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PRÜFTECHNIK Condition Monitoring GmbH 85737 Ismaning eMail: [email protected] www.pruftechnik.comEin Unternehmen der PRÜFTECHNIK - Gruppe
Veröffentlicht in derVGB PowerTech – 07/2012
Dr. Edwin Becker
PRÜFTECHNIK Condition Monitoring
Mobiles Betriebsauswuchten reduziert Schwingungen in Energie- und Kraftwerksanlagen
VGB PowerTech Juli 20122
Rotierende Komponenten in modernem Energie- und Kraftwerksanlagen sind meist komplexe schwingungsfähige Systeme. Um deren Lebenserwartung möglichst lange auszunutzen, sollten sowohl die Gehäuseschwingungen, als auch die Wellenschwingungen an diesen Komponenten so niedrig wie möglich sein. In diesem Zusammenhang sind Unwuchten an Rotoren eine häufige Quelle unerwünschter Schwingungsanregungen, denn sie erhöhen das Schwin-gungsniveau unnötig und regen Eigenfrequenzen an, die bisweilen zu zerstörerischen Resonanzeffekten führen können. Bei neu montierten oder modifizierten Rotoren ist deshalb die Auswuchtgüte grundsätzlich messtechnisch zu kontrollieren und falls notwendig zu verbessern. Besteht Resonanzgefahr ist die geforderte Auswuchtgüte zu erhöhen, also die erlaubte Restunwucht zu reduzieren. Das mobile Betriebsauswuchten mit VIBXPERT oder SmartBa-lancer gilt zurzeit als eines der effizientesten Verfahren, um Resonanzanregungen proaktiv zu reduzieren und sogar zu vermeiden. Damit einhergehend sind aber auch erfahrene und hinreichend qualifizierte Techniker erforderlich, um die Tücken beim Auswuchten zu umgehen und die Stärken moderner Messtechnik zielgerichtet einzusetzen. Eine allgemein anerkannte Zertifizierung des Auswuchtpersonals wird daher über kurz oder lang unumgänglich sein.
Mobiles Betriebsauswuchten reduziert Schwingungen in Energie- und KraftwerksanlagenEdwin Becker, Ismaning
1. Auswuchten bei Maschinen und Anlagen
Auswuchten ist nach ISO 1940-1:2004 ein
„Vorgang, durch den die Masseverteilung
eines Rotors geprüft und, wenn nötig, korri-
giert wird, um sicherzustellen, dass die Restun-
wucht oder die drehfrequenten Schwingun-
gen der Lagerzapfen und/oder die Lagerkräfte
bei Betriebsdrehzahl in festgelegten Grenzen
liegen.“/1/ Bei einer Unwucht unterscheiden
sich die ‚Schwerachse’ und die Drehachse des
Rotors.
Das Auswuchten von Rotoren ist im allge-
meinen Maschinen- und Anlagenbau weit ver-
breitet. Es erfolgt auf Auswuchtmaschinen
oder durch Auswuchten in der Maschine oder
Anlage selbst. Das Auswuchten vor Ort wird
im Allgemeinen als Betriebswuchten bezeich-
net. Es ist bei großen Anlagen oft die einzige
Möglichkeit, um sie als „Einheit“ in eine ent-
sprechende Auswuchtgüte zu bringen.
Die erforderlichen Auswuchtgüten sind für
viele Maschinentypen in ISO 1940 maschinen-
spezifisch definiert. Beim Betriebswuchten
wird die Schwinggeschwindigkeiten entspre-
chend ISO 10816-3, und zunehmend auch
die Wellenschwingungen nach ISO 7919 /3/,
als erforderliche Auswuchtgüte verwendet.
Dies ist bezogen auf die Kreiselpumpennorm
ISO 10816-7 auch der übliche Weg, um bei
Pumpen mit höheren Verfügbarkeitsanforde-
rungen das niedrigere Schwingungsniveau zu
erreichen.
2. Auswuchten bei Energie- und Kraftwerksanlagen
Motoren, Getriebe, Kupplungen, Brems-
scheiben, Läufer und Rotoren werden zumeist
ab Werk auf Wuchtmaschinen ausgewuch-
tet. Dazu werden die Einzelkomponenten
bei der gewählten Wuchtdrehzahl vorgabe-
gerecht gewuchtet, wobei dies nicht immer
bei der Betriebsdrehzahl möglich ist. Im zu-
sammengebauten Zustand verändert sich
ebenfalls das Schwingungsverhalten. Die Un-
wuchtschwingung geht oft nach oben und
zusätzlich können Resonanzen auftreten.
Effiziente Abhilfe schafft in diesem Fall das
Betriebsauswuchten.
Bei sehr großen Maschinen, aber auch
bei Rotorblättern in Windenergieanlagen
(WEA), kann ein Auswuchten auf Wuchtbän-
ken nicht mehr stattfinden. Betriebsauswuch-
ten stellt dann die einzige Möglichkeit dar, um
Unwuchten zu reduzieren.
Zwischenzeitlich häufen sich Aussagen,
dass auch Energie- und Kraftwerksanla-
gen unnötig mit Unwucht behaftet sind
und mit erhöhten drehfrequenten Schwin-
gungen laufen. Bei drehzahlveränderlichen
Bild 1 Schwingkennwerte entsprechend ISO 10816-3 für allgemeine rotierende Maschinen,
und ISO 7919-3 für gekuppelte industrielle Maschinen.
VGB PowerTech Juli 2012 3
Massenunwuchten• Ungleiche Rotorblattmassen• Ungleiche Massenverteilungen im Rotorblatt• Flansch- und Teilungsfehler in der Nabe• Nebenunwuchten• Exzentrizitäten des kompletten Rotors• Verbogene Welle• Wassereinbruch/ Eis-Ansatz
Aerodynamische Unwuchten• Blattwinkelfehler• ungleiche Rotorblattprofilformen• Rotorblattschäden und Einflüsse durch Reparaturen am Rotorblatt• Teilungs-/ Konusfehler• Schräganströmung• Standortbedingte Anregungen von außen (Böen, Turmvorstau)
Rotor mit Rotorblätter
Maschinen bilden Eigenfrequenzen ein zusätz-
liches Risiko, da sie leichter angeregt werden,
und bei Kraftwerksanlagen auch in Resonanz
geraten können. Speziell bei Kohlemühlen
können Unwuchtschwingungen durch Ver-
schleiß schneller entstehen als man annehmen
würde.
Eine Zusammenstellung der Ursachen für
Unwucht bei WEA zeigt Bild 2. Neben der
Massenunwucht spielt bei Rotorblättern in
WEA die aerodynamische Unwucht eine große
Rolle. Diese lässt sich beispielsweise durch eine
Blattwinkelkorrektur reduzieren. Aerodynami-
sche Unwuchten können aber auch bei Axial-
ventilatoren in Kraftwerken auftreten.
Das Betriebsauswuchten selbst sollte
möglichst bei vergleichbaren Drehzahlen und
Betriebsbedingungen stattfinden. Unabding-
bar sind sowohl eine sehr präzise Drehzahl-
messung, als auch ausreichend lange Messzei-
ten für die Amplituden und die Phasenlage der
Rotorschwingung. Dies stellt hohe Anforde-
rungen an die Sensorik, insbesondere bei sehr
hohen und sehr niedrigen Drehzahlen sowie
bei Schwebungen. PRÜFTECHNIK hat diese
Herausforderungen durch eine speziell dafür
entwickelte Sensorgeneration gelöst.
Als Messgrößen kommen Schwingge-
schwindigkeit, Schwingbeschleunigung oder
Schwingweg in Betracht. Als Sensoren eignen
sich Wellenschwingungssensoren, Bewe-
gungssensoren, Beschleunigungssensoren,
Schwinggeschwindigkeitssensoren und Kraft-
sensoren. Verfügt das Messgerät über eine au-
tomatische Signalverarbeitung, lassen sich vor
Ort die Istwerte zum Auswuchtzustand ein-
schätzen und die vom Gerät vorgeschlagenen
Auswuchtgewichte am Rotor anbringen.
3. Wie definiert sich die er-forderliche Auswuchtgüte?
Einen guten Auswuchtzustand kann
man subjektiv an der Maschine oder in der
Gondel der WEA spüren. Quantitativ lässt
sich die zulässige Restunwucht anhand von
Nomogrammen (Bild 3) ableiten. Das rechte
Nomogramm wurde von PRÜFTECHNIK von
20 U/min bis auf 2 U/min extrapoliert und
die Auswuchtgüten G1 bis G100 eingetragen.
Besonders gekennzeichnet wurde die Aus-
wuchtgüte G 16, die auch für Propellerwellen
gilt und mit der PRÜFTECHNIK in Serviceein-
sätzen auf WEA gute Erfahrungen gemacht
hat.
Mit diesem Nomogramm lässt sich auch
abschätzen, ob man durch Einbringen von
Zusatzgewichten nahe zur Rotornabe die
Schwingungen beeinflussen kann, oder ob
man lieber gleich die Zusatzmassen in den Ro-
torblättern anbringt.
Nachfolgend wird die allgemeine Vorge-
hensweise beim Betriebswuchten beschrieben:Bild 2 Die Ursachen für Unwucht an WEA sind vielfältig /2/
Bild 3 Auswuchtgüten nach ISO 1940 für Standardmaschinen und extrapoliert für WEA (unten)
VGB PowerTech Juli 20124
Schritt Masse in kg Rotorblatt Gesamtgeschwindigkeit
in mm/s
Zufügen/Entfernen
1 - - 5,57 -
2 2,1 01 7,36 Entfernen
3 2,1 16 3,87 Zufügen
Ergebnis 1,25 23 1,51 Zufügen
4. Allgemeine Vorgehens-weisen beim Betriebsaus-wuchten
Zuerst wird auf die Rotorwelle eine Reflek-
tormarke möglichst nahe zu einer Passfeder
geklebt. Der Drehimpulsgeber wird auf die Re-
flektormarke ausgerichtet und ein geeigneter
Beschleunigungssensor bevorzugt in horizon-
taler Messrichtung am Hauptlager montiert.
Dann führt man eine Diagnosemessung aus,
um in den Frequenzspektren zu prüfen, ob die
Rotordrehfrequenz auch wirklich dominiert.
Wenn ja, kann das Auswuchten beginnen, an-
derenfalls ist eine Messstelle mit signifikanten
Amplituden zu suchen.
Ist das Schwingungsverhalten der Anlage
unbekannt, sollten vor dem Auswuchten Aus-
laufspektren über den Betriebsdrehzahlbereich
der Anlage gemessen werden. Dazu wird die
Bild 4 Auslaufspektren der Schwinggeschwindigkeit eines
Mühlensichters
Anlage von der Maximaldrehzahl herunterge-
fahren und die Frequenzspektren kontinuier-
lich mit einem Frequenzanalysator – wie z.B.
VIBXPERT – aufgezeichnet (Bild 4). Trägt man
die Spektren in Abhängigkeit der Drehzahl
auf, erkennt man bei welchen Drehzahlen
gewuchtet werden kann ohne störende Eigen-
schwingungen anzuregen. Im Beispiel unten
ist abzulesen, dass Betriebswuchten unterhalb
von 210 U/min problemlos möglich ist. Dreh-
zahlen um 230 U/min sind zu vermeiden, da es
hier Resonanzüberhöhungen gibt. Mit solchen
Messungen ist auch der Ausgangszustand vor
dem Auswuchten umfassend dokumentiert.
Im nächsten Schritt wird im VIBXPERT der
Auswucht-Modus gestartet. Im zugehörigen
Maschinen-Manager müssen die Rotormas-
sen, die Auswuchtradien und die gewünschte
Auswuchtgüte eingetragen werden.
Das eigentliche Betriebswuchten kann
beginnen, wobei folgende Schritte durchlau-
fen werden:
• Ermitteln der Urunwucht
Als Urunwucht bezeichnet man diejenige
Unwucht, die im gesamten Rotor vor dem
Auswuchten vorhanden ist.
Bild 5 Auswuchtgewichte montiert und Auswuchtdiagramm
(polare Darstellung).
Tab. 1: Dokumentation der Auswuchtschritte
• Ermitteln der Testmasse und
Messen ihrer Wirkung
Die erforderliche Testmasse wird von
VIBXPERT ermittelt und unter Berücksichti-
gung der Rotorblattanzahl z.B. als Festort-
ausgleich definiert. Das Setzen (oder Re-
duzieren) der Testmasse dient auch dazu,
das „Wuchtsystem“ und seine Reaktion auf
die Testmasse kennenzulernen. Durch die
Testmasse muss sich der Schwingungszei-
ger in Amplitude und Winkel ausreichend
verändern, um den eigentlichen Masse-
ausgleich am Rotor berechnen zu können.
VIBXPERT schlägt daraufhin Ausgleichsmas-
sen vor, erlaubt es aber auch, die tatsächlich
angebrachten Massen einzutragen.
• Ausgleichsmassen setzen und
Kontrollläufe ausführen
Für die anschließenden Kontrollläufe wird
die Auswuchtsoftware in VIBXPERT genutzt.
Die vorgeschlagenen Auswuchtgewich-
te werden montiert und der Auswuchtlauf
wiederholt. Ähnlich wie beim Wuchten von
Industrieanlagen benötigt man zwei bis vier
Läufe, um die geeigneten Ausgleichsmassen
zu finden. Letztlich verbleibt natürlich eine
gewisse Restunwucht, die man durch ver-
gleichende Diagnosemessungen einschätzt.
• Wiederholen der Diagnosemessungen
Nach Abschluss der Kontrollläufe wird
erneut das Auslaufspektrum gemessen
und mit dem Ausgangszustand verglichen.
Haben sich die drehfrequenten Anregungen
verringert, war das Auswuchten erfolgreich.
Oft zeigt sich, dass damit auch die Eigenfre-
quenzanregungen niedriger werden.
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Bild 6: Saugzugrad, Messpunkte an der Lagerung und FFT-Spektren vor und nach
dem Auswuchten
5. Schwingungen an hori-zontalen Maschinen durch Betriebswuchten reduzieren
Wuchtet man den Rotor im montierten
Zustand, unterscheiden sich durch Lagerspiel
im ersten Schritt normalerweise die Rotations-
achse von der Schwerachse. Wird dann die
Kupplungsnabe oder Riemenscheibe montiert,
gibt es weitere Abweichungen, die zu berück-
sichtigen sind.
Hersteller von Anlagen- und Antriebstech-
nik haben zum Wuchten klare Vorgaben, wo
Wuchtgewichte zu setzen oder Bohrungen
einzubringen sind. Noch besser ist es, wenn
ab Werk konstruktiv sowohl die Maschine als
auch die Wuchtgewichte vorbereitet sind.
5.1. Betriebswuchten min-dert Gehäuseschwingungen
Nachfolgend ein Beispiel von einem auf-
fälligen Saugzuglüfter, bei dem durch Be-
triebswuchten sich das Schwingungsniveau
beträchtlich reduzieren ließ. Um die Verbes-
serung des Laufverhaltens zu dokumentieren,
wurde bei jedem Wuchtvorgang ein Spektrum
vor dem Auswuchten (‚as found’) und eines
nach dem Auswuchten (‚as left’) gemessen.
Bei horizontalen Maschinen ist es auch emp-
fehlenswert, den Schwingungszeiger in einer
zweiten Kontrollebene mit aufzuzeichnen.
Bild 7 Messeinrichtung für Wellenschwingungen; Speisewasserpumpe und
angebrachte Auswuchtgewichte
5.2. Betriebswuchten min-dert Wellenschwingungen
Bei großen gleitgelagerten Maschinen sind
Wellenschwingungen ein Maß für die Maschi-
nenlaufgüte. Anlagenhersteller müssen daher
entsprechende, normgerechte Wellenschwin-
gungen erreichen, wie das folgende Beispiel
einer Speisewasserpumpe zeigt.
Mit einer Messeinrichtung wurden für
diesen Maschinentyp zu hohe Wellenschwin-
gungen festgestellt. Erst durch präzises Aus-
wuchten ließ sich das erforderliche Schwin-
gungsniveau erreichen (Tab. 2). Dabei wurden
sowohl die Gehäuseschwingungen, als auch
die über die Messeinrichtung abgegriffenen
Wellenschwingungen einbezogen.
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AS Lager
(Motor DE)
BS Lager
(Motor NDE)
Erreger
(Exciter)
RPM Messen 1 2 1 2 1 24330 Wellenschwingung 75 µm 100 µm 50 µm 65 µm 75 µm 80 µm
Gehäuseschwingung (horizontal) 3,8 mm/s 2,9 mm/s 2,5 mm/s
AS Lager
(Motor DE)
BS Lager
(Motor NDE)
Erreger
(Exciter)
RPM Messen 1 2 1 2 1 24300 Wellenschwingung 50 µm 60 µm 25 µm 20 µm 45 µm 45 µm
Gehäuseschwingung (horizontal) 2,2 mm/s 0,8 mm/s 1,6 mm/s
Tab. 2: Wellenschwingungen und Schwinggeschwindigkeiten vor und nach dem Auswuchten
5.3. Betriebswuchten re-duziert Anregungen durch Eigenfrequenzen
An einem Kohleförderband waren an der
Schwinge starke Resonanzanregungen zu
erkennen, die sich über den gesamten Band-
antrieb so stark ausbreiteten, dass ein Dau-
erbetrieb nicht zulässig war. Über messtech-
nische Analysen wurde festgestellt, dass die
Drehfrequenz an der Motorseite der dominie-
rende Anreger war (Bild 8 und Bild 9). Durch
anschließendes Feinwuchten am motorseiti-
gen Kupplungsflansch wurden die Schwin-
gungen sowohl auf der Motorseite, als auch
auf der Getriebeseite so stark reduziert, dass
die Eigenfrequenz nicht mehr verstärkend
wirkte. Die Anlage konnte in den Dauerbe-
trieb gehen.
6. Schwingungen an vertikalen Maschinen durch Betriebswuchten reduzieren
Infolge der fehlenden Schwerkraft sollte
bei Vertikalmaschinen im ersten Schritt grund-
sätzlich der drehfrequente Gehäuseschwin-
gungs-Orbit und/oder der drehfrequente
Bild 8 Bandantriebsmotor mit Beschleunigungssensor; Flüssigkeitskupplung mit
Unterlegscheiben als Ausgleichsgewichte
Bild 9 Frequenzspektren vor und nach dem Auswuchten und Auswuchtdiagramm
Wellenschwingungs-Orbit gemessen und
bewertet werden. Erst dann lassen sich die
richtungsabhängigen Verlagerungen und
Schwingungen zuverlässig berücksichtigen,
und der Auswuchtvorgang analog wie bei den
horizontalen Rotoren durchführen.
6.1. Betriebswuchten min-dert Gehäuseschwingungen
Der Auswuchtvorgang an einem Kühl-
turmventilator ist in Bild 10 veranschau-
licht. Die sehr hohen Schwingungen wurden
durch gezieltes Setzen der Auswuchtgewich-
te beträchtlich reduziert. Erkennbar ist in den
Frequenzspektren der Schwinggeschwindig-
keiten, dass damit auch die Eigenfrequen-
zanregungen am Getriebe deutlich geringer
wurden. Der Auswuchtvorgang selbst war in
diesem Beispiel nach drei Läufen beendet.
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Bild 10 Kühlturmventilator mit Auswucht-
massen und Messergebnisse
6.2. Betriebswuchten min-dert Wellenbewegungen
Im nächsten Beispiel konnte eine Mischer-
welle erst nach Aufzeichnung der Wellenbe-
wegung und auf Basis des drehfrequenten
Wellenorbits gezielt ausgewuchtet werden.
Vorher waren die Körperschallwege bis zu den
Beschleunigungssensoren einfach zu weit und
die Amplituden zu gering. Dabei erwies es sich
als zweckmäßig, beim Wuchtvorgang gleich
die smax-Werte der drehfrequenten Wellenor-
bits zu verwenden (/3/).
6.3. Betriebswuchten re-duziert Anregungen durch Eigenfrequenzen
Zwei neue Hochleistungsmotoren sollten
laut Auftraggeber über den gesamten Be-
triebsbereich im grünen Bereich der ISO
10816-3 bleiben. Diese Vereinbarung erwies
sich jedoch bei der Inbetriebnahme als
tückisch. Die Lieferung wurde beim Herstel-
ler reklamiert und der Hersteller aufgefordert,
über den gesamten Drehzahlbereich ISO-kon-
forme Schwingungen zu gewährleisten. Dazu
wurden Schwingungsspezialisten von PRÜF-
TECHNIK angefordert. Beim mobilen Messein-
satz wurde schnell festgestellt, dass zwei be-
nachbarte Eigenfrequenzen sich gegenseitig
beeinflussten. Obwohl die Motoren baugleich
waren, lag die Fundament-Eigenfrequenz bei
Motor 1 über der Biegeeigenfrequenz und bei
Motor 2 unterhalb der Biegeeigenfrequenz.
Diese Besonderheit beeinflusste natürlich
auch den Auswuchtprozess. Während es beim
Motor 1 gelang, durch Setzen von Zusatzmas-
sen auf der A-Seite ISO konforme Schwin-
gungszustände zu erreichen, mussten beim
Motor 2 auch noch Zusatzmassen auf der
B-Seite gesetzt werden, um beiden Eigen-
frequenzen Anregungsenergie zu entziehen.
Die Bilder 13 und 14 zeigen die Ergebnisse
jeweils vor und nach dem Auswuchten. Die
Maschinen konnten anschließend in den Dau-
erbetrieb gehen.
Bild 11 Wuchten eines Mischers auf Basis von Orbitmessungen
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Drehzahl in U / min
Drehzahl in U / min
Drehzahl in U / min
Drehzahl in U / min
v in
mm
/ s
v in
mm
/ s
v in
mm
/ s
v in
mm
/ s
Dr. Edwin BeckerLeitung Service & Diagnose CenterPRÜFTECHNIK Condition MonitoringT: +49 89 99616-340F: +49 89 [email protected]
Bild 13 Auslaufkurven eines doppelt resonierenden Vertikalmotors vor und nach dem Betriebswuchten
Bild 14 Auslaufkurven eines benachbarten Vertikalmotors, der ein Feinwuchten erforderte
7. Betriebswuchten erfordert zertifizierte Auswuchttechniker
Mit Betriebswuchten kann man Schwin-
gungen so weit reduzieren, dass auch andere
Störfaktoren in ihrem Einfluss auf die Schwin-
gungen gemindert werden. Daher ist Vorsicht
und ein diszipliniertes Vorgehen angebracht.
Jeder Auswuchtvorgang ist zweifelsfrei und
eindeutig zu dokumentieren, um andere
Fehler als Ursache für das erhöhte Schwin-
gungsniveau auszuschließen. Eine Unwucht
vortäuschen können nämlich auch eine un-
zulässige Exzentrizität, Achsenlage, Rotor-
verkrümmung oder eine Fehlausrichtung. Die
genannten Beispiele verdeutlichen, dass Aus-
wuchten nicht immer leicht von der Hand
geht und viel Erfahrung sowie fundiertes Hin-
tergrundwissen erfordern. Es wird nur noch
eine Frage der Zeit sein, bis Auswuchttech-
niker sich, ähnlich wie Mitarbeiter in der zer-
störungsfreien Werkstoffprüfung, zertifizieren
lassen müssen.
8. Ausblick
Mit Auswuchten lassen sich Schwingun-
gen reduzieren und störenden Eigenfrequen-
zen die Anregungsenergie entziehen. Letztlich
wird durch solche Maßnahmen die Zuverläs-
sigkeit der Anlagen erhöht und vorzeitiger
Verschleiß in den Wälzlagerungen und Ma-
schinenkomponenten reduziert.
[1] DIN ISO 1940-1, Ausgabe 2004:
Mechanische Schwingungen
Anforderungen an die Auswuchtgüte
von Rotoren in konstantem Zustand,
Teil 1: Festlegung und Nachprüfung
der Unwuchttoleranz“
[2] www.telediagnse.com, Heft 12 WEA
[3] www.telediagnose.com,
Heft 13 Turbomaschinen