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Mitschrift Andrea Mayer-Edoloeyi http://www.andreame.at VL Zeit und Ewigkeit Vorlesung Prof. Gruber Sommersemester 2009 4.3.09 Einleitung Norbert Elias: In alten archaischen Ritualen und Vorgängen werden die unsichtbaren, aber wirksamen Götter dargestellt; numinose Wirklichkeit wird anschaulich. Christliche Tradition distanziert sich von diesen bildhaften Darstellungen – Gott ist der bildlose, die alles bestimmende Wirklichkeit, der eine Gott, der Schöpfergott – Gott, die bestimmende Wirklichkeit über die Zeit. Zeit ist nicht von der Transzendenz losgelöst. Zeit ist immer Produkt, Effekt, Ausdruck von Ewigkeit -> Verändern der Relation von Zeit und Ewigkeit. Zeit ist kein eigener Gott mehr. Alles, was in der Zeit passiert, ist gottbestimmt, alles Geschehen hat letzte Ursache, die auf das Göttliche zurückgeführt wird. Heute: Radikale Säkularisierung der Zeit. Gott nicht mehr verstanden als Herr der Zeit, der Mensch selbst wird zum Herrn der Zeit. Die Immanenz der Zeit: Was war vor dem Urknall – mit dem Urknall entstand die Zeit. Wenn wir Zeit beschleunigen, schrumpft die Zeit. Alltägliche Erfahrung der Postmoderne, Spätmoderne. Selbst die Zukunft ist kein Gestaltungsraum mehr, die Gegenwart wird zur eigentümlichen Gleichzeitigkeit von Vergangenheit und Zukunft. Die Zukunftserwartung wurde anders als vor 200 Jahren – wir können nicht mehr sagen, was morgen sein wird, morgen es ganz anders sein kann -> Komplexität. Heute fast wieder geschichtslose Zeit. Zeit – Grundbegriff der Theologie Zeit ist konstituiert mit Schöpfung, Form der Lebensbedingung für alle Geschöpfe. Im Anfang wurden Raum und Zeit konfiguriert. Zeit ist nicht Ewigkeit wie im griech. Denken – Zeit ist christlich mit Geschöpflichkeit 1/37

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Mitschrift Andrea Mayer-Edoloeyi http://www.andreame.at

VL Zeit und EwigkeitVorlesung Prof. Gruber Sommersemester 2009

4.3.09

Einleitung

Norbert Elias: In alten archaischen Ritualen und Vorgängen werden die

unsichtbaren, aber wirksamen Götter dargestellt; numinose Wirklichkeit wird

anschaulich. Christliche Tradition distanziert sich von diesen bildhaften

Darstellungen – Gott ist der bildlose, die alles bestimmende Wirklichkeit, der

eine Gott, der Schöpfergott – Gott, die bestimmende Wirklichkeit über die

Zeit. Zeit ist nicht von der Transzendenz losgelöst. Zeit ist immer Produkt,

Effekt, Ausdruck von Ewigkeit -> Verändern der Relation von Zeit und Ewigkeit.

Zeit ist kein eigener Gott mehr. Alles, was in der Zeit passiert, ist

gottbestimmt, alles Geschehen hat letzte Ursache, die auf das Göttliche

zurückgeführt wird.

Heute: Radikale Säkularisierung der Zeit. Gott nicht mehr verstanden als

Herr der Zeit, der Mensch selbst wird zum Herrn der Zeit.

Die Immanenz der Zeit: Was war vor dem Urknall – mit dem Urknall entstand

die Zeit.

Wenn wir Zeit beschleunigen, schrumpft die Zeit. Alltägliche Erfahrung

der Postmoderne, Spätmoderne. Selbst die Zukunft ist kein Gestaltungsraum

mehr, die Gegenwart wird zur eigentümlichen Gleichzeitigkeit von

Vergangenheit und Zukunft. Die Zukunftserwartung wurde anders als vor 200

Jahren – wir können nicht mehr sagen, was morgen sein wird, morgen es ganz

anders sein kann -> Komplexität. Heute fast wieder geschichtslose Zeit.

Zeit – Grundbegriff der Theologie

Zeit ist konstituiert mit Schöpfung, Form der Lebensbedingung für alle

Geschöpfe. Im Anfang wurden Raum und Zeit konfiguriert. Zeit ist nicht

Ewigkeit wie im griech. Denken – Zeit ist christlich mit Geschöpflichkeit

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gegeben. Holam = Ewigkeit ist gedacht als Dauer, das was immer ist und

bleibt. Biblisch: Gott ist derjenige, der in die Zeit eingeht. Das Göttliche ist

nicht nur das andere der Zeit, sondern wird selbst zeitlich -> Inkarnation.

Markus 1,15: Die Zeit = Kairos ist erfüllt. Dann ist das Reich Gottes schon

nahe gekommen. Kairos bringt in Chronos eine bestimmte Qualität hinein.

Christus: Reich Gottes, Gott ist präsent im Sinn der Kairos-Zeit, im Sinn der

Ereignisse -> Heilungen, Mähler, Begegnungen, ... als qualifizierte Kairos-

Zeichen, die die Chronos-Zeit neu ausrichten.

Zeit ist kultureller Code, wir erleben Zeit und Zeitkonzepte (Kalender) als

unveränderlich. Wocheneinteiligung ist Konvention, ein Code, mit dem wir

Ordnung schaffen, Zeit strukturieren. Kalenderreformen am Beginn neuer

Epochen!

Literatur zum Thema

siehe Powerpoint-Folie

1. Was ist Zeit I. Phänomenologische und

sozialwissenschaftliche Zugänge

1.1.Zeiteindrücke

Zeit als Konstrukt: 7-Tage-Woche von den Sumerern erfunden und den

JüdInnen übernommen.

Kalenderzeit.

Unterschiedliche Zeitkulturen.

Zeitmomente: Chronologische und kairologische Dimension der Zeit.

Zeiterleben: „Die Zeit“ ist Abstraktum, dass es nicht gibt. Unterschiedliche,

subjektive Befindlichkeiten.

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1.2. Kurze Geschichte der Zeiterfahrung

Lineare und zyklische Zeit.

1.2.1. In illud tempore: Profane und mythische Zeit

Radikaler Unterschied zw. mythischen Kultur und uns in der Zeitwahrnehmung.

Mythos: in illud tempore. „Im Anfang“ ist keine histor. Zeitbestimmung,

sondern „im Ursprung“, „in principio“. Es gibt Alltagszeit, aber Vorrang der

mythischen Zeit. Heilige Zeit ist Urerinnerung der Zeit vgl. Kirchenjahr. Mythos

erinnert nicht Vergangenheit, sondern die Gegenwart des Ursprungs. Vgl.

Märchen „Es war einmal ...“ = immer, das was immer gilt „Und wenn sie nicht

gestorben sind, dann leben sie noch heute ...“ - Kontrast gegenüber die histor.

Zeit.

Ägypten:

Nil – Nilüberschwemmung.

Jd. Pharaokrönung war nicht nur Machtwechsel, sondern Beginn eines neues

epochalen Zyklus. Sonnenlauf ist mythisches Geschehen, einer Dramaturgie

von Leben und Sterben. Sonnengott wandelt sich 3 x pro Einheit (Aufgang –

am höchsten – Untergang der Sonne). Liturgie war am Sonnenlauf

ausgerichtet, er soll erhalten werden und nicht durcheinanderkommen.

Sonnenfinsternisse waren fürchterliche Ereignisse. Zeit hat keine profane

astronomische Funktion, sondern sakrale Funktion.

Assmann: Zwei Begriffe von Ewigkeit:

• Neheh = Zeitqualität der ewigen Wiederkehr = Bewegung in der Zeit,

Zeitenlauf, Jahreslauf

• Djet = Bleiben, Dauer, Erde

Sumerer:

Hatten fast schon Interesse an Geschichte. Zweistromland: Trockenheit &

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Überschwemmung. Interesse an der Astrologie – Vorwegdeutung der Zeit

durch die Priester, Antizipation der Zeit.

Mittelalter: Die Welt war 6000 Jahre alt. Man dachte, dass 1000 Jahre lang der

Satan freigelassen werde und dann das Ende der Welt kommt –

Jahrtausendwende, Glaube an den Weltuntergang. Symbolische Konzeption!

Dieses Denken gibt es bis heute z.B. Zeugen Jehovas -> verändert völlig das

Lebensgefühl.

Was soll heute „Ende der Welt“ & andere symbolische Zeitsignaturen?

Herausforderungen der Hermeneutik. Mythos ist zu Ende. Im Mythos bin ich

drin, bei der Frage danach bin ich aus dem Mythos draussen.

Heute gehen autochtone Steinzeitkulturen zugrunde, wenn sie mit unserer

Kultur in Berührung kommen. Kulturen gehen so zu Ende.

Eliade: Mythos ist Kognitionsstruktur einer Kultur, Mythos ist

grundlegende Regelung, wie wir Wirklichkeit denken, handeln, Rituale

vollziehen. Performatives Verständnis. Mythos wollte nie Information sein.

Eliade: Funktion des Neujahrsfestes in Babylon „Aikito“ - ständige

Rezitiation des Schöpfungsmythos. Wirklichkeit entsteht aus Süß- und

Salzwasser - Götterhimmel entsteht - Kämpfe – Babylon wiederholt im

Neujahrsfest die Dramaturgie der Entstehung -> existentielle Dimension ->

Osterfest: Finsternis und Licht, Chaos und Heil. Das Jahr in Babylon wird

erneuert – kairologische Füllung bei uns auch zu Sylvester.

Wenn Menschen keine Rituale haben, fallen sie in Trauer, weil sie nicht mehr

artikulieren können, was sie bedrückt. Liturg. Handeln ist

komplexitätsreduziertes Handeln zur Entlastung vom Dauerpalaver, gegen die

Dauerdistanz der kognitiven Reflexion.

Entwertung der profanen Zeit – Markierung bestimmter Zeiten mit Qualitäten

z.B. Geburtstag. Geburtstag erinnert den Tag als ich auf die Welt gekommen

bin.

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Geschichtskulturen und Zeitvorstellung

Neue Vorstellung der Zeit. Entscheidend ist die Zeit der Kultur selbst, der

Blickwinkel ändert sich. Jüdisches Volk brachte seine Geschichte mit

monotheist. Konzeption zusammen. Nicht mehr die Wiederkehr des

Ewiggleichen, sondern Geschichtszeit des Volkes und erwartete Zeit des Neues

ist entscheidend. Leidenserfahrung des Volkes ist Dramaturgie der

Zeiterfahrung: Exodus, Exil, Landnahme, Eschaton, ... Schemata zur

Einordnung der Zeit. In mythischer Kultur wird Göttergeschichte memoriert, in

Israel wird Volksgeschichte memoriert, wird zum Muster der

Sakralgeschichte: Geschichte des Gehens Gottes mit dem Volk.

Schöpfungstradition brauchte Entsakralisierung, Natur ist profan, Stück Welt, in

ihr gibt es nichts mehr Göttliches. Erste Aufklärung.

Für uns heute auch befremdlich.

Geschichtsbewusstsein kommt aus dem Jüdischen, wurde übers Christentum

ins griechische Denken transportiert. Hesiod schrieb nur Exemplargeschichte,

aber die Geschichte ansich hat ihn nicht interessiert.

Mittelalter

Viel Wald, wenig Häuser, wenig Bilder, wenig Zivilisation, ... in Mitteleuropa.

Bäuerliche, einfache Lebensweise. Keine komplexe Stadtkultur der Antike. Da

entsteht die christliche Welt. Eigene Qualität romanischer Kirchen: Ruhe,

Harmonie der Rundbögen.

Mensch bekommt die Zeit geliehen, Zeit ist sakrale Kategorie. Leben ist

vergänglich, sündig, gefallen, gebrochen, ausgerichtet auf das Kommen

Gottes, auf das Gericht, wo die Weltzeit zu Ende kommt.

Zeit hatte keine Uhr, keinen Geldwert.

Individuum war Teil eines Größeren. Fortführung der Familientradition.

Apokalypt. Vorstellungen zum Jahrtausendwechsel. Welt war sozial ausser

Rand und Band. Armutsprediger, Bussprediger.

Zeit ist im Besitz Gottes -> Zinsverbot. Wir dürfen mit Zeit nicht Geld

machen, weil wir Zeit nicht besitzen.

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11.3.09

Die europäische Vormoderne

1.2.3. Die Zeit beginnt zu laufen – Zeitkultur der „Neu-Zeit“

Als die Zeit eine Uhr bekommt. Uhren als High-Tech-Produkte der Zeit.

Vorher waren Sonne und Mond entscheidend -> Neukonfiguration der Zeit.

„Zug der Zeit“ - Zeit wird Erfahrung von Beschleunigung durch die

Quantifizierung der Zeit. Die Neuzeit wird mit der Glocke des Uhrturm

eingeleitet.

Zeit wird ein Faktor für die Wirtschaft, ein Faktor, der berechnet werden muss.

Handel mit Fernost. Kontakt zwischen ProduzentIn und KonsumentIn

aufgebrochen – Zeit wird zum Faktor der Kalkulation. Bankhäuser.

Verknüpfung von „Zeit“ und „Geld“. Ware wird zum Zeitfaktor

umgerechnet. Benjamin Franklin: „Bedenke, dass Zeit Geld ist“.

Zeit wird zum sozialen Gut. Kinder werden auf abstrakte Zeit getaktet.

Wer über die Zeit anderer bestimmen kann, ist der Chef -> das ist ein

Marker für Macht. Darum kommen PolitikerInnen zu spät als

Machtdemonstration. Es hat Jhdt. gedauert, bis die EuropäerInnen zeitfähig

geworden sind.

Pünktlichkeit wird erst ein Wert ab der Aufklärung, mit der Schulerziehung.

Fleiß und Pünktlichkeit sind klassische Tugenden. Damit wurde die Zeit

sozialpsychologisch knapper, weil sie organisiert wird.

Zeit ruft Geschichtsbewusstsein hervor. Davor war die christliche Kultur

relevant, dass die Welt vor 6000 Jahren erschaffen wurde. Es gab keine

synchronisierte Weltzeit, sondern eine sakrale Zeit aus der Bibel. Dort

schwamm die profane Zeit mit. Menschen rechneten mit dem Endgericht, die

Geschichte kommt vors Endgericht. Es gab keine Zukunft, es gab das morgen.

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Geschichte war Exemplargeschichte, Familiengeschichte wird als

Ereignissgeschichte erzählt. Zukunft gab es nicht.

Im 17./18.Jhdt. Säkularisierung der Zeit: Fortschrittsidee und

Universalgeschichte werden dominant. Der Mensch ist der Herr der Zeit,

nicht mehr Gott.

Löwith: Neue Zeit ist die Säkularisierung der christlichen Eschatologie,

an die Stelle des Endgerichts, Himmels tritt jetzt der Fortschritt. Zukunft, die

besser, endlich vollkommen wird (-> Marx).

„Sattelzeit“ zwischen 1750 und 1830 (Kosselek): Sattel wird überschreitet

und man kann nicht mehr zurück. Wir sind eine Menschheit. Wir tackten die

Zeiten der Völker auf eine gemeinsame Universalgeschichte,

Weltgeschichtskonzeption aus der europäischen Perspektive, die in der

Kolonialisierung verbreitet wird, aber nicht global ist. Bsp. andere Perspektive

aus China. Enthnozentrisches, europäisches Konstrukt mit unserem Kalender,

der anderen aufgedrückt wird über die UNO.

Die Hunnen und Napoleon waren in ihren Kriegszügen nicht schneller.

Geschwindigkeit verdichtet Räume, so entsteht Bewusstsein der Einheit der

Räume der Welt.

Religion muss lernen in zwei Zeitwelten zu leben, sonst wird sie

weltfremd. Bsp. Osternacht JC gestern-heute-morgen ist unverständlich in

profaner Zeitordnung aufgrund der sakralen Struktur. Beschleunigung bringt

das religiöse System unter Druck.

1.2.3. „Beschleunigung“ – Zeitkultur der Moderne

Teilchenbeschleuniger in Genf.

Hartmund Rosa: Veränderung der Zeitstruktur in der Moderne

Modernisierung ist Beschleunigung. Beschleunigung ist die Ursache für

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Modernisierung.

Drei Beschleunigungskreisläufe:

– Technische Beschleunigung: intentionale B. zielgerichteter Prozesse

– Beschleunigung des sozialen Wandel = Steigerung der Verfallsraten von

handlungsorientierenden Erfahrungen und Erwartungen und Verkürzung der

Funktions-, Wert- und Handlungssphären, die als Gegenwart (im

zeitpsychologischen Sinn) wahrgenommen werden. Mit der Verfallszeit wird

die Gegenwart kürzer, z.B. PCs.

Tempo des Wandels hat sich von intergenerationalen

Veränderungsgeschwindigkeit in der Frühmoderne über dieine Phase

annähernder Synchronisation mit der Generationsfolge in der klassischen

Moderne zu einer in der Spätmoderne intragenerational gewordenen

Tempo gesteigert. Bsp. Lebensfremde 40j. gegenüber Jugendlichen.

– Beschleunigung des Lebenstempos = Zunahme der

Handlungsgeschwindigkeit und strukturell versus Veränderung der

Zeiterfahrung des Alltagslebens. Bsp. Handy.

Grafik Triebkräfte siehe Folie

Motor der ökonom. Beschleunigung ist das Geld.

Motor der Beschleunigung des sozialen Wandels ist die funktionale

Differenzierung.

Motor der Beschleunigung des Lebenstempos ist die Kultur, die Verheissung der

Beschleunigung. Verheissung der Beschleunigung ist Prosperität =

Reichtum. Marianne Gronemayer: Mein Leben ist die letzte Gelegenheit. Zeit

ist das einzige, was ich im Leben habe, wenn ich das nicht habe, habe ich

verloren. Für christlichen Menschen ist Zeit eigentlich immer entschleunigt: Der

Tod ist die Eröffnung einer anderen, nicht endlichen Zeit. In Säkularisierung ist

Unendlichkeit kein Faktor mehr. Überlappung funktioniert nicht mehr Bsp.

Ablass – kein Zufall, dass das an der Wende zur Neuzeit passiert ist.

Ablass ist heute das, was die Kulturindustrie vorgibt. Gutscheine, Bons, ...

wenn du bis zum XX. in das Geschäft kommst. -> Stress und Druck, weil die

Zeit immer dieselbe ist.

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1.2.4. „Rasender Stillstand“ - Zeitkultur der Spät-/Postmoderne

Kommunikation in Echtzeit und globale Synchronie: Internet, Email.

Zeitverschiebung, die real existiert, existiert nicht mehr.

In der Echtzeitkommunikation wird alles gleichzeitig.

Kürze der Zukunft, über 10 Jahre kann man nicht mehr hinausdenken.

Zeit kommt in eine Art Stillstand: rasender Stillstand.

Verlust des Geschichtsbewusstseins.

Von der Zukunfts- und Trendforschung: nur mehr Trendforschung, keine

Zukunftshoffnung mehr wie Marx und Bloch. Am Ende der Zukunftshoffnung

steht die Entschleunigung lt. Marx.

Entwertung von Wissen und Tradition. Aber heute kommt man in den

Firmen wieder drauf, dass von den 25 -35jährigen nicht alles zu haben ist.

Immerwährende Gegenwart: Nichts bleibt wie es ist, aber es ändert

sich nichts. Ständiges technisches Umlernen, ständige Veränderung, aber auf

tieferer Ebene ändert sich nichts mehr.

Entschleunigungstendenzen. Unterbrechen geht nur im Unterbrechen des

Kreislaufes. Dazu müsste aber die technische Beschleunigung gestoppt

werden, das ginge nicht ohne Zusammenbruch.

„Zeitkrankheiten“

Vergessen: Wir können keine präzisen Geschichten mehr erzählen und uns

diese merken. Kein Sinn mehr für die Qualität von Information, die Selektivität

macht uns vergesslich.

Fragmentierung: Wir leben zig Rollen. Darum der Schrei nach

Ganzheitlichkeit.

Depression ist die Zeitkrankheit der Gegenwart, Unerträglichkeit von

Augenblick zu Augenblick, die Erfahrung jede Sekunde vergeht.

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Die „Gegenwart“ als Signatur der Erlebnisreligiosität: Apokalypt. und

utopische Religiositäten leben in der Zukunft, Kairos hebt die Gegenwart

heraus; aber Menschen können nur mit der Gegenwart angesprochen werden.

-> Eventkultur: Event als qualifizierte Zeit der Zusammengehörigkeit.

Individualisierte Menschen leben traditionslos, darum werden Ereignisse zum

Event, zur angereicherten Heilszeit. Events werden erzeugt, um genau diesen

Effekt herzustellen.

2. Was ist Zeit II? Naturwissenschaftliche Zugänge

Zeit im Kontext von Theologie und Naturwissenschaft

Naturwissenschaftlicher Zeitbegriff bringt die trad. Eschatologie durcheinander.

Revolution unseres Weltbildes. Theologie als Reflexion der Religion ist massiv

herausgefordert.

Galilei und Newton: Das physikal. Modell der absoluten Zeit – unabhängig von

den Dingen. Zeit ist ein absolutes Maß, innerhalb dessen sich etwas ereignet.

Alle Ereignisse werden auf eine homogene Zeit umgedacht.

Ist Zeit eine Welle oder Licht? Analyse der Geschwindigkeit des Lichts – Frage:

Wie schnell ist Licht? Licht dürfte dann eine variable Grösse sein, wenn ich es

mit einem System in Bewegung korreliere.

E 19.Jhdt: Hineinrechnen der Erdrotation. Egal ob ich hier oder dort messe,

das Licht ist immer gleich schnell.

Einsteins Paradigmenwechsel:

Lichtgeschwindigkeit ist konstant. Relativitätstheorie: Zeit ist abhänig von der

Bewegung von Initialsystemen. Zeit ist von Bewegung abhängig – bisher

unabhängig gedacht. Je schneller ich mich bewege, umso schneller vergeht die

Zeit. Zwillingsparadoxon: Reise zur anderen Galaxis. Zeit und Raum wird

miteinander verknotet. Veränderte die Physik radikal.

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Irrelevant im Alltag, aber anderes Verständnis des Kosmos – kein Anfang und

Ende. Inflationäre Zeit im Urknall.

Zeitkonzept der Physik und des Kosmos spiegelt sich zurück in unsere

Auffassung von Welt: Kosmische Geschichte wird Art mythische Geschichte.

Zeit ist nicht gerichtet, aber wird so von den Physikern erzählt. Differenz von

Anfang und Ende, Irreversibilität. Kosmos ist eine endliche Größe.

Biologische Zeitkonzepte:

Zyklische und linare Zeit sind verschränkt, z.B. Biorhythmen.

Bewusstsein von Evolutionszeit, Zeit ist leeres Band, dass unendlich gross ist.

Auswirkung auf das allg. Zeitbewusstsein. Evolution - Anthropolog.

Konsequenz: Einzelleben ist bedeutungslose Mikrosekunde. Gattung Mensch

nur als Durchgangsphänomen.

Die zeitlose Zeit der Evolution - „Chrono-kratie“?

Biblische Tradition macht die Geschichtszeit zur Sakralzeit, Profangeschichte

wird Heilszeit. Wenn aber die Geschichtszeit zerfällt, zerbricht dieses Modell mit

Gott dahinter.

Literatur zum Thema

siehe Folie

3. Was ist Zeit III?

Zur Philosophie der Zeit und Ewigkeit

3.1. Die Metaphysik der Zeit

Parmenides: Aufhebung der Zeit im Begriff des „Seienden“. Im Seinenden ist

keine Veränderung, darum muss es immer sein, es hat keine Zukunft, ist

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immer ganz -> Wahrheit und Identität sind zeitlos: Das was ist, ist das was ist

und verändert sich nicht. Zeitdualismus: Identität als zeitlos gedacht, schafft

Probleme bei Veränderung. Wenn Wahrheit sich verändert, war sie nie

Wahrheit. Das was Seiend ist, ist radikal das Unveränderliche.

Platon: Ontologische Ordnung. Annahme von identitätsbeständiger, zeitloser

Wirklichkeit = Welt der Ideen. Daneben veränderliche Welt. Ziel ist

Reinkommen in die Welt der Ideen.

Chronos und Aion: Zeit = Chronos ist das aionhafte Abbildbild des im Einen

verharrenden aion, da nach Zahl fortschreitet. Zeit war als Einheit darstellbar

= unbewegte Zeit. Ewigkeit ist das Prinzip der Ideen, dort wo wird die Zeit am

nähesten an der Ewigkeit wahrnehmen, ist die Zeit der Gestirne. Chronos ist

das Abbild vom Abbild der Gestirnsbewegungen, die ewigen Ideen sind das

Immergleiche.

Aristoteles: Zeitbegriff: Zahl der Bewegung. Quantifizierung. Zeit ist Zahl der

Bewegung, Bewegung der Körper.

Unterscheidung früher/später wege nder Seele = Psyche als Einheit von Leben

und Bewegung. Zeit ist etwas subjektives.

18.3.09

Augustins Zeitphilosophie

Tradition der plotinischen und platonischen Tradition, kennt Aristoteles (Zeit als

Maß der Bewegung, Äon).

Eion/Ewigkeit griech. = Einheit der Wirklichkeiterfahrung einer

Lebensspannung. Unser Ewigkeitsbegriff dt. ist geprägt von linearem

Verständnis.

Zeit gibt es gar nicht, existiert nicht -> Zurückführung der Zeit auf das

Subjekt. Auch lt. Aristoteles ist das Zählen eine Aktivität des Geistes, darum ist

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Zeit das Maß des Geistes und nicht etwas objektives. Erst bei Augustinus

kommt es zu einer Gesamtkonzeption der Rückführung auf das Subjekt.

Berühmter Text: Kapitel 11 in den Confessiones

Gottes Ewigkeit ist der Rahmen der Zeit (Zeitlosigkeit und Einheit der

Zeitmodi). Zeit ist selbst eine geschöpfliche Wirklichkeit, Zeit hat mit der

Schöpfung begonnen. Was ist vorher? Für solche Fragen hat Gott die Hölle

geschaffen, das ist eine sinnlose Frage. Zeit kann vor der Wirklichkeit nicht

existieren (hat die Quantenphysik bestätigt).

Was ist Zeit? Die berühmte Frage Augustinus in den Bekenntnissen. Die

Zeitmodi (Vergangenheit, Zukunft, Gegenwart) und ihr ontologischer, prekärer

Status; ontologisch existiert Zeit nicht, Vergangenheit gibt’s nicht mehr,

Zukunft gibt es noch nicht, Gegenwart ist die nicht feststellbare

Übergangszone zwischen Vergangenheit und Zukunft -> die drei Zeitmodi

sind sprachliche Täuschungen -> Gegenwart der Vergangenheit, Zukunft

der Vergangenheit, Gegenwart des Gegenwärtigen. Legitim ist es von drei

Zeitmodi zu sprachen, aber es gibt eine „Dreiheit in der Seele“ und anderswo

sieht er sie nicht.

Zeit ist eine Ausdehnung. Aber was sie ist, weiss er wieder nicht. Wenn wir

ein Lied singen, entsteht ein Eindruck der Ausdehnung der Zeit, da kommt eine

eigenartige Einheit zum Ausdruck. Präsenzbewusstsein daudert 2-3 Sekunden,

so nehmen wir im Liedsingen Gegenwart wahr.

Zeit ist Erinnerung/memoria, Erwartung/expectatio, Wahrnehmung/

attentio – sind Gegenwartsphänomene, die sich erstrecken, aber so wird

Gegenwart erfassbar.

Diese Ausdehnung ist für A. ein Mangel, eine schlechte Qualität der

Wirklichkeit. Geist ist immer zerstreut, lebt nicht in der fokussierten

Gegenwart, bringt den Menschen nicht aus der Zerfahrenheit heraus. A. hat

keinen qualitativ positiven Zugang zur Zeit.

Vor diesem Hintergrund hebt sich die Zeit Gottes, die Ewigkeit ab. In der

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Zeit Gottes hat der Mensch seine Befreiung aus der Zerfahrenheit. Zeit ist

Durchgang, Abfall, Erprobungsraum. Es gibt nur eine Lösung: Die Lösung der

Heilsgeschichte: Weil Gott selbst in die Zeit eingegangen ist, darum ist gibt

es eine Brücke zwischen der Zeit des Menschen und der Ewigkeit. Ziel der

Erlösung ist es, aus der Zeit herauszukommen. Radikale Umorientierung

gegenüber dem Judentum. Damit hat das Christentum den Sinn für die

konkrete Geschichte verloren, Gegentendenz ist aber in der Apokalyptik da

(Eingeständnis, Gott hat seine Geschichte verlassen).

Nähe zu asiatischen, buddhistischen Traditionen in der Fokussierung auf die

Gegenwart.

3.2. Die Subjektivierung der Zeit in der Philosophie der Neuzeit

Kant: transzendentalphilosophischer Zeitbegriff

Das wir etwas räumlich sehen, ist etwas, was in unserem Verstand abläuft:

Kant nennt das apriorische Anschauung, vor jeder Erfahrung.

Zeit ist innerer Sinn des Geistes, der alles nach vorher/nachher

unterteilt. Wir nehmen alles zeitlich wahr. (Auch der Raum hat

Einheitsfunktion, Organisationsfunktion). Raum und Zeit haben in Bezug auf

die Dinge an sich nur ideale Bedeutung, nur bedeutsam in der Wahrnehmung.

Ewigkeit hat keinen objektiven, sondern einen regulativen Status.

Objektive Erkenntnis ist entweder logisch oder empirisch, immer mit

der Raumzeitlichkeit verbunden. Darum kann man Ich, Welt, Gott, ... nicht

wahrnehmen. Das sind aber keine Erkenntnisbegriffe in der reinen Vernunft:

Seele, Ich, Freiheit, ... Der Begriff Welt reguliert alles, was wir sinnlich

erkennen, ereignet sich innerhalb der Welt, Welt ist der Grenzbegriff aller

sinnlichen Erkenntnis, Welt als solches kann ich nicht erkennen, der Begriff

Welt ist ein synthetisierender Begriff. Der Begriff Gott synthetisiert alles auf

eine erste Ursache, einen ersten Grund – aber keine Anschauung, die

notwendig wäre für eine objektive Erkenntnis.

-> Revolution des theologischen Sprechens von Ewigkeit. Ewigkeit ist

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missverstanden als Begriff unendlicher, fortgesetzter Dauer, so ist es nur

Projektion, dass etwas nicht aufhört. Phil. und theolog. Begriff ist das nicht.

Für K. ist Ewigkeit ein Begriff der praktischen Vernunft. Nicht-Zeit.

Theoretisch nicht fassbar, nur praktisch. Der Mensch ist von seiner

Subjektivität her auf Ewigkeit angelegt, der Mensch strebt nach Glück und dem

höchsten Gut. Das kann er allerdings im sittlichen Handeln nicht einlösen. Das

ist Widerspruch in der Moralpraxis. Begriff Ewigkeit hat praktische Dimension.

-> Eschatologie: Performative Theorie! Wer kann die Ontologie des Jenseits

rational garantieren?

Heidegger „Sein und Zeit“

Problem der Philosophie liegt in der parmenideischen Entgegensetzung von

Sein und Zeit, damit ist die Zeitlichkeit nicht erfasst. Zeit wurde immer als das

Andere des Seins erfasst. H. versucht das menschliche Dasein radikal von der

Zeiterfahrung her zu denken.

Metaphysik: Im Denken verobjektivieren wir, die Denkinhalte werden

eingeebnet, Erkenntnisse der Welt, des Denken, des Subjekts werden wie

Objekte auf den Tisch gelegt -> Das Wesen, dass das alles denkt, ist das

Subjekt, Subjekt ist verstehendes Wesen. Mensch ist das grundlegende

Seiende: Der Mensch ist Dasein. Keine Metaphysik ohne Reflexion auf die

Grundbedingungen des Dasein (=Mensch). Existentialphilosophie (Nietzsche,

...) - Form der Kantischen Ph. kann so nicht mehr gedacht werden ->

radikaler: Der Mensch ist immer zeitliches Wesen, versteht sich als zeitliches

und verstehendes Wesen, der Mensch braucht Erfahrung von Sinn, um

überhaupt da sein zu können.

Der Mensch ist Sorge. Dasein ist Vorlaufen auf die Zukunft, auf den Tod.

Unser In-der-Welt-Sein ist von Augenblick zu Augenblick kommen.

Orientierung auf die Zukunft. Irgendwann kommen wir nicht mehr weiter ->

Der Mensch als das um seine Zeit, seine Zukünftigkeit besorgte Wesen.

Schienen für das politische Denken, z.b. Marxismus.

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Gegenwart ist der entscheidende Augenblick, Extase und Entrückung. Der

Mensch kommt in seine Eigentlichkeit. Das Dasein wird aus der Sorge

heraus wesentlich, Sorge macht den Menschen zerstreut, das wird bewältigt

durchs Verlieren an die Zeit, lebt in den Tag hinein, verliert die Fokussierung –

und verliert sein eigentliches Dasein. Eigentlicher und uneigentlicher

Lebensvollzug. Eigentlich wird der Mensch, wenn er sich seines

Vorlaufens auf den Tod bewusst wird. Damit bildet er das Leben als

Ganzheit ab. Durch das Denken an den Tod wird das Leben ganz und der

Mensch wird eigentlich.

Fixierung auf den Tod ist zeitbedingt, z.B. auch bei Wittgenstein, der aber völlig

anders denkt. Existentiales Angespanntsein.

Ewigkeit ist extatische Gegenwart, aber keine ontologische Wirklichkeit,

Ewigkeit ist kein Thema der Philosophie mehr lt. H. Für H. ist das eine Grenze,

die die Philosophie erreicht hat.

3.3. Die „Zeit“ in der dekonstruktivistischen Philosophie

Derridas Kritik der Überwindung der Metaphysik

Wie ist Metaphysik überhaupt noch möglich? als immer wiederkehrende

Grundfrage, antimetaphysianische Philosophie kommt auch nicht aus dem

Bann der Metaphysik heraus, wird selbst metaphysisch.

Aus dem Phänomen der Zeichen kommt man nicht heraus, in den Zeichen liegt

etwas, das über das Zeichen hinausweist, auch morgen kann ich wieder

sprechen. Mit den Zeichen vergewissern wird uns der Präsenz und

Verständigkeit. Das Zeichen ist somit gefährdet ein Zeichen von

Überzeitlichkeit zu werden – aber: Die Bedeutung des Zeichens ist immer auch

nicht präsent. Die Bedeutung ist auch in der Negation mitgegeben.

Signifikat/Signifkant: Signifikant ist z.B. B.a.u.m, das Signifikat ist „Baum“

(das Bedeutete). Ich bedeute etwas mit Zeichen, die Zeichenkonstruktion ist

völlig willkürlich. Zeichen B hat aber keine Bedeutung, entscheidend ist nur,

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dass ich damit etwas sagen kann. Zeichen konfigurieren nicht nur, indem sie

das andere nicht bezeichnen. Darum geht auch T.r.e.e.

Zwischen Signifikat und Signifikant herrscht keine Abbildung, keine

Repräsentation. Zeichen repräsentieren nichts, schon gar nicht ein

überzeitliches Phänomen, keine Dauer.

Wenn man das radikal durchdenkt, dann kommen wir nicht zu einer letzten

Bedeutung. Was ist der Sinn von „Baum“? Lexikonartikel bedingt schon wieder

eine Sprache – Bedeutung hängt von der Bedeutung von der Bedeutung ... ab.

Gefährliches Phänomen, weil wir immer glauben, dass es sowas wie eine letzte

Bedeutung gibt z.B. bei Interpretation eines Textes. Sinn kann man nicht

sagen, Sinn ist offen, morgen kann er schon anders sein in der Bedeutung.

Alles, was wir mit Zeichen bedeuten ist nie abschließbar im Netz der Zeichen.

Es gibt keine Urdifferenzierung. „G.o.t.t“ ist nicht die Urbedeutung für erste

Ursache. Auch der Signifkant Gott kann nicht ohne Zeichen bezeichnet werden,

macht nur Sinn in semantischem Universum. Metaphysik an der Wand.

Wenn ich statt Gott Nichts (Nietzsche, Heidegger) setze, ist das auch sinnlos,

so lässt sich die Metaphysik auch nicht kippen.

Difference ist die Struktur unsrer Zeichen. Nur aus der Differenz kann ich

etwas bezeichnen. Nur indem ich Zeichen hinzusetze oder austausche habe ich

eine andere Bedeutung. Baum -> Bau. Den anderen Signifikanten erreiche ich

nur durch Differenz. Das Sprachspielt funktioniert nur in Difference.

Differance, franz. = unterscheiden, aufschieben. Letzte Bedeutung müssen wir

immer aufschieben. Wir können den Sinn des Bedeutens nie vollständig fassen,

müssen wir immer aufschieben. Radikale Kritik an der Gegenwart! Gegenwart

als Summe der Wirklichkeit ist eine Fiktion. In der Gegenwart da ist nur

die Spur. Bedeuten kommt zu keinen Anfang und keinem Ende. Gegen

Diskurse, die Letztbedeutungen darstellen. Dagegen ist keine Negation setzbar,

weil die Negation schon wieder bezeichnet -> dekonstruktivistische

Philosophie. Im Dekonstruieren wird sofort wieder konstruiert, aber die

Philosophie ist sich dessen bewusst. Metaphysik kann nicht zerstört werden.

Wo ist das Andere, das Nicht-Bezeichnete?

Diskurse haben eine bestimmte Semantik. Der männliche Diskurs hat ein

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bestimmtes Bedeutungsvokabular. Man kann an Diskursen beobachten,

was verschwiegen wird. Nicht Vergessen, sondern Machtfrage. Der Diskurs

der Mächtigen hängt am Ausschluss der Ohnmächtigen. Was wird nicht gesagt,

nicht bedeutet, was wird nicht bezeichnet? Warum? Wenn wir sprechen,

können wir nur das sprechen, was wir sprechen und nicht das sprechen, was

wir nicht sprechen -> das soll uns bewusst sein. Illusion von Letztgültigkeiten

in Diskursen. Hermeneutik, die an kein Ende kommt. Verschiedene Spuren im

Text. Text und Kommentar prägt, er stellt Text und Kommentar nebeneinander.

Das hat mit Zeit zu tun: Idee von Ewigkeit, Präsenz, Absoluten, ...

aufbrechen, immer nur als difference.

3.4. Die messianische Zeit in der

Geschichtsphilosophie Walter Benjamins

Rückgriff auf die bibl. Tradition.

Im Denken selbst muss die Frage der Leidenden vorhanden sein, sonst wird

der Denkprozess wieder ein Denken der Täter.

B. geht vom Begriff der Geschichte aus, Geschichte ist erzählte Zeit. Der

Sinn von Zeit erschließt sich erst über den Sinn von Geschichte.

Geschichte wichtig für Marxismus und Historismus: Sattelzeit s.o. ->

Paradigmenwechsel im Geschichtsbewusstsein der Menschen, Geschichte als

Geschichte gedacht, vorher keine abstrakte Weltzeit -> Verwissenschaftlichung

des Geschichtsbewusstseins. Schock im Ethnozentrismus. Pluralisierung von

Geschichte -> Positivismus: Geschichte wird positiv darstellbar -> Für den

Marxismus ist das nicht aushaltbar, es geht um den engagierten Blick auf die

Leidenden, es braucht endliche eine gerechtere Phase, wo keine Opfer mehr

produziert werden. Enkel sollen es besser haben. Qualitätsbruch zwischen

historistischen und marxistischer Betrachtung der Geschichte – das analysiert

B.: Geschichte des Historismus ist grundsätzlich anders zu verstehen als die

Geschichte in der marxistischen Tradtion: Geschichte ist Eingedenken, sich

der Opfer zu erinnern. Messianisches Verständnis ist auch so geprägt, B.

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führt das zusammen. B. erzählt in den geschichtsphilosophischen Thesen

(posthum gefunden, 28 Thesen) sein Verständnis:

„... gewinnen soll immer die Puppe, die man historischen Materialismus nennt

... die Theologie in ihren Dienst nimmt, die heute klein und hässlich ist ....“ -

Die Puppe gewinnt nur, wenn sie sich die Theologie zu nutze macht.

These 9: „... Bild von Klee angelus novus ... Engel ... Engel der Geschichte ...

Antlitz der Vergangenheit zugewendet ... sieht Katastrophe ... Toten betten ...

Zerschlagene zusammenfügen ... Sturm weht vom Paradiese her ... treibt ...

Trümmerhaufen vor ihm ... das was wir den Fortschritt nennen, ist dieser

Sturm“. Bibl. Begriffe für die Zeiterfahrung, der engagierte Engel sieht nicht

Begebenheiten, sondern Katastrophe sich anhäufen. Engel der Geschichte ist

ein Bild des Judentums, der Engel möchte erwecken, kann es aber nicht, er ist

ohnmächtig.

-> Zugang B. zu Geschichte, nicht blenden lassen von Historismus, Geschichte

aus der Perspektive der Opfer, Eingedanken -> Geschichte ist nicht die

Entspannung in die Zeit, sondern Konstellation: Anordnung von

bestimmten Elementen -> Etwas in der Vergangenheit kommt ganz nahe, z.B.

wenn ein Mensch stirbt. So passiert es in der Geschichte immer wieder,

Einstellung konstellativ auf Ereignisse in der Vergangenheit. Die Zeit ist nur ein

Phänomen, eine Illusion. Jüdisches Erlösungselement: Erlösung im

Eingedenken, wenn solche Konstellationen aufblitzen. Messias.

25.3.2009

Zeitbewusstsein löst je anderes Geschichtsbewusstsein aus.

Benjamin greift v.a. die Geschichte der Leidenden, der Opfer auf. Relevant für

die politische Theologie (Metz). Eingedenken ist jüdische Theologie

schlechthin. Für B. ist Geschichte nicht nur positives Erfassen von Fakten,

sondern Konstellation.

Lineares Denken der Zeit ist für ein Fortschrittsmodell sinnvoll, Geschichte ist

so nach vorne hin offen. Wir leben in einer Zeit, wo sich das Alte gegenüber

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dem Neuen ausweisen muss – umgekehrt in geschlossenen Zeitkulturen.

Fortschritt kann rasender Stillstand sein (Paul Virilio), Beschleunigung selbst ist

der Fortschritt – das wird zum Rückschritt. Je schneller, je mehr Ausblenden

von Gefahren. Existentielle und kulturelle Erfahrungen – z.B. heute

Wirtschaftskrise – Heraufbeschwören der 1930er-Jahre. Manchmal ist

Geschichte viel näher als die jüngste Vergangenheit – abhängig von der

Konstellation.

Anhang der 28 Thesen zur Geschichte:

Spannung historistische und messianische Zeit: „Der Historismus (=alle

Geschichtsdaten sind gleich und neutral) begnügt sich ... mit Kausalnexus ...

aber kein Tatbestand ist als Ursache bereits ein historischer ... er ist es durch

Ereignisse, die oft Jahrtausende von ihm getrennt sind ... erfasst die

Konstellation ... Begriff der Gegenwart als der Jetztzeit, in welcher

Splitter der messianischen eingesprengt sind. Erst derjenige erfasst die

Konstellation, der seine eigene Epoche in der Verwandtschaft zu einer anderen

Epoche erkennt ...“.

Messianische Zeit wartet schon auf uns, jetzt ist Kairos, nicht Chronos, wenn

man den Kairos übersieht, hat man den Messias übersehen. Dimension des

Messianisches ist in der Jetztzeit, in der Kairoszeit zu erfassen.

Religiöse Qualität von Zeit auf transzendente Dimension kommunizieren wir in

Raum-Zeit -> Missverständnisse vorprogrammiert.

Messianismus von dem Benjamin spricht, ist der, der heilt. „Sicher wurde die

Zeit von den Wahrsagern ... weder als homogen noch als leer erfahren ... im

Eingedenken ist die vergangene Zeit erfahren worden .... Eingedenken

... entzauberte die Zukunft ... Juden wurde die Zukunft doch nicht zur

homogenen und leeren Zeit ... jede Sekunde, die Pforte, durch die der

Messias treten konnte“. Offen sein radikal für die Möglichkeit des Ankommen

des Messias. Hoffnung auf das Hier und Heute.

Argumentationsmuster wie bei Habermas – semantisches Potential der

Theologie, die die Philosophie nicht abschöpfen kann & umgekehrt.

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4. Was ist Zeit IV? Eine kleine Theologie der Zeit

4.1. Die befristete Zeit

Metz: Im Grunde gibt es keine Theologie der Zeit, viele Reflexionen. Gottrede

ist aber so stark mit dem Thema Zeit verbunden. Frage: Wir verhalten sich

Gott und Zeit? Griech./jüd.christl. unterschiedliche Modelle.

Judentum und Christentum setzt Gott und Zeit in engstes Verhältnis.

Idenfitikation von Gott und Ewigkeit, Zeitlichkeit ist Endlichkeit.

Östliche Theologie: Gott ist nicht zeitlich, Logos kann in der Zeit zeitlich

werden.

Reflexionen in der Schöpfungstheologie, Inkarnation & Erlösung, Eschatologie

und Endzeit -> alle Grundkategorien des Glaubens haben einen

Zeitindex nach Metz. Zeit ist ein Grundbegriff der Theologie.

Anknüpfung bei der Apokalyptik. Zeit und Gott ist da explodiert. Apokalyptik

ist v.a. Phänomen der Textproduktion (Jesaja 25.28 Ende der Zeit – Gericht),

in der zweiten Phase passiert Neues: Nachdenken über die Weltgeschichte,

Bewertung, Hoffnung, dass am Ende der leidvollen Geschichte ein Endkampf

ist, in dem Gott für die Gerechten siegen wird. Apokalyptik hat kein

Vertrauen mehr in den Gang und Sinn der Geschichte <->

Heilsgeschichtliche Deutungen. Apokalyptik meint, dass Gott nicht mehr

anwesend ist, nicht mehr Herr der Geschichte, sondern am Ende muss er

kommen, die Welt vernichten, Gericht, Welt neu erschaffen. Extreme Leid- und

Verfolgungssituation im 1.Jh.v.Chr. - einzige Hoffnung auf Besserung ist die

Zukunft. Von diesem Druck und Schock kommt die Apokalyptik her und

projiziert das Gericht – im Gegensatz zu den Zeloten – auf das Jenseits. In der

hellenist. Phase ist die Apokalyptik ausgelaufen innerhalb des Christentums -

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„Jesus kommt wieder“ ist falsifiziert worden – Konstantin.

Aus der Naherwartung (typ. apokalypt. Haltung) ist Stetserwartung

(irgendwann) geworden. Entstehung der Staatskirche, Reichsreligion.

„Unzeitgemässe Thesen zur Apokalyptik“ von Metz:

Exeget. Streit um die Apokalyptik in den 1960er-Jahren (Bultmann –

Käsemann). Käsemann: Christl. Theologie kam aus der Apokalyptik und kann

darauf nicht verzichten als eigene Quellen / heute gilt das so nicht mehr.

Metz: Zeitproblem hat in der Apokalyptik theolog. qualitat. Ort.

-> Kürzeste Defintion von Religion ist Unterbrechung.

Zeit ist befristet. Religion ist Unterbrechung der Leiden, Ansage der

Unterbrechung der Leidensgeschichte, Protest gegen die

Leidensgeschichte. Leidunempfindliche Theologie ist so wie sie ist, weil wir

die apokalypt. Sensibilität für die Zeit verloren haben im Wohlstand. In

Lebensgefahr wollen wir die Unterbrechung des Leidens. Gegeneinander

ausspielen funktioniert nicht von 1 Opfer und tausenden Opfern.

Statt der Leidempfindlichkeit hat das Christentum seit Konstantin die

Sündenempfindlichkeit gefunden. Judentum: Zentralisierung der Stämme

bedeutet Hierachisierung und gleichzeitig komplexere Organisationsform der

Gesellschaft.

Alle Begriffe von Zeit sind abstrakt gemacht worden. Wir reden ständig von

Zeitlichkeit, aber lt. Metz Blick auf die Opfer: aus der Zeitlichkeit die Zeit

bedenken, aus der Geschichtlichkeit die konkrete Geschichte bedenken.

Apokalyptik bringt das Verhältnis Zeit und Gott wieder zusammen.

Apokalyptik ist nicht eine Chronologie, sondern die Hoffnung, dass

Gott eingreift. Maranatha! Komm Herr! (Offb 22,20).

Neuzeitliche Kultur leidet an Problematik: Wir denken Zeit ohne Finale. Zeit

ist Schöpfungszeit, nicht ewig, begrenzt. Wir leben aber in anderer Kultur.

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Naturwissenschaft präsentiert unfassbare Zeiträume.

„Keiner hat Zeit, keiner nimmt sich Zeit“. Machbarkeit. Alles ist überholbar.

Dialektik! Evolution wird zum neuen Mythos. Wir leben eigentlich in einer

Chronokratie – die Uhrzeit ist der letzte Herrscher über uns. Evolution ist

neuer Mythos, ohnmächtiger Mensch gegenüber Gott.

Glücks ist nur mehr durch Vergessen möglich in so einer Zeitkultur, weil

das Leiden, das Eingedenken, ja nicht glücklich machen kann. Die Postmoderne

kündigt das Ende des Subjekts an (Nietzsche, Foucault, Strukturalismus). Neue

Herrschaft der Naturzeit – das aufgeklärte Subjekt, dass Herr/Frau der

Geschichte ist, der/die Geschichte gestaltet. „List der Vernunft in der

Geschichte“ (Hegel) funktioniert nicht mehr. Wir Menschen sind ein

Naturprodukt, das da ist und vergeht. Nach dem „Tod Gottes“ (Nietzsche) ist es

für Metz konsequent den „Tod des Menschen“ (Foucault, Die Ordnung der

Dinge) zu verkünden. Theologie ist lt. Metz im Bann der Zeitlosigkeit.

Theologie hat sich angepasst. Metz spitzt zu auf die Frage: ist der Theologie

die Zeit eine befristete Zeit oder ist die Zeit eine leere, unendliche

Zeit?. „Das Reich Gottes kommt“ bedingt die Befristetheit.

Biblisches Erbe ist eine gefährliche Erinnerung an die Opfer, die

Leidenden halten die Fragen nach der Erlösung offen. Einseitigkeit, wenn

Opferbegriff nicht ganz klar definitiert ist und eher Opfer der politischen

Verhältnisse meint – wird das dem Menschen gerecht? Opfer- und

Leiderfahrungen macht jeder Mensch. Jeder hat die Frage nach der Erlösung.

Konflikt Metz – Drewermann: Drewermann spiegelt alles zurück in das Opfer,

dass der Mensch psychisch darstellt. Für Metz ist die psych. Problematik eine

Frage der Gerechtigkeit, wenn es Gerechtigkeit gibt, gibt es keine psych. Opfer.

Dialektik der beiden Positionen!

4.2. Zeit und Ewigkeit bei Karl Rahner

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Keine ausgearbeitete Theologie der Zeit, aber „improvisierte theologische

Bemerkungen über die Zeit“.

Metz wirft Rahner vor, er rede zwar vom Menschen, aber total abstrakt, das

konkrete Subjekt ist nicht gemeint. Transzendentaltheologischer Ansatz

ist lt. Metz eine idealistische Versöhnungstheologie dargelegt am

Märchen vom Hasen und Igel: Hase und Igel vereinbaren eine Wette, Igel

kann sowas nicht gewinnen und schummelt mit der Frau am anderen Ende und

bleibt stehen. Als der Hase ankommt ist der Igel immer dort. Hase läuft

solange bis er tod zusammenbricht. Blöff, dass er immer schon da war. ->

Trick der Tranzendentaltheologie: Gott ist immerschon bei mir da bevor ich

entdecke, dass er da ist. Eigentlich hat Rahner lt. Metz keinen Begriff für wahre

Geschichte, das ist die Geschichte des Hasen, der Igel ruht wie der

Metaphsyiker ausserhalb der Geschichte. Rahner hat sich gewehrt, so einfach

ist es nicht – wer sich in der Geschichte erschöpft kann nicht mehr idealistisch

denken. Reden wir von Igeln oder Hasen? „Immer schon“ ist das igelhafte, die

Hasen sind die Opfer in Auschwitz.

Zeithintergrund von Rahner: transzendentaler Thomismus / Thomas & Kant

-> R. stellt ein Synthese her inkl. heideggischer Fundamentaltheologie.

Menschl. Existenzvollzug ist nur in und durch Zeit möglich. Zeitlichkeit ist ein

Existential. Wir sind per se zeitlich. Zeit ist aber auch eine Bestimmung

des Geistes als Vermögen der Freiheit. Der Mensch selbst kann sich

entwickeln, Freiheit ist nicht denkbar ohne Zeitlichkeit. Zeit ist die

Voraussetzung für Personalität und Freiheit.

Teilhard de Chardin: Christus als Mensch des Kosmos, auf den die ganze

Entwicklung zuläuft.

Klass. Metaphysik kann Materialität und Geistigkeit nicht miteinander über die

Zeit denken -> will das lösen.

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Auch der Kosmos ist angelegt auf Freiheitsgeschichte.

Freiheit ist nur durch Transzendenzbezug möglich. Übersteigen von sich

selbst, sich selbst bestimmen. Die Freiheit des Menschen ist die

Selbstbestimmung, indem ich mich für etwas entscheide, werde ich

frei. Postmoderne Kultur ist gg. Bindungen – Widerspruch. Für R. gibt es

Freiheit im Kosmos, am Menschen als geistiges Wesen – der Kosmos selbst ist

auf Vollendung ausgerichtet. Wenn der Mensch ein Naturwesen aus der

Evolution ist, dann ist der Kosmos auf Freiheit hin angelegt. Freiheit ist

Ermöglichung, die aus der Materialität des Kosmos selbst herauskommt,

Freiheit ist somit das Ziel des Kosmos. Freiheit ist aus der menschl.

Perspektive die Offenheit auf Transzendenz. Freiheit und Transzendenz ist ein

Möglichkeitverhältnis. Gott ist das Immantenteste der Kultur.

Wenn der Mensch auf Freiheit / mit Gottesbezug / ausgerichtet ist,

dann ist Transzendenz das Innerste der Zeit. Gott ist in die Zeit

hineingegangen in Jesus Christus. Gott ist immerschon das Immanenteste

der Natur, weil Gott die Möglichkeitsbedingung der Freiheit ist.

Ewigkeit ist ein Moment der Zeit. Gott ist jedem Augenblick präsent.

Ewigkeit ist Zeitform Gottes, Ewigkeit ist in der Zeit aufgehoben. Die Jetztzeit,

den Splitter des Messianischen, entdecken wir jetzt schon. Zeit hat als innere

Struktur die Ewigkeit, dort wo es bewusst wird, blitzt die Ewigkeit auf. Die

Ewigkeit ist transzendental in der Zeit da. Tranzendentale Offenbarung: Gott ist

immer in jedem Menschen präsent. Sobald ich irgendwas erkenne, erkenne ich

immer schon Gott mit. Gotteserkenntnis ist immer transzendental. Gott ist die

Möglichkeitsbedingung des Erkennens, Gott ist im Erkenntnisakt

immer dabei. Gott ist wie das Wasser für den Fisch, der gar nicht weiss, dass

er im Wasser ist. Der Mensch ist in Gott, obwohl der Mensch total in der Welt

ist. Gott ist immer apriorisch, immer transzendental.

Versprechen der Errettung gilt für alle, weil Gott JC gerettet hat. Wir müssen

nicht warten. Aber: Was hat dann die Geschichte für eine Bedeutung?

Ewigkeit als unendlich fortlaufende Zeit ist missverständlich, Endlichkeit ist

ereignislose Zeit. Ewigkeit ist Fülle und Einheit der Zeit.

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Begriff von Ewigkeit gewinnen wir aus der Erfahrung der Bleibendheit von

Wirklichkeit. Der Prozess gehört dazu. In der Endphase ist der Anfang schon

drinnen Bsp. Frucht, Blume.

Wenn wir metaphysisch Einheit denken wollen, müssen wir Bleibendheit

denken. Einheit der Zeitmodi braucht es. Erfahrung freier personaler

Entscheidungen – Personwerden, Ich-Eerden gelingt nur, indem ich mich

entscheide. In der christl. Traditionen wird der Mensch genau dadurch das, was

er werden soll: unverwechselbar. Der Mensch ist Personalität und Einmaligkeit

– vor Gott unaustauschbar. Ist das alles Illusion? Ist da drin der Vorschein

von Ewigkeit denkbar? Wir machen Erfahrungen, die auf Ewigkeit

abzielen: Liebe.

Lebenszeit ist Vorwegereigenen von Ewigkeit. So treten wir durch den

Tod hindurch vor Gott. Tod ist nicht die Auslöschung des Menschen zum Nichts,

bei aller Radikalität der Endlichkeit tritt der Mensch in der Ganzheit vor Gott.

Gott vollendet, aber er vernichtet nicht die Zeitlichkeit. -> Schlechtester

Proponent für die Apokalypse. TranzendentaltheologIn erlebt die Göttlichkeit

der Zeit in jedem Moment.

Rahner vs. Metz - Berührungen:

Befristete Zeit – Zeit der Entscheidung.

Gott in der Zeit bei Metz – das ist für Rahner, dass der Kosmos und die

Evolution nicht leer sein müssen, aus dem innersten Moment Gottes selbst

heraus kommen.

Eingedenken – Verantwortung & Liebe -> Liebe und Verantwortung kann nur

Eingedenken sein.

-> sie sind sich näher als sie sich literarisch darstellen.

1. April 2009

Rahner & Metz haben unterschiedlichen Zugang, aber die Perspektiven sind

nicht diametral gegenüberstehend. Metz denkt diachron, Rahner denkt

synchron. Wer leidet, hat ein gebrochenes Verhältnis zur Gegenwart, bei Metz

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wird der eschatologische Aspekt vordergründig, bei Rahner ist der

schöpfungstheologische Aspekt wichtiger.

4.3. Zeit und Ewigkeit bei Wolfhart Pannenberg

P. ist evangelisch.

Hermeneutische Theorie erstmals bei Dilthey.

P. macht dieses für die Theologie fruchtbar. Seine Frage: Wie kann bibl. antikes

Denken mit dem modernen Denken verbunden werden?

Lösung Barths ist für P. nicht möglich, Barth hat positivistischen Ansatz lt. P.

und Bonhöfer (Positivismus: Der sich in der Offenbarung selbstmitteilende Gott

muss nicht vom Menschen mit Vernunft erfasst werden). Ähnlich wie bei

Rahner Reflexion der Möglichkeitsbedingung des Verstehens des Wortes

Gottes.

P: Verstehen ist dialkekt. Bewegung von Text und Kontext. Satz ist erst

im Kontext verstehbar. Ähnlich mit Geschichte: Fakten, Fragmente, Funde, ...

können erst im ganzen Komplex verstanden werden. Man_frau braucht den

Kontext, um etwas genau erschließen zu können. Das Einzelstück ist immer in

Verbindung. Ähnlich: Geschichte können wir nicht begreifen, solange es

Zukunft gibt. Die Zukunft ändert die angeeignete Vergangenheit. Interessant

wird kollektives Gedächtnis. Z.B. heute wissen wir mehr über Ägypten als alle

voher darüber gewusst haben.

Sinnverstehen ist nur möglich durch Transzendieren des Textes. Krise des

Historikers – wie kann Sinn jetzt schon gehauptet werden. Solange es

Geschichte Zukunft gibt, ist etwas unabgeschlossen, weil die Geschichte

weitergeschrieben wird, wir stehen in der Zeit drinnen.

-> Selbstverständnis ist für die personale Identität nur möglich durch den

Vorgriff auf das „ganze Leben“ (Heidegger). Biografien werden erst nach

dem Tod geschrieben. P: Der Tod ist nicht das Ereignis, was das Leben

ganz macht, sondern was das Leben abbricht. Vorlaufen auf den Tod ist

Euphemismus, ist eine Tatsache, aber problematisch. Tod kann auch erfülltes

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Leben abbrechen und zu Ende bringen.

Zukunft ist der fundamentale Zeitmodus für Existenz- und christl.

Sinnverständnis.

Metaphy. Konsequenz: Bestimmung des Seinden nur möglich, wenn die

Offenheit des Zeitlichen mitbedacht wird: keine definit. Erkenntnis eines

Seinden möglich, solange es in der Zeit existiert. Alles in Bewegung nivelliert.

P. will Tradition mit der Gegenwart verbinden.

Was ist dann die theolog. Konsequenz für Gott und Zeit?

AT: Gott ist die zukunftsermöglichende Wirklichkeit. Ex 3,14 Gott als „Ich

bin da“ „Der ich da sein werde“ (hebrä. hat kein Futur). Gott ist die bleibende

Wirklichkeit, v.a. in der Zukunft, Gott ist zukunftserschließend. Das ist

Erfahrung Israels und der Kirche.

Gott ist die Geschichtsmacht, die den Menschen eine Zukunft erschließt.

NT: Gott ist die zeiterfüllende Wirklichkeit. Der auferstandene Christus ist

der Sinn der Zeit. Der prekäre „Sinn von Geschichte“ wird profanhistorisch

zunächst artikuliert. Die Religion redet über das Ganze der Geschichte aus der

Perspektive Gottes, das kann die Geschichte selbst nicht. Historiker greift

implizit auf die Religion hin, auf das Ganze der Geschichte (wie Rahner:

Vorgriff auf Transzendenz). Transzendentalwiss. Aspekt: Theologie ist Vorgriff

der Artikulation auf das Ende der Geschichte. Sinn der Geschichte ist

Vollendung, Erfüllung (Grenzbegriffe). Vollendung wird empirisch in der

Auferstehung. P. ist einer der weniger, der von der Auferstehung JC als

historisches Ereignis spricht, das dass der Auferstehung als empir. Ereignis,

nichts über „wie“. Ansich ist Auferstehung ein eschatolog. Begriff

(Angekommensein in Gott). Auferstehung ist Sinn der Geschichte.

Problem: Wozu noch Geschichte, wenn Sinn schon offenbar ist?

Vgl. Hase und Igel: Wenn ich weiss, dass der Igel am and. Ende sitzt, wozu soll

ich laufen?

Synthesetheologie hat Problem, weil sie sich zu weit hinauswagen in die

Einzelwissenschaften. Empirisch sind für P. die Berichte der Zeug_innen.

Paradigma zu Zeit P. war Bultmann, für den nichts empirisch war im NT,

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sondern alles Mythologem. P. konzipiert ein Gegenkonzept. Auferstehung ist für

Bultmann die Bedeutung des Todes Jesus als heilsbringender Tod. Für uns ist

Auferstehung etwas, was an Jesus selbst passiert ist, nicht nur eine Frage der

Interpretation. -> Hintergrund für P. Konzeption, gerät zwischen alles Stühle,

gg. Entmythologisierer, gg. Exegeten.

Wenn Auferstehung nur ein Interpretament (D.F. Strauss, ...) ist, bin ich dem

Projektionsverdacht ausgesetzt. Anspruch an Normativität, die nicht nur aus

mir heraus kommt. Sinn von Auferstehung wird nur aus der TN-Perspektive

sichtbar.

4.4. Zeit und Ewigkeit bei Jürgen Moltmann

Reformatorischer Theologe.

Kritik am universalgeschichtlichen Ansatz.

Inspiration durch Ernst Blochs „Prinzip der Hoffnung“ (1959) – Pointe ist die

Ontologie des „Noch-Nicht“, der Mensch ist das Wesen, das immer noch am

Werden ist. Gemeinsamer geschichtsoffener Horizont, der Mensch entfaltet

sich. Bloch fundamentiert das im utopischen Denken: Utopie drückt das Wesen

des Menschen aus, der Mensch ist noch am U-Topos, wohin er unterwegs ist.

Spannung. Der Mensch ist immer im Aufbruch. Die Religion des Judentums ist

Exodus-Religion, heidn. Religionen sind Ephiphanie-Religionen (lassen das

Göttliche erscheinen). Judentum hat keine Ephiphanie, dort zeigt sich Gott als

der, der vorausgeht - „Ich bin, der ich da sein werde“. Erschienen ist da aber

nicht Gott, sondern der noch nicht vollendete Mensch. In der

Religionsgeschichte bildet sich das ab, woraufhin der Mensch unterwegs ist.

Rezeption Feuerbach.

M: Reich-Gottes-Tradition ist atheistisch nicht vereinnahmbar. Religion kann

nicht Anthropologie und Marxismus aufgehoben werden. Der christl. Glaube

selbst ist tatsächlich auch Hoffnung. Der christl. Glaube ist Eschatologie.

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„Theologie der Hoffnung“ (1960). Hoffnung ist überall anders okupiert, nur

nicht im Christentum – das macht M. stark inspiriert von Bloch.

Christlicher Glaube ist nicht nur im Anhang, sondern in der Substanz

Eschatologie. Eschatologie ist Hoffnung, nicht nur auf indiv. Erlösung, Hoffnung

auf Kommen Gottes, Vollendetwerden der Schöpfung, Vollendes des Subjekts

und Kommen des Reichs Gottes.

Die Verheissungen des AT und NT sind noch nicht endgültig. Heilsgeschichtl.

Ansatz denkt Geschichte auf einen Höhepunkt (Rahner) – damit ist Hoffnung

abgeschlossen. M: Auch für Jesus ist noch etwas auständig, noch nicht

vollendet.

1 Kor 15,23-28: Was bedeutet Auferstehung für Christus. Gott wird alle Macht

am Ende der Geschichte an Christus übergeben.

-> Solange wir hier noch unter der Herrschaft der Mächte leben, ist es für JC

noch nicht erledigt. Versprochen ist uns das Reich Gottes in Fülle – gedacht für

alle, den ganzen Kosmos.

Darum keine Glorienchristologie (Pantokrator, ....)

Oskar Cullmann: Wie eine Entscheidungsschlacht – aber Krieg ist noch nicht zu

Ende. -> Auferstehung ist schon der Sieg über die Mächte, aber der Krieg geht

noch weiter.

----> Moltmann: Aber auch für JC ist noch etwas offen. Dialektische Spannung

ist noch drinnen. Noch keine Rede vom Sinn der Geschichte.

Vollendung des Kosmos gehört in die Sinngeschichte des Glaubens hinein.

Greshake zum Menschen: Wenn der Mensch stirbt, ist im Tod schon

Auferstehung. Aber der Kosmos besteht weiter .... soll das, das Ende sein.

Chronologie <-> Kairologie. Indiv. gut denkbar, beim Kosmus fraglich.

Schöpfungszeit und Vollendungszeit gehören dialektisch zusammen,

Weltzeit und Geschichtszeit sind creatio continua und sind auf die

Vollendung ausgerichtet. Sabbat der noch ausstehende messianische

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7. Tag der Schöpfung. Der Sabbat ist das Ziel der Schöpfung. Wir leben

als Christ_innen im messianischen Bewusstsein, dass der Tag schon seine

Vorwirkung hat auf unsere Geschichte und Existenz.

Kirche ist eine Kirche des Exodus. Wenn für JC etwas noch ausständig ist,

dann ist die Frage worauf wir unsere Hoffnung setzen: Individualismus oder

weltverändernde Gestalt. Kirche muss an der Seite der Armen, der

Hoffnungslesen stehen – weil in der Kirche die Erfahrung der Hoffnung behütet

wird. Zeit und Ewigkeit ist dialekt. Verschränkung – politische Theologie –

Zeit und Ewigkeit ist politisch wirksam. -> wieder Berührung mit Bloch.

-> verschied. Konzepte und Konsquenzen verschied. Theologen

4.5. Zeit als Kairos. Aspekte einer Theologie der Zeit

„Dualismus“ in den Theologien der Zeit.

(1) Zeit ist Nichtigkeit, Endlichkeit, Leiden (ontologisch)

(2) Zeit ist befristet, katastrophisch (eschatologisch)

(1)Zeit ist Werden, Entfaltung, Ereignis der Personalwerdung (ontologisch)

(2) Zeit ist Schöpfungsgabe zur Entwicklung der Geschöpfe auf dem Weg

der Vollendung in Gott (eschatologisch)

Sh. Folie ...

Beide Positonen haben ihre Berechtigung: Diachron & synchron.

Theologie der Zeit: (1) und (2) ist dialektisch zu vermitteln.

4.5.1. Zeit als Kairos: Die proleptische Form des Gottesreiches

Der Streit um den Status des von Jesus angekündigten Gottesreiches.

• Harnack (bürgerlich): Gottesreich ist in die Seele des Menschen

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gekommen. Wellness des 19.Jhdts.

• Schweitzer: Gottesreich ist eschatolog.-apokaltypt. Missverständnis;

Jesus selbst ist dem Missverständnis nachgelaufen und hat dann

Gottesurteil provoziert. Gott müsse am Kreuz eingreifen – JC ist

gestorben, Messiasidee ist zugrunde gegangen. Weltgeschichte geht

weiter. Nur die Ethik Jesu können wir weiterführen. Histor.krit. Exegese

ist ans Ende gekommen – f. Schweitzer tragische Ergebnisse, wurde Arzt.

• C.H.Dodd: „realized eschatology“ - Eschat. hat sich in Jesus selbst erfüllt,

in der Ankündigung des Reiches Gottes.

• Bultmann: Gottesreich im Augenblick des Kerygmas erfüllt. Kerygma ist

im anspruchsvollem Sinn das Wort Gottes, das mich jetzt anruft.

Radikale TN-Perspektive: im „Ja“ erfüllt sich das Reich Gottes in der

Existentialität des Menschen; dort, wo der Mensch glaubt, ist das Reich

Gottes

• W. Kümmel: Jesus hat präsentische und futurische Reich-Gottes-

Vorstellung - „schon“ und „noch nicht“ gehört zusammen. Wie ist das

Verhalten von „schon“ und „noch nicht“ zu denken?

• Moltmann

Von der enttäuschten Naherwartung (Parusie) zur Stetserwartung (Lebe so,

dass du jeden Moment sterben kannst).

Das hermeneutische Missverständnis: Ankunft des Gottesreiches ist kein

chronologisches, sondern eine eschatologisches Ereignis. Das „schon“ ist ein

eschatolog. Ereignis.

Gegenwart und Zukunft liegen nicht auf derselben Ebene, sondern sie

verhalten sich zueinander qualitativ und performativ. Die Gegenwart wird von

der erwarteten Zukunft schon bestimmt und verändert. Ohne Zukunft würden

wir die Gegenwart nicht aushalten. Zeit ist Qualifikator der Gegenwart – darum

geht’s Jesus im Kairos des Gottesreiches. Es ist die Sache des Gottesreiches –

darauf muss man_frau sich einlassen. „Bekehre dich!“ Ohne metanoia und

Glaube geht es nicht.

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22.4.09

Sensibilität auf Kairos, den qualifizierten Augenblick, der nicht gemacht werden

kann, der sich zeigt – es geht darum, ihn zu sehen.

Jesu Gottesreichbotschaft Mk 1,15, Lk 11,209 par Mt 12,28; LK 17,20

Das Gottesreich ist schon gekommen und doch noch ausständig.

Eschatologische Botschaft Jesu. Reich Gottes ist sichtbar, aber auf eine andere

Weise. Reich Gottes ist eine transzendente Dimension, die aber jetzt schon für

den Menschen gilt.

Satansturz bei Lk: Mystisches Schlüsselerlebnis Gottes, apokalpt. Bild, es ist

eine Zeitenwende passiert, die Welt ist nicht mehr vom Bösen beherrscht, die

Menschen sind nicht mehr entfremdet.

-> Strengere Gegenwarts- und Zukunftsdefinition: Gegenwart hat in sich

das Heil, das Morgen, das Ende in sich. Es kommt darauf an, in der Gegenwart

zu leben, radikal gegenwärtig werden! Das zeigt sich v.a. in der Wahrnehmung

der Leidenden. Neue Zukunftsdimension: Spannung zwischen Gegenwart und

Zukunft bleibt bei Jesus offen. Berührung und Unterschied zu buddhistischen

Mentalitäten. Schöpfungsbezug! Bleibend offen auf die Vollendung hin.

Metz: Ideologie des „schon“ kritisiert im Hinblick auf die Spannung, dass vieles

noch nicht erlöst ist -> Karsamstagschristologie: Nullpunkt zwischen Tod

und Auferstehung. Die Welt ist unversöhnt.

Keine Vergöttlichung der Gegenwart und auch keine Vergöttlichung der

Zukunft. Hier sollte politische Theologie vorsichtig sein in der Performativität.

Nicht der Abstand der Gegenwart von der Zukunft ist relevant, sondern

das Verhältnis von Gottesreich und HörerInnen-Entscheidung! Parusie

ist radikal negative Theologie, der Mensch weiss es nicht. Spekulationen übers

„wann“ sind Missverständnisse. Der Parusie-Schock war für das Urchristentum

leicht zu schlucken, weil die Pointe woanders liegt.

In der Apokalyptik ist der Zeit-Abstand von Gegenwart und Zukunft aufgrund

der Leiderfahrung zentral: Darum Antizipation des Ende! Jesus lebte in relativ

friedlicher Zwischenzeit, kriegerische Eskalationen davor und später. Darum

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war er gegenüber Zeloten etc. skeptisch. Gegenwartserfahrung ist im Leid eine

grässliche Erfahrung. Tendenz der Apokalytik-Literatur ist das Trösten: Von

Gott her ist die Sache in Ordnung gebracht – Durchhalten! Aushalten!

Die erfüllte Zeit ist „Kairos“ und nicht „Chronos“.

Aber auch: Bruch der Äonen – das Gottesreich ist keine Verlängerung der

Gegenwart in die Zukunft, sondern Ein-Bruch Gottes in die Zeit, Spannung in

der Performativität.

In der Praxis wird Gottesreich sichtbar, aber die Praxis ist nicht das

Gottesreich. Befreiungstheologie: Das zugesagte Reich Gottes löst die

Performativität aus von Basisgemeinden etc. Es ist keine Versöhnung, wenn

gesellschaftliche Verhältnisse, strukturelle Sünde, nicht angerührt werden.

Reich Gottes ist wirklich auch ein Bruch. Darum auch: Ge-Richt – Heilwerden

in der Begegnung von Tätern und Opfern. Intersubjektive Dramatik der

Weltgeschichte kann nicht nur individuell abgebüßt werden (wie z.B. mit der

Wiedergeburt), weil die Begegnung nötig ist für das Einsehen der Schuld der

TäterInnen und das Rechtbekommen der Opfer. Gericht ist die

Wiederherstellung der Opfer.

4.5.2. Michael Theunissen: Der Gebetsglaube Jesu und die Zeitlichkeit

des Christseins

Nennt es „Laienexegese“, will in philosophisches Gespräch treten, er ist

Philosoph.

Ausgangspunkt Lk 11,9-10

Bitten, Suchen, Anklopfen (im Modus der Gegenwart) allein ist schon

hinreichende Bedingung der Erfüllung (im Modus der Zukunft).

-> Jesus modifiziert das Verhältnis Gegenwart – Zukunft. Jessu sieht die jetzt

erfolgte Bitte als schon erfüllt. Die Verheissung („noch nicht“) ist im Modus der

Erfüllung schon Gegenwart („schon“).

Voraussetzung: Radikales Vertrauen auf Gott! Kriterium der Gewissheit der

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Erfüllung = Glaube. Das ist „Prolepse“ Vorwegnahme der Zukunft in der

Gegenwart. Da muss man_frau sich rechtfertigen, dass man_frau nicht

verrückt ist, wer Hoffnung hat, ist immer ein bisserl komisch in dieser Welt.

Leben aus der Prolepse. Das Eschaton ist Prolepse.

Glaube an die Gegenwart des Eschaton ist als Freiheit von sich selbst und

Freiheit zu sich selbst zu bestimmen.

Spannung neuzeitlicher Freiheitsbestimmung: F = Selbstverwirklichung.

Mt 10,39 und 16,25: Wer sein Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber

das Leben um meinetwillen verliert wird es gewinnen“.

Wie ist da Selbst-Sein und Glaube möglich? = das religionsphil. Thema der

Moderne. Für moderne Phil.: Glauben kann nicht Voraussetzung der Reflexion

der Identität und Praxis sein.

Kierkegaard: Selbstsein gelingt nur, wenn es aus Glaube kommt.

Denn Selbstsein ist kein Vermögen des Subjekts, weil er daran scheitert, denn

das Subjekt will unbedingt selbst sein bzw. unbedingt nicht selbst sein. Weil

der Mensch frei ist, geistig ist, lebt er immer schon verrückt aus der Mitte

heraus (Plessner) – die Mitte gibt es nicht mehr. Die Frage ist nur beantwortet,

wenn ich sie nicht frage. Der Mensch kann sich selbst, aus sich heraus, nicht

begründen.

Selbstsein gelingt nur als Synthese von Endlichkeit und Unendlichkeit, darum

erreicht der Mensch nur im Glauben die Freiheit von sich selbst. Sprung in den

Glauben als Ermöglichung des Selbstseins.

Ontologische, nicht psychologische Analyse!

Glaube ist ständiges Einüben in das Vertrauen. Paradox des

Gleichzeitigwerdens mit Christus. Paradoxale Identität des Menschen ist auch

im Glauben nicht lösbar. Endlichkeit bleibt dem Menschen mitgegeben. Dort,

wo der Mensch aufhört, sein Selbstsein zu machen, gelingt das Menschsein.

Theunissens Kritik: Keine Identifikation von Selbstsein und Glaube, aber

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Glaube als Vertrauen in Gott vergegenwärtigt das Kommen Gottes. Er hält

Kierkegaard für überzogen.

4.5.3. Giorgio Agamben: Die Zeit, die bleibt (2000)

Setzt sich seitens der Philosophie mit klassischen religiösen Texten auseinander

– auf dem Hintergrund des Zeitthemas.

Röm 1,1 „Paulus, Knecht Christi, Jesu, berufen zum Apostel, das Evangelium

Gottes zu verkünden“.

Die Frage A.: Was bedeutet es, „im Messias“ zu leben? Was ist das

messianische Leben? Und welche Struktur besitzt die messianische Zeit?

Wenn wir sagen Jesus Christus, sagen wir Jesus Messisas -> Reinstellen im

messianische Tradition des Judentums und Urchristentums. Christsein heisst in

Messias leben. Messianisches Leben geht nur mit anderem Zeitverständnis.

Der tiefere Sinn der Berufung (klesis) ist das „als ob nicht“.

1 Kor 7,29 – 32

Menschen leben in bestimmter Identität, bestimmten Stand, bestimmten

Existentialität. Paulus meint, es geht gerade darum, dass wir so leben, als ob

wir nicht da drin wären. Die Berufung ruft zu nichts und zu keinem Ort. Die

messianische Berufung ist die Widerrufung jeder Berufung. In der

messianischen Zeit gibt es keine definitive Endgültigkeit an Identität,

Lebensform. Die christliche Lebensform ist immer die Einklammerung der

Lebensform. Die messianische Berufung ist eine allg. Potenz, die man

gebraucht ohne je ihr Inhaber zu sein. siehe Folie

Die Enteignung gründet keine neue Identität. Aufhebung der Differenzen, die

für Paulus entscheidend ist. Christsein heisst jede juristisch-faktische

Unterscheidung aufheben, keine neue Unterscheidung hinzufügen! Leben im

Vorbehalt, im als-ob. -> Eigentümlichkeit messianischer Existenz.

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vgl. Adorno: Philosophie, wie sie im Angesicht der Verzweiflung einzig noch zu

verantworten ist, wäre der Versuch, alle Dinge so zu betrachten, wie sie vom

Standpunkt der Erlösung aus sich darstellten“ (Minima Moralia §153).

Fähigkeit, etwas aus anderer Perpektive zu betrachten. Worauf dürfen wir

hoffen? Das ist bei Adorno nicht mehr so glatt gelöst wie bei Kant (Postulat

Gottes), die Verbindung von Philosophie und Theologie ist so nicht mehr

möglich. Adornos Ph. wird zur Grenzphilosophie, die sich dorthin bewegt, wo

sich die Theologie verankert. Perspektive! Dramaturgie der

Geschichtserfahrung ist ist die Zeiterfahrung eingeschrieben, Perspektive der

Opfer. Die Opfer sind wirklich tot. Erinnerung ist noch nicht Erlösung

(Benjamin).

Agamben: Messianische Zeit ist

• nicht das Ende der Zeit (=eschaton), sondern die Zeit des Ende (G.

Carchia).

• die Zeit, die wir benötigen, um unsere Zeitdarstellung zu beenden.

• weder die chronolog. Zeit noch der Zeitpunkt des Ende, sondern:

operative Zeit, die in der chronolog. Zeit drängt, die diese im Inneren

bearbeitet und verwandelt = die Zeit, die uns bleibt.

Der Mensch ist das, was noch nicht erschienen ist. Immer offen halten!

Messianische Haltung ist diejenige, die die Menschen nicht festlegt auf das,

was sie sind oder gewesen sind – sondern Öffnung auf etwas, was sie noch

nicht sind. Darum geht’s letztlich in der Performativität der Rede von Jesus ist

der Christus. Das ist auch der Osterglaube: nicht Optimismus, sondern

Hoffnung! Wissen um die Tragik des Lebens – wider alle Hoffnung etwas

setzen.

4.6. Ewigkeit und Zeit

Letzte VL keine Mitschrift

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