newsletter 87 • dezember 2017 update...für die leprösen an einer ausfallstrasse der stadt bern...
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UPDate
«Die zusätzliche Station auf dem Inselareal stärkt und ergänzt das bestehende Kriseninterventionszentrum der UPD», sagte der zuständige Chefarzt Prof. Dr. med. Sebastian Walther in seiner Ansprache anlässlich der Eröffnung der neuen Station Wernicke.
Die Station hat 18 Behandlungsplätze und einen tertiärmedizinischen Auftrag im Bereich der Intensivpsychiatrie. Zwei Plätze sind, mit Monitoren auf intermediatecare(IMC) Niveau ausgestattet, zur fachgerechten Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten bei Patienten mit schweren somatischen Beeinträchtigungen. Die Station hat besondere Kompetenzen in der Abklärung und Behandlung komplexer psychiatrischer Bewegungsstörungen (z. B. Katatonien),
Eröffnung Station Wernicke
NEWSLETTER 87 • DEZEMBER 2017
schwerkranker Patienten mit therapieresistenten Depressionen, komplizierter Intoxikationen mit Verhaltensauffälligkeiten aber auch von psychiatrischen Patienten, die aufgrund körperlicher Erkrankungen oder Selbstverletzungen von der Nähe zur somatischen Medizin des Inselspitals profitieren. Zudem können für Patienten belastende und kostspielige Transporte zwischen den Standorten der UPD auf dem Inselareal und dem WaldauAreal reduziert werden.
Bern gehört weltweit zu den wenigen Zentren mit besonderer Kompetenz für die Abklärung, Behandlung und Erforschung psychisch verursachter Bewegungsstörungen. Die Station Wernicke bietet moderne Behandlungen für diese und andere komplexe Erkrankungen an, die individuell abge
stimmte Kombinationen von störungsspezifischer Psychotherapie, Pharmakotherapie und modernen Hirnstimulationsverfahren (z.B. Elektrokonvulsion, transkranielle Magnetstimulation oder tiefe Hirnstimulation) erfordern. Patienten und Angehörige werden umfassend über die Vielfalt der verfügbaren Therapien beraten und können über die Anwendung der anspruchsvollen modernen Verfahren selbst entscheiden.
Mike Sutter, Leiter Kommunikation & Information
Der Name der Station ehrt Carl Wernicke, einen bekannten und visionären psychiatrischen Neurowissenschaftler des späten 19. Jahrhunderts, der wesentliche Beiträge zu lokalisierten Hirnfunktionen wie Sprache, Wahrnehmungen und Bewegungen geleistet hat. Einige seiner weitsichtigen Vorstellungen über die Entstehung von komplexen psychiatrischen Symptomen wie Halluzinationen und Bewegungsstörungen wurden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Berner Psychiatrie in den vergangenen zwei Jahrzehnten bestätigt.
Fotos: Francine Perret
Unter dem spannenden Titel «Psychiatrische Therapien im Wandel der Zeit: Was haben wir gelernt?» fand Anfang Dezember das 10. Berner HerbstSymposium bei schönstem Winterwetter auf dem Gurten statt. Zum ersten Mal kamen alle Referenten aus der UPD.
In der Einleitung erklärte Organisator Prof. Sebastian Walther, dass man zum zehnjährigen Jubiläum dieser Veranstaltung einen Blick in die Vergangenheit werfen wolle. Danach eröffnete Prof. Werner Strik den Nachmittag mit einem Abriss über die Geschichte der Berner Universitätsklinik für Psychiatrie, welche 1491 mit dem Siechenhaus für die Leprösen an einer Ausfallstrasse der Stadt Bern ihren Anfang nahm. Ende des 15. Jahrhunderts kamen das Blattern haus für Syphilitiker und Mitte des 18. Jahrhunderts schliesslich das Tollhaus am Schermenwald dazu. Damit waren die Haut, die Geschlechtskranken und die Tollen beisammen auf dem Breitfeld, wo sie im so genannten «Äusseren Krankenhaus» des Inselspitals behandelt wurden. Mitte des 19. Jahrhunderts prägte der damalige Direktor Albrecht Tribolet den Namen «Waldau». 1896 trennten sich die Fachgebiete und während die Dermatologie auf das Areal des Inselspitals übersiedelte, verblieb die Psychiatrie an dem Ort ausserhalb der Stadt. 1855 wurde der Zentralbau mit Platz für mindestens 200 Personen eröffnet und 1884 wurde die Waldau zu einer Kantonalen Anstalt.
In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts machte Oberarzt Walther Morgenthaler die Heil und Pflegeanstalt Waldau zu einem Künstlerrefugium, dessen berühmtester Repräsentant
Adolf Wölfli war. Mitte der 1950er Jahre wurde die Anstalt immer voller, bis schliesslich gegen 1100 Patientinnen und Patienten stationär behandelt wurden. Kurz darauf kamen die Neuroleptika und in der Folge weitere wirksame Behandlungsmethoden auf den Markt, was in den 60er Jahren dazu führte, dass die Bettenzahlen schrittweise reduziert wurden, unterstützt durch den Aufbau gemeindepsychiatrischer Ambulatorien, Übergangswohnheime und Tagesstätten ab den 1970er Jahren. 1967 war die Anstalt in «Psychiatrische Universitätsklinik Bern» umbenannt worden und zwei Jahre später hatte man die Kinderpsychiatrische Klinik ausgelagert.
Genau vor vierzig Jahren wurde 1977 die erste Kriseninterventionsstation am UPDStandort Murtenstrasse eröffnet. In den 80er Jahren gab es neben der Sozialpsychiatrischen und der Psychiatrischen Universitätsklinik die Psychiatrische Universitätspoliklinik, wobei letztere zum Inselspital gehörte. Im Jahr 1996 entstanden die Universitären Psychiatrischen Dienste Bern (UPD), die nun auch wieder die Kinder und Jugendpsychiatrie umfassten. Ab 2007 gehörten alle drei Universitätskliniken für erwachsene psychiatrische Patientinnen und Patienten zur Universitätsklinik für Psychiatrie. Dann spaltete sich im Jahr 2010 die Klinik für Alterspsychiatrie davon ab, verblieb aber in der UPD. Seit 2017 ist die UPD nun eine selbstständige gemeinnützige Aktiengesellschaft. In den letzten zehn Jahren sind die Aufenthaltsdauern massiv gesunken. Dieser Trend geht weiter. Ziel ist es, im stationären Bereich genug Reservekapazitäten zu haben, um Zuweisungswellen abfangen zu können, ohne dass Patientinnen und Patienten zu früh entlassen werden müssen.
10. Berner Herbst-Symposium der UPDWas haben wir gelernt?
Foto: Francine Perret
Was haben wir nun also in all diesen Jahren gelernt? Antworten darauf gaben die Referenten jeweils innerhalb ihres Fachgebiets. Prof. Michael Kaess sprach über Bindungsstörungen und die Möglichkeiten der Therapie, welche je nach Art der Störung unterschiedlich sind. Bei der Behandlung der Depression habe man gemäss Prof. Christoph Nissen inzwischen mehrere Verfahren zur Hand, die auf unterschiedlichen Wirkmechanismen basierten. Gerade auch die Kombination von Psychotherapie mit biologischen Methoden könne gute Erfolge erzielen. Dabei spielt die synaptischen Plastizität des Gehirns eine Schlüsselrolle. In der Behandlung der Schizophrenie gab es mit der Erfindung der Neuroleptika einen ersten grossen Durchbruch. Prof. Sebastian Walther zeigte auf, wie diese Medikamente weiterentwickelt wurden, so dass es heute viel weniger Nebenwirkungen gibt und geringere Dosierungen verwendet werden. Neben weiteren vorwiegend biologischen Methoden wie Neurostimulationsverfahren, die teils in der UPD erforscht und klinisch angewandt werden, geht die Zukunft dahin, dass personalisierte Therapien je nach Verlauf und Symptomkonstellationen entwickelt werden. Für die Behandlung von Alkoholabhängigkeit nannte Prof. Franz Moggi vier Wirkfaktoren: 1. Aufbau und Aufrechterhaltung von Veränderungsmotivation, 2. Förderung von Fertigkeiten, innere und äussere Rückfallsituationen erfolgreich zu bewältigen, 3. Aufbau und Aufrechterhaltung eines unterstützenden sozialen Umfeldes, und schliesslich 4. Aufbau von Verhaltensinhibition und Verringerung der Reagibilität auf Alkoholreize. Am Schluss musste Prof. Stefan Klöppel feststellen, dass die Alzheimer Krankheit noch immer nicht geheilt werden kann, aber dass 120 Substanzen in der Entwicklungsphase stünden, wobei es sehr vielversprechende gebe.
Wohin die Reise geht, wird sich weisen. Alle unsere Referenten werden auch in Zukunft ihren Beitrag für immer bessere Behandlungsmöglichkeiten von psychischen Erkrankungen leisten. Und wir freuen uns, wenn das Publikum auch am nächsten HerbstSymposium vom 6. Dezember 2018 wieder so interessiert und zahlreich teilnehmen wird.
Lic. phil. Daniela KrnetaStabschefin Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
UPD-Forscherin erhält Promotional Frutiger Preis 2017
Die Frutiger Foundation hat Frau Dr. med. Katharina Stegmayer den renommierten Promotional Research Prize 2017 verliehen (dotiert mit CHF 15 000). Das Stiftungskommitee würdigte die exzellente Forschung von Frau Stegmayer insbesondere zur nonverbalen Kommunikation bei SchizophrenieErkrankten. Frau Stegmayer arbeitet seit 2010 in meiner Arbeitsgruppe «Kommunikationsstörunqen
bei endogenen Psychosen» und leitet seit 2015 eine Arbeitsgruppe zur Erforschung emotionaler Dysregulation bei psychiatrisch erkrankten Patienten. Sie ist eine innovative, herausragende, engagierte junge Wissenschaftlerin, welche wesentliche Beiträge, insbesondere bei der Erforschung von Grundlagen nonverbaler Kommunikationsstörungen, geleistet hat. Als Psychiaterin hat sie ihre wissenschaftlichen Fragestellungen stets sinnvoll aus der sorgfältigen klinischen Beobachtung abgeleitet. Ich gratuliere Frau Stegmayer zur Verleihung des hoch angesehenen Promotional Frutiger Preises 2017.
Prof. Dr. med. Sebastian Waltherstv. Direktor und Chefarzt der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie
NEWSLETTER 87 • DEZEMBER 2017
Foto: Rekha Nandedkar
EFQM ist das ManagementModell, welches in der UPD seit 2009 zur ständigen Weiterentwicklung eingesetzt wird (siehe UPDate November 2017). Vom 23. bis 25. April 2017 steht für die UPD eine EFQM-Rezertifizierung an. Die Vorbereitungsarbeiten für das externe Assessment laufen auf Hochtouren und im Januar werden die Teilnehmenden für die Interviews eingeladen. Im UPDate stellen wir in den kommenden Monaten die verschiedenen Kriterien vor, die für eine erfolgreiche Rezertifizierung von Bedeutung sind. Den Start macht das Kriterium 1 «Führung».
Das EFQM Kriterium «Führung» setzt das Ziel, dass die UPD Führungskräfte die Zukunft konsequent gestalten und verwirklichen. Sie agieren als Vorbilder für Werte und Moral und schaffen kontinuierlich Vertrauen. Sie sind flexibel und ermöglichen der Organisation, vorausschauend zu agieren und rechtzeitig zu reagieren, um anhaltenden Erfolg der Organisation zu gewährleisten. Die UPD zeigt dies z. B. in folgenden Massnahmen:• In Hinblick auf die Verselbstständigung per 1. Januar 2017
hat die Geschäftsleitung in Absprache mit dem damaligen Übergangsrat (Vorgängergremium des heutigen Verwaltungsrates) Vision, Mission und Werte für die UPD formuliert und kommuniziert. Vision, Mission und Werte bilden den Leitfaden für die Entscheidungen und das Handeln der Geschäftsleitung sowie der Mitarbeitenden aller Kliniken und Direktionen.
Systematische Organisationsentwicklung mit EFQM
• In der UPD sind verschiedene Führungs, Kommunikations und Austauschgefässe etabliert (z. B. GLSitzung, Kaderkonferenz, Infoanlässe für Mitarbeitende, Feedbackbox im Intranet).
• Im Organisationsreglement werden Aufgaben und Befugnisse der geschäftsführenden Organe klar geregelt.
• In der UPD werden die Unternehmensziele systematisch kommuniziert und die Zielerreichung laufend überprüft.
• Im Rahmen der Unternehmensziele wird das Thema Führung behandelt. So werden z. B. 2018 alle Mitarbeitenden mit Führungsverantwortung bis auf Kompetenzstufe 4 «Abteilungsleitung» zu Führungsschulungen eingeladen. Ziele sind unter anderem die Steigerung der fachlichen Führungskompetenz und ein UPDweites Kultur und Führungsverständnis.
• Mit dem Projekt «Zuweisermanagement», hat die UPD ein Konzept entwickelt zur systematischen und kontinuierlichen Beziehungspflege ihrer wichtigsten Partner. Damit will die UPD in einer ersten Phase die Attraktivität als Partner für ihre Zuweiser und Nachsorger steigern. Später soll die systematische und kontinuierliche Beziehungspflege mit allen Anspruchsgruppen einen positiven Effekt auf die Zusammenarbeit bewirken.
Panagiotis LazaridisLeiter QeM
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Wissenschaftler der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der UPD Bern um Prof. Dr. med. Sebastian Walther berichteten kürzlich einen besonders eindrücklichen Fall im Fachmagazin Frontiers in Psychiatry. Eine Frau verletzte sich selbst mit Messerstichen in den Brustkorb, weil ihr das von göttlichen Stimmen befohlen wurde. In ihrer Biographie gab es immer wieder Phasen starker religiöser Gefühle, die sich bis zum Wahn steigerten und ihr Handeln bestimmten. Allerdings klangen diese Episoden immer wieder ab.
Obwohl religiöse Themen bei psychotischen Erkrankungen nicht ungewöhnlich sind, war der wellenförmige Verlauf verdächtig. Während der routinemässigen Untersuchung des Gehirns im Magnetresonanztomographen (MRT) fand sich ein mittelgrosser, langsam und unregelmässig wachsender Tumor im Thalamus und den angrenzenden Faserverbindungen. Dort befinden sich wichtige Teile eines Hirnnetzwerks, das für akustische Wahrnehmungen und den Realitätsabgleich wichtig ist. Bei Patienten mit Schizophrenie, die an Halluzinationen und Wahn leiden, arbeitet dieses Netzwerk nicht korrekt. Die Wissenschaftler nehmen daher an, dass der
Die göttliche Stimme kam von innen Tumor durch langsames Wachstum dieses Netzwerk empfindlich gestört hat, so dass episodenhaft genau diese Symptome aufgetreten sind. Über die Frage, wo im Gehirn die Krankheitszeichen der Schizophrenie ausgelöst werden, gibt es weltweit lebhafte Debatten unter den Forschern. Dieser Fall illustriert beispielhaft, dass Symptome der Schizophrenie nicht einfach überall im Gehirn auftreten, sondern durch ganz spezifische Störungen in einzelnen Netzwerken hervorgerufen werden.
Die Berner Forscher um Prof. Walther haben dafür seit Jahren Belege aus MRT Studien an Schizophreniepatienten publiziert. Der aktuelle Fall erfährt aber neben der wissenschaftlichen Debatte um die Schizophrenie noch gesteigerte Aufmerksamkeit aufgrund des religiösen Bezugs. Anfang Dezember widmete sich ein Online Beitrag der renommierten Website Livescience.com des Falles.
Mike Sutter Leiter Kommunikation & Information
NEWSLETTER 87 • DEZEMBER 2017 7
Dienstjubiläen Dezember 2017Veranstaltungen
Donnerstag, 18. Januar 2018, 13:30–18:00 Uhr UPD Bern, Bolligenstrasse 111
Nahtstelle zwischen Psychiatrie und Hausarztmedizin
Die 21. Hausärztetagung fokussiert auf das Thema psychisch kranke Migrantinnen und Migranten.
Mittwoch, 31. Januar 2018, 17:00–18:00 Uhr
Radio loco-motivo
Verrücktes Radio mit Seele: Betroffene, Angehörige und Berufsleute aus der Psychiatrie machen gemeinsam Radio rund ums Thema Psychiatrie, um ihre Anliegen an eine breite Öffentlichkeit zu tragen.
Radio loco-motivo sendet auf Radio Bern RaBe 95.6 MHz. Sendung verpasst? Kein Problem. Jederzeit nachzuhören auf www.radiolocomotivo.ch
Donnerstag, 19. April 2018, 17:15–19:00 Uhr UPD Bern, Bolligenstrasse 111
Nature and Nurture Referat im Rahmen der Reihe «Aktuelle Trends in der Psychiatrie»
Der Einfluss von genetischen und umweltbedingten Risikofaktoren für affektive Störungen auf das Gehirn. Univ.Prof. Dr.med. Dr. phil. Dipl.Psych. Udo Dannlowski, Westfälische WilhelmsUniversität Münster, Translationale Psychiatrie, AlbertSchweitzerCampus 1, DMünster.
Weitere Informationen zu den Veranstaltungen der UPD finden Sie unter www.upd.ch/veranstaltungen
IMPRESSUM
Herausgeberin: Geschäftsleitung UPD AGVerantwortung: Mike Sutter, Leiter Kommunikation & InformationAutorinnen, Autoren, Fotografinnen und Fotografen dieser Ausgabe: Sebastian Walther, Daniela Krneta, Panagiotis Lazaridis, Mike Sutter, Francine Perret, Rekha Nandedkar
Die nächste Ausgabe des UPDate erscheint im Januar 2018. Texte und Bilder schicken Sie bitte bis am 15. Januar 2018 an: [email protected]
15 JahreMonika BattEdith VogelsangSarah CooperAbdulkadir Nur Ahmed
10 JahreCaroline CortesiMartin BurgerCarol NievergeltSejdefa Taranis
20 JahrePetra Rakib
30 JahreStephan Kamber
35 JahreLuis Ferreiro
Wir wünschen den Leserinnen und Lesern des UPDate einen guten Rutsch in ein glückliches neues Jahr 2018!