migration in gute arbeit oder erwerbslosigkeit? · migration als individuelle oder kollektive...
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Lauf 18.11.2008 1
dgdgKooperationstagung der Ev. Akademie Villigst
mit dem Kompetenzzentrum für Integration,
Bezirksregierung Arnsberg
Prof. Dr. Timo Baas
Juniorprofessur für Makroökonomik
Fakultät für Wirtschaftswissenschaften
Universität Duisburg-Essen
Migration in Gute Arbeit oder Erwerbslosigkeit?
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Einleitung: Migration in der ökonomischen Theorie
� Mikroökonomik
� Migration als individuelle oder kollektive Entscheidung der Haushalte mit dem Ziel der Nutzenmaximierung
� Migration als Realoption die mikroökonomische Entscheidungen (Bildung, Familienplanung, etc.) beeinflusst
� Makroökonomik
� Geschlossene Arbeitsmärkte als Sonderfall der offenen Makroökonomik (Stabilität, Wachstum, etc.)
� Auswirkungen von Migrationsentscheidungen auf die Gesamtwirtschaft (Rücküberweisungen, Arbeitsmarkt, Demografie, etc.)
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VERORDNUNG (EWG) Nr. 1612/68
Die Freizügigkeit der Arbeitnehmer muss innerhalb der Gemeinschaft spätestens am Ende der Übergangszeit gewährleistet sein. Dies schließt die
Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhend en unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohn ung und sonstige Arbeitsbedingungen ein
sowie das Recht für diese Arbeitnehmer, sich vorbehaltlich der aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigten Beschränkungen innerhalb der Gemeinschaft
zur Ausübung einer Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis frei zu bewegen .
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Einleitung
� Ist diese Frage für eine große Volkswirtschaft wie Deutschland überhaupt relevant?
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Warum beschäftigt sich die Ökonomie mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit?
� Anzahl der EU-8 Staatsbürger in der EU-15 ist seit 2003 von 870.000 auf 2.150.000 Personen stark gestiegen
� Nettozuwanderung von 210.000 Personen p.a.
� Erhebliche Dynamiken
� Während DE und AT vor der EU Osterweiterung 60% und GB und IRL 18% der Migranten aus den EU-8 Staaten
� Nach der Osterweiterung erhalten GB und IRL 70% und DE und AT nur 18% der Migranten aus den EU-8 Staaten
� Zu erwartende Auswirkungen sind als bedeutsam einzustufen
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und eine veränderte Struktur der Mobilitätskosten…
� Die Kosten der Migration haben sich in den letzten Jahren stark verändert
� „Billigflüge“ erlauben eine Arbeitsaufnahme auch in mittlerer Entfernung
� Transportkosten werden hierdurch unabhängig von der Entfernung
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… werfen viele Fragen auf:
� Wie wirkt sich die Zuwanderung auf den deutschen Arbeitsmarkt aus?
� Wie hoch ist die Zuwanderung aus den EU-8 nach Auslaufen der Übergangsfristen?
� Welche persönlichen Charakteristiken weisen die Migranten aus?
� Welche Folgen ergeben sich durch die politische Entscheidung für oder gegen eine Arbeitsmarktöffnung für die Beschäftigung in Deutschland?
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Wanderungsprognosen für 2011 und 2012
� Beachtliche Bandbreite der Prognosen
� IFO
� Mehrere Millionen Zuwanderer in den ersten Jahren
� Institut der deutschen Wirtschaft
� Zuwanderung von 466.000 in 2011 und 614.000 in 2012
� Nettozuwanderung 799.000 in 2011/2012
� IAB
� Hohes Szenario 134.000 in 2011 und 121.000 in 2012
� Mittleres Szenario 101.000 in 2011 und 91.000 in 2012
� Niedriges Szenario 51.000 in 2011 und 47.000 in 2012
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Verändert sich die Altersstruktur des Arbeitsangebotes durch Migration?
� Migranten aus den NMS-8 Staaten sind deutlich jünger als die einheimische Erwerbsbevölkerung
� In Großbritannien sind 83 Prozent der erwerbstätigen NMS-8 Migranten unter 35
� In Deutschland sind 42 Prozent der beschäftigten NMS-8 Migranten unter 35
� Die Gruppe der 15-24 jährigen Migranten geht in Deutschland seit 2000 stark zurück
� Die Altersstruktur der NMS-8 Migranten gleicht sich in Deutschland der der Einheimischen an
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Welche Erwerbsbeteiligung weisen Migranten auf?
� Die Erwerbsbeteiligung von NMS-8 Migranten ist in Großbritannien und Irland höher und in Deutschland niedriger als die der Einheimischen� NMS-8 Migranten in Großbritannien weisen eine
Erwerbsquote von 85 Prozent (76 Prozent Einheimische) auf
� NMS-8 Migranten in Deutschland weisen eine Erwerbsquote von 74 Prozent (76 Prozent Einheimische) auf
� Die Differenz zwischen den Erwerbstätigen in der BA-Statistik und dem Eurostat LFS ist hoch� Hoher Anteil von NMS-8 Migranten die nicht von der BA-
Statistik erfasst werden (Selbstständige, etc.)
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Erwerbsstatus
Ausländer aber
Bürger eines anderen
EU-15-Landes
Ausländer aber
Bürger eines
NMS-8-Landes
Insgesamt
in Prozent
Vereinigtes KönigreichErwerbsquote 76,7 85,4 75,7
Arbeitslosenquote 7,9 4,7 7,7
IrlandErwerbsquote 72,0 84,4 70,2
Arbeitslosenquote 12,1 18,3 12,0
DeutschlandErwerbsquote 76,6 74,1 76,9
Arbeitslosenquote 9,1 10,3 7,8
Quelle: European Labor Force Survey
Erwerbsstatus von NMS -8 Migranten
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Qualifikationsstruktur der Migranten
� Hohes Bildungsniveau in den Herkunftsländern
� Hoher Anteil an Hochschulabsolventen (ISCED 5-6)
� Anteil der frühen Schulabgänger in den Herkunftsländern sinkt erheblich
� Probleme bei der Anerkennung von Abschlüssen in den Zielländern
� 54 Prozent der Bildungsabschlüsse in Großbritannien und 36 Prozent der Bildungsabschlüsse in Deutschland werden nicht berücksichtigt
� Zahl der Migranten mit abgeschlossener Berufsausbildung ist sehrgering
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ohne Berufs-
abschluss
mit Berufs-
abschlussAbitur
Hochschul-
abschluss
Ausbildung
unbekannt
In Prozent
Bevölkerung in
Deutschland12.54 52.87 7.00 10.56 17.03
EU-Beitrittsstaaten vom
1.5.200415.28 30.46 6.92 11.14 36.20
Polen 16.35 28.59 6.66 9.13 39.28
Quelle: Statistik der Bundesagentur für Arbeit
(2010)
Qualifikationsniveau der Migranten / Einheimischen in Deutschland
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Modellergebnisse
� Migration aus den EU-8 Staaten führt zu einer Erhöhung des BIP und des BIP pro Kopf
� Konsum der Haushalte steigt überproportional
� Annahme einer Lohnkurve bedingt sinkende Löhne und steigende Arbeitslosigkeit
� Migration und Rücküberweisungen von Migranten führen zu einem Anstieg des Handels
� Gesamtwirtschaftliche Effekte sind proportional zur Erhöhung der Erwerbsbevölkerung
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Gesamtwirtschaftliche Effekte der Migration Niedriges Szenario
Veränderung zum Basisszenario in Prozent
BIP 0.41
BIP pro Kopf 0.04
Konsum 0.42
Steuern 0.42
Exporte Intra-EU 0.38
Exporte Extra-EU 0.41
Importe Intra-EU 0.48
Importe Extra-EU 0.46
Löhne -0.15
Erwerbspersonen 0.59
Veränderung zum Basisszenario in Prozentpunkten
Arbeitslosenquote 0.07
Quelle: Eigene Berechnungen
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Sektorale Effekte
� Veränderung der sektoralen Produktionsstruktur� Überproportionale Ausdehnung der Produktion öffentlicher
und privater Dienstleistungen
� Überproportionale Ausdehnung der Produktion des Industriesektors
� Unterproportionale Ausdehnung der Produktion der Land- und Forstwirtschaft
� Simulationsergebnisse beruhen auf der Annahme einer eingeschränkten sektoralen Arbeitskräftemobilität
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Niedriges Szenario
Land- und Forstwirtschaft 0.37
Fischerei und Fischzucht 0.27
Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 0.44
Herstellung von Waren 0.42
Energie- und Wasserversorgung 0.40
Bauwirtschaft 0.43
Handel, Instandhaltung und Reparatur 0.42
Beherbergung und Gaststätten 0.44
Verkehr- und Nachrichtenübermittlung 0.40
Keditinstitute und Versicherungen 0.41
Grunstücks- und Wohnungswesen 0.37
Öffentliche Verwaltung, Sozialversicherung 0.47
Erziehung und Unterricht 0.47
Gesundheits-, Veterinär- und Sozialwesen 0.46
Erbringung sonstiger Dienstleistungen 0.42
Private Haushalte 0.50
Quelle: Eigene Berechnungen
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Gründe der hohen Beschäftigungswirkung
� Übergangsfristen zur Arbeitnehmerfreizügigkeit betreffen lediglich den Arbeitsmarktzugang
� Niederlassungsfreiheit ermöglicht es als Selbständiger oder Unternehmer tätig zu werden
� Anteil der EU-8 Inhaber von Handwerksbetrieben ist von unter 3.000 im Jahr 2004 auf knapp unter 40.000 im Jahr 2010 angestiegen
� Hohe Untererfassung der EU-8 Beschäftigten in der Beschäftigtenstatistik (35,7 zu 14,8 Prozent)
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Zusammenfassung
� Zuwanderung aus den EU-8 Staaten bleibt hinter den Erwartungen zurück
� Arbeitsmarktwirkung der Zuwanderung ist gering
� Beschäftigung von EU-8 Staatsbürgern ist dennoch stark gestiegen
� Legalisierungsprozesse
� Aufgabe der Selbstständigkeit
� Hoher Beschäftigungszuwachs insbesondere im Baugewerbe