normalisierungsstrategien in der rhetorik der fpÖ: die...

27
457 ÖZP, 32 (2003) 4 Emo Gotsbachner (Wien) Normalisierungsstrategien in der Rhetorik der FPÖ: Die politische Alchemie, Kritik in Unterstützung zu verwandeln 1 In der Phase ihres Aufstiegs entwickelten die Freiheitlichen unter Jrg Haider ein auffallendes Geschick, Kritik an ihren fremdenfeindlichen Kampagnen und wiederholten rechtsradikalen Ausrit- ten nicht nur weitgehend unbeschadet zu überstehen, sondern darüber hinaus sogar umzukehren und für die eigene Profilierung zu nützen. Die rhetorische Immunisierung erreichten sie mit Hilfe eines Komplexes von strategischen Diskurspraktiken, welche sich um das von ihnen installierte Schlagwort Ausgrenzung organisierten: Aus dem Umstand, dass Bundeskanzler Vranitzky eine Koalition mit Haider ausschloss, leiteten sie die Behauptung ab, sie würden in undemokratischer Weise ausge- grenzt. Ich untersuche einerseits die Funktionsweise dieser Unterstellung, andererseits Aspekte frei- heitlicher Anstrengungen, den Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch zu etablieren, und beleuchte ihre Beziehung zu anderen hegemonialpolitischen Taktiken, wie der systematischen Diskreditierung kritischer Stimmen oder der Enteignung und Umdeutung gegnerischer politischer Themen und Diskurs- elemente. Diese beeinflussten in den 90er Jahren erfolgreich den Deutungsrahmen ffentlicher De- batten und damit die Wahrnehmung politischer Problemlagen in sterreich. Eine sozialwissenschaftliche Diskursanalyse als kritische Auseinandersetzung mit Sprache, Ideologie und Macht knnte sich zu einem wich- tigen methodischen Standbein der Politik- wissenschaft entwickeln, wenn es ihr gelingt, jene sozialen Mechanismen zu erfassen, wie über die Hegemonie bestimmter Sprechweisen interessensgeleitete Vorstellungen gesellschaft- licher Verhltnisse normal werden. Als Interpretationsrahmen in ffentlichen Ausein- andersetzungen 2 haben Diskurse im Sinne von habitualisierten Deutungsmustern 3 einen be- stimmenden Einfluss darauf, was von einem breiten Publikum implizit mitverstanden wird und wie daher politische Probleme und Kon- stellationen wahrgenommen werden. Von politikwissenschaftlichem Interesse sind die wiederkehrenden Strukturen konnotierter Bedeutungen als sozial oder parteipolitisch par- tikulare Sprechpraktiken, deren gesellschaftlich zirkulierenden Deutungsangebote je von be- stimmten Gruppen als erfahrungsnah, als gülti- ge Vorstellungen der Wirklichkeit und damit als wahr angesehen werden. Was für die einen als common sense, als in der tglichen Kommuni- kation reproduziertes soziales Wissen gilt, scheint den anderen als pure Ideologie, weil es als Sprech- und Darstellungsweise von ande- ren als der je eigenen Gesellschaftsschicht, Sub- kultur, parteipolitischen Anschauung usw. er- kannt und bewertet wird. Ziel von Normalisierungsstrategien ist, die- sen Effekt zu unterlaufen und mglichst zentra- le Elemente des eigenen Diskurses beim politi- schen Gegner zu verankern, sodass sie eine von diesem in der Auseinandersetzung berücksich- tigte, reale Orientierungsgre werden, wenn nicht sogar allgemeiner ideologisch unaufflli- ger Sprachgebrauch. Wenn Diskurse dominant werden, stecken sie den Rahmen dessen ab, was zu einem bestimmten Zeitpunkt politisch mg- lich ist. Ich mchte diese Fragen an einem Aspekt der Normalisierungsstrategien von Politikern und Politikerinnen der Freiheitlichen Partei ster- reichs (FP) behandeln, von dem ich glaube,

Upload: others

Post on 10-Sep-2019

1 views

Category:

Documents


0 download

TRANSCRIPT

457ÖZP, 32 (2003) 4

Emo Gotsbachner (Wien)

Normalisierungsstrategien in der Rhetorikder FPÖ: Die politische Alchemie, Kritik inUnterstützung zu verwandeln1

In der Phase ihres Aufstiegs entwickelten die Freiheitlichen unter Jörg Haider ein auffallendesGeschick, Kritik an ihren fremdenfeindlichen Kampagnen und wiederholten rechtsradikalen Ausrit-ten nicht nur weitgehend unbeschadet zu überstehen, sondern darüber hinaus sogar umzukehren undfür die eigene Profilierung zu nützen. Die rhetorische Immunisierung erreichten sie mit Hilfe einesKomplexes von strategischen Diskurspraktiken, welche sich um das von ihnen installierte Schlagwort�Ausgrenzung� organisierten: Aus dem Umstand, dass Bundeskanzler Vranitzky eine Koalition mitHaider ausschloss, leiteten sie die Behauptung ab, sie würden in undemokratischer Weise �ausge-grenzt�. Ich untersuche einerseits die Funktionsweise dieser Unterstellung, andererseits Aspekte frei-heitlicher Anstrengungen, den Begriff im allgemeinen Sprachgebrauch zu etablieren, und beleuchteihre Beziehung zu anderen hegemonialpolitischen Taktiken, wie der systematischen Diskreditierungkritischer Stimmen oder der Enteignung und Umdeutung gegnerischer politischer Themen und Diskurs-elemente. Diese beeinflussten in den 90er Jahren erfolgreich den Deutungsrahmen öffentlicher De-batten und damit die Wahrnehmung politischer Problemlagen in Österreich.

Eine sozialwissenschaftliche Diskursanalyseals kritische Auseinandersetzung mit Sprache,Ideologie und Macht könnte sich zu einem wich-tigen methodischen Standbein der Politik-wissenschaft entwickeln, wenn es ihr gelingt,jene sozialen Mechanismen zu erfassen, wieüber die Hegemonie bestimmter Sprechweiseninteressensgeleitete Vorstellungen gesellschaft-licher Verhältnisse �normal� werden. AlsInterpretationsrahmen in öffentlichen Ausein-andersetzungen2 haben Diskurse � im Sinne vonhabitualisierten Deutungsmustern3 � einen be-stimmenden Einfluss darauf, was von einembreiten Publikum implizit mitverstanden wirdund wie daher politische Probleme und Kon-stellationen wahrgenommen werden.

Von politikwissenschaftlichem Interesse sinddie wiederkehrenden Strukturen konnotierterBedeutungen als sozial oder parteipolitisch par-tikulare Sprechpraktiken, deren gesellschaftlichzirkulierenden Deutungsangebote je von be-stimmten Gruppen als erfahrungsnah, als gülti-ge Vorstellungen der Wirklichkeit und damit als

�wahr� angesehen werden. Was für die einen alscommon sense, als in der täglichen Kommuni-kation reproduziertes �soziales Wissen� gilt,scheint den anderen als pure Ideologie, weil esals Sprech- und Darstellungsweise von ande-ren als der je eigenen Gesellschaftsschicht, Sub-kultur, parteipolitischen Anschauung usw. er-kannt und bewertet wird.

Ziel von Normalisierungsstrategien ist, die-sen Effekt zu unterlaufen und möglichst zentra-le Elemente des eigenen Diskurses beim politi-schen Gegner zu verankern, sodass sie eine vondiesem in der Auseinandersetzung berücksich-tigte, reale Orientierungsgröße werden, wennnicht sogar allgemeiner ideologisch unauffälli-ger Sprachgebrauch. Wenn Diskurse dominantwerden, stecken sie den Rahmen dessen ab, waszu einem bestimmten Zeitpunkt �politisch mög-lich� ist.

Ich möchte diese Fragen an einem Aspekt derNormalisierungsstrategien von Politikern undPolitikerinnen der Freiheitlichen Partei Öster-reichs (FPÖ) behandeln, von dem ich glaube,

458

dass er in der Phase des Aufstiegs von einerFraktion, die vor 1986 unter 5% Stimmanteilzu fallen drohte, zur zeitweilig zweitstärkstenPartei in Österreich nicht ohne Bedeutung war.Im besonderen am Schlagwort �Ausgrenzung�,das den Freiheitlichen als ein Schlüsselsymboldiente, um einem Repertoire an diskursiven Ele-menten, nämlich sowohl eigenen, als vor allemauch gegnerischen, eine bestimmte Ordnungeinzutragen und ihnen damit eine bestimmteDeutungsausrichtung zu verleihen.

Jörg Haider prägte dieses Schlagwort nachseiner innerparteilichen Machtergreifung amInnsbrucker Parteitag vom 13. September 1986,nachdem der sozialdemokratische Kanzler FranzVranitzky die kleine Koalition mit der FPÖbeendete und verkündete, mit den Freiheitlichenunter der neuen Führung künftig keineRegierungszusammenarbeit einzugehen.4 Ausfreiheitlicher Sicht war die österreichische In-nenpolitik danach von der �Ausgrenzung� derFPÖ geprägt. Andreas Mölzer, lange Zeit frei-heitlicher Grundsatzreferent, schrieb später:�Diese Verweigerung des politischen Diskursesund in der Folge die Verweigerung zumindestpartieller sachpolitischer Zusammenarbeit warnatürlich immer undemokratisch�.5 Der Aus-grenzungsvorwurf wurde von Freiheitlichenüber eineinhalb Jahrzehnte beharrlich wieder-holt, obwohl man bei einer Partei, die in allenwichtigen politischen Gremien vertreten und inderen politische Geschäfte eingebunden war,6sicher nicht im klassischen Sinn von Aus-grenzung sprechen konnte. Auch zu Zeiten dergroßen Koalition wurden bis über zwei Drittelder Gesetzesmaterien mit der zuvor akkordier-ten Zustimmung der Freiheitlichen Fraktionverabschiedet,7 in manchen Bundesländern wardie FPÖ sogar an Proporzregierungen beteiligt.Mit der ursprünglichen Verwendung des Be-griffs �Ausgrenzung� für einen Sachverhalt, derArbeitslose, ethnische Minderheiten etc. betrifft,ist die der Freiheitlichen also nicht direkt ver-gleichbar, er wurde dementsprechend von denanderen Parteien schon früh zurückgewiesen.8

Dennoch setzte sich dieser Sprachgebrauchim Laufe der Zeit relativ breitenwirksam durch,wurde sogar von FPÖ-kritischen Sozialwissen-schafterInnen unhinterfragt verwendet.9 Die

Medien hatten den Begriff bald übernommen,er half ihnen bei ihrer Aufgabe, neue Informa-tionen um bewährte Sujets zu gruppieren. Ar-chive österreichischer Tageszeitungen liefernjeweils etwa 10 bis 15 Artikel pro Jahr mit demBegriff �Ausgrenzung� bezogen auf die FPÖ,er war in innenpolitischen Debatten der 90erJahre also ständig präsent. Sogar heute noch sindviele der Ansicht, auch wenn sie dem freiheit-lichen Lager durchaus nicht nahe stehen, dieFPÖ wäre vor 1999 �ausgegrenzt� worden.Vereinzelte Dekonstruktionsversuche von Po-litikerInnen und JournalistInnen fanden inöffentlichen Debatten keinen nachhaltigenNiederschlag. Während diese den Vorwurf un-gerechtfertigter oder undemokratischer Dis-kussionsverweigerung zurückwiesen,10 erklär-ten die Freiheitlichen, dass ihnen ihrem eige-nen Empfinden nach durch �atmosphärischeStörungen� signalisiert wurde, nicht dazu-zugehören.11 Um den feinen semantischenUnterschied herauszustreichen, der alltäglicheVorgänge der politischen Auseinandersetzungaus dem Licht undemokratischen Verhaltensrückt, versuchten der sozialdemokratischeNationalratspräsident Fischer und Bundeskanz-ler Vranitzky 1991/92 im Sprachgebrauchdurchzusetzen, sie würden sich von der Haider-FPÖ wegen deren rechtsradikalen Positionen�abgrenzen�. Sie hatten damit auf Dauer ebensowenig Erfolg wie der ÖVP-Klubobmann Khol,der versuchte, gegen das Schlagwort der�Ausgrenzung� das des �Verfassungsbogens� zuetablieren, außerhalb dessen sich die FPÖ selbststelle.

Dominant werden Diskurse, wenn ein be-stimmter, von einer gesellschaftlichen Gruppeeingeführter Sprachgebrauch auch von derenKontrahenten übernommen wird, sodass er beieinem breiteren Publikum die damit einherge-hende Interpretation politischer Vorgänge stützt.Ich werde zuerst auf der Grundlage von knapp250 Zeitungsbelegen12 historisch nachzeichnen,wie der Ausgrenzungsbegriff eingeführt, ver-wendet und im Laufe der 90er Jahre auch vonPolitikern und Politikerinnen der SPÖ und derÖVP übernommen wurde, um an den Regel-mäßigkeiten seines Gebrauchs seine Funktions-weise zu beleuchten.

459

Eine subtilere Form diskursiver Dominanz ist,wenn sich diskursiv �unterlegene� politischeAkteure mehr oder weniger vorbewusst so weitan einem spezifischen Sprachgebrauch ihrer�dominierenden� politischen Kontrahenten ori-entieren, dass ihre solcherart übernommenenSprechweisen von Dritten so gelesen werden,als ob sie den Deutungsrahmen des dominie-renden Diskurses implizit unterstützten. Durchdie breitere Übernahme wird eine Perspektivenormalisiert, ein bestimmter Interpretations-rahmen, der bei politischen Akteuren unter-schiedlicher Lager eine Vorstellung davon ver-ankert, was als herrschende Werte-, Rollen- undSachverhaltskonstellation gilt, auf die in derÖffentlichkeit wie selbstverständlich bezogenwird, was zu einem spezifischen gesellschaftli-chen Thema gesagt wird und ohne tiefgründi-gere Erklärung gesagt werden kann. Einmal eta-blierte Interpretationsrahmen können aufgrunddieser Eigenschaft Bedeutungen �kippen�, in-dem sie auch Elemente konkurrierender Deu-tungsangebote ihrer eigenen �inneren Logik�unterwerfen (Gotsbachner 2000; 2001). Wie derdurch den Ausgrenzungsvorwurf etablierteBedeutungshorizont die Wahrnehmung der Kri-tik an der FPÖ �kippt�, werde ich im zweitenAbschnitt behandeln.

Eine spezifische Normalisierungsarbeit zieltauf wiederkehrende gegnerische Diskurs-elemente und deren Umdeutung im Sinne deseigenen Interpretationsrahmens, im Versuch,diesen möglichst allgemein zu etablieren. Eineausführliche Diskursanalyse der Rede einer frei-heitlichen Parlamentarierin wird das im drittenAbschnitt genau untersuchen.

Was ich am Begriff �Ausgrenzung� und sei-ner Nutzung als von Freiheitlichen in der poli-tischen Auseinandersetzung routinisierte, kom-munikative Ressource analysieren möchte,scheint auf den ersten Blick fast wie �politischeAlchemie�: nämlich die Verwandlung von geg-nerischer Kritik in die Mobilisierung politischerUnterstützung. Ich sehe darin ein wichtigesMoment, wie die Freiheitlichen unter JörgHaider öffentliche Diskussionen so erfolgreichgestalten konnten, dass sie ihr Wählerpotentialzwischen 1986 und 1999 bis tief in das traditio-nell bürgerliche und sozialdemokratische Lager

hinein ausdehnten, weit über das hinaus, wasrechte Parteien mit ähnlich xenophoben undautoritären Elementen im europäischen Ver-gleich sonst zu mobilisieren vermochten.Reinfeldt (2000, 36, 5) konstatiert: �...die selbst-gewählte Position des ausgeschlossenen Drit-ten� �...könnte ein wichtiges Element zur Klä-rung der Faktoren für den Erfolg der FPÖ sein,denn sie hat aus dem relativen Ausschluss vonder Macht ein symbolisches Kapital gemacht.�Ich beleuchte, wie es der FPÖ gelang, Kritik anihren politischen Äußerungen und Handlungen,welche sie zum Teil bewusst provozierten undin ihrer Stoßrichtung antizipierten, gegen ihreKritiker umzukehren und für die eigene Pro-filierung zu nützen. Allerdings glaube ich nicht,wie verschiedene Kommentare behaupten, dass�Haiders Kritiker die besten Wahlhelfer� wa-ren,13 weil der Ausgrenzungsvorwurf auf einerMetaebene funktionierte, wo er eine Immuni-sierung gegen Kritik bewirkte, was die Berech-tigung dieser Kritik aber nicht schmälert. Derspektakuläre Wählerschwund der FPÖ zuletztverweist auch auf die Erfolgsbedingungen die-ser Strategie, weshalb ein Rückblick angebrachtscheint, um die Lehren aus diesem ungewöhn-lichen Kapitel österreichischer Innenpolitik zuziehen.

Entwicklung und Funktion desAusgrenzungsvorwurfs

Der wichtigste sachpolitische Zusammen-hang, in dem Freiheitliche die Vokabel �Aus-grenzung� verwendeten, war jener der Abwehrvon Vorwürfen bei Fragen der Zuwanderung:Auf Anschuldigungen, die FPÖ würde fremden-feindliche Positionen vertreten, wurde regelmä-ßig entgegnet, die eigentlich �Ausgegrenzten�in Österreich seien die Freiheitlichen. Ich wer-de später anhand einer Parlamentsrede der FPÖ-Abgeordneten Partik-Pablé noch genau behan-deln, was eine der Hauptfunktionen des Schlag-wortes �Ausgrenzung� war: einen wiederkehren-den Kritikpunkt an den Freiheitlichen und ihrerfremdenfeindlichen Politik � wie sie besonders1992 im Zuge des freiheitlichen Volksbegehrens�Österreich zuerst� formuliert wurde � umzu-

460

kehren. Dass gerade solche politischen Inhalteund Parolen von der regierenden SPÖ immerwieder zum Anlass genommen wurden, zu be-tonen, mit Haiders FPÖ gäbe es keine Koaliti-on, konnte leicht einer semantischen Verschie-bung unterworfen werden. So sagte der früheredritte Nationalratspräsident Dillersberger: �DieAusgrenzung der FP durch die anderen Partei-en etwa im Zuge unseres Volksbegehrens ist reintaktisch begründet.�14 Als Immunisierungs-strategie ist das auch schon im Bericht über einePodiumsdiskussion aus dem gleichen Jahr do-kumentiert.15 Der Vorwurf der Diskriminierung,von Zuwanderern ebenso wie alteingesessenenMinderheiten,16 von Arbeitslosen und sonstigenPersonen, die Freiheitliche als �Sozial-schmarotzer� titulierten, wurde gegen die Kri-tiker gewendet, indem man für sich den Statuspolitisch Unterdrückter reklamierte.

Interessant war vor allem auch, dass dieseArgumentationsfigur von Anfang an besondersfreiheitlichen Mandataren mit eher liberalemHintergrund zur Verteidigung dieses Imagesdiente, wenn sie zu diskriminierenden, fremden-feindlichen oder den Nationalsozialismus ver-harmlosenden Äußerungen ihres Parteichefsbefragt wurden.17 So etwa nach dem Eklat umHaiders Behauptung einer �ordentlichen Be-schäftigungspolitik im dritten Reich�.18 Auchlagerfremde Quereinsteiger � als Überraschungs-kandidaten Teil des freiheitlichen Spiels mit derÖkonomie der Aufmerksamkeit � wie ein frü-herer Gründungs-Redakteur der linksliberalenTageszeitung �Standard�, welcher für die FPÖins Europaparlament ging, zahlten als �Eintritts-preis� ein oft sogar noch radikaleres Auftretengegen die �faschistoide� Ausgrenzung der Frei-heitlichen.19 Sie halfen damit beim taktischenVersuch, die freiheitliche Perspektive bei einembreiteren Publikum zu verankern.20

Die Sprachregelung, sie seien die eigentlich�Ausgegrenzten� in Österreich, setzte sich in-nerhalb der FPÖ und ihrer Sympathisanten sehrrasch durch, hielt sie doch unter anderem eineffektives Argumentationsschema bereit, durchdas sie �ohne genauere sachpolitische Kennt-nisse Diskussionen bestreiten�21 und wiederkeh-rende Argumente von Kontrahenten parierenkonnten. Schon 1989 hatte die Freiheitliche

Parteiakademie eine Broschüre mit dem Titel�Einwandbehandlung� herausgegeben, worinStandardantworten auf Standardvorwürfe wie� Stichwort � �Demagogie�, �Fremdenfeind-lichkeit� oder �Populismus� bereitgestellt wur-den (Reinfeldt 2000, 78ff.). Ein späterer Belegzum Wahlkampf 1999 zeigt, wie die von frei-heitlichen Politikern vorgegebene Argu-mentationslinie mit der Zeit auch von einfachenParteimitgliedern, hier WahlhelferInnen, über-nommen worden war, um Vorwürfe wegenfremdenfeindlicher Wahlslogans der FPÖroutinemäßig abzuwehren.22 Es ging darum,über eine Selbststilisierung als Opfer23 Einwän-de und Bedenken gegen Strömungen in der FPÖaufzuwiegen und mittels einer �Mitleidsstrategiemit Solidarisierungseffekt�, wie sie Mölzer imInterview bezeichnet, oder eines �David-gegen-Goliath-Effekts�24 auch bei jenen um politischeUnterstützung zu werben, die diesen Positionensonst nicht mit ungeteilter Zustimmung odersogar Skepsis gegenüberstanden.

Ein anderer wichtiger Aspekt der Aus-grenzungsdebatte, der für die Verbreitung desSchlagwortes auch bei politisch Andersdenken-den verantwortlich war, war derjenige, dass einöffentliches Bekenntnis gegen die �Aus-grenzung der FPÖ� den Freiheitlichen als Be-leg diente, �demokratisch�, d.h. ihnen gegenü-ber nicht feindlich gesinnt zu sein. Es wurdeimmer dann von gegnerischen KandidatInnengefordert, wenn es galt, sich freiheitliche Un-terstützung zu erkaufen. Ich werde das nun ingeraffter historischer Perspektive darstellen.

In der Präsidentschaftswahl 1992 wurde dasBekenntnis gegen die �Ausgrenzung� ein Faust-pfand, mit dem die 15% FPÖ-WählerInnen ausdem ersten Wahlgang durch eine freiheitlicheWahlempfehlung im zweiten einem der Kandi-daten zugetrieben werden sollten.25 Obwohl esunwahrscheinlich war, dass die FPÖ tatsächlichden SPÖ-Kandidaten Streicher unterstützenwürde, wurde der Druck im Laufe desStichwahlkampfes verstärkt. Die Präferenzender FPÖ-Führung für Klestil, der sich schon imVorwahlkampf gegen eine �politische Aus-grenzung� Haiders ausgesprochen hatte,26 wa-ren bereits klar ersichtlich, wie in folgendemPresseausschnitt belegt.

461

Salzburger Nachrichten, 29.04.1992: �FPÖ lobt �frei-heitlichen Sinn� Klestils�(�) Schnell (der Salzburger FPÖ- Landespartei-obmann, E. G.) wiederholte den Standpunkt seinerPartei, daß man derzeit keine Wahlempfehlung abge-be � �das ist auch nicht nötig, weil die beiden Kandi-daten ihre Wahlempfehlungen selbst abgeben�. Aber,so Schnell: �Dabei ist Dr. Klestil derzeit geschick-ter.� Rudolf Streicher versuche nach wie vor, FPÖ-Wähler für sich zu gewinnen, �aber ohne Jörg Haider,und das wird nicht gelingen�. Demgegenüber zitierteSchnell bei der Pressekonferenz eine Reihe von posi-tiven Klestil-Aussagen über Haider. Und deroberösterreichische FPÖ-Landesparteiobmann HansAchatz ergänzte: �Dr. Klestil war es auch, der es alseinen Fehler bezeichnete, daß Jörg Haider als Landes-hauptmann beseitigt wurde.� Klestil habe sich auch,so Schnell, vor der Wahl am vergangenen Sonntag ineiner Reihe von Sachfragen von der ÖVP distanziertund sich �mit FPÖ-Themen die Stichwahl erkauft�.Und wieder nannte Achatz Beispiele: �Klestil hat etwadie Sicherheitspolitik und die Ausländerfragedurchaus im freiheitlichen Sinn behandelt.� In Rich-tung Streicher meinte Schnell, dieser werde �seineTaktik in bezug auf die FPÖ noch ändern und ändernmüssen�, die �Ausgrenzungspolitik� gegenüber derFPÖ werde nicht zum Ziel führen.

In den Ansagen der freiheitlichen Landes-parteiobmänner finden sich geradezu klassischeZüge einer auf Themenhoheit ausgerichtetenHegemonialpolitik, unter Nutzung punktuellerstrategischer Allianzen, wie sie in den 70er Jah-ren auch von der �Neuen Rechten� eines Alainde Benoist (1985) als Leitprogramm nachGramsci adaptiert wurde.

Franz Vranitzky berichtet, Streicher wäre nurschwer von seinen Beratern abzuhalten gewe-sen, auf das Spiel einzugehen, da er überzeugtwar, mit Haider �umgehen zu können�.27 AuchWiens SPÖ-Spitze und ihr damaliger Bürger-meister Zilk glaubten das.28 Dass es vor allemdarum ging, die öffentliche Wahrnehmung zubeeinflussen, indem man in den gegnerischenPräsidentschaftskandidaten wirksame Transpor-teure des eigenen Sprachgebrauchs und der ei-genen Perspektive suchte, wurde an dem takti-schen Zug deutlich, durch Verstärkung desDrucks über die Medien eine Stellungnahme derKandidaten zur �Ausgrenzung� der FPÖ zu er-zwingen.29

In dieser Episode wird die machtpolitischeKomponente deutlich, dass in der Behauptung,

man würde von den Regierungsparteien ausge-grenzt, ein Machtanspruch der FPÖ angemel-det wurde, der ihren Zugriff nicht nur auf dieöffentliche Meinung, sondern auch die Beset-zung von Posten etablieren sollte. Und das, wieman sah, durchaus erfolgreich. Klestil erreichtenach einer öffentlichen Stellungnahme, die FPÖsei �eine demokratisch gewählte Partei� mit frei-heitlicher Unterstützung seine Wahl zum Bun-despräsidenten. Die Freiheitlichen hatten es indiesem Wahlkampf mit dem Ausgren-zungsvorwurf geschafft, sich ins Spiel zu brin-gen, obwohl von vornherein klar war, dass derKampf um das Präsidentenamt nur zwischenSPÖ und ÖVP entschieden wird.30 Allein derUmstand, dass Zeitungen die Frage nach der�Ausgrenzung� in diesem anderen politischenZusammenhang aufgriffen, zeigt, dass es bereitsgelungen war, sie als innenpolitisch relevant zusetzen.31

In verschiedenen Bundesländerwahlen liefdas Machtspiel nach ähnlichem Muster ab, nachmeinen Belegen das erste Mal in Kärnten 1989,wo Jörg Haider mit Unterstützung der ÖVPLandeshauptmann wurde.32 Fast bei jederLandtagswahl wiederholte sich der Vorgang,etwa in Niederösterreich 1993,33 oder wiederin Kärnten 1994, als sich der SozialdemokratAusserwinkler fast mit freiheitlicher Unterstüt-zung zum Landeshauptmann küren ließ und erstvon Wien zurückgewinkt wurde.34 Vranitzkysah sich da zum wiederholten Male gezwungen,rechtfertigend zu entgegnen, man müsse sichvon Haiders FPÖ �abgrenzen�,35 eine Wort-regelung, welche er 1992 das erste Mal ge-braucht hatte36 und auch heute noch im Inter-view verwendet.

Mit steigenden Wahlerfolgen und entspre-chendem politischen Gewicht der Freiheitlichenverschärfte sich der Druck, unter den dieLandesfraktionen der SPÖ und ÖVP bei derSuche nach lokalen Koalitionen kamen. Was imLaufe des Jahres 1996 folgte, war ein regelrech-ter Dammbruch. Die Rebellion gegen die Linieder angeblichen �Ausgrenzung der FPÖ� aufBundesebene kam erst aus den Ländern Steier-mark, Salzburg und Kärnten. Bei der Kür dersteirischen Landeshauptfrau Klasnic, ÖVP, gingdas Taktieren noch versteckt vor sich, als sie

462

die Aussagen Haiders vor Mitgliedern der Waf-fen-SS in Krumpendorf kommentierte, indemsie ein Ende der Debatte um das dritte Reichforderte.37 Das Erkaufen freiheitlicher Unter-stützung ging wie zufällig mit dem Aufgreifenund Eintreten Klasnics für jene Themen einher,die in der öffentlichen Kritik an der FPÖ gera-de im Mittelpunkt standen.

Offener war hingegen einige Monate daraufdas Taktieren eines ÖVP-Landeshauptmann-kandidaten in Salzburg, der die Erklärung sei-ner Bundesparteiführung desavouierte, die FPÖstelle sich selbst außerhalb des �Verfassungs-bogens�. Franz Schausberger rehabilitierte dieFPÖ als �demokratische Partei, die sich zu un-serem Staat und unserer Verfassung bekennt�und ließ sich mit Unterstützung der FP-Landtagsfraktion zum Landeshauptmann wäh-len.38 Das nunmehr unmissverständliche Aus-scheren wurde bald darauf von anderen Landes-politikern der ÖVP zum Anlass genommen, vonder Bundesführung aus parteitaktischen Über-legungen ein Ende der �Ausgrenzung� zu for-dern.39 Das Schlagwort war hier nicht mehr bloßideologischer Sprachgebrauch von Freiheitli-chen, sondern hatte sich bereits auch bei eini-gen PolitikerInnen der regierenden Koalitions-parteien eingebürgert, wodurch es für viele inseiner ideologischen Färbung nicht mehr er-kennbar war. Auch SPÖ-Landespolitiker began-nen es zu reproduzieren, wenn sie sich offengegen die �Ausgrenzung� aussprachen, etwa inder Steiermark, wo der sozialdemokratischeLandesgeschäftsführer anregte, man müsse einneues Verhältnis zur FPÖ finden.40 Die Vorstö-ße der steirischen Genossen ernteten bei der lo-kalen Parteibasis �stille Zustimmung�, währenddie SP-Bundesparteiführung sich klarzustellenbemühte, dass von einer undemokratischenAusgrenzung keine Rede sein könne.41 Dieinnerparteiliche Diskussion pflanzte sich den-noch sofort auch in anderen Bundesländern fort.Aus Kärnten wurden Rufe kleiner Parteifunkti-onäre laut, die bekannten, die sozialdemokrati-sche Parteibasis hätte ein entspannteres Verhält-nis zur FPÖ, mit der sie lokal immer schon gutkooperiert habe, und die ihnen in manchen Fra-gen oft näher stehe als die Parteispitze in Wien.42

Erst in dieser Situation fand eine öffentliche

Diskussion des Begriffs �Ausgrenzung� statt,indem Bundeskanzler Vranitzky ihn explizithinterfragte.

Der Standard, 25. November 1996: �Vranitzky be-harrt auf Anti-Haider-Kurs�Bundeskanzler Franz Vranitzky erteilt jenen Partei-genossen eine Rüge, die fordern, FPÖ-Chef JörgHaider nicht mehr länger auszugrenzen. In der Fern-seh-Pressestunde meinte Vranitzky, das Wort �aus-grenzen� sollte dabei überhaupt nicht verwendet wer-den, weil es die �wehleidige Argumentation� der Frei-heitlichen übernehme. Er wolle sich jedenfallsweiterhin von Haider �abgrenzen�. Die SPÖ habe aberdessen Feindbildstrategie in den letzten Jahren nichtausreichend bekämpft. (...) Die Grünen kritisierten,dass Vranitzky nur über das Machtrezept einer �ver-balen Verhinderung� Haiders verfüge.

Das nunmehr verbreitete Schlagwort �aus-grenzen�, mit dem Beigeschmack der Diskrimi-nierung einer demokratisch gewählten Partei,und sein geringer, aber bedeutsamer Unterschiedzu �abgrenzen� öffnet eine klassische double-bind-Situation, wo der SPÖ wenig Spielraumzur Positionierung bleibt, ohne gleichzeitig indie Falle zu geraten, als das zu scheinen, als wassie hingestellt wird: Dass Vranitzky sich von derFPÖ �abgrenzen� will, kann im mittlerweile eta-blierten Interpretationsrahmen der angeblichmachtpolitisch motivierten Verweigerung vonZusammenarbeit auch als �Ausgrenzung� gele-sen werden.43 Die Grüne Kritik (angesichts dervom SPÖ-Innenminister umgesetzten restrikti-ven Zuwanderungsgesetzgebung) unterstreichtden Machtaspekt ebenso, zwar aus gänzlichanderen Motiven, aber die Grenzen verwischensich mittlerweile. Sogar die Überschrift desBerichts desavouiert Vranitzkys Entgegnung(�beharrt auf Anti-Haider-Kurs� impliziertdessen Unangebrachtheit). Um sich aus dieserFalle zu befreien, hätte es bereits viel stärkererrhetorischer Anstrengungen bedurft, um den imallgemeinen Sprachgebrauch eingeübten In-terpretationsrahmen selbst ins Wanken zu brin-gen.

Eine innenpolitische Redakteurin des �Stan-dard� schrieb damals einen der ganz wenigenkritischen Kommentare, die den Begriff�Ausgrenzung� als freiheitliche Anmaßung ei-nes �Märtyrerimages� dekonstruierten. Sie re-

463

gistrierte explizit die verheerende Wirkung derÜbernahme des ideologischen Sprachgebrauchsder FPÖ durch Sozialdemokraten der südlichenBundesländer.44 Sie wies aber in erster Liniedarauf hin, dass eine rhetorisch propagierteAbgrenzung gegen Haider unglaubwürdig wer-de, wenn Sozialdemokraten versuchten, nochpopulistischer zu agieren als die FPÖ. Das Di-lemma der gescheiterten Politik, mit vorausei-lend populistischen Maßnahmen die �Ängsteund Sorgen der Bevölkerung ernst zu nehmen�,um der FPÖ den Wind aus den Segeln zu neh-men, war damit treffend charakterisiert.45

Im Jänner 1997 wechselte die sozialdemokra-tische Führungsriege, Viktor Klima übernahmdas Amt des Bundeskanzlers. Die sozialistischeParteijugend forderte von ihm gleich als wich-tigsten Punkt eine Fortsetzung der �Aus-grenzung�,46 ohne zu merken, dass sie damitdas Deutungsangebot der FPÖ bestätigte. DasSchlagwort hatte, ungeachtet der vereinzeltenEntlarvungsversuche einige Monate zuvor, inöffentlichen Diskussionen schon eine fast on-tologische Qualität bekommen. Haider trium-phierte, indem er darauf verwies, mit Vranitzkyden letzten und wichtigsten Vertreter dernunmehr gescheiterten �Ausgrenzungspolitik�politisch überlebt zu haben.47 Der frühere Her-ausgeber des politischen Wochenmagazins�profil� nahm den Regierungswechsel zum An-lass für ein Buch, in dem er �das Ende der altenRepublik� verkündete und Vranitzky als�Haider-Macher� für den Aufstieg der FPÖ ver-antwortlich machte (Czernin 1997).

Die Vorstellung, die Freiheitlichen würdendurch ihre politischen Gegner in undemo-kratischer Weise �ausgegrenzt�, war damals imbürgerlichen Lager so stark etabliert, dass FPÖ-Grundsatzreferent Mölzer es sich bereits in ei-nem ungewöhnlich deutlichen Gastkommentarin der Tageszeitung �Die Presse� leisten konn-te, auch kritische Aspekte zu beleuchten. Erschrieb von den �Vorteilen� der Ausgrenzungfür die Freiheitlichen, davon, dass Haider vom�Märtyrerimage (...) profitiert� habe, welches�der populistische Robin Hood in seinem Kampf�allein gegen die Mafia� mit Witz und Fortunezu nutzen verstand�.48 Er schrieb darin aberauch, dass die Freiheitlichen von der �Aus-

grenzung� verdorben wurden, da sie sich davonverführen ließen, mit Imagepolitik (�Aktionis-mus, politische Gags und Signale, die Präsen-tation spektakulärer Quereinsteiger und uner-wartete Wendungen sowie Provokationen�) zupunkten, während sie sich mit sachpolitischenThemen und Konzepten keine Mühe mehr ga-ben, da sie damit medial nicht ankämen. Interes-santerweise verbuchte Mölzer damit sogar diePolitik der �starken Sprüche� und das Fehleneines seriösen sachpolitischen Programms alsFolge der �Ausgrenzungspolitik�. Kritik am FP-Leitantrag �Steuern sparen � Arbeitsplätzeschaffen�, den Mölzer in seinem Gast-kommentar als �Ansammlung von Gemeinplät-zen� abqualifizierte, wurde übrigens von Haiderals angeblicher �Ausgrenzungsreflex� zurück-gewiesen, wenn sie von anderer Seite kam.49

Freiheitliche reklamierten damals oft schon�Ausgrenzung�, wenn andere Parteien ihre Vor-schläge und Sichtweisen nicht berücksichtig-ten.50

Das offene Bekenntnis kam zu einem Zeit-punkt, als der Ausgrenzungsvorwurf seineFunktion im Kampf der Freiheitlichen um poli-tische Profilierung und Themenführerschaftbereits weitgehend erfüllt hatte und sich dietaktischen Voraussetzungen änderten. Mölzerfasste in erster Linie schon eine zukünftigeRegierungsbeteiligung der FPÖ ins Auge, auchim programmatischen Titel �Laßt Haider arbei-ten! Die Stunde der Wahrheit�.51 Es ist anzu-nehmen, dass er beim Verfassen dieses Kom-mentars bereits die Rohergebnisse einer zweiTage später veröffentlichten �Presse�-Umfragezum Kanzlerwechsel kannte, wo die Frage, wieweit die �Ausgrenzung der FPÖ� von der Be-völkerung unterstützt wird, bereits zu zentraleminnenpolitischen Interesse aufgerückt war. Darinsprach sich eine Mehrheit von 54% der Befrag-ten gegen eine dauerhafte Ausschließung derFPÖ als Regierungspartner aus, 27% stimmtenfür das Item �Die Ausgrenzung der FPÖ istschon heute fehl am Platz� und weitere 27%konnten sich eine Regierungsbeteiligung derFPÖ auf längere Sicht vorstellen.52

Wenn man an die Signifikanz solcher Umfra-ge-Zahlen glaubt, ist auffällig, dass FPÖ undÖVP in der Wahl vom Oktober 1999 genau jene

464

zwei mal 27% der Stimmen erlangten, wie un-ter den Items starker und schwacher Ablehnungder �Ausgrenzung� aufscheinen, was ich abernicht überbewerten möchte.53

Nach der Regierungseinbindung der FPÖdurch ÖVP-Kanzler Wolfgang Schüssel im Fe-bruar 2000 gab es eine Reihe von Stimmen,welche die angebliche �Ausgrenzung� der Frei-heitlichen unter Vranitzky für den rasanten Auf-stieg der FPÖ zur zweitstärksten Partei verant-wortlich machten.54 Ich halte eine solche Ein-schätzung nicht für zutreffend � es gibt mehrpolitische Optionen als eine Kreisky�scheUmarmungstaktik. Man muss zwischen denKoalitionsansagen unterscheiden, welche denfaktischen Kern dessen ausmachten, was dieFreiheitlichen dann exzessiv extrapolierend als�Ausgrenzung� bezeichneten und diesemAusgrenzungsvorwurf selbst, dessen Funktionund tatsächliche Wirkung ich hier nachzeichne.

Als die EU-14 Maßnahmen gegen die FPÖ-Regierungsbeteiligung verkündeten, wurde dieArgumentationsfigur als �generative Metapher�(Schön/Rein 1994) umgehend auf die neue Si-tuation übertragen. Alles, was über die Konstel-lation und ihre Bewertung, eine rechts-populistische Partei nicht an die Regierung zubringen, gesagt wurde, wurde auf einer höhe-ren Ebene in europäischem Maßstab fortgesetzt:Die Maßnahmen wurden nach einer TV-Propagandashow der Bundesregierung55 nurnoch als �undemokratische Sanktionen� und�Ausgrenzung des österreichischen Volkes�bezeichnet.56 Wieder gelang es der FPÖ, nunvereint mit Kanzler Schüssel, die Situation mitdenselben Strategien taktisch für sich zu nüt-zen, während von vergleichbaren �Sanktionen�,auch von der angekündigten Entziehung vonUnterstützung für österreichische Bewerbungenbei internationalen Organisationen, kaum dieRede sein konnte.57 Hier findet sich wieder dasgleiche Deutungsschema, welches offenbarschon ein Eigenleben im Universum der politi-schen Vorstellungen gewonnen hatte. Der um-gewendete Ausgrenzungsvorwurf war zu einemwichtigen Element symbolischer Politik gewor-den und wurde � nun mit breiterer Zustimmungals zuvor � für die Erklärung politischer Kon-stellationen herangezogen, mit interessens-

geprägten Zuweisungen von Identitäten, Bewer-tungen und Lösungsperspektiven, die die öffent-liche Wahrnehmung wesentlich beeinflussten.

Skandalmanagement und Ökonomie derAufmerksamkeit

Deutsch-nationaler Kulturalismus, fremden-feindliche Ressentiments, autoritäre Vorstellun-gen von Kriminalitätsbekämpfung und Überwa-chung, ein aggressiver Antisozialismus und dervorgebliche Kampf gegen Privilegien undPostenschacher58 sind nur ein Aspekt im politi-schen Profil der FPÖ. Sie haben diese Parteizwar unmissverständlich geprägt (Vergl. Gold-mann et al. 1991; Scharsach 1992; Bailer-Galanda/Neugebauer 1997), vor allem in ihrerfür die bis dahin herrschende politische KulturÖsterreichs neuen und erschreckenden Angriffs-freudigkeit und Explizitheit. Doch darf mandabei nicht übersehen, dass die FPÖ sehr hete-rogene Forderungen und Anliegen aufgriff(Reinfeldt 2000), mit Vorliebe sogar jene dergegnerischen Parteien, um sie in einer ganz spe-ziellen Mischung für ihre Ziele nutzbar zu ma-chen. Nur um einige Beispiele anzuführen: DieForderung nach mehr Kindergartenplätzen istein traditionell sozialdemokratischer Programm-punkt, und erhöhtes Kindergeld hatte ursprüng-lich die ÖVP aufs Tapet gebracht. Haider machtedaraus einen �Kinderbetreuungsscheck�,59 deraber entgegen dem Karenzgeld, das auch zuge-wanderte Arbeitnehmerinnen in Anspruch neh-men konnten, in der ursprünglichen Konzepti-on nur für österreichische Staatsbürgerinnenbzw. EU-Bürgerinnen zugänglich war. Er wur-de dadurch zu einer ethnisch motivierten,bevölkerungspolitischen Maßnahme. Oder 2002das Volksbegehren gegen Temelin: Die FPÖsprang damit auf ein Anti-Atomprogramm auf,das ein Kernthema der Grünen ist, machte darausaber eine Kampagne gegen den Beitritt Tsche-chiens zur EU und die Osterweiterung, wowieder alte Ressentiments und Ängste vor sla-wischer Zuwanderung geschürt wurden.

Die Mischung bot so etwas wie eine Soll-Angriffsfläche, die Kritik in vorhersehbare Bah-nen lenkte, und dort in eine Geplänkel verstrick-

465

te,60 wobei erst viele unterschwellige Themenetabliert werden konnten. Durch oft spektaku-läre Inszenierungen reklamierte Haider sich inregelmäßigen Abständen auf die politische Büh-ne, meist in einer Rolle, die von der einesLandeshauptmannes weit entfernt war, wie etwaals �humanitärer Friedensbotschafter� bei sei-nem ersten Besuch bei Saddam Hussein. DieFreiheitlichen hatten gelernt, sich in einem sol-chen Skandalmanagement am stärksten entfal-ten zu können, indem sie den erwarteten Auf-merksamkeitsgewinn nutzten, um ihre eigentli-chen Botschaften � hier eine unterschwelligeKampfansage an die amerikanische Rüstungs-politik61 � zu platzieren und dabei aktuelle Strö-mungen auszunutzen, während eigentlich alleauf eine Entschuldigung oder Rechtfertigungwarteten. Gruber beschrieb (1988, 143) dieTechnik freiheitlicher Interviewsteuerung, Fra-gen zurückzuweisen und in den Antworten dieProblembereiche zu verschieben, und konsta-tierte �...die Inadäquatheit der Versuche, Haideraufgrund einzelner inhaltlicher Zitate auf einenrechtsextremen Politiker �reduzieren� zu wol-len. Journalisten (die dies häufig versuchen)scheitern damit regelmäßig an Haiders Schlag-fertigkeit und rhetorischer Brillianz und werdendamit nur zu Gehilfen bei seiner Selbstdarstel-lung.�

Sehr oft lagen in Haiders überraschendenThematisierungen plötzliche Richtungswech-sel, 180-Grad Wendungen, etwa der Anti-Atom-Kurs oder die Vereinnahmung einesKampfes gegen die Rüstungsindustrie. Zu kaumeiner seiner Positionen, die er einnahm, hatteer, wie ein ehemaliger Parteifreund erklärt, jenach Opportunität nicht auch die gegenteiligeHaltung eingenommen: �Für und gegen Euro-päische Union, für und gegen Atomkraft, fürund gegen Abfangjäger, für und gegen radika-le Budgetsanierung�62 etc. Reinfeldt (2000,115) sieht im Wechsel der Argumentationslinien(zwischen einer �völkischen� und einer �neo-liberalen Landkarte�) eine politische Taktik, die�Neutralisierung jeglicher Kritik� ermöglicht,da sie �die Wertigkeit ihrer Aussagen immerwieder anders gewichtet, ohne die jeweiligenWorte oder Wortsequenzen zurücknehmen zumüssen. (�) Sie antizipiert, was ihr entgegen-

gehalten werden kann und hält immer einenAusweg in Evidenz. Sie findet diesen Auswegauf der jeweils anderen Landkarte.� Bei dieserWechselhaftigkeit, die immer aufgriff, was imMoment das stärkste Themenpotential ver-sprach, stellt sich die Frage, woher die FPÖ undihre Wählerschaft ihr politisches Profil bezo-gen.63 Dass Haider durch seine Personalhoheitund regelmäßige �Parteisäuberungsaktionen�(Scharsach 1992; Bailer-Galanda/Neugebauer1997; Müller 1997; Zöchling 1999) seineninnerparteilichen Spielraum maximiert hatte, isteine Sache. Wieso der FPÖ die Beliebigkeit ih-rer Positionierungen bei der Wählerschaft abererst mit der Regierungsbeteiligung zu schadenbegann, während sie davor von ihrer �außer-gewöhnlichen strategischen Adaptions-fähigkeit� (Plasser/Ulram 2000, 238) profitier-te, eine andere. Hier hatte die kalkulierte Pro-vokation absehbarer Kritik eine spezifischeFunktion.

Durch die �postmoderne� Vermischung vonPositionen erreichte Haider oft, dass Anhängerunterschiedlicher politischer Lager die Berech-tigung einiger seiner Anliegen im Prinzip zu-geben mussten64 � an Stammtischen lautete dieFormel da: �Der Jörgl hat schon recht� � selbstwenn Haider eigentlich auf etwas anderes ziel-te, also auf unsere Beispiele bezogen: nicht dieEntlastung von berufstätigen Müttern, nicht denKampf gegen Atomkraftwerke oder die Rüs-tungsindustrie.65 Die kalkulierte Mehrdeutigkeitder Positionen lieferte den Rezipierenden dieMöglichkeit, sich eine passende Bedeutung aus-suchen zu können. Haiders Forderungen wur-den dadurch für manche, die das Spiel wenigerdifferenziert sahen, durchaus plausibel, indemfür sie eben nur eine Seite der konträren As-pekte dieser Widersprüchlichkeiten sichtbarwurde. Mit dem Kinderscheck etwa konntensich von alleinstehenden, berufstätigen Mütternbis zu Kulturalisten, die Angst vor einer�Umvolkung� Österreichs durch kinderreicheZuwanderfamilien hatten, viele identifizieren.Wenn sie den Kinderscheck als gute Sache sa-hen, auch wenn sie den Chauvinismus der FPÖsonst nicht teilten, konnte die Kritik der ande-ren Parteien aber wie eine eigenartige Ausredewirken (Zöchling 1999, 169).

466

Diese wiederkehrende Konstellation liefertedas in der ganzen Anlage der vermischtenThematisierungen eingerechnete Moment. Ineiner mit einer griffigen Vokabel belegtenGegenmarkierung wurden die Kritiker selbstvorgeführt, durch die Behauptung, Haiders FPÖwerde �ausgegrenzt�: Wenn er etwas sage, wasauch andere sagten, werde er heftig angegriffen,angeblich gerade weil es wahr und für die�Mächtigen� schmerzhaft war. Das war sozu-sagen die �storyline� des Ausgrenzungsvor-wurfs, die narrative Kondensierung des in die-sem gesamten politischen Spiel unterschwelligtransportierten Interpretationsangebots. Um die�Wahrheit� der erwartbar heftig kritisiertenHaider-Aussagen zu belegen, war eine der frei-heitlichen Standardverteidigungen, angeblichvergleichbare Stimmen aus anderen politischenLagern oder von unverdächtiger Seite zu zitie-ren (vgl. FN. 61).

Die Vermischung und Neurahmung vonDiskurselementen zielte auf Themenführer-schaft. Man konnte Bürgerlichen wie Sozialde-mokraten begegnen, die behaupteten, Haidernicht zu mögen, andererseits aber unkritischseine griffigen Argumentationen übernahmen.Haider beanspruchte zu Recht für sich, mit The-men zu punkten, die vorher als Teil linker oderliberaler Kritik kaum breitere Aufmerksamkeitgefunden hatten, etwa der an der Sozialpartner-schaft.66 Reziprok lief es mit der freiheitlichenFormulierung fremdenfeindlicher Ressenti-ments, welche auch in den damaligenRegierungsparteien und deren Parteibasis mehroder weniger verdeckt vorhanden waren.67 Diegroße Koalition zwischen Sozialdemokratenund Volkspartei erfüllte nicht nur die repressi-ven, von ihr zuerst heftig kritisierten Forderun-gen des freiheitlichen Ausländer-Volksbegeh-rens 1992,68 auch in anderen inhaltlichen Fra-gen, von Privilegienabbau bis Sicherheit � ga-ben die Freiheitlichen die Richtung vor. Das�Aufgreifen� freiheitlicher Themen durch dieRegierungsparteien konnte von einem breiterenPublikum natürlich implizit als Zugeständnisgelesen werden, wozu Haider das Deutungs-schema lieferte. Dahingehende Kritik etwa derGrünen und Liberalen verstärkte in dieser Kon-stellation noch zusätzlich den Eindruck, Frei-

heitliche würden aus der Opposition herauswichtige Themen der großen Koalition vorge-ben, aber von dieser aus machtpolitischen Grün-den �ausgegrenzt�. Der Deutungsrahmen wur-de so nicht nur bei FPÖ-Sympathisanten, son-dern in Teilaspekten ebenso bei Beobachternund Gegnern erfolgreich etabliert, obwohl letz-tere kaum dessen innere �Lösungsperspektive�unterstützt hätten, nämlich dass die FPÖ als er-folgreiche Partei in einer Demokratie auf Dau-er ja nicht von Regierungsaufgaben ferngehaltenwerden dürfe.

Der Ausgrenzungsvorwurf von Freiheitlichenhatte die Funktion, sie als außerhalb der her-kömmlichen, als korrupt dargestellten Parteien-landschaft stehende Bewegung zu stilisieren.69

Die massive Kritik an ihren politischen Äuße-rungen und Handlungen unterstützte dabei un-gewollt die unterschwellige Botschaft an eineheterogene Protestwählerschaft, die FPÖ sei dieeinzige Systemalternative. Mölzer sah eine ausder �Ausgrenzung (...) resultierende Gunst,sachlich kaum wirklich Leistung erbringen zumüssen�.70 Die bewusst betriebene Polarisie-rung der Öffentlichkeit (Plasser/Ulram 1995)verwischte die Wahrnehmung der inhaltlichenBeliebigkeit gerade derjenigen ihrer Themen,mit denen sie eine größere Breitenwirkung er-zielten. Lagerbildung und charismatischeKlientelbindungen (Ötsch 2000) ersetzten so diesachpolitische Positionierung der FPÖ, was ihrübrigens in dem Moment zu schaden begann,als das Charisma schwand und sich das eigeneLager spaltete.

Normalisierungsarbeit in dertagespolitischen Interaktion

Nun ist offen, wie eine Strategie derVereinnahmung eines Opferstatus gerade bei derFPÖ erfolgreich sein konnte. Eine Strategie zuverfolgen, wie sehr sie sich auch erst im Laufeder Zeit an eher ungeplanten Erfolgen heraus-kristallisiert, ist eine Sache. Sie in der politischenAuseinandersetzung mit Kontrahenten, die dieseerkennen und ihre eigenen Strategien dagegensetzen, weiter zu verfolgen und damit durchzu-kommen, hingegen etwas anderes. Zentrale Fra-

467

ge ist hier, wie sich PolitikerInnen der Re-gierungsparteien SPÖ und ÖVP während dergroßen Koalition auf die mit dem Sprachge-brauch �Ausgrenzung� einhergehende Perspek-tive einlassen konnten, sodass deren Deutungs-angebot zu einer realen Orientierungsgröße inihrem Denken und Handeln wurde � in welcherBewertung auch immer.

Erst bei eingehender Betrachtung der inter-aktiven Umsetzung in der tagespolitischen De-batte � und zu diesem Zweck analysiere ich ex-emplarisch eine Parlamentsrede der freiheitli-chen Abgeordneten Helene Partik-Pablé � wirddeutlich, wie die FPÖ es durch eine spezifischeNormalisierungsarbeit ihren Gegnern schwermachte, unterscheiden zu können, ob das, wassie als ihre Ausgrenzung behauptete, tatsäch-lich eine ungerechte, undemokratische Diskri-minierung im ursprünglichen Sinn des Wortesdarstellt. Die hier analysierte Form vonNormalisierungsarbeit funktioniert grob gespro-

chen so, dass Partik-Pablé als ersten Rahmenzuerst eine Verpflichtung gegenüber der allge-meinen Erklärung der Menschenrechte und sei-nem Schutz vor Diskriminierung mobilisiert,dann als zweiten Rahmen die �Ausgrenzung� derFPÖ durch SPÖ und Grüne, und im weiterenVerlauf anhand von Beispielen aus der politi-schen Praxis beide Rahmen verbindet, wobei siemit den Fallspezifika dieser Beispiele an diesemantischen Ähnlichkeiten der Deutungs-rahmen �Diskriminierung� und �Ausgrenzung�andockt.

Es geht bei dieser Rede vom Oktober 1996 umeinen Gesetzesantrag des SP-Klubobmanns PeterKostelka, worin eine Erhöhung des Strafrahmensfür Gastwirte angestrebt wird, die aus diskrimi-nierenden Gründen Zuwanderern, ethnischen,religiösen oder anderen Minderheiten, wie z.B.Behinderten, den Zutritt zu ihrem Lokal verwei-gern.71 Der Antrag wurde schließlich mit Stim-men der ÖVP und der FPÖ abgewiesen.

30. Oktober 1996, 22.06 Uhr1 Abgeordnete Dr. Helene Partik-Pablé (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren!2 Hohes Haus! Herr Dr. Kostelka! Ihr Antrag betrifft ein sehr gravierendes Problem, da bin3 ich � und auch meine Fraktion � mit Ihnen durchaus einer Meinung. Nur glaube ich � so4 wie mein Vorredner �, daß es der falsche Weg ist, diese Diskriminierungen durch erhöhte5 Strafbestimmungen abzubauen. Es geht doch darum, daß Diskriminierungen abgebaut6 werden! Mit höheren Strafbedingungen baut man aber bestenfalls Diskriminierungen auf.7 (Beifall bei den Freiheitlichen.)8 Diskriminierungen baut man am allerbesten ab, indem man Verständnis hervorruft; auch9 da gebe ich dem Kollegen Puttinger recht. Dieses Verständnis und dieses Klima der10 Toleranz, von dem Sie ständig reden, sehr geehrter Herr Dr. Kostelka und meine sehr11 geehrten Damen und Herren, darf sich nicht nur darauf beziehen, welche Hautfarbe12 jemand hat, welcher Nationalität er angehört, sondern muss sich natürlich auch auf13 politische Andersdenkende beziehen. (Abg. Wabl: Genug!).............

Es fällt zuerst einmal auf, dass Partik-Pabléals hauptberufliche Richterin und FPÖ-Sicherheitssprecherin, die sonst vehement fürrigidere Gesetze und höhere Strafen eintritt, indiesem Fall den traditionell links-liberalenStandpunkt einnimmt, gesellschaftliche Proble-me auf einer gesellschaftlichen Ebene zu be-kämpfen, und die Diskriminierung von Zuwan-derern, ethnischen Minderheiten und Behinder-ten als �ein sehr gravierendes Problem� (Z.2)bestätigt. Als Behindertensprecherin der FPÖ,die selbst eine behinderte Tochter hat, ist sie aber

hinreichend kompetent und legitimiert, über Dis-kriminierung zu reden. Sie stilisiert sich zu ei-ner noch umfassenderen Streiterin für Toleranzund Verständigung als der AntragstellerKostelka, dehnt sie den Anspruch auf Toleranzdoch auch auf �politisch Andersdenkende�(Z.13) aus.

Das ist der erste, übergeordnete Deutungs-rahmen, gleichzeitig der Handlungsrahmen ih-rer gesamten Rede, die Sie später im Sinne ei-ner Gestaltschließung auch so beenden wird, mitden Worten:

468

116 Jetzt sage ich Ihnen, von den Sozialisten, folgendes: Tun Sie einmal das Ihrige, um in117 Österreich und hier im Parlament ein Klima der Toleranz und des Verständnisses zu118 schaffen, damit auch politisch Andersdenkende akzeptiert werden! Wenn Sie dieses119 Klima hergestellt haben, dann brauchen wir keine Erhöhung der Strafen mehr! (Abg.120 Mag. Guggenberger: Ausgerechnet Sie sagen das! � Beifall bei den Freiheitlichen.)22.17 Uhr

Nach dieser ersten Rahmensetzung führt siedie Ausdehnung des Diskriminierungsbegriffsauf �politisch Andersdenkende� im Sinne derUN-Charta weiter zu einer Anklage gegen dieSPÖ, welche auch die Begründung einführt,dem Antragsteller die Berechtigung abzuspre-chen, eine solche Gesetzesvorlage einzubringen.

Die erste Weichenstellung der Rede, Z.9�14,fordert den im Antrag fehlenden Diskrimi-nierungsaspekt ein und unterstellt diese Auslas-sung implizit als willkürlich, indem sie eineangemaßte Definitionsmacht der Linken überdiesen Begriff behauptet (Z.15�17). Sie bezeich-net Sozialdemokraten, Grüne, Liberale undVolkspartei als �Linksblock�, ein Begriff, derein monolithisches, ideologisch gefestigtesMachtbündnis suggeriert und das Verschwö-rungsszenario von Z.20�24 vorbereitet, wo dannweiter von der �Ausgrenzungsphilosophie� desBundeskanzlers, also einem ganzen Gedan-kengebäude der Diskriminierung, dann auch von�Meinungsdiktatur� und von �Hetze� die Redeist. Sie unterstützt diese Interpretation späternoch durch geschickte strategische Kategori-sierung der Parteien: �Sie haben in Österreicheine Meinungsdiktatur geschaffen, die ihresglei-

Das ist die zweite, konkretere Rahmensetzung,durch die sie das für die FPÖ sonst wenig vor-teilhafte Diskriminierungsthema für sich zu ver-einnahmen beginnt und die SPÖ für ein �Kli-ma� verantwortlich macht, das � wie sie sagt �Toleranz und Verständnis eben verhindere(Z.116�118):

13 ...politische Andersdenkende beziehen. (Abg. Wabl: Genug!) Doch da, Herr Dr. Kostelka,14 bemerke ich bei Ihnen und Ihrer Fraktion ein ganz gewaltiges Manko. (Abg. Dr. Graf:15 Jetzt flüchtet er!� Beifall bei den Freiheitlichen.) Heute ist es schon so, daß der gesamte16 Linksblock darüber entscheidet, wann gesellschaftlich zu diskriminieren ist und wer zum17 Abschuß freigegeben werden darf. (Abg. Dr. Nowotny: Das ist doch absurd! Haben Sie18 Beispiele?) Das ist überhaupt nicht absurd, Herr Kollege Nowotny! (Beifall bei den19 Freiheitlichen.)20 Meine Damen und Herren! Ich nenne Ihnen sofort ein Beispiel: Ihr Bundeskanzler hat im21 Einvernehmen mit seinen Beratern den Freiheitlichen gegenüber die22 Ausgrenzungsphilosophie kreiert. (Ironische Heiterkeit bei der SPÖ. � Abg. Dr. Graf:23 Aber erfolglos!) Er hat gesagt, die gesamte FPÖ, samt Bundesparteiobmann, muss24 ausgegrenzt werden, und sie damit schwerstens diskriminiert. Angesichts dessen geht25 Herr Dr. Kostelka her und bringt diesen Antrag, der Diskriminierung bekämpfen möchte,26 im Parlament ein. Gestatten Sie mir, daß ich das paradox finde. (Beifall bei den27 Freiheitlichen. � Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel.)

chen sucht, wo sich alle intellektuellen Politi-ker mit der Regierung zusammentun, um ge-meinsam gegen die Oppositionspartei zu mar-schieren� (Z.33�36). Liberale und Grüne wer-den implizit als �intellektuelle Politiker� dem�Machtblock� zugeordnet, wodurch die FPÖ als�die Oppositionspartei�, d.h. die einzige, übrigbleibt. Solche rhetorischen Verfahren der Kate-gorisierung sind ein starkes Mittel der Rear-rangierung von Sachverhalten, die auf eine ge-filterte Wahrnehmung zielen (Potter 1996). Hierwird z.B. die scharfe Kritik von Grünen, Libe-ralen und kirchlichen Vertretern an der Regie-rung ausgeblendet, was die implizite Argumen-tation stören würde, dass der sozialdemokrati-sche Kanzler �politisch Andersdenkende� aus-grenzt.

Die generelle Linie der Rede, die Partik-Pabléin Z.20 ankündigt und bis zu deren Ende ver-

469

folgen wird, ist, anhand von Beispielen und vorallem einer konkreten längeren Geschichte dieGlaubwürdigkeit des Antragstellers Kostelkaund seiner Partei in Frage zu stellen, was derenEngagement gegen Diskriminierung anbelangt.

Das erste �Beispiel� Z.23/24 hat noch wenigsachlichen Wirklichkeitsbezug,72 doch danachfolgen andere, deren ideologische Färbung weitweniger leicht abschätzbar ist:

44 (Abg. Dr. Kostelka: Deswegen sind Sie für Lokalverbote? Was hat das mit Lokalverboten zu tun?)45 Diese Hetze, die Sie ständig gegen politisch Andersdenkende betreiben, führte zum46 Beispiel dazu, daß ein freiheitlicher Spitzenfunktionär nicht in ein Lokal am Spittelberg,47 das irgendein Grüner betreibt, gehen durfte. (Abg. Mag. Stadler: So weit geht das!) Eine48 solche Verhetzung führt auch dazu, daß Freiheitlichen, die kandidieren wollen, Nachteile49 angedroht werden, wenn Sie von der Liste nicht runtergehen. Doch da höre ich keinen50 Ruf nach einer Strafdrohung!51 Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ihre Ausgrenzungsphilosophie können Sie nicht52 loslösen von der Diskriminierung wegen der Haarfarbe, der Hautfarbe. (Beifall bei den53 Freiheitlichen.) Das können Sie ganz einfach nicht separiert sehen. Sie grenzen aus!54 Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Schutz vor Diskriminierung ist unteilbar!55 Das ist auch etwas, das Sie gerne im Munde führen. (Beifall bei den Freiheitlichen. �56 Abg. Dr. Nowotny: Stimmen Sie dem Gesetz zu!)

Partik-Pablé produziert ihr Beispiel passgenauauf einen kritischen Zuruf des AntragstellersKostelka, wobei sie gleichzeitig ihren Vorwurfweiter verschärft (�Hetze� Z.45).

Der Spittelberg, ein Ausgehviertel in Wien,ist dafür bekannt, dass ein auch in der eigenenPartei umstrittener, grüner �Immobilienkönig�dort einige Lokale besitzt, insofern wird durchdieses Detail die Geschichte über einen Lokal-verweis eines freiheitlichen Spitzenfunktionärsabgestützt, wenn auch insgesamt nicht überprüf-bar. Die angehängte, noch unterspezifizierterbleibende Geschichte (ohne Ort, Zeit oder Set-ting der handelnden Personen) führt dann wiederzum konkreteren Tatbestand politischer Diskri-minierung zurück (Behinderung in der politi-schen Arbeit), wieder mit dem Vorwurf an den�Linksblock�, dort nicht gehandelt zu haben,und dem Resümee: �Sie grenzen aus!� Der er-

neute Hinweis auf die Unteilbarkeit desDiskriminierungsschutzes hält den ersten Rah-men in Erinnerung und macht explizit bewusst,dass die Relevanz der angeführten Beispieledem eigenen Werteverständnis derjenigen ent-spricht, die Partik-Pablé kritisiert. In diesenbeiden Beispielen konkretisiert sie die Über-schneidung der beiden Rahmen, dass die hierbehauptete ungerechtfertigte Behandlung frei-heitlicher Politiker eine Folge der �Aus-grenzungsphilosophie� sei und somit eine Be-schneidung ihrer garantierten Rechte.

Die verbleibende Hälfte der 11 Minuten dau-ernden Rede, im Protokoll Z.57�115, nutztPartik-Pablé danach für die ausführliche Dar-stellung einer weiteren Beleggeschichte, die denAntragsteller Peter Kostelka betrifft, eingeführtmit den Worten:

57 Herr Kostelka � ich hoffe, er ist noch da �, ich akzeptiere Ihre Berührtheit im Falle des58 Afrikaners. Mich wundert aber wirklich, daß Sie in einem anderen Fall, in dem Sie59 persönlich angesprochen worden sind, wo es aber nicht um einen Angehörigen einer60 anderen Rasse oder Hautfarbe, sondern um einen behinderten Österreicher geht,61 überhaupt keine Berührtheit gezeigt haben.

Zusammengefasst handeln Partik-Pablés Aus-führungen davon � aus Platzgründen gebe ichab hier den vollen Wortlaut nicht mehr wieder,dass die Schwester eines Behinderten mit

Down-Syndrom (Z.114 �eines Mongoloiden�)in einem Brief an die freiheitliche Abgeordneteschrieb, ihnen würde die langjährig geduldeteBenutzung einer Vereinshütte des Arbeiter-

470

fischereiverbandes auf einmal untersagt, was sieeiner wichtigen Freizeitmöglichkeit beraubt.Partik-Pablé liest den Brief zuerst vollständigvor (Z.63�86). Sie habe Kostelka als Präsiden-ten des Arbeiterfischereiverbandes daraufhinden Brief weitergeleitet, da er aber nichts ver-anlasst habe, ihn zur Rede gestellt: �Dr. Kostelkahat mir dann gesagt: Die Frau schreit herum,daß sie mit mir reden wird, weil der Bruder nichthinein darf. � Es ist ja kein Wunder, daß dieFrau die Nerven verliert� (Z.101�103).73 Partik-Pablé beendet die Ausführungen so, wie sie siebegonnen hatte, mit dem Resümee: �Herr Dr.Kostelka, der so berührt davon ist, daß ein Af-rikaner einen anderen Afrikaner nicht in einafrikanisches Lokal hineinläßt, hat in diesem

26 ...... (Beifall bei den27 Freiheitlichen. � Zwischenruf der Abg. Dr. Mertel.)28 Frau Kollegin Mertel! Ich würde an Ihrer Stelle in dieser Sache den Mund gar nicht groß29 aufmachen, sie wissen ganz genau, wie Sie sich hier uns gegenüber im Parlament30 verhalten haben. Sie haben in Österreich ein Klima geschaffen, wo bestimmte Leute31 festlegen, was gedacht werden soll und gesagt werden darf, und wer sich nicht an diese32 Vorgaben hält, der wird beinhart ausgegrenzt und diskriminiert. (Abg. Haigermoser:33 Gehirnwäsche! � Beifall bei den Freiheitlichen.)

Fall, wo es um den Mongoloiden geht, nichteinmal den kleinen Finger gerührt. Das findeich furchtbar!� (Z.113�115). Sie greift auf daswiederkehrende Thema freiheitlicher Anschul-digungen zurück, die Sozialdemokraten würdensich aus ideologischen Gründen viel mehr um�Ausländer� kümmern als um die österreichischeBevölkerung, und beendet ihre Rede mit deroben schon angeführten RahmenschließungZ.116�120 (�Jetzt sage ich Ihnen, von den So-zialisten, folgendes...�).

Von ihrer gesamten Anlage her richtet sichdie Rede an das �schlechte Gewissen� der Sozi-aldemokraten und Grünen, explizit etwa in ei-ner Passage zwischen den ersten Beispielen:

Der Sozialdemokratin Mertel unterstelltPartik-Pablé, sie würde ihr Verhalten selbst alsunrecht sehen (Z.29/30). Die direkte Anspra-che an den politischen Gegner unterstreicht dasAppellative (Z.13/14, 29, 30, 33, 42, 45, 51, 53:�Sie grenzen aus!�, 55, 116, 118), wobei dieanfeuernden Zurufe aus den eigenen Reihen (Z.14/15, 23, 32/33, 47, 79/80, 106/107) überdieszu keinem Zeitpunkt vergessen lassen, dass diesvor Publikum passiert, wodurch es den Charak-ter einer �Standpauke� mit mitschwingendenAspekten sozialer Kontrolle bekommt.

Die Vermischung der Adressaten � von Sozi-aldemokraten über Volkspartei bis Grüne undLiberale � mobilisiert auch Aversionen zwischendiesen Gruppen, wo einzelne gegen eine Parteigerichtete Beispiele für die je anderen Parteiendurchaus plausibel werden könnten: Sozialde-mokraten werfen den Grünen oft Radikalismusund einen �verhetzenden Stil� vor, während diesewiederum jene für ihre �prinzipienverratendeMachtpolitik� kritisieren (Gotsbachner 2003),Bürgerliche distanzieren sich wohl automatischvon der Zuzählung zu einem �Linksblock�.

Ich möchte die Aufmerksamkeit zuerst aufdie interaktiven Momente lenken, die im Parla-mentsprotokoll über Saalmikrophone doku-mentiert sind: Partik-Pablé hat die gegnerischenEinwände offenbar so genau antizipiert, dasssie sich gewissenhaft mit dem entsprechendenMaterial vorbereiten konnte und die Themen-progression ihrer Rede anscheinend geradeanhand der kritischen Zwischenrufe weiterent-wickelt: Das erst �Beispiel� nach dem Schlag-abtausch Z.17�20 (�Abg. Dr. Nowotny: Das istdoch absurd! Haben Sie Beispiele? P-P: Dasist überhaupt nicht absurd, Herr KollegeNowotny! Beifall bei den Freiheitlichen. Mei-ne Damen und Herren! Ich nenne Ihnen sofortein Beispiel�) bringt zwar nur den schon genü-gend bekannten Ausgrenzungsvorwurf. Aberdafür sitzt die Replik auf den Antragsteller inZ.43�47 (Abg. Dr. Kostelka: Deswegen sind Siefür Lokalverbote? Was hat das mit Lokal-verboten zu tun?) geradezu punktgenau, späterverwandelt sie richtiggehende �Eigentore� vonNowotny Z.86�89 (�Abg. Dr. Nowotny: Wennsie an Kostelka geschrieben hätte, wäre sicher

471

etwas geschehen! P-P: Herr Kollege Nowotny!Bevor Sie den Mund weiter aufmachen, sageich Ihnen, was ich getan habe�), undGuggenberger Z.109�111 (�Abg. MagGuggenberger: Ist ein anderes Thema! P-P: Eshat etwas damit zu tun, weil es um Diskrimi-nierungen geht. Entschuldigung, wenn Sie dasnicht kapieren, dann verstehe ich überhauptnicht, was Sie als Behindertensprecher der So-zialistischen Partei qualifiziert!�). Sie alle er-zeugen den Eindruck einer unmittelbaren, di-rekten Entgegnung. Partik-Pablé reagiert sogaram Ende eines langen Parlamentstages sofortauf Einwände, als ob diese leicht zu entkräftenwären, und zeigt damit rhetorisch überzeugendan, dass sie eine erfahrungsnahe Vorstellung despolitischen Geschehens hat, die sich um ihreWahrnehmung von �Ausgrenzung� organisiert,und die sie deshalb spontan reproduzieren kann.Was auch immer von PolitikerInnen andererParteien am taktischen Spiel mit dem Aus-grenzungsvorwurf durchschaut wird, hier be-kommen sie in suggestiver Art vorgeführt, dasses möglicherweise doch mehr als nur Strategiesein könnte.

Auch die Beleggeschichten, die ,anecdotalevidence� für die Unglaubwürdigkeit sozialde-mokratischer Antidiskriminierungsgesetzge-bung könnten für einige überzeugend wirken,selbst wenn man die genaueren Umstände auseiner offenbar interessensgeleiteten Schilderungschwer einschätzen kann. Der LiberaleMinderheitensprecher Kier fand in seiner nach-folgenden Rede z.B. jene vom angeblichen Ver-säumnis Kostelkas immerhin �interessant�.74

Obwohl auch er, wie die meisten anderen Poli-tiker und Journalisten, im Interview beklagt,dass solche von Freiheitlichen im Wahlkampf,in Fernsehdiskussionen oder anderen öffentli-chen Debatten lancierten ,G�schichtln�75 meistder näheren Betrachtung nicht standhalten, abertrotzdem ihre Wirkung entfalten können, weilsie von den Massenmedien nicht entsprechendnachrecherchiert werden.76 Der Innenpolitik-chef des �Kurier� Christoph Kotanko charakte-risiert im Interview diese Schwierigkeit so: �Ge-nauigkeit in bestimmten Fällen unterstützte diePlausibilität von abenteuerlichen Behauptungenin anderen. Da die Gegner nie wussten, stimmt�s,

stimmt�s nicht, war immer die Unsicherheit, wasdran ist.�

Über die Sachfrage selbst oder die wieder-kehrenden Tendenzen freiheitlicher Kampagnenuninformierte Zusehende, die rein nach der ih-nen gebotenen Darstellung über Plausibilität undGlaubwürdigkeit urteilen müssen, würden indieser Rede wenig Anhaltspunkte finden, die siean einem echten Anliegen und einer redlichenBemühung zweifeln lassen könnten, um daranihr Urteil über die FPÖ auszurichten. Haider hatin Fernsehdiskussionen mit Deutschen oderSchweizer Gesprächspartnern mehrmals bewie-sen, wie sehr er diesen Effekt auszunützenimstande ist.77

Aber die Zuhörenden, an die sich dieser Ap-pell richtet, sind in diesem Fall Parlamentsab-geordnete, die ähnliche Vorwürfe über die Jah-re hinweg schon oft zu hören bekommen hat-ten, die die Taktik kennen und nicht so leichtgeneigt sind, darauf einzusteigen (schon in Z.13,sobald die Linie erkennbar wird, der Grüne Abg.Wabl: Genug!). Viele Abgeordnete hatten dieAusgrenzungsvorwürfe zwar als �Zumutung�gesehen, manche, andererseits, den ganzen da-mit bezeichneten Komplex als �Nebeneffekt�einer �politischen Notwendigkeit� empfunden,durch den die dezidierte Abgrenzung vonArbeitskollegInnen, mit denen sie wichtige Teileihrer Aktivitäten bestritten, durchaus �nichtspositives� an sich hatte.78 Dass sie hier teilweisein ihren eigenen Reflexen �vorgeführt� wurden(in Z.62/63 �...schrieb an mich folgendes (iro-nische Heiterkeit bei der SPÖ) � das ist nichtzum Lachen, Sie werden es schon sehen�, spä-ter Z.105/6 �Schütteln Sie nicht den Kopf, le-sen Sie den Brief! Ich gebe auch Ihnen gerneden Brief.�, dann die �Eigentore� von Novotnyin Z.86�89 und Guggenberger in Z.109�111),musste deshalb einen bitteren Beigeschmackbekommen, der den Angesprochenen durchausZweifel an ihren gewohnten Deutungsmusternnahe legen konnte.

Das meiste der hier angewandten rhetorischenVerfahren, die Personalisierung, das geschickteKategorisieren in der Darstellung ebenso wiedas Antizipieren von Einwänden und dement-sprechende Vorbereiten mit punktuellem �Beleg-material� gehört durchaus zum gängigen Reper-

472

toire von politischen Reden. Was die spezifi-sche Normalisierungsarbeit ausmacht, ist, dassPartik-Pablé innerhalb des eigenen Werte-verständnisses der �Linken� argumentiert, ge-gen die sie sich richtet. Die Unteilbarkeit des�Schutzes vor Diskriminierung� (Z.54) unge-achtet von Hautfarbe, Nationalität und politi-scher Orientierung (Z.11�13) würde wohl keinGegner bezweifeln, ist sogar, wie sie betont�auch etwas, das Sie gerne im Munde führen�(Z.55). Der Interpretationsrahmen, den sie hiermobilisiert, um den eigenen Interpretations-rahmen zu stützen (die Freiheitlichen seien dieeigentlich �Ausgegrenzten� und diejenigen, diesich als Schützer der Diskriminierten fühlen,schuld daran), ist genau die Vorstellung vom�Unwertgehalt� der �ungerechtfertigten Be-nachteiligung�, dem sich die Autoren dieserGesetzesvorlage 229/A verpflichtet fühlen.79

Die semantische Nähe zwischen den Begrif-fen �Abgrenzung� und �Ausgrenzung� birgt dieGefahr, durch minimale Verschiebung der As-pekte (z.B. Rekategorisierung von Kritik als�Meinung vorschreiben�, Z.31) ein komplettesKippen der Betrachtungsweise zu erzielen. Beider Frage, wer für solche Bewertungs-Verschie-bungen anfällig werden könnte, ist zu beach-ten, dass in der Ausgrenzungs-Behauptung derFPÖ auch ein �Identitätsangebot für Sozialde-mokraten�80 enthalten war, welches ebenso, wiees Freiheitliche in einer sorgsam gehegten�Bunkerstimmung�81 zusammenschweißte,durchaus auch die Funktion hatte, die Partei-mitglieder, SympathisantInnen und Wähler-schaft anderer Parteien zu festigen (Slogan�Haider verhindern�). Trügerisch an diesemIdentitätsangebot war, dass es im Zuge der fort-schreitenden Wahlerfolge, der machtpolitischmotivierten Bündnisse und der Übernahme frei-heitlicher Forderungen in der Gesetzgebung dergroßen Koalition bereits sehr brüchig wurde,also genau zu der kritischen Zeit, aus der dieRede stammt. Bei der EU-Parlamentswahl zweiWochen zuvor war die FPÖ in drei Bundeslän-dern stimmenstärkste Partei geworden und hat-te gleichzeitig bei der Gemeinderatswahl inWien � erstmals in der Geschichte � die absolu-te SPÖ-Mehrheit gebrochen. Von einem positi-ven Selbstbild als Verteidiger liberaler Werte

war da nicht mehr viel übrig, wobei für die ei-nen wohl eher der mangelnde politische Erfolgim Vordergrund gestanden haben dürfte, fürandere aber auch die Einsicht, dass Haider ihreeigenen unterschwellig vorhandenen xenopho-ben Tendenzen durchaus pointiert formulierte,weil �in heiklen Fragen (...) den kleinen Funk-tionären� die Position der FP oft näher als dieder Parteispitze sei�, wie ein steirischer SP-Funktionär erklärte.82

Was haben aber �emanzipatorisch� gesinnteAbgeordnete für Deutungsmuster parat, um ent-scheiden zu können, ob die von Partik-Pablé an-geführten Fälle tatsächlich als politische Diskri-minierung im Sinne der Menschenrechte zu wer-ten sind oder nicht? Beziehungsweise, wie passtdie angebotene Deutung politischer Verhältnis-se in ihre eigenen Interpretationsrahmen? Eineunklare oder beschränkte Vorstellung davon, wiegesellschaftliche Mechanismen der Aus-grenzung tatsächlich funktionieren, könnte daeine gewisse Empfänglichkeit erklären. Etwa dasberechtigte Kriterium, dass man den Dis-kriminierungsgehalt von Bezeichnungspraktiken(�Neger�, �Zigeuner�, �Ausländer�) am Empfin-den der Betroffenen festmachen könne, reichthier offenbar nicht aus: Eine emotionale Betrof-fenheit der freiheitlichen Abgeordneten und derZwischenrufer über ihr �Ausgegrenztsein� istgerade angesichts der zuvor erwähnten interak-tiven Momente unübersehbar und nicht so leichtals vordergründiges politisches Kalkül zu klas-sifizieren. Partik-Pablés Engagement � als Mut-ter eines behinderten Kindes � ist zumindest imeinen Beispielfall völlig glaubhaft.

Die stereotyp in Abwehrversuchen gebrauchteFormel, die Freiheitlichen würden sich durchihr Verhalten �selbst ausgrenzen�,83 muss hierunangenehm in Erinnerung rufen, dass es einesder gängigsten Rechtfertigungen von fremden-feindlichen Ausgrenzungsmechanismen ist,Zuwanderer selbst für ihre Diskriminierung ver-antwortlich zu machen, da sie eine �schlechteMentalität� hätten (Gotsbachner 2000; 2001).

Auch die in Arbeiten sowohl über die FPÖals auch über Fremdenfeindlichkeit öfter ge-nannten �Wir-Sie-Diskurse� (Wodak 2002) tref-fen das Kriterium nicht, wie zwischen�Ausgrenzung� und �Abgrenzung� unterschie-

473

den werden kann, sie sind in schwächerer Formein weit verbreiteter Bestandteil politischerProfilierung. Cohen (1992) warnt deshalb vorreduktionistischen, sich mit Einzelaspekten be-gnügenden Rassismustheorien. Sie lassen sichrhetorisch umkehren und machen in einem Fallwie diesem nicht entscheidbar, ob hier tatsäch-lich eine �ungerechtfertigte Benachteiligung�besteht. Die Vereinnahmung eines Opferstatusist immerhin eine oft genutzte Strategie der Ver-schleierung eigener aggressiver Tendenzen.

In der Partik-Pablé-Rede geht es wie bei je-der Normalisierungsarbeit darum, die Wieder-erkennung eines ideologisch geprägten Diskur-ses zu durchbrechen und durch Aufgreifen geg-nerischer Diskurselemente die Relevanz der ei-genen Argumente und damit den eigenen, imp-liziten Interpretationsrahmen auch bei jenen zuetablieren, welche nicht der selben politischenAnsicht sind. Das Verfahren funktioniert aufeiner rein diskursiven Ebene der publikums-wirksamen Signale.84 Dass Partik-Pablé hiereinen Antrag zu Fall bringt, der vornehmlichnicht nur die Erhöhung eines Strafrahmens, son-dern auch die Ausweitung eines bestehendenGesetzesschutzes auf Behinderte vorgesehenhätte85 , also auch genau auf den Fall, den sieals Widerlegung der sozialdemokratischenGlaubwürdigkeit anführt, eröffnet sich erst beigenauerer Betrachtung und wird nur von einemFolgeredner erkannt.86

Die entscheidende Frage ist hier, wie man denNormalisierungsversuch dieses rhetorischenVerfahrens systematisch durchbrechen kann, umden ersten Rahmen wieder zugänglich zu ma-chen und den zweiten für Kritik zu öffnen. Au-tomatische Zurückweisung fällt in die Falle,selbst die Reziprozität des Vertrauensvor-schusses und der wechselseitigen Verstän-digungsbemühung (Cicourel 1975) aufzuheben,was gerade auch Vorurteilsdiskurse auszeich-net (Gotsbachner 2002). Die spontanen Zwi-schenrufe sozialdemokratischer Abgeordneterführte Partik-Pablé in diesem Reflex ja rechtwirkungsvoll vor. Effiziente Kritik muss diffe-renzierter ansetzen, um dem Ausgrenzungs-vorwurf zu begegnen.

Das effizienteste Mittel gegen Perspektiven-umkehrung ist wiederum Perspektivenum-

kehrung, d.h. als selbstverständlich einzukalku-lieren, wie die FPÖ unter der Perspektive einergegen Diskriminierung auftretenden freiheitli-chen Abgeordneten aussehen würde: Partik-Pablé für ihr �Zugeständnis�, dass es sich beider Diskriminierung von Zuwanderern und Be-hinderten um �ein sehr gravierendes Problem�(Z.2) handle, zu loben,87 aktiviert damit zuersteinmal ihre eigene Verpflichtung auf dieses ge-meinsame Werteverständnis, auch oder geradeweil es ihrer impliziten Intention zuwiderläuft.Es markiert auch, dass so eine Konzession vonfreiheitlicher Seite keineswegs selbstverständ-lich ist. Eine effiziente Parierung derNormalisierungsstrategie könnte dann systema-tisch anhand von ebenso genauen wie in ihrerAussagekraft weitreichenden Beispielen vonaktuellen Äußerungen und politischen Handlun-gen von Freiheitlichen in Frage stellen, wie ernstPartik-Pablé es mit ihrem Bekenntnis gegenDiskriminierung von Zuwanderern oder poli-tisch verfolgten Flüchtlingen meine, andererseitsauch, was an der �Ausgrenzung� der FPÖ dransei. So naheliegend und oft praktiziert der zweiteSchritt scheint, ohne Aktivierung des erstenInterpretationsrahmens durch Ernstnehmen derEigenverpflichtung und Verknüpfung mit einerebenso konkreten wie auch von Freiheitlichenwiedererkennbaren Beschreibung ihrer eigenenpolitischen Praxis wäre jede Kritik dieser Artwirkungslos, könnte sie doch als weiteres Bei-spiel gelesen werden, das sich in den von Partik-Pablé gesetzten doppelten Interpretations-rahmen einfügt und diesen damit unfreiwilligunterstützt.

Die Analyse verdeutlicht, wie Freiheitlichegegnerische diskursive Repertoires gezielt an-griffen, während sie ihrerseits in den wieder-kehrenden Argumentationsmustern ihrerNormalisierungsstrategien und Selbstdarstellun-gen kaum auf Gegenwehr stießen, und sie sobei bestimmten Schichten verankern konnten.Wie weit diskursive Repertoires auf unwider-sprochenen Vorstellungen der Inanspruchnah-me von Identitäten (z.B. Robin Hood � Haiderals Retter alleinerziehender Mütter und iraki-scher Kinder) und Definitionsmacht (was Partik-Pablé bezüglich Diskriminierung aufgrund derHautfarbe88 und �Klima der Toleranz� � Z.9�

474

11 � sagen kann) beruhen, zeigt, dass es hierauch um eine längere Perspektive geht, die daspolitische Verhalten der Kontrahenten und de-ren Rezeption durch ein heterogenes Publikumberücksichtigt und darauf einzuwirken ver-sucht.89 Möglicherweise verließen manche sichzu sehr darauf, dass sich die Selbstdarstellun-gen der FPÖ von alleine entlarven. Dass An-fang 2000 bloß 30% der österreichischen Wäh-lerInnen neonationalistische und fremden-feindliche Elemente als charakterbestimmendfür die FPÖ sahen (Gingrich 2002), scheint hin-gegen zu belegen, dass diese mit ihrenNormalisierungsstrategien, sich als die �wahr-haft Ausgegrenzten� in Österreich darzustellen,mittelfristig Erfolg hatte.

Schlussfolgerungen

Zu einem Zeitpunkt, wo die FPÖ in derWählergunst anscheinend ebenso exponentiellschrumpft, wie sie zuvor gewachsen ist, scheintein Rückblick angebracht, wie deren Aufstiegmöglich war. Neben anderen öfter genanntenFaktoren, die ich ebenso für wichtig halte (Gold-mann et al. 1991; Plasser/Ulram 1995; Bailer-Galanda/Neugebauer 1997; Reinfeldt 2000;Ötsch 2000; Pelinka 2002), habe ich mich hierauf den Aspekt der Normalisierungsstrategienkonzentriert.

Über der Kritik an xenophoben, chauvinisti-schen und autoritären Vorstößen seitens der FPÖund der Analyse ihrer extremistischen Tenden-zen (Scharsach 1992; Bailer-Galanda/Neu-gebauer 1997) darf nicht übersehen werden,dass ihre Breitenwirkung mehr aus einer Palet-te von Inhalten stammte, die sie nach wechseln-den Opportunitäten aufgreift, wie sehr so einPopulismus auch nur dann funktioniert, wenner bei aktuellen Kernthemen punkten kann, inden 90er Jahren etwa der Zuwanderung bzw.der Artikulation normalisierter Ressentiments.90

Schon früh hatte die Demoskopie ein Sinkenetwa des Ausländerthemas als Wahlmotiv beiFP-AnhängerInnen zugunsten eines �breitenBündels an Motiven�, das eine heterogeneProtestwählerschaft bediente, konstatiert(Plasser/Ulram 1995). Damit will ich keinesfalls

verharmlosen, dass freiheitliche Politiker undPolitikerinnen sich ungehemmt chauvinistischerund fremdenfeindlicher Ressentiments bedien-ten, und darin eine gewichtige Wirkung auf daspolitische und gesellschaftliche Klima in Öster-reich hatten. Es lässt sich auch relativ gut nach-vollziehen, wie derartige Botschaften von derBevölkerung aufgenommen und in die Klatsch-mühlen vorurteilsbeladenen Schimpftratscheseingespeist wurden, welche diskriminierendePraktiken gegen Zuwanderer nähren (Gots-bachner 2000).

Mir ging es hier nicht darum, die Debatte umden �wirklichen� Charakter der FPÖ zwischen�der Wählermaximierung dienenden ideolo-gisch-programmatischen Modifikationen� einesoriginär rechtsradikalen Kerns (Bailer-Galanda/Neugebauer 1997, 48) oder �ihrer weitgehen-den praktischen �Ideologielosigkeit� bzw. demraschen Positionswechsel in politischen Fragen�(Plasser/Ulram 2000, 239) weiterzuführen, son-dern darum, den Umstand zu erklären, wie sichdie FPÖ trotz realpolitisch schwacher Program-me und Leistungen als ernstzunehmender Her-ausforderer der �Altparteien�, als Reformkraftund politische Alternative präsentieren und indiesem Spiel sogar gegnerische Kritik mit ein-spannen konnte.

Die von FPÖ-Politikern und Politikerinneneingeführte und habituell gebrauchte rhetorischeFigur, sie wären von ihren politischen Gegnern�ausgegrenzt� worden, hat als Taktik, welcheihnen eine gewisse Immunisierung brachte, of-fenbar funktioniert. Sie haben damit denDeutungsrahmen öffentlicher Debatten in einerWeise besetzt, die die breitenwirksame Wahr-nehmung ihrer Position zumindest inOppositionszeiten nachhaltig beeinflusste. Dasvon ihnen geprägte und durch beharrliche Wie-derholung im Laufe von über zehn Jahren auchbei unparteiischen Kommentatoren und sogarbeim politischen Gegner �installierte� Schlag-wort �Ausgrenzung� diente dem Zweck, denHauptvorwurf an ihrer diskriminierenden Poli-tik abzuwehren und gleichzeitig durch seineinnere Logik ihren Machtanspruch anzumelden,lange bevor sie den Aufstieg von einer Klein-partei geschafft hatten. Ich habe das hier in denwiederkehrenden Zusammenhängen, in denen

475

das Schlagwort gebraucht wurde, nachgezeich-net.

Die Übernahme einer gewissen Themen-führerschaft geht dem politischen Aufstieg vo-raus. Es wäre falsch zu glauben, aktuelle The-men wären einfach da, so wie manche unter-stellen, die den Aufstieg der FPÖ mit der politi-schen Situation im Österreich des ausgehendenJahrtausends erklären (Plasser/Ulram 1995;Cernin 1997), es braucht immer jemanden, umsie zu etablieren. Es hätte genügend andere ge-sellschaftliche Probleme als �Umvolkungs�-ängste oder Privilegien von Arbeiterkammer-funktionären gegeben, die virulent waren undsind, es aber nicht auf die politische Tagesord-nung geschaffte haben. Jedenfalls ist der Ein-fluss nicht zu unterschätzen, den das größereGeschick der FPÖ, in ihren Inszenierungen undStellungnahmen zur laufenden tagespolitischenDebatte ihre eigenen Interpretationsrahmen derpolitischen Verhältnisse in Österreich zu etab-lieren, auf ihren Erfolg zwischen 1986 und 1999hatte. Solange die FPÖ ihre einzelnenArgumentationslinien auf eine wiedererkenn-bare, in der dauernden Wiederholung etablierte�storyline� ausrichten und nicht an ihrer tatsäch-lichen Regierungsarbeit gemessen werden konn-te, ging sie aus gegnerischen Attacken nichtselten sogar gestärkt hervor.91 Kritik an der FPÖwar dort �...zum Scheitern verurteilt, wo siekeine eigene Sinnstiftung dabei hatte� (Zöch-ling), oder auf solche Muster rekurrierte, dieFreiheitliche im Ausgrenzungs- oder Faschis-muskeulenvorwurf schon antizipierend entwer-tet oder umgekehrt hatten. Das lag daran, dasssie �die Botschaft weiterträgt, auch wenn diesenegativ besetzt wird� (Krammer), anstatt siegrundlegend neu zu rahmen. Noch heute, trotzder Glaubwürdigkeitserosion, welche die FPÖin drei Jahren Regierungsbeteiligung erfuhr,sind bei der nunmehrigen OppositionsparteiSPÖ Schwierigkeiten spürbar, mit Kritik an frei-heitlichen Fehlleistungen und Skandalen(�Spitzelaffäre�, Gaugg) zu punkten, da es ihrnicht gelingt, einen konsistenten Deutungs-rahmen freiheitlicher politischer Äußerungendarum zu etablieren.

Welche Lehren sind nun aus diesem Beispielzu ziehen? Zuerst einmal die Warnung, dass

rechtspopulistische Parteien einen Teil ihrerMobilisierungskraft aus der Empörung ziehenkönnen, die sie bewusst provozieren. Deshalbmuss man die Mechanismen, wie öffentlicheKritik von bestimmter Seite zur Mobilisierungvon Unterstützung einer dafür empfänglichenAnhängerschaft umgekehrt werden kann, auchsehr genau analysieren, um gezielt gegensteu-ern zu können.

Das sehe ich auch als eine Herausforderungan PolitologInnen und SoziolinguistInnen, sichdamit zu beschäftigen, wie die komplexen Stra-tegien des Einbauens von Kritik in einen dis-kursiven Rahmen mit einer Logik, die ihre Wir-kung in das Gegenteil kehrt, funktionieren. DerEffekt, gegnerischen Diskurselementen eine ei-gene Logik überzustülpen, sodass diese Geg-ner beginnen, diesen Deutungsrahmen selbstunfreiwillig zu stützen, bezieht sich auf dennormalisierten Bedeutungshorizont des in öf-fentlichen Debatten verwendeten Sprachge-brauchs, nicht notwendigerweise auf eine Mei-nungs- oder Haltungsänderung. Es ist gerade das�Perfide� an solchen Strategien, dass sie dieBewertung der Haltung des Gegners umdrehenund diesen damit in einem double-bind fangen.Eine tiefergreifende Wirkung haben solche Stra-tegien vor allem auf Dritte, und über den Druckder öffentlichen Meinung wird dann auch dieEtablierung von politischen Inhalten akut.

Normalisierungsstrategien sind Handlungs-perspektiven mittelfristiger Zeithorizonte. Po-litische Ansprüche und Probleme können nurwahrgenommen werden, wenn Akteure sie imDeutungsrahmen der politischen Diskussionverankern, weil jede öffentliche Wahrnehmungauf ihnen basiert (Schön/Rein 1992). PolitischeRhetorik muss auf diese Definitionen der selbst-verständlichen Deutungsvoraussetzungen zie-len, wo Kompetenzverteilungen, Definitions-macht über bestimmte soziale Bereiche sowieschematische Vorstellungen gesellschaftlicherProblemlagen als Hintergrundwissen solcherAuseinandersetzungen verfügbar sind. Sie wer-den durch die Rolle der Medien in der Politikimmer wichtiger und machen eine Untersuchungvon sozialer Macht, wie sie in diesen ideologi-schen Denkvoraussetzungen etablierter Sprech-weisen manifest wird, durch ein diskurs-

476

analytisches Instrumentarium notwendig. Inso-fern gilt es, diskursive Normalisierungs-strategien, die auf die Interpretationsrahmenpolitischer Diskussion abzielen, als wichtigenAspekt politikwissenschaftlicher Forschung zuentdecken.

ANMERKUNGEN

1 Eine frühere Version dieser Arbeit wurde am21.2.2002 auf der Jahrestagung der Forschungs-gruppe �Sprache in der Politik� in Aachen vorgetra-gen, welche Frank Liedtke und Paul Meyer organi-sierten. Methodisch stütze ich mich auf eine Unter-suchung von knapp 250 Artikeln aus Tageszeitun-gen zum Stichwort ,Ausgrenzung� im Zusammen-hang mit der FPÖ (als deren Opfer), und eine genaue,exemplarische Diskursanalyse einer Parlaments-debatte. Die erfassten Tageszeitungen sind KleineZeitung, Kurier, Neue Kronen Zeitung, Ober-österreichische Nachrichten, Presse, SalzburgerNachrichten, Standard, Tiroler Tageszeitung undVorarlberger Nachrichten. Ich bediente mich dabeides Österreichischen Zeitungskorpus, der am Insti-tut für Deutsche Sprache in Mannheim online ver-fügbar ist (http://corpora.ids-mannheim.de/cosmas/) und der Online-Archivsuchen der TageszeitungenPresse (http://www.diepresse.com/services/archiv/default.asp) und Standard (http://derstandard.at/Ar-chiv). Expertengespräche mit PolitikerInnen der ver-schiedenen Parteien und innenpolitischenRedakeurInnen verschiedener Tageszeitungen dien-ten zur Kontextualisierung der Ergebnisse. Ich wer-de doppelte Anführungszeichen durchgängig für be-legte Zitate und wörtlich übernommene Textteile ver-wenden, einfache hingegen für Paraphrasierungenund zugespitzte oder distanziert gebrauchte Ausdrü-cke.

2 Nach Schön/Rein (1994, 23) beruhen politische Po-sitionen auf darunter liegenden Strukturen vonGlaubensvorstellungen, Wahrnehmungen und Ein-schätzungen, die sie �Interpretationsrahmen� nennen.�We see policy controversies as disputes in whichthe contending parties hold conflicting frames. Dis-putes are resistant to resolution by appeal to facts orreasoned argumentation because the partiesconflicting frames determine what counts as a factand what arguments are taken to be relevant andcompelling. Frames that shape policy positions andunderlie controversy are usually tacit, which meansthat they are exempt from conscious attention andreasoning.�

3 Unter Diskursen verstehe ich hier die wiederkehren-den und wiedererkennbaren Formen, in denen ge-sellschaftliche Muster von Bedeutungen sprachlichund pragmatisch reproduziert, d.h. in der Interaktionlaufend weitergegeben oder modifiziert werden

(Donati 1992; Potter 1996; Parker 1999; Slembrouck2001; Gotsbachner 2001). Sie regeln die Prozesse,wie als ,normal� geltende Vorstellungen der sozialenWelt und ihrer Probleme, Rollenverteilungen,Identitätsansprüche etc., von Textproduzenten und -rezipienten in dem mitverstanden, an sozialem Wis-sen ,aufgefüllt� werden, was in der alltäglichen Kom-munikation unausgesprochen bleibt, weil Sprechen-de/Schreibende es eben als selbstverständlich vor-aussetzen. Deutungsrahmen dienen bei diesen Pro-zessen als Schemata, die Fehlendes ergänzen undAmbivalenzen auflösen lassen. Vergl. http://www.ids-mannheim.de/prag/GAIS/analyse/EGInterpretationsrahmenDebatten.pdf .

4 Verschiedene Beobachter sind sich darüber einig,dass Haider trotz mehrfacher Warnungen vom Bruchder kleinen Koalition überrascht, sozusagen �am fal-schen Fuß erwischt� (Krammer) worden war, undsich darüber ungewöhnlich gekränkt zeigte. Sein per-sönliches Gefühl des Ausgegrenztseins stand daherin gewissem Sinne am Anfang seiner bundes-politischen Karriere, wie Kier und Zöchling im In-terview erklären.

5 Die Presse, 29.01.1997: �Laßt Haider arbeiten!�6 Selbst Posten, die nach der Geschäftsordnung des

Parlaments nicht zwingend oppositionellen Parteienzugesprochen werden, wie dritter Nationalrats-präsident, oder Ausschussvorsitz und deren Stellver-tretung, wurden usancenmäßig auch Freiheitlichenzuteil.

7 Betonte Karl Krammer, früher PressesprecherVranitzkys, im Interview. Die genauen Zahlen lauteiner persönlichen Mitteilung der Parlaments-dokumentation vom 16.7.2003 sind 73,0% derGesetzesbeschlüsse für die XVII. GP (1986-1990),57,6% für die XVIII. GP (1990-1994), und 61,5%für die XIX. GP (1994-1996). Erst in der XX. GP(1996-1999) ist die Zahl auf 37,08% gesunken, dieFPÖ hat aber dennoch insgesamt 55,76% der Geset-ze der großen Koalition mitgetragen.

8 Salzburger Nachrichten, 21.12.1991:�In der österreichischen Innenpolitik hat,Ausgrenzung� und ,ausgrenzen� eine ganz bestimm-te, von Jörg Haider geprägte Bedeutung bekommen.Für Haider bedeutet die Weigerung der SPÖ und auchder ÖVP, mit der FPÖ zusammenzuarbeiten,,Ausgrenzung� � im Sinne von unstatthaftem, wider-rechtlichem, in jedem Fall aber undemokratischemFernehalten seiner Partei von der ihr vermeintlichzustehenden Position, etwa in der Bundesregierung.Nationalratspräsident Heinz Fischer hat dem am Frei-tag widersprochen: An dem Verhältnis zwischen sei-ner Partei und der FPÖ sei nichts unstatthaft, nichtswiderrechtlich und schon gar nichts undemokratisch.Es sei für eine Partei völlig legitim, sich ihren Part-ner auszusuchen, wo sie dies in freier Willensbildungtun könne. In den Organen des Nationalrates(übrigens auch in den Proporzregierungen der Län-der) müsse zusammengearbeitet werden, und dortwerde auch zusammengearbeitet. Von �Ausgrenzung�in der Haiderschen Bedeutung könne also keine Rede

477

sein. Wovon die Rede sein kann ist, daß die SPÖsich von der FPÖ abgrenzt � und zwar in aller Ent-schiedenheit.�

9 Etwa schrieben Scharsach (1992, 21): �Seit die ex-treme Rechte ihre Ziele tarnt und ihre einstigen Vor-bilder verleugnet, bröckelt die Front von Abwehr undAusgrenzung.� oder Bailer-Galanda/Neugebauer(1997, 132), dass Vranitzky �...die Haider-FPÖ kon-sequent ausgrenzte, auch um den Preis gewichtigerpolitischer Nachteile.�

10 Volker Kier, Abgeordneter des Liberalen Forums(LiF), der früher selbst FPÖ-Mitglied und Sekretärdes Vizekanzlers Steger war, erklärte im Interview,dass es zwar regelmäßige Zusammenarbeit in Aus-schüssen und bei Abstimmungen gab, manche mitparteiübergreifenden Sondierungsgesprächen gegen-über der Haider-FPÖ aber insofern vorsichtig wa-ren, als man nicht sicher sein konnte, dass von die-sen die dabei ausgetauschten Kontakte an sich odervom Inhalt her missbraucht, das heißt an anderer Stel-le politisch ausgenutzt, umgedreht oder auch enteig-net würden. Die grüne Klubobfrau Petrović betont,dass etwa in der Präsidiale des Nationalrates die Ver-treter aller Parteien außer der Grünen mit Haider perDu waren, es gab auch gemeinsame Reisen bzw.andere gesellschaftliche Veranstaltungen. Rauscherund Zöchling merkten an, dass Freiheitliche an vonverschiedenen Organisationen veranstalteten Podi-umsdiskussionen oft nicht teilnahmen, obwohl siedazu eingeladen waren.

11 Diesen Ausdruck verwendete Mölzer im Interview.Stix antwortete auf die Frage, worin sich dieAusgrenzung am stärksten bemerkbar gemacht habe,nur �in allem�, während Mühlwert und Tscharnutterin der Diskussion jede Kritik an ihren Äußerungenals ,Ausgrenzung� werteten.

12 Da die Volltextrecherchen der Tageszeitungen nichtso weit zurückreichen, kann ich die erste Erwähnungerst 1989 nachweisen, in der Wiener Stadtzeitung�Falter� und den �Oberösterreichischen Nachrichten�,doch verweist die als selbstverständlich gehandhabteVerwendung bereits damals auf eine frühere Verbrei-tung. Die in COSMAS, dem Korpus des Instituts fürdeutsche Sprache in Mannheim gefundenen Daten ausdem Österreichischen Zeitungskorpus liefern wegenSpezifika der Suchmaschine keine zuverlässigen ab-soluten Zahlen, etwa stehen 2 Belege aus �Die Pres-se� für das Jahr 1997 einer im �Presse�-Archiv ge-fundenen Artikelzahl von 14 gegenüber.

13 Wie sogar eine FPÖ-kritische Stimme wie ChristophKotanko im Interview erklärt.

14 Kurier, 07.12.1992: �Dillersberger vor Polit-Come-back�

15 Salzburger Nachrichten, 01.04.1992: �Diskussionnicht am Stammtisch, sondern am Linzer Landes-theater�

16 Sogar noch lange nachdem die rassistischen Hinter-gründe des Bombenanschlags 1995 in Oberwart ein-deutig wurden, mutmaßte Haider, ob sie nicht aufblutige interne Fehden wegen Waffenschiebereienoder ähnlich dunkle Machenschaften innerhalb der

Roma-Gemeinde zurückzuführen wären (InterviewHaiders in den Kärntner Nachrichten vom 27. 7.1995).

17 Mein erster Beleg des Ausgrenzungsvorwurfs, im,Falter� vom 10.11.1989: �Was man sich denkt, mußman nicht unbedingt sagen...�, zitiert den noch ausVor-Haider-Zeiten etablierten Wiener ParadeliberalenHolger Bauer.

18 Kurier, 11.05.1992: �Ein total Liberaler als FP-Klub-direktor�

19 Tiroler Tageszeitung, 03.09.1996: �Haiders Liste mitKnalleffekt��(�) Eigentlicher Knalleffekt ist aber die Nummerzwei: Der eher der Linken zugerechnete PublizistPeter Sichrovsky tritt für Haiders FPÖ an. (...)Sichrovsky: �Stimmungen ändern sich.� Im übrigensei die Ausgrenzung der Freiheitlichen durch die Lin-ke �im Grunde ein faschistoides Verhalten�.Sichrovsky ist überzeugt, daß es eine demokratischeEntwicklung nur durch �radikale Opposition�, wiesie die FPÖ betreibt, geben könne. Deswegen unter-stütze er Haider. (�)�

20 Ötsch (2000, 84) zitiert zu diesem Vorgang RupertLay über �Manipulation durch Sprache�: �...mit derZahl der Wiederholungen einer Behauptung wächstdie Bereitschaft beim Hörenden, die Behauptung alswahr zu akzeptieren. Das gilt für alle Behauptungen,die dem Hörenden nicht auf Anhieb als unwahr er-scheinen. Ist er unsicher (...) kann die Wiederholungdie Sperre der Unsicherheit abbauen und gar ein Feldder Gewissheit über die Wahrheit dieser Aussage le-gen. Ist aber eine Behauptung von einigen akzeptiertworden, dann beschleunigt sich der (...) Prozeß.�

21 Volker Kier im Interview22 Kleine Zeitung, 30.09.1999: �Holprige Wahlhilfen

und plakative Weisheiten�23 Haider verglich die FPÖ im Laufe der Jahre mit Kur-

den, Palästinensern und sogar Juden, sich selbst z.B.auch mit dem gekreuzigten Christus, wobei er regel-mäßig auf seine ,Ausgrenzung� hinwies. Als Beispielsiehe: Salzburger Nachrichten, 25.05.1993: �JörgHaider über Franz Vranitzky��WIEN (SN). FPÖ-Chef Jörg Haider hat Bundes-kanzler Franz Vranitzky als �Nadelstreifen-Faschis-ten� bezeichnet. �Wenn jemand nicht gesprächsbereitist und den politischen Gegner ausgrenzt, dann ist ereinfach unfähig zu einer lebendigen Demokratie�,sagte Haider in einem von der Zeitschrift �Wiener�verbreiteten Interview. Haider: �Entweder ist er feigoder er hat faschistoide Charakterzüge.� Mit Hinweisauf das Dritte Reich antwortete Haider auf die Frage�Und die Juden von heute, das ist die FPÖ?�: �Das istdie FPÖ, ja.��

24 Kier im Interview.25 Kurier, 28.04.1992: �Zur Zeit keine Präferenz der

FP�26 Salzburger Nachrichten, 19.12.1991: �Klestil: Ich bin

wirklich unabhängig�27 Vranitzky im Interview.28 Salzburger Nachrichten, 29.04.1992: �SPÖ Wien

umschmeichelt ,FPÖ-Liberale� und ,Grüne��

478

29 Salzburger Nachrichten, 15.05.1992: �Wahlkampfum Hofburg geht in die entscheidende Phase��(�) Die FPÖ, deren Kandidatin an der Stichwahlam 24. Mai nicht mehr teilnimmt, bemühte sich amDonnerstag nach Kräften, wenigstens in der TV-Dis-kussion vorzukommen. Parteichef Haider hatte amVorabend zwei gleichlautende Briefe an die Kandi-daten versandt, um sie in der TV-Sendung zu Stel-lungnahmen über die FPÖ herauszufordern. Unteranderem wollte Haider wissen, ob Streicher bezie-hungsweise Klestil als Bundespräsidenten denParteienproporz abschaffen und ob sie die FPÖ ,aus-grenzen� würden. Als der ORF bis Donnerstag mittagnicht über die Haider-Briefe berichtet hatte, sprachFPÖ-Generalsekretär Walter Meischberger von ei-nem ,Affront gegenüber den Wählern�. (�)�

30 So auch die Einschätzung Karl Krammers, damalsSprecher Vranitzkys. Stix, der damals Wahlkampf-berater Heide Schmidts war, erklärt im Interview:�Es ging um die simple machtpolitische Überlegung,welcher Bundespräsidentenkandidat im Ernstfall dieFPÖ in eine Regierungskoalition lassen würde.�

31 Tatsächlich wurde sie dann auch von den Sozialde-mokraten parteiintern als Erklärung zur Wahl-niederlage angeführt. Kurier, 27.05.1992: �Wahl-kampf fehlte die Kraft der Stärke�

32 APA-Meldung vom 9.4.1989: �Haider: Gehe in Lan-desregierung��Auf seine Ankündigung, das Verhältnis zur SPÖ ent-krampfen zu wollen, angesprochen, sagte Haider, essei jetzt notwendig, einen Strich zu ziehen und eineStiländerung in der Politik zu versuchen. (...) Zu demvon ihm gebrauchten Vergleich, wonach die SPÖdurch die Ausgrenzung der FPÖ NS-Methoden prak-tiziere, meinte Haider lediglich, ,wie man hineinruft,so hallt es zurück.��

33 Salzburger Nachrichten, 22.05.1993: �NÖ: Pröllschlägt Brücke auch in Richtung der FPÖ.�Ausgrenzung in der Vergangenheit war ein Fehler�

34 Salzburger Nachrichten, 16.04.1994: �Macht oderQuarantäne�

35 Salzburger Nachrichten, 23.04.1994: �Vranitzky:,Keine Pakte mit Haider��

36 Salzburger Nachrichten, 05.09.1992: �VranitzkysWollen und sein�

37 Salzburger Nachrichten, 17.01.1996: �Weichen-stellung für Waltraud Klasnic?�

38 Kurier, 21.04.1996 �FPÖ agiert innerhalb desVerfassungsbogens� Das Statement an sich ist jaeinigermaßen unauffällig, doch erschließt sich erstaus dem Kontext, wie es von einem breiteren Publi-kum verstanden wurde.

39 Der Standard, 08. November 1996: �VP liebäugeltin der Steiermark mit FP und droht in Kärnten mitAusstieg�

40 Der Standard, 14. November 1996: �SPÖ Steiermark:,Verhältnis zur FPÖ neu überdenken��

41 Der Standard, 15. November 1996: �SPÖ-Spitze stelltklar: ,Haben mit FPÖ nichts gemeinsam� Herbe Kri-tik an steirischem Landesgeschäftsführer�

42 Der Standard, 16. November 1996: �Eine wachsen-de Versuchung. Auch in Kärnten findet die SP-Basiszunehmend Gefallen an der FP�

43 Dass Vranitzky von �Wehleidigkeit� spricht, mussunangenehm in Erinnerung rufen, dass �Überemp-findlichkeit� oder �Wehleidigkeit� eine Standard-erwiderung seitens der Mächtigen ist, wenn sich tat-sächlich Diskriminierte gegen gesichtsverletzendeÜbergriffe wehren (Gotsbachner 1999).

44 Der Standard, 05. Dezember 1996: �Politik derBeliebigkeit� von Katharina Krawagna-Pfeifer�Wie Politik zu Beliebigkeit verkommt, wenn Volkes-stimme beziehungsweise jene der vermeintlichen ei-genen Stammtischklientel zur Handlungsanleitungwird, exerzieren zur Zeit vor allem steirische Sozial-demokraten vor. Immer lauter erschallt der Ruf ausdem Süden nach Ende der vielzitierten �Ausgrenzung�der Freiheitlichen, ohne dass die Genossen merken,wie sehr sie mittlerweile die larmoyante Diktion je-ner übernehmen, die ihre vorgeblichen politischenGegner sind. Denn seit Jahr und Tag pflegen die Frei-heitlichen penibel ihr Märtyrerimage als vermeintlichAusgestoßene und verschweigen auf diese Art undWeise gekonnt, dass es eben kein Recht aufRegierungsbeteiligung gibt. Doch nicht nur die Über-nahme des freiheitlichen Vokabulars zeichnet zur Zeitdie steirische Sozialdemokratie aus. Den Aufruf zuinhaltlichen Auseinandersetzungen mit den Positio-nen der Freiheitlichen wurde offenbar gründlichmißverstanden. Nicht anders ist es zu erklären, dassder als tolerant bekannte Grazer Bürgermeister AlfredStingl ein �Anti-Bettler-Gesetz� initiiert hat, das nurzum Ziel hat, den Bewohnern der steirischen Landes-hauptstadt den ihnen möglicherweise nicht sehr an-genehmen Anblick von Bedürftigen zu ersparen. Dasist Populismus in Reinkultur, zumal die bereits gel-tenden gesetzlichen Grundlagen durchaus genügen,um gegen allfällige Straftäter vorgehen zu können.Ob es der SPÖ gelingt, mit dieser Aktion bei den kom-menden Grazer Kommunalwahlen nur eine einzigeStimme von den Freiheitlichen lockerzumachen, istaußerdem überaus fraglich. Diese Strategie ist bereitsmehrmals gründlich danebengegangen, weil etlicheWähler in derartigen Fällen ihr Kreuz lieber gleichbeim Schmied und nicht beim Schmiedl machen.�

45 In meinem Interview stimmte Vranitzky 2002 dieserKritik uneingeschränkt zu

46 Presse, 21.01.1997: �Forderungen an die neue Re-gierung��SJ-Chef Robert Pichler wünscht sich von dem künf-tigen Bundeskanzler Viktor Klima (...): �Kein Auf-weichen der Ausgrenzung der Haider-FPÖ�. Diesstehe für die Sozialistische Jugend �an oberster Stel-le der Forderungsliste��.

47Der Standard, 20. Jänner 1997: �Reaktionen�48 Die Presse, 29.01.1997: �Laßt Haider arbeiten! Die

Stunde der Wahrheit. Die Freiheitlichen wurden vonder Ausgrenzung verdorben. Das Getingel der Wahl-kämpfe dürfte manchen vergessen haben lassen, wiedie Mühen der Ebene aussehen. Gastkommentar vonAndreas Mölzer�

479

49 Der Standard, 03. März 1997: �Wie die F alte Ar-beitsplätze sichern und neue schaffen will�

50 Wie sich auch Kier im Interview erinnert.51 Er erinnert an den sozialistischen Wahlslogan von

1970 �Laßt Kreisky und sein Team arbeiten!� Haiderkultivierte eine kokette Bewunderung für die PolitikKreiskys, als dessen Erbe er sich gerne ausgibt(Zöchling 1999, 89)

52 Die Presse, 31.01.1997: �54 Prozent gegen FP-,Ausgrenzung�. ,Presse�-Umfrage�

53 Die Umfrage behandelt künftige Koalitionsoptionenunter dem ideologischen Schlagwort ,Ausgrenzung�und eröffnet damit, unter welchen Denkvorausset-zungen sie durchgeführt wurde. Wie Befragte ant-worteten, die die ideologische Färbung der Fragenkritisch sahen, bleibt dahingestellt.

54 Unter anderem behaupteten das der langjährige Ge-neralintendant des Österreichischen Rundfunks GerdBacher (Die Presse, 11.10.1999: �Waldheim oder derVerfolgungswahn. Das Ausland als Zeugen gegenÖsterreich zu mobilisieren, ist alte Methodehierzulande.�) oder der dem �Liberalen Forum� nahe-stehende Gastkommentator Christoph Landerer (DiePresse, 30.09.00: �Nach den Sanktionen: Lehren zumUmgang mit der FPÖ�), ein angesehener innenpoli-tischer Kommentator hatte schon Jahre zuvor einBuch über Vranitzky als �Haider-Macher� verfasst(Czernin 1997).

55 �Österreichgespräch� am 15.März 2000. Daran nah-men zwar auch OppositionspolitikerInnen teil, aberunter stark asymmetrischer Aufteilung des Rede-rechtes und der Themenordnung. Ähnliches gilt fürRednerInnen aus dem Saalpublikum. (de Cillia 2003)

56 Die Presse, 5./6. Mai 2000: (Titelseite, erste Schlag-zeile) �Lenkt EU bis Juni nicht ein, kommt eineVolksbefragung.��Die Bundesregierung beschloß am Freitag Maßnah-men gegen die EU-Sanktionen � inklusive einerVolksbefragung im Herbst (...) Im Aktionsprogrammwird auch heftige Kritik an den 14-EU Partnern ge-übt. �Die bewusste Ausgrenzung eines demokratischbewehrten Landes� verletze gerade jene Grundwerteder Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die angeb-lich geschützt werden sollten. Schüssel: �Es wirdlangsam Zeit, dass sich die 14 überlegen, ob sie dereuropäischen Idee nicht schaden.��

57 Als ein Beispiel dafür, dass die ,Maßnahmen� prak-tisch nicht so streng gehandhabt wurden, wie ange-kündigt, und insofern die Bezeichnung ,Sanktionen�nicht rechtfertigen, vergl. Die Presse, 5./6. Mai 2000:(Titelseite, zweite Schlagzeile) �EU Staaten stimm-ten für Österreich. In vier UN-Kommissionen wurdeÖsterreich hineingewählt��WIEN (scu.) Österreich wurde Donnerstag abendin vier wichtige UN-Kommissionen gewählt � undzwar mit Hilfe der USA und ,mehrerer EU-Länder�,wie im Außenamt der ,Presse� bestätigt wurde. (...)Interessant ist dies insofern, da es in der Erklärungder portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft vom 31.Jänner vor der Regierungsbildung in Österreich un-ter anderem heißt, es werde ,keinerlei Unterstützung

für österreichische Kandidaten geben, die sich umPositionen in internationalen Organisationen bewer-ben�.�

58 Interne politische Beobachter führen an, dass die FPÖimmer, wenn sie selbst an der Macht war, die Posten-vergabe an blaue Parteigänger mindestens genausointensiv betrieb wie Volkspartei und Sozialdemokra-ten, von Aufsichtsratsposten in der verstaatlichtenWirtschaft bis zu Schuldirektoren. (Interviews Kier,Zöchling). Haider setzte in seiner ersten Periode alsKärntner Landeshauptmann 1989-1991 auch eineErhöhung der Politikergehälter durch. Die Spesen-regelung seiner Partei, die ihm große Empfänge undReisen zu finanzieren erlaubte, wurde erst vor Kur-zem bekannt.

59 Zöchling meinte, dass die Idee eines ,Schecks�, denman als Stück Freiheit je nach Bedarf einlösen kann,dabei von der gewerkschaftlichen Forderung eines,Bildungsschecks� für Arbeitnehmende kopiert wur-de.

60 Vergl. auch Januschek (1991b: 18): �Haider ist längst,entlarvt�. Je mehr die ÖsterreicherInnen überzeugtsind, daß er ein Rechtsextremer ist, desto dringenderihr Bedürfnis nach handfesten Beweisen; und wasimmer als ,Beweis� angeführt wird, erscheintlediglich als Beweis für seine Raffinesse, nämlichdie, so zu formulieren, daß man ihm nichts nachwei-sen kann.�

61 Haider wörtlich zu seiner Bagdad-Reise am 13.2.02im Mittagsjournal, den Radionachrichten auf Ö1: �Indiesem Fall bin ich aah erstmals vielleicht in mei-nem Leben auch einer Meinung mit dem deutschenAußenminister Fischer, was Sie vielleicht verwun-dern mag, aber ich teile hier seine Meinung. Er sagt:man kann nicht mit unbewiesenen Behauptungen �irgendwelche � Staaten als Böse hinstellen, ah, unddann einen Vorwand � für � rüstungspolitische Initi-ativen zu haben .hh und ich denke � ah davor musssich Europa hüten � dass wir aus der � aus dem ge-meinsamen Kampf gegen Terrorismus einen Frei-schein für die Rüstungspolitik machen. Da gibt es javiele, denen sind die Staaten, die Menschen, dieSchicksale vollkommen egal, denen is ihr großesRüstungsgeschäft wichtig.� Dass Haider in Bagdadvom Waffenproduzenten Glock begleitet wurde, tatseinem Anspruch, es habe sich um eine humanitäreReise gehandelt, keinen Abbruch.

62 So der 1998 aus der FPÖ ausgetretene PolitikerRüdiger Stix im Interview. Für Atomkraft war Haideretwa zur Zeit der kleinen Koalition aufgetreten, wo-bei er sich offen gegen den offiziellen Anti-Atom-Kurs der FPÖ unter dem freiheitlichen VizekanzlerSteger stellte.

63 Helmut Müller (1997, 77), Ex-Parteigänger Haiderskritisierte � wie auch andere im selben Sammelband,der Beiträge aus dem nationalistischen bis offen re-visionistischen ,dritten Lager� vereint � den �zuneh-menden Zick-Zack-Kurs�. Die kritische Sozial-psychologen-Gruppe um Ottomeyer kommt zu ei-nem ähnlichen Ergebnis, dass Haider seine diversenRollen �... in einer solchen Geschwindigkeit und

480

Bruchlosigkeit vorführt, dass er für viele die Hoff-nung auf eine endlich vereinte Identität verkörpert.�(Goldmann/Krall/Ottomeyer 1991, 190)

64 Etwa schrieb Haider nach seinem Irakbesuch unterdem Titel �Doppelmoral in Schwarz/Rot/Grün� ei-nen Gastkommentar in der ,Presse� (16./17.2.02), vondem, was seine Analyse internationaler Politik unddes �militärisch verengten Sicherheitsbegriffs derUSA� anbelangt, �2/3 genauso gut von einem Institutfür internationale Beziehungen verfasst hätte seinkönnen�, wie eine Kritikerin wie Christa Zöchling imInterview durchaus zugibt. Dass das für sie wie ande-ren kritischen Stimmen aus verschiedenen politischenLagern aber nicht aufwiegen kann, dass Haider eineSolidaritätsadresse des österreichischen Volkes an ei-nen des Massenmordes schuldigen Diktator überbrachthat, wird wiederum von Haider und seinen Sympa-thisanten mit dem Hinweis gekontert, auch Kreiskyhätte etwa ,unorthodoxe Nahostpolitik� gemacht.

65 Siehe die abfälligen Passagen über berufstätige Müt-ter aus Haiders Buch �Die Freiheit, die ich meine�(1993, 13), oder, dass außerhalb der EU-Oster-weiterungsfrage kein FP-Engagement gegen Atom-kraft zu merken war.

66 Konstatierten auch Zöchling und Kotanko im Inter-view.

67 Stix, Petrović im Interview.68 Etwa wurde die Drittstaatsklausel, dass Asylanträge

prinzipiell abgelehnt werden, wenn Bewerber auseinem angeblich �sicheren Drittstaat� einreisen, inÖsterreich unter einem sozialdemokratischen Innen-minister erfunden. (Kier, Petrović im Interview)

69 Wie so unterschiedliche Stimmen wie Petrović undMölzer in ihren Interviews erklären. Der heute nurnoch von alteingefleischten Haiderianern vertreteneStandpunkt, sie wären in der schwarzblauen Koaliti-on die �treibende Reformkraft�, stützt sich auf diesesmittlerweile schwindende Selbstbild.

70 Die Presse, 29.01.1997: �Laßt Haider arbeiten! DieStunde der Wahrheit�

71 Im Volltext findet man diese Parlamentsdebatte als16. Tagesordnungspunkt der 43. Sitzung des öster-reichischen Nationalrats, XX. Gesetzgebungsperiode,S.169�179 (wobei die Rede von Partik-Pablé sichvon S.171�173 erstreckt) unter der Webadresse: http://www1.parlinkom.gv.at/pd/pm/XX/NRSP/NRSP_043/NRSP_043.doc, zuletzt abgerufen am18.6.2002.

72 Die Reihung in �die gesamte FPÖ, samt Bundes-parteiobmann� dreht den Sachverhalt der Erklärung,keine Koalition mit der FPÖ unter Haider� um, auchdas Zitat �hat gesagt ... muss ausgegrenzt werden�ist eine Unterstellung, da Vranitzky sich von derVokabel immer distanziert hat.

73 Das angebliche Zitat funktioniert in der Geschichteauch als Hinweis, dass hier eine mutwillige Basisfür dieses Versäumnis vorliege, da die Frau in einersozialdemokratischen nterorganisation mit der Ein-schaltung der Freiheitlichen gedroht habe.

74 �Ich bin gerne bereit und auch interessiert, mich mitdem Fall, den die Kollegin Partik-Pablé hier vorge-

tragen hat, näher auseinanderzusetzen, allerdingsgenügt mir das hier Vorgetragene nicht. Aber es istinteressant.� Stenograph.Protokoll XX/43 S.173.

75 Die Freiheitliche Partei sammelte verwendbaresMaterial über ihre politischen Gegner, das oft genauauf solche antizipierten Einwände gemünzt war. Siehielt sich bewusst mit der sofortigen Veröffentlichungzurück, um sie dann viel wirksamer in Fernseh-diskussionen oder in Parlamentsdebatten mit demnötigen Überraschungsmoment lancieren zu können.Jörg Haider in �TV-Media� 40/1996: �Ich habe (...)ein großes Schatzkästlein mit interessanten Sachen,und vor TV-Auftritten hole ich das eine oder andereGustostückerl heraus. Das hat wesentlich mehr Effi-zienz, als die Informationen laufend in Zeitungen zuplatzieren.�

76 Interviews Kier, Krammer (�FPÖ bringt keine Be-weise und wird auch nicht gefragt�), Petrović, Rau-scher (�Plakative Beispiele ziehen, etwa das mit demSchuldirektor, der säuft, wo sich dann herausstellt,der hatte Leukämie�), Vranitzky (�Die Journalistenhaken nicht nach�)

77 Etwa am 5. Februar 2000 in Erich Böhmes �Talk inBerlin� (Stettner /Januschek 2002). Oder am 13. Jän-ner 2002 in einer Fernsehdiskussion �Betrifft: Rechts-staat in Gefahr?� über den Ortstafelstreit in Kärnten,den Haider in eine Diskussion über die Reform-bedürftigkeit des Verfassungsgerichtshofes umzuge-stalten vermochte, und sogar noch Lob von offenbarunvorbereiteten Beobachtern über seine ,vorbildli-che Minderheitenpolitik� gegenüber den KärntnerSlowenen erntete. Seine Diskussionspartner hattendamals wohl erwartet, auf einen provinziellen Rech-ten zu treffen, erklärt der Journalist Kotanko.

78 Zitate von Volker Kier im Interview.79 http://www1.parlinkom.gv.at/pd/pm/XX/A/his/002/

A00229_.html, abgerufen am 18.2.2002.80 Zitat Krammer im Interview.81 Zitat Kier im Interview.82 Der Standard, 16. November 1996: �Eine wachsen-

de Versuchung: Auch in Kärnten findet die SP-Basiszunehmend Gefallen an der FP�

83 Z.B.: Salzburger Nachrichten, 17.07.1993:�Vranitzky steht eindeutig hinter MinisterAusserwinkler��(..) Die Aussage von FPÖ-Obmann Jörg Haideretwa, Ausserwinkler möge �sich selbst entsorgen�,sei wieder ein Beispiel dafür, wie sich der �Führer�(so Vranitzky) der Freiheitlichen selbst ausgrenze.�

84 Es unterscheidet sich von gewissenhafteren Ausein-andersetzungen mit politischen Positionen nurdadurch, wie weit es die ,gegnerischen� Inhalte selbsternst nimmt. In vorausschickenden Zugeständnissengegenüber gegnerischen Argumentationen jenen,Rapport� zu erzielen, der einem das Gehör der An-deren eröffnet, ist notwendige Voraussetzung für je-den politischen Dialog, die Selbstverpflichtung aufund konsistente Verarbeitung der widerstrebendenArgumente hingegen das Kriterium, das eine seriöseDebatte entweder nur suggeriert, oder diese auch tat-sächlich führt. In diesem Zusammenhang ist es wohl

481

interessant, dass Freiheitliche regelmäßig die Enteig-nung gegnerischer �Zugeständnisse� betrieben haben,wenn sie diese in politischen Reden aufgriffen, inForm von polemischen Absicherungen wie �Ihr Bun-deskanzler Klima hat selbst schwere Fehler in derZuwanderungspolitik zugegeben� (PeterWestenthaler in einer Rede im Wr. Gemeinderat vom21.3.1997), ihre eigenen rhetorischen Zugeständnis-se aber von ihren politischen Gegnern kaum gegensie verwendet wurden.

85 http://www1.parlinkom.gv.at/pd/pm/XX/A/his/002/A00229_.html, abgerufen am 18.2.2002: �Außerdemwird der Straftatbestand auf jene Fälle erweitert, indenen Behinderte in der umschriebenen Weise dis-kriminiert werden.�

86 Stenograph. Protokoll XX/43 S.173: AbgeordneterDr. Volker Kier (Liberales Forum): �Ich glaube, wirsind uns alle einig: Dieses Gesetz zielt genau daraufab, das, was die Kollegin Partik-Pablé hier in denRaum gestellt hat, künftighin unter eine angemesse-ne Verwaltungsstrafe zu stellen.� Dass andere die-sen Aspekt nicht aufgreifen, liegt wohl auch daran,dass sich ihre Kritik, etwa wie die der � selbst behin-derten � Grünen Abgeordneten Haidlmayer, vor al-lem gegen die ÖVP richtet, die in diesem Gesetzes-vorhaben ,umgefallen� war. In den Materialen heißtes noch, dass �eine Umsetzung des Antrages in die-ser Legislaturperiode relativ rasch möglich sein müss-te�

87 Nach dem ,Knittelfelder Putsch� im September 2002und dem Zusammenbruch der ersten blau-schwar-zen Koalition war es bezeichnend, wie freiheitlicheMandatare ihre ehemalige Frontfrau Riess-Passer mitdem Satz diskreditierten �Wer von der GegenseiteLob bekommt, kann nicht für unsere Anliegen sein�.

88 Gerade Partik-Pablé fiel 1999 im Parlament durchdie offen rassistische Bemerkung über �Schwarz-afrikaner� auf, �sie sind meistens Drogendealer, undsie sind ungeheuer aggressiv�. Stenogr. Prot. XX./168 S.85.

89 Die Diskussion um den Freiheitlichen ReinhartGaugg, der trotz fehlender Eignungen in eine leiten-de und fast unkündbare Position der Pensions-versicherungsanstalt gehievt werden sollte, zeigte,dass es für die Sozialdemokraten deshalb so schwerwar, mit ihrer Kritik an diesem Vorgang durchzu-dringen, weil sie jahrelang unter genau der Kritik derFreiheitlichen standen, sie würden sich durch Posten-schacher an der Macht halten. Jeder solche Versuchrichtet sich bei einer breiten Bevölkerungsschichtautomatisch gegen sie, indem sie für die Situationder parteipolitischen Postenvergabe verantwortlichgemacht werden, solange es ihnen nicht gelingt, sichüber ihr eigenes Klientel hinaus die Definitionsmachtdarüber zu erarbeiten, über solche Vorkommnisserichten zu können, was erst durch mittelfristigeImagepolitik erreichbar ist.

90 Zitat Stix im Interview: �Populismus betreiben alle,bei Haider hats funktioniert, weil er beim entschei-denden Thema ,Ausländer� gepunktet hat. Sich fürden Bauernbund, die Pensionen der Eisenbahner oder

einen Kinderscheck einzusetzen, können alle ande-ren auch.�

91 Vranitzky erklärte im Interview, 5.6.2002: �Das spieltsich so ab, dass wasweissich � Der X sogt irgendwasum 12.15 im Mittagsjournal und um 12.40 ham dieeine pampige Aussendung über die APA, gegen das.Na das hat keine andere Partei. Das gibt�s nicht. Na?(...) Ich hab des oft erlebt und erlitten, die Freiheitli-chen starten irgendeinen Angriff � oder nein: wirhaben einen Angriff auf sie gestartet. Im selbenMittagsjournal war schon die Antwort da. Die habeneinen Angriff auf uns gestartet, über irgendeinen �irgendeine Unzukömmlichkeit im � weissich �Müllverbrennungsanlage in Vöcklabruck, wenn�s diegibt � uuund geschossen. Bis meine Leute und ichden in Vöcklabruck erwischt haben, der dazu wassagen kann, war der Nachmittag weg, und dann warndie Zeitungen zu und die Redaktionsschlüsse usw..Also da haben sie aus der Ghettoisierung, aus derBedrängnis heraus sehr schlagkräftig reagiert,allerdings nur mit wenigen Leuten. Weil sie nichtmehr gehabt haben. Die Regierungsfähigkeit ihrerMannschaft das hamma seitn Februar 2000 gesehen,is schwach, nicht? Also da is eine immense Lücke,eine immense Diskrepanz, wo am Anfang sich dieLeut gedacht haben, na wenn die in die Regierungkommen, mit der Durchorganisierung und mit demperfekten Management der raschen � des quickresponse � Des hams nicht gehabt.�

EXPERTENGESPRÄCHE

Volker Kier, früher Nationalratsabgeordneter undMinderheitensprecher des Liberalen Forums, vor1986 Sekretär des FPÖ-Vizekanzlers Steger;18.3.2002.

Christoph Kotanko, Innenpolitikchef der TageszeitungKurier; 29.4.2002.

Karl Krammer, Medienconsulter, ehemaliger Pressespre-cher des SPÖ Bundeskanzlers Vranitzky; 17.4.2002.

Andreas Mölzer, Berater Jörg Haiders, Herausgeber derrechtskonservativen Wochenschrift �Zur Zeit�, frü-her freiheitlicher Bundesrat und Leiter der freiheitli-chen Parteiakademie; 9.7.2002.

Monika Mühlwert, Bezirksrätin der FPÖ in Wien Neu-bau; 7.3.2001.

Madeleine Petrović, grüne Nationalratsabgeordnete,langjährige Klubobfrau der Grünen; 10.5.2002.

Hannes Rauscher, Leitartikelkolumnist der Tageszeitung�Der Standard�, früher Chefredakteur des �Kurier�;15.5.2002.

Rüdiger Stix, ehemaliger freiheitlicher Gemeinderat inWien, nach dem sog. �Demokratievertrag� 1998 ausder FPÖ ausgetreten; 16.5.2002.

Michael Tscharnutter, Bezirksobmann der FPÖ in WienNeubau; 7.3.2001.

Franz Vranitzky, österreichischer Bundeskanzler a.D.;5.6.2002.

482

Christa Zöchling, Redakteurin der Wochenzeitung�profil�, Autorin einer Haider-Biographie; 9.4.2002.

LITERATUR

Bailer-Galanda, Brigitte (1995). Haider wörtlich. Füh-rer in die Dritte Republik, Wien.

Bailer-Galanda, Brigitte/Wolfgang Neugebauer (1997).Haider und die Freiheitlichen in Österreich, Berlin.

de Benoist, Alain (1985). Kulturrevolution von Rechts.Gramsci und die Nouvelle Droite, Krefeld.

Blommaert, Jan/Jef Verschueren (1998). DebatingDiversity: Analysing the Discourse of Tolerance,London.

Cicourel, Aaron V. (1975). Sprache in der sozialen In-teraktion, München.

Cohen, Philip (1992). �It�s Racism what Dunnit�: HiddenNarratives in Theories of Racism, in: James Donald/Ali Rattansi (Hg.): Race, Culture and Difference,London, 62�103.

Czernin, Hubertus (1997). Der Haider-Macher: FranzVranitzky und das Ende der alten Republik, Wien.

de Cillia, Rudolf (2003). �Wie kommen eigentlich wirdazu, von der EU so schlecht behandelt zu werden?�Österreich�gespräch� und Opferthese, in: HelmutGruber/Florian Menz/Oswald Panagl (Hg.): Spracheund politischer Wandel, Frankfurt.

Donati, Paolo R. (1992). Political Discourse Analysis,in: Mario Diari/Ron Eyerman (Hg.): StudyingCollective Action, London, 136�167.

Edelman, Murray (1976). Politik als Ritual: die symbo-lische Funktion staatlicher Institutionen und politi-schen Handelns, Frankfurt/M.

Fowler, Roger (1991). Language in the News. Discourseand Ideology in the Press, London.

Gingrich, Andre (2002). A Man for all Seasons: Ananthropological Perspective on Public Represenattionand Cultural Politics of the Austrian Freedom Party,in: Ruth Wodak/Anton Pelinka (Hg.): The HaiderPhenomenon in Austria, New Brunswick.

Goldmann, Harald/Hannes Krall/Klaus Ottomeyer(1991). Jörg Haider und sein Publikum. Eine sozial-psychologische Untersuchung, Klagenfurt/Celovec.

Gotsbachner, Emo (1999). Identitätspolitik. Ausländer-bilder als symbolische Ressource in Schlichtungs-verhandlungen, in: Christa Pelikan (Hg.):Mediationsverfahren. Jahrbuch für Rechts- undKriminalsoziologie 1999, Baden-Baden, 189�239.

Gotsbachner, Emo (2000). Schimpfklatsch und fremden-feindliche Normalität, in: Josef Berghold/ElisabethMenasse/Klaus Ottomeyer (Hg.): Trennlinien. Ima-gination des Fremden und Konstruktion des Eige-nen, Klagenfurt/Celovec, 47�76

Gotsbachner, Emo (2001). Xenophobic Normality. TheDiscriminatory Impact of Habitualised DiscourseDynamics, in: Discourse & Society, 12/6, 729�759.

Gotsbachner, Emo (2002). Claim for Reciprocity: Pro-blems of Challenging Prejudiced Discourse in Daily

Interaction, in: Crossroads of Language, Interactionand Culture (CLIC) Vol. 4, University of California,Los Angeles, 93�114.

Gotsbachner, Emo (2003). Deutungsrahmen politischerFernsehdiskussionen. in: GesprächsanalytischesInformationssystem, online am Institut für deutscheSprache, Internet: http://www.ids-mannheim.de/prag/GAIS/InterpretationsRahmenGliederung.php

Gramsci, Antonio. (1984). Notizen zur Sprache undKultur, Leipzig.

Gruber, Helmut (1988) Der kleine Mann und die altenParteien. Zum Sprachgebrauch J. Haiders 1973�87,in: Journal für Sozialforschung, 28/1, 137�145.

Hannerz, Ulf (1992). Cultural Complexity. Studies inthe Social Organisation of Meaning, New York.

Hanks, William F. (1996). Language and CommunicativePractice, Boulder.

Januschek, Franz (1991a). Rechtspopulismus und NS-Anspielungen am Beispiel des österreichischen Po-litikers Jörg Haider, Dortmund.

Januschek, Franz (1991b). Der rechtspopulistische Dis-kurs in Österreich, in: Margaret und Siegfried Jäger(Hg.): Aus der Mitte der Gesellschaft IV, Dortmund.

Kallmeyer, Werner/Reinhold Schmitt (1996). Forcierenoder: Die verschärfte Gangart, in: Kallmeyer, Werner.(Hg.): Gesprächsrhetorik, Tübingen.

Kallmeyer, Werner (2001). Perspektivenumkehrung alsElement des emanzipatorischen Stils in Migran-tengruppen, in: E.-M. Jakobs/A. Rothkegel (Hg.):Perspektiven auf Stil, Tübingen, 401�422.

McHoul, Alec/Wendy Grace (1993). A Foucault Primer.Discourse, Power and the Subject, New York.

Müller, Helmut (1997). Patriot im Zwielicht, in: Rolf-Josef Eibicht (Hg.): Jörg Haider. Patriot im Zwie-licht? Stuttgart, 71�82.

Ötsch, Walter (2000). Haider light � Handbuch für De-magogie, Wien.

Parker, Ian (Hg.) (1999). Critical Textwork. AnIntroduction to Varieties of Discourse and Analysis,Buckingham.

Pelinka, Anton (2002). Die FPÖ in der vergleichendenParteienforschung. Zur typologischen Einordnungder Freiheitlichen Partei Österreichs, in: ÖZP, 31/3,281�290.

Plasser, Fritz/Peter A. Ulram (1995). Wandel der poli-tischen Konfliktdynamik: Radikaler Rechts-populismus in Österreich, in: Wolfgang C. Müller/Fritz Plasser/Peter A. Ulram (Hg.): Wählerverhaltenund Parteienwettbewerb, Wien, 471�503.

Potter, Jonathan (1996). Representing Reality. Dis-course, Rhetoric and Social Construction, ThousandOaks.

Reinfeldt, Sebastian. (2000). Nicht-wir und Die-da. Stu-dien zum rechten Populismus, Wien.

Reisigl, Martin/Ruth Wodak (2001). Discourse andDiscrimination. Rhetorics of Racism and Anti-semitism, London.

Rosenberger, Sieglinde K./Christian Stöger (2002).�...eine freie Meinung äußern dürfen...� Zum Vor-und Umfeld von Jörg Haiders Aschermittwochrede2001, in: Anton Pelinka/Ruth Wodak (Hg.): �Dreck

483

am Stecken� � Politik der Ausgrenzung, Wien, 75�92.

Ruzza, Carlo E./Oliver Schmidtke (1993). Roots ofsuccess of the Lega Lombarda, in: West EuropeanPolitics 16/2, 1�23.

Scharsach, Hans-Hennig (1992). Haiders Kampf, Wien.Schön, Donald/Martin Rein (1994). Frame Reflection.

Towards the Resolution of Intractable PolicyControversies, N.Y.

Slembrouck, Stef (2001). Explanation, Interpretation andCritique in the Analysis of Discourse, in: Critique ofAnthropology 21/1, 33�57.

Stettner, Kerstin/Franz Januschek (2002). Entlarven �ein Handlungsmuster des populistischen Diskurses(am Beispiel der Haider-Talkshow von und mit ErichBöhme), in: conflict & communication online, Vol.1, No. 1 (www.cco.regener-online.de).

Wodak, Ruth (2002). Discourse and Politics. TheRhetoric of Exclusion. in: Ruth Wodak/Anton Pelinka

(Hg.): The Haider Phenomenon in Austria, NewBrunswick, 33�60.

Zöchling, Christa (1999). Haider. Licht und Schatteneiner Karriere, Wien.

AUTOR

Emo GOTSBACHNER. Promovierte über nicht-staatliche Rechtsmechanismen mit Feldforschungen inOstafrika und in Wien. Forschungsauftrag des Wissen-schaftsministeriums über Identitätspolitik und normali-sierte Formen von Fremdenfeindlichkeit. Neuer Arbeits-schwerpunkt: Deutungsrahmen in politischen Streitge-sprächen.

Kontakt: Institut für Politikwissenschaft, Universitäts-strasse 7, A�1010 Wien.

E-mail: [email protected]