mehr Sicherheit und Gerechtigkeit ein-
setzen. Deshalb ist das Motto der aktuellen Werbe-
kampagne: »Ziehen Sie mit!« Mitglieder werben ist
eine Aufgabe für alle, die in der IG Metall zu Hause
sind – für diejenigen, die schon Mitglied sind, ge-
nauso wie für Betriebsräte und Vertrauensleute.
Warum nicht heute noch mit der Kollegin oder dem
Kollegen reden, der sich bisher noch nicht für die
Gewerkschaft entscheiden konnte? Gute Argumente
gibt’s genug. Die Redaktion stellt zwei engagierte
Metaller vor, denen die Werbung neuer Mitglieder
eine Herzensangelegenheit ist.
Gabriele Prein
»ZiehenSie mit!«
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Mitglieder
da setzen Hasert und sein Betriebsratsteaman. Und machen klar, was die IG Metall leisten kann – wenn etwa die Firma dieStundenzahl auf 40 setzen, aber nur 35 be-zahlen will.Als es bei Presta Steer Tec genaudarum ging, fand Ulli Hasert plötzlich offe-ne Ohren bei seinen Kollegen. »Ich versu-che, klar zu machen, dass der Arbeitgeberohne die Belegschaft und ihre Kompetenznichts tun kann«, sagt Hasert. Seine Bot-schaft kommt an. Und die Pläne des Kon-zerns sind, wenn nicht vom Tisch, so dochnoch nicht realisiert – noch gilt die 35-Stunden-Woche. Die Geschäftsleitung siehtsich einer Belegschaft gegenüber, die jetztweiß, was sie will und wie sie ihre Rechteverteidigen kann.Für Ulli Hasert,den Mannfür die großen Projekte, geht’s gleich wei-ter: Jetzt gilt es,die neuen Mitglieder zu hal-ten.Aber da ist er Optimist:Die meisten ha-ben verstanden, was es bringt, IG Metall-Mitglied zu sein – auch wenn es einemnicht an der Wiege gesungen wurde.7
Für den monatlichen Beitrag hat die IG Metall ihren Mitgliedern eine Menge zu bieten:
zengefühl braucht undschnell sein muss. Dieersten Tage im neuenLeben als Auszubilden-der – das ist die Zeit, inder Andreas für die Ge-werkschaft punktenkann.Wenn man recht-zeitig mit den jungenLeuten ins Gesprächkommt,ist das Beitritts-formular schnell unter-schrieben. Ist wertvolleZeit verstrichen undder Azubi schon einpaar Wochen in einerAbteilung, in der keinMensch IG Metall-Mit-glied ist,wird die Sacheschwieriger. Aber An-dreas hat beobachtet,dass im letzten Jahr dieStimmung für die IGMetall besser wurde:ein guter Tarifab-schluss, ein Medien-echo,das nicht nur Vor-
urteile transportiert – das Werben ist leich-ter geworden. Andreas Gehres merkt dasauch bei den jungen Leuten, die von derBerufsakademie kommen. Sie sind älter alsder durchschnittliche Azubi und haben inder Regel das Abitur hinter sich.Aber auchfür sie sind Gewerkschaften wieder einThema. Das Interesse an Tarifverträgen,Arbeitsschutz und politischen Fragen istgrößer geworden. In kleinen Gesprächs-runden,zu denen Andreas einlädt,wird eif-rig diskutiert. Andreas kann die jungenLeute allesamt von der IG Metall überzeu-gen – ebenso wie alle Azubis vom letztenHerbst: Sie wurden Mitglied. Aber Ausru-hen gibt’s nicht: Schon stehen die Azubisdes Jahrgangs 2006 auf der Matte.7
Schutz und Sicherheit: Nur IG Metall-Mitglieder haben einen ver-
bindlichen Rechtsanspruch auf tarifvertragliche Leistungen. Auch
bei betrieblichen Konflikten steht die IG Metall an der Seite ihrer Mit-
glieder. Sie bietet finanzielle Unterstützung bei Streik oder Aussper-
rung und gewerkschaftlichen Rechtsschutz bei Problemen im Ar-
beits- und Sozialrecht.
Nähe und Kompetenz: Vertrauensleute, Betriebsräte und die Vertre-
ter der Jugendlichen und Auszubildenden sowie der Schwerbehin-
derten sorgen dafür, dass die IG Metall immer ganz dicht dran ist,
wenn es um die tägliche Arbeit geht. Wenn es Konflikte geben sollte,
sind sie mit ihrem Knowhow zur Stelle.
Vorsorge und Hilfe: Für IG Metall-Mitglieder wurde die Metall-Rente
eingerichtet, ein Gemeinschaftswerk von IG Metall und Gesamtme-
tall – eine ergänzende Altersvorsorge. Im IG Metall-Beitrag auch ent-
halten: eine Freizeit- und Unfallversicherung.
Service und Information: Mit ihren Büros in mehr als 170 Orten ist
die IG Metall überall in Deutschland präsent. Beratung und Service
stehen ganz oben auf ihrem Programm.
Andreas Gehres, Betriebsrat bei
Robert Bosch, Homburg, Saar
24 Jahre und schon Multi-Funktionär:Andreas Gehres ist Betriebsrat, Mitgliedim Ortsvorstand der IG Metall, im Orts-,Bezirks- und Bundesjugendausschuss,außerdem Referent in der Bildungsarbeit.Einen Beruf hat er natürlich auch: Mecha-troniker. Und nebenbei: Lebt er auch mal?»Man ist halt schon viel unterwegs,da fin-det Privatleben kaum statt«, gibt Andreaszu, »aber die Sache macht mir einfach-Riesenspaß.« Noch ist er Single.
Ganz besonderen Spaß macht es ihm,junge Leute für die IG Metall zu gewinnen.Das ist eine Sache, für die man Fingerspit-
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3Vor Ort: Auskunft über die IG Metall
und was sie leistet, geben die Vertrau-
ensleute und Betriebsräte. Oder die
Verwaltungsstellen der IG Metall.
3 Im Internet: www.igmetall.de
Unter www.ziehen-sie-mit.de
finden Kolleginnen und Kollegen, die
noch nicht Mitglied sind, nützliche In-
formationen über die IG Metall. Hier
gibt’s auch einen spannenden Arbeits-
platzcheck: Wie gut sind meine Ar-
beitsbedingungen wirklich? Die kleine
Analyse wird gleich mitgeliefert – und
natürlich der Kontakt zur IG Metall.
Infos
metall 9/2006
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»Das Dach decken, wenndie Sonne scheint«
Ehrgeizige Ziele setzt sich die IG Metall in
der Stahl-Tarifrunde, die gerade angefan-
gen hat. Sieben Prozent mehr Geld. Außer-
dem bessere Perspektiven für junge Leute –
und genauso für die Älteren im Betrieb.
Er läuft durch diedüstere Halle,Schweißperlenauf der Stirn. Erspricht, aber waser sagt, ist kaumzu verstehen. Esist laut und tro-pisch heiß. DieLuft riecht nachSchwefel. Arbeitam Hochofen, ei-nem der beidenÖfen von Thys-sen-Krupp inDuisburg amStandort Schwel-gern. Hier arbei-tet Reinhard Sa-dowski. Seit 33Jahren. Zusam-men mit Kollegenmauert er die vierRinnen aus,durch die das ko-chendheiße, ge-reinigte Roheisen fließt. Er ist 58 Jahre alt.In normalen Betrieben sind Beschäftigte indiesem Alter eine Rarität.Nicht so im Stahl-werk.Hier sind fast 30 Prozent über 50.DasDurchschnittsalter in der Stahlindustrieliegt heute bereits bei 43 Jahren. Und wirdschon bald auf weit über 50 ansteigen,weilkaum mehr eingestellt wird und die gesetz-liche Rente erst ab 67 Jahre gezahlt werdensoll. Dabei sind Stahlwerke alles andere alsJungbrunnen. Die Arbeit ist körperlichanstrengend.Lärm,Hitze,Staub und Wech-selschichten, vor allem Nachtschichten,zehren an der Gesundheit.
Sadowski wirkt jünger und fit. Es ist ihmnicht anzusehen, dass er »Probleme mitden Bronchien« hat und deswegen schoneinmal zur Kur war. Dass »die Gelenkeschmerzen« und »Treppen steigen wehtut«. Und dass er abends oft so kaputt ist,»dass man mich ins Bett tragen kann«.Aberdie Beschwerden sind da.
Aufhören? Kommt für ihn nicht in Frage.Weil er Alleinverdiener ist, drei Kinder hatund die beiden Jüngsten noch studieren.AlsVorarbeiter verdient er rund 38000 Eurobrutto im Jahr. »Jeder Zehn-Euro-Schein ist
für mich wichtig.« Die IG Metall for-
dert für die 93000Stahlwerker in NRW,Niedersachsen, Bre-men und Ost-deutschland mehrals in der letzten Ta-rifrunde: sieben Pro-zent für zwölf Mo-nate. Letztes Mal hat-te sie 6,5 Prozent ge-fordert. Und 3,5Prozent plus 500 Eu-ro Einmalzahlungdurchgesetzt. »DieErwartungen unse-rer Mitglieder sindzu Recht hoch«, sagtIG Metall-Bezirkslei-ter von NRW, DetlefWetzel. »Die Bran-che boomt, die Ge-winne explodieren.«Reinhard Sadowskihat einen Namens-
vetter. Er heißt Robert Sadowsky, ist Stahl-Tarifsekretär der IG Metall, und von ihmkommt der schöne Satz: »Das Dach sollteman decken, wenn die Sonne scheint.«
Darum will die IG Metall jetzt einenzweiten Tarifvertrag abschließen, mit demsie etwas für die Älteren tut und der zu-gleich Jüngeren besser zum Einstieg hilft.Ältere Stahlwerker sollen länger gesund ar-beiten können.Aber sie sollen auch weiter-hin früher ausscheiden können, wenn siedas wollen. Gedacht ist zum Beispiel an al-tersgemischte Teams, in denen die, die aufdie 60 zusteuern, kürzer arbeiten können.Oder daran, dass Arbeiter, deren Tätigkeitbesonders anstrengend ist, als AusgleichFreizeiten erhalten, die sie ansparen kön-nen, um später weniger zu arbeiten. Nie-mand soll sich krank schuften und dann,wie Reinhard Sadowski,mit 58 sagen müs-sen: »Ich mache die 50 Jahre voll.« 7
Sylvia Koppelberg
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Stahl-Tarifrunde
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Foto:go-digitalpro! / Boehme
Politik und Wirtschaft haben den
Mittelstand entdeckt. In nahezu
jeder Sonntagsrede und Fernseh-
Talkshow wird auf die Bedeutung
dieses Wirtschaftsbereichs hin-
gewiesen. Doch was ist der Mit-
telstand? Seinen Ideologen ist es
in den vergangenen Jahren gelun-
gen, dem »Mythos Mittelstand«
neuen Glanz zu verleihen. Mit
Bürokratieabbau will die Bundes-
regierung dem Mittelstand auf die
Beine helfen. Aber ist dies das
richtige Mittel? metall begibt sich
auf die Suche.
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Reinhard Sadowski arbeitet seit mehr als 30Jahren am Hochofen. Er ist 58 Jahre alt.
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Ehemaliger mittelständischer Betrieb mit 300 Beschäftigten: Fehlendes Wachstum im Inland führte zur Schließung
Mittelstand
Fehlende Innovation führt zu Problemen
olfgang Clement, bis 2005Minister für Wirtschaft undArbeit in der rot-grünen
Bundesregierung, zeigte sich wieder als Ma-cher. Nachdem Mittelstandsideologen undandere Wirtschaftslobbyisten lange genug ge-trommelt hatten, stampfte er 2002 eine Ge-setzesinitiative »Pro Mittelstand« aus dem Bo-den. Vorrangiges Ziel seiner Initiative: denMittelstand »von der Zwangsjacke der Büro-
kratie« zu befreien, um damit neue Kräfte fürden wirtschaftlichen Aufschwung inDeutschland zu entfachen.
Die Große Koalition setzt die Politik ihrerVorgängerin weiter fort.Denn: »Bürokratie-kostenabbau ist ein Gratiswachstumspro-gramm, denn weniger Bürokratie kostetnichts«, sagt Clement-Nachfolger MichaelGlos (CSU). Unnötige Bürokratie sei einBremsklotz. Sie koste Zeit sowie Geld und
davon hätten gerade kleine Unternehmennichts zu verschenken.
Dafür hat die Regierung in diesem Jahrmehrere Gesetze zum Bürokratieabbau ver-abschiedet oder beraten. Ziel soll es sein, be-reits bestehende bürokratische Hemmnisseabzubauen und neue Bürokatie für Bürger,Wirtschaft und Behörden zu verhindern.Mit vier Maßnahmen will Schwarz-Rot dasZiel erreichen: mit dem Mittelstandentlas-
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KMU
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Betriebszugehörigkeit anwenden. Befris-tungen ohne sachlichen Grund sollen bis zuvier Jahren möglich werden und das »Ersteinstellungserfordernis« fallen. Ju-gendliche sollen künftig generell bis 23 Uhr
arbeiten dürfen. Die Anrechnung berufli-cher Vorbildung soll abgeschafft und dieÜbernahmeverpflichtung für Auszubilden-denvertreter gestrichen werden. Natürlichgehört zu dem Katalog auch die Freigabe derLadenöffnungszeiten oder weniger Lärm-schutzvorschriften.
Dieses Programm aus der neoliberalenMottenkiste macht die IG Metall nicht mit.Ihre mittelstandspolitische Initiative ist eine
klare Alternative zum Kurs der Bundesregie-rung. »Wir sind auch für den Abbau vonBürokratie.Warum denn nicht,wenn es dennden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmernnützt«, sagt Jürgen Peters. Schließlich arbei-
ten in den kleinen und mittleren Unterneh-men knapp die Hälfte der IG Metall-Mitglie-der. Ihre Arbeits- und Entlohnungsbedin-gungen zu gestalten und ihre betrieblichenInteressenvertretungen zu sichern, ist der IG Metall wichtig. Mit ihrem Engagementwill sie dafür sorgen, dass der KMU-Bereichnicht von der gesellschaftlichen Entwicklungabgekoppelt wird.
Alle Regierungen – ob Rot-Grün oderSchwarz-Rot – oder ob die EU-Kommission:Sie setzen auf weniger Bürokratie, weil ihrAbbau ihrer Meinung nach gleichbedeutendist mit mehr Wachstum.Für die IG Metall einfundamentaler Irrtum. »Gerade für Mittel-ständler, die deutlich stärker als Großunter-nehmen vom Inlandsabsatz abhängen, istdas Wachstum der heimischen WirtschaftÜberlebensfaktor Nummer 1«, meint Wolf-gang Rhode, im IG Metall-Vorstand für die-sen Bereich zuständig. Deshalb kann das er-klärte Ziel, die Wettbewerbsfähigkeit derWirtschaft zu stärken und Innovations- undInvestitionskräfte frei zu setzen, allein durchBürokratieabbau nicht erreicht werden.
Auch die KMU versuchen sich im Wettbe-werb zunehmend durch Druck auf die Löh-ne und Arbeitsbedingungen zu behaupten.
KMU
»Gerade für Mittelständler, die stärker als Großunternehmen vom In-
landsabsatz abhängen ist das Wachstum der heimischen Wirtschaft
Überlebensfaktor Nummer 1.« Wolfgang Rhode
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33,3 Millionen mittelständische Unterneh-
men mit knapp 20 Millionen Beschäftigten.
Das sind 99,7 Prozent aller umsatzsteuer-
pflichtigen Unternehmen.
3Kleinunternehmen sind alle Unternehmen
mit bis zu 49 Beschäftigten und einem Umsatz
von einer Million Euro. Mittelgroße Unterneh-
men haben 50 bis 499 und erreichen einen Um-
satz von einer Million bis 12,5 Millionen Euro.
3 Im Organisationsbereich der IG Metall
sind knapp 4,2 Millionen Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer beschäftigt.
ACHTU
tungsgesetz und einem »Standardkosten-modell« zum einen. Dazu braucht es aberneue Bürokratie: einen Koordinator fürBürokratie und einen Normenkontrollaus-schuss zum andern. Ob diese neue Strukturwirklich effizient arbeitet und nicht selberein »bürokratisches Monstrum« ist, mussman abwarten.
IG Metall-Vorsitzender Jürgen Peters hatZweifel: »Wirtschaft funktioniert nicht soeinfach, wie Herr Glos sagt.« Der Auslöserfür Wachstum sei vielmehr nicht wenigerBürokratie, sondern mehr Wachstum. Des-halb bräuchten kleine und mittlere Unter-nehmen (KMU) eine Stärkung der Binnen-wirtschaft und eine auf den Binnenmarktgerichtete koordinierte Nachfragepolitik.»Weniger Bürokratie ist kein Wachstums-programm zum Nulltarif.«
Vorschläge gegen Arbeitnehmer
Wirtschaftsverbände nutzen die Begriffe Mit-telstandsförderung und Bürokratieabbau vorallem, um einen Angriff auf betriebliche, de-mokratische und soziale Rechte von Arbeit-nehmern zu verschleiern.So hat der Arbeitge-berverband Deutscher Industrie- und Han-delskammertag (DIHKT) unter dem Titel»Weniger Bürokratie, mehr Freiheit« 28 Vor-schläge aufgelistet,wie »insbesondere kleine-re und mittlere Unternehmen von bürokrati-schen Hemmnissen« befreit werden können.Neben der üblichen Jammerei über zu hoheSteuern sind es vor allem die Vorschriften imArbeits- und Sozialrecht, in der Bildung sowieim Arbeits- und Gesundheitsschutz, die ge-schleift werden sollen.
So wollen die Arbeitgebervertreter denRechtsanspruch auf Teilzeitarbeit einschrän-ken, den Kündigungsschutz bis 20 Beschäf-tigte abschaffen und erst ab drei Jahren
Der Mittelstand3erwirtschaftet 40,8 Prozent aller
steuerpflichtigen Umsätze,
3beschäftigt 70,2 Prozent aller Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer,
3bietet rund 82 Prozent aller Ausbil-
dungsplätze an,
3 tätigt 51,5 Prozent der Bruttoinvesti-
tionen aller Unternehmen,
3 trägt mit 48,8 Prozent zur Bruttowert-
schöpfung bei.
*Die Angaben sind aus 2004. Neuere gibt es nicht.
Zeit wird knapp im Mitelstand: Weniger Bürokratie ist kein Wachstum zum Nulltarif
Daten und Fakten*
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Diese »Perversion« des Wettbewerbsgedan-kens schadet nicht nur den betroffenen Be-legschaften. Sie führt zugleich zu wirtschaft-lichen Fehlsteuerungen und zu gesellschaft-lichen Fehlentwicklungen. Die IG Metallfordert deshalb von den politisch Verant-wortlichen, Investitionen zu fördern unddem Lohnsenkungswettbewerb die roteKarte zu zeigen.
Vorrang für die Beschäftigten
Zum Schutz der Beschäftigten und der Sicherung der Arbeitnehmerrechte will dieIG Metall die Wahl gewerkschaftlich organi-sierter Betriebsräte auch in kleineren Betrie-ben vorantreiben. Weil Mitbestimmungauch ein Produktionsfaktor ist. Denn vieletausend Arbeitsplätze gehen verloren, wennMittelständler sich nicht auf neue Marktver-hältnisse einstellen können oder Familien-zwiste eine produktive Weiterführung oderErneuerung von Unternehmen behindern.
In KMU geschehen nach wie vor über-durchschnittlich viele Unfälle. Deshalb for-dert die IG Metall einen modernen Arbeits-und Gesundheitsschutz. Das ist kein »büro-kratisches Hemmnis der Geschäftsentwick-lung«, sondern eine Chance, die Arbeitspro-zesse zu verbessern.
Der Erfolg deutscher Unternehmen liegtinsbesondere in gut qualifizierten und moti-vierten Belegschaften. Auch hier liegt vielesim Argen. Eine Chance, in diesem Bereich einen Schritt nach vorne zu machen, bietetder neue Tarifvertrag, der gerade die Investi-tion in die Weiterbildung der KMU-Beschäf-tigten maßgeschneidert regeln kann.7
Werner Hoffmann
KMU
metall: Die Politik hat den Mittelstand ent-
deckt. Was ist das für ein Gebilde?
Rhode: Hinter dem schillernden Begriff
»Mittelstand« verbergen sich extrem unter-
schiedliche Strukturen und Interessen. Da
gibt es die unterschiedlichsten Betriebs-
größen, Branchengruppen und Unterneh-
mensstrukturen.
metall: Die IG Metall hat eine mittelstands-
politische Initiative aufgelegt. Springt sie
jetzt auch auf diesen Zug?
Rhode: Nein. Zum Mittelstand gehören klei-
ne und mittlere Unternehmen. In Ihnen sind
heute schon 45 Prozent unserer Mitglieder
organisiert. Um die müssen wir uns küm-
mern. Auch die in der IG Metall organisier-
ten Betriebsräte arbeiten überwiegend in
KMU. Deshalb ist Mittelstandspolitik ein
Handlungsfeld der IG Metall.
metall: Wie sieht das Kümmern aus?
Rhode: Wir wollen unsere Präsenz in den
Betrieben des industriellen Mittelstands so-
wie in den kleinen und mittleren Unterneh-
men des industriellen Dienstleistungsbe-
reichs und des Handwerks weiter ausbauen.
metall sprach mit Wolfgang Rhode, im
Vorstand für die kleinen und mittleren
Unternehmen (KMU) zuständig, über den
Mythos Mittelstand
»Wir wollen unsere Präsenz ausbauen«
Interview
Das heißt, wir wollen auch neue Mitglieder
zugewinnen und den Organisationsgrad
erhöhen. Das ist eine anspruchsvolle Aufga-
be, zumal in der Bundesrepublik mehr als 70
Prozent der Beschäftigten in KMU arbeiten.
metall: Was sind die Schwerpunkte der
IG Metall-Initiative?
Rhode: Für uns stehen die Interessen der Be-
schäftigten im Mittelpunkt. Deshalb wollen
wir Innovation fördern und Wettbewerb um
Lohnsenkung unterbinden. Wir wollen die De-
mokratie im Betrieb sichern und voranbrin-
gen. Es fehlt an modernem Gesundheits-
schutz. Auch bei Weiterbildung und Personal-
entwicklung sehen wir große Lücken. Oder
die Tarifpolitik. Wir müssen deutlich machen,
dass auch in der mittelständischen Wirtschaft
Tarifverträge nützliche und wichtige Instru-
mente sind. Es gibt genügend Beispiele von
KMU, wo faire Tarife, gute Arbeit und wirt-
schaftlicher Erfolg bewährte Praxis sind.
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Anzeige
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metall 9/2006
Werner Kubitza, ehe-
maliger Erster Bevoll-
mächtigter der IG Me-
tall in Salzgitter, er-
krankte 1996 an Kehl-
kopfkrebs. Vor vier
Jahren ging der 58-
Jährige in den »Ruhe-
stand«. Seitdem
engagiert er sich im
»Bundesverband der
Kehlkopflosen«. Der
Verband hat rund
20 000 Mitglieder.
Leserbriefe
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künftige Ausbildung ganz ande-re Überlegungen im Raum.Und die Politik weiß das, dennsie tut alles um die noch beste-henden gesetzlichen Schutzme-chanismen auszuhebeln.Friedhelm Pfeiffer, Greifenstein
Globaler Prozessmetall 7-8/2006: Monatsökonom
3Was noch fehlt, ist eine zu-gängliche Analyse gewerk-schaftsnaher Wirtschaftsins-titute über den Sozialabbauder letzten Jahre: Zahlen, diedarstellen, in welchem Um-fang die Reallöhne gedrücktund was der lohnabhängigenBevölkerung genommenwurde. Diese Analyse solltedem Umstand Rechnung tra-gen,dass Sozialabbau ein glo-baler Prozess ist.Uwe Gibbert, Köln
3Man kann das schädliche Wir-ken dieser Leute in der Bundes-republik nicht oft genug anspre-chen. Sie nutzen ihre Popularitätschamlos aus, um gegen unserSozialsystem zu schießen. Mankann daher nur unsere Gewerk-schaftsführer bitten, doch jede
Gelegenheit zu nutzen, für denErhalt unseres Sozialsystems inder Öffentlichkeit zu sprechen.Horst Könnecker, Kiel
3Zunehmend beobachte ich,dass in Reportagen und Boule-vard-Magazinen über faule Ar-beitslose oder betrügerischeHartz-IV-Empfänger berichtetwird, selbstverständlich mit ver-steckter Kamera. Noch nie je-doch sah ich eine Sendung, wiedurch Hartz IV hochverschul-dete Menschen von Behörden-willkür gepeinigt werden. Daspasst offenbar nicht ins Bild der Lobbyisten. Die bisher fürdie INSM ausgegebenen 100Millionen Euro hätte Gesamt-metall besser in Arbeitsplätze in-vestiert. Dann müsste man auchnicht mehr über die schlechteBinnenkonjunktur jammern.
metall 7-8/2006: Titel: Lobbyis-mus in Deutschland
Herausgeber: Jürgen Peters, BertholdHuber, Bertin Eichler
Anschrift: metall-RedaktionWilhelm-Leuschner-Straße 7960329 Frankfurt am MainTelefon 069–66 93-24 45, Fax 0 69–66 93-80-2000E-Mail: [email protected]
Redaktionsleiter: Werner Hoffmann(verantwortlich im Sinne desPresserechts)
Chefin vom Dienst: Susanne Rohmund
Redaktion: Fritz Arndt, Martina Helme-rich, Sylvia Koppelberg, Fabienne Mel-zer, Antonela Pelivan, Gabriele Prein
Gestaltung: Gudrun WichelhausBildredaktion: Michael Schinke
Sekretariat: Birgit Büchner
Internet: www.igmetall.de/metall
Anzeigen: Peter PagelTelefon 061 51–81 27-0,Fax 0 61 51–89 30 98 E-Mail: [email protected]
Vertrieb: Reinhold WeißmannTelefon 069–66 93-22 24, Fax 0 69–66 93-25 38E-Mail: [email protected]
metall erscheint monatlich (zehnMal im Jahr). Für Mitglieder derIG Metall ist der Bezug imBeitrag enthalten.Druck: apm AG,Darmstadt.
Für SehbehinderteAngebot für sehbehinderte und blinde Mitglieder: metall gibt es als Word- oder
pdf-Datei. Bestellung an: [email protected]
metall Das Monatsmagazin der IG Metall
Arbeitslose und Geringverdie-ner kaufen eben sehr selten ei-nen neuen Mercedes.Michael Vogt, Taura
Unter Druck gesetztmetall 7-8/2006: Jeden Tag ein neuer Kampf
3Seit Hartz IV kann ich nichtmehr richtig schlafen. Da wirdmir zum Beispiel die Leistungauf null gekürzt, weil ich angeb-lich meinen Mitwirkungs-pflichten nicht nachgekommenbin.Wir Erwerbslosen sind zumFreiwild geworden und werdenöffentlich und medienwirksamdiffamiert. Wir werden unterDruck gesetzt und gegängelt.Das macht krank.Katharina Wolpert, Bremerhaven
Wissende Politikmetall 7-8/2006: Die Lüge der Arbeitgeber
3Solche Appelle, wie sie FrauMerkel und Kurt Beck an die Wirt-schaft richten, müssen zwangs-läufig zur Lachnummer geratenund sind im Grunde gar nichternst gemeint.Denn es stehen vonSeiten der Wirtschaft im Bezug auf
Impressum
E-Mail: [email protected]
Die Redaktion behält sich vor, Leser-briefe zu kürzen. Leserbriefe können nur bei Angabe der Adresse veröffentlicht werden. Die vollständige metall-Ausgabe stehtauch im Internet.
Lobbyisten nutzen ihrePopularität schamlos aus
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Lobbyisten-Runde im Fernsehen:Schädliches Wirken anprangern
red_09_22_23_apm.qxp 22.08.2006 20:13 Uhr Seite 22
23metall 9/2006
Porträt
Zu Besuch bei
Werner Kubitzametall-Autorin Heide Platen traf ihn in Braunschweig
Metaller Werner Kubitza: »Viele ziehen sich totalzurück und kommunizieren nicht mehr«
Aber er machte weiter, saß wenige Wochenspäter wieder als Erster Bevollmächtigter derIG Metall in seinem Büro in Salzgitter.
Er übte seine Stimme, verbesserte dieAtemtechnik, hielt wieder Reden, erst vor200, dann vor 800 Menschen: »Dann wussteich, jetzt kann ich auch wieder in ein Stahl-werk gehen.« Ohne Kehlkopf zu leben, dashabe »auch seine Vorteile«.Vor Beginn seinerVorträge informiere er die Zuhörer über seinHandicap. Früher habe er oft gegen einen Lärmpegel anreden müssen: »Heute sind siebei mir mucksmäuschenstill. Da kann man eine Stecknadel fallen hören.«
Den Rest regelt das Mikrophon:»Wenn dieBässe raus sind, geht das wunderbar.« Außer-dem habe er gelernt, sich auf das Wesentliche
raunschweig kennt er »wie seineWestentasche«. Den besten Rha-barberkuchen gibt es im Café am
Ufer der Oker. Federnder Schritt voraus,sportliche Wildlederjacke, Jeans. Werner Ku-bitza (58) sieht kerngesund und dynamischaus,er klingt nur ein bisschen sehr heiser.Dasser sichbeim Reden den Finger gegen den Halspresst, fällt gar nicht weiter auf. Werner Ku-bitza reguliert seine Stimme durch den Druckauf den Luftröhrenschnitt wie ein Ventil. Erlebt ohne Kehlkopf. Seine Krankengeschichtebegann 1996. Erst wurde ihm ein Teil derStimmbänder entfernt, dann der ganze Kehl-kopf. Das wäre für manch anderen das Endeder beruflichen Karriere gewesen.Die Opera-tion sei schon »ein Schlag« gewesen, sagt er.
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zu beschränken: »Das ganze Gelaber fällt da-durch weg.«
2002 ist Kubitza in den Ruhestand gegan-gen. Aber nur, um gleich wieder Funktionärzu werden. Er hatte sich mit seiner Krankheitauseinandergesetzt und Leidensgenossen im»Bundesverband der Kehlkopflosen« ken-nengelernt. Und sogleich gründete er eineOrtsgruppe in seiner Heimatstadt Salzgitter,wurde Beisitzer im Bundesvorstand und seitMai ist er dessen Präsident. Zu den Aufgabendes Verbands mit rund 20 000 Mitgliedern inder Bundesrepublik gehören die Beratungenvon Patienten und Angehörigen.Die,»die oh-ne Beistand erst einmal in ein tiefes Loch fal-len«. Kubitza: »Viele ziehen sich leider totalzurück und kommunizieren nicht mehr.«
»Wir waren immer vorn«Der »Bundesverband der Kehlkopflosen«empfiehlt Ärzte und Logopäden, hilft bei An-trägen an die Krankenkassen und Klagen vorSozialgerichten, ergreift aber auch politischeInitiativen zur Verbesserung der Gesetze zumSchutz Behinderter. Das Wissen über und dieAnerkennung von Kehlkopfleiden als Berufs-krankheit sei, sagt Kubitza, »noch völlig un-terentwickelt«.
Werner Kubitza ist ein Macher. Sein Vaterwar ein kleiner Verwaltungsangestellter, dieMutter Hausfrau.Die Eltern waren »sehr sozi-al geprägt«, aber als Flüchtlinge aus Schlesien»eher aus der katholischen Ecke«. Er lerntebei der Siemens AG in Braunschweig Maschi-nenschlosser und engagierte sich schon alsAzubi in der IG Metall, wurde mit 21 JahrenBetriebsrat.Nebenbei lernte er an Abend- undVolkshochschule, studierte dann in HamburgWirtschaft und Politik. Für die Förderungdurch die Hans-Böckler-Stiftung ist er nochheute dankbar. Sofort nach dem Studium hol-te die Gewerkschaft den Diplom-Betriebswirtals Leiter einer neu aufgebauten Wirtschafts-abteilung. Eigentlich habe er sich das erst garnicht zugetraut: »Aber ich wurde gleich inskalte Wasser geworfen. Und das war gut so.«1981 wurde er Sekretär der IG Metall Salzgit-ter und war dort zwölf Jahre lang Erster Be-vollmächtigter.Auf die kämpferischen Metal-ler in seiner Region ist er noch immer stolz,erinnert sich begeistert an Arbeitskämpfe»zusammen mit dem heutigen VorsitzendenPeters«. Kubitza: »Wir waren immer vorn.Das hat sich bis heute gehalten.«7
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2424 metall 9/2006
Im Alter würdevoll leben
Grundsicherung
Viele Rentnerinnen und Rentner können trotz eines langen Erwerbslebens
nicht von ihrem Geld leben. Was sie oft nicht wissen: Sie haben einen Anspruch
auf die so genannte Grundsicherung im Alter.
davon betroffen. Das bemerkte auch der Ge-setzgeber: 2003 wurde die so genannteGrundsicherung im Alter, eine Art Sozialhilfefür ältere Menschen, eingeführt. Kein Wun-der, denn die Zahlen sprechen für sich. Be-reits im Oktober vergangenen Jahres melde-te das Statistische Bundesamt: »Es gibt im-mer mehr Empfänger von Grundsicherung
mmer mehr alte Menschen leben in Ar-mut. Der Grund: Die Rente reicht nichtmehr zum Leben. Die Folge der verfehl-
ten Beschäftigungspolitik der vergangenenJahre: Altersarmut. Einst gab es das Phäno-men »Altersarmut« vor allem in den USA.Jetzt sind auch im wohlhabenden Deutsch-land immer mehr Rentnerinnen und Rentner
I im Alter.« 2004, ein Jahr nach der Ein-führung der Grundsicherung, erhielten be-reits mehr als eine halbe Million ältere Men-schen das Geld vom Staat. Nicht nur die An-zahl derer, die zumindest die Statistik erfasst,lässt aufhorchen. Auch die Zunahme ist alar-mierend: Im Jahr 2004 lebten bereits 20 Prozent mehr Rentnerinnen und Rentner
Illustration: Dream Stock
Ratgeber
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25metall 9/2006
unterhalb der Armutsgrenze. Diese Zahlenbilden jedoch nur einen Teil der Wirklichkeitab. Denn: Viele Menschen nehmen ihre So-zialhilfeansprüche gar nicht wahr. Die Grün-de dafür liegen auf der Hand: Scham. Un-kenntnis. Aber vor allem auch die Angst, derStaat könnte womöglich die Angehörigen zurKasse bitten. Stattdessen leben viele Rentne-rinnen und Rentner in »verschämter Armut«,wie es im Behörden-Deutsch heißt.
Tendenz steigend.Das wissen auch die Se-nioren der IG Metall. Mitte Mai gingen des-halb rund 600 von ihnen in Düsseldorf aufdie Straße. »Gegen Rentenkürzung und Al-tersarmut« lautete der Slogan ihrer Pro-testaktion. Für den Herbst sind weitere Ak-tionen geplant,mit denen die IG Metall- undVerdi-Senioren gegen anhaltende Kürzun-gen von Rente und Sozialleistungen de-monstrieren wollen.
Der entscheidende Unterschied
Damit Bedürftigen ein Leben in Armut er-spart bleibt, raten die IG Metall-Senioren,bei einem monatlichen Einkommen unter700 Euro zu prüfen, ob ein Anspruch aufGrundsicherung besteht. Während die So-zialhilfe eine Leistung ist, die Menschen ineiner vorübergehenden schwierigen Le-benssituation unterstützt, greift die Grund-sicherung langfristig. Der entscheidendeUnterschied zwischen Sozialhilfe undGrundsicherung ist, dass Kinder oder Elternnicht unterhaltspflichtig sind, wenn das Jah-reseinkommen unter 100 000 Euro liegt.
Die Voraussetzungen
Anspruch haben Personen, die aufgrund ih-res Alters oder dauerhafter Erwerbsminde-rung nicht mehr arbeiten können und kein
Einkommen haben, von dem sie leben kön-nen. Altersrentner müssen das 65. Lebens-jahr vollendet haben. Junge Menschen, dieaus medizinischen Gründen voll erwerbsge-mindert sind, müssen mindestens 18 Jahrealt sein.
Wofür und wie viel?
Mit der Grundsicherung sollen die Kostendes notwendigen Lebensunterhalts, für Un-terkunft und Heizung sowie Kranken- undPflegeversichungsbeiträge abgedeckt wer-den.Wer wegen seiner persönlichen Lebens-umstände höhere Kosten hat, dem wird einso genannter Mehrbedarf gezahlt. Weil dieGrundsicherung eine bedarfsorientierteLeistung ist, wird von den Sozialämtern ge-prüft, ob die monatlichen Kosten höhersind, als Einkommen und Vermögen.Vor al-lem wird geprüft, ob sie »angemessen«sind. Bei einer Unterkunft werden dietatsächlich entstandenen, angemessenenKosten für beispielsweise Miete, Neben-kosten und Heizung berücksichtigt. Wer in einem Alters- oder Pflegeheim lebt, be-kommt die Kosten einer Warmmiete einesEin-Personen-Haushalts berücksichtigt. EinWohnungspreis, der sich nach dem örtli-chen Mietspiegel richtet, gilt als angemes-sen. Ebenso die Beiträge in die gesetzlichenKranken- und Pflegeversicherung. Eine private Krankenversicherung wird nichtautomatisch übernommen, hier wird erstdie Beitragshöhe geprüft.
Den Mehrbedarf gibt es zum Beispielauch für gehbehinderte Menschen, die inihrem Schwerbehindertenausweis dasMerkzeichen G oder aG eingetragen haben.Sie bekommen pauschal 17 Prozent mehrvon ihrem Regelsatz gezahlt. Zusätzliche
Leistungen erhalten aber auch werdendeMütter nach der zwölften Schwangerschafts-woche, Alleinerziehende und behinderteMenschen mit Eingliederungshilfe oder Per-sonen, die sich wegen ihrer Gesundheit teuerernähren müssen.
Hilfe für besondere Lebenslagen wird ge-zahlt, wenn sich jemand in einer sozialenNotlage befindet.Zum Beispiel,wenn wegenMietschulden die Obdachlosigkeit droht.
Der Eckregelsatz
Die Höhe der Grundsicherung richtet sichnach den Eckwerten der Sozialhilfe. Zur Zeitbewegen sich die Regelsätze für Alleinste-hende je nach Bundesland zwischen 331und 345 Euro.Haushaltsangehörige bekom-men 80 Prozent vom Regelsatz gezahlt.
Bei Verheirateten hängt die Höhe der Leistung vom Vermögen und Einkommen desEhepartners ab,was auch für eheähnliche Ge-meinschaften und gleichgeschlechtlicheLebenspartner gilt. Darum wird auch für denPartner ein persönlicher Bedarf festgelegt undmit den vorhandenen finanziellen Mitteln ge-gengerechnet. Was übrig bleibt, wird beimAntragsteller berücksichtigt.
Der Antrag
Anträge werden beim örtlich zuständigenSozialamt, Bereich Grundsicherung, gestellt.Wenn sämtliche Kosten des Antragstellersangemessen und geringer sind als das Ein-kommen, wird die Differenz als Grundsiche-rungsleistung gezahlt. Die Leistungszah-lungen beginnen mit dem ersten Tag desMonats, in dem der Antrag gestellt wurde undwerden für ein Jahr gezahlt. Danach muss einneuer Antrag gestellt werden.7
Antonela Pelivan
Ratgeber
Zum Einkommen gehören
3Erwerbseinkommen
(auch aus Nebenjobs)
3Renten und Pensionen
(auch aus dem Ausland)
3Unterhalt des getrennt lebenden oder
geschiedenen Ehegatten
3Kindergeld
3Krankengeld
3Miet- und Pachteinnahmen
3Zinsen und sonstige Einkünfte aus
Kapitalvermögen.
Zum Vermögen gehören
3Haus- und Grundvermögen
3Bargeld, Sparguthaben, Wertpapiere sowie
Rückkaufswerte von Lebensversicherungen
3PKW
Kleinere Barbeträge fallen unter das so ge-
nannte Schonvermögen. Schonvermögen für
Alleinstehende: 2600 Euro; für Verheiratete
oder eheähnliche Partnerschaften: insgesamt
3214 Euro; für weitere unterhaltspflichte Per-
sonen im Haushalt erhöht sich der Betrag um
256 Euro pro Person.
Beratung, Information, Hilfe
Fragen beantworten die Rentenversiche-
rungsträger, das Sozialamt oder die Versi-
cherungsämter der Stadt- und Landkreise
vor Ort. Die Versichertenältesten geben nicht
nur Auskunft, sondern helfen auch, die An-
träge auszufüllen.
KostenlosesService-Telefon der Deutschen
Rentenversicherung: 0800-1000 4800.
Formulare oder Broschüren sowie Adressen
der Versichertenältesten gibt es auch unter:
3www.deutsche-rentenversicherung.de
Was ist Einkommen und Vermögen
red_09_24_25_ratgeber_apm.qxp 22.08.2006 20:16 Uhr Seite 25
Recht so
26 metall 9/2006
Jurist Carsten Schuld vom
DGB-Rechtsschutz
beantwortet hier jeden
Monat Fragen
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§metall: Das Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)
gilt bereits seit 2001. Dennoch gibt es immer
wieder Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und
Arbeitnehmern, die in Teilzeit arbeiten möchten.
Wie sieht die Rechtslage aus?
Carsten Schuld: Arbeitnehmer,
die in einem Unternehmen mit
mehr als 15 Mitarbeitern arbei-
ten, können nach sechsmonati-
ger Beschäftigung einen Antrag
auf Teilzeitarbeit stellen. Der
Antrag muss drei Monate vor Be-
ginn der gewünschten Reduzie-
rung schriftlich gestellt werden.
Im Antrag müssen auch Vorschlä-
ge enthalten sein, wie die Ar-
beitszeit verteilt werden soll.
Wenn keine gravierenden be-
trieblichen Gründe gegen den An-
trag sprechen, muss der Arbeit-
geber ihm zustimmen. Solche
Gründe liegen beispielsweise
vor, wenn durch die Teilzeit um-
fangreiche Übergaben notwendig
werden oder eine Neuorganisati-
on der Arbeit mit hohen Kosten
verbunden ist. Sie gelten auch,
wenn kein (neuer) Mitarbeiter für
die Zeit gefunden werden kann,
um die die Arbeitszeit reduziert
wird.
Wurde der Antrag genehmigt,
haben Arbeitnehmer frühestens
nach Ablauf von zwei Jahren wie-
der einen Anspruch auf Verände-
rung der Arbeitszeit. Gleiches
gilt, wenn der Arbeitgeber einen
Antrag begründet abgelehnt hat.
3 Weitere Fragen zum
Teilzeitgesetz oder rund
um den Rechtsschutz?
Die zuständige
Verwaltungsstelle der
IG Metall hilft weiter.
Welche Arbeiten Dein Ausbilder nicht von Dir
verlangen darf. Und Deine Rechte als Azubi.
Teilzeitbeschäftigte, die sich
auf eine Stelle mit längeren Ar-
beitszeiten bewerben, müssen
gegenüber Mitbewerbern, die
bereits die in der Stellenaus-
schreibung gewünschten
Arbeitszeit haben, bevorzugt
behandelt werden.
Wer Teilzeit arbeitet, darf
vom Arbeitgeber nicht benach-
teiligt werden. Das Arbeitsent-
gelt und mögliche Sonderleis-
tungen sind anteilig entspre-
chend der Arbeitszeit eines ver-
gleichbaren Vollzeitbeschäftig-
ten zu zahlen. Urlaub ist in glei-
cher Weise zu gewähren.
Außerdem besteht der gleiche
Anspruch auf Weiterbildung wie
bei Vollzeitbeschäftigten.
Diese Regelungen gelten
übrigens auch ausdrücklich für
Arbeitnehmer in leitenden
Funktionen.7
nen ausbildungsfremde Arbeiten
sein, also Tätigkeiten, die nichts
mit Deiner Ausbildung zu tun ha-
ben. Zum Beispiel Babysitten
beim Chef oder Autowaschen
beim Ausbilder.
Auch ausbildungsfremde Rou-
tinearbeiten gehören nicht zu
Deinen Aufgaben. Ausbildungs-
fremde Routinearbeiten sind
Tätigkeiten, die Du immer wieder
machen musst und Du deshalb
keine Zeit hast, neue Dinge zu ler-
nen. Es ist offensichtlich, dass
Dein Ausbilder wenig Interesse
daran hat, dass die ausbildungs-
fremden (Routine-) Arbeiten im
Berichtsheft auftauchen. Trotz-
dem solltest Du darauf bestehen.
Sollte es wirklich später einmal
zu einem ernsthaften Konflikt
zwischen Dir und Deinem Ausbil-
der kommen, kann das Berichts-
heft als wichtiges Beweismittel
dienen.
Woher weiß ich, was zu mei-
nen Aufgaben gehört?
Was Du lernen solltest, steht
im allgemeinen Ausbildungs-
rahmenplan. Diesen gibt es für
jeden Beruf und er beschreibt
genau den zeitlichen und in-
haltlichen Ablauf Deiner Aus-
bildung. Außerdem gibt es
noch den Ausbildungsplan, der
von Deinem Betrieb vorgelegt
und dem Ausbildungsvertrag
beigefügt sein muss. Von wann
bis wann Du in welcher Abtei-
lung bist und was im Detail Du
dort lernen solltest, ist hier
ausführlich beschrieben.
Was gehört nicht zu meinen
Aufgaben?
Laut Paragraf 14 des Berufs-
bildungsgesetzes darf Dein
Ausbilder Dir keine Aufgaben
erteilen, die nicht dem Ausbil-
dungszweck dienen. Das kön-
Ein Lehrstück
red_09_26_27_apm.qxp 22.08.2006 20:26 Uhr Seite 26
metall 9/2006
3Aktuelle Änderungen
und Informationen unter:
www.arbeitsagentur.de
sowie www.bmas.bund.de
Womit habe ich Recht?
Kommt Dein Ausbilder
allerdings weiterhin Dei-
nen berechtigten Forde-
rungen nicht nach, ist
der erste Schritt auf dem
Rechtsweg das schriftli-
che Einreichen einer Gel-
tendmachung bei Dei-
nem Ausbilder. In dieser
schilderst Du das vorlie-
gende Problem und
stellst Deine Ansprüche.
Da es bei einer Geltend-
machung einiges zu be-
achten gilt, empfiehlt es
sich wiederum, Hilfe bei
Deiner Gewerkschaft
einzuholen. Das Ein-
schalten des Jugendver-
treters hat oft auch den
Effekt, dass der Ausbil-
der Dein Anliegen
ernster nimmt. Weil er
dadurch erfährt, dass Du
dank der IG Metall
Rechtsschutz hast. Kann
der Konflikt damit nicht
bereinigt werden, kommt es zu
einem Schlichtungsverfahren.
Dazu darfst Du einen Berater mit-
bringen. Finden kannst Du einen
solchen in Deinem Betriebsrat.
Sollte auch die Schlichtung keine
Einigung herbeiführen können,
kannst Du Klage beim Arbeitsge-
richt einlegen und in einigen Fäl-
len Schadensersatz zugespro-
chen bekommen.
Weitere Informationen zum The-
ma Ausbildung findest Du im
Netz auf den Seiten:
3www.dr-azubi.de
3www.jugend.igmetall.de
3www.bibb.de
3www.dgb-jugend.de
Kathrin Schreck
Buchtipps
3»Rechte und Pflichten in der Berufsausbildung. Das neue
Berufsbildungsrecht«. Thomas Lakies, Verlag Schmidt, 36,80 Euro.
3»Auszubildende. Rechte, Pflichten, Orientierung«.
Klaus Preyer, Bund- Verlag, 2004, 9,90 Euro.
3»Handbuch Ausbildung«. Clemens Urbanek, Christiani
Verlag, 2005, 16,80 Euro.
27
Änderungen beiHartz IVSeit 1. August ist das Gesetz zur
Fortentwicklung der Grundsi-
cherung für Arbeitssuchende in
Kraft. Für Arbeitslosengeld-II-
Bezieher ergeben sich viele Än-
derungen. Hier die wichtigsten:
3Sofortangebote: Antragstel-
ler, die innerhalb der letzten
zwei Jahre weder Arbeitslosen-
geld noch Arbeitslosengeld II
bezogen haben, sollen sofort
ein Angebot erhalten. Dies kann
zum Beispiel eine Qualifizie-
rungsmaßnahme oder ein Job-
Angebot sein.
3Vermögensfreibeträge: Der
Freibetrag für Vermögen, das für
die Altersvorsorge eingesetzt
wird, steigt von 200 Euro auf
250 Euro pro Lebensjahr, maxi-
mal 16250 Euro. Damit soll die
Möglichkeit verbessert werden,
eine zusätzliche private Alters-
absicherung abzu-schließen.
Der allgemeine Vermögensfrei-
betrag (Grundfreibetrag) wird
von 200 Euro auf 150 Euro je
Lebensjahr gesenkt, maximal
9750 Euro.
3Eheähnliche Lebensgemein-
schaften: Eine eheähnliche
oder lebenspartnerschaftliche
Gemeinschaft wird dann vermu-
tet, wenn die Partner seit min-
destens einem Jahr zusammen-
leben, über Einkommen und
Vermögen des anderen Part-
ners verfügen können, gemein-
same Kinder haben oder ge-
meinsam Kinder beziehungs-
weise Angehörige versorgen.
Diese Regelung betrifft jetzt
auch gleichgeschlechtliche Le-
bensgemeinschaften.
3 Familien: Ab sofort können
Familien zwischen Kinderzu-
schlag und Arbeitslosengeld II
mit befristetem Zuschlag, der
nach vorherigem Arbeitslosen-
geldbezug gewährt wird,
wählen. Bei Schwangerschaft
und Geburt werden neben der
Babykleidung nun auch Kinder-
wagen, Stilleinlagen und vieles
mehr als einmalige Leistungen
finanziert. In so genannten
»Patchworkfamilien« müssen
Partner ihr Einkommen und Ver-
mögen auch für nicht leibliche
Kinder einsetzen.
3Erreichbarkeit: ALG-II-Emp-
fänger müssen an Werktagen
grundsätzlich unter ihrer Adres-
se erreichbar sein.
3Sanktionen: Für unter 25-
jährige können Sanktionen fle-
xibler gestaltet werden. Es be-
steht nun die Möglichkeit die
Sanktionsdauer von drei Mona-
ten auf sechs Wochen zu verkür-
zen. Gleich bleibt, dass die Re-
gelleistungen für unter 25-jähri-
ge bereits in der ersten Stufe
entfallen und nur noch Sachleis-
tungen erbracht werden.
3Sanktionen ab Januar 2007:
Weigert sich ab diesem Zeit-
punkt ein Empfänger von Ar-
beitslosengeld II, eine zumut-
bare Arbeit anzunehmen oder
eine Eingliederungsvereinba-
rung abzuschließen, kann eine
erste Absenkung der Regelleis-
tung um 30 Prozent erfolgen.
Kommt es innerhalb eines Jah-
res zu einer zweiten Pflichtver-
letzung, kann eine Minderung
um 60 Prozent erfolgen. Bei ei-
ner dritten Pflichtverletzung in-
nerhalb eines Jahres entfällt der
vollständige Leistungsan-
spruch, einschließlich der Kos-
ten für Unterkunft und Heizung.
Bei jungen Menschen unter 25
Jahren kann ab Januar 2007 be-
reits bei einer zweiten Pflicht-
verletzung innerhalb eines Jah-
res der Leistungsanspruch voll-
ständig entfallen.7
Ratgeber
Wie kann ich mich wehren?
Natürlich empfiehlt es sich, das
Gespräch mit dem Ausbilder zu
suchen. Sei dafür vorbereitet, be-
sorge Dir eventuell eine Kopie
das Berufsbildungsgesetzes und
verweise sachlich und kompetent
auf die entsprechenden Paragra-
fen. Bei der Vorbereitung auf das
Gespräch hilft Dir Dein IG Metall-
Jugendvertreter. Den Gesetzes-
text gibt es kostenlos auf der Ho-
mepage des Bundesministeriums
für Bildung und Forschung:
www.bmbf.de. Nachteil: Die
Fachsprache ist kompliziert, aber
beim Verstehen und Interpretie-
ren kann Dir der Jugendvertreter
helfen.
Auszubildende in einer Lehrwerkstatt: Bei Problemen mit dem Ausbilder hilftdie IG Metall weiter
red_09_26_27_apm.qxp 22.08.2006 20:26 Uhr Seite 27
Lösungswort Kreuzworträtsel
Das Lösungswort auf eine Postkarte schreiben
und bis 30. September 2006 senden an:
Redaktion metall, Preisrätsel, 60146 Frankfurt
Lösungswort aus Juni 2006: Steuersubvention
Diesen Monat verlosen wir
unter den Einsendern der
richtigen Lösung wieder
fünf IG Metall-Autosicher-
heitswesten als Extrapreis.
Zusätzlich verlosen wir
zwei IG Metall-Fußbälle
Der Zusatzgewinn
im Juni 2006:
Je ein IG Metall-Fußball
geht an:
KlausSchinder, Hattingen
Udo Ziegs, Böblingen
Teilnehmen können nur Mitglieder
der IG Metall, allerdings keine
hauptamtlich Beschäftigten.
Hauptpreise:
Monatsrätsel . . .
metall 9/2006 28
Wenn Sie die Bilder richtig deuten erhalten Sie den zweiten Teil
unseres Kettenrätsels.
1. Preis:Ein »Tipp-Kick«-
Sportstadion zumNachspielen der WM
zuhause
2. Preis:Ein original
Steiff-Teddy»Petsy«
Lösungsspruch des Drei-Monats-
Rätsels aus Teil 7-8 bis 9 auf
eine Postkarte schreiben und
bis 30. September 2006 einsenden an:
Rätsel
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
3. Preis:Ein Spiel »Betriebsratärgere Dich nicht!« für die ganze Familie
Redaktion metall, Preisrätsel,
60146 Frankfurt
Sie müssen den Spruch aus drei auf-
einander folgenden Heften eines
Quartals lösen. Haben Sie den richti-
gen Spruch herausgefunden, können
Sie einen der drei Hauptpreise gewin-
nen. Und als Extra: eine ACE-Klubmit-
gliedschaft für ein Jahr
im Wert von 56 Euro.
Die ACE-Clubmitgliedschaft gewinnt:
Eckhard Heiden, Monheim
Unsere Gewinner des Drei-Monats-
Rätsels Teil 4 bis 6/2006
1. Preis: Karl Pützer, Düren
2. Preis: Klaus Buchwald, Harsewinkel
3. Preis: Falko Scheele, Kiel
Lösungsspruch Teil 4 bis 6:
Wenn einer eine Feder am Hut trägt, ist noch
lange nicht gesagt, dass er fliegen kann.
Drei-Monats-Rätsel . . . Teil 9
Arbeits-ausstand
undurch-sichtigRaubtier-pfote
asiati-schesBuckel-rind
FlussimHarz
KosenameeinesEltern-teils
Parcours-hindernisital. Gei-genbauer †
Geld-bei-treibung
knöchel-langerRock
12
Prüfung
Kletter-pflanze 9
Ver-brechenkost-spielig 10
Frucht-fleischamer.Autor † 7
11
Angestell-te in derApotheke(Abk.)
dän. Film-komiker †
starrköpfig 4
Hafenstadtin Griechen-land
Euro-päischeZentral-bank (Abk.)
mexikan.WährungGetreide-speicher 2
Raum-station
kleineRechnung
Offizierdes KönigsDavid
norddt.WeißbrotartRundbau,runder Saal 13
Halbtonunter A
Analyse
1Riesen-schlange
Hauptstadtv. Norwegeneh. Reiter-soldat
einschl.Verpackung
Trink-gefäß
einer derBremerStadt-musikanten
Stadt beiAntwerpenStaat inWestafrika 14
Stimmung
Staat inWestafrika 3
Stadtin West-falen
südamer.Kamelart
ledig-lich
Halbtonüber Dzwei(engl.)
Altertum
Film vonSpielberg 6
GlückNeben-fluss derWarthe 8
Stadt inBaden-Württem-berg 5
jugoslaw.Staatschef,† 1980
711888
09_28_Raetsel.qxp 22.08.2006 21:08 Uhr Seite 28
Unverschämtes, Merkwürdiges, Kurioses– gefunden von metall-Leserinnen und -Lesern. Jede Veröffentlichung wird mit25 Euro honoriert (bitte Kontonummer angeben). Schicken an: metall-Redaktion,Wilhelm-Leuschner-Straße 79, 60329 Frankfurt am Main
3 Schreiben der Wäscherei Marsänger,Frankenberg
3 Schreiben der Firma East-West Textil-reinigung, Langen
x
Fotowettbewerb
29metall 9/2006
Es wurde folgender Beschluss gefasst:
• Unter Punkt 2. Kosteneinsparung im Lohnbereich– ab März 2006 arbeitet jeder Mitarbeiter 4 Stun-
den monatlich ohne Lohnausgleich• – es werden von 9 verbleibenden Feiertagen im
Jahr 2006 – 3 Feiertage ohne Lohnausgleich ab-gerechnet
• Unter Punkt 3. Zahlung der Löhne:– ab 2007 sollen die Lohnüberweisungen wieder
pünktlich vorgenommen werden
Dieser Beschluss wurde bei einer Abstimmung am6.4.2006 einstimmig gefasst!
1.) Ab sofort werden keinerlei Urlaubsanträge, gleich vonwem, bezüglich Vorverlegung bzw.Verlängerung des Be-triebsurlaubs mehr angenommen.Ausnahme wird es nichtgeben!
2.) Nach Antritt der Betriebsferien werden wir nicht wie inden Vorjahren, dies betrifft insbesondere unsere Kolleginnenund Kollegen, welche ihren Urlaub im Ausland verbringen,hinnehmen, dass uns Anrufe oder sonstige Mitteilungenerreichen das der angetretene Urlaub, aus welchen Grün-den auch immer, eigenmächtig verlängert wird.
Anschläge
Erster Digital-Fotowettbewerb für Mitglieder der IG Metall
Zum ersten Mal schreibt metall einen Fotowettbewerb aus zum Thema:»Mein Foto aus der Arbeitswelt.« Gefragt sind Digitalfotos (in Farbe oderschwarz-weiß) von Menschen, Arbeitsplätzen, Maschinen oder Materialien.Einsendeschluss: 10. September. Teilnahmebedingungen: Jedes Mitgliedkann uns ein Digitalfoto von je maximaler Dateigröße von 500KB zumailen(Originalbilddatei sichern!). 3 Die Adresse: [email protected]
Bitte jedes Foto einzeln in einer E-Mail mit Bild- und Absenderinformationenzumailen. Wichtig: In der Betreffzeile den Namen der beigefügten Bilddateiangeben, um eine einwandfreie Zuordnung der Bilder zu ermöglichen! DieArbeiten werden auf eigenes Risiko eingesandt (keine Haftung). Die Einsendersichern zu, dass ihre Bilder nicht mit Rechten Dritter belastet und abgebilde-te Personen mit der Veröffentlichung einverstanden sind. Ansprüche Dritterwerden vom Einsender erfüllt. Die Teilnehmer erklären sich mit der Teilnah-me am Wettbewerb damit einverstanden, dass die Fotos im Zusammenhangmit dem Wettbewerb von der IG Metall mit Copyright-Vermerk veröffentlichtwerden dürfen und im Rahmen einer Ausstellung gezeigt werden können. Geeignete Fotos stellen wir auch in einer Internet-Galerie mit Copyright-Ver-merk aus. Die Gewinner werden von einer Fach-Jury der IG Metall ausgewähltund mit Sach- und Buchpreisen prämiert. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
red_09_29_apm.qxp 22.08.2006 20:29 Uhr Seite 29
vorwegzunehmen.Im Frühjahr2007 ist dieses Konsumfeuer-werk aber schon wieder abge-brannt. Eine wirkliche Trend-wende auf dem Binnenmarktist nicht in Sicht. Voraussicht-lich werden die Reallöhne auchin diesem Jahr sinken. Der guteIG Metall-Abschluss und derkonjunkturbedingte Beschäfti-gungsaufbau reichen nicht aus.Beim Nominallohnzuwachs istDeutschland europäischesSchlusslicht. Die Reallöhnekommen seit zehn Jahren nichtmehr vom Fleck. Eine vertei-lungsneutrale Lohnentwick-lung, die den Inflationszu-wachs plus den Produktivitäts-zuwachs berücksichtigt, ist inweite Ferne gerückt. Diesechronische Lohnschwäche hatstrukturelle Ursachen: Der fi-nanzmarktgetriebene Unter-nehmensumbau hat die Macht-verhältnisse zu Ungunsten derabhängig Beschäftigten ver-schoben. Neue Management-und Restrukturierungskonzep-te ließen dezentrale Unterneh-mensnetzwerke mit flachenHierarchien und flexibler Pro-duktion entstehen. Unterneh-mensinterne Prozesse sindheute marktgesteuert. Die ein-zelnen Unternehmenseinhei-ten werden als Cost-/Profitcen-ter organisiert. Die Internatio-
nalisierung der Produktion führt zu einementfesselten nationalen und internationa-len unternehmensinternen Standortwettbe-werb. Die Shareholder-Value-Orientierungder großen Kapitalgesellschaften verschärftden Verteilungskonflikt.
Die Tariflandschaft hat sich unter demDruck der Verhältnisse differenziert und de-zentralisiert,die prekäre Beschäftigung – wiebefristete Arbeitsverträge, geringfügige Be-schäftigung oder Teilzeitarbeit – wächst, undder Umbau der Arbeitslosenversicherung zurArmutsfürsorge (Hartz IV) erhöht den Lohn-druck. Die hohe Arbeitslosigkeit besorgt den
nehmen ihre Produktionsanlagen. Die Fir-men müssen investieren, wollen sie nicht anWettbewerbsfähigkeit verlieren. Das Endedes Euro-Höhenflugs und mehr Aufträge fürdie kriselnde Bauwirtschaft sorgen für zu-sätzlichen Rückenwind. Auch die Verbrau-cher greifen wieder tiefer in die Taschen.Neben dem Exportmotor ist nun auch dieBinnennachfrage angesprungen.Kein Grundzum Jubeln: Denn die Konsumlust wirdnicht lange anhalten. Zwar schlagen dieVerbraucher jetzt bei, Unterhaltungs-elektronik und Wohneinrichtung kräftig zu,um die drohende Mehrwertsteuererhöhung
30 metall 9/2006
MonatsökonomMonatsökonom
ute Nachrichten aus Nürnberggibt es nicht nur vom Fußball.Während der »Club« von Sieg zu
Sieg eilt,darf nun auch der oberste Dienstherrder Bundesagentur für Arbeit wieder Erfreuli-ches verkünden: Fast 200 000 neue Jobs ent-standen im ersten Halbjahr dieses Jahres.DreiViertel dieser Stellen sind sozialversiche-rungspflichtig. Nachdem die Konjunkturwieder Fahrt aufgenommen hat, bessert sichalso die Lage auf dem Arbeitsmarkt.
Kaum hatte sich die Nachricht von derplötzlichen Genesung des deutschen Patien-ten herumgesprochen, beginnt auch schondie Suche nach dem Wunderdoktor. Sozial-demokratische Modernisierer wurden sofortfündig: Ein später Schröder-Effekt hat dieWende zum Besseren eingeleitet. Die Agenda2010 wirkt, die Arbeitsmarktreformen grei-fen. Hartz IV beschäftigt nicht nur Juristen.Diese Auslegung wollte der schwarze Ehe-partner aber nicht akzeptieren. Und so wur-de die ökonomische Märchenwelt um den»Merkel-Effekt« bereichert. Schließlich wares doch die Kanzlerin, die Verbrauchern undUnternehmern wieder Mut gemacht hat.
Schlechte Zeiten für Kabarettisten. DerBerliner Politikbetrieb stiehlt ihnen komplettdie Schau. Der aktuelle Aufschwung hat mitder stark angebotsorientierten Wirtschafts-politik der vergangenen Jahre soviel zu tunwie die Geburtenhäufigkeit mit der Anzahlder Störche.Was wir gegenwärtig erleben, istder Verlauf eines ganz normalen Konjunktur-zyklus. Der Aufschwung schafft dabei mehrArbeitsplätze als alle so genannten Reformenzusammen. Mehr Druck auf Arbeitslose undeine schnellere Vermittlung verpufften in denJahren der Wachstumsschwäche wirkungs-los. Gleiches galt für Steuergeschenke undBürokratieabbau. Nach fast fünf JahrenWachstumsflaute modernisieren die Unter-
G
»Der aktuelle Aufschwung hat mit der
stark angebotsorientierten Wirtschafts-
politik der vergangenen Jahre soviel zu
tun wie die Geburtenhäufigkeit mit der
Anzahl der Störche.«
Dierk Hirschelüber Fussball, Konjunktur und Verteilung
Kamikazekurs der Großen Koalition
red_09_30_31_monatsoe_apm.qxp 22.08.2006 20:32 Uhr Seite 30
Rest. Nur noch 68 Prozent der westdeut-schen Beschäftigten werden von Tarifverträ-gen erfasst. 1998 waren es noch 76 Prozent.Haus- und Firmentarifverträge nehmen zu.Jedes zweite Großunternehmen hat heute ei-ne Standortvereinbarung.Drei Viertel aller ta-rifgebundenen Unternehmen verfügen überDifferenzierungs- und Öffnungsklauseln.Der Niedriglohnsektor breitet sich ungehin-dert aus. Etwa 17,4 Prozent der sozialversi-cherungspflichtigen Vollzeitbeschäftigtenverdienen heute weniger als 1630 Euro brut-to. Im Ergebnis weichen die Bruttolöhne im-mer stärker von den Tarifabschlüssen ab. DieEinkommensverteilung wird ungleicher.
Ein sich selbst tragender vier- bis fünf-jähriger Aufschwung hätte den Gewerk-schaften helfen können, aus der lohnpoliti-schen Defensive herauszukommen. Die Poli-tik ist jedoch gerade dabei, diese Hoffnungfahrlässig zu zerstören. Die geplante Mehr-wertsteuererhöhung und die Kürzungen beiPendlerpauschale, Sparerfreibetrag und an-deren Dingen ziehen den Beschäftigten 2007über 30 Milliarden Euro aus der Tasche.Gleichzeitig sollen Steuergeschenke an dieUnternehmen in Höhe von fünf bis zehnMilliarden Euro verteilt werden.
Die Europäische Zentralbank unterstütztdiesen Kamikazekurs, indem sie kräftig ander Zinsschraube dreht. Der konjunkturelleAbsturz scheint programmiert. Auf ein öf-fentliches Investitionsprogramm, bessereRegeln auf dem Arbeitsmarkt, wie etwa denMindestlohn, und strengere Vorschriften aufden Kapitalmärkten, wie die Besteuerungvon Veräußerungsgewinnen oder der Börse-numsatzsteuer, warten wir bisher vergebens.
Es ist jetzt an der Zeit, den politischVerant-wortlichen die rote Karte zu zeigen.7
metall 9/2006
Seite der Ideen
31
Die gute Idee
Reichtum und seine Ursachen
Dierk Hirschel ist Chefökonom für Makro-
ökonomie und Konjunkturanalyse beim
DGB- Bundesvorstand. Er wurde 1970 in
Nürnberg geboren. Nach einer Ausbildung
zum Tischler studierte Hirschel Volkwirt-
schaftslehre in Hamburg und Bremen. Er
promovierte in Lüneburg. Seit 2003 ist er
Chefökonom des DGB. 2004 erschien sein
Buch »Einkommensreichtum und seine Ur-
sachen«. Hirschel hat am »Armuts- und
Reichtumsbericht 2005« mitgearbeitet
und über das Thema Einkommensreichtum
geforscht.
Zur Person
Ferienzeit heißt Urlaubszeit. Doch Kinder
von erwerbslosen und sozial benachteilig-
ten Menschen können sich oft keinen Ur-
laub leisten.
Das Projekt »Kinderferienlager« der gewerk-
schaftlichen Arbeitslosenbetreuung »Dau
wat« in Rostock, Schwerin und Stralsund er-
möglicht Kindern einen Urlaubskurztripp.
»Die Nachtwanderungen sind besonders
beliebt«, sagt Doris Lams, die Projektbe-
treuerin des Vereins in Rostock. Aber auch
Besuche in Freizeitparks, Tanzwettbewerbe
am Discoabend und zahlreiche Spiel- und
Sportaktivitäten in der freien Natur sorgen
für eine spannende Abwechslung. Denn der
Alltag zu Hause ist für die Kinder oft trist
genug.
Das Projekt »Kinderferienlager« finanziert
sich durch Spenden von Firmen, Privatperso-
nen, Parteien und anderen sozialen Institu-
tionen. Träger des Vereins sind die IG Metall
und die Gewerkschaft Verdi. Schon seit über
zehn Jahren werden die Fahrten für benach-
teiligte Kinder organisiert. Kein Wunder,
dass der Rostocker Verein im Jahre 2000 von
der Stiftung »Solidarität bei Arbeitslosigkeit
und Armut« in Bielefeld unter 74 Bewerbern
aus 16 Bundesländern mit dem Förderpreis
der Solidarität für seine »nachahmenswerte
Aktion« ausgezeichnet wurde.
Etwa 35 Kinder können jährlich mitfahren.
Sie sind zwischen acht und 13 Jahre alt.
Während der Fahrt werden sie von fachkundi-
gen Pädagogen betreut. Ohne »Dau wat«
müssten die Kids ihre Ferien zu Hause ver-
bringen. Die Kosten für die Fahrt belaufen
sich in der Regel auf 220 Euro pro Kind und
werden größtenteils vom Verein getragen.
Die Eltern müssen lediglich einen Eigenanteil
von 40 Euro erbringen. Ein bisschen bürokra-
tisch geht es aber auch bei »Dau wat« zu: El-
tern müssen die Teilnahme ihres Kindes
schriftlich beantragen und dabei eine Kopie
ihres Leistungsbescheids vorlegen.
»Die Kinder können am wenigsten etwas
dafür, dass die Eltern keine Arbeit oder we-
nig Geld haben«, weiß Doris Lams. Vielleicht
ist es auch ein Grund dafür, dass Eltern kurz
nach Ende einer Ferienfahrt ihren Nach-
wuchs wieder alle für das nächste Lager an-
melden. Darum ist es für Doris Lams immer
die schwierigste Entscheidung, welches Kind
mitfahren kann: »Die Kinder kommen ja
schon aus armen Familien. Darum entschei-
det vor allem der Grad der Bedürftigkeit, wer
mitfährt.«
Dieses Jahr ging die Fahrt nach Gallentin
in Mecklenburg-Vorpommern. Viele
Freundschaften wurden unter den Kindern
geschlossen. Um so schwieriger fällt ihnen
der Abschied. Doris Lams: »Auch wenn sich
alle Kinder wieder auf ihre Familie freuen:
Beim Abschied kullert die eine oder andere
Träne – auch bei den Betreuern.«7
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Im »Dau wat«-Ferienlager: Kinder von Erwerbslosen können sich oft keinen Urlaub leisten
»Urlaub vom Alltag«»Dau wat« heißt »Tu was«
red_09_30_31_monatsoe_apm.qxp 22.08.2006 20:32 Uhr Seite 31