neue luxus-offensive: s-klasse mit sechs türen bester freund · mords-tamtam um sie. zum bei-spiel...

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Nr. 27/14 30. Juni 2014 www.focus.de Wie ein Hund das Leben glücklicher, chaotischer und gesünder macht BESTER FREUND Ratgeber Welche Hunderasse passt zu mir? Hilfe Die besten Erziehungstipps von Martin Rütter MERCEDES Neue Luxus-Offensive: S-Klasse mit sechs Türen GÜNTER GRASS ÜBER NAZIS UND HEUCHLER Terror- Netzwerk in Deutschland Linksradikaler Bombenleger kämpft jetzt für Islamisten 10 Euro Einkaufs-Gutschein für Ihr Haustier! von zooplus.de

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Nr. 27/14 30. Juni 2014

www.focus.de

Wie ein Hund das Lebenglücklicher, chaotischerund gesünder macht

BESTER FREUND

RatgeberWelche Hunderasse

passt zu mir?

HilfeDie besten

Erziehungstipps von Martin Rütter

MERCEDES Neue Luxus-Offensive:S-Klasse mit sechs Türen

GÜNTER GRASS ÜBER NAZIS UND HEUCHLER

Terror-Netzwerk

in DeutschlandLinksradikaler Bombenleger kämpft jetzt für Islamisten

10 Euro

Einkaufs-Gutschein für Ihr Haustier!

von zooplus.de

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AUDIO

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Lassen Sie sich die Titelgeschichte vorlesen.

WISSEN

Mensch,Hund!

Es gibt mehr Hunde als Vorschulkinder in Deutschland. Für viele Menschen ist er als Familienmitglied wichtiger denn je. Zwei Milliarden Euro geben wir jährlich allein für sein Futter aus. Mensch und Hund gehören zusammen. Was ist das Geheimnis dieser innigen FreundschaP ?

FOCUS 27/2014

Fo

to

: Theron Humphrey

Körperkontakt

Wir teilen alles mit

unserem engsten

Sofakollegen. Und wenn

es der eigene Kopf ist

Menschlich?

Hunde begleiten uns

durch den Tag – auch an

einem müden Morgen

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TITEL

m Grunde ihres Her-zens ist Odette ein Straßenköter. Auch wenn ihr feiner französi-scher Name etwas anderes ver-heißt: Sie frisst gern halb vergam-melten Fisch aus der Gosse, liefert sich Keilereien und schätzt ein ordentliches Matschbad. Als ich die herrenlose Einäugige vor zwei Jahren adoptierte, war mir völlig klar: Die ist ein richtiger Hund und wird auch so behandelt. Nix mit Bett, Sofa und Leberwurstkek-sen. Nie und nimmer werde ich ein lederbezogenes Hundebett für 300 Euro kaufen oder Sportkurse buchen, wo ich mit Welpenmamis über sanfte Erziehung diskutiere. Überhaupt würde ich nicht so ein Tamtam um das Tier machen. Nun ja. Das war die Theorie. Die Praxis zwei Jahre später sieht anders aus.

Ja, ich habe Odette schon teu-re Kekse gekauft. Ja, ich habe Hundesportkurse gebucht. Ja, das Biest hat mittlerweile mindestens drei Schlafplätze, verteilt über die Wohnung. Und ich mache ein Mords-Tamtam um sie. Zum Bei-spiel vor dem Urlaub. Meistens suche ich mir Ziele aus, zu denen sie mitkommen kann. Weil ich zu wenige Menschen kenne, bei denen sie ausreichend Aufmerk-samkeit für ihre ganz besonderen Bedürfnisse bekäme.

Das Erstaunliche: Ich muss mich dafür nicht mal schämen. Ich bin ein durchschnittlicher deutscher Hundebesitzer und lebe in guter Gesellschaft. Denn ich wohne in der Hunde(s)republik Deutsch-land. Meine eigene Hundever-narrtheit verblasst angesichts der

Aktivitäten und Fressgewohnhei-ten von Odettes Spielplatzgenos-sen. „Unsere Luna geht jetzt zur Wassergymnastik“, höre ich von ihren Besitzern. Oder: „Spike bekommt nur noch rohes Fleisch vom Metzger.“

Irgendetwas machen Hunde richtig und Kinder falsch. Die Geburtenrate bleibt seit dem Pil-lenknick niedrig, während die Zahl der Tiere stetig steigt. In den 40 Millionen deutschen Haushal-ten leben etwa sechs Millionen Hunde – deutlich mehr als Kin-der im Vorschulalter. Und der Auf-stieg des Hundes vom Nutztier zum Familienmitglied erreicht hierzulande gerade eine neue Stufe.

Canis familiaris, so die korrekte zoologische Bezeichnung, ist zu einem gigantischen Wirtschafts-faktor geworden. Die Einwohner der Bundesrepublik geben jähr-lich mindestens zwei Milliarden Euro allein für Futter aus – mehr als für Babynahrung und -pflege-artikel. Die Umsätze der Züchter (rund 380 Millionen Euro) und

Tierärzte (700 Millionen Euro) gehören eher noch zu den klei-neren Posten. Ausgaben, die mit Hundehaltung zusammenhän-gen, machen mittlerweile 0,22 Prozent des deutschen Bruttoin-landsprodukts aus und sichern mehr als 100 000 Arbeitsplätze.

„Die Branche wächst unglaub-lich. Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren die Umsätze stark steigen werden“, sagt Rena-te Ohr. Die Professorin für Volks-wirtschaftslehre an der Universi-tät Göttingen untersucht gerade die Ökonomie der Hundehaltung in Deutschland. In einer älteren Studie von 2006 konnte Ohr fast fünf Milliarden Euro Umsätze belegen. Doch gerade in den vergangenen Jahren sind zahl-reiche neue Geschäftsfelder rund um den Vierbeiner entstanden – zum Beispiel Hundehotels, Hun-deschulen oder Physiotherapie. Deren Erlös ist noch gar nicht in die Rechnung eingeflossen.

Neulich besuchten Odette und ich das Münchner Hotel „Canis Resort“: holzvertäfelte Fassade, ein Spa, riesiger Garten. Schlaf-plätze für Menschen gibt es dort nicht. Im „Canis Resort“ nächti-gen ausschließlich Hunde, deren Besitzer auf Reisen sind. Für 80 Euro pro Tag bringt Hotelmana-gerin Friederike Brych die Vier-beiner in „Wohnlounges“ mit Luxusbett aus eigener Kollektion unter. Die Unterkünfte für zwei bis vier Tiere sind mit Epoxid-harz ausgekleidet, einem Material aus dem Jachtbau. Zum Service gehören Biofutter und der tägli-che Deckenwechsel. Professionel-le Sitter gehen mit den Hunden Gassi und schmusen bei Bedarf mit ihnen. „Auf Wunsch bekochen wir die Gäste auch mit dem Futter, das sie gewohnt sind“, sagt Brych. Ebenfalls im Angebot: Massagen, Aromatherapie und Fellpflege. Das kostet allerdings extra.

Eine spinnerte Geschäftsidee für ein paar Superreiche mit ver-zärtelten Schoßhündchen, denke ich anfangs. Bis mich Hotelchefin Brych eines Besseren belehrt: „Wir sind so gut wie immer ausge-

I

Hunde-Massage

Mit einem in Holz

gefassten Ame-

thyst streicht

eine Tierheilprak-

tikerin über das

Fell der Hündin.

Odette zeigt sich

wenig begeistert.

Zwischendrin

springt sie immer

wieder auf

Unzer-

trennlich

FOCUS-Redakteurin

Judith Blage mit

ihrer Hündin Odette

80 FOCUS 27/2014

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TITEL

bucht“, freut sie sich. „Oft müs-sen wir Leuten sogar absagen.“ Typische Kundschaft: berufstätige Singles, die ihre Vierbeiner vor einem Geschäftstermin abgeben.

Ich zweifl e daran, dass ein täglicher Bettenwechsel Odettes Lebensfreude merklich heben kann. Doch wir geben dem „Canis Resort“ eine Chance: Ich buche eine Massage bei der hotel-eigenen Tierheilpraktikerin. Und mein Proletenhund blamiert mich. Die Heilerin streicht langsam mit einem Amethyst über das schwar-ze Hundefell. Odette blinzelt gelangweilt – und rast dann vom lederbezogenen Massagebett zum Fenster, um mit den Nach-barshunden herumzukläffen.

Trotzdem: Das Hotel gefällt ihr. Ich weiß das, weil der Rasen vor der Lodge nun demoliert ist. Odet-te hat ein Loch hineingebuddelt. Die Sitterinnen reagieren alles andere als begeistert: „Der Gärt-ner wird sich beschweren.“

Seit Tausenden Jahren leben Menschen mit Hunden zusam-men. Aber noch immer sind Fra-gen zur Haltung strittig. Heißes-tes Thema derzeit: Was gehört in den Fressnapf? So wie sich junge Großstädter für den Modetrend Veganismus begeistern, disku-tieren Hundefreunde in ein-schlägigen Internet-Foren neue Ernährungstrends und tauschen Rezepte aus. „Regenbogenforelle mit Rinderherz, Blattspinat und Gemüseallerlei aus dem Baby-glas hat Django heute bekom-men“, schreibt eine Userin. Eine andere mokiert, dass Zusätze wie hochwertige Öle und Seealgen fehlten: „Dem Hund mangelt es doch an Omega-3-Fetten.“

Gesunde Mahlzeiten, die außer-dem noch den Gaumen des gelieb-ten Tieres kitzeln – das wünscht sich der moderne Hundehalter. Birgitta Ornau hat aus diesem neu-en Bedürfnis ein Geschäftsmodell gemacht. Die 37-Jährige kreier-te die Hundefuttermarke Terra Canis und lässt Dosenfutter aus feinstem Fleisch in einer oberbay-erischen Metzgerei produzieren. Ohne Zusatzstoffe oder Abfallpro-

dukte. Nach Qualitätskriterien für menschliche Lebensmittel.

Die junge Unternehmerin in-vestierte 2005 ihr Erspartes und lieferte die ersten 150 Dosen noch mit dem eigenen Fiat Punto aus. Inzwischen kann sie sich auf ein professionelles Lieferantennetz verlassen. „2014 erwarten wir einen Umsatz von zwölf Millionen Euro, das ist ein Wachstum von 50 Prozent innerhalb eines Jahres.“ Ornau erklärt ihren Erfolg mit der neuen Rolle des Vierbeiners: „Der Hund meiner Großeltern lebte in einer Hundehütte auf dem Hof, der meiner Eltern schlief im Flur, meine eigenen Hunde bei mir im Bett. Teilt man mit jemandem das Bett, vernachlässigt man auch nicht sein Mittagessen.“

„Australisches Wildschwein mit Amaranth und Pfi rsich“ so-wie „Pangasius mit Fenchel, Buchweizen und Hagebutte“ heißen zwei Gerichte der insge-samt sieben Futterlinien. In einem Werbefi lm öffnet Ornau eine Dose

und lässt sich selbst eine kleine Portion schmecken: „Wie eine ganz milde Bolognese.“

Ich schnuppere nur an der geöffneten Dose mit „Rind mit Apfel, Karotte und Naturreis“ für 4,30 Euro. Tatsächlich rie-che ich die einzelnen Zutaten heraus. Odette verschwendet keine Zeit für solchen Gourmet-Schnickschnack. Innerhalb von 20 Sekunden hat meine Hün-din ihr Mahl verschlungen. Das sind erstaunliche zehn Sekunden weniger als üblich.

Warum geben Menschen ein Vermögen für tierische Fein-schmeckermenüs aus? Was bringt uns dazu, unseren Urlaub nach den Bedürfnissen unseres Hun-des zu planen? Und wie schafft es Odette, dass ich ihr fast alles ver-zeihe? Sogar ihre Angewohnheit, sich auf meinen schönen Hoch-fl orteppich (niemals auf das Par-kett) zu erbrechen?

„Hunde befriedigen nahezu bedingungslos unser Bedürfnis nach Nähe und Liebe“, erklärt die Münchner Psychologin Susanne Veit. Eine echte Bindung sei eine unerfüllte Sehnsucht des moder-nen Menschen. Die Tiere bieten eine Beziehung, die fast vollstän-dig der Mensch bestimmt. Mit kei-nem anderen Wesen können wir so eng zusammenleben, ohne in Frage gestellt oder verlassen zu werden. „Im Grunde ist ein Hund ein Kleinkind auf Lebenszeit, nur ohne die immense Verantwor-tung – und ohne Diskussionen.“ Ein Satz des früheren Bundesprä-sidenten Johannes Rau bringt es auf den Punkt: „Mein Hund ist als Hund eine Katastrophe, aber als Mensch unersetzlich.“

Hunde haben eben ihre alten Berufe als Jagdgehilfe oder Schaf-hüter aufgegeben und dienen heute einem anderen Zweck: Sie sind Bezugsperson, teils auch Kin-der- und Partnerersatz. Für Alte oder Kranke manchmal der ein-zige Freund oder Seelentröster.

Wie eng die Bindung zwischen Mensch und Hund ist, erfahren Gisela und Wolfgang Nietfeld jeden Tag. Die früheren Land-

Birgitta Ornau, 37 hat einen

wirtschaftlichen

Coup gelandet:

Die Münchnerin

gründete 2005 die

Hundefuttermarke

Terra Canis. Es ist

das einzige Futter,

das ausschließlich

mit Zutaten in Le-

bensmittelqualität

hergestellt wird -

in einer Metzgerei

Ein Hund soll ins Haus, aber welcher? Nicht nur die Optik ist entscheidend. Ein Border Collie sieht süß aus, ist von

tobenden Kindern aber schnell gestresst. Der Schäferhund hat ein schönes Fell, wird bei einem Stuben-hocker aber nicht glücklich. Jeder Vier-beiner hat seinen eigenen Charakter. Auch die Rasse verrät viel über Bedürf-nisse und EigenschaM en des Tieres.

Viele Hundeschulen bieten Bera-tungsgespräche an. Darin klären Trai-ner, was Herrchen und Frauchen sich von ihrem Hund wünschen und emp-fehlen eine passende Rasse. Der Hunde-halter sollte wissen, was er dem Tier bieten kann, ob er Zeit zum Toben und für Hundesport hat, ob er den neuen Mitbewohner eher zum Wandern oder auf die Couch mitnehmen möchte.

Auch in einem guten Tierheim er-kundigen sich Mitarbeiter nach den Lebensumständen und beraten zu den einzelnen Tieren. Gleiches gilt für Züchter: Ist ihnen am Wohl der Tiere gelegen, klären sie über deren Bedürf-nisse auf, weisen auf Probleme hin und raten eventuell von einer Rasse ab. Auch Hundehalter im Freundeskreis können helfen, indem sie von ihren Erfahrungen berichten und den Hunde-Neuling beim Kauf begleiten.

Experten empfehlen folgende Mensch-Hund-Kombinationen:

Familienhunde Berner SennenhundLabrador RetrieverGolden Retriever GroßpudelEurasierIrish So9 Coated Wheaten TerrierMalteser, HavaneserBoston TerrierKooikerhondjeLagotto Romagnolo

Mit ruhigem Temperament und einer hohen Reizschwelle lassen sich diese Vierbeiner von Lärm und tobenden Kindern nicht aus der Ruhe bringen.

Hunde für Aktive DalmatinerLang- oder KurzhaarcollieBearded CollieDeutscher oder Weißer Schweizer SchäferhundMagyar VizslaFlat Coated RetrieverShetland Sheepdog (Sheltie)Rhodesian RidgebackWelsh oder English Springer SpanielJack Russell TerrierIrish TerrierAiredale Terrier

Diese Rassen wurden zum Jagen oder Hüten gezüchtet und brauchen sehr viel Bewegung. Neben Gassigehen und Herumtollen helfen Sport im Verein oder eine Ausbildung als Rettungs-, Fährten- oder Jagdhund beim Aus-powern. Dabei werden die Tiere auch geistig gefordert – wichtig für die Aus-geglichenheit der intelligenten Rassen. Wer sich für einen dieser Vierbeiner entscheidet, sollte sich besonders gut über dessen Bedürfnisse informieren.

Hunde für Senioren English Cocker Spanielalle Spitzarten, wie zum Beispiel Wolfs- oder ZwergspitzLagotto RomagnoloGroß-, Mittel- und KleinpudelCavalier King Charles SpanielPapillonMalteserMops (unbedingt auf gesunde Zucht und Hunde mit Nasen achten!)für besonders rüstige Senioren: West Highland White Terrier

Diese Hunde sind verschmust und mit normalen Spaziergängen zufrieden.

Vorsicht bei extremspezialisierten Rassen

Border Collies, Malinois (Variante des belgischen Schäferhundes), Schweiß-hunde und Herdenschutzhunde wie Kangal oder Sarplaninac sind für ein Familienleben ungeeignet. ■

ANN-KRISTIN SCHÄFER

Welcher Hund zu wem passtEin Mops zum Kuscheln oder lieber ein Dalmatiner zum Joggen? Familienmenschen, Senioren und Sportler haben ganz eigene Bedürfnisse – auch bei der Wahl des richtigen Hundes

Moderator mit

Mops

Jochen Bendel und

Gizmo: Die eher un-

sportlichen Möpse

wurden als Schoß-

hunde gezüchtet

Sportexpertin mit

Familienhund

Moderatorin Jessica

Kastrop und

Anelka: Kromfohr-

länder sind gut-

mütig, können aber

aufmüp\ g werden

TV-Frau mit Kra9 paket

Nina Ruge und Vroni: Große

Schweizer Sennenhunde zogen

früher Milchkarren. Sie sind

eigensinnig, aber sehr geduldig

und für Familien geeignet

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Theron Humphrey mit Hund Maddie Nachdem seine

Freundin ihn

verlassen hatte,

entschloss sich der

Amerikaner, eine

Reise durch die USA

mit dem Pick-up

zu machen. Sein

einziger Begleiter:

Maddie. Der Fotograf

entdeckte, dass

Maddie außeror-

dentlich fotogen war

- und lichtete sie

stets auf verschie-

denen Untergründen

ab. „Dieser wunder-

bare Hund hat mein

Leben verändert“

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Liebevoll verpackt

Nach der Einäsche-

rung bleibt von einem

Hund je nach Größe

eine Tüte voll Asche.

Tierkrematorien

schicken diese zu-

rück an den Besitzer

wirte haben ihr altes Gutshaus im niedersächsischen Dorf Bad-bergen zum Tierkrematorium „Im Rosengarten“ umgebaut. Rote Spitzendeckchen auf der Anrich-te, brennende Kerzen, Sitzecken: eine andächtige Atmos phäre erfüllt den Raum. Vor dem Kre-mierungsofen liegt ein kleiner gefl eckter Hundekörper auf einer blauen Decke, neben ihm ein grü-ner Gummiball.

„Das war wohl sein Lieblings-ball“, vermutet Emmanuel Holle, Vertriebsleiter im Krematorium. „Als wir vor elf Jahren anfi ngen, hätten wir uns niemals träumen lassen, dass die Leute das so annehmen.“ Anfangs war es ihm peinlich, über seinen Job zu spre-chen. „Auf Bestattermessen wurde ich natürlich scheel angeguckt.“

Heute ist das ganz anders: Hol-le wird von Humanbestattern für seine Berufswahl beglück-wünscht. Während denen der Trend zu Discount-Beerdigungen zusetzt, geben immer mehr Men-schen Geld für ihr totes Haustier aus. „Ein Hund lebt 13 Jahre eng mit seinem Besitzer zusammen“, erklärt Krematoriumsbetreibe-rin Nietfeld das Phänomen. „Zu Oma Erna aus der 500 Kilome-ter entfernten Stadt haben die Hinterbliebenen oft viel weniger Bezug.“

Nietfeld erzählt von der Kre-mierung eines Familienhunds, bei der die kleine Tochter ein Leber-wurstbrot ausgewickelt habe. Sie hatte jeden Morgen mit dem Tier gefrühstückt und wollte ihm das Brot nun mitgeben. „Warum sollte man das verurteilen?“

Die Einäscherung eines Hun-des kostet etwa 400 Euro, je nach Urne auch mehr. 2000 Typen ste-hen in Badbergen zur Auswahl. Neuerdings sind Seebeisetzungen im Kommen.

Es ist kein Zufall, dass ausge-rechnet der Hund zum Ersatz-menschen aufstieg und nicht etwa die Katze. Eine Verhaltensweise Odettes macht das deutlich: Lasse ich sie an fremden Orten allein, jault sie los. Das kann sich bis zu einem hochfrequenten Kreischen

steigern. Sie braucht mich. Und das schmeichelt meinem Ego.

Kein Tier hat sich so sehr auf den Menschen eingestellt wie der Hund. Schon Welpen spie-len lieber mit Menschen als mit anderen Hunden. In Verhaltens-tests, die für Krabbelkinder ent-wickelt wurden, reagieren Hun-de ähnlich wie Babys: In einem fremden Raum hören sie auf zu spielen, sobald die Bezugsperson das Zimmer verlässt. Ist ein frem-der Hund im Raum, gesellen sie sich lieber zu einem Menschen – selbst wenn sie ihn noch nie gesehen haben. Wölfe entschei-den sich bei diesem Test immer für Artgenossen.

Das liegt vor allem daran, dass der Hund von allen domes-tizierten Tieren am längsten mit Menschen zusammenlebt. „Die neuesten Funde belegen, dass es schon vor 30 000 Jahren Hunde gegeben hat“, weiß Bio-login und Psychologin Juliane Kaminski von der britischen Uni-versität Portsmouth . Erst 20 000 Jahre später zähmten unsere Urahnen das zweitälteste Haustier, die Ziege. Damit ist die mensch-liche Beziehung zum Hund älter als die Erfi ndung des Rades.

Der steinzeitliche Mensch selek-tierte Wölfe vor allem auf Freund-lichkeit und Aggressionslosigkeit, später kamen Eigenschaften wie Jagdleidenschaft, Wachtrieb und Lernwilligkeit hinzu. Heraus kam der Hund – mit Eigenschaften, die in der Tierwelt einzigartig sind: „Der Hund kann menschliche Kommunikation deuten und zu seinem eigenen Vorteil nutzen“, erklärt Kaminski.

Hunde scheinen uns nicht nur zu verstehen – sie tun es wirklich. Deshalb biegt Odette morgens immer genau an der richtigen Abzweigung von dreien ab, die ich gehen möchte. Sie erkennt das wohl an meiner Körpersprache.

Für den hündischen Menschen-verstand gibt es viele wissen-schaftliche Belege. Ungarische Forscher versteckten Leckerbis-sen unter einem Plastiktopf, ohne dass die Hunde zusehen konnten.

Dann suchten sie deren Blick-kontakt und zeigten mit dem Finger auf das Versteck – worauf die Tiere prompt zum richtigen Topf tippelten. Diese Fähigkeit ist Hunden angeboren. Wölfe müs-sen erst mühsam lernen, nicht alle Plastiktöpfe umzuschmei-ßen, sondern zunächst auf die Geste des Menschen zu achten. Schimpansen lösen die Aufgabe auch nach langem Training nicht. Dabei stehen sie uns von allen Tieren genetisch am nächsten.

Schimpansen und Wölfe haben zunächst einiges gemeinsam. Bei-de leben in komplexen sozialen Gemeinschaften, beide kooperie-ren auf vielfältige Weise mit Art-genossen, zum Beispiel auf Nah-rungssuche und bei der Jagd. Doch die Bindungen innerhalb eines Wolfsrudels sind enger und verlässlicher, weil dessen Mitglie-der, bis auf einzelne Zuwanderer, von einem einzigen Elternpaar abstammen. Wölfe ziehen ihre Jungen gemeinsam auf und ernäh-ren sie auch später gemeinschaft-lich. Innerhalb einer Schimpan-sensippe existieren keine derart engen Verwandtschaftsverhält-nisse. „Genau diese Loyalität zu Sozial partnern und seine besonde-re Fähigkeit zu sozialer Anpassung hat dem Wolf auf seinem Weg in die Nähe des Menschen den ent-scheidenden Vorteil verschafft“, erklärt Kaminski.

Doch sie schränkt auch ein: „Ein Hund ist ein Hund. Er will als solcher behandelt werden und kein Menschenersatz sein.“ Die Tiere bräuchten weder Regen-mäntel noch Massagen. „Auslauf, Beschäftigung, Kontakt zu Artge-nossen und ihren Menschen – das macht sie glücklich.“

Wie wahr. Odette würde mir was erzählen, wollte ich ihr einen Pullover anziehen. Das ginge gegen ihre Straßenköter-Ehre. Und die will ich schließlich nicht verletzen. Denn das wusste schon Heinz Rühmann : Natürlich kann man ohne Hunde leben. Aber es lohnt sich nicht. ■

JUDITH BLAGE

Mit keinem anderen Lebewesen können wir so eng zusammen-leben, ohne in Frage gestellt zu werden“Susanne Veit, Psychologin

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Faszination HundSpitz, Dackel und Bernhardiner sind mehr als Haustiere. Sie kurbeln die Wirtscha< an,

retten Menschen und können Beeindruckendes leisten. Fakten über Hunde

Hunde machen Umsatz. Jährlich bekommen sie Spielzeug und Zubehör für rund 200 Millionen Euro. Dem Staat bescheren sie dank Hunde-steuer etwa 250 Millionen Euro.Neben diesen messbaren Faktoren beeinI ussen Hunde und deren Halter auch indirekt die Konjunktur. Eine Göttinger WissenschaN lerin hat berechnet, dass etwa 50 bis 60 Hunde in Deutschland einen Arbeitsplatz R nanzieren. Hundehalter leben gesünder und ent-lasten das Gesundheitssystem um mehr als zwei Milliarden Euro jährlich.

Familienmitglied

Für viele Hundehalter ist ihr Vier-beiner längst ein Familienmit-glied. So trägt etwa jeder dritte deutsche Hundebesitzer immer ein Foto seines Gefährten bei sich.Sieben von zehn Hunde bekommen von Herrchen und Frauchen ein Weihnachtsgeschenk. Auch andere Nationen sind verrückt nach den Vierbeinern: In den USA sind rund eine Million Hundeim Testament ihrer Besitzer als Haupterben eingesetzt. Zwei von drei Schweizern sprechen mit ihrem Haustier am Telefon.

5 Mrd. Euro geben die Deutschen jährlich für ihre Hunde aus. Größter Posten: Futter

Kopfsprung hinters Sofa

Mit ihren Fähigkeiten müssen Hunde sich eigent-lich nicht verstecken

Wirtscha6 skra6

höchster

Mensch-Hund-

Fallschirm-

einsatz

9174 m9174 m

Sputnik 2Nov. 1957

ErsterHund im All

Laika

Hundekot

deutsch-landweitam Tag

1650Tonnen

Kürzester lebender Hund:

„Heaven Sent Brandy“Chihuahua

Längsterlebender Hund:

„Farrell“Irischer Wolfshund

237 cm

15,2 cm

Supernase

Die Riechschleimhaut eines Hundes ist etwa 50-mal größer als die des Menschen und nimmt einen Geruchssto] rund eine Million Mal besser wahr. So orten Rettungshunde Menschen unter Trümmern, Schnee und Wasser.Sogenannte Mantrailer können eine Person an ihrem Individualgeruch noch nach Tagen und an belebten Orten R nden und identiR zieren.Auch chronisch Kranken können Vierbeiner helfen. Diabetikerhunde warnen Herrchen und Frauchen vor Unter- und Überzuckerung. Anfall-Anzeigehunde leben bei Epileptikern und merken, wenn ein Anfall droht.Abgesehen von Menschen können Hunde zahlreiche Sto] e und Gegen-stände erriechen. Und sie lassen sich nicht austricksen. Geldscheine und Drogen erschnü] eln sie beim Zoll sogar dann, wenn weitere stark riechende Sto] e im Gepäckstück sind. Ihr Gehirn kann die einzelnen Bestandteile des DuN es unterschei-den und einzeln identiR zieren.

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„Ich trainiere Menschen“

Herr Rütter, mein Hund würde am

liebsten den ganzen Tag Kaninchen

tothetzen. Was kann ich für

ein längeres Karnickelleben tun?

Diese Veranlagung sollten Sie akzep-tieren. Denn ein Hund ist ein Lebe- wesen und hat eigene Vorstellungen vom Spaß am Leben. Das heißt nicht, dass Sie ihm diese Leidenscha@ an echten Tieren erlauben sollten. Aber Sie können sie nut-zen und kanalisieren, zum Beispiel mit Hetzspielen. Überhaupt: Seien Sie nicht so negativ. Anstatt nur zu sehen, was macht der falsch, sollten Sie ihn für gutes Verhalten loben. Aha, also bin ich das Sand-

korn im Getriebe unserer

Mensch-Hund-Beziehung?

Natürlich. Probleme verursacht immer der Mensch. Die Hunde sind in der Regel geistig völlig auf der Höhe. Sie spiegeln uns einfach wider. Bin ich ein nervöser Mensch, ist der Hund auch nervös. Reagiere ich in bestimmten Situationen ängstlich, wird das der Hund auch tun. Wen trainieren Sie eigentlich?

Menschen oder Hunde? Ausschließlich die Menschen. Wie

gesagt, das Betriebssystem der Hun-de funktioniert meistens. Nur das der Menschen nicht. Dann sind Sie also ein Menschen-

und kein HundeGüsterer?

Den BegriP Flüsterer Rnde ich däm-lich. Weder habe ich eine besondere Ausstrahlung auf Hunde, noch verfüge

ich über sonst irgendwelche speziel-len Fähigkeiten. Darauf kommt es beim Hundetraining auch nicht an. Ich habe einfach das Wissen um die Kommuni-kation der Hunde. Denn darum geht es ja in der Mensch-Hund-Beziehung: um gegenseitiges Verstehen, um Kommu-nikation. Deswegen ist mir persönlich die Bezeichnung Hundeversteher am liebsten. Denn es geht mir nicht darum, dass der Hund wie ein Roboter funk-tioniert. Zur Erziehung gehört immer Beziehung. Welches ist das häuHgste

Problem, das Menschen mit

ihren Hunden haben?

Das kann ich so konkret gar nicht sagen. Meistens sind das Dinge wie: Der

Er weiß, was Vierbeiner wollen: Deutschlands populärster Hunde-Guru Martin Rütter

ist Trainer, Buchautor und TV-Entertainer. Am liebsten nennt er sich selbst Hundeversteher.

Denn die meisten Menschen kennen ihren Hund nicht, diagnostiziert er

Ein Mann, ein HundNach einem

Fernlehrgang zum

Tierpsychologen

gründete Martin

Rütter, 44, eine

Hundeschule.

Seitdem tritt er

mit einem Büh-

nenprogramm auf

und ist auf Vox

mit der TV-Serie

„Der Hunde-

profi“ zu sehen.

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müssen sich in U-Bahnen benehmen und dürfen nicht mehr klä7 en, wann sie wollen. Da sind mehr Kenntnisse über Hundeerziehung gefragt als in den 60ern, wo die meisten Hunde auf dem Land lebten.Was ist der häu- gste Irrtum in

Sachen Hundeerziehung?

Man sagt, Hunde folgten ihrem Herr-chen immer und seien immer loyal. Das stimmt nicht. Sie folgen dem, der Füh-rungsqualitäten hat und der die bes-ten Entscheidungen tri7 t. Das ist nicht immer der Mensch. Manchmal denken Hunde auch, dass sie in ihrem Haushalt der Einzige mit solchen Qualitäten sind.Was wünschen sich Hunde

von ihren Besitzern?

Konsequenz. Verlässlichkeit. Vertrau-en. BeschäL igung. Und: Einen Obdach-losen als Besitzer. Wie bitte? Deren Hunden mangelt

es doch meist an gutem Futter und

weichen Körbchen?

Obdachlose haben keine starren Tagesabläufe. Und das tut Hunden unglaublich gut. Zwar brauchen sie einen Menschen, der verlässliches Ver-halten zeigt. Aber jeden Tag das Glei-che zu machen, lässt Hunde zu trägen Schnarchnasen werden. Dann hören sie auch nicht mehr auf den Menschen, denn sie orientieren sich an den Abläufen.

Das ist wie bei einem Fußballtrainer. Der durchschnttliche Trainer W iegt nach 28 Monaten raus. Warum? Weil seine Spieler wissen: Die blauen Leibchen bedeuten LauL raining. Meld ich mich doch mal schnell krank. Kluge Trainer tauschen MannschaL steile öL er mal aus. So wie ein kluger Hundebesitzer nicht jeden Tag das Gleiche mit dem Tier machen sollte. Außerdem hat ein Obdachloser jeden Tag Existenzkampf und kann den Hund nicht den ganzen Tag vollquatschen.Warum sind Sie Hunde-

trainer geworden?

Ich liebe Hunde. Außerdem hatte ich als Kind keine Tiere. Selbst heu-te noch _ nden meine Eltern es völlig sinnentleert, Getier ins Haus zu holen, das man nicht grillen oder essen kann. Auch meinen Beruf halten sie für bizarr.

Aber meine Tante Thea hatte eine PW egestelle für Tiere. Starb irgendwo in der NachbarschaL jemand, übernahm sie dessen Hund, Katze oder Vogel. Und Tante Thea hatte eine sensationelle Gabe: Sie war die größte Hundever-rücktmacherin, die ich kenne. Die Tiere waren zunächst freundlich, doch nach einer Weile bei meiner Tante waren sie alle verhaltensgestört. Alle Tiere liebte sie innig, aber keines liebte sie zurück. Besonders erinnere ich mich an den Pudelrüden Arko: Zunächst ein lieber Kerl, pW egte er nach ein paar Wochen die arme Tante zu attackieren. Und nicht nur sie, sondern auch mich. Zu dieser Zeit lief ich nur auf Stelzen in ihrer Wohnung herum, damit meine Beine heil blieben. Ich begann, mich mit Hundeerziehung zu beschäL igen. Das hat mich gefuchst: Was machte sie nur falsch? Und, haben Sie es inzwischen

herausgefunden?

Ja. Heute weiß ich: Sie hat die Tie-re stets wie Menschen behandelt. Sie durL en fast alles. Tat ein Hund etwas, was ihr nicht ge_ el, überschüttete sie ihn mit einem Redeschwall und Strei-cheleinheiten. Es ist völlig klar, dass Menschen

ihre Hunde lieben. Aber lieben auch

Hunde ihre Menschen?

Auf jeden Fall. Man weiß, dass Hunde Stresshormone ausschütten, wenn ein nahestehendes Tier oder ein Mensch stirbt. Manchmal verändert sich sogar ihr Gang. Ich glaube, da müssen wir uns nicht so viele Gedanken machen: Meis-tens werden wir zurückgeliebt. ■

JUDITH BLAGE

Hund kommt nicht, wenn ich ihn rufe, er bellt den ganzen Tag. Manche Hunde sind auch aggressiv. Doch es gibt eine Hauptursache für fast alle Probleme: Vermenschlichung und mangelnde ech-te Kommunikation. Der Mensch erwar-tet vom Hund, er möge sich ebenfalls wie ein Mensch verhalten. Woran sieht man das?

Die Leute quatschen ihre Hunde den ganzen Tag voll. Ein Beispiel: Eine Groß-mutter verlor ihren Mann und hat als einziges Bezugswesen einen Dackel. Also kriegt der Dackel den ganzen Tag die Oma-Probleme zu hören. Der Hund versteht nur noch Bahnhof. Das ver-ursacht die meisten Symptome der Krankheit Vermenschlichung. Zusätz-lich fehlen oL geistige BeschäL igung und Konsequenz in der Beziehung.Wie ist es denn um die deutsche

Hundehaltung bestellt? Werden

die Deutschen nicht immer

bekloppter mit ihren Hunden?

De_ nitiv nein. Wissen über Hunde-erziehung war noch nie so weit verbrei-tet wie heute. Was nicht heißt, dass es nicht noch viel zu tun gibt. Aber ich habe auch viel mit internationalen Hundetrai-nern und -haltern zu tun. Und da ist es noch viel schlimmer mit dem Unwis-sen als in Deutschland. Außerdem ist das Phänomen der Hundevernarrtheit typisch deutsch. Da liegt es nahe, dass die Deutschen sich auch am meisten mit den Tieren beschäL igen.Haben Hunde einen anderen

Stellenwert als früher?

Ich habe eine Originalausgabe des „Spiegel“ von 1976. Schon da steht drin: Der Deutsche ist völlig gaga mit seinem Hund. Der Hund bekommt Menschennamen und wird zum Frisör gebracht. Das, was sich wirklich ver-ändert hat, sind die Anforderungen an Halter: Heute leben Hunde in der Stadt mit viel mehr Menschen und anderen Hunden um sich herum. Die Vierbeiner

Hunde

würden

sich einen

Obdach-

losen als

Besitzer

erwählen“

Martin Rütter

Leitfaden

In „Hundetraining mit Martin Rütter“ zeigt der Tierpsycho-loge anhand von Übungen, wie sich die Bindung zum Hund stärken lässt (Franckh Kosmos Verlag, 19,99 Euro)

„Der tut nix“

heißt das aktuelle Bühnenprogramm vom Hundeversteher. FOCUS-Redakteurin Judith Blage traf ihn während der Tournee in Kassel zum Interview. Im Oktober 2014 startet Rütters neue Tour mit dem Titel „NachSITZen“

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TITEL

Die 7 Gebote des HundepapstesEin Tier ist kein Gerät, das auf Knopfdruck funktioniert. Um einen Hund zu einem angenehmen

Hausgenossen zu erziehen, bedarf es Wissen. Martin Rütter verrät die wichtigsten Regeln

Mit der Wahl des richtigen Vier-beiners stellen Sie grundlegende Weichen für das Leben mit Ihrem zukün< igen Hund. Deshalb erstellen Sie am besten eine Checkliste mit zum Beispiel folgenden Fragen: Wie viel Bewegung kann ich dem Tier bieten? Muss es mit Kindern klar-kommen? Soll es ein ruhiger Haus-genosse werden? Die Rasse und das individuelle Wesen des Hundes sollten dazu passen, deshalb ist es sinnvoll, sich vorher genau zu infor-mieren. Wagen Sie außerdem ruhig den Blick ins Tierheim. Die Hunde dort sind nicht unbedingt gestört. O< hatten sich die vorherigen Besit-zer einfach nicht richtig informiert und kamen zum Beispiel nicht mit dem Temperament klar. Viele Hundeschulen bieten mittlerweile eine Beratung vor dem Kauf und begleiten bei der Auswahl.

2 Erziehen Sie sofort

Auch wenn sie noch so klein und süß sind: Ein Welpe braucht keine Schonzeit, in der er alles darf. Im Gegenteil, beginnen Sie sofort nach dem Einzug mit der Erziehung. Das bedeutet nicht, dass der Hund mit drei Monaten schon den Salto rückwärts durch den brennenden Reifen beherrschen muss. Aber grundlegende Dinge wie Stubenrein-heit, das Akzeptieren eines Tabus

1 Kaufen Sie den Richtigen

Lass mich

in Ruhe

Martin Rütter

empT ehlt:

ausreichend

Trainingspausen

einlegen

89FOCUS 27/2014

Die 7 Gebote des Hundepapstes

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Foto: Theron Humphrey

(z. B. nicht eigenmächtig eine Straße überqueren) oder das entspannte Laufen an der Leine sollten von Anfang an geübt werden. Und ganz wichtig gerade bei Welpen: aus-reichend Trainingspausen einlegen!

3 Seien Sie konsequent

Kaum etwas anderes ist für einen Hund so wichtig wie Konsequenz, um einem Menschen vertrauen zu können. Stellen Sie klare Regeln auf, und setzen Sie diese auch immer durch. Beispiel: Ein Hund kann nicht vestehen, dass er normalerweise am Menschen hochspringen darf, nur nicht, wenn der Mensch beson-ders feine Kleidung trägt. Werden Regeln nicht konsequent ange-wendet, weiß der Hund nicht, wie er den Besitzer einschätzen soll und hält ihn schlimmstenfalls für unfähig. Das kann zu schwierigen Situationen führen.

4 Beschä: igen Sie den Hund

Ein Hund muss ausreichend und gemäß seiner Bedürfnisse beschäf-tigt werden. Viele Verhaltensprob-leme bei Hunden entwickeln sich durch Langeweile und Frustration. Neben Bewegung brauchen Hunde auch geistige BeschäU igung: Suchspiele, Apportierübungen und Fährten erschnüV eln sind zum Beispiel Möglichkeiten, um einen Hund auszulasten.

5Lernen Sie das 1 × 1 der Konditionierung

Gewalt führt bei Hunden wie bei Menschen dazu, dass sie „zuma-chen“ und nichts mehr lernen. Es kommt bei der Ausbildung darauf an, dem Hund klarzumachen, welches

Verhalten erwünscht und welches unerwünscht ist. Am einfachsten geht dies, indem Sie gutes Verhalten (z. B. Herankommen auf Rufen) sofort belohnen. Ob Sie dies mit Futter oder mit Worten tun, hängt davon ab, worüber sich Ihr Hund am meisten freut.

6 Sprechen Sie Hündisch

Hunde denken und handeln nicht wie Menschen. Wenn allerdings hün-dische Verhaltensweisen menschlich gedeutet werden, sind Probleme vorprogrammiert. Deshalb: Gehen Sie in eine Hundeschule, und lernen Sie etwas über die Kommunikati-onsweise Ihres Vierbeiners. Viele Menschen denken, je lauter sie Befehle erteilen, desto besser folgt der Hund. Dabei kommunizieren Hunde vor allem über Körpersprache. Das können Sie sich zu Nutze ma-chen. Und nicht zu viel quatschen. Je eindeutiger Sie dem Tier Signale geben können, desto besser.

7Respektieren Sie seine Andersartigkeit

Eigentlich ist es den meisten Menschen bewusst, dennoch ist Vermenschlichung ein weit verbrei-tetes Problem. Ein Hund ist ein Hund und kein Kind oder Partnerersatz. Die Farbe seines Napfes oder Edelsteine am Halsband sind ihm völlig egal. Gerade wenn Sie Ihren Hund sehr lieben: Berücksichtigen Sie ihm zuliebe seine hündischen Bedürfnis-se. Angemessene BeschäU igung, vernünU ige Regeln und Kontakt zu Artgenossen sind ihm wichtiger als das dritte Körbchen mit Sitzheizung. Damit Sie die Wünsche ihres Vierbeiners genau kennen lernen, beschäU igen Sie sich mit hündi-schen Bedürfnissen, rassetypischen Phänomenen und den indivi-duellen CharaktereigenschaU en des jeweiligen Hundes. ■

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90 FOCUS 27/2014

Einfach

wau!Mehr Auslauf, saubere Wohnung, Schluss mit Streunern:

sechs Er( ndungen für Hund und Herrchen

1 Immer auf

dem Laufenden

Wenn Rex nach dem Gassigehen noch nicht ausgepowert ist, bringt das Lauf-band dogPACER (600 Euro, 580 Euro für kleinere Hunde) zu Hause zusätzliche Bewegung.www.dogpacer.com

4 Anti-

Schling-Napf

Die Berge und Täler des Green Slow Feeder (40 Euro, Miniversion 25 Euro) verhindern, dass Waldi sein Futter herunter-schlingt und Verdauungs-prob-leme bekommt.www.northmate.

com

2 Haar-

vernichter

Wohin mit den Hundehaaren nach dem Bürsten? Dyson Groom (40 Euro) ist Bürste und Sauger in einem. Die Haare verschwinden per Knopfdruck auf Nimmerwiedersehen. www.dyson.de

5 Designmöbel

mit Schlafplatz

Oben Couchtisch, unten Liegewiese. Mit dem Designer-stück Tavolato(2040 Euro) istder Vierbeiner Frauchen und Herr-chen beim Fernseh-abend ganz nah.www.petsmood.fr

3 Spielspaß

ohne Muskel-

katerMit der Ballwurf-maschine iFetch (169 Euro) kann Bello stundenlang den Ball jagen. Und Herrchen schaut gemütlich von der Couch zu.www.goifetch.com

6 Wo ist WuH ?

Keine Suchaktionen mehr: Der GPS-Tracker Tractive (150 Euro) am Halsband verrät per Mobilfunk und Smartphone-App, wo der beste Freund gerade steckt. Monatliche Gebühr für die Netz-nutzung: 5 Euro. www.tractive.com

Hundebesitzer geben immer mehr Geld für ihre Vierbeiner aus. Neben Futter ̀ndet vor allem Spielzeug und Zubehör reißenden Absatz.

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