neue methoden der betriebsprüfung -...
TRANSCRIPT
Neue Methoden der Betriebsprüfung
WENN DER BETRIEBSPRÜFER ZWEI MAL RECHNET
Abgeschlossene Prüfungsfälle 2012• im Kalenderjahr 2012 wurden
41 365 Großbetriebe
52 544 Mittelbetriebe
101.782 Klein- und Kleinstbetriebe geprüft
• der Prüfungsturnus beträgt im Kalenderjahr 2012
bei Großbetrieben 4,63 Jahre
bei Mittelbetrieben 15,21 Jahre
bei Klein- u. Kleinstbetrieben 66,13 Jahre
Mehrsteuern nach Betriebsprüfungen• Betriebsprüfungen haben im Kalenderjahr 2012 zu
Mehrsteuern in Höhe von ca. 19 Mrd. Euro geführt
• davon Großbetriebe 14,6 Mrd Euro
• davon Kleinbetriebe 1,0 Mrd Euro
• Ergebnisse der Lohnsteueraußenprüfung, der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und der Steuerfahndungsdienste sind in
dem Ergebnis nicht berücksichtigt.
• Im Kalenderjahr 2006 wurden 13.271 Prüfer eingesetzt.
Sie müssen jederzeit mit einer Prüfung rechnen!
Bisherige Prüfungspraxis•Vergleich Rohgewinn und Aufschlagsätze mit der Richtsatzsammlung
• Interner Betriebsvergleich über mehrere Jahre
• Kontrolle Verhältnis Umsatz – Rohgewinn - Gewinn
• Kontrolle der Kassenbuchhaltung
• insbesondere Kassenminusprüfung, Überprüfung der Privatentnahmen und -einlagen
• Stichprobenartige Kontrolle der Belege
• Kontrolle der Privatanteile
Problem
• Zeitintensiv (z.B. Kassenminusprüfung)
• Die Beweiskraft der Buchführung wurde nur bei gravierenden
Mängeln erschüttert.
• Die Überprüfungsmöglichkeiten waren im Hinblick auf die zeitlichen
und technischen Möglichkeiten beschränkt.
Neue PrüfungspraxisTrend: Infragestellen der Beweiskraft der Buchführung
Bei: formellen oder materiellen Fehlern
Folge:
Wenn die Buchführung ihre Beweiskraft verliert,
berechtigt dies zu Teil- oder Vollschätzungen.
Die häufigsten Fehler
• Nichtbeachtung der GOB
• Nichteinhaltung der Aufbewahrungspflichten
• Buchung der Tageseinnahmen ohne Beleg
• Keine zeitnahe Eintragung ins Kassenbuch
• Nicht zeitgerechte Buchung der Kasseneinlagen und Entnahmen
• End- und Anfangssaldo wird nicht überprüft
Die häufigsten Fehler
• Nichterfassung von Einnahmen
• Nichterfassung von Ausgaben
• Nicht chronologisch fortlaufend geführtes Kassenbuch
• Nichtzählen des täglichen Kassenbestandes • Führen einer rechnerischen Kasse
• Keine Erstellung von Eigenbelegen für Privatentnahmen
• Nur summenmäßige tägliche Kassenbucheintragung
• falsch ausgestellte Rechnungen (u.a. MwSt-Ausweis)
Kassenbuch - KassenbuchführungGroße Bedeutung der Kassenbuchführung bei Unternehmen mit hohen Barverkäufen.
Aufzeichnungspflicht für alle:
• Einnahmen
• Ausgaben
• Einlagen
• Entnahmen
Zu unterscheiden sind:
Ladenkasse / PC-Kasse ohne Testat
Registrierkasse (mit fortlaufenden Z-Abschlägen)/ PC-Kasse mit Testat
Offene Ladenkasse- PC-Kasse -Täglicher Kassenbericht zwingend erforderlich:
Kassenberichte dienen der nachvollziehbaren, systematischen und
insbesondere der rechnerischen Ermittlung der täglichen
Bareinnahmen.
Das Berechnungsschema von Kassenberichten beginnt zwingend
immer mit dem ausgezählten Tageskassenendbestand und endet mit
der rechnerisch ermittelten Summe der Tageseinnahmen.
Offene Ladenkasse- PC-Kasse -Kassenberichte:
Ein Kassenbuch ersetzt auch dann nicht den Kassenbericht, wenn in einer gesonderten Spalte die Kassenbestände ausgewiesen werden! (Musterkassenbericht)
Täglicher Kassenbericht!
Zählprotokoll (nicht) erforderlich (Beweissicherung)
Aber: Hartgeld ist zwingend zu zählen (Kassensturzfähigkeit).
Registrierkasse- PC-Kasse mit Testat
Wird eine elektronische Registrierkasse geführt, ist es ausreichend,
wenn in einem Kassenbuch täglich die Tageseinnahmen in einer
Summe (aber getrennt je Barkasse) sowie alle Ausgaben
aufgezeichnet werden.
Registrierkasse- PC-Kasse mit TestatAufzuhebende Belege bei Registrierkassen:
(Gem. BMF-Schreiben vom 09. Januar 1996)
• Tagessummenendbons (Z-Abschläge), fortlaufend und vollständig
• Alle weiteren im Rahmen des Tagesabschlusses abgerufenen
• Ausdrucke der EDV-Registrierkasse (z.B. betriebswirtschaftliche Auswertung, Ausdrucke der Trainingsspeicher,
Kellerberichte (X-Abschläge), Spartenberichte)
• Organisationsunterlagen der Kasse, insbesondere die Bedienungs-anleitung, die Programmieranleitung, die
Programmabrufe nach jeder Änderung (z.B. der Artikelpreise)
• Protokolle über die Einrichtung von Verkäufer-, Kellner- und Trainingsspeichern sowie alle weiteren Anweisungen zur
Kassenprogrammierung (z.B. Anweisung zum maschinellen Ausdrucken von Proforma-Rechnungen oder zum
Unterdrücken von Daten und Speicherinhalten)
• Z-Bon 10 Jahre Aufbewahrungspflicht: beachte Thermopapier!
Begriffsdefinition X- & Z-AbschlagX-Bon
Zwischenabruf des jeweiligen Speichers (Finanzen, Artikel, ...) ohne Daten zu löschen
Keine Nummer
Ersetzt nicht den Z-Bericht
Z-Bon
Abfrage der gespeicherten Daten (Umsätze, WG, ... ) mit anschließender Löschung des jeweiligen Speichers
Enthält fortlaufende Nummer
Enthält: Name, Brutto-, Nettoumsatz, Z-Zähler, Datum/Zeit,
Zahlwege und Storno-, Retourebuchungen
>>> Der Z-Bon ist zwingend aufzubewahren!
Digitale BetriebsprüfungMit dem Steuersenkungsgesetz (StSenkG) vom 23.10.2000 (BStBl. Teil I Seite
1428, 1455) wurde der Datenzugriff für alle Außenprüfungen, die nach dem
31.12.2001 beginnen (§ 19 b EGAO) eingeführt.
Im Hinblick auf eine effiziente Prüfung wird damit der Finanzverwaltung das
Recht eingeräumt, für alle nach dem 31.12.2001 beginnenden Außenprüfungen
auf die Datenbestände buchführungspflichtiger Unternehmen digital
zuzugreifen.
Digitale Betriebsprüfung- Zugriffsmöglichkeiten der Finanzverwaltung -Formen des Datenzugriffs:
Unmittelbarer Datenzugriff (Z1)
Mittelbarer Datenzugriff (Z2)
Datenträgerüberlassung (Z3)
Alle 3 Zugriffsarten müssen über 10 Jahre gewährleistet werden. Der unmittelbare Zugriff am System des
Steuerpflichtigen kann nur umgangen werden, wenn ein Archivsystem vorliegt, das die gleichen
Auswertungsmöglichkeiten bietet wie das Produktivsystem.
Digitale Betriebsprüfung§147 Abs. 6 AO (Ordnungsvorschrift für Buchführung und Aufzeichnung)
(1) Sind Unterlagen nach Abs. 1 mit Hilfe eines Datenverarbeitungssystems erstellt worden, hat die Finanzbehörde im Rahmen einer Außenprüfung das Recht, Einsicht in die gespeicherten Daten zu nehmen und das Datenverarbeitungssystem zur Prüfung dieser Unterlagen zu nutzen (Z1).
(2) Sie kann im Rahmen einer Außenprüfung auch verlangen, dass die Daten nach ihren Vorgaben maschinell ausgewertet (Z2) oder ihr die gespeicherten Unterlagen und Aufzeichnungen auf einem maschinell verwertbaren Datenträger (Z3) zur Verfügung gestellt werden.
(3) Die Kosten trägt der Steuerpflichtige.
Digitale BetriebsprüfungUmsetzung des Datenzugriffs seitens der Finanzverwaltung
Die Ausgestaltung des Datenzugriffs weicht in den Ländern stark ab.
Einheitlich sind die Bestrebungen aller Ministerien und OFD, den Datenzugriff umzusetzen (Anwendung des Gesetzes).
Der Umsetzungsstand in den Ländern beträgt in Abhängigkeit der Größenklasse zwischen 30 - 80% der abgeschlossenen Prüfungsfälle.
Bei sehr kleinen Betrieben ist die Umsetzung relativ gering.
Im Bereich der Konzernprüfung wird in nahezu allen Fällen ein Datenzugriff, in der Regel Z1, realisiert.
Digitale BetriebsprüfungWas und wie lange gespeichert wird, hängt vom Kassentyp ab. Im Wesentlichen sind zwei Typen
zu unterscheiden.
E-Prom-Kassensystem EDV-Kassensystem
(Festplatte)
Die Finanzverwaltung kann die digitalen Daten mittels des Programms „Idea“ auswerten.
Digitale Betriebsprüfung- IDEA (DATEV-ACL-Tool) -
• IDEA ist ein Programm, mit dessen Hilfe Wirtschaftsprüfer, Revisoren und
Controller Datensätze unterschiedlichster Art und Herkunft einfach und
konsistent selektieren, analysieren und aufbereiten können.
• Es sind komplexe Analysen von Daten, Analysen spezieller Bereiche und viele
weitere Funktionen unter Windows auszuführen.
• Das Programm wurde für die kanadische Regierung entwickelt, später von
Wirtschaftsprüfern und der kanadischen Verwaltung eingesetzt.
Digitale Betriebsprüfung- IDEA – Wesentliche Programmfunktionen -
• Analyse von Daten (vergleichende Statistiken, Profile, Analyse von
Mehrfachbelegungen, Summierungen, Altersstrukturanalyse usw.)
• Suchen von Ausnahmen und Auffälligkeiten (mit Hilfe von ca. 80 Funktionen,
arithmetischen Operatoren, Text- und Datumskriterien)
• Lückenanalysen eines Bereichs (z.B. Suche nach doppelten Einträgen)
• Erstellen von Pivot-Tabellen oder von multidimensionalen Analysen
• Automatische Generierung von komplett dokumentierten Historien der Analysen
Digitale Betriebsprüfung- IDEA – Import von verschiedenen Dateien -
• ASCII fixe Länge
• ASCII delimited (=Comma Separated Value)
• EBCDIC fixe Länge
• dBase,
• Excel, Access, Lotus
• SAP/AIS Importdatei Format
• Sonstige Datenbankformate
• Druckdateien
Digitale Betriebsprüfung- IDEA – zwei der wichtigsten Prüfverfahren -
BENFORDS LAW
Der Physiker Frank Benford stellte
1920 die Hypothese auf, dass es in
der Welt mehr Zahlen mit niedriger
Anfangsziffer gibt als solche mit einer
hohen ersten Ziffer (Betrachtung der
relativen Häufigkeit bestimmter
Anfangsziffern).
Ziffer Häufigkeit
1 30,10 %
2 17,60 %
3 12,46 %
4 9,69 %
5 7,91 %
6 6,69 %
7 5,79 %
8 5,11 %
9 4,57 %
Digitale Betriebsprüfung- IDEA – zwei der wichtigsten Prüfverfahren -CHI-QUADRAT-TEST
Karl Pearson (1857 –1936) entwickelte im Jahr 1900 den Chi-Quadrat-
Anpassungstest. Er gehört zu den Signifikanztests und wird zur Überprüfung
einer statistischen Hypothese über eine unbekannte Häufigkeitsverteilung
eingesetzt. Im Gegensatz zu Benfords Law untersucht der Chi-Quadrat-Test nicht
die Erstziffernverteilung, sondern – soweit auswertbar und sinnvoll – die
Verteilung der letzten und vorletzten Ziffern vor dem Komma sowie die
Verteilung der ersten und zweiten Nachkommastellen.
Digitale Betriebsprüfung- IDEA – zwei der wichtigsten Prüfverfahren -
CHI-QUADRAT-TEST
• In einer endlichen Zahlenmenge mit tatsächlich unbekannter Verteilung
(Grundgesamtheit) wird angenommen, dass die Endziffern 0 bis 9 gleich häufig
auftreten (Nullhypothese).
• Kleinere, zufällige Abweichungen einer Stichprobe werden nicht erheblich sein.
• Erhebliche Abweichungen rechtfertigen die Annahme, dass besondere
Umstände vorliegen.
Digitale Betriebsprüfung- IDEA – zwei der wichtigsten Prüfverfahren -
CHI-QUADRAT-TEST
Der CHI-Test drückt sein Ergebnis anhand eines sogenannten Chi-Test-Wertes aus.
Dieser ermittelt sich aus:
• Der Differenz der erwarteten und der tatsächlichen Häufigkeit der einzelnen
Zahlen
• Die Abweichungen werden quadriert und die Summe der Quadrate durch die
erwartete Verteilung je Ziffer geteilt.
Digitale Betriebsprüfung- IDEA – zwei der wichtigsten Prüfverfahren -
CHI-QUADRAT-TEST
• Liegt das Ergebnis des Tests zwischen 20 und 30, kann eine zufällige
Abweichung von der Regelverteilung mit einer sehr hohen
Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
• Überschreitet der Chi-Test-Wert 30, sollte mit einer fast 100%-igen
Wahrscheinlichkeit eine systematische Manipulation der Zahlen
vorliegen.
Digitale Betriebsprüfung- IDEA – zwei der wichtigsten Prüfverfahren -
CHI-QUADRAT-TEST
Allerdings kann die Aussagekraft von Wahrscheinlichkeitsüberprüfungen begrenzt
sein.
• Insbesondere dann, wenn beispielsweise bei Einzelhändlern häufig die Preise mit
einer 9, einer 0 oder einer 5 bei den Euro- oder Centbeträgen enden.
• Auch fordert die Berechnung eine relativ hohe Anzahl von Werten, um den
Wahrscheinlichkeitsgrad des Ergebnisses zu erhöhen.
Digitale Betriebsprüfung- IDEA – zwei der wichtigsten Prüfverfahren -
CHI-QUADRAT-TEST
• Auf das Ergebnis eines Chi-Quadrat-Tests alleine kann deshalb beispielsweise eine
Zuschätzung nicht gestützt werden.
• Der Test liefert insoweit lediglich Anhaltspunkte für eine mögliche Fehlerhaftigkeit
von Aufzeichnungen bzw. Erfassung von Zahlen.
• Hierzu bietet sich ggf. eine weitere Analyse nach Benfords Law an, um dann ggf. bei
ebenfalls vorhandenen Normabweichungen eine Begründung für entsprechende
Überprüfungen (z.B. Nachkalkulation) zu erhalten.
Digitale Betriebsprüfung- IDEA – zwei der wichtigsten Prüfverfahren -
CHI-QUADRAT-TEST
• Der Chi-Quadrat-Test bietet bei Geltendmachung des Datenzugriffsrechts einen schnellen Einstieg,
die formelle Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zu hinterfragen
• Signifikante Ergebnisse können in Verbindung mit anderen mathematisch statistischen Verfahren
(z.B. Benfords Law) und weiteren Verprobungsmethoden (Kalkulation, Zeitreihenvergleich,
Geldverkehrsrechnung) die Voraussetzungen für eine Zuschätzung schaffen.
• Das FG Münster hat in mehreren Entscheidungen die Zulässigkeit des Chi-Quadrat-Tests mit der
Einschränkung bestätigt, dass allein die Ergebnisse des Chi-Quadrat-Tests noch keine Zuschätzung
rechtfertigen.
Digitale Betriebsprüfung- Weitere Prüfungsmethoden -
• Zeitreihenvergleich Umsatz/Wareneinkauf
• Überprüfung der Validität von Daten:
• Bsp.: Schönes Wetter / Umsatzanstieg bei Eisdielen.
Prävention- Was kann zur Risikominimierung getan werden? -
Erfüllung der formellen und materiellen Anforderungen an die Buchhaltung
Erfüllung der Aufbewahrungspflichten bzgl. der digitalen Daten und Belege
Überprüfung der Daten z.B. auf Benfords Law und Chi-Quadrat z.B. mit DATEV-
ACL-Tool (Steuerberater)
Handlungsempfehlungen befolgen: z.B. Kassenberichte, Zählprotokoll
Abschließende Bemerkungen
UND JETZT?
Wird schon nicht so schlimm werden, weil…
… es gibt doch so viele schöne Gegenargumente!
Hier sind die beliebtesten Argumente
•„Mein Steuerberater hat mich darauf noch nie angesprochen.“
•„Das wurde früher bei einer BP noch nie beanstandet.“
•„Die können mich erst für die Zukunft dazu verpflichten.“
•„Das erkläre ich dem Prüfer dann schon.“
Es gibt noch mehr „gute“ Argumente:
•„Damit gehe ich notfalls bis zum höchsten Gerichtshof.“
•„Wenn die mir so kommen, dann mach ich den Laden halt zu.“
•„Dann haben wir halt noch ein paar Arbeitslose mehr.“
•„Ich bin doch einer kleiner Fisch, da gibt es doch ganz andere.“
Machen Sie doch die Nagelprobe, wie gut die „guten“ Argumente wirklich sind:
Wenden Sie Ihre Argumente einfach auf einen anderen, strafbewehrten
Sachverhalt, z. B. Trunkenheit im Straßenverkehr an. Wenn Sie sich sicher sind,
dass Ihr Argument den Polizisten überzeugen würde, der bei Ihnen gerade eine
Alkoholkonzentration von 1,2 Promille festgestellt hat, greift Ihr Argument auch
beim Betriebsprüfer bzw. beim Richter des Finanzgerichtes.
Für den Fall, dass Sie nicht sicher sind, dass der Polizist sich von diesem
Argument überzeugen lässt, sollten Sie sich ein besseres überlegen!