microblogging

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AKTUELLES SCHLAGWORT* / MICROBLOGGING } Microblogging Martin Böhringer · Peter Gluchowski Twitter & Co. sind ein aktuelles Trendthema im Web. Dieser Beitrag stellt das Phänomen Microblogging vor, beschreibt, warum das Thema ein großes Entwicklungspoten- zial aufweist und nennt zukünftige Forschungsaufgaben. Einleitung ,,What are you doing?“ ist die simple Frage, die der Microblogging- dienst Twitter seinen Nutzern stellt. Raum für große Erklärungen ermöglicht das auf 140 Zeichen limitierte Eingabefeld nicht. Trotz oder gerade wegen dieser Beschränkung hat der Dienst Statusupdates innerhalb kürzester Zeit als bestimmenden Trend im Web etabliert. Während Twitter in den USA bereits im Präsidentschaftswahlkampf 2008 eine wichtige Rolle spielte, rückte der Microblogging- service in Deutschland erstmals im Sommer 2009 im Rahmen der iranischen Unruhen in das Blick- feld einer breiten Öffentlichkeit. Zuletzt sorgte der Dienst im Rahmen der Wahlberichterstattung für Aufsehen. Das Phänomen Microblogging muss also schon aufgrund seiner explodierenden Nutzerzahlen und der starken Stellung unter den Web-2.0-Werkzeugen in den Fokus der Forschung rücken. Naheliegende Fragen wie ,,Warum wird Microblogging genutzt?“ und ,,Wozu wird Microblogging genutzt?“ führen daraufhin zu Anwendungsmöglichkeiten insbeson- dere im Unternehmensumfeld, die weit über die Beantwortung der ,,What are you doing?“-Frage hinausgehen. Der folgende Beitrag stellt zunächst Twitter und das um den Dienst entstandene Ökosys- tem vor. Anschließend werden das Szenario einer Unternehmensnutzung im Sinne von ,,Enterprise Microblogging“ und anhand dieses Beispiels die Potenziale der Technologie diskutiert. Ein Überblick über zukünftige Forschungsfragen rundet den Beitrag ab. Twitter und sein Ökosystem Aus Nutzersicht erweist sich Twitter (http:// twitter.com, ,,(to) twitter“ ist Englisch und bedeutet ,,zwitschern“) als ein sehr simples Softwarewerk- zeug. Nach Anmeldung kann der Anwender kurze Beiträge (Updates, Postings, ,,Tweets“) schreiben, die auf dem persönlichen Microblog veröffentlicht werden (vgl. z. B. http://twitter.com/boehr für den Microblog des ersten Autors). Die Updates ande- rer Nutzer können abonniert (,,follow“) werden, woraufhin die individuelle Startseite (,,Timeline“) eine aggregierte Sicht mit den neuesten Beiträgen des eigenen Netzwerks enthält (vgl. hier und für die folgenden Beispiele Abb. 1). Nebenfunktionen er- möglichen den Versand privater Direktnachrichten und das Markieren von einzelnen Tweets. Einige Besonderheiten der Twitternutzung haben sich im Laufe der Zeit herausgebildet. So können andere Microblogs durch Verwendung von @<microblogname> referenziert werden. Kür- DOI 10.1007/s00287-009-0383-0 © Springer-Verlag 2009 Martin Böhringer · Peter Gluchowski Technische Universität Chemnitz, Fakultät für Wirtschaftswissenschaften, Professur Wirtschaftsinformatik II, 09107 Chemnitz E-Mail: [email protected] *Vorschläge an Prof. Dr. Frank Puppe <[email protected]> oder Prof. Dr. Dieter Steinbauer <[email protected]> Alle „Aktuellen Schlagwörter“ seit 1988 finden Sie unter: www.ai-wuerzburg.de/as Informatik_Spektrum_32_6_2009 505

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Page 1: Microblogging

AKTUELLES SCHLAGWORT* / MICROBLOGGING }

MicrobloggingMartin Böhringer · Peter Gluchowski

Twitter & Co. sind einaktuelles Trendthema

im Web. Dieser Beitragstellt das Phänomen

Microblogging vor,beschreibt, warum

das Thema ein großesEntwicklungspoten-

zial aufweist undnennt zukünftige

Forschungsaufgaben.

Einleitung,,What are you doing?“ist die simple Frage,die der Microblogging-dienst Twitter seinenNutzern stellt. Raumfür große Erklärungenermöglicht das auf140 Zeichen limitierteEingabefeld nicht. Trotzoder gerade wegen

dieser Beschränkung hat der Dienst Statusupdatesinnerhalb kürzester Zeit als bestimmenden Trendim Web etabliert. Während Twitter in den USAbereits im Präsidentschaftswahlkampf 2008 einewichtige Rolle spielte, rückte der Microblogging-service in Deutschland erstmals im Sommer 2009im Rahmen der iranischen Unruhen in das Blick-feld einer breiten Öffentlichkeit. Zuletzt sorgte derDienst im Rahmen der Wahlberichterstattung fürAufsehen.

Das Phänomen Microblogging muss also schonaufgrund seiner explodierenden Nutzerzahlen undder starken Stellung unter den Web-2.0-Werkzeugenin den Fokus der Forschung rücken. NaheliegendeFragen wie ,,Warum wird Microblogging genutzt?“und ,,Wozu wird Microblogging genutzt?“ führendaraufhin zu Anwendungsmöglichkeiten insbeson-dere im Unternehmensumfeld, die weit über dieBeantwortung der ,,What are you doing?“-Fragehinausgehen. Der folgende Beitrag stellt zunächstTwitter und das um den Dienst entstandene Ökosys-tem vor. Anschließend werden das Szenario einerUnternehmensnutzung im Sinne von ,,EnterpriseMicroblogging“ und anhand dieses Beispiels die

Potenziale der Technologie diskutiert. Ein Überblicküber zukünftige Forschungsfragen rundet denBeitrag ab.

Twitter und sein ÖkosystemAus Nutzersicht erweist sich Twitter (http://twitter.com, ,,(to) twitter“ ist Englisch und bedeutet,,zwitschern“) als ein sehr simples Softwarewerk-zeug. Nach Anmeldung kann der Anwender kurzeBeiträge (Updates, Postings, ,,Tweets“) schreiben,die auf dem persönlichen Microblog veröffentlichtwerden (vgl. z. B. http://twitter.com/boehr für denMicroblog des ersten Autors). Die Updates ande-rer Nutzer können abonniert (,,follow“) werden,woraufhin die individuelle Startseite (,,Timeline“)eine aggregierte Sicht mit den neuesten Beiträgendes eigenen Netzwerks enthält (vgl. hier und für diefolgenden Beispiele Abb. 1). Nebenfunktionen er-möglichen den Versand privater Direktnachrichtenund das Markieren von einzelnen Tweets.

Einige Besonderheiten der Twitternutzunghaben sich im Laufe der Zeit herausgebildet. Sokönnen andere Microblogs durch Verwendung von@<microblogname> referenziert werden. Kür-

DOI 10.1007/s00287-009-0383-0© Springer-Verlag 2009

Martin Böhringer · Peter GluchowskiTechnische Universität Chemnitz,Fakultät für Wirtschaftswissenschaften,Professur Wirtschaftsinformatik II,09107 ChemnitzE-Mail: [email protected]

*Vorschläge an Prof. Dr. Frank Puppe<[email protected]> oderProf. Dr. Dieter Steinbauer <[email protected]>

Alle „Aktuellen Schlagwörter“ seit 1988 finden Sie unter:www.ai-wuerzburg.de/as

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Abb. 1 Aggregierte Übersicht auf Twitters Hauptseite

zungsservices dienen der Bereitstellung kurzer URLs(z. B. http://tinyurl.com/r3mrb9). Beiträge könnenmittels sogenannter Hashtags mit Schlagworten ver-sehen werden (z. B. ,,#Microblogging“). Eine letzteBesonderheit ist die Verwendung von ,,Retweets“,indem Nutzer die Postings anderer erneut posten,wodurch sich wichtige Informationen in Twitterverteilen können (z. B. zeigt ,,RT @boehr Das ist dieNachricht.“ an, dass der ursprüngliche Beitrag ,,Dasist die Nachricht.“ von Nutzer ,,boehr“ stammt).

Diese eigene Twittersyntax hat sich über die Zeitaus der Community heraus entwickelt und wurdeerst nach deren Etablierung durch das Twitter-Frontend unterstützt (z. B. durch automatischeVerlinkung von @boehr mit der entsprechendenWebseite http://twitter.com/boehr). Diese defensive

Entwicklungspolitik hinsichtlich neuer Features isttypisch für Twitter. Der Dienst führt funktionaleInnovationen nicht selbst durch, sondern ermög-licht durch seine offene ProgrammierschnittstelleDrittparteien die Entwicklung eigener, auf demMicrobloggingdienst basierende Applikationen.So wurde selbst eine so integrale Funktionalitätwie die Suche innerhalb von Twitterbeiträgen erst2008 nach Zukauf eines entsprechenden Drittan-bieters in die seit 2006 bestehende Kernplattformintegriert.

Der Kommandozeilenzugriff für die eigeneTimeline erfolgt beispielsweise über:

curl -u username:passwordhttp://twitter.com/statuses/friends_timeline.xml

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Es stehen verschiedene Authentifizierungs-möglichkeiten zur Verfügung, die API kann nebendem im Beispiel verwendeten XML ebenfalls mitJSON, RSS und Atom antworten. Für viele wichtigeProgrammiersprachen existieren frei verfügbare Bi-bliotheken, die die API-Funktionalitäten als einfacheMethodenaufrufe implementieren.

Jeder Nutzer kann die API in neue Dritt-programme einbinden. Es existieren hundertedieser Twitterapplikationen für die verschiedens-ten Anwendungsfälle vom mobilen Twitter-Clientüber Multi-Account-Manager bis hin zu Analyse-werkzeugen. Ein Großteil der Nutzer verwendetdiese Applikationen, sodass viele Anwenderzum ,,twittern“ nie Twitter selbst aufrufen.Twitter bewegt sich damit immer deutlicherweg von einer Web-2.0-Anwendung hin zurKommunikations-Middleware.

Enterprise MicrobloggingAuf Twitter ist – neben den berühmt-berüchtigtenInformationen über das Frühstück oder den Kaffee-konsum – täglich zu beobachten, wie tausende vonMenschen ihre Erfahrungen und ihr Wissen teilen.Nicht verwunderlich sind daher Bestrebungen, dasFunktionsprinzip in den Unternehmenskontextzu transferieren. Seit 2008 existieren hierfür spe-zielle Softwarewerkzeuge (wie z. B. Communote,Socialcast und Yammer). Vorhandenen Fallstu-dienuntersuchungen haben gezeigt, dass EnterpriseMicroblogging in der Lage ist, das Informations-und Wissensmanagement in Unternehmen zuunterstützen und insbesondere den InformationOverload durch Serien- und Multiempfängeremailszu kanalisieren [2, 4]. Dabei wird insbesondere derEffekt der unerwarteten Nutzungen hervorgehoben,d. h. die gewinnbringende Verwendung einer In-formation durch einen Dritten, der normalerweise(z. B. im Falle von E-Mail oder Instant Messaging)nicht zum Adressatenkreis der Nachricht gezählthätte.

Böhringer et al. [4] verdeutlichen in einemBeispiel dieses Prinzip: Der Projektleiter eines Inter-netserviceprojekts hatte die Nutzungsbedingungenbei einem Anwalt in Auftrag gegeben. Er dachteallerdings nicht daran, dass dieses Dokument auchauf Englisch verfügbar sein musste. Der Fehler wäreerst Tage später – und damit zu spät – bemerktworden. Die Benutzung von Microblogging führtehingegen zu folgendem Dialog:

16:41, UserA (Projektleiter):,,Telefonat mit #Rechtsanwalt: [...] #Nutzungsbe-stimmungen (AGB), #Datenschutzbestimmungen:Entwurf bis Freitag, Absprache am Sonntag, Feinjus-tierung Montag [...]“

16:52, UserB (Teammitglied):,,@UserA macht das der #Rechtsanwalt auch gleichin Deutsch und Englisch?“

Das Teammitglied, welches nur 11 min späterden entscheidenden Hinweis gegeben hatte, wäreohne Nutzung der Microbloggingplattform nicht inden Prozess eingebunden gewesen.

Entwicklungslinien

RealtimeDer Microbloggingansatz ist noch sehr neu undes kann zu Recht behauptet werden, dass er sichtechnologisch noch in den Kinderschuhen befindet.Mit den Initiativen zum Enterprise Microbloggingund einigen Open-Source-Alternativen ist aktuellzu beobachten, dass sich das Konzept von seinemersten populären Vertreter Twitter emanzipiert undauch losgelöst von dem Internetdienst betrachtetwerden kann. Twitter selbst und viele Analysten ge-hen davon aus, dass Microblogging einen Schritt hinzum Realtime-Web darstellt, also eine allgemeineBeschleunigung der Informationsvermittlung imInternet. Während Google Informationen erst nachStunden oder sogar Tagen in seinem Suchindexaufführt, findet die Twittersuche sofort aktuelleNachrichten (so war beispielsweise die erste Nach-richt über die Flugzeugnotlandung im Hudson-Riverinklusive eines Fotos in Twitter zu finden; einauf einer Fähre am Geschehen vorbeifahrenderTwitter-Nutzer hatte die Information mit seinemMobiltelefon eingestellt).

Ubiquitous MicrobloggingNeben dem Ausbau der Echtzeitfähigkeit des Webskann erhebliches Entwicklungspotenzial der Micro-bloggingtechnologie nicht im ,,Wie“, sondern im,,Wer und Was“ gefunden werden. Unter Millionenvon Microblogs finden Nutzer ohne Adressver-zeichnis oder organisatorische Zuordnungen fürsie selbst interessante Informationsquellen, diesie abonnieren. Twitter kann damit als Werkzeugzur Informationsvermittlung verstanden werden.

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Abb. 2 Interpretierte Dateneines Feuchtigkeitssensorsals Microblog

Abb. 3 Die Steuerung derLondoner Tower Bridgetwittert den aktuellenStatus der Brücke

Sofort stellt sich damit die Frage, ob diese Informa-tionsquellen nur menschliche Nutzer sein müssenoder ob wertvolle Informationen insbesondereim Unternehmensumfeld nicht auch von nicht-menschlichen Informationsquellen stammen (z. B.Maschinen, Software, Prozesse). Abbildungen 2und 3 verdeutlichen diesen Gedanken einer all-umfassenden Verfügbarkeit von Informationen alsMicroblogs anhand von existierenden Beispielen inTwitter. Der Sinn dieses Ansatzes kann wiederummit der bereits diskutierten unerwarteten Nutzungder veröffentlichten Information begründet werden.Insbesondere im Unternehmensumfeld würde diesesPrinzip auf einfache Art und Weise eine Vielzahl vonInformationen einer breiten Masse von Anwendernzur Verfügung stellen.

ForschungsfragenMicroblogging wirft eine große Zahl an For-schungsfragen auf und findet entsprechend insteigender Zahl in akademischen PublikationenBeachtung. Dabei finden sich relevante For-schungsgebiete in einem breiten Spektrum vonDisziplinen, beginnend bei Kommunikationsfor-schung über E-Learning und Wirtschaftsinformatikbis hin zu den Betriebs- und Organisations-

wissenschaften. Aus Sicht der Informatik istinsbesondere die konzeptionelle Weiterent-wicklung des Microbloggingansatzes und damitdie Herausforderung des Realtime-Gedankensbei gleichzeitig großen Datenmengen vonBedeutung.

Aufseiten des Nutzer-Frontends besteht erheb-liches Potenzial hinsichtlich der Unterstützung derAnwender bei der sprichwörtlichen Suche im Heu-haufen nach einer subjektiv wichtigen Informationim Datenstrom. Es findet sich im Internet eine Reihevon Anwendungen wie z. B. Visualisierungskompo-nenten für Twitter, die allerdings nicht über einenPrototypenstatus hinausgehen und nicht zu einemintegrierten Konzept zusammengefasst sind. Auswissenschaftlicher Sicht ist dieses Feld bisher wenigbeachtet worden. Lediglich Assogba und Donath [1]argumentieren für eine stärkere visuelle Unterstüt-zung des Nutzers und präsentieren eine Plattformfür ,,visuelles Microblogging“.

Ein weiteres Ziel ist die Verbesserung des se-mantischen Verständnisses der Informationendurch automatische Agents. Passant et al. [9] stellenhierzu ein Konzept für semantisches Microbloggingvor. Fraglich bei der Anreicherung von Text mitsemantischen Informationen ist dabei vor allem die

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Nutzerakzeptanz – ein wichtiger Punkt in einemMedium, das auf der Fähigkeit zur schnellen undunkomplizierten Informationspublizierung ba-siert [3]. Sollte sich die semantische Auszeichnungvon Microblogging-Postings als nicht praktikabelerweisen, ist der umgekehrte Weg, das Verständ-nis natürlicher Sprache durch Text-Mining, eineweitere Option [8]. Inwieweit Text-Mining auf densehr kurzen und dabei auch oft informellen undmöglicherweise mit Syntaxfehlern behafteten Mi-crobloggingbeiträgen ausreichende Erfolgsquotenaufweisen kann, muss zukünftige Forschung zeigen.Erste prototypische Versuche beweisen die grund-sätzliche Machbarkeit des Ansatzes (vgl. z. B. dieVerwendung von Natural Language Processing beiakibot.com).

Eine bedeutende Forschungsfrage ist die Rea-lisierung eines tragfähigen Architekturkonzeptesfür das Microblogging der Zukunft. Passant etal. [9] verwenden in ihrem Konzept für semanti-sches Microblogging eine dezentrale Architektur,Sandler und Wallach [10] argumentieren eben-falls gegen einen zentralistischen Ansatz, wie erbei Twitter zu finden ist. Intuitiv kann dem Be-streben zur Dezentralität zugestimmt werden,zumal sich selbige im Web bewährt hat und dieNachteile von Twitters zentraler Applikationsar-chitektur durch die starke Verwundbarkeit beiServerausfällen und insbesondere DDoS-Attackenregelmäßig offengelegt wird. Allerdings ist frag-lich, ob eine dem Blogging ähnliche Architekturmit einer Vielzahl selbst-gehosteter, dezentralerMicroblogs die einfache und schnelle Vernetzungder Nutzer gewährleisten kann, wie sie für Twittercharakteristisch ist. Der dort verwendete kurzeVerweis zu einem anderen Microblog mittels derSyntax @<microblogname> (z. B. @boehr) kannohne eine einheitliche Applikation oder zumindestein zentrales Adressverzeichnis wohl nicht in dieserForm weiterverwendet werden. Ob eine ausführlicheAdressierung über eine URI (letztlich stellt dieAdressierung @<microblogname> eine Kurzformder URI http://twitter.com/<microblogname> dar,vgl. [3]) ähnlich gut von den Nutzern angenommenwerden würde, darf bezweifelt werden.

Der Trend zu Microblogging als Echtzeitwebmit Millionen von weltweit verteilten Nutzernstellt eine besondere Anforderung an die Vertei-lungsmechanismen der Information dar, zumal diepersistente, maschinenlesbare Bereitstellung der

Daten nicht vernachlässigt werden darf (bei Twitterbspw. über REST-Zugriff und RSS). In letzter Zeitsind vor dem Hintergrund solcher Anforderungeneine Reihe von Protokollen entwickelt worden,die persistente Speicherung (mit Möglichkeit zumPull-Bezug der Informationen) und aktive Realtime-Benachrichtigung (Push-Prinzip) kombinieren(bspw. Pubsubhubhub, Simpleupdateprotocol undRSSCloud). Die Informatik kennt solche Prinzipienschon länger unter dem Titel Publish-Subscribe [7].

Die dauerhafte Speicherung der Datenmen-gen für Analysezwecke könnte die Nutzung einesspeziellen Datenspeichers (Data Warehouse, [5])erforderlich machen, wobei sich die gewöhnlicherWeise in Microblogging verwendeten Informationensignifikant von klassischen Szenarien unterscheiden(u. a. sind diese qualitativ, nicht aggregierbar undstark bestimmt von der Bedeutung des Faktors Zeit).Das Finden entsprechender Datenstrukturen für einmodifiziertes Konzept eines ,,Microdata Warehouse“ist daher eine weitere Herausforderung.

Als zusätzlicher Ansatzpunkt für zukünftigeForschung bietet sich abschließend das ComplexEvent Processing (CEP) an [6]. Jedes einzelneMicroblogging-Posting stellt für sich genommenein Ereignis dar und damit einen potenziellen Inputfür CEP. Die automatisierte Reaktion auf Tweets setztwiederum das zumindest teilweise Verständnis vondessen Bedeutung voraus.

FazitMicroblogging hat sich vom belächelten Kurz-nachrichtendienst innerhalb kurzer Zeit zurernstzunehmenden Zukunftstechnologie entwickelt,welche in zunehmendem Maße in der ForschungBerücksichtigung findet. Insbesondere die Informa-tik ist gefordert, durch Anwendung und Integrationbereits vorhandener Methoden die Umsetzung deraufgezeigten Zukunftsszenarien (Realtime, Ubiqui-tous Microblogging) zu unterstützen. Hierzu sinddie Leser herzlich eingeladen, den Artikel auf Twitterunter Verwendung des Hashtags ,,#infspekt“ zukommentieren und mit den Autoren in Diskussionzu treten (@boehr).

Literatur1. Assogba Y, Donath J (2009) Mycrocosm: Visual Microblogging. In: Proceedings of

the 42nd Hawaii International Conference on System Sciences, Waikoloa, Big Is-land, Hawaii, 05.01.–08.01.2009, pp 1–10

2. Barnes SJ, Böhringer M, Kurze C, Stietzel J Towards an understanding of social soft-ware: the case of Arinia. In: Proceedings of the 43nd Hawaii International Confe-rence on System Sciences, Koloa, Kauai, Hawaii, 05.01.–08.01.2010

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3. Böhringer M, Gluchowski P, Kurze C (2009) Spezifika von Microblogging-Anwen-dungen als Semantic Web-Applikationen am Beispiel von Twitter. In: Auer S etal. (Hrsg) Agiles Requirements Engineering für Softwareprojekte mit einer großenAnzahl verteilter Stakeholder. Leipziger Beiträge zur Informatik, Band XVIII, Sep-tember 2009. ISBN: 978-3-941608-05-4, Leipzig

4. Böhringer M, Koch M, Richter A (2009) Awareness 2.0 – Ein Anwenderbeispielvon Microblogging im Unternehmen. Inf Wiss Praxis 60(4):275–279

5. Gluchowski P (1997) Data Warehouse. Informatik-Spektrum 20(1):48–496. Eckert M, Bry F (2009) Complex Event Processing (CEP). Informatik-Spektrum

32(2):163–167

7. Eugster PT, Felber PA, Guerraoui R, Kermarrec A (2003) The many faces ofpublish/subscribe. ACM Comput Surv 35(2):114–131

8. Hippner H, Rentzmann R (2006) Text Mining. Informatik-Spektrum 29(4):287–290

9. Passant A, Hastrup T, Bojars U, Breslin J (2008) Microblogging: A Semantic Weband Distributed Approach. In: Proceedings of the 4th Workshop on Scripting forthe Semantic Web, Tenerife, Spain, June 02, 2008

10. Sandler DR, Wallach DS (2009) Birds of a FETHR: Open, Decentralized Micropublis-hing. In: 8th International Workshop on Peer-to-Peer Systems, Boston, MA, April21, 2009

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