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Die Nacht war blau wie Tinte, als

die Versammlung der Tiere begann.

Weiße Wolken zogen wie große

Kontinente über den Himmel.

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Die Tiere saßen dicht an dicht, Fell an Federn,

Pelz an Panzer, Haut an Borstenhaar und

Schuppen an Stacheln. Sie drängten sich

aneinander, denn es war sehr kalt, und so

konnten sie sich zumindest ein wenig wärmen.

Alle sehnten sich nach ihren gemütlichen Höhlen

und Nestern, ihren Seerosenblättern, Erdgängen und

Unterhölzern. Aber sie waren sich einig, dass der

Grund dieser Versammlung zu wichtig war, um

im warmen Zuhause zu bleiben.

„Es war vor langer Zeit, aber ich erinnere

mich an damals sehr genau“, sagte der Hund.

Die Tiere saßen dicht an dicht, Fell an Federn,

konnten sie sich zumindest ein wenig wärmen.

Alle sehnten sich nach ihren gemütlichen Höhlen

und Nestern, ihren Seerosenblättern, Erdgängen und

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ie Tiere drängten sich immer dichter

aneinander, um sich zu wärmen. Jedes

Tier wollte dem Hund möglichst nahe

sein, um kein einziges seiner Worte

zu versäumen.

„Woran erinnerst du dich, Hund?“, übersetzte die

Steinfliege die Frage der Regenbogenforelle, denn kein

anderes Tier konnte die ausgestoßenen, schillernden

Luftblasen der Forelle verstehen, und so war es gut, dass

die Steinfliege im Laufe der Zeit jede Regung des Fisches

zu deuten gelernt hatte. „Weißt du denn etwas darüber,

wie die Tiere und die Menschen früher zusammenlebten?“,

knarrte der Sonnendachs, der aus einem berühmten zoo-

logischen Garten angereist war, denn eigentlich lebte er in

einem sehr fernen und heißen Land. „Waren sie glücklich?“,

pfiff das Baumwollschwanzkaninchen und trommelte vor

Aufregung einige Male mit den Hinterläufen auf die Erde.

Dann sprang es unter die Waldblumen und verschwand.

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Der Hund erzählte von einer Zeit, als die Tiere

mit den Menschen zusammen Tür an Tür

schliefen, als keiner mehr nahm, als er benötigte,

und keiner dem anderen unnötige Schmerzen

zufügen wollte. Von einer Zeit, als jeder dieses stille

und schwache Leuchten im anderen sehen konnte

und Acht gab, es nicht auszulöschen. Doch es schien,

als hätten die Menschen dieses Leuchten mit der Zeit

vergessen, oder sie wollten es einfach nicht mehr sehen,

und so bliesen sie die zart glimmenden Lichter zu Tausenden aus.

Die Steinfliege, die Regenbogenforelle, der Sonnendachs und das

Baumwollschwanzkaninchen, sie alle hatten nicht viel gemeinsam.

Sie wohnten nicht in den gleichen Ebenen, noch aßen sie die

gleichen Gräser, sie trugen niemals die gleichen Kleider und sie

waren von so unterschiedlicher Größe, dass sie einander oft selbst

übersahen. Aber dieses sanfte Leuchten besaß jedes von ihnen.

Die Steinfliege war nicht halb so groß wie die Tatze des

Sonnendachses, aber ihr Leuchten war nicht weniger wertvoll,

und einmal erloschen, war es unwiederbringlich verloren.

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