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Psycho therapie MITGLIEDERMAGAZIN DES VERBANDES FREIER PSYCHOTHERAPEUTEN, HEILPRAKTIKER FÜR PSYCHOTHERAPIE UND PSYCHOLOGISCHER BERATER E.V. VFPFORUM 07 4 Ursula Ries-Jacob Ausschnitte aus einer Paarberatung Dr. Reimar Banis Seelische Konflikte, Energiefeld und Homöopathie Beate Schmitz Die Geisteruhr schlägt dreizehn

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Page 1: New UND PSYCHOLOGISCHER BERATER E.V. Psycho · 2007. 12. 21. · Psychologischer Berater e.V. (VFP) Lister Straße 7, 30163 Hannover T ... info@vfp.de, Layout und Produktion P & S

PsychotherapieMITGLIEDERMAGAZIN DES VERBANDES FREIER PSYCHOTHERAPEUTEN, HEILPRAKTIKER FÜR PSYCHOTHERAPIEUND PSYCHOLOGISCHER BERATER E.V.

VFPF

ORU

M074 Ursula Ries-Jacob

Ausschnitte aus einer PaarberatungDr. Reimar Banis

Seelische Konflikte, Energiefeldund HomöopathieBeate Schmitz

Die Geisteruhr schlägt dreizehn

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GeschäftsstelleTelefon 05 11 /3 88 64 [email protected]

MartinaMußmann-Baum

Betreuung der Mitglieder und derArbeitskreise

Montag – Donnerstag9.30 – 14.30 UhrTelefon 05 11/3 88 64 24

Dringende Anfragen bitte per E-Mail:[email protected]

Mehr Informationen zum VFP unterwww.vfp.de

ImpressumHerausgeber und RedaktionHP Eckhardt W. Martin, Dipl.-KaufmannDr. Werner Weishaupt, Therapeut und DozentTeo Tiveg, Rainer Beckröge, RedakteureMartina Mußmann-Baum, Redaktionsassistenz

TrägerVerband Freier Psychotherapeuten,Heilpraktiker für Psychotherapie undPsychologischer Berater e.V. (VFP)Lister Straße 7, 30163 HannoverTelefon 018 03/ 21 02 17, Telefax 0511/3 88 49 [email protected], www.vfp.de

Layout und ProduktionP&S Werbeagentur GmbH, HannoverTelefon 0511/90 91 98 30, [email protected]

Redaktionsschluss1.2./1.5./1.8./1.11. des Jahres

Auflage 6.000

Verkaufspreis € 7,50

Copyright VFP e. V.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nichtin jedem Fall die Meinung des Herausgebers wieder.Für unverlangt eingesandtes Material übernimmtder Herausgeber keine Gewähr. Wir behalten unsvor, Leserbriefe und Artikel zu kürzen.

Die in dieser Zeitschrift veröffentlichen Beiträgesind urheberrechtlich geschützt. Übersetzungen,Nachdruck (auch von Abbildungen), Vervielfäl-tigungen auf photomechanischen oder ähnlichenWegen sowie Speicherung in Datenverarbeitungs-anlagen – auch auszugsweise – bleiben vorbehal-ten. Von einzelnen Beiträgen oder Teilen von ihnendürfen nur einzelne Kopien für den persönlichenund sonstigen Gebrauch hergestellt werden.

Aus dem InhaltT h e r a p i e u n d B e r a t u n g

Ausschnitte aus einer Paarberatung Ursula Ries-Jacob 4

Forschungsergebnisse pränataler Psychologie Sven H.-P. Stümpfig 12

Der Einsatz kreativer Medien in derPaar- und Familientherapie Sandra Peruzzi 15

Outdoor-Training – Psychographie auf „Abwegen” Michael Antrack 18

TIR – Begleitung nach belastendenEreignissen und bei Stress Astrid Sofie Saragosa 20

Seelische Konflikte, Energiefeld und Homöopathie Dr. Reimar Banis 22

Väter – diese unbekannten Wesen Prof. Dr. Wolfgang Hantel-Quitmann 25

Saubere Arbeit Martina Wiegand 29

Die Angst sitzt mit im Bett Pamela Behnke 32

Navigation für HP-Psychotherapieund psychologische Berater Dr. Wolfgang Urboneit 34

Mein Bruder ist behindert und ich bin auch noch da Sabine Suckrau 38

TAGS – tuh-Seminarkonzept Jörg Lukas Hanke 40

Ansätze einer christlichen Lebensberatung Annegret Meyer 46

Die Geisteruhr schlägt dreizehn Beate Schmitz 48

P r a x i s f r a g e n

Beratung für Musikergesundheit Praxisporträt 52

Umsatzsteuerpflicht in Heilberufen Dr. Norbert Stölzel 53

Schule im Arrest Auch eine „Praxisgründung” 55

R e c h t s f r a g e n

Rechtsfragen – verschiedene Themen 56

S o n s t i g e s

Pressemeldungen 58

Buchbesprechungen 60

Fachfortbildungen 63

Angebote der Deutschen Paracelsus Schulen 65

36. Psychotherapie-Symposium in Berlin Nachlese 71

V e r b a n d s a k t i v i t ä t e n

Herzlichen Glückwunsch 52

Werbung 72

Prüfungsprotokoll Überprüfung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie 74

Arbeitskreise des VFP 75

FREIE PSYCHOTHERAPIE 04/2007

Auf ein Wort

Liebe Leserinnen und Leser,

ein ereignisreiches und für den Verband erfolgreiches Jahr liegt hinter uns. Wenn Sie dieseZeilen lesen, haben wir wahrscheinlich schon unser Mitglied Nr. 4.000 begrüßen können!Damit ist der VFP der mit weitem Abstand größte und bedeutendste Berufsfachverband fürdie Berufsgruppen der Freien Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie undPsychologischen Berater in Deutschland. Die solide und erfolgreiche Arbeit des Vorstandsund all seiner Mitarbeiter, die dahinter steht, wurde bei unserer letzten Mitgliederversammlungam 4. Oktober 2007 in München auch dementsprechend gewürdigt.

Wir möchten aber auch Ihnen danken, allen Mitgliedern und Abonnenten, die uns dieTreue halten, darunter viele, die schon 10 Jahre oder länger dabei sind – und sogar manche,die jetzt mittlerweile aus der aktiven Berufsphase aussteigen und in Rente gehen, aberdem Verband trotzdem verbunden bleiben wollen. Als „Dankeschön” unsererseits habenwir dieses Heft der „Freien Psychotherapie” um acht Seiten erweitert. Die Fülle derverschiedenen Beiträge aus den vielen psychologischen Arbeitsfeldern und Anwendungs-möglichkeiten war so groß, dass wir sie nicht einfach wegkürzen oder verschieben wollten.So finden Sie noch vor Jahresende die jeweils abschließenden Textteile zu der Artikelserieüber die „Väter” von Prof. Hantel-Quitmann, zu Dr. Urboneits Navigationshinweisen fürunsere Qualifizierung und Spezialisierung und zu Sandra Peruzzis Beschreibung des kreativenMethodeneinsatzes in der Paar- und Familientherapie. Dabei hoffen wir natürlich, dass Siein der Zeit zwischen den Jahren auch genügend Ruhe finden, um unsere Zeitung mit Gewinnlesen zu können.

Die Berufe, die wir ausüben und in unserem Verband auch nach außen vertreten, zählenzu den attraktivsten überhaupt, haben wir doch nicht nur die Gelegenheit, unseren Klientenund Patienten fachlich und menschlich weiterzuhelfen, sondern umgekehrt auch immerwieder die Chance, aus fremden Lebensabläufen und Lebenskrisen für unsere eigeneWeiterentwicklung zu lernen. Dies wurde sehr schön in vielen Veranstaltungen des letztenPsychotherapie-Symposiums in Berlin deutlich, über das wir in diesem Heft auch kurzberichten. Das nächste Treffen dieser Art findet vom 7. bis 9. März 2008 in Gießen statt– wegen der frühen Osterferien also auch schon sehr früh im Jahr. Bitte merken Sie sichdiesen Termin unbedingt schon einmal vor! Weiterhin möchten wir Sie wieder zu vielenberufs- und praxisbezogenen Fortbildungen einladen, die wir in einer Auswahl auf Seite 64vorstellen. Im neuen Jahr steht Ihnen ja auch wieder ein neuer Wertgutschein zu, der esIhnen erlaubt, diese Seminare mit bis zu 20 % Ermäßigung zu besuchen. Machen SieGebrauch von diesen Fortbildungsmöglichkeiten!

Dazu laden wir Sie auch im neuen Jahr ein.

Eckhardt W. Martin und Dr. Werner Weishaupt

MitgliederserviceTelefon 018 03 / 21 02 17 (9 Cent/Min.)

Dr. WernerWeishauptPräsident des VFP

Montag, 11.00 – 12.30 Uhr, Supervisions-Sprechstunde (nur nach Vereinbarung)

Donnerstag, 17.00 – 18.30 Uhr, Sprech-stunde für allgemeine und persönlicheVerbandsfragen, Anregungen und Vor-schläge zur Verbandsarbeit.

Dr. Hartmut GutscheMitglied des wissen-schaftlichen Beirats

Montag, 16.30 – 19.30 Uhr, Supervision(nach Vereinbarung): alle Praxisfragenzur Eröffnung und Führung einer psycho-logischen Praxis, von A – wie Anträgebis Z – wie Zielorientierung.

AngelikaBaudisch-Kunze

Dienstag, 17.00 – 19.00 Uhr, Supervision(nach Verabredung): alle Fragen zu Klienten,Beratungs- und Therapieproblemen.

Alexander B.Schadow

Dienstag, 11.00 – 12.30 Uhr, Supervision(nach Verabredung): alle Fragen rund umdie Kunst- und Gestaltungstherapie.

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Paarberatung

In meinem Leben, ob privat oder beruflich,lernte ich viele Menschen kennen, die sichzeitweise in Konfliktsituationen befanden.Meine Erfahrung lehrte mich, dass dieseMenschen ihre Situationen oftmals lösenwollten, indem sie andere fragten, wie siesich wohl am besten verhalten sollten, wassie tun sollten, was sie sagen sollten usw.Ob es die Nachbarin war, der Kollegeoder die Freundin, oder, oder, oder ... Kurz:Sie suchten nach einer Lebensanleitungfür ihre Situation. Wer immer etwas dazusagen konnte, es wurde dankend ange-nommen. Aber helfen diese Ratschläge vonnahestehenden Personen? Sicherlich sindmanche Ratschläge gut gemeint und kom-men von Herzen. Doch objektiv betrachtet,sind es meist sehr einseitige Ratschläge. Mankennt den Ratsuchenden. Man findet ihnsympathisch. Man fühlt mit ihm. Man möch-te gerade ihm nichts Negatives sagen. Kannda ein wirklich guter Rat gegeben werden?

Da auch ich mich des Öfteren sowohl inder Rolle des Ratgebenden als auch in derRolle des Ratsuchenden wiederfand, standfür mich schnell fest, dass ich mich im Zugeder beruflichen Umorientierung für das Stu-dium zur „Psychologischen Beraterin” ent-schied. Ich suchte nach den Antworten fürdas warum, weshalb, wieso ..., nicht nurfür mich selbst.

Seit nunmehr anderthalb Jahren betreibeich eine Praxis für psychologische Beratung.Von Anfang an habe ich mich darauf kon-zentriert, psychologische Lebensberatungin den Bereichen Partnerschaft, Familieund Beruf anzubieten, um einen möglichstgroßen Personenkreis anzusprechen.

Die mit Spannung erwarteten ersten Sitzun-gen mit Klienten waren für mich nichtweniger aufregend als für die Menschen, diezu mir kamen, um mich um Rat zu bitten.Doch es dauerte nicht lange und ich wurdein meiner Tätigkeit als Beraterin immersicherer. Große Genugtuung empfand ich,wenn ich erkannte, dass das vom Klientengewünschte Beratungsziel erreicht wurdeund er den „roten Faden” in seinem Lebenwiederfand.

Allerdings ist der Weg zum Ziel einer Lösungnicht immer einfach. Manches Mal scheiterteine Beratung auch daran, dass beim Klien-ten eine festzementierte Haltung gegenüberseinen Konflikten und den damit verbunde-nen Personen vorliegt. Lässt er nicht zu, dassseine Fixierung aufgebrochen wird, ist eskaum möglich, anvisierte Beratungsziele zuerreichen.

Meine Beobachtung zeigt, dass viele Kliententatsächlich etwas gemeinsam haben. Siekommen zum ersten Gespräch, schildern ihrProblem und ihre Wünsche als „Ziel” undgleich darauf folgt die Erwartungshaltungan mich: „Sie brauchen mir nur zu sagen,was ich tun soll – dann kriege ich das schonhin.” Als wäre das so einfach! Viele stellensich das vor wie den Gang zum Apotheker,den man um ein Schmerzmittel gegen dieKopfschmerzen bittet, in der Hoffnung, wennman dieses einnimmt, verschwinden dieSchmerzen sofort. Was aber die Ursache derSchmerzen ist, will man oft gar nicht wissen, ja es scheint fast, als wäre man daran nichtsonderlich interessiert. Hauptsache, dieSymptome lösen sich scheinbar in nichtsauf. Dem entspricht, dass man sich eine

Gebrauchsanleitung wünscht, nach derman handeln kann, in der Hoffnung, durchsie die belastenden Probleme zu beseitigen.

Aber gibt es diese überhaupt?

Ohne direkt darauf hinzuwirken, kamen nachund nach überwiegend Paare in meine Praxis,sodass ich heute sagen kann, dass meinmomentaner Schwerpunkt in der Partner-schaftsberatung, also Paarberatung, liegt.

Auffallend bei meinen Klientengesprächenwar, dass, bis auf wenige Ausnahmen, fastimmer der Mann die Initiative ergriff undum einen Gesprächstermin bat. Oft mit demHinweis „hoffentlich zieht meine Partnerinda mit”. Das gibt mir zu denken: ÜberlassenFrauen den unangenehmen Teil des Ergrei-fens einer Initiative oft dem starken Ge-schlecht? Vieles spricht dafür. Doch wasschließen wir daraus? Ist es dem Mann wich-tiger als der Frau, ihre Partnerschaft wiederins Lot zu bringen? Ist er im Grunde derKämpfer, der es unternimmt, die Dingezu regeln? Fast möchte man meinen, ja.Anders gesehen muss dies nicht so sein.Vielleicht ist es für seine Partnerin gar nichtmehr wichtig, den Konflikt in ihrer Partner-schaft zu kitten. Hat sie schon aufgegeben,wo der Partner noch meint, etwas retten zukönnen? Es kann sein, dass sie die Phasenvon Zorn und Rebellion schon hinter sichgelassen hat und sich in einem resignativgleichgültigen Zustand bewegt, ohne dassdies dem Mann aufgefallen wäre?

Der letzte Absatz spiegelt teilweise die Ver-fassung wider, in der sich das Ehepaar S.befand, als es das erste Mal zu einem Bera-tungsgespräch in meiner Praxis erschien.

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A u s s c h n i t t e a u s e i n e r

T h e r a p i e u n d B e r a t u n g4

FREIE PSYCHOTHERAPIE 04/2007

Ursula Ries-Jacob

T h e r a p i e u n d B e r a t u n g

Auch in diesem Fall war es Herr S. gewesen,der telefonisch um einen Termin bat. Schonam Tonfall der Stimme konnte ich durch denTelefonhörer seine Aufgeregtheit deutlichspüren. Er sprach in kurzen, abgehacktenSätzen, die er mehrmals wiederholte. SeineKurzatmigkeit war nicht zu überhören:„Ja, ich, nein wir brauchen Ihre Hilfe, sogeht das nicht mehr weiter. Es mussuns jemand sagen, was wir tun sollen.Anders weiß ich nicht mehr, wie wir zu-recht kommen sollen.”

Da war er wieder der Satz: „Es muss unsjemand sagen ...”

Wir einigten uns darauf, dass ein erstesGespräch in den frühen Abendstunden desdarauffolgenden Tages erfolgen könnte.

Herr S.: „Ich weiß nicht, ob meine Frau mitdem Termin einverstanden ist, aber das istmir auch egal. Ich komme auf jeden Fall,vielleicht auch alleine.”

Grundsätzlich bin ich als Beraterin skeptischgegenüber Sitzungen in den Abendstunden.Aus gutem Grunde: Die Gespräche verlaufennach dem Ablauf eines frustrierenden Tages-geschehens oftmals sehr emotional. DieNerven liegen blank und nicht selten kommtes zu Gefühlsausbrüchen. Die Gefahr, sichverselbständigende Emotionen dann mit inden Schlaf zu nehmen, ist groß! Doch ichhabe mich den zeitlichen Möglichkeiten mei-ner Klienten angepasst. Deren Berufstätigkeitlässt meist keine andere Terminierung zu.

Es liegt in der Verantwortung des Beratersoder der Beraterin, mit viel Empathie undDiplomatie den Verlauf des Gespräches sozu bestimmen, dass eine Eskalation möglichstvermieden wird. Wichtig ist, dafür zu sorgen,dass durch das Beratungsgespräch zum Endeder Sitzung für die Klienten eine Entspan-nung eintritt, so dass sie in einer psychischstabilen Verfassung aus der Sitzung entlassenwerden können.

Überraschenderweise kam das Ehepaar S.doch gemeinsam zur ersten Sitzung. Meinerster Eindruck bestätigte sich später. Siewirkten beide nach außen hin müde undkraftlos.

Bei Frau S. beobachtete ich eine geschlosseneKörperhaltung. Sie hatte bereits auf demSofa Platz genommen, beugte ihren Ober-körper nach vorne und zog beide Arme ge-streckt zwischen ihre Knie, wobei sie beide

Hände krampfhaft zusammenfaltete, undatmete schwer. Ihre aufsteigende rötlicheGesichtsfarbe machte deutlich, dass ihr Blut-druck vor Aufregung stieg, (wie sie mir späterversicherte). Sie war 54 Jahre alt, überge-wichtig und schien wenig aus ihrem Äußerenzu machen. Ihre Augen waren gerötet undwirkten glasig, als hätte sie vorher geweint.

Herr S. hatte inzwischen ebenfalls Platzgenommen, jedoch nicht neben seiner Frauauf dem Sofa, sondern auf einem einzelnenSessel. Auch er hatte gerötete müde Augenund wirkte erschöpft. Seine mitgeführteAktentasche stellte er neben sich auf denBoden. Bei ihm nahm ich wahr, dass seineKörperhaltung sehr offen war. Breitbeinigsaß er da, beide Arme auf die Armlehnendes Sessels platziert, den Rücken in ent-spannter Position zurückgelehnt. Mein Ein-druck: Er thronte auf dem Sessel, fast wieein Patriarch. Meine Mutmaßung war, dassdiese Haltung jedoch nur vorgetäuscht war.Ohne die Arme zu bewegen, hob er mehrmalsbeide Hände. Dazu wiegte er zweifelnd seinenKopf hin und her, zog dabei die Mundwinkelnach unten, runzelte die Stirn und maulte:„Ja, jetzt sind wir hier!” Mir entging nicht,dass er seine Frau dabei strafend ansah.Herr S. war 55 Jahre alt. Seine Kleidung wargenauso altmodisch wie seine Frisur. Anseiner Gesichtsfarbe war auch ihm deutlichanzumerken, dass er mindestens genausoaufgeregt war wie seine Frau.

Es dauerte nur Sekunden, da hatte sich inmeinem Beratungsraum eine gewaltigeSpannung aufgebaut. Aus meiner bisherigenErfahrung weiß ich aber, wie wichtig es ist,diese Spannung erst einmal zu entschärfen.Ein paar kleine unwichtige Fragen und einkleiner Smalltalk kann dabei wahre Wunderbewirken. Auch versuche ich hier und da,mit einem kleinen Spaß die angespannteAtmosphäre aufzulockern, um dem Klientendie Hemmschwelle zu nehmen. Auch ineiner psychologischen Beratung darf gelachtwerden. Ich habe es mir zu einem Grundsatzgemacht, zusammen mit den Klienten diebestehenden Konflikte ab und zu auch vonder satirischen Sichtweise aus zu betrachten.Die Banalität mancher Konfliktsituation wirddadurch oft besser und schneller erkanntals durch langwierige „theoretische” Ge-spräche. Um zu gewährleisten, dass sich derKlient dadurch nicht in seiner Würde herab-gesetzt fühlt, sind aber größtes Feingefühlund Empathie erforderlich. Ich setze diese

Taktik allerdings nur dann ein, wenn icheinzuschätzen weiß, ob der jeweilige Klientfür sie zugänglich erscheint. Durch den ge-nannten Smalltalk lässt sich dies relativschnell abklären.

Bei dem Ehepaar S. griff eine solche Interven-tion jedoch nicht. Selbst nach ein paar auf-lockernden Sätzen von mir konnte dessennervliche Anspannung nicht abgebaut werden.

AUSZUG AUS DEM PROTOKOLL DERERSTEN GEMEINSAMEN SITZUNG

Beraterin: Zu Beginn unserer Sitzung ist eswichtig, dass Sie mir Ihren Konflikt schildernund mir mitteilen, welches Ziel Sie gemein-sam durch meine Beratung erreichen wollen.Wer von Ihnen beiden möchte mir denn Ihremomentane Situation oder den bestehendenKonflikt beschreiben? Ich hatte beide ange-sprochen.

Frau S. sah zu ihrem Mann, verschränktebeide Arme fest vor ihrer Brust und signali-sierte ihm durch diese Körpersprache „Dusollst sprechen!”

Herr S. nahm das Signal an und begann zuberichten.

Herr S.: Wir verstehen uns nicht mehr. Wirstreiten nur noch. Meine Frau kommt mitmir nicht mehr klar. Alles mache ich falsch.Ich kann ihr nichts mehr recht machen. Alles,was ich mache, ist verkehrt. Sie weiß allesbesser! Mit ausgestrecktem Arm wies er aufseine Frau wie auf eine Schuldige. Es schien,als wollte er deutlich machen, dass das ei-gentliche Problem nicht er, sondern seineFrau ist.

Frau S. sackte daraufhin in sich zusammenund begann heftig zu weinen.

Herr S. zu seiner Frau: Nun sag du doch auchmal was!

Frau S.: Was soll ich denn dazu sagen. Duverstehst mich ja sowieso nicht.

Herr S., schon sichtlich aufgebracht, rea-gierte zornig: Ja, was soll ich denn auchverstehen. Du redest ja nicht mehr mit mir!

Frau S.: Du kannst mir doch noch nicht malmehr zuhören, wenn ich was sage. Immerschreist du gleich herum.

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Herr S., nun sichtbar erregt und mit lauterStimme: Was erzählst du denn da für einenQuatsch? Jedes Mal, wenn ich nach Hausekomme und mit dir reden will, sitzst du vordem Fernseher und hast keine Lust mit mirzu sprechen.

Frau S.: Du schreist ja auch jedes Mal. Dasertrage ich nicht mehr.

Herr S.: Du sagst mir ja noch nicht mal, wennetwas passiert ist.

Frau S.: Ja, warum wohl!

Herr S.: Wie war das denn gestern Abend?Ich habe dich gefragt, was passiert ist, unddu antwortest mir „nichts”. Heute erfahreich, dass du die Treppe hinuntergestürztbist und heute beim Arzt warst. Was sollich denn davon halten?

Frau S. zuckt nur mit den Schultern undweint.

Bisher habe ich den Dialog zwischen denEhepartnern aufmerksam und schweigendverfolgt. Wie ich nach dem bisherigen Ge-sprächsverlauf vermute, kommunizieren dieEheleute nur noch auf der Basis von bruch-stückhaften Informationen miteinander. Esscheint eine deutliche Störung auf der Kom-munikationsebene vorzuliegen. Doch glaubeich nicht, dass dies der einzige Konflikt ist,den die beiden miteinander austragen. MeineIntuition sagt mir, dass das Kernproblemvermutlich tiefer liegt. Ich greife nun in denStreit ein.

Beraterin: Welches Ziel möchten Sie denndurch meine Beratung erreichen?

Frau S.: Wir wollen auf jeden Fall zusammen-bleiben.

Herr S. nickt zustimmend.

Beraterin: Nun, das ist ein klares Ziel. Wasglauben Sie, könnte in Ihrer Beziehung besserfunktionieren?

Herr S.: Wir sollten wieder mehr miteinandersprechen.

Frau S: Ja, das haben wir früher immer getan.

Beraterin: Warum tun Sie das heute nichtmehr?

Herr S. und Frau S. reagieren auf diese Fragemit Wortlosigkeit und Ratlosigkeit.

Beraterin: Ich habe Ihnen beiden bisher auf-merksam zugehört und stelle mir die Frage:Warum fällt es Ihnen so schwer, Ihren Partnerzu verstehen?

Herr S. sieht mich an, als käme ich vomMond, er ist ratlos.

Frau S. sieht mich verwundert an, ist ebenfallsratlos, zuckt mit den Schultern.

Beide sind plötzlich verunsichert. Was willdie eigentlich von uns, scheinen sie zu fragen.

Beraterin: Was wäre denn aus Ihrer Sichterforderlich, dass Sie wieder mehr und offe-ner miteinander sprechen?

Herr S.: Sie müsste mit mir sprechen. Dastut Sie ja nicht.

Frau S.: Er müsste nicht mehr so chole-risch sein und besser zuhören.

Beraterin: Hier muss ich Sie beide loben. Siehaben drei für Sie persönlich ganz wichtigepositive Ansätze schon selbst erkannt, näm-lich Sprechen, Verhalten, Zuhören. Daraufkönnen wir aufbauen.

Ich weise hier auf eine Interpretation vonHans Jellouschek hin, der in seinem Buch„Die Paartherapie” beschreibt, dass nicht dieDefizite des Paares oder der Partner betontwerden sollen, sondern das Streben nachLösung und Weiterentwicklung. Damit wer-den dem Paar neue, positivere Sichtweisenseiner Problematik vermittelt und die Auf-merksamkeit wird von Anfang an auf eineEntwicklungsperspektive hin ausgerichtet.

Beraterin: Ihre momentane Situation, in derSie sich emotional befinden, kenne ich nun.Doch – was ist der Auslöser für diese Situa-tion? Wo liegt das eigentliche Problem? Ichsehe beide an. Weder Frau S. noch Herr S.möchten antworten.

Um mir ein vollständiges Bild der gesamtenKonfliktsituation zu machen, hole ich mirmeine Informationen nun im Rahmen derAnamnese und stelle zu der Konfliktebenenoch einmal zielgerichtete offene Fragen.

Max Prior gibt in seinem Buch „MiniMax-Interventionen” gute Ansätze zur Fragestel-lung seitens des Beraters an seine Klienten.Er empfiehlt u.a. die offenen konstruktivenW-Fragen, also was, wann, welche, wer,wie, woran, wodurch ... Diese Art der Fra-gestellung beziehe ich in mein Gesprächmit den Klienten ein. Er schreibt hierzu:Allein durch die Form dieser konstruktivenW-Fragen wird deutlich vermittelt, dass esder Therapeut/Berater genauer wissen will,dass er ein großes Interesse hat und ihm dasErfragte wichtig ist. Konstruktive W-Fragensind konstruktiv im Sinne von aufbauendund nützlich, und sie helfen konstruieren,was Klient und Therapeut/Berater wollen.

Beraterin: Wie lange sind Sie beide dennverheiratet?

Herr S.: 20 Jahre.

Beraterin: Wie lange kennen Sie sich schon?

Frau S.: 21 Jahre.

Beraterin: Haben Sie Kinder?

Frau S.: Ja, wir haben zwei Kinder, die Jüngsteist 15 Jahre alt.

Beraterin: Sie sagten mir zu Beginn derSitzung, Sie seien selbstständig. WelcherTätigkeit gehen Sie nach?

Herr S.: Ich bin selbstständiger Handels-vertreter und meine Frau hat ein kleinesEinzelhandelsgeschäft.

Beraterin: Wie laufen Ihre Geschäfte?

Herr S.: Ich habe insgesamt drei Handelsver-tretungen und alle drei laufen schlecht.Meine Verdienste sind innerhalb eines halbenJahrs total eingebrochen. Meine Frau mussmich finanziell unterstützen.

Frau S. stöhnt und nickt.

Beraterin: Haben Sie kein gemeinsamesHaushaltsbudget?

Frau S. schaltet sich ein: Nein. Mein Geschäftgeht mehr recht als schlecht. Allein gingees mir gut. Aber ständig muss ich Kosten,die mein Mann durch seine Jobs verursacht,mit ausgleichen. Das bringt mein Geschäftin finanzielle Engpässe. Ich habe Angst. MeinGeschäft trägt das nicht mehr lange.

Beraterin: Herr S., wie viel verdienen Siedenn monatlich?

Herr S. macht eine hilflose Handbewegungund blickt ratlos.

Frau S.: Wenn er wenigstens etwas verdienenwürde. Aber er macht ja nichts. Er fährt nurin der Gegend herum. So kann das ja nichtswerden.

Herr S. wird laut: Was heißt denn, ich machenichts? Wenn ich Benzin sparen will und zuHause arbeite, z.B. Termine ausmache, dannist dir das auch nicht recht. Was ich auchmache oder nicht mache. Meine Frau weißalles besser!

Frau S. weint nun bitterlich.

So langsam kristallisiert sich ein weitererKonflikt heraus. Das Ehepaar S. hat schwereGeldsorgen, die das Partnerschaftsverhältnisin gravierender Weise langsam aber sicherzu ersticken drohen. Beide fühlen sich vondem Partner nicht mehr beschützt, nichtmehr geliebt, nicht mehr verstanden undblockiert. Hinzu kommt eine gravierendeSehnsucht nach Geborgenheit und Sicher-heit. Die Erwartungshaltung an den Partner,

T h e r a p i e u n d B e r a t u n g6 7

FREIE PSYCHOTHERAPIE 04/2007

nach Behebung der Finanznot, kann keinerder beiden erfüllen.

Das Ehepaar S. befindet sich jedoch nichtnur in einer finanziellen Krise, sondern auchin einer persönlichen und beruflichen. Be-rufliche Veränderungen führten zu finanzi-ellen Einbrüchen, persönliche Rückschritteund gesundheitliche Probleme lassen es ihreGrenzen erkennen. Eines der Kinder ist bereitsaus dem Hause, nur die jüngste Tochter lebtnoch bei ihnen.

Hans Jellouschek, Eheberater und Lehrthe-rapeut ..., spricht in seinem Buch „DiePaartherapie” von einem Lebenszyklus desPaares und beschreibt die „Jahreszeiten” derLiebe. Er hat ein Modell aufgestellt, das dieEntwicklung eines Paares darstellt. Hiernachbefindet sich das Ehepaar S. in der Phase„Herbst”. Das heißt, ein Paar in der zweitenLebenshälfte (Alter = 45 bis 60 Jahre), aberauch ein Paar nach der Familienphase. DerAbschied von den Kindern ist schon schwergenug. Die neue Zweisamkeit muss erst wie-der gefunden – und die mit ihr verbundenen„Ziele” müssen neu definiert werden. Sichwieder als Partner neu entdecken, Altesaufgeben, Neues in Angriff nehmen, all dastrifft momentan auf das Ehepaar S. zu.Es befindet sich in einem Zustand schmerz-licher Verluste, liebgewonnene beruflicheTätigkeiten mussten aufgegeben werden,Existenz- und Verlustängste beherrschenden Alltag und verunsichert es. Kein Wunder,dass es diesen Übergang als Krise empfindet.Alleine fühlt es sich der Bewältigung vondem allen nicht mehr gewachsen.

Beraterin – Frage an Frau S. gerichtet, dieimmer noch weint: Wie haben Sie sich ei-gentlich kennen gelernt?

Frau S. sichtlich irritiert über die Ablenkung:Oh, das war ganz lustig. Sie sieht ihren Mannan und der nickt erfreut.

Herr S. übernimmt daraufhin sofort wiederdas Wort und beschreibt ausführlich undlangatmig, wie sie sich das erste Mal sahen.

Frau S. hat inzwischen aufgehört zu weinen.Sie verfolgt aufmerksam die Schilderungihres Mannes, ergänzt diese teilweise undstimmt ihm hin und wieder nickend zu.

Nach diesen Erzählung habe ich den Ein-druck, dass ich beide zunächst einmal vonder eigentlichen Problematik ablenken konn-te, um die Emotionen bei beiden Ehepartnernetwas zu stabilisieren. Ich entlasse sie nunaus der ersten Sitzung und vereinbare mitFrau S. und Herrn S. jeweils einen weiterenTermin für ein Einzelgespräch.

In dem Einzelgespräch soll jeder der beidendie Möglichkeit haben, die gesamte Proble-matik aus seiner ganz persönlichen Sicht-weise anzusprechen. Das fällt dem Klientenin der Paarberatung erfahrungsgemäß leich-ter, weil er die Einwände seines Partnersnicht befürchten muss. Er kann sich freierund unbefangen äußern und seine An-sprüche und Erwartungen, die er an seinenPartner hat, klarer definieren. Der Klient istim Einzelgespräch eher bereit, auch überEnttäuschungen in der Partnerschaft zusprechen. Gefühle und Emotionen, die ineinem gemeinsamen Beratungsgespräch oftblockiert werden, können losgelassen wer-den. Das heißt: Im Einzelgespräch wird nichtnur das eigentliche „Anliegen” thematisiert,nein – es treten vielmehr unerledigte bzw.unbewältigte Konflikte in den Vordergrund,die oftmals mitverantwortlich für die mo-mentane Problemsituation sind.

Dessen werden sich die Klienten erst be-wusst, wenn sie alleine zu einem Gesprächkommen und mit ihren eigenen emotionalenGefühlsausbrüchen konfrontiert sind.

Meistens versuchen wir, Unangenehmes undUnerfreuliches aus unserem Alltag zu ver-drängen. Das tun wir, indem wir nicht mehrdaran denken wollen! Wir löschen dasUnerfreuliche einfach aus unserem Gedächt-nis, indem wir es aus unserem Bewusstseinverbannen. Doch unser Unterbewusstseingleicht der Festplatte unseres Computers.Es speichert ALLES !!!

Es ist daher nicht selten, dass ein Klientvon dem Verlauf des Einzelgesprächs völligüberrascht wird, wenn er mit Erlebnissenund Erinnerungen konfrontiert wird, dieer verdrängt hat und mit denen er sich„plötzlich” auseinandersetzen muss.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSZUGDES PROTOKOLLS DES ERSTENEINZELGESPRÄCHS MIT FRAU S.

Frau S. wuchs in einem behüteten Elternhausauf. Als der Vater starb, war sie 12 Jahre alt.

Die Mutter war nach dem Tod ihres Mannesfast mittellos. Die kleine Familie wurde inihrer Not finanziell von einem Onkel, einemhöheren Beamten, unterstützt. Schon damalsregistrierte Frau S., dass finanzielle Sicher-heit nur auf solidem Boden gedeihen kann.Finanzielle Sicherheit wurde für sie lebens-wichtig. Sie erlernte einen Beruf und arbei-tete als Versicherungskauffrau. Im Alter von19 Jahren verliebte sie sich in einen wesent-lich älteren Mann und bekam kurze Zeitspäter ihr erstes Kind. Doch der Geliebte er-öffnete ihr erst zu dieser Zeit, dass er schonverheiratet und bereits mehrfacher Famili-envater war. Der Traum von familiärer undfinanzieller Sicherheit war geplatzt. Frau S.wurde selbstständiger und arbeitete fleißig.Sie verdiente gut und konnte sich eine kleineWohnung leisten.

Wieder verliebte sie sich und heiratete. Dochder Ehemann entpuppte sich als Trinker undSchläger. Sie trennte sich von ihm. Abermalswar ihr Traum von Familienglück und Sicher-heit geplatzt. Sie arbeitete weiter und führtemit ihrem Kind ein geregeltes Leben, jedochimmer mit der Sehnsucht nach einem starkenMann an ihrer Seite, der ihr Schutz undSicherheit bot. In dieser Phase lernte sieHerrn S. kennen. Schon nach relativ kurzerZeit zog dieser zu ihr und dem Kind. Beideübten sie ihren Beruf gerne aus und hattensich abends, wenn das Kind im Bett lag,immer viel zu erzählen. Kurze Zeit späterheirateten sie und Herr S. adoptierte ihrekleine Tochter. Das Glück schien vollkommen,als das zweite, gemeinsame Kind, geborenwurde. Alles, was sich Frau S. jemals ge-wünscht hatte, war in Erfüllung gegangen.Finanzielle und berufliche Sicherheit, Ge-borgenheit in der Familie und allgemeinesVerständnis füreinander.

Allerdings änderte sich dies alles mit demTod ihres Schwiegervaters. Er hinterließ sei-nem Sohn eine kleine Firma, mit der Auflage,

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T h e r a p i e u n d B e r a t u n g8 9

FREIE PSYCHOTHERAPIE 04/2007

dass dieser seine Mutter in Zukunft mitunterstützen sollte. Mit der Übernahmeder Firma war ein Umzug der Familie inden Heimatort des Mannes unumgänglich.Frau S. musste auf ihren geliebten Arbeits-platz verzichten, um die Verwaltung für denväterlichen Betrieb ihres Ehemannes zu über-nehmen. Der Umbruch für die Familie wargewaltig. Bald zeigte sich, dass die Geschäfteimmer schlechter liefen. Die finanziellenVerbindlichkeiten und die finanzielle Unter-stützung der verwitweten Mutter brachtendas Ehepaar S. an die Grenzen ihrer Belast-barkeit. Herr S. gab die Firma auf, wurdeals Handelsvertreter selbstständig. Frau S.gründete im Haus der Schwiegermutter eineigenes kleines Geschäft. Den Mut zur Ver-änderung brachten beide auf. Es stellte sichaber bald heraus, dass Herr S. als Handels-vertreter keinen Umsatz machte, oder nursehr wenig. Die Belastungen durch Fahr-kosten und Verwaltungskosten, die bei einerTätigkeit als Handelsvertreter entstehen,kann Herr S. mit seinem spärlichen Verdienstnicht decken. Er ist auf die finanzielle Un-terstützung seiner Frau angewiesen.

Frau S. betreibt den kleinen Laden alleineund erzielt damit ein Einkommen, das geradedie Kosten der Verbindlichkeiten und derLebenshaltung deckt. Für sie ist diese Situa-tion unerträglich und sie sieht sich um ihreexistenzielle und finanzielle Sicherheit ge-bracht. Auch die Abhängigkeit bezüglichihrer Geschäftsräume im Haus der Schwie-germutter macht ihr zu schaffen.

Das Gefühl von Geborgenheit hat sie verlo-ren. Momentan befindet sie sich in der Phasevon großen Existenz- und Verlustängsten.Hinzu kommen diverse gesundheitliche Pro-bleme. Aus ihrer Sicht trägt ihr Mann dieVerantwortung an der gesamten Misere, weiler keinen Verdienst einbringt. Er arbeitet fürsie nicht effektiv, ist unorganisiert. Ständiggibt sie ihm Ratschläge, wie er es bessermachen soll. Doch er hält sich nicht daran.Das macht sie wütend und hilflos. Sie reagiertmit Trotz, Verständnislosigkeit und teilweiseauch mit Resignation. Das äußert sich inihrem Verhalten dem Ehemann gegenüber.Auf Fragen von ihm antwortet sie nicht odernur mit unvollständigen Informationen, odergeht Gesprächen mit ihm ganz aus demWeg. Zärtliche Gefühle füreinander gibt esschon lange nicht mehr.

Eine Paartherapie vor zwei Jahren haben sieerfolglos abgebrochen.

Beraterin: Frau S., Wollen Sie mit ihrem Mannzusammen bleiben?

Frau S.: Ja, doch.

Beraterin: Warum?

Frau S.: Wenn er nur genug verdienen würde,wäre alles besser.

Beraterin: Würden Sie sagen, es liegt nuram Geld?

Frau S.: Na, ja, also er schreit auch so vielund wird aggressiv. Das erinnert mich anmeinen ersten Mann. Der schrie auch so!

Beraterin: Sie deuteten an, dass ihr ersterMann sie geschlagen hat. Wie oft kam dasvor?

Frau S.: Oft, dann hatte er meistens auchgetrunken und schrie mich an.

Beraterin: Trinkt ihr jetziger Ehemann auch?

Frau S.: Manchmal. Dann wird er auch ag-gressiv.

Beraterin: Hat er sie schon mal geschlagen?

Frau S.: Nein.

Beraterin.: Haben Sie Angst, geschlagen zuwerden?

Frau S.: Ich weiß nicht.

Beraterin: Vergleichen Sie ihren jetzigenMann mit ihrem ehemaligen Ehemann?

Frau S.: Ja.

Beraterin: Wie war das damals, als sie ge-schlagen wurden. Mit wem haben sie darübergesprochen?

Frau S.: Mit niemandem. Es gab keinen Men-schen, der mir helfen konnte. Ich habe bisheute überhaupt noch nie mit jemandemdarüber gesprochen.

Frau S. bricht in Tränen aus.

Beraterin: Wollen Sie mir mehr darüber er-zählen?

Frau S.: Nein. Das tut nichts zur Sache!

Frau S. wirkt plötzlich sehr distanziert.

Mir wird bewusst, dass ich bei Frau S. einoffenbar tiefer liegenderes Trauma angespro-chen hatte und verwickele sie daher, um sienicht übermäßig zu belasten, zum Ende derSitzung in banale Gesprächsthemen hinsicht-lich der Freizeitgestaltung. Wir sprechennoch über ihr Hobby, die Töpferei. Danachentlasse ich sie aus dem Einzelgespräch.

Allerdings bekam sie eine kleine Aufgabe mitnach Hause: Sie sollte in einer Liste alleErwartungen, die sie an ihren Mann stellt,notieren.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSZUGDES PROTOKOLLS DES ERSTENEINZELGESPRÄCHS MIT HERRN S.

Herr S. wuchs in einem finanziell gesichertenElternhaus auf. Er hat noch eine jüngereSchwester. Seine Eltern besaßen eine kleineFirma. Die Geschäfte liefen gut. Beide Kindergenossen eine gute Ausbildung. Geldsorgengab es keine. Im Elternhaus herrschte einestrenge Erziehung. Der Vater war der alleinigeEntscheidungsträger der Familie. Beide Kinderzogen frühzeitig aus dem Elternhaus ausund suchten sich einen Arbeitsplatz an ihremjeweiligen Wohnort.

Für Herrn S. erfüllte sich ein Traum, als erseine jetzige Frau kennen lernte. Sie war dieerste Frau in seinem Leben und verkörpertefür ihn eine Freiheit, die er bis dahin nochnicht kannte. Bei ihr konnte er sich entfalten,sich wohl fühlen, sich mitteilen. All das, wasder Vater zu Hause unterdrückte. Er hatteeinen guten Arbeitsplatz und fand sich inder Arbeitswelt bestätigt. Sein Selbstbewusst-sein stieg. Er fühlte sich sehr von seinerjetzigen Frau angezogen, so dass er fastüberstürzt bei ihr einzog. Das Familienlebenmit ihr und ihrem Kind gefiel ihm. Er ent-schloss sich schon früh, sie zu heiraten. Überihren vorherigen Ehemann wusste er, dasser ein Trinker und Schläger war. Dass seineheutige Frau damals häufig Opfer von Schlä-gen wurde, wusste er bis heute nicht. Darüberwollte sie nie mit mir sprechen – so seinKommentar dazu. Seitdem er beruflich keinenErfolg mehr hat, ist die Partnerbeziehungzwischen beiden gestört. Herr S. fühlt sichvon seiner Frau finanziell abhängig. Das passtnicht in sein Lebenskonzept. Schließlich ister der Mann im Haus. In seinem Selbstbildnisist er der Entscheider, der Chef in der Familie.Seine Aufgabe ist es, das Einkommen zusichern. Als er noch gut verdiente, war allesin Ordnung. Seine Frau stand zu ihm undseiner von ihm vorgegebenen Familienstrate-gie. Jetzt ist nichts mehr, wie es einmal war.

Beraterin: Wollten Sie schon immer die Firmaihres Vaters übernehmen?

Herr S.: Nein. Eigentlich wollte ich in meinemBeruf weiterarbeiten.

Beraterin: Warum haben Sie sich dann andersentschieden?

Herr S.: Mich reizte die Selbstständigkeit. Ichertrage es nicht, wenn mir jemand sagt, wasich tun und lassen soll.

Beraterin: Wie kommen Sie denn mit Ihrerjetzigen Kundschaft zurecht?

Herr S. sichtlich genervt: Das kotzt mich an.

Beraterin: Was wäre denn Ihre beruflicheWunschlösung?

Herr S.: Ich würde gerne mit meiner Frauzusammen das Geschäft führen, aber jedermüsste einen eigenen Arbeitsbereich haben.

Beraterin: Warum haben Sie das noch nichtversucht oder umgesetzt?

Herr S.: Weil meine Frau das nicht will.

Beraterin: Warum glauben Sie, will sie dasnicht.

Herr S.: Sie kann meine Launen nicht ertra-gen. Dabei bin ich schon immer so. Ich weißgar nicht, was sie dauernd hat. Wenn mirwas nicht passt, schreie ich eben los. So binich. Das hat meine Frau früher doch auchnicht gestört.

Beraterin: Sind Sie sich da sicher?

Herr S.: Nein ...

Beraterin: Angenommen Sie hätten einenlaunischen Kollegen, mit dem Sie täglicheng zusammenarbeiteten, und der würdeständig herumschreien, wenn ihm etwasnicht passt. Wie würden Sie sich dannfühlen?

Herr S.: Ich weiß, worauf Sie hinauswollen.Das ist mir klar. Natürlich würde mir dasnicht passen. Insofern verstehe ich meineFrau schon. Aber ich meine das alles dochnicht persönlich.

Beraterin: Nun, wichtig ist, dass Sie die Re-aktion Ihrer Frau verstehen. Warum zeigenSie ihr das aber nicht?

Herr S.: Ich kann nicht aus meiner Haut. Ichbin doch so.

Beraterin: War Ihre Frau schon immer sosensibel?

Herr S.: Ja.

Beraterin: Wie sehen Sie Ihre persönlicheZukunft?

Herr S.: Also, ich will schon mit meiner Frauzusammenbleiben. Aber sie soll mehr Ver-ständnis für mich aufbringen. Ich habe esmomentan echt schwer. Scheiße! Ich habeeigentlich außer meiner Frau niemanden,

mit dem ich sprechen kann und der michversteht. Jetzt spricht noch nicht mal meineFrau mit mir. Nur das Nötigste.

Die Sitzung ist fast beendet und ich sprechemit Herrn S. noch über verschiedene Ent-spannungsübungen, für die er sich interes-siert.

Auch Herr S. bekommt von mir die Aufgabe,alle Erwartungen, die er an seine Frau hat,zu notieren. Danach vereinbaren wir einenweiteren Sitzungstermin für ein Dreier-gespräch.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSZUG DESPROTOKOLLS DES DREIERGESPRÄCHS

Das Ehepaar S. hat die gleiche Sitzpositioneingenommen wie beim ersten Gespräch.Sie machen einen unsicheren Eindruck undwirken distanziert. Auf mein Befragen schil-dern beide, dass sich die momentane Situa-tion weder verschlechtert noch verbesserthabe. Beide haben auf meinen Rat hin ver-sucht, in den letzten Tagen friedlicher mit-einander umzugehen.

Beide haben ihre Aufgabe erledigt undbrachten ihre Aufstellung mit. Ich stelltefest, dass jeder ca. 10 bis 15 Punkte notierthatte. Es wäre mühselig, alle Punkte ein-zeln aufzuführen.

Ein einzelnes Beispiel gebe ich dennoch:

Herr S.: Sie soll mit mir sprechen, mich in-formieren, mich verstehen.

Frau S.: Er soll mir mehr erzählen, mir besserzuhören, verständnisvoller sein.

Wie gehen zu dritt jeden einzelnen Punktdurch und kommen zu dem Ergebnis, dassbeide fast identische Erwartungen an denPartner notiert hatten. Das Ehepaar S scheintdarüber fast schockiert zu sein. Frau S. verliertdie Fassung und beginnt hemmungslos zuweinen. Herr S. wirkt ebenfalls wie vom Blitzgetroffen. Ich greife die wichtigsten Punkteheraus, die auch unsere Sitzungen wie einenroten Faden durchlaufen haben: Sprechen,Zuhören, Verstehen, Verhalten. Im gemein-samen Gespräch erkennt das Ehepaar S. nurganz langsam, was ihr eigentlicher Konflikt

ist. Sie stellen an ihren Partner Erwartungen,die dieser in seiner momentanen Situationgar nicht erfüllen kann. Dazu kommt dasgänzliche Unverständnis füreinander. Kei-ner von beiden fragt den anderen, nachdem „warum”. Sie werfen sich gegenseitigeBruchstücke von Informationen zu, teilweisesogar bewusst unvollständig, mit dem Hin-tergedanken, nun soll er oder sie zusehen,wie man damit fertig wird. Das Scheiterndieser „Aufgabe” wird dann der anderenSeite als „Schuld” ausgelegt. Sie haben einSpiel in Gang gesetzt, das zu einer schwe-ren Störung auf der Kommunikationsebeneführte, das sich wie eine Spirale fortsetztund letztendlich nur gestoppt werden kann,wenn beide bereit sind, dieses Spiel zu be-enden und zu einer normalen Kommunika-tion zurückfinden, verbunden mit einemgesunden Maß an Verständigung und Rück-sichtnahme. Dazu kommt, dass sie beidevoneinander abhängig sind. Herr S. finanziellvon seiner Frau. Frau S. räumlich von ihremMann. Das macht sie hilflos und wütendzugleich, weil jeder für sich keinen Auswegaus der Situation sieht.

Ich sehe hier die Chance, durch einen Rol-lenwechsel jeden Ehepartner so zu sensibili-sieren, dass er seine Sichtweise für das Ver-halten seines Partners ändert und lasse eszu einem Wechsel der Perspektive zwischenden Eheleuten kommen. Frau S. übernimmtdie Position von Herrn S. und Herr S. die vonseiner Frau. Ich als Beraterin, übernehme dieAufgabe der Regisseurin.

Der Sinn und Zweck dieses Rollenspiels ist,dass der Klient lernt, die Problemsituationaus der Sichtweise des Partners zu sehen.Im Rollenspiel werden Konfliktsituationenund Gesprächsverläufe aus den vorausge-gangenen Sitzungen nachgestellt. Im An-schluss daran werden beide Klienten von mirals Berater aufgefordert, ihre Reaktionenund Stellungnahmen sowohl aus der Sichtdes Partners als auch aus der eigenen Sicht-weise zu analysieren. Durch die gewonnenenErkenntnisse wird ihnen nun bewusst, warumder Partner so und nicht anders reagierenmuss/kann. Das eigene provokante Verhaltenwird erkannt und kann jetzt kritisch reflek-tiert und im günstigsten Fall revidiert werden.Es kommt zu einer vollkommen verändertenDarstellung der jeweiligen Situation.

Was das Ehepaar S. angeht, so zeigt sichsehr schnell, dass beide diesem Rollenspiel

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Beide versichern mir, dass sie damit wohlumgehen könnten. Dieses „System” ist ihnenvertraut, damit können sie arbeiten.

Insgesamt hätte es, wie gesagt, noch einerrecht umfangreichen Gesprächsberatungbedurft, um die tiefer liegenden, noch un-bewältigten Probleme aufzuarbeiten, sowohlbei Frau S. als auch bei Herrn S. Geht manaber davon aus, dass sie ja nur eine„Anleitung” brauchten, wie sie vorrangig ihreAlltagskonflikte lösen könnten, so glaubeich, ihnen hier eine gute Grundlage gebotenzu haben, mit der sie umzugehen verstehen.Das System ist ihnen vertraut.

Da das Ehepaar S. offensichtlich nur auf derGeschäftsebene „erreichbar” ist, habe ichIhnen nahegelegt, regelmäßige gemeinsame„Meetings” abzuhalten, wie dies auch schonin kleinen Firmen üblich ist, um unvollstän-digen Informationen und Spekulationenkeine Chance mehr zu geben. Die Dingemüssen zukünftig klar definiert sein. ÜberToleranz, Miteinandersprechen, sich mehrRespektieren, das eigene Verhalten überden-ken usw., all das ist inzwischen, wie ich finde,von beiden schon dem Postkorb „sehr wichtig”richtig zugeordnet. Damit besitzen sie einen„Schlüssel” zur Lösung ihrer Probleme.

Als Fachliteratur empfehle ich:

Psychotherapie, Michael Wirsching, Grund-lagen und Methoden, C. H. Beck Verlag

Die Zweierbeziehung, Jürg Willi, ro ro roVerlag

Die Paartherapie, Hans Jellouschek, KreuzVerlag

33 und eine Form der Partnerschaft, NossratPeseschkian, Fischer Verlag

Hiermit vereinbare ich als VFP-Mitglied ein telefonischesSupervisionsgespräch:

1. Sie können Ihr Supervisionsgespräch jederzeitüber die VFP-Geschäftsstelle anmelden: Tel.0 18 03/21 02 17. Dabei wird festgelegt,wann und mit welchem Gesprächspartnerdie Telefon-Supervision stattfinden soll.

2. Sie füllen die „Vereinbarung über eine telefo-nische Supervision” aus und faxen diese an:Fax 0511/3 88 49 40.

3. Zu dem vereinbarten Zeitpunkt rufen Siedann Ihre Supervisorin/Ihren Supervisor an(Tel. 018 03/210217) und tragen Ihren„Fall“ oder Ihr sonstiges Beratungsproblemvor und beleuchten und besprechen esvon allen Seiten. Dazu haben Sie 30 bis60 Minuten Zeit.

4. Sie erhalten von der VFP-Geschäftsstelleeine Honorarrechnung über € 30,– bis€ 60,– (je nach Gesprächsdauer), die Siebitte innerhalb einer Woche an den VFPüberweisen.

5. Nach Zahlungseingang erhalten Sie einZertifikat über die Supervision als Qualifi-zierungsnachweis und Bescheinigung fürdas Finanzamt.

Alle Gesprächsinhalte bleiben vertraulich. DieGesprächszeit wird jedoch aufgezeichnet, umdie tatsächliche Gesprächsdauer zu dokumen-tieren. Das Supervisionsgespräch hat eineMindestdauer von 30 Minuten und dauertmaximal 60 Minuten.

Supervisionsteam:

Dr. Hartmut GutscheDozent und Kinder- undJugendlichentherapeutMontag, 16.30 – 19.30 Uhr

Angelika Baudisch-KunzeDozentin und Psychologische BeraterinDienstag, 17.00 – 19.00 Uhr

Alexander B. SchadowDozent und Lehrtherapeut fürKunst- und GestaltungstherapiePsychosozialer Kunsttherapeut (IFKTP)®Dienstag, 11.00 – 12.30 Uhr

Dr. Werner WeishauptDozent und Heilpraktiker fürPsychotherapieMontag, 11.00 – 12.30 Uhr

Hier noch einmal kurz die „Spielregeln“:

Name, Vorname

Mitgliedsnummer

Telefon

Anschrift

Datum Uhrzeit

mit

Ort, Datum Unterschrift

V F P - S u p e r v i s i o n

Verband Freier Psychotherapeuten, Heilpraktiker für Psychotherapie und

Psychologischer Berater e. V., Lister Straße 7, 30163 Hannover

Telefon 0 18 03/21 02 17, Fax 0511/3 88 49 40, [email protected], www.vfp.de

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FREIE PSYCHOTHERAPIE 04/2007

nicht gewachsen sind. Immer wieder passiertes, dass sie aus der ihnen zugeordnetenPosition ausbrechen und ihre alte Haltungannehmen. Ich unterbreche daher das Rol-lenspiel.

Bei Frau S. beobachte ich, dass sie ihrenMann, ohne dass dieser vorbereitet wäre,mit Negativerfahrungen aus ihrer ersten Ehekonfrontiert. So vergleicht sie ihn unver-mittelt mit ihrem ersten Mann und dessenTrinkverhalten in Bezug auf Alkohol. Herr S.ist sichtlich angegriffen und hilflos. Ich grei-fe das Thema „erste Ehe” nun abermalsbehutsam auf. Erst jetzt öffnet sich Frau S.und erzählt, wie schlimm ihre erste Ehewirklich war. Wie sie gelitten hat und wiegroß ihre Angst ist, Herr S. könne genausowerden wie ihr erster Ehemann, der sich sooft betrank, dann herumschrie und sie zuletztauch noch schlug. Wie beim ersten Mal, alsich das Thema anschnitt, verschließt sie sichspontan wieder und meint, das täte allesnichts zur Sache. Wieder beginnt sie hem-mungslos zu weinen. Es wird ganz deutlich,dass Frau S. ein großes unbewältigtes Pro-blem mit sich herumträgt und ihre schlech-ten Erfahrungen aus ihrer ersten Ehe aufihren jetzigen Ehemann projiziert hat.

Während sich Frau S. langsam beruhigt, ringtHerr S. noch um Fassung.

Herr S.: Ich bin fix und fertig und meine Frauauch.

Ich entlasse das Ehepaar S. und wir verein-baren eine weitere gemeinschaftliche Sit-zung.

Wir hatten nun zahlreiche anstrengendeund lange Sitzungen hinter uns. Die Infor-mationen kamen zögernd und spärlich. Ins-gesamt stellte sich heraus, dass es sich nichtnur um einen Konflikt handelt, sondern ummehre, die sich zu einem gewaltigen Pro-blemberg aufgetürmt hatten. Es wäre ausmeiner Sicht dringlich erforderlich gewesen,noch weitere Sitzungen zu vereinbaren. Dochdas Ehepaar S. drängte auf eine letzte Sit-zung, nicht zuletzt wegen der permanentenGeldsorgen. Sie gaben mir nach den Sitzun-gen stets ein positives Feedback mit derZusicherung, die gewonnenen Erkenntnisseentsprechend umzusetzen, doch ich wurdeskeptisch. Eher hatte ich das Gefühl, dasssie das gerade nicht taten. Der beste Lösungs-vorschlag führt nicht zum Ziel, wenn derKlient nicht wirklich selber mitarbeitet.

Ich hatte mit den Eheleuten inzwischen diepositiven Merkmale herausgearbeitet, nachlösungsorientierten Ansätzen gesucht, ver-sucht, die jeweiligen Sichtweisen zu verän-dern und Verhaltensmodelle zu erarbeiten.All das letztendlich ohne Erfolg?

Ich war enttäuscht. Nach dem letzten Ge-spräch glich die Position der einzelnen Ehe-partner eher einem Betonblock und zartesHerumkratzen, um die Kanten zu entschär-fen, schien aussichtslos.

Doch so leicht wollte ich nicht aufgeben.

Wir vereinbarten eine weitere Sitzung.

LÖSUNGSVORSCHLAG

Ich hatte lange überlegt, wie kann ich diesenbeiden Menschen helfen, die meine Hilfebisher so gar nicht annehmen und umsetzenkonnten. Da kam mir ein recht unkonventio-neller Gedanke.

Da beide Ehepartner Geschäftsleute sind,frage ich nach, wie sie in der Bearbeitungihrer Geschäftspost vorgehen.

Frau S. ist außergewöhnlich aufmerksam:Zuerst sichte ich die Post.

Beraterin: Wie verfahren Sie weiter?

Frau S.: Reklame werfe ich sofort weg

Beraterin: Was machen Sie mit der übrigenPost?

Frau S.: Manches ist ganz wichtig. Das erle-dige ich gleich.

Beraterin: Was heißt das, wichtig?

Frau S.: Nun, da geht es um Zahlungstermineoder Bestellungen oder Aufträge.

Beraterin: Wie gehen Sie da vor?

Frau S.: Zuerst erledige ich die Zahlungs-termine.

Beraterin: Warum?

Frau S.: Weil die am wichtigsten sind.

Beraterin: Sind Aufträge oder Bestellungennicht so wichtig?

Frau S.: Doch, aber nicht vorrangig.

Beraterin: Wenn ich Sie richtig verstandenhabe, unterscheiden Sie Ihre Post nach Wich-tigkeit, ist das richtig?

Frau S.: Aber ja, das ist im Geschäft immerso.

Beraterin: Herr S., verfahren Sie ebenso mitIhrer Geschäftspost?

Herr S.: Natürlich, meine Frau ist darin be-sonders gut. Sie macht das immer ganzprima. Ich halte mich auch daran. Wie gesagt,im Geschäft ist das sehr wichtig.

Beraterin: Was erledigen Sie denn nicht sogerne?

Frau S. spontan: Reklamationen und Um-tausch.

Herr S. stimmt dem sofort zu.

Herr S.: Manches Mal müssen Unterlagenaber nicht bearbeitet werden, die heben wirauf, wegen der Informationen darin.

Ich erlebe das erste Mal, dass beide Ehe-partner plötzlich etwas gemeinsam haben.Beide gehen mit ihrer geschäftlichen Verant-wortung sehr gewissenhaft um, trotz derfinanziellen Engpässe. Das verblüffendedaran ist, dass sich beide in diesem Punktabsolut einig sind.

Beraterin: Wenn man Ihre Post in Fächersortieren sollte, welche Postfächer gäbe esdann?

Frau S. ganz spontan: Natürlich sehr wichtigePost, wichtige Post, Ablage, Papierkorb.

Beraterin: Das ist interessant. BesprechenSie denn Ihre Post gemeinsam?

Frau S.: Natürlich.

Ich gehe nun in einem langen Gespräch mitdem Ehepaar noch einmal die wichtigstenKonfliktpunkte durch und fordere sie auf,die einzelnen Konflikte wie einen Postein-gang zu betrachten, indem sie diese be-sprechen und dem jeweiligen Postkorb zu-ordnen. Überraschender Weise haben siedas „System” recht schnell im Griff undstimmen in der Zuordnung sogar überein.

Das heißt aber auch, dass sich die Punkte,die angesprochen wurden, reduziert haben.Einige landeten gleich im Papierkorb. An-dere betrachteten sie nur als Informationund konnten sie visuell in die Ablage geben.Die für sie wichtigsten Punkte ordneten siegemeinsam den Postkörben „sehr wichtig”und „wichtig” zu. Beide waren sehr angetanvon dieser recht unkonventionellen Lösungs-strategie. Doch es scheint im Endeffekt genaudas gewesen zu sein, nach dem sie suchten,eine Anleitung für den „Postweg” ihrer Pro-bleme, wenn auch in ungewöhnlicher Form.

Ursula Ries-Jacob(ehem. Clark)Psychologische Beraterin,Leiterin für Autogenes

Training, Zusatzausbildung Reiki I und II

Praxis für Psychologische BeratungLeipziger Straße 73, 31303 BurgdorfTelefon 05136/97 72 63 [email protected]

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Wie jung noch die Forschung nach Zu-

sammenhängen zwischen dem Erleben

im Mutterleib und den Folgen für das

Leben danach ist, zeigt sich beispiels-

weise an René Spitz' Lehren, die noch

im Jahr 1957 davon ausgingen, dass

selbst der Säugling ein „undifferenziertes

Wesen ohne Willensäußerung” sei. Bis

in die siebziger Jahre hinein wurden

Neugeborene ohne Narkose operiert,

da man davon ausging, dass dies dem

Kind nicht sonderlich schade. Noch heute

spuken die Lehren von Sigmund Freud

in den Köpfen, die Persönlichkeit des

Menschen bilde sich erst im dritten bis

vierten Lebensjahr. Erst seit geraumer

Zeit wurden die ersten Zweifel an den

genannten Lehren und Annahmen laut

und erst heute weiß man, dass die Aus-

wirkungen des Erlebten und des Verhal-

tens einer Mutter zum Ungeborenen nicht

nur eine Rolle spielt, sondern darüber

hinaus weitaus tiefgreifendere Bedeutun-

gen für das weitere Erleben des Menschen

hat als anfangs angenommen.

Die späten Erkenntnisse überraschen,

stellte doch der altgriechische Philosoph

Aristoteles schon vor über 2300 Jahren

fest: „Schwangere Frauen müssen für

ihren Körper Sorge tragen; ihr Gemüt

aber sollten sie von Sorgen frei halten,

denn das werdende Kind nimmt vieles

von der es tragenden Mutter an, wie

die Pflanze von dem Erdreich, in dem

sie wurzelt.”

DIE PIONIERE DER INTRAUTERINENFORSCHUNG ...

Der amerikanische Arzt und KindertherapeutWilliam Emerson gilt als Pionier der For-schung und Behandlung von Säuglingen,die vor oder während der Geburt traumati-siert wurden. Alessandra Piontelli, eine ita-lienische Psychoanalytikerin, führte Ultra-schalluntersuchungen an Einlingen undZwillingen durch, deren Entwicklung sieweiter verfolgte. Berühmt machte sich diePsychotherapeutin Barbara Findeisen alsPräsidentin der amerikanischen „Gesellschaftfür prä- und perinatale Psychologie”. Vize-präsident David Chamberlain, Psychologeund Therapeut, sorgte 1990 mit seinem Werk„Woran Babys sich erinnern” für Aufsehen.

Die belgische Psychologin Bea van den Berghleitete Untersuchungen von Kindern, derenMütter während der Schwangerschaft be-sonders ängstlich waren, und Anja Huizink,eine niederländische Psychologin, führteUntersuchungen von Kindern bis acht Mo-nate nach der Geburt durch.

Seit dreißig Jahren erforscht der HNO-ArztProf. Alfred Tomatis die „Klangwelt Mut-terleib” (so auch der Titel seines 2002 inder zweiten Auflage erschienenen Buches),also die Auswirkungen der mütterlichenStimme und Laute auf das Kind.

...UND IHRE ERGEBNISSE

Die genannten Forscher der Psychologiedes Ungeborenen kamen u.a. zu folgendenErgebnissen:

Ein Schmerzempfinden besteht ab der12. Schwangerschaftswoche, dem Beginnder Entwicklung der Großhirnrinde.

Wenn eine Schwangere lacht, bewegt sich Sekunden später ihr Kind.

Trägt man Föten zwischen der 33. und 37. Schwangerschaftswoche Gedichte vor,reagieren sie später auf deren Wieder-holung mit verlangsamtem Herzschlag.

Denkt eine schwangere Raucherin an dienächste Zigarette ohne sie zu rauchen, er-höht sich der Herzschlag des Ungeborenen.

Das Modell der klassischen Konditionie-rung nach Pawlow funktioniert bereits im Mutterleib. Dies bedeutet, dass einemvöllig neutralen Sinnesreiz eine Bedeu-tung zukommt, wenn dieser mit einer Empfindung gekoppelt wird.

Spielt man schreienden Neugeborenen denHerzschlag ihrer Mutter auf Tonband vor,schreien sie weniger und schlafen besser.

Zu beobachten sind Schocksymptome bei der Amniozentese: Zunächst erfolgtein Herzrasen, dann eine Verlangsamungdes Herzschlages, schließlich fallen die Embryos in eine Art „Starre”.

Ein Kind, welches im Mutterleib ständigan Händen oder Plazenta lutschte, tat dies nach der Geburt auch ständig am Mutterleib und wurde später recht gierig.

Bei Zwillingen bewegte das lebhaftere Kind im Mutterleib häufig und gerne das ruhigere Kind, welches sich dann zurückzog. Diese Beziehung bestimmte auch weiter das Leben der Zwillinge.

Aufmerksamkeitsprobleme treten we-sentlich häufiger bei Kindern auf, derenMütter während der Schwangerschaft besonders ängstlich waren. Betroffen sindvor allem die Jungen.

Kinder ängstlicher Mütter zeigten imspäteren Leben wesentlich häufiger einelangsamere geistige und motorischeEntwicklung.

Der Fingerabdruck des Ungeborenen kannsich noch ändern, wenn sich Schwangereschlecht ernähren.

Kinder, die vor der Geburt den Vaterverlieren, haben ein höheres Schizophre-nie-Risiko.

Der Anteil der Drogenabhängigen liegt bei Kindern von Müttern, welche in derSchwangerschaft Opiate oder Barbiturateerhielten, 4 bis 5 mal höher als in der Kontrollgruppe.

Störungen des mütterlichen Gleichge-wichtes während der Schwangerschaft führen dazu, dass das Gehirn sich ein-facher strukturiert.

Sven H.-P. Stümpfig

ERGEBNISSE DER „PRAGER STUDIE”

Hierbei wurden 220 Kinder untersucht, derenMütter mindestens zweimal erfolglos einenSchwangerschaftsabbruch beantragt hatten.

Ergebnisse:

die Kinder sind weniger gestillt worden

die Kinder neigen vermehrt zu Wut-ausbrüchen

ambivalente Beziehungen zur Mutter

die Kinder hatten weniger Freunde

ungewöhnlich hohe Suizidrate beiJugendlichen

DIE THEORIE DER „ANGST, NICHTÜBERLEBEN ZU KÖNNEN”

Bezüglich dieser Studie erscheint die Theorieder „Angst, nicht überleben zu können”,deren wichtigste Vertreter Franz Renggli undInge Krenz sind, von Bedeutung.

Die Theorie besagt, dass die Angst, zerstörtzu werden, oder die Zweifel darüber, obman sich selbst zusammenhalten kann, inpränatalen Bindungsstörungen wurzeln.

DIE BINDUNGSTHEORIE NACH BOWLBY

Nach John Bowlby (US-Psychoanalytiker)wird das spätere Leben von der Annahme,Ablehnung oder Gleichgültigkeit der Mutterzum ungeborenen Kind bestimmt, aber auchihrer Lebensführung. Diese Theorie vertratBowlby übrigens bereits im Jahre 1951 undsie ging in die Geschichte der Psychologieals „Bindungstheorie” ein.

RISIKEN FÜR DAS UNGEBORENE

Was Bowlby unter der genannten „Lebens-führung” der Mutter meinte, wird nachfol-gend – übertragen auf den heutigen Standder psychologischen Forschung – in Formvon Risiken für das Ungeborene aufgeführt:

Rauchen in der Schwangerschaft

Etwa 36 % aller schwangeren Frauen inDeutschland rauchen (Quelle: Ergebnisse derWöchnerinnen-Beratung in Bremen, 1998).Bei jungen Frauen (unter 25 Jahre) liegt dieQuote gar bei etwa 50 % in der Frühphaseder Schwangerschaft, speziell in dieserAltersgruppe befinden sich ebenso vieleVielraucherinnen. Rauchen verengt die Ge-fäße, somit auch die Durchblutung der Pla-zenta. Des Weiteren wird die Herzfrequenz

des Ungeborenen beeinflusst. Die mehr als40 krebserzeugenden Inhaltsstoffe der Ziga-rette gelangen über die Nabelschnur zumKind mit den Folgen einer Sauerstoffunter-versorgung (Sauerstoff wird durch Kohlen-monoxid ersetzt). Neben den allgemeinenkörperlichen Schäden, wie die Gefahr einerFrühgeburt, Untergewicht (10 Zigarettentäglich verringern das Geburtsgewicht umetwa 100 g) und das gesteigerte Risiko einesplötzlichen Kindstodes, sind vermehrt fol-gende psychische Störungen für den weite-ren Lebensverlauf festzustellen:

vermehrte Lern- und Konzentrations-schwierigkeiten

vermehrt Hyperaktivität

niedriger Intelligenzquotient

Das erhöhte Risiko lebenslang anhalten-der Stoffwechselstörungen wie Diabetesoder krankhaftes Übergewicht ermittelteeine Langzeitstudie (1958 bis 1991) mit17.000 Frauen.

Zu bemerken sei noch, dass Passivrauchennoch schädlicher ist als aktives Rauchen!

Alkoholismus

Schätzungen gehen davon aus, dass alleinin Deutschland jährlich etwa 2.200 alko-holgeschädigte Babys geboren werden(Quelle: Bundeszentrale für gesundheitlicheAufklärung, Köln).

Neugeborene alkoholkranker Mütter be-sitzen bereits nach der Geburt Anzeicheneines Alkoholismus, selbst eine Alkoholem-bryopathie („fötales Alkoholsyndrom”) kannfestgestellt werden (Symptome: Dystrophie,Mikrozephalie, Schädigung von Organenund/oder Organsystemen). Die Folgen vonAlkoholkonsum während der Schwanger-schaft für das Kind reichen von irreversiblengeistigen und neurologischen Schäden (Zit-tern, Hypotonie, Essstörungen, Hyperaktivi-tät, Schlafstörungen) bis hin zu Missbildun-gen der Arme und Beine, auch Anomaliendes Gesichts oder des Kopfes sind bei derEinnahme auch nur geringer Mengen odergelegentlichen Trinkexzessen möglich.

Neben geistigen Retardierungen fällt eineschlechte motorische Koordination auf.

Krankheitserreger

Insbesondere der Schutz vor folgendenKrankheiten sollte bei Schwangeren höchste

Priorität sein: HIV-Infektionen (AIDS), Röteln,Masern und Toxoplasmose. Letztere kanndurch den Verzicht auf den Verzehr vonrohen Eiern sowie nicht garem Fleisch (Vor-sicht also bei „Mettwurst”) und der Meidungvon krankheitsübertragenden Tieren (Katzenund katzenartigem Getier) geschehen (dieÜbertragung erfolgt durch den Wurm „toxo-plasma gondii” in den Exkrementen dieserTiere). Die schwerwiegenden Folgen einerToxoplasmose für das Kind können geistigeBehinderungen, Spastiken, Epilepsien undvieles mehr sein.

Die Wahrscheinlichkeit der kind-lichen Infektion beträgt im

1. Trimenon 15%

2. Trimenon 45%

3. Trimenon 65 bis 70%

Einnahme von Pharmaka

Auf die Einnahme von Medikamenten solltedie Schwangere ganz verzichten, in jedemFalle aber keine Einnahmen ohne ärztlicheRücksprachen vornehmen!Besonders schädlich sind Schlaf- oderBeruhigungsmittel.

Psychische Belastungen während derSchwangerschaft

Risikofaktoren diesbezüglich treten in fastjeder Schwangerschaft auf. Abhängig vonder Art, Intensität und Dauer der Belastungenhaben zwei bis sechs Risikofaktoren dieserArt keine negativen Auswirkungen auf dasungeborene Kind im Mutterleib. Allerdingskönnen tragende Beziehungen, ein günstigessoziales Umfeld, sowie Wärme und Unter-stützung der Schwangeren Belastungenkompensieren. Letztlich sind also viele Fak-toren an den Auswirkungen von Stressorenfür das Kind von Bedeutung.

Ein Zuviel an stressbedingten pathologi-schen Stoffwechselprodukten kann zu einerunzureichenden Versorgung des Kindes durchdie Plazenta führen.

Beispiele für psychische Belastungen, für dieMutter während der Schwangerschaft sinddie Risikofaktoren:

Konflikte mit dem – oder gar Trennung vom – Partner

Trauerfall

Bedrohung oder Verlust des Arbeitsplatzes

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FREIE PSYCHOTHERAPIE 04/2007

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Forschungsergebnisse pränataler Psychologie

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sonstige existenzielle Bedrohungen oderEinbußen

Abwendung wichtiger Bezugspersonen,drohende Isolation

Vertreibung, Emigration oder Verlust derWohnung

Beispiele für protektive (schützende undkompensierente) Faktoren während derSchwangerschaft sind:

Rückhalt und Nähe durch den Vater und/oder die Familie

Versorgung durch psychologische Bera-tung oder Unterstützung im Konfliktfall

gesicherte finanzielle Verhältnisse

Zusammenfassend kann also festgestelltwerden, dass das Risiko schädlicher Folgendurch psychische Belastungen für das Kindmit steigender Anzahl von Risikofaktoren,sowie deren Dauer und Intensität bei gleich-zeitig wenigen protektiven Faktoren sichpotenziert.

KRITIK AN DER PRÄNATALENPSYCHOLOGISCHEN FORSCHUNG

Es soll und darf an dieser Stelle allerdingsnicht unerwähnt bleiben, dass die Ergebnisseder pränatalen Entwicklungspsychologienicht ganz unumstritten sind. Es gibt durch-aus Vertreter diverser psychologischer Berufe,die mit Schlussfolgerungen aus diesen Er-gebnissen sehr zurückhaltend umgehen.Zwei Hauptkritikpunkte werden hierbei alsEinwand vorgetragen:

zu starke Gewichtung der Bewertung von Folgen pränataler Erlebnisse

Der Forschungsdrang der vergangenen Jahrebirgt die Gefahr, den Fokus bei der Suchenach der Ursache einer psychischen Störungbei Kindern und Erwachsenen zu sehr daraufzu lenken und damit möglicherweise über-zogene oder gar falsche Schlussfolgerungenzu ziehen. Kritiker sprechen sogar hier voneiner „Modeerscheinung”.

Damit verbunden und begründet wird diesdurch den zweiten Einwand, dem

Zweifel an den Ergebnissen der Unter-suchungen

Vertreter des verhaltensanalytischen Be-haviorismus (nach Watson, Thorndike,Skinner) und der philosophischen Strömung

des Empirismus mit seinen Wurzeln inGroßbritanien (Hauptvertreter sind die briti-schen Philosophen David Hume und JohnLocke) sind der Überzeugung, die mensch-liche Seele sei bei der Geburt ein unbeschrie-benes Blatt – eine „Tabula rasa”. Der Menschlerne ausschließlich durch Erfahrungspro-zesse und soziale Einflüsse im Leben.

Doch selbst wem die Ermittlungen der Un-tersuchungen pränatal-psychologischerDiagnostik als unumstritten gelten, hat manals Kritiker Zweifel, ob in pränatalen Erleb-nissen letztlich auch tatsächlich die Gründefür eine negative Entwicklung im weiterenLeben wurzeln.

Nehmen wir zum Beispiel das Ergebnis dererhöhten Suizidalität bei Jugendlichen, derenMütter bei der Geburt mindestens zweimalerfolglos einen Schwangerschaftsabbruchunternahmen:

In den wenigsten Fällen ist davon auszuge-hen, dass plötzlich mit und nach der Geburtdes – wohlgemerkt ungewollten – KindesProbleme nicht mehr bestehen, die nochzuvor bestanden haben. Kritiker vermutenvielmehr, dass die weitere lieblose oder ge-störte Beziehung zum – immer noch unge-wollten – Kind nach der Geburt die Ursachefür die spätern Störungen sind.

ZUSAMMENFASSUNG

Die Frage, welchen Anteil nun vorgeburt-liche Erfahrungen in der weiteren Lebens-entwicklung haben, kann letztlich nicht ein-deutig beantwortet werden. Die am meistenverbreitete Aussage von Experten nach mo-mentanem Stand psychologischer Forschunglautet:

Erfahrungen im Mutterleib schaffen Prädis-positionen, legen aber nicht das Leben fest.Das Erleben vor und während der Geburtbleibt jedoch im Hintergrundleben des Er-wachsenen erhalten.

Schützende und tragende Beziehungen sinddie wichtigste Hilfe, um frühe Schäden aus-zugleichen. Ruhe, Unterstützung und Für-sorge während der Schwangerschaft ab der12. Woche begünstigen eine positive psychi-sche Entwicklung des Kindes.

Die Ergebnisse und Theorien pränataler Ent-wicklungspsychologie erleben aber auchEinwände und Kritiken.

Quellennachweis:

Beltz, Julius (Hrsg.): „Psychologie heute –Das Leben vor der Geburt”,Beltz, Weinheim, Ausgabe 01/2003

Chamberlain, David: „Woran Babys sicherinnern”, Kösel, 5. Aufl., 2001

Harms, Thomas: „Auf die Welt gekommen –die neuen Baby-Therapien”,Ulrich Leutner, 1. Aufl., Berlin, 2000

Hüther, Gerald: „Die Bedeutung sichererBindungserfahrungen für die Hirn-entwicklung”, Vortrag, Nijmegen, 2002

Janus, Ludwig: „Wie die Seele entsteht”,1. Aufl., dtv, München, 1993

Janus, Ludwig & Haibach, Sigrun: „SeelischesErleben vor und während der Geburt”,1. Auflage, LiguaMed, Neu Isenburg, 1997

Janus, Ludwig & Levend, Helga: „Drumhab ich kein Gesicht – Kinder aus uner-wünschten Schwangerschaften”,1. Auflage, Echter, Würzburg, 2000

Piontelli, Alessandra: „Vom Fetus zum Kind– die Ursprünge des psychischen Lebens”,1. Auflage, Klett-Cotta, Stuttgart, 1996

Renggli, Franz: „Der Ursprung der Angst”,1. Auflage, Walter, Düsseldorf, 2001

Tomatis, Alfred: „Klangwelt Mutterleib”,2. Auflage, Kösel, 1996

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FREIE PSYCHOTHERAPIE 04/2007

HP/psych. Sven H.-P. StümpfigHeilpraktiker für Psychotherapie, Dozentfür Kinder- und Jugendpsychotherapie

Lederstraße 48, 75365 CalwTelefon 07051/79 97 59Telefax 07051/79 97 [email protected]

Sandra Peruzzi

Welche kreativen Medien finden Einsatz?

Malen und Zeichnen

Der Einsatz von Mal- und Zeichentechnikenim familien- und paartherapeutischen Be-reich ist ein adäquates Mittel, um festgefah-rene Prozesse wieder in Gang zu bringen.Da die hier aufgeführten Methoden im Kon-text der systemischen Therapie stehen, wirdan dieser Stelle auf die tiefenpsychologischenAspekte dieser kunsttherapeutischen Methodenicht eingegangen. Hier geht es vielmehr dar-um, Kreativität und Spontaneität zu fördern.

Das Malen und Zeichnen ist sowohl für Ein-zel- als auch für Gruppensitzungen wertvoll.Der Therapeut kann beispielsweise anregen,dass die KlientInnen gemeinsam ein Themawählen, zu dem sie ein Bild malen wollen.Dabei soll jeder auf einem separaten Blatteinen Teil des Bildes malen, den er für wichtighält. Nach Abschluss der Einzelarbeit wirddann das Bild gemeinsam zusammengefügt.Der dabei entstehende Prozess bringt eineMenge von bewegter Aktivität in die Thera-piesitzung. Dies kann sich auf den weiterenVerlauf der Sitzung(en) positiv auswirken.

Malen und Zeichnen fordert seitens desTherapeuten zunächst oftmals eine gewisseÜberzeugungskraft. Viele KlientInnen meinen,es käme dabei auf perfekte Ergebnisse an.Hier muss der Therapeut ermutigend auftre-ten und den KlientInnen deutlich machen,dass es hauptsächlich auf die Aktivität unddie Freude ankommt, welche durch dasMalen und Zeichnen fast immer entsteht.

Beim Malen können Finger-, Plakat- oderAcrylfarben gute Dienste leisten. Das Malenist besonders für spontane, empfindungsför-dernde Prozesse geeignet, da man dabei aufgrößeren Flächen einfach loslegen und dabeischauen kann, was sich entwickelt.

Das Zeichnen dagegen verlangt mehr Kon-zentration und erfordert eine gewisse De-tailtreue. Daher ist es besonders gut fürWahrnehmungsübungen oder andere Zu-

sammenhänge geeignet, bei denen es daraufankommt, eine gewisse Objektivität an denTag zu legen. Es wirkt daher eher beruhigendund sammelnd auf die KlientInnen, was beistark emotional gefärbten Prozessen sehrhilfreich sein kann. Beim Zeichnen wird dahereher mit Blei- oder Buntstiften, Wachsmal-stiften, Pastell- oder Ölkreiden gearbeitet.

Collagen

Der Begriff „Collage” leitet sich von demfranzösischen Wort „coller” = kleben ab. DieCollage ist eine künstlerische Technik, beider durch Zusammenkleben verschiedenerElemente (Zeitungsschnipsel, Fotos, Bänder,Perlen etc.) ein neues Ganzes geschaffenwird. Da sich bei der Collage die Beteiligtenmit bereits mehr oder weniger vorgegebenemMaterial auseinandersetzen, fällt vielen derZugang dazu meist leicht.

Collagen sind entweder spontan währendder Sitzung möglich oder können auch einerVorbereitung bedürfen. Die Collage sollteaber immer während der Therapiesitzungzusammengefügt werden. Dabei entstehenneue Prozesse und Anhaltspunkte für dasweitere Vorgehen.

Fallbeispiel Collage:Patchwork-Familie T. und W.

Die in dieser Fallbeschreibung genanntenFamilien bestehen aus zwei verschiedenenGegenwartsfamilien. Der Teil der Familie T.ist die Mutter Margit mit ihrem Sohn Benny(4 Jahre). Der Teil der Familie W. ist der VaterLars mit seinen Töchtern Svenja (9 Jahre)und Britta (12 Jahre).

Margit und Lars hatten sich vor einem Jahrauf einem Straßenfest kennen gelernt. Margitwar seit zwei Jahren vom Vater ihres SohnesBenny geschieden. Lars hatte seine Frau vorvier Jahren durch einen Unfall verloren undlebt seither als allein erziehender Vater. Beidesind 38 Jahre alt.Margit und Lars waren schon nach kurzerZeit in eine gemeinsame Wohnung mit allendrei Kindern gezogen. Sie waren sich sicher,

dass ihre Liebe alleine genügen würde, umdie beiden Familienhälften zu einer neuenGesamtfamilie zusammenwachsen zu lassen.Leider kamen aber schon bald die erstenSchwierigkeiten. Die Kinder stellten sich nursehr schleppend auf die neue Situation ein.Sie zeigten sich auf unterschiedliche Art undWeise verunsichert, da sich alle drei aufjeweils ein neues Elternteil einstellen mus-sten. Dies führte zu Diskrepanzen in derErziehung mit entsprechender „Bockigkeit”gegenüber Maßnahmen oder Anordnungenseitens der Eltern. Die Kinder fingen zudeman, zu koalieren und die Elternteile gegen-einander auszuspielen. Alles in allem warkeinem mehr seine tatsächliche Rolle inner-halb der neu zusammengesetzten Familieklar und es kam immer häufiger zu Missver-ständnissen.

Im Erstgespräch wurde schnell deutlich, dassdie einzelnen Mitglieder der neuen Familien-struktur relativ wenig über die einzelnenZusammenhänge wussten (insbesondereauch über die nicht mehr im Familienverbundstehenden Mitglieder). Es musste auch imSinne der Kinder eine Form gefunden werden,durch die auch die nicht mehr präsentenFamilienteile (die verstorbene Ehefrau vonLars und der geschiedene Ehemann vonMargit) in irgendeiner Form ihren Platz imGefüge bekommen. Dies war also das ge-meinsame Ziel aller Beteiligten.

Bis zur nächsten Sitzung, die zwei Wochenspäter stattfinden sollte, bekamen dieFamilienmitglieder die Aufgabe, Material füreine Collage zu sammeln. Das Thema derCollage lautete: Unsere Familie. Es war allenfreigestellt, ob sie alte Fotos, Symbole, selbstgemalte Bilder oder schmückendes Beiwerkmitbringen wollten. Jeder sollte für sich ent-scheiden, was in der Collage auftauchenmüsse, um ein großes Familienbild zu schaffen.Dieses Vorgehen erschien sinnvoll, da es sichfür die gegebene unterschiedliche Alters-struktur der Familie vollumfänglich eignete.

Zur nächsten Sitzung erschien die ganze

Der Einsatz nonverbaler Techniken undkreativer Medien in der systemischenPaar- und Familientherapie Teil 2

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Sandra PeruzziJg. 1968, Heilpraktikerin Psychotherapieseit 2003. Ausbildungen: systemischeBeratung und Therapie, Paar- und Familien-therapie, Biografiearbeit, Poesietherapie,Klangmassage nach Peter Hess und Klang-therapie, progressive Muskelentspannung.Eigene Praxis in Wiesbaden.www.lebenslinien-werkstatt.de

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FREIE PSYCHOTHERAPIE 04/2007

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Familienmitglieder zeigten zunächst nachund nach den anderen, was sie mitgebrachthatten. Durch diese Vorbereitung wurde esfür alle einfacher, später eine sinnvolle An-ordnung der mitgebrachten Collagenteilevorzunehmen. Für diesen Part der gemein-samen Arbeit wurden der Familie dreißigMinuten der Sitzungszeit eingeräumt.

Als nächstes folgte eine ziemlich turbulenteDiskussion aller Familienmitglieder darüber,wo welches Collagenteil hin sollte. DieseDiskussion war sehr aufschlussreich hinsicht-lich der derzeitigen Rollenverteilung unddes Konfliktverhaltens der einzelnen Fami-lienmitglieder. Nach dieser Diskussion warenjedoch viele Fakten in den Köpfen der Betei-ligten verdeutlicht, die besonders den Kindernnicht klar gewesen waren.

Die Stimmung war nach diesem Diskussions-part deutlich entspannter. Als es nach einerkurzen Verschnaufpause ans Kleben der ein-zelnen Teile ging, konnte ein sehr harmoni-scher und sensibler Umgang miteinanderbeobachtet werden. Jeder schien für denanderen mehr Verständnis zu haben. Beson-ders der kleine Benny fragte zwischendurchimmer wieder nach Zuordnungen, währenddie anderen eher still ihre Klebearbeitenverrichteten.

Die Collage wurde schließlich, nachdem allesgeklebt war, an die Wand gehängt und be-trachtet. Dann wurde nach den Erlebnissenund Erfahrungen während des Arbeitsteilsgefragt. Es entstand eine verständnisvolleAtmosphäre, aus der die Familie mit neuerMotivation herausging. Nach diesem Ab-schlussgespräch wurde die Familie aus derSitzung entlassen. Alle machten einen er-schöpften, aber dennoch zufriedenen Ein-druck. Die Collage blieb bis zur nächstenSitzung in der Praxis.

Der nächste Termin wurde zwei Wochenspäter anberaumt. Alle Familienmitgliederfragten sofort nach der Collage. Diese wurdeaber für die Familie nicht sichtbar aufbe-wahrt. Alle bekamen für diese Sitzung dieEinstiegsaufgabe, aus dem Gedächtnis herausnoch einmal die Collage zu skizzieren. DieErgebnisse aus dieser Arbeit wurden dannanschließend gegenseitig gezeigt. Es warzum Teil überraschend, welche für die ein-zelnen Familienmitglieder wesentlichen De-tails gezeichnet wurden. Nach dieser Dar-stellung wurde die eigentliche Collage wiederaufgehängt und betrachtet. Es entstand noch

einmal ein interessantes Gespräch zwischenden Familienmitgliedern, welches dazu führ-te, dass die Familie ein neues gemeinsamesZiel für die weitere Therapiearbeit formulier-te. Dieses Ziel lautete nun: Wie können wires schaffen, trotz unterschiedlicher Herkunfteine Familie zu werden?

Wahrnehmungsübungen

Die Wahrnehmungsübungen sind eine inter-essante Methode, um sich sowohl als Thera-peutIn als auch als KlientIn ein Bild von denSinnesqualitäten der Beteiligten machen zukönnen. Wahrnehmungsübungen dienen derSchulung und Sensibilisierung aller Sinneund machen wieder offener für neue Ein-drücke. Sie sind ein sehr vielfältiges Instru-ment und können verschiedenste Arbeitsauf-träge beinhalten. Diese reichen vom Zeichnenmit verbundenen Augen über das Erfühlenvon Gegenständen im Verborgenen und de-ren exakter Beschreibung bis hin zum genau-en Hinhören auf erzeugte Geräusche odergeflüsterte Worte etc.

Immer sollte der Therapeut jedoch Wertdarauf legen, dass die Beteiligten das, wassie hören, fühlen, riechen etc. wertungsfreiund objektiv beschreiben. Es geht dabei alsonicht darum, ob jemand etwas gefällt, magoder ablehnt, sondern um die reine Beschrei-bung des Zustandes ohne emotionale Betei-ligung.

Zunächst ist die gute Beobachtungsgabe desTherapeuten gefragt, die passenden Übungenfür seine KlientInnen auszuarbeiten. Je nach-dem, welche Defizite er erkennt, muss erArbeitsaufträge vorschlagen können, die zuder jeweiligen Situation passen.

Wahrnehmungsübungen bedürfen einer ge-wissen Vorbereitung und werden daher meistnicht spontan während der Sitzung einge-setzt. Dennoch bieten sie ein breites Spek-trum und stoßen auf gute Resonanz bei denBeteiligten. Wichtig zu wissen ist für ihrenEinsatz auch, dass sie eine gewisse Zeit derTherapiesitzung beanspruchen oder eineganze Sitzung dauern können. Daher sollteman sein Vorhaben, Wahrnehmungsübungenin den Therapieprozess einzubinden, vorhermit den KlientInnen abstimmen.

Der Zweck von Wahrnehmungsübungen liegtzum einen darin, dass die Sinne der Klien-tInnen wieder sensibler werden. Zum anderentrainiert die anschließende Beschreibung dergemachten Erfahrungen eine objektive bzw.

distanzierte Haltung gegenüber Sinneserleb-nissen. Dies kann sehr hilfreich sein, wennes im späteren Therapieprozess zu emotio-nalen Krisen oder Ausbrüchen kommt.

Fallbeispiel zu den Wahrnehmungsübungen:Familie N.

Familie N. war unzufrieden mit ihrem ge-samten Familienleben. Elke und Günter N.haben zwei Kinder, Clara (11 Jahre) und Max(9 Jahre). Sie hatten das Gefühl, dass sichniemand mehr in der Familie über irgendet-was freuen kann. Alle seien immer nur ammeckern und es herrsche ständig miese Stim-mung und dicke Luft. Alle waren aber gleich-zeitig mit diesem Zustand sehr unglücklichund auch gewillt, ihre Situation zu verbes-sern. Dieser Umstand erleichterte die Arbeitmit Familie N. ungemein. Sie war offen füralles, was angeboten wurde.

In den ersten Sitzungen wurde schnell deut-lich, dass alle gerne auf einmal reden wolltenund auch das Zuhören nicht besonders gutklappte. Daher wurde eine Wahrnehmungs-übung vorgeschlagen, die auf dieses Defiziteingehen sollte.

Zunächst sollten die Familienmitglieder zweiPaarungen bilden, die Aufteilung wurde hieralleine der Familie überlassen. So kam es zueiner Aufteilung zwischen der Mutter Elkeund ihrem Sohn Max sowie dem Vater Güntermit der Tochter Clara. Der Arbeitsauftragbestand darin, dass sich die beiden PaareRücken an Rücken zusammensetzen sollten.Einer der beiden durfte sich aus einem Stapeleine Kunstpostkarte aussuchen, die der je-weils andere Partner dann nur anhand derBeschreibung auf Papier bringen sollte. AlsRegel galt, dass derjenige, der die Postkartehatte, nicht den Maler oder den Namen desBildes nennen durfte (es gab bekanntere undweniger bekannte Bilder im Kunstpostkar-tenstapel). Und es war dem Zeichnendennicht erlaubt, Fragen an den Kunstpostkar-tenbesitzer zu stellen. Es sollte lediglich daszu Papier gebracht werden, was auch ver-standen wurde.

Im ersten Durchgang, der mit zehn Minu-ten angesetzt war, hatten Max und Günterdie Karten, während Clara und Elke malen

mussten. Es war ein sehr bewegter Prozessund allen war eine gewisse Anstrengunganzumerken. Trotzdem waren alle vier vollkonzentriert bei der Sache. Nach den erstenzehn Minuten wurden die Rollen getauscht.Clara und Elke durften sich jeweils einePostkarte aussuchen, die dann von Max undGünter gezeichnet werden sollte. Als wie-derum zehn Minuten vorbei waren, wurdeder Prozess kurz unterbrochen, um die ge-machten Erfahrungen auszutauschen. Nachdem Gedankenaustausch wurden auch diePaarungen neu gebildet. Der Prozess wurdeso lange wiederholt, bis jedes Familien-mitglied einmal gezeichnet und einmalbeschrieben hatte.

Am Ende dieser Übung wurden alle gemaltenBilder an die Wand gehängt und betrachtet.Es entstand ein reger Diskurs über die Bilderund die Erfahrungen, die beim Zeichenpro-zess gemacht wurden. Die nächste Sitzungfand zwei Wochen später statt und es wurdedann berichtet, dass sich das Klima im Hauseder Familie N. deutlich gebessert habe. Allehatten bei der Wahrnehmungsübung etwasfür sich gelernt – Elke hörte seitdem besserzu, Clara versuchte ihre Bedürfnisse klarerdarzustellen, Max konnte besser umsetzen,was von ihm gewünscht wurde und Günterwar geduldiger geworden, wenn er etwaserklären sollte.

Schlussbetrachtungen

Die vorangegangenen Ausführungen zeigenauf, wie vielfältig nonverbale und kreativeTechniken einsetzbar sind und welche Ergeb-nisse dadurch möglich werden. Grundsätzlichist es jedoch unabdingbar, dass sich derTherapeut eine fachliche Grundlage zu denvon ihm genutzten Methoden angeeignethat.

Ein großer Vorteil ist, dass man durch dasNichtsprechen oder die kreative Aktivität dietherapeutische Meta-Ebene erreicht, von deraus Situationen, Verhaltensweisen, Erleben,Wertungen o. Ä. mit Abstand betrachtet undanalysiert werden können. Durch die Verla-gerung der Sicht auf die Meta-Ebene kannbeispielsweise die jeweilige persönlicheBeteiligung reduziert oder das berühmte„Vor-lauter-Bäumen-den-Wald-nicht-Sehen” offenbar werden. Besonders durchdie Arbeit mit kreativen Medien gelingt esdem Klienten, sein Problem geradezu vorsich hinzustellen, indem er es aus sich her-aus selbst schöpferisch darstellt.

Zum anderen bietet der Einsatz der genann-ten Methoden enorme Beobachtungsmög-lichkeiten für den Therapeuten. Er kann zumBeispiel leichter erkennen, wer

• in einem kreativen oder nonverbalenProzess die Führungsrolle übernimmt

• zuerst aktiv wird

• versucht, Regeln aufzustellen und fürderen Einhaltung sorgt

• abwartet und sich zunächst entsprechendweniger beteiligt

• Koalitionen bildet, um gemeinsam zuarbeiten (auch gegen andere System-mitglieder)

• versucht, andere zu beeinflussen

• eine Rolle übernimmt, die nicht derPosition im System entspricht (z. B. ein Kind wird auf die Ebene eines Elternteilsgehoben)

Kurzum: Es zeigen sich Strukturen und Mu-ster des jeweiligen Systems, die aufgrundder Aktivität der am Prozess Beteiligtendeutlicher werden, als dies nur durch Ge-spräche möglich ist.

Zudem werden während der Arbeit mit non-verbalen oder kreativen Techniken Stimmun-gen und Gefühlslagen deutlich. Die Aktivität,welche von den KlientInnen aufgebrachtwerden muss, um die gestellten Aufgabenzu bewerkstelligen, fördert häufig auch Ge-fühle zutage, die bei der Rationalität einesGesprächs besser unter Kontrolle gehaltenwerden können. Diese Beobachtungen lieferngute Hinweise für den weiteren Verlauf derTherapie oder Beratung und stellen eineaussagekräftige Grundlage für anschließendeDiskussionen mit den KlientInnen dar.

Es verdient besonderer Erwähnung, dass alldiese Beobachtungen innerhalb kürzesterZeit möglich sind. Die durch kreative odernonverbale Techniken gemachten Erfahrun-gen sind oftmals nachhaltiger und effektrei-cher als stundenlange rein gesprächsorien-tierte Therapien, die sich über Wochen oderMonate hinziehen. Dieser Umstand ent-spricht der allenthalben geforderten Kosten-reduktion im Therapiewesen. Diese Kurzzeit-orientierung ist auch im Sinne derjenigenKlientInnen, die keinerlei Kassenzuwendun-gen zu erwarten haben.

Abschließend soll hier auch nicht unerwähntbleiben, dass die Arbeit mit kreativen Medienoder nonverbalen Techniken für Abwechslung

und Spaß sorgen kann. Sie fördert in eher„verkrampften” Sitzungen oftmals Gelächterund führt zu humorvollen Situationen, wasleider in den meisten therapeutischen Set-tings eher selten der Fall ist. Eine gewisseLeichtigkeit entsteht, welche es den Klien-tInnen leichter macht, eine positive Haltungeinzunehmen.

Natürlich birgt die Arbeit mit nonverbalenund/oder kreativen Medien auch einige Gren-zen oder Nachteile, die hier nicht unerwähntbleiben sollen: Nonverbale Methoden undkreative Techniken sind beispielsweise weni-ger dazu geeignet, ein Anamnese- oder Erst-gespräch zu führen. Hierzu bedarf es sowohlder Sprache zum Aufnehmen von Fakten alsauch zum Herausfinden, was das Anliegender KlientInnen ist.

Auch für die Auftragsklärung ist Spracheunabkömmlich. Dies ist eine wichtige Grund-voraussetzung für beide Seiten, um festzu-stellen, ob der Therapeut wirklich in der Lageist, den KlientInnen hilfreich zu sein.

Nachteilig kann sich auch ein gewisser Über-forderungsgrad bei den KlientInnen auswir-ken. Obwohl allgemein bei entsprechenderMotivation eine große Bereitschaft besteht,mit diesen Techniken zu arbeiten, gibt esdennoch KlientInnen, die das völlig ablehnen.Stellt man als Therapeut fest, dass es denKlientInnen sichtlich schwer fällt, sich aufdiese ungewohnte Art der Arbeit einzulassen,wird auch das Ergebnis nicht besser oder garunbefriedigender als mit gesprächsorien-tierten Methoden ausfallen.

Zusammengefasst lässt sich aber festhalten,dass die Vorteile bei Weitem die Nachteileüberwiegen. Bei entsprechender Eignungsind enorme Erfolge möglich.

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Vom 6. bis 9. September 2007 trafen sich

auf dem NaturErlebnisHof in Hausen

12 psychologische Berater und Trainer

aus ganz Deutschland – teilweise mit

Familie – zum Outdoor-Seminar.

Standen am ersten Abend noch das

Kennenlernen und der fachliche Aus-

tausch im Vordergrund, ging es am

nächsten Morgen gleich nach dem

Frühstück ins Freie.

F l u s s - ü b e r - q u e r u n ghieß die erste Aufgabe, und da war gleichzu Beginn Teamwork gefragt. Erlebnis-pädagoge Jens Kretschmann stand mit Tippszur Seite und achtete auf die Einhaltung derSicherheitsregeln, während die Gruppe eineSeilbahn über den „Fluss” – die Wipfra –

bauen und alle Beteiligten sicher und vorallem trocken zum anderen Ufer bringenmusste.

„Das Seminar richtete sich speziell an Kolle-ginnen und Kollegen, die mit dem psycho-graphischen Persönlichkeitsmodell arbeiten.Wir wollten neben dem Aspekt der Selbst-erfahrung allen die Möglichkeit bieten, diePersönlichkeitstypen des Modells in Aktionbeobachten zu können”. erklären die Ver-anstalter Stefanie Neumüller und MichaelAntrack von der akademie81, die sich aufPsychographie81® spezialisiert hat.

Diese Gelegenheit ließ sich auch WernerWinkler nicht entgehen, der das Modell mitentwickelt hat.

Nach weiteren Aufgaben und Übungenstand am Schluss des zweiten Tages dasH o c h s e i l auf dem Programm. Hierkonnten viele Teilnehmer die eigene Grenzeausloten. In acht Metern Höhe auf einem10 mm dicken Stahlseil von Baum zu Baumlaufen ist trotz professioneller Sicherungnicht jedermanns Sache.

für psychologische Berater fand großen Anklang

Outdoor Training

Michael Antrack

Psychographie auf „Abwegen”

„Auf der Hälfte dachte ich, ich müssteaufgeben”, kommentiert ein Teilnehmer.Doch anfeuernde und mutmachende Zurufevon unten geben ihm „zusätzlichen Halt”und er schafft es bis zum Ende des Seils.Beim anschließenden Grillabend feierte jederseinen persönlichen Erfolg und die Gruppeihr Teamwork.

Am dritten Tag stand dann der psychogra-phische Typenwettkampf auf der Tagesord-nung. Typgleiche Teams traten gegeneinan-der an, um Aufgaben zu lösen, die Geschick,Schnelligkeit und Kreativität erforderten.Hier sollte vor allem der Spaß nicht zu kurzkommen, was nicht nur die teilnehmendenKinder sichtlich freute.

Das positive Feedback aller Beteiligtenverlangte nach einer Wiederholung undso planen Neumüller und Antrack 2008bereits zwei weitere Termine für alle, diedas psychographische Persönlichkeits-modell bereits einsetzen.

Von Einsteigern kann das Outdoortrainingjederzeit auch inklusive der Vermittlung dertheoretischen psychographischen Grundla-gen besucht werden.

Weitere Infos und Bilder unterwww.akademie81.com

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