netzwirtschaft.net: interview mit mike münch

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Archiv Über uns NETZWIRTSCHAFT.NET Digitale Workouts Interview mit Mike Münch – bmp- Interview mit Mike Münch – bmp- writers.com writers.com Wer ist Mike Münch? Bitte stell Dich doch mal kurz vor. Ich bin Mitgründer der Adaptionsagentur Burton Münch & Part- ner World Wide Writers. Wir waren in Deutschland die ersten, die mit „Textadaptionen“ ihr Geld verdienten und hatten das Glück, die Anfänge der Globalisierung voll mitzunehmen. Mindestens so wich- tig wie der wirtschaftliche Erfolg ist für mich, dass ich bei BMPwri- ters meine Neugier und mein Interesse an Menschen und Dingen, Psychologie der Verführung und Sprachästhetik ausleben kann. Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwin- kel kennenlernen, verrate uns doch auch einen klei- nen Spleen von Dir. Ich bin süchtig nach visuellen Reizen, Ästhetik und Schönheit in je- dem Aggregatzustand. In einem Office, das ohne Sinn für Farben, Proportionen, Harmonie oder Kontrapunkte gestaltet ist, könnte ich nicht arbeiten. Selbst die unvermeidlichen 08/15-Hotelzimmer unter-

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Page 1: Netzwirtschaft.net: Interview mit Mike Münch

Archiv Über uns

NETZWIRTSCHAFT.NETDigitale Workouts

Interview mit Mike Münch – bmp-Interview mit Mike Münch – bmp-

writers.comwriters.com

Wer ist Mike Münch? Bitte stell Dich doch mal kurz

vor.

Ich bin Mitgründer der Adaptionsagentur Burton Münch & Part-ner World Wide Writers. Wir waren in Deutschland die ersten, diemit „Textadaptionen“ ihr Geld verdienten und hatten das Glück, dieAnfänge der Globalisierung voll mitzunehmen. Mindestens so wich-tig wie der wirtschaftliche Erfolg ist für mich, dass ich bei BMPwri-ters meine Neugier und mein Interesse an Menschen und Dingen,Psychologie der Verführung und Sprachästhetik ausleben kann.

Damit wir Dich nicht nur aus beruflichem Blickwin-

kel kennenlernen, verrate uns doch auch einen klei-

nen Spleen von Dir.

Ich bin süchtig nach visuellen Reizen, Ästhetik und Schönheit in je-dem Aggregatzustand. In einem Office, das ohne Sinn für Farben,Proportionen, Harmonie oder Kontrapunkte gestaltet ist, könnte ichnicht arbeiten. Selbst die unvermeidlichen 08/15-Hotelzimmer unter-

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wegs stürzen mich in die Krise. Lieblosigkeit ist ein Killer (mein Äs-thetikfimmel allerdings leider auch …)

Elevator Pitch! Was macht Eure Firma? Und vor al-

lem: was macht ihr am besten, wo liegt Eure Super-

power?

Wir steigern das Bruttosozialprodukt! Als Text-Adaptionsagentur un-terstützen wir große und mittlere Player dabei, mit ihrer Kommunika-tion zu punkten, wo es zählt: auf den internationalen Exportmärkten.

Aller Globalisierung und Digitalisierung zum Trotz ist die Welt vielfäl-tig geblieben: unterschiedliche Wertesysteme, Sinn für Humor, urei-gene kulturelle Prägungen und Erwartungshaltungen – Dinge, diewir quasi mit der Muttermilch aufgesogen haben und die unbewusstunsere Weltsicht prägen. Deshalb lassen sich Markenwelten undstrategische Botschaften nicht mit dem Wörterbuch in einen ande-ren Kulturkreis transportieren.

Um bei den Menschen da draußen in Kopf und Bauch anzukommen,müssen wir das von Kulturkreis zu Kulturkreis unterschiedlicheGrundrauschen durchdringen. Mit Adaptionen (vulgo: Übersetzun-gen), die sich so lesen, als ob sie an den jeweiligen Zielmärkten vonTopkreativen konzipiert und geschrieben worden wären.

Als besonders nützlich erweist sich unsere interkulturelle Aufstellung auchbei der Entwicklung international tragfähiger Namen für Marken, Produk-te und Features. Bei der Namensentwicklung gilt es, eine optimale asso-ziative Strahlkraft für die Zielmärkte unserer Kunden zu schaffen,gleichzeitig aber auch, kulturspezifisch negative Bedeutungen oder Kon-notationen auszuschließen. Dabei holen wir natürlich auch urheber- undmedienrechtliche Unterstützung an Bord.

Ein rigide vereinheitlichter Auftritt vernachlässigt die Unterschiedeinternationaler Kulturen. Ein Flickenteppich national eigenständigerAuftritte wiederum schwächt globale Marken (und ist nicht sehr kos-teneffizient). Wir gehen einen dritten Weg, der eine optimale Balan-ce beider Positionen anstrebt. Mit (inter)kultureller Intelligenz,Offenheit, Freude am Schreiben und einer konsequenten Ergebnis-orientierung.

Unser Leitbild heißt Globales Branding funktioniert am besten, wennes sich lokal anfühlt. Unser Claim Text sells. Das fasst unsere Missi-on ganz gut zusammen.

Apropos Superpower: Verrätst Du uns ein „Best

Practice“ Beispiel Deiner Firma, wo ihr besonders

erfolgreich wart? Was waren Deiner Meinung nach

die Erfolgsfaktoren?

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Der Deutsche Bahn Konzernclaim Zukunft bewegen bzw. dessenenglisches Pendant On track for tomorrow. Das Beispiel veranschau-licht den erklärungsbedürftigen Charakter unserer Arbeit recht gut.Ist das eine Übersetzung? Eine Re-Kreation? Aber egal, wie man esnennt: Unsere englische Idee und die intendierte Message kamenbeim damaligen Bahn-Chef Hartmut Mehdorn und international gutan.

Natürlich ist nicht jede Adaption so „freigeschwommen“, manchmalgenügen ein paar Einsprengsel, um die jeweilige lokale Zielgruppeabzuholen. Das können Assoziationen sein, das Eingehen auf denjeweiligen Humor, eine Art Verortung. So wie ein bestimmter GeruchErinnerungen oder Gefühle wecken kann. Auf jeden Fall muss eineAdaption gut geschrieben sein – wobei „gut“ in Deutschland, Frank-reich oder China etwas völlig anderes bedeuten kann. One size fitsall funktioniert wirklich nur sehr selten.

Wie lebt ihr Digitalisierung in Eurem Unternehmen?

In welchem Bereich habt ihr Digitalisierung erfolg-

reich um- oder eingesetzt?

Außer beim Lunch eigentlich überall: Brainstormen mit Teammitglie-dern über Landesgrenzen und Kontinente hinweg, Datenbanken fürTerminologie und interkulturelle Besonderheiten, Kollaborations-Tools, Agenturmanagementsoftware, Online-Befragungen, Recher-che …

Wenn Du Dir die Netzwirtschaft insgesamt, Euren

Markt, Eure Firma, Deine Position ansiehst, was

werden die Haupt-Herausforderungen in den nächs-

ten Monaten oder Jahren sein?

Herausforderung für die Gesellschaft bzw. den Staat:

Ich befürchte die Herausbildung einer Art digitalen Nomaden-tums. Nicht, dass ein Leben ohne „Scholle“, dafür aber mitwechselnden Zugehörigkeiten nicht möglich wäre (der Futuro-loge Alvin Toffler hat schon in den Siebzigern in seinem BuchFuture Shock einen Lebensentwurf ohne traditionelle Fixpunktewie Heimat, Familie, lebenslange Beschäftigungsverhältnisseskizziert). Aber ähnlich wie das an die Stelle des persönlich ver-antwortlichen Ur-Kapitalisten getretene anonym vagabundie-rende Kapital ein Verantwortungsvakuum hinterlassen hat(allen CSR-Bekundungen zum Trotz steht maximaler Sharehol-der Value im Fokus moderner AGs), könnte auch der Verlust der„physischen Verortung“ auf Individualebene eine weitere Frag-mentierung der Gesellschaft zur Folge haben. Hoffentlich spieltmir hier nur mein gelegentlicher Kulturpessimismus einenStreich …

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Herausforderung für die Netzwirtschaft in Deutschland:

Über den nationalen Tellerrand zu schauen. Auch wenn Audi,BMW, Mercedes‑Benz, Porsche und VW in Sachen Automobil(noch!) den Ton angeben: Wir sind nicht das Maß der Dinge.

Herausforderung für unseren Markt:

Der von Übersetzungsprogrammen, virtuellen Dolmetschernetc. genährten Illusion entgegenzutreten, dass „Übersetzung“eine bloße Commodity sei.

Zumindest in unserem Spielfeld braucht es neben Copywriting-Skills auchsolide interkulturelle und marktpsychologische Kompetenz, damit die in-ternationale Umsetzung von national konzipierten Marketing- und Werbe-maßnahmen richtig funktioniert.

Herausforderung für unsere Firma:

Einen Bewusstseinswandel einzuleiten. Das Radar vieler deut-scher Entscheider hat in Sachen internationale Kommunikationeinen blinden Fleck, der die Marketingpower und die Wunsch-Wahrnehmung deutscher Unternehmen im Ausland schwächt –also da, wo die Musik spielt.

Wer seine Zielmärkte in Kopf und Bauch erreichen und seine Spendingsoptimal hebeln will, sollte seine Experten für den kommunikativen undkulturellen (!) Brückenschlag am besten von Anfang an auf Augenhöhe indie nationale Kommunikation einbinden. Wir nennen das Cultural Intelli-gence.

Abgesehen davon muss ich entscheiden, ob wir unsere immer noch sehrbeliebte Flash-Website ( www.BMPwriters.com) durch eine schon sehrweit gedachte Mischform aus Blog und Website ersetzen. Meinungen ausder Community sind sehr willkommen! ([email protected])

Was hat Dich bisher am meisten am Internet geär-

gert, was am meisten gefreut?

Klasse finde ich, dass mir durch Food-Blogs und TripAdvisor dieschlimmsten Überraschungen erspart bleiben, egal wohin ich auchreise. Schade, dass das mit dem Beamen immer noch nicht funktio-niert – aber Alphabet arbeitet bestimmt schon dran …

Welches „Problem“ (privat oder im Unternehmen)

würdest DU gerne von einem Start-up gelöst be-

kommen?

Dass jemand unser gesammeltes interkulturelles Research und Wis-

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sen in eine Anwendung packt, die dann auf Unterschiede zwischenverschiedenen Märkten bzw. Zielgruppen aufmerksam macht. Daskönnte alles Mögliche sein, von der Zahlenkombination auf einemNummernschild („444“ beispielsweise steht in China für „stirb!“)über den Stellenwert von Konsumobjekten (Lifestyle vs. sozialer Sta-tus oder praktischer Nutzwert bei Autos beispielsweise) und lokaleAussprachen mit unerwünschten Konnotationen („M-R-deux“ klingtfranzösisch-flott ausgesprochen wie „merde“ – deshalb hieß der To-yota „MR2“ in Frankreich nur „MR“) bis hin zu komplexeren Unter-schieden. Denn ob San Francisco, Stuttgart oder Shanghai:Menschen denken, fühlen, lachen, erinnern anders.

Dabei geht es keinesfalls nur um die Vermeidung interkultureller Fettnäpf-chen, sondern vor allem auch um die Einbringung identifikationsstiftenderElemente. Nur wer sich im Kern angesprochen fühlt, lässt sich von einerMessage, einem Produkt, einer Marke begeistern. Denn ob wir wollenoder nicht: Am Ende (und am Anfang) entscheidet der Bauch.

Gib uns doch bitte eine Empfehlung für …

einen Blog, mit dem Du Dich zu Fachthemen gerne informierst

Dieser Blog informiert über Konsum- und Marketingtrends undderen Akzeptanz weltweit: http://blog.gfk.com/. Ohne Blah,gut recherchiert und statistisch perfekt untermauert. Und –manchmal liegt das Gute so nah – von der Gesellschaft fürKonsumforschung aus Nürnberg frisch auf den Tisch.

einen Artikel, der Dich in der letzten Zeit am meisten begeistert hat

“You don’t want to be the smartest person in the room. Youwant to be the person that everyone else wants to talk to.”Wer gelegentlich ein Mikrofon in die Hand nimmt, wird von die-sem Crash-Kurs profitieren. Vielleicht entdecken Sie ja den GuyKawasaki in sich: http://firstround.com/review/Powerful-Tips-from-Techs-Top-Media-Trainer-and-Speaking-Coach/

ein spannendes Buch, das Dich für Dein Business inspiriert hat

Alle, die effizienter mit Menschen aus anderen Kulturen kom-munizieren wollen – sei es im Marketing, als Unternehmens-stratege, Werber oder Arbeitgeber – werden sich und die Weltnach der Lektüre von The Culture Map (Erin Meyer) anders se-hen. Und mehr erreichen.

Horizonterweiternd, wenn auch nicht so gerichtet, ist Tao: The Watercour-se Way. Alan Watts hat mir den Daoismus als eine der drei Lehren (Konfu-zianismus, Daoismus und Buddhismus) nähergebracht, die tief in derchinesischen Sprache und Alltagskultur verwurzelt sind. Tao prägt die öst-liche Wahrnehmung der Welt ebenso stark wie (nolens volens) der „christ-lich-abendländische“ Hintergrund den Westen.

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eine Veranstaltung, auf der Du wirklich etwas dazugelernt hast

Das war eine Konferenz über Künstliche Intelligenz, die ich vor25 Jahren als Simultandolmetscher mitbetreut habe. Ganz ab-gesehen von den Inhalten war es eine Begegnung mit der KI-Koryphäe aus Kalifornien, die das Credo meiner heutigenAgentur mitgeprägt hat. Auf meine zwischen Bier und Bock-wurst geäußerte Überlegung, warum er sich im Gegensatz zuseinen deutschen Kollegen so unangestrengt verdolmetschenließe, antwortete er: „Meinen Job als Redner habe ich nur danngut gemacht, wenn mich auch die zufällig anwesende Putzfrauversteht.“ Welch ein Gegensatz zum Profilgehabe vieler deut-scher Akademiker, die meinen, Nicht-Verstandenwerden wäreein Beweis für intellektuelle Tiefe.

Diese Begegnung hat mir vor Augen geführt, wie groß die Unterschiedezwischen Kulturen jenseits des rein Sprachlichen sein können. Und meineZukunft wesentlich beeinflusst.

das hilfreichste Tool für Deine Arbeit

Skype, weil ich damit face-to-face mit unseren weltweitenTeams kommunizieren kann – wenn doch nur jemand das Pro-blem mit den Zeitzonen lösen würde.

Von welchem Experten aus Deinem Fachgebiet hast

Du bisher am meisten gelernt?

Wir hatten das große Glück, mit einer Reihe großer Kreativer zu ar-beiten, angefangen bei Kaderschmieden wie GGK Düsseldorf(„schreIBMaschinen“) und HSR&S (Daimler und Nikon) über Springer& Jacoby, Jung von Matt, Heimat, Philipp und Keuntje, Ogilvy & Ma-ther und BBDO bis hin zu thjnk. Danke: Mehr Inspiration geht kaum!