oralchirurgisch relevante gefäß-nervenbündel und deren

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Diplomarbeit Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren knöcherne Begrenzungen im symphysennahen interforaminalen Teil der Mandibula eingereicht von Dr. med. univ. Matthias Fischer zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Zahnheilkunde (Dr. med. dent.) an der Medizinischen Universität Graz ausgeführt am Institut für Anatomie unter der Anleitung von Prof. Dr. Weiglein Andreas Graz, am 19.12.2014

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Page 1: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

Diplomarbeit

Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und

deren knöcherne Begrenzungen im symphysennahen

interforaminalen Teil der Mandibula

eingereicht von

Dr. med. univ. Matthias Fischer

zur Erlangung des akademischen Grades

Doktor der Zahnheilkunde

(Dr. med. dent.)

an der

Medizinischen Universität Graz

ausgeführt am

Institut für Anatomie

unter der Anleitung von

Prof. Dr. Weiglein Andreas

Graz, am 19.12.2014

Page 2: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

i

Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde

Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den

benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich

gemacht habe.

Graz, am 19.12.2014 Dr. Matthias Fischer eh.

Page 3: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

ii

Danksagungen

An dieser Stelle möchte ich mich recht herzlich bei meinem Betreuer Herrn Prof. Dr.

Andreas Weiglein bedanken, der mir bei meiner Arbeit stets mit Rat und Tat zur Seite

stand und damit maßgeblich am reibungslosen Ablauf meines Studienabschlusses beteiligt

war.

Die Tatsache überhaupt studieren zu dürfen verdanke ich meinen lieben Eltern, Dr.

Thomas und Ingrid Fischer, die mich seit meiner Geburt in all meinem Tun unterstützten

und mir in jeder Phase meines Lebens wichtigen Rückhalt boten.

Zu guter Letzt danke ich meiner Freundin Stephanie und all meinen Freunden, durch die

das Studium und das Leben in Graz so einzigartig und unvergesslich geworden sind.

Page 4: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

iii

Zusammenfassung

Zahlreiche Studien befassten sich mit der Beschreibung, Darstellung und Vermessung

diverser Strukturen des Unterkiefers. Während der Nervus alveolaris inferior in seinem

Verlauf vom Eintritt am Foramen mandibulae bis zum Austritt am Foramen mentale, seine

Variationen, seine Darstellbarkeit und seine klinische Bedeutung in der Literatur relativ gut

beschrieben sind, so ist die Region zwischen den beiden Foramina mentalia

(Interforaminalregion) des Unterkiefers im Vergleich nur sehr spärlich untersucht.

Diese Arbeit soll unter anderem klären ob ein röntgenologisch deutlich sichtbarer Canalis

incisivus mandibulae tatsächlich ein ausgeprägtes neurovaskuläres Bündel beinhaltet bzw.

ob auch bei im konventionellen Röntgen nicht sichtbaren Kanälen solch ein Gefäß-Nerven-

Strang besteht. Außerdem soll geprüft werden, ob bei zahnlosen PatientInnen ein

neurovaskuläres Bündel persistiert oder im Laufe der Zeit durch das Fehlen seiner

Zielorgane degeneriert. Diese Frage ist insofern von Interesse, als beim zahnlosen

Unterkiefer eine Implantatversorgung mit zwei, meist jedoch vier oder auch sechs

interforaminal gesetzten Implantaten, eine sehr häufig praktizierte Therapieoption darstellt.

Die Gefahr bei diesem Eingriff das Gefäß-Nervenbündel zu verletzen soll ebenfalls

untersucht werden.

Zur Klärung dieser Fragestellung wurden im Zuge der Diplomarbeit insgesamt .33.

Unterkiefer aus der Präparatesammlung des Instituts für Anatomie der Medizinischen

Universität Graz in unterschiedlicher Darstellungsweise präpariert und die relevanten

Daten morphometrisch erhoben.

In sämtlichen Präparaten konnte ein Gefäß-Nervenbündel (Nervus incisivus mandibulae)

identifiziert werden von dem aus einzelne Äste in die Region der ehemaligen Zielorgane,

der Zähne, ziehen. Außerdem war ein charakteristischer Verlauf dieses Gefäß-

Nervenstranges ausgehend vom Foramen mentale nach mesial feststellbar.

Unterschreitet ein Unterkiefer eine bestimmte Gesamthöhe, dieser Grenzwert richtet sich

nach der geplanten Implantatlänge, so sollte vor der geplanten Einbringung von

Implantaten eine dreidimensionale Bildgebung erfolgen. Dies ermöglicht häufig eine

Analyse des Verlaufes des Nervus incisivus mandibulae und durch Änderung der

Implantatposition, -angulation, oder -länge könnte so eine Verletzung des Nerven im Zuge

der Implantatversorgung vermieden werden.

Page 5: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

iv

Abstract

Numerous studies have dealt with the description, visualisation and measurement of

various structures of the mandible. While the course of the inferior alveolar nerve from its

entry at the mandibular foramen to its exit at the mental foramen, its variations,

identification and its clinical relevance are well described in literature, the region between

the two foramina mentalia (interforaminal region) of the mandible has been investigated

only comparatively sparsely.

This work aims to clarify whether a radiographically clearly visible mandibular incisive

canal actually contains a distinct neurovascular bundle or if such a neurovascular strand

consists even if there is no visible canal in a conventional X-ray. It will also address

whether a neurovascular bundle persists in edentulous patients or degenerates due to the

absence of its target organs over time. This question is of interest, as implant treatment

with two, but usually four or six interforaminally placed implants, is a very commonly

used therapeutic option in the treatment of edentulous mandibles. The risk of violating the

neurovascular bundles during this intervention shall also be examined.

To clarify this issue in the course of this thesis a total of 33 mandibles from the collection

of the Institute of Anatomy at the Medical University of Graz were prepared in different

techniques and the collected data was analysed morphometrically.

In all preparations a neurovascular bundle (mandibular incisive nerve) could be identified

from which individual branches move into the region of the former target organs, the teeth.

In addition, a characteristic course of the neurovascular bundle was detected, starting from

the mental foramen heading mesially.

If the total height of a lower jaw is below a certain limit, which depends on the planned

implant lentgh, a three-dimensional image should be taken prior to the operation. This

often allows the analysis of the course of the mandibular incisive nerve and by changing

the implant position, -angulation, or length a violation of the nerve can be avoided in the

course of implant treatment.

Page 6: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

v

Inhaltsverzeichnis

Danksagungen ....................................................................................................................... ii

Zusammenfassung ................................................................................................................ iii

Abstract ................................................................................................................................. iv

Inhaltsverzeichnis .................................................................................................................. v

Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................ vii

Tabellenverzeichnis .............................................................................................................. ix

1 Einleitung ...................................................................................................................... 1

2 Allgemeiner Teil ............................................................................................................ 1

2.1 Anatomische Grundlagen ....................................................................................... 1

2.1.1 Die knöcherne Mandibula ............................................................................... 1

2.1.2 Der Nervus mandibularis ................................................................................. 6

2.1.3 Versorgungsgebiete des Nervus alveolaris inferior ....................................... 10

2.1.4 Erkennung des Foramen mentale in der Bildgebung .................................... 11

2.1.5 Anterior Loop ................................................................................................ 12

2.1.6 Canalis incisivus mandibulae ........................................................................ 17

2.1.7 Versorgungskonzepte des unbezahnten Unterkiefers .................................... 19

2.2 Fragestellung ......................................................................................................... 20

3 Material und Methoden ............................................................................................... 21

3.1 Materialien ............................................................................................................ 21

3.1.1 Auswahl der Präparate anhand des Bezahnungszustandes ............................ 21

3.1.2 Auswahl der Präparate anhand der Konservierungsmethode ........................ 21

3.1.3 Präparationstechniken .................................................................................... 22

3.1.4 Röntgenologische Untersuchung ................................................................... 23

3.1.5 Morphometrische Datenerhebung ................................................................. 23

3.1.6 Statistische Auswertung ................................................................................ 24

Page 7: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

vi

4 Ergebnisse – Resultate ................................................................................................. 24

4.1 Ergebnisse der röntgenologischen Untersuchung ................................................. 24

4.1.1 Panoramaaufnahmen der unbezahnten Mandibeln ........................................ 24

4.1.2 Panoramaaufnahmen der bezahnten Mandibeln ............................................ 27

4.2 Ergebnisse der Aufhellungspräparate ................................................................... 30

4.3 Ergebnisse der morphometrischen Datenerhebung bei 10 nach Thiel konservierten

Hemimandibeln mit dem Diamantschleifer ..................................................................... 31

4.4 Ergebnisse der plastinierten Präparate .................................................................. 38

4.5 Darstellung des knöchernen Canalis incisivus mandibulae unter dem Mikroskop

41

5 Diskussion ................................................................................................................... 44

6 Conclusio ..................................................................................................................... 48

7 Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 49

Page 8: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

vii

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Knöcherne Mandibel bezahnt; Ansicht von links ........................................... 2

Abbildung 2: Knöcherne Mandibel bezahnt; Ansicht von vorne .......................................... 2

Abbildung 3: Vollbezahnte Mandibula mit Alveolarfortsatz; ............................................... 3

Abbildung 4: Radiologische und schematische Resorptionsklassen des Unterkiefers.......... 5

Abbildung 5: Unbezahnte, stark atrophierte Mandibula ....................................................... 5

Abbildung 6: Canalis mandibulae; Präparat aus der Sammlung des anatomischen Institutes

Graz ....................................................................................................................................... 6

Abbildung 7: Hemimandibel rechts; Foramen mandibulae ................................................... 8

Abbildung 8: Präparat Mandibula mit N. dentalis und N. mentalis ...................................... 9

Abbildung 9: Schema einer Mandibula mit N. dentalis und N. mentalis .............................. 9

Abbildung 10: Endaufzweigungen des Nervus mentalis zur sensiblen Versorgung von Haut

und Schleimhaut .................................................................................................................. 11

Abbildung 11: Panoramaaufnahme zur Darstellung des anterioren Loops ......................... 14

Abbildung 12: CT-Scan zur Darstellung des anterioren Loops .......................................... 15

Abbildung 13: Seziertes Humanpräparat; Darstellung des anterioren Loops ..................... 16

Abbildung 14: Versorgungskonzept zahnloser Unterkiefer ................................................ 20

Abbildung 15: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 25

Abbildung 16: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 26

Abbildung 17: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 26

Abbildung 18: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 26

Abbildung 19: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 26

Abbildung 20: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 26

Abbildung 21: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 26

Abbildung 22: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 26

Abbildung 23: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 26

Abbildung 24: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 26

Abbildung 25: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 26

Abbildung 26: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 27

Abbildung 27: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 27

Abbildung 28: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 27

Abbildung 29: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 27

Abbildung 30: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 28

Abbildung 31: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 29

Page 9: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

viii

Abbildung 32: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 29

Abbildung 33: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 29

Abbildung 34: Panoramaaufnahme ..................................................................................... 29

Abbildung 35: Orthopantomogramm einer ausgetrockneten isolierten Mandibel; Foramen

mentale markiert .................................................................................................................. 30

Abbildung 36: Hemimandibel beschliffen; Interforaminal ................................................. 32

Abbildung 37: Hemimandibel beschliffen; Übersicht ......................................................... 32

Abbildung 38: Hemimandibel beschliffen; Interforaminal ................................................. 32

Abbildung 39: Hemimandibel beschliffen; Übersicht ......................................................... 32

Abbildung 40: Hemimandibel beschliffen; Interforaminal ................................................. 32

Abbildung 41: Hemimandibel beschliffen; Übersicht ......................................................... 32

Abbildung 42: Hemimandibel beschliffen; Interforaminal ................................................. 33

Abbildung 43: Hemimandibel beschliffen; Übersicht ......................................................... 33

Abbildung 44: Plastinierte Mandibel von Schädel abgesetzt .............................................. 39

Abbildung 45: Plastinierte Mandibel mit Schleifgerät bis Foramen mentale präpariert ..... 39

Abbildung 46: Plastinierte Mandibel mit Schleifgerät vom Foramen mentale distalwärts

präpariert; Nervus alveolaris inferior sichtbar ..................................................................... 40

Abbildung 47: Plastinierte Mandibel mit Schleifgerät vom Foramen mentale weiter

mesialwärts präpariert; Nervus alveolaris inferior und Nervus incisivus mandibulae

erkennbar ............................................................................................................................. 40

Abbildung 48: Plastinierte Mandibel mit Diamantdrahtsäge geschnitten; Ansicht von

okklusal; Darstellung Nervus incisivus mandibulae ........................................................... 41

Abbildung 49: Aufnahme knöcherner Canalis incisivus mit dem Mikroskop .................... 42

Abbildung 50: Aufnahme knöcherner Canalis incisivus mit dem Mikroskop bei

Durchleuchtung ................................................................................................................... 43

Page 10: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

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Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Resorptionsklassen des Unter- und Oberkiefers nach Cawood und Howell ........ 4

Tabelle 2: Anteil an PatientInnen mit bestehender anteriorer Schleife; Länge der anterioren

Schleife ................................................................................................................................ 12

Tabelle 3: Vermessungsprotokoll von nach Thiel konservierten Hemimandibeln unbezahnt.

............................................................................................................................................. 36

Page 11: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

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1 Einleitung

2 Allgemeiner Teil

2.1 Anatomische Grundlagen

Im Folgenden werden die Schwerpunkte der anatomischen Erläuterungen auf den Bereich

des bezahnten und unbezahnten Unterkiefers gelegt, da diese Arbeit ihr Hauptaugenmerk

auf die Region zwischen den beiden Foramina mentalia (Interforaminalregion) richtet.

2.1.1 Die knöcherne Mandibula

Grundsätzlich besteht die Mandibula aus einem parabolisch gekrümmten Körper, Corpus

mandibulae, den paarig angelegten aufsteigenden Unterkieferästen, Rami mandibulae und

den von diesen Ästen abzweigenden Fortsätzen, Processus condylares und Processus

coronoidei. Am Corpus mandibulae sind eine Basis mandibulae und eine dieser Basis

kammartig aufgesetzte Pars alveolaris zu unterscheiden. Diese Pars alveolaris ist als

funktioneller Knochen der Zähne zu sehen und entwickelt sich dementsprechend erst mit

dem Zahndurchbruch.(1)

Page 12: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

2

Abbildung 1: Knöcherne Mandibel bezahnt; Ansicht von links

(1)

Abbildung 2: Knöcherne Mandibel bezahnt; Ansicht von vorne

(1)

In Bezug auf die knöcherne Mandibula ist folglich die Unterscheidung zwischen

vorhandener Dentition und zahnlosem Unterkiefer wesentlich. Gehen aus etwaigen

Gründen Zähne verloren, so bildet sich in diesem Bereich die Pars alveolaris durch die

fehlende funktionelle Beanspruchung zurück.(1)

Page 13: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

3

Eine oralchirurgisch bedeutsame Struktur stellt das beidseits im Unterkiefer angelegte

Foramen mentale dar. Durch dieses tritt der Nervus mentalis, als Endast des Nervus

alveolaris inferior und die Vasa mentalia. Die Position, Zahl, Form und Größe des

Foramen mentale variiert individuell sehr stark. Beim bezahnten Unterkiefer ist das

Foramen in der Regel oval bis rund und apikal des zweiten Unterkiefer-Prämolaren in der

Mitte des Kieferkörpers gelegen. Austrittspunkte des Nervus mentalis werden jedoch vom

Eckzahn bis zum ersten Molaren beschrieben.(2)(1)

2.1.1.1 Lokalisation des Foramen mentale:

In den meisten Fällen liegt das Foramen mentale coronaler als der Mandibularkanal.(3)(4)

Agthong et al. definierten die Position des Foramens 28mm hinter der Mittellinie der

knöchernen Mandibula und 14 bis 15mm über dem Unterrand.(5)

Ähnliche Zahlen finden Neiva et al. in ihren Untersuchungen.(2)

Mraiwa et al. beschreiben die Lokalisation des Foramen mentale als mittig zwischen

Alveolarrand und Unterrand des Unterkiefers, wobei dies wesentlich beeinflusst sein kann

durch atrophiebedingten crestalen Knochenverlust.(6)

Abbildung 3: Vollbezahnte Mandibula mit Alveolarfortsatz;

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

Page 14: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

4

Beim unbezahnten Kiefer wandert das Foramen bedingt durch die Atrophie der Pars

alveolaris stetig weiter nach kranial und kommt schließlich frei am oberen Kieferrand zu

liegen.(1)

Cawood und Howell klassifizierten die Atrophie des Unter- und Oberkieferknochens nach

Zahnverlust auf Basis einer randomisierten Querschnittsstudie an 300 Humanpräparaten.

Anhand ihrer Ergebnisse konnten sie zahnlose Kiefer in sechs Resorptions-

beziehungsweise Atrophieklassen unterteilen. (siehe Abbildung 4 und Tabelle 1)

Sie fanden außerdem, dass im Zuge der Resorptionsvorgänge nach Zahnverlust die Basis

von Maxilla und Mandibula annähernd unverändert bleibt, während der Alveolarfortsatz in

vorhersagbarer Art und Weise signifikant in vertikaler wie auch in horizontaler Richtung

ab- und umgebaut wird. Eine solche Klassifikation soll die Beschreibung bestehender

Knochenverhältnisse erleichtern und zudem als Planungsgrundlage für implantat-

prothetische Behandlungskonzepte dienen, da sowohl die Anzahl, die Position und der

Durchmesser von Implantaten als auch die prothetische Versorgung dieser Implantate vom

vorhandenen Knochenangebot abhängen.(7)

Tabelle 1: Resorptionsklassen des Unter- und Oberkiefers nach Cawood und Howell

Klasse 1 Bezahnt

Klasse 2 Unmittelbar nach Zahnverlust

Klasse 3 Gut gerundeter Kieferkamm mit adäquater Höhe und Breite

Klasse 4 Messerscharfer Kieferkamm mit adäquater Höhe und inadäquater Breite

Klasse 5 Flacher Kieferkamm mit inadäquater Höhe und Breite

Klasse 6 Hochatrophe Kammform mit teils negativen Kieferkämmen

(8)

Page 15: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

5

Abbildung 4: Radiologische und schematische Resorptionsklassen des Unterkiefers

(9)

Fishel et al. prüften in ihrer Arbeit die Lage des Foramen mentale in der vertikalen Ebene

(okkluso-appikal) in Bezug auf den ersten bzw. zweiten Prämolaren. Dieses lag, soweit es

aufzufinden war, in 38,6% koronal des Apex, in 15,4% in Höhe des Apex und in 46,0%

apikal des Apex bei den ersten Prämolaren. Bei den zweiten in 24,5% koronal des Apex, in

13,9% am Apex und in 61,6% apikal des Apex.(4)

Abbildung 5: Unbezahnte, stark atrophierte Mandibula

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

Page 16: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

6

Proximal dieses Foramens läuft der Nervus alveolaris inferior im Canalis mandibulae und

bildet dort den Plexus dentalis inferior. Streng genommen handelt es sich hierbei nicht um

einen Kanal sondern eine Rinne, da aus dem Plexus dentalis inferior Rami dentales

inferiores an die Unterkieferzähne abgegeben werden und so cranial keine knöcherne

Begrenzung besteht.

Abbildung 6: Canalis mandibulae; Präparat aus der Sammlung des anatomischen Institutes Graz

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

Den Eintritt des Nervus alveolaris inferior in den Kanal bildet das Foramen mandibulae,

welches zwischen der Lingula mandibulae und dem Ligamentum sphenomandibulare

liegt.(1)

2.1.2 Der Nervus mandibularis

Der Nervus trigeminus tritt aufgeteilt in zwei Stränge, der Portio major und der wesentlich

dünneren Portio minor, am vorderen Umfang des Brückenarmes hervor. Die Portio major

besteht rein aus sensiblen, die Portio minor ausschließlich aus motorischen Nervenfasern.

Durch eine Entbündelung der sensiblen Fasern entsteht im sogenannten Meckel´schen

Raum die Pars triangularis. Diese wird begrenzt vom Rand des Ganglion semilunare, aus

dessen konvexer Fläche die drei Hauptäste des Nerven hervortreten. Die motorische Portio

minor bleibt stets selbstständig und legt sich dem dritten Ast an.(10)

Page 17: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

7

Im Folgenden wird lediglich auf den dritten Ast des Nervus trigeminus eingegangen, dem

Nervus mandibularis, auch als V1 bezeichnet und hier insbesondere auf den Nervus

alveolaris inferior.

Der Nervus mandibularis verlässt den knöchernen Schädel durch das Foramen ovale

gemeinsam mit der Portio minor. Nach seinem Durchtritt teilt sich der Nerv in seine drei

Hauptäste auf: Nervus auriculotemporalis, Nervus alveolaris inferior und Nervus lingualis.

Hierbei ist der Nervus auriculotemporalis ein reiner Hautnerv und die anderen beiden

überwiegend Schleimhautnerven. Die Portio minor versorgt als Nervus masticatorius die

Kaumuskeln und einige andere kleinere Muskeln des 1. Kiemenbogens. Knapp unterhalb

des Foramen ovale gehen einige kleinere Äste direkt aus dem Nervus mandibularis ab, sind

jedoch für diese Arbeit unwesentlich. Kurz erwähnt sei hier dennoch der Nervus buccalis,

der ebenso in dieser Höhe vom Hauptstamm abgeht. Auf seinem Weg durchzieht er den

Musculus pterygoideus lateralis oder verläuft zwischen ihm und dem Musculus

pterygoideus medialis zum unteren Teil des Musculus buccinator. Diesen durchbohrt er mit

zahlreichen Ästen und versorgt schließlich die Wangenschleimhaut, die buccale Gingiva

und das Periost zwischen lateralem Schneidezahn und Trigonum retromalare und auch das

des aufsteigenden Astes bis zum Ansatz des Musculus temporalis. Außerdem innerviert er

noch einen Teil der Haut am Vorderrand des Musculus masseter.(10)

Als stärkster der drei Äste des Nervus mandibularis tritt der Nervus alveolaris inferior,

nachdem er zwischen Musculus pterygoideus lateralis und –medialis gezogen ist,

gemeinsam mit der Arteria alveolaris inferior zwischen Ramus mandibulae und

Ligamentum sphenomandibulare in den Canalis mandibulae.(10)

Page 18: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

8

Abbildung 7: Hemimandibel rechts; Foramen mandibulae

(11)

Die bislang beschriebenen anatomischen Gegebenheiten entsprechen der gängigen

Lehrmeinung der meisten anatomischen Lehrbücher. Das Institut für Anatomie an der

Medizinischen Universität Graz untersuchte in der Arbeit „Histology and intramandibular

course of the inferior alveolar nerve“ den Canalis mandibulae und dessen Inhalt näher. Die

Arbeitsgruppe konnte zeigen, dass in das Foramen mandibulae bereits zwei separate

Nervenstränge in den Canalis mandibulae eintreten. Entgegen der langläufigen

Lehrmeinung ist es nicht der Nervus alveolaris inferior respektive nach dem Austritt aus

dem Foramen mentale der Nervus mentalis der Rami dentales zu den jeweiligen Zähnen

abgibt, sondern der Nervus dentalis. Somit laufen über die gesamte Länge des Kanales

zwei Nerven: Der Nervus mentalis und der Nervus dentalis. Letzterer verläuft in ganz

charakteristischer und stets konstanter Weise um den Nervus mentalis herum.(12)

Diese Lagebeziehung soll anhand der nächsten beiden Abbildungen deutlich gemacht

werden.

Page 19: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

9

Abbildung 8: Präparat Mandibula mit N. dentalis und N. mentalis

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

Abbildung 9: Schema einer Mandibula mit N. dentalis und N. mentalis

Wadu et al. beschreiben in ihrer Arbeit, dass sich der Nervus alveolaris inferior in der

Molarenregion in den Nervus mentalis und die Nervi. incisivi teilt.(13)

Der N. mentalis läuft im gleichnamigen Kanal weiter nach cranial und tritt gemeinsam mit

Blutgefäßen aus dem Foramen mentale aus.

Studien konnten zeigen, dass mesial des Foramen mentale ein Canalis incisivus

mandibulae als Verlängerung des Canalis mandibularis weiterläuft.(14)(15)

Page 20: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

10

Bei ca. 1% der PatientInnen teilt sich der Canalis mandibularis entweder in einer

horizontalen oder vertikalen Ebene, was somit auch mehrere Foramina mentalia

bedingt.(2)

Zahlreiche Studien die sowohl die vertikale als auch die horizontale Lage des Foramen

mentale untersuchten kamen zu dem Schluss, dass große Variationen vor allem auch

zwischen unterschiedlichen Rassen bestehen. Die Tatsache, dass die Foramina mentalia

auch coronal der Apices meist der Prämolaren liegen könnten, sollte demnach unbedingt

bei der Planung von dentalen Implantaten berücksichtigt werden um Nervenschädigungen

vorzubeugen.(2)

2.1.3 Versorgungsgebiete des Nervus alveolaris inferior

Der Nervus alveolaris inferior versorgt sensibel durch Bildung des Plexus dentalis aus dem

Nervus dentalis die Zähne des Unterkiefers. Nach dem Durchtritt des Nervus mentalis

durch das Foramen mentale laufen noch sensible Fasern weiter zum Eckzahn und zu den

Schneidezähnen und je nach Lage des Foramen mentale auch zum ersten Prämolaren des

Unterkiefers.(1)

Ob diese Fasern als Strang weiterlaufen von dem Äste zu den jeweiligen Zähnen abgehen,

oder bereits aufgespaltene Äste im Trabekelwerk zu ihrem Zielorgan Zahn laufen und wie

sich diese Situation nach Extraktion der Frontzähne in der Interforaminalregion verändert

ist Teil der Fragestellung dieser Arbeit und soll anhand verschiedener Designs an

Humanpräparaten geklärt werden.

In der Regel treten drei Äste aus dem Foramen mentale aus. Einer innerviert die Haut um

das Kinn, die anderen beiden die Haut der Unterlippe, die bukkale Schleimheut und die

Gingiva bis zum zweiten Prämolaren zurück.

Benachbarte Gewebe um den Eckzahn und um die Schneidezähne können auch vom

Nervus mentalis innerviert sein.(2)

Page 21: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

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Abbildung 10: Endaufzweigungen des Nervus mentalis zur sensiblen Versorgung von Haut und Schleimhaut

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

2.1.4 Erkennung des Foramen mentale in der Bildgebung

Untersuchungen mit der Fragestellung der eindeutigen Erkennung des Foramen mentale in

verschiedenen bildgebenden Verfahren kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen.

Mit Hilfe konventioneller Panoramaufnahmen wurde in einer Studie von Jacobs et al. das

Foramen mentale zwar in ca. 94% gefunden, eindeutig und klar konnte es jedoch nur in ca.

49% der Fälle gesehen werden.(16). Ähnliche Zahlen lieferten auch andere Autoren.

Anhand von Kleinbildern konnten Foramina mentalia in 75% (17) bzw. in einer anderen

Untersuchung in lediglich 46,8% der Fälle gefunden werden.(4)

Als mögliche Ursachen für die Schwierigkeiten das Foramen mentale auf Röntgenbildern

eindeutig identifizieren zu können existieren verschiedene Erklärungsmodelle. Zum einen

kann die Unterscheidung zwischen Foramen mentale und Trabekelwerk Probleme bereiten,

zum anderen bieten dünne Mandibeln kaum Kontrast auf Röntgenbildern, oder die linguale

Page 22: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

12

Kortikalis ist so stark, dass das Foramen mentale zu keiner radiologisch sichtbaren

Dichteänderung führt.(2)

Außerdem können ungenaue Kopfpositionen bei Panoramaröntgenaufnahmen und

Neigungswinkel bei Kleinbildern zu Verzerrungen führen, die eine Identifizierung der

korrekten Lage des Foramen mentale erschweren.(2)

In Bezug auf die radiologische Vermessung von Knochen cranial zum Foramen mentale

können weder anhand von Panorama- noch von Kleinbildaufnahmen präzise Aussagen

getroffen werden. Computertomogramme mit einer durchschnittlichen Messdiskrepanz von

0,2 mm erzielen hierbei die genauesten Messergebnisse.(2)

2.1.5 Anterior Loop

Als anteriore Schleife (anterior loop) bezeichnet man eine intraossäre Ausdehnung des

Nervus alveolaris inferior nach anterior bevor der Nerv wieder weiter posterior als Nervus

mentalis durch das Foramen mentale austritt.(2)

Zahlreiche Publikationen beschäftigten sich mit der Darstellung und Vermessung dieser

anterioren Schleife und bedienten sich dabei unterschiedlicher bildgebender Verfahren und

Methoden. Folgende Tabelle soll die gefunden, teils stark voneinander abweichenden

Ergebnisse darstellen.(2)

Tabelle 2: Anteil an PatientInnen mit bestehender anteriorer Schleife; Länge der anterioren Schleife

Autor Technik % Fallzahl Länge der Schleife

Jacobs et al.7 CT scan 7 230 -

Rothman49 CT scan - - 10mm (Einzelbild)

Misch48 Panoramaröntgen 12 - Bis zu 3mm

Misch and Crawford50 Panoramaröntgen 12 324 Mittel: 5mm

Jacobs et al. Panoramaröntgen 11 545 -

Arzouman et al. Panoramaröntgen 56+

25 Durchschn. Länge mit

Knochenmarker 4,17mm+ ohne

2,69+

76*

- Mit 4,64mm* ohne 2,75mm

*

Bavitz et al. Humanpräparat 11 35#

Längste Schleife 1mm

24 Im Mittel 0,2mm; Zwischen 0,0mm

und 1,0mm bei bezahnter Gruppe

23 0mm bei unbezahnter Gruppe

Page 23: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

13

Kleinbild 54 35 Im Mittel 2,5mm; Zwischen 0,0mm

und 7,5mm bei bezahnter Gruppe

Im Mittel 0,6mm; Zwischen 0,0mm

und 2,0mm bei unbezahnter

Gruppe

Rosenquist Humanpräparat 26 58 In 13 Fällen 0,5mm; in zwei Fällen

1mm; Im Mittel 0,15mm

Kieser et al. Humanpräparat 0 56 -

Kuzmanovic et al. Humanpräparat 37 22 Von 0,11mm bis 3,31mm

Kleinbild 27 22 Von 0,5mm bis 3,0mm

Mardinger et al. Humanpräparat 28 46 Von 0,4mm bis 2,19; nur einer

mehr als 2,1mm

Kleinbild 19 46 Von 0,5mm bis 2,95; nur einer

mehr als 2,1mm

Neiva et al. Humanpräparat 88 22 Im Mittel 4,13mm; Von 1,0mm bis

11,0mm

Solar et al. Humanpräparat 59 37 Im Mittel 1,0mm; Von 0,5mm bis

5,0mm

+ = Panelipse; * = Orthoralix; # = bezogen auf 35 von 47 präparierten Mandibeln, von denen Kleinbilder gemacht

wurden.(2)

Um die Prävalenz und die Länge der anterioren Schleife zu untersuchen kamen folgende

Methoden zum Einsatz: Panoramaaufnahmen von PatientInnen, Panoramaaufnahmen von

Humanpräparaten unter Einsatz eines Markers, Kleinbilder von Humanpräparaten und CT

Aufnahmen von PatientInnen und Humanpräparaten. In der Tabelle wird ersichtlich, dass

verschiedene diagnostische Methoden und zum Teil abweichende Definitionen des

anterioren Loops zu teils sehr unterschiedlichen Ergebnissen führen.(2)

2.1.5.1 Panoramaaufnahmen

Jacobs et al. konnten hierbei mit Hilfe eines Panoramaröntgens bei 11% der untersuchten

PatientInnen eine anteriore Schleife finden, gaben jedoch keine Angabe zur Länge des

Loops an. Misch und Crawford beobachteten, ebenfalls unter Verwendung von

Panoramaaufnahmen, bei 12% der PatientInnen eine Schleife mit durchschnittlich 5mm

Länge ohne Angabe der Grenzwerte. Arzouman et al. nutzten für ihre Studie zwei

unterschiedliche Panoramaröntgengeräte und verglichen die jeweiligen Aufnahmen einmal

Page 24: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

14

mit und einmal ohne radioopaken Marker bei insgesamt 25 anatomischen

Trockenpräparaten. Dabei fanden sie eine anteriore Schleife in 56% (Panelipse) bzw. 76%

(Orthoralix). Die durchschnittliche Länge der Loops variierte ohne Marker zwischen

2,69mm (Panelipse) und 2,75mm (Orthoralix) und mit radioopaken Markern zwischen

4,17mm (Panelipse) und 4,64mm (Orthoralix).(2)

Arzouman et al. bedienten sich zur Vermessung des anterioren Loops noch einer weiteren

Technik. Sie inserierten ein 2mm durchmessendes polyethylen Röhrchen in den mesialen

Aspekt des Foramen mentale bei anatomischen Trockenpräparaten. Dabei ermittelten sie

eine durchschnittliche Länge des Loops von 6,95mm. Hierbei nahmen sie an, dass der

Durchmesser des Röhrchens mit 2mm denjenigen des Canalis incisivus übersteigt und

somit die Penetration mesial des Foramen mentale genau die Länge der anterioren Schleife

wiederspiegelt. Jacobs et al. ermittelten jedoch bei der Auswertung von 230 CT Scans von

menschlichen Mandibeln einen durchschnittlichen vertikalen Durchmesser des Canalis

incisivus von 4,7mm und bukko-lingual von 3,7mm. Daraufhin folgerten Rosenquist und

Kuzmanovic, dass die von Arzouman angeführten großen Längen des anterioren Loops auf

die Penetration in den Canalis incisivus zurückzuführen sind.(2)

Abbildung 11: Panoramaaufnahme zur Darstellung des anterioren Loops

(18)

Page 25: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

15

2.1.5.2 CT- Scans

Jacobs et al. konnten bei 7% von 230 untersuchten PatientInnen eine anteriore Schleife

anhand von CT- Scans identifizieren. Rothman beschreibt das radiologische

Erscheinungsbild des anterioren Loops als achter-Figur. Er behauptet es gäbe zwei

Kreuzungsstellen des canalis mandibularis im Knochen, wobei ein unterer Anteil nach

vorne und ein oberer nach hinten zieht. Außerdem beschreibt er, der Loop ist bis zu 10 mm

lang.(2)

Abbildung 12: CT-Scan zur Darstellung des anterioren Loops

(19)

2.1.5.3 Sezierte Humanpräparate

Die anatomische Präparation von humanen Mandibeln bietet den höchsten Evidenzlevel

zur Darstellung eines anterioren Loops des Nervus mentalis. Zudem lassen sich durch die

Sektion von Mandibeln Rückschlüsse auf die Aussagegenauigkeit von radiologischen

Untersuchungen ziehen.(2)

Page 26: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

16

Abbildung 13: Seziertes Humanpräparat; Darstellung des anterioren Loops

(20)

Solar et al. identifizierten in ihrer Studie bei 60% (22 von 37) der sezierten Mandibeln

einen anterioren Loop, verglichen ihre Ergebnisse jedoch nicht mit radiologischen

Untersuchungen. Die Länge der Schleife lag hierbei zwischen 0,5mm und 5mm, im Mittel

bei 1mm. Dieser Mittelwert bezieht sich allerdings auf alle 37 Mandibeln, schließt

demnach auch die Unterkiefer ein, bei denen kein Loop gefunden wurde, und ist demnach

als zu niedrig einzuschätzen. Als Konsequenz ihrer Studie empfehlen Solar et al. bei der

Implantation im interforaminalen Bereich einen Sicherheitsabstand von 6mm anterior zum

Foramen mentale einzuhalten um Schädigungen des Nervus mentalis vorzubeugen.(2)

Neiva et al. sondierten in ihrer Arbeit die mesiale kortikale Wand des Foramen mentale um

so das Vorhandensein und die Länge des anterioren Loops zu untersuchen. Dabei wiesen

sie bei 88% der 22 Präparate eine anteriore Schleife nach mit einer durchschnittlichen

Länge von 4,13mm (von 1mm bis 11mm). Wiederum könnte die unbeabsichtigte

Penetration in den Canalis incisivus die hohe Inzidenz und die große Länge der Schleife

bedingen.(2)

Rosenquist fand in seiner Arbeit bei 24% der 58 sezierten Mandibeln eine vordere Schleife

mit einer mittleren Länge von 0,15mm. Dabei hatten 13 Mandibeln einen 0,5mm langen

Loop und bei 2 Mandibeln betrug die Länge 1mm. Keiser konnte bei seiner Untersuchung

von 56 Unterkiefern keine messbare Schleife finden.(2)

Page 27: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

17

Bravitz et al. verglichen in ihrer Arbeit die Ergebnisse von Kleinbildern mit sezierten

humanen Mandibeln. Mit Hilfe von Kleinbildaufnahmen konnten sie in 54% der

untersuchten 35 Unterkiefer einen anterioren Loop entdecken. Lediglich bei 11% dieser 35

Fälle konnte ein anteriorer Loop durch die Sektion am Humanpräparat verifiziert werden.

Die Längen variierten zwischen 0,0 und 7,5mm im Kleinbild und zwischen 0,0 und 1,0mm

nach der Sektion. Ihre Empfehlung lautet Implantate in einem Mindestabstand von 1mm

mesial des Foramens zu setzen.(2)

Mardinger beschreibt ebenso eine schwache Korrelation zwischen einer radiologischen

und anatomisch sezierten Darstellungen des Nervus mentalis. 70% der anatomisch

gefundenen Loops erschienen nicht im radiologischen Bild. Zudem lieferten die

Kleinbilder 40% falsch-positive Befunde, konnten demnach durch die anatomische

Präparation nicht nachgewiesen werden. Ein Grund für diese hohe Zahl an falsch-positiven

Befunden könnte die Verwechslung des Anfanges des Canalis incisivus mit einem

tatsächlichen anterioren Loop sein. Die Länge betrug hierbei zwischen 0,5 und 2,95mm auf

den Röntgenbildern und zwischen 0,4 und 2,19mm am Humanpräparat.(2)

2.1.6 Canalis incisivus mandibulae

Der Canalis incisivus mandibulae stellt eine weitere bedeutende anatomische, respektive

chirurgisch relevante Struktur dar. In der Literatur wird er für gewöhnlich als

Verlängerung des Mandibularkanals nach anterior beschrieben und beinhaltet ein

neurovaskuläres Bündel. Die Länge, Form, Existenz und der Verlauf dieses Kanals wird

jedoch sehr kontrovers diskutiert.(14)

Jacobs et al. befassten sich in ihrer Arbeit einerseits mit der Erkennung des Canalis

incisivus mandibulae und anderer anatomischer Strukturen (Canalis mandibulae, Foramen

mentale, Foramen linguale und anteriore Schleife) der intraforaminalen Region auf CT-

Scans und andererseits mit der radiologischen Beschreibung seines Verlaufes und seiner

Größenverhältnisse. Dieser CT-Untersuchung ging eine Pilotstudie voraus, bei der 24

halbe Mandibeln von Leichen zuerst radiographiert und anschließend in unterschiedlicher

Höhe geschnitten wurden. In dieser Studie war ein Canalis incisivus mandibulae in 22 von

24 Fällen eindeutig zu erkennen.(21)

Folgende Parameter wurden anhand von Schnittbildern ermittelt: Vertikaler und bukko-

lingualer Durchmesser der äußeren Kontur, Durchmesser der inneren Kontur und der

Page 28: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

18

Abstand der unteren Kanalkontur zum unteren knöchernen Rand der Mandibel. Schließlich

wurde der Verlauf des Canalis incisivus mandibulae noch einer von drei Subgruppen

zugeordnet: mittleres 1/3, oberes 1/3 und unteres 1/3.

Anhand der insgesamt 230 in dieser Studie untersuchten Mandibeln kam die Arbeitsgruppe

um Jacobs auf folgende Ergebnisse:

Im Spiral CT-Scan konnte ein Mandibularkanal in 98% der Fälle identifiziert werden,

allerdings nur bei 37% mit guter Sichtbarkeit. Das Foramen mentale war in allen Fällen zu

finden, 97% davon gut erkennbar. Bei 7% der Mandibeln war außerdem ein anteriorer

Loop zu verzeichnen. Das Foramen linguale war sichtbar in 82%, obgleich nur zu 17% klar

ersichtlich. Der Canalis incisivus mandibulae wurde bei 93% der Fälle erkannt mit einer

klaren Sichtbarkeit von 22%. Er erscheint im CT-Scan als rundes, strahlendurchlässiges

Gebilde inmitten des trabekulären Mandibularknochens umrundet von einem radioopaken

Rand, der die Kanalwand repräsentiert.(21)

Der Verlauf des Kanals wird beschrieben als leicht abwärts gerichtet beginnend vom

Foramen mentale bis zur Symphysenregion der Mandibel. Ab der Höhe des zentralen

unteren Schneidezahns konnte in keinem der 230 Fälle ein klar definierter Kanal gefunden

werden. 55% der Kanäle verliefen hierbei im unteren Drittel der Mandibel, der Rest im

mittleren Drittel.

Der mittlere vertikale und bukko-linguale Durchmesser der äußeren Kontur und der

Durchmesser der inneren Kontur betrugen 4,7mm, 3,7mm und 1,1mm mit den jeweiligen

Standardabweichungen 1,1mm, 0,7mm und 0,3mm. Der Abstand vom Unterrand der

Mandibel zum Unterrand der äußeren Kontur betrug im Mittel 7,6mm,

Standardabweichung war 2,2mm. Es wurde auch untersucht ob die Parameter Geschlecht

und Alter Einfluss auf die Sichtbarkeit oder die Lokation und den Verlauf haben. Es

konnte kein Zusammenhang gefunden werden.

Als eine der Konsequenzen dieser Arbeit geht in der Diskussion hervor, dass ein großer

Canalis incisivus mandibulae ein ebenso voluminöses neurovaskuläres Bündel beinhalten

könnte. Dies könnte sowohl Einflüsse auf eine erfolgreiche Osseointegration haben, als

auch zu postoperativen sensorischen Dysfunktionen führen, falls ein dentales Implantat

oder die Präparation des Implantatbettes das neurovaskuläre Bündel quetscht, zerreißt oder

in anderer Form negativ beeinflusst.(21)

Mraiwa et al. untersuchten in ihrer Arbeit ebenfalls die Existenz und den Verlauf des

Canalis incisivus mandibulae anhand von unterschiedlichen Röntgenaufnahmen und

anatomischen Schnittpräparaten. Sie fanden einen makroskopisch sichtbaren Kanal in 96%

Page 29: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

19

der 50 untersuchten Unterkiefer. Im Mittel befand sich der Kanal in 9,7mm Abstand zum

Unterkieferunterrand mit einer Standardabweichung von 1,8mm. Der Verlauf hin zur

Unterkiefersymphyse wird als leicht abwärts gerichtet beschrieben. In der Mitte der

Unterkiefersymphyse konnte in nur 18% der untersuchten Mandibeln ein Canalis incisivus

mandibulae gefunden werden.

Der Mittlere innere Durchmesser des Kanals betrug 1,8mm mit einer Standardabweichung

von 0,5mm und war nahe dem Foramen mentale am größten. In 91% der Fälle wies der

Kanal eine deutliche kortikale Begrenzung auf.

Mit Hilfe von okklusalen Röntgenbildern und Kleinbildern konnte der Canalis incisivus

mandibulae nicht identifiziert werden. Die Darstellung des Kanals mittels

Orthopantomogramm gelang bei 50% der untersuchten Präparate.

CT-Bilder lieferten sehr genaue Darstelllungen des Canalis incisivus mandibulae. In 96%

der Fälle konnte ein Kanal gefunden werden, mit 50% guter, 41% mäßiger und 5%

schlechter Sichtbarkeit.(14)

2.1.7 Versorgungskonzepte des unbezahnten Unterkiefers

Versorgungskonzepte des zahnlosen Unterkiefers reichen von Schleimhaut getragenen

Totalprothesen über abnehmbare Prothesen auf der Basis von dentalen Implantaten

unterschiedlicher Anzahl und verwendeter Suprastruktur bis hin zu festsitzenden

Lösungen.

Da sich diese Arbeit auf die interforaminale Region und die Auswirkungen gesetzter

Implantate in diesem Bereich bezieht, wird im Folgenden der Goldstandard zur

Versorgung eines unbezahnten Unterkiefers an der Abteilung für Zahn-, Mund- und

Kieferheilkunde im LKH Graz erläutert.

In der Regel werden vier Implantate, seltener auch sechs, interforaminal gesetzt. Dabei

sollten die distalen Implantate möglichst weit distal zu liegen kommen um entstehende

Kaukräfte gut zu verteilen und um den entstehenden Hebel zwischen Kauzentrum, welches

sich in Regio 6 befindet, und distalen Implantaten klein zu halten. Außerdem sollten die

mesialen Implantate voneinander und auch von den distalen Implantaten möglichst weit

entfernt liegen. Abhängig von der Bildgebung ist ein Mindestabstand von 6mm mesial zum

Foramen mentale für die Osteotomie einzuhalten um den Nervus alveolaris inferior bzw.

Page 30: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

20

den Nervus mentalis nicht zu verletzen. Das Foramen mentale wird standardmäßig vor der

Osteotomie chirurgisch dargestellt.

Abbildung 14: Versorgungskonzept zahnloser Unterkiefer

Patientenfall Prof. Lorenzoni M. Graz

Anschließend werden je nach Primärstabilität der Implantate und Risikosituation der/des

Patientin/en die Implantate entweder sofortversorgt oder sie heilen drei Monate offen oder

geschlossen ein. In beiden Fällen ist in der Regel nach erfolgreicher Einheilung eine

definitive Versorgung nach drei Monaten möglich. Zumeist wird, solange dies aufgrund

der individuellen Risiko- und Hygienesituation der/des Patientin/en möglich ist, ein

zahnloser Unterkiefer an der Abteilung für Zahn,- Mund- und Kieferheilkunde am LKH

Graz festsitzend mit einer verschraubten Kunststoffbrücke versorgt. Die Zahnreihe wird

dabei beidseits bis zum 1.Molaren aufgestellt.

2.2 Fragestellung

Diese Arbeit soll unter anderem klären ob ein röntgenologisch deutlich sichtbarer Canalis

incisivus mandibulae tatsächlich ein ausgeprägtes neurovaskuläres Bündel beinhaltet bzw.

ob auch bei im konventionellen Röntgen nicht sichtbaren Kanälen solch ein Gefäß-Nerven-

Strang besteht. Außerdem soll geprüft werden, ob bei/m zahnlosen PatientInnen ein

Page 31: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

21

neurovaskuläres Bündel persistiert oder im Laufe der Zeit durch das Fehlen seiner

Zielorgane degeneriert. Diese Frage ist insofern von Interesse, als beim zahnlosen

Unterkiefer eine Implantatversorgung mit zwei, meist jedoch vier oder auch sechs

interforaminal gesetzten Implantaten, eine sehr häufig praktizierte Therapieoption darstellt.

Die Gefahr bei diesem Eingriff das Gefäß-Nervenbündel zu verletzen soll ebenfalls

untersucht werden.

3 Material und Methoden

3.1 Materialien

Zur Klärung dieser Fragestellung wurden im Zuge der Diplomarbeit insgesamt .33. UK aus

der Präparatesammlung des Instituts für Anatomie der medizinischen Universität Graz in

unterschiedlicher Darstellungsweise präpariert und die relevanten Daten morphometrisch

erhoben.

Auf Alter und Geschlecht wurde in dieser Arbeit keine Rücksicht genommen.

Entscheidend war jedoch der Bezahnungszustand.

3.1.1 Auswahl der Präparate anhand des Bezahnungszustandes

Für diese Arbeit wurden 8 voll- bzw. teilbezahnte, aber zumindest in der Front

vollbezahnte Mandibeln und 25 unbezahnte Unterkiefer unterschiedlichen Atrophiegrades

untersucht.

3.1.2 Auswahl der Präparate anhand der Konservierungsmethode

Die Gesamtzahl der Präparate setzt sich zusammen aus:

32 nach Thiel konservierten Präparaten teils mit Gefäßinjektion.(22)(23)(24)

Die Gefäßinjektion dient hierbei der sicheren Identifikation der arteriellen Blutversorgung

bei der Makro- und Mikropräparation.

Im Gegensatz zu den gut präparierbaren Thiel konservierten Präparaten sind plastinierte

Präparate sehr gut zu schneiden bzw. zu schleifen.

Page 32: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

22

So wurden zwei plastinierte Mandibeln, eine in Silikontechnik S10 und eine in

Polyesthertechnik P35 für die Untersuchung herangezogen.(25)(26)

3.1.3 Präparationstechniken

Die plastinierten Präparate wurden nach vollständiger Aushärtung mittels

Diamantbandsäge geschnitten bzw. mit Diamantschleifgerät geschliffen. Der Vorteil von

plastinierten Präparaten gegenüber Nativpräparaten ist die durchgehend annähernd gleiche

Konsistenz aller Gewebe. Dies gewährleistet durch exakte Schnitt-und Schleiftechnik die

Vermeidung von zu großer Wärmeentwicklung im Schnittbereich und demnach keine

Gewebszerreißung. Dadurch ist die Darstellung von knöchernen Kanälen mitsamt

Inhaltsstrukturen wie Gefäße und Nerven am Schnitt möglich. Der Polyesthertechnik ist

hierbei der Vorzug zu geben, da die Präparate durch die größere Härte besser zu schneiden

sind und diese zudem durchsichtig sind. Aufgrund der sehr hohen Kosten und vor allem

dem enormen Zeitaufwand zur Herstellung dieser Präparate konnten nicht mehrere

plastinierte Mandibeln für diese Untersuchung herangezogen werden.

In ähnlicher Weise wurden auch 10 nach Thiel konservierte Hemimandibeln mit dem

Diamantschleifer präpariert. Da bei derartig konservierten Präparaten die Konsistenz

verschiedener Gewebe unterschiedlich und sehr ähnlich derjenigen beim lebenden

Menschen ist, besteht im Gegensatz zu der Bearbeitung von plastinierten Präparaten die

Gefahr der Gewebszerreißung. Die Präparation der Hemimandibeln fand in folgender

Weise statt: Entfernung sämtlicher Weichgewebe die an der knöchernen Mandibel

anhafteten mittels Luer und Knochenschaber unter Schonung des Eintritts des Nervus

alveolaris inferior und des Nervus dentalis in das Foramen mandibulae und gleichermaßen

des Austritts des Nervus mentalis aus dem Foramen mentale. Ausgehend vom Foramen

mentale wurde schichtweise der bukkale Knochen distal des Foramen mentale mittels

Diamantschleifer entfernt bis der Canalis mandibulae samt seiner Inhaltsstrukturen

sichtbar wurde. Hier war besonders darauf zu achten den weichen leicht feuchten Gefäß-

Nervenstrang nicht zu zerreißen. Auf diese Art wurde der Gefäß-Nervenstrang in seiner

gesamten Ausdehnung vom Foramen mandibulae bis zum Foramen mentale dargestellt. In

der Folge wurde der bukkale Knochen mesial des Foramen mentale schichtweise

abgetragen und versucht einen Canalis incisivus mandibulae bzw. im Trabekelwerk

laufende Gefäß-Nervenbündel in ihrem Verlauf darzustellen.

Page 33: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

23

Ähnlich wie bei der Polyesthertechnik können Gewebe durch Entkalkung und Einlegen in

Flüssigkeiten mit gleichem Lichtbrechungsindex durchsichtig gemacht werden.

(Spalteholztechnik) (27)

Diese sogenannten Aufhellungen ermöglichen eine zerstörungsfreie dreidimensionale

Betrachtung der Inhalte von knöchernen Kanälen. Insgesamt wurden für die Untersuchung

5 bezahnte und 15 unbezahnte Mandibeln der Aufhellung unterzogen.

3.1.4 Röntgenologische Untersuchung

Alle 20, der oben beschriebenen Aufhellung unterzogenen, Präparate wurden zuvor digital

röntgenologisch durch befundet. Besonderes Augenmerk wurde auf den Canalis incisivus,

dessen Identifikation, Verlauf und Ausdehnung gelegt. Eine artefaktfreie Darstellung

dieser Region war aufgrund der Eigenschaften des Konservierungsmediums nur schwer

möglich. In Thiel´scher Lösung konservierte Präparate erscheinen im Röntgenbild sehr

grieselig. Grund dafür ist der hohe Salzgehalt der Lösung. Das Salz ist röntgenopak und

verursacht somit Bildartefakte.

Zur Darstellung der dreidimensionalen rein knöchernen Situation wurde ein digitales

Volumen Tomogramm mittels Planmeca, Software Romexis aufgenommen. Diese

Aufnahme wurde freundlicherweise durch Herrn Ing.Gernot Gragl Firma Dockter und

Partner Medtechnik GmbH angefertigt.

3.1.5 Morphometrische Datenerhebung

Zur Erhebung der morphometrischen Daten wurde ein Protokollblatt verfasst. Auf diesem

wurde in Bezug auf die Asthöhe der Abstand des knöchernen Unterkieferunterrandes zur

Mitte des Unterkiefer-Hauptgefäß-Nervenbündels protokolliert. Je nach vermessener

Region liegt dieses Gefäß-Nervenbündel entweder im Canalis mandibulae oder im Canalis

incisivus mandibulae. Die Asthöhe ist die Distanz vom Capitulum Mandibulae bis zum

Gonion. In gleicher Weise wurde die Distanz von krestaler Knochenkante bis zur

Kanalmitte vermerkt. Die Vermessung der Präparate erfolgte mit der Schublehre.

Page 34: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

24

3.1.6 Statistische Auswertung

Die gewonnen Daten wurden in das Tabellenkalkulierungsprogramm Microsoft Excel

übertragen und geordnet. Anschließend erfolgten die deskriptiv statistische Auswertung

und die grafische Darstellung der Ergebnisse anhand der Analysesoftware IBM SPSS

Statistics, Version 2.2.

4 Ergebnisse – Resultate

4.1 Ergebnisse der röntgenologischen Untersuchung

4.1.1 Panoramaaufnahmen der unbezahnten Mandibeln

Die röntgenologische Darstellung der nach Thiel konservierten Präparate lieferte folgende

Ergebnisse. Wie schon kurz erwähnt ist eine artefaktfreie radiologische Darstellung der

Präparate durch den hohen Salzgehalt des Einlegemediums kaum möglich. Die Salze sind

röntgenopak und lassen das Bild dadurch grieselig erscheinen. Die Identifikation des

Canalis mandibulae ist in den meisten Fällen möglich. Bei einigen Präparaten wurde zur

einfacheren Orientierung das Foramen mentale mit einem Drahtstück markiert. Bei

wenigen Präparaten ist ein Canalis incisivus mandibulae ansatzweise erkennbar. (siehe

Abbildung Mandibel unbezahnt Nr. 1 und Nr.2). Anhand der Panoramaaufnahmen ist

jedoch gut ersichtlich, dass der Abstand des Foramen mentale bzw. des Canalis

mandibulae vom Unterrand des Unterkiefers relativ konstant ist. Im Gegensatz dazu ist die

Distanz des krestalen Knochenrandes der Mandibula zu den genannten Strukturen sehr

unterschiedlich und vom Ausmaß der Knochenatrophie des Unterkiefers abhängig.

Als Nebenbefund sei hier erwähnt, dass das Knochenangebot, zumindest die

Knochenhöhe, interforaminal verglichen mit dem Seitzahnbereich meist deutlich größer

ist. Gründe dafür sind einerseits die vermehrt einwirkenden Kräfte bei Bewegungen des

Unterkiefers im Sinne einer Torquierung und andererseits gehen die Frontzähne in der

Regel später verloren als die Seitzähne.

Page 35: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

25

Abbildung 15: Panoramaaufnahme

Unbezahnte Mandibel Nr. 1; Nasspräparat Foramen mentale markiert

Page 36: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

26

Abbildung 16: Panoramaaufnahme

Unbezahnte Mandibel Nr. 3; Nasspräparat

Abbildung 17: Panoramaaufnahme

Unbezahnte Mandibel Nr. 2; Nasspräparat Foramen

mentale markiert

Abbildung 18: Panoramaaufnahme

Unbezahnte Mandibel Nr. 5; Nasspräparat Foramen

mentale markiert

Abbildung 19: Panoramaaufnahme

Unbezahnte Mandibel Nr. 4; Nasspräparat

Abbildung 20: Panoramaaufnahme

Unbezahnte Mandibel Nr. 7; Nasspräparat

Abbildung 21: Panoramaaufnahme

Unbezahnte Mandibel Nr. 6; Nasspräparat

Abbildung 22: Panoramaaufnahme

Unbezahnte Mandibel Nr. 9; Nasspräparat

Abbildung 23: Panoramaaufnahme

Unbezahnte Mandibel Nr. 8; Nasspräparat

Abbildung 24: Panoramaaufnahme Abbildung 25: Panoramaaufnahme

Page 37: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

27

Unbezahnte Mandibel Nr. 11; Nasspräparat

Unbezahnte Mandibel Nr. 10; Nasspräparat

Abbildung 26: Panoramaaufnahme

Unbezahnte Mandibel Nr. 13; Nasspräparat

Abbildung 27: Panoramaaufnahme

Unbezahnte Mandibel Nr. 12; Nasspräparat

Abbildung 28: Panoramaaufnahme

Unbezahnte Mandibel Nr. 15; Nasspräparat

Abbildung 29: Panoramaaufnahme

Unbezahnte Mandibel Nr. 14; Nasspräparat

4.1.2 Panoramaaufnahmen der bezahnten Mandibeln

Ähnlich wie bei der röntgenologischen Darstellung unbezahnter Mandibeln ist auch bei

Panoramaaufnahmen von bezahnten Unterkiefern keine eindeutige Identifikation des

Canalis incisivus mandibulae möglich. Allerdings kann auch hier der Kanal zum Teil in

seinem Verlauf, ausgehend vom Foramen mentale, erahnt werden. (Siehe Abbildung 30

Bezahnte Mandibel Nr. 3).

Page 38: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

28

Die Panoramaaufnahmen der bezahnten Mandibeln sollen in erster Linie zeigen, dass in

der Darstellbarkeit des Canalis inzisivus mandibulae zwischen bezahnten und unbezahnten

Unterkiefern im Wesentlichen kein Unterschied besteht. Unabhängig vom

Bezahnungszustand ist die Identifikation des Canalis incisivus mandibulae mit Hilfe eines

Orthopantomogramms nicht eindeutig möglich, zumindest nicht bei nach Thiel

konservierten Präparaten.

Abbildung 30: Panoramaaufnahme

Bezahnte Mandibel Nr. 3; Nasspräparat Foramen mentale markiert

Page 39: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

29

Abbildung 31: Panoramaaufnahme

Bezahnte Mandibel Nr. 1; Nasspräparat

Abbildung 32: Panoramaaufnahme

Bezahnte Mandibel Nr. 2; Nasspräparat Foramen

mentale markiert

Abbildung 33: Panoramaaufnahme

Bezahnte Mandibel Nr. 4; Nasspräparat Foramen

mentale markiert

Abbildung 34: Panoramaaufnahme

Bezahnte Mandibel Nr. 5; Nasspräparat Foramen

mentale markiert

Zusätzlich zu den oben genannten Röntgenaufnahmen wurde ein Orthopanthomogramm

einer ausgetrockneten isolierten Mandibel aufgenommen. Durch das weitgehende Fehlen

von Artefakten, bedingt durch Weichgewebe, röntgenopake Salze des Einlegemediums,

anderer Knochen etc., ist die Beurteilung des Canalis incisivus mandibulae relativ gut

möglich. Zur besseren Orientierung wurde das Foramen mentale mit einem Stück

Metalldraht markiert. Auch anhand des Röntgenbildes ist der schon erwähnte

charakteristische Verlauf des Nervus incisivus mandibulae bzw dessen knöcherner Kanal

erkennbar. Vom Foramen mentale weg senkt sich der Kanal bis in etwa Regio 3 ab um von

dort wieder Richtung laterale und zentrale Schneidezähne anzusteigen.

Page 40: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

30

Abbildung 35: Orthopantomogramm einer ausgetrockneten isolierten Mandibel; Foramen mentale markiert

4.2 Ergebnisse der Aufhellungspräparate

Ziel der Aufhellungen wäre eine Darstellung von Weichgewebsstrukturen (Nerven und

Gefäße) innerhalb ihrer knöchernen Begrenzung, ohne dabei deren Lage durch das

mechanische Abtragen des Knochens zu beeinflussen. Die Ergebnisse sollten hierbei die

aus der mechanischen Präparation gewonnenen Erkenntnisse bestätigen.

Die Aufhellung und somit die Sichtbarmachung des Gefäß-Nervenstranges ist zwar zum

Teil gelungen, eine vollständige Transparenz der Präparate konnte jedoch nicht erreicht

werden. Gründe dafür sind einerseits ein Zeitmangel, nach Thiel konservierte Präparate

benötigen zur vollständigen Aufhellung mehrere Monate. Und andererseits muss das

korrekte Mischverhältnis der erforderlichen Chemikalien erst empirisch für die

entsprechende Region ausgetestet und definiert werden. Zudem spielen äußere Einflüsse

wie Druck und Temperatur eine entscheidenden Rolle im Erfolg der Aufhellung.

Erst die richtige Zusammensetzung der Chemikalien, diese ist von Präparat zu Präparat

verschieden, in Verbindung mit den optimalen äußeren Einflüssen ermöglicht eine

vollständige Aufhellung.

Page 41: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

31

4.3 Ergebnisse der morphometrischen Datenerhebung bei 10

nach Thiel konservierten Hemimandibeln mit dem

Diamantschleifer

Die Präparation der nach Thiel konservierten Hemimandibeln mit dem Diamantschleifer

ermöglichte eine sehr präzise Darstellung des Gefäß-Nervenbündels im Unterkiefer. Es

konnte bei sämtlichen der Bearbeitung unterzogener Hemimandibeln der gesamte Verlauf

des Gefäß-Nervenstranges beginnend beim Foramen mandibulae bis zum Foramen mentale

und außerdem vom Foramen mentale mesialwärts bis zur Region der zentralen bzw.

zumindest der lateralen Incisivi dargestellt werden. Bei einem der Präparate riss das Gefäß-

Nervenbündel während des Schleifvorganges in Höhe Regio 4 ab.

Anhand der Präparate war ein charakteristischer Verlauf der Nerven zu erkennen. Kurz vor

dem Austritt des Nervus mentalis aus dem Foramen mentale steigt der Nerv deutlich bis

zum Foramen hin an. Vom Foramen mentale mesialwärts erstreckt sich die Fortsetzung des

Gefäß-Nervenstranges zur Versorgung der Front- und Eckzähne und auch der ersten

Prämolaren. In allen Präparaten ist ein Gefäß-Nervenbündel zu erkennen von dem aus

einzelne Äste in die Region der ehemaligen Zielorgane, der Zähne, ziehen. Diese Äste sind

trotz des Verlustes der Bezahnung in unterschiedlicher Dimension erhalten geblieben. Die

eindeutige Identifikation und somit der Beweis, dass es sich bei den gefundenen Strukturen

um Nervengewebe handelt, erfolgte durch Färbung mit Methylenblau, welches eine

selektive Darstellung des Glykogen im Nerven ermöglicht.

Vom Foramen mentale aus senkt sich der Nerv bei allen Präparaten ab und erreicht in

Regio 3 ein Maximum der kaudalen Auslenkung. Von hier aus kommt es in den meisten

Fällen zu einem erneuten Anstieg des Nervenbündels. Nach Abgabe des Astes zur

Versorgung der Regio 2 endet das Bündel als dünner Ausläufer in Regio 1. (siehe

Abbildungen XY.)

Page 42: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

32

Abbildung 36: Hemimandibel beschliffen; Interforaminal

Abbildung 37: Hemimandibel beschliffen; Übersicht

Abbildung 38: Hemimandibel beschliffen; Interforaminal

Abbildung 39: Hemimandibel beschliffen; Übersicht

Abbildung 40: Hemimandibel beschliffen; Interforaminal

Abbildung 41: Hemimandibel beschliffen; Übersicht

Präparate aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

Bei zwei Präparaten, siehe Tabelle XY Präparat V und X und Abbildung XY, verläuft der

Nerv nachdem er sich vom Foramen mentale aus abgesenkt hat auf einer Ebene und die

einzelnen Äste gehen von diesem Stamm aus in die Zielregionen ab.

Page 43: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

33

Abbildung 42: Hemimandibel beschliffen; Interforaminal

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

Abbildung 43: Hemimandibel beschliffen; Übersicht

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

Page 44: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

34

Die Vermessung der mittels Diamantschleifer dargestellten Strukturen mit der Schublehre

lieferte folgende Ergebnisse: Als Referenzgröße diente bei sämtlichen Vermessungen die

Astöhe des jeweiligen Unterkiefers. Diese bewegte sich zwischen minimal 6,3cm und

maximal 7,5cm. Der Mittelwert betrug 6,83cm mit einer Standardabweichung von 0,35cm.

Die Distanz des krestalen Knochenrandes des Unterkiefers bis zum Zentrum des Gefäß-

Nervenbündels ist stark abhängig vom Ausmaß der Knochenatrophie. Die ermittelten

Distanzen bewegten sich zwischen maximal 18,0mm in Regio 3 und minimal 1,0mm in

Regio 1. Der errechnete Mittelwert betrug 9,76mm mit einer Standardabweichung von

4,57mm. Da sich das Interesse dieser Arbeit auf die interforaminale Region fokussiert

wurde der eben genannte Abstand vom Foramen mentale aus mesialwärts, also ab der

geschätzten Regio 4 separat analysiert. Aufgrund der fehlenden Bezahnung ist die Region

in der sich das Foramen mentale befindet nicht eindeutig zu bestimmen. Diese Schätzung

beruht auf der statistisch häufigsten Lokalisation des Foramen mentale zwischen erstem

und zweitem Prämolaren.

Die Ergebnisse dieser Analyse weichen kaum von denen der zuvor genannten ab. Die

Distanz des krestalen Knochenrandes des Unterkiefers bis zum Zentrum des Gefäß-

Nervenbündels ab Regio 4 betrug im Mittel 10,01mm mit einer Standardabweichung von

4,58mm. Der Maximalwert lag bei 18,0mm und der Minimalwert bei 1,0mm.

Page 45: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

35

Der Abstand vom Unterkieferunterrand bis zur Mitte des Gefäß-Nervenbündels ist von

Atrophieprozessen weitgehend unabhängig. Die Varianz dieser Distanz zwischen den

Präparaten ist demnach auch nicht so groß wie diese vom krestalen Knochenrand aus

gemessene. Sie lag bei den Präparaten zwischen maximal 18,0mm in Regio 4 und minimal

7,0mm in Regio 3. Hier lagen der Mittelwert bei 11,12mm und die Standardabweichung

bei 2,39mm. Ein Abstand von 18,0mm vom Unterkieferunterrand bis zur Mitte des Gefäß-

Nervenbündels wurde allerdings bei lediglich einem Präparat gemessen und sollte

demnach als Ausreißer angesehen werden.

Auch hier erfolgte die separate Analyse des Abstandes ab Regio 4. Der Mittelwert lag bei

11,38mm mit einer Standardabweichung von 2,64mm. Maximal- und Minimalwert

betrugen 18,0mm und 7,0mm.

Die ermittelten Werte (siehe Tabelle XY) spiegeln den charakteristischen Verlauf des

Nerven im Unterkiefer wieder.

Page 46: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

36

Tabelle 3: Vermessungsprotokoll von nach Thiel konservierten Hemimandibeln unbezahnt.

Präparat Regio mm

I: Asthöhe 6,6cm Abstand krestaler Knochenrand im

UK bis Zentrum Gefäß-

Nervenbündel

5 7,0

4 8,5

3 11,5

2 11,0

1 -

Abstand UK-Unterrand bis

Zentrum Gefäß-Nervenbündel

5 12,0

4 14,5

3 14,0

2 14,0

1 -

II: Asthöhe 6,7cm Abstand krestaler Knochenrand im

UK bis Zentrum Gefäß-

Nervenbündel

5 14,5

4 15,0

3 18,0

2 17,0

1 -

Abstand UK-Unterrand bis

Zentrum Gefäß-Nervenbündel

5 10,5

4 12,0

3 10,0

2 11,0

1 -

III: Asthöhe 7,0cm Abstand krestaler Knochenrand im

UK bis Zentrum Gefäß-

Nervenbündel

5 5,5

4 9,0

3 12,5

2 10,0

1 8,0

Abstand UK-Unterrand bis

Zentrum Gefäß-Nervenbündel

5 9,5

4 9,5

3 7,5

2 11,5

1 12,5

IV: Asthöhe 6,6cm Abstand krestaler Knochenrand im

UK bis Zentrum Gefäß-

Nervenbündel

5 13,0

4 14,5

3 16,0

2 14,5*

1 -*

Abstand UK-Unterrand bis

Zentrum Gefäß-Nervenbündel

5 9,0

4 10,0

3 8,5

2 9,0

1 -

V: Asthöhe 6,6cm Abstand krestaler Knochenrand im

UK bis Zentrum Gefäß-

Nervenbündel

5 7,0

4 7,5

3 8,0

2 7,5

1 7,5

Abstand UK-Unterrand bis

Zentrum Gefäß-Nervenbündel

5 9,5

4 12,5*

3 11,0

2 11,0*

Page 47: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

37

1 11,0*

VI: Asthöhe 6,3cm Abstand krestaler Knochenrand im

UK bis Zentrum Gefäß-

Nervenbündel

5 2,5

4 4,0

3 5,0

2 3,0

1 1,0

Abstand UK-Unterrand bis

Zentrum Gefäß-Nervenbündel

5 10,0

4 10,5

3 10,5

2 15,0

1 18,0

VII: Asthöhe 6,7cm Abstand krestaler Knochenrand im

UK bis Zentrum Gefäß-

Nervenbündel

5 9,5

4 12,0

3 15,5

2 12,0

1 -

Abstand UK-Unterrand bis

Zentrum Gefäß-Nervenbündel

5 11,0

4 12,5

3 10,0

2 15,0

1 -

VIII: Asthöhe 7,3cm Abstand krestaler Knochenrand im

UK bis Zentrum Gefäß-

Nervenbündel

5 3,5

4 4,0

3 6,0

2 5,5

1 3,0

Abstand UK-Unterrand bis

Zentrum Gefäß-Nervenbündel

5 11,0

4 12,0

3 11,0

2 13,5

1 16,0

IX: Asthöhe 7,0cm Abstand krestaler Knochenrand im

UK bis Zentrum Gefäß-

Nervenbündel

5 10,0

4 9,0

3 -

2 -

1 -

Abstand UK-Unterrand bis

Zentrum Gefäß-Nervenbündel

5 10,0

4 10,5

3 -

2 -

1 -

X: Asthöhe 7,5cm Abstand krestaler Knochenrand im

UK bis Zentrum Gefäß-

Nervenbündel

5 16,5

4 14,5

3 16,0

2 13,0

1 11,0

Abstand UK-Unterrand bis

Zentrum Gefäß-Nervenbündel

5 10,0

4 10,5

3 7,0

2 7,0

1 7,0

Die angeführte Asthöhe soll hierbei als Referenzgröße dienen.

Page 48: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

38

Neben den Distanzen vom Unterkieferunterrand und von der krestalen Knochenkante der

Mandibel zum Zentrum des Gefäß-Nervenstranges wurde auch die Gesamthöhe der

vermessenen Mandibeln mesial des Foramen mentale ermittelt. Die Gesamthöhe ergibt

sich aus der Addition der beiden beschriebenen Distanzen.

Der Maximalwert der Gesamthöhe des Unterkiefers lag bei 28,0mm und der Minimalwert

bei 14,5mm. Der Mittelwert betrug 21,39mm mit einer Standardabweichung von 3,67mm.

4.4 Ergebnisse der plastinierten Präparate

Die Präparation des in Silikontechnik S10 plastinierten Unterkiefers mit dem

Diamantschleifer ermöglichte eine sehr genaue Darstellung des Nervenverlaufes im

Unterkiefer. Ausgehend vom Foramen mentale konnte der Verlauf des Nervus alveolaris

inferior nach distal durch schichtweises Abschleifen des bukkalen Knochens sichtbar

gemacht werden.

In weiterer Folge wurde auf die gleiche Weise vom Foramen mentale aus nach mesial

präpariert, um so die Struktur des Nervus incisivus mandibulae darzustellen. So gelang es

diesen in seinem gesamten Verlauf vom Foramen mentale bis zum zentralen Schneidezahn

freizulegen. (siehe Abbildungen 44-48)

Page 49: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

39

Abbildung 44: Plastinierte Mandibel von Schädel abgesetzt

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

Abbildung 45: Plastinierte Mandibel mit Schleifgerät bis Foramen mentale präpariert

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

M= Foramen mentale bzw. Nervus mentalis

Page 50: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

40

Abbildung 46: Plastinierte Mandibel mit Schleifgerät vom Foramen mentale distalwärts präpariert; Nervus

alveolaris inferior sichtbar

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

M= Foramen mentale bzw. Nervus mentalis;

A= Nervus alveolaris inferior

Abbildung 47: Plastinierte Mandibel mit Schleifgerät vom Foramen mentale weiter mesialwärts präpariert;

Nervus alveolaris inferior und Nervus incisivus mandibulae erkennbar

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

M= Foramen mentale bzw. Nervus mentalis;

A= Nervus alveolaris inferior

I= Nervus incisivus mandibulae

Page 51: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

41

Der Schnitt des plastinierten Unterkiefers in Polyesthertechnik P35 mit der

Diamantdrahtsäge ermöglichte die Darstellung des Nervus incisivus mandibulae in seinem

Verlauf vom Foramen mentale aus nach mesial. Es handelte sich hierbei um einen

horizontalen Schnitt. Da der Nerv innerhalb des Mandibularknochens in unterschiedlicher

Höhe verläuft und mit der Diamantdrahtsäge lediglich gerade Schnittführungen möglich

sind, konnte der Nerv nicht in seiner gesamten Ausdehnung erfasst werden.

Abbildung 48: Plastinierte Mandibel mit Diamantdrahtsäge geschnitten; Ansicht von okklusal; Darstellung

Nervus incisivus mandibulae

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

Die Pfeile markieren den Verlauf des Nervus incisivus mandibulae; Die Ellipse markiert das Foramen mentale

4.5 Darstellung des knöchernen Canalis incisivus mandibulae

unter dem Mikroskop

Die bislang beschriebenen Präparationen zielten in erster Linie auf die Darstellung des

Nervus incisivus mandibulae und dessen Begleitarterie ab. Die folgenden beiden

Abbildungen, sollen den knöchernen Canalis incisivus mandibulae näher beleuchten.

Page 52: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

42

Fotografiert wurde hierbei ein sehr gut erhaltener, rein knöcherner, Schädel aus der

Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz unter dem Mikroskop. Sehr gut zu erkennen ist

der nicht komplett knöchern umschlossene Kanal inmitten des spongiösen Trabekelwerkes.

Der Blick auf den Canalis incisivus mandibulae nach mesial,wie in den beiden folgenden

Abbildungen ersichtlich, ist in etwa von Regio 3 aus fotografiert.

Abbildung 49: Aufnahme knöcherner Canalis incisivus mit dem Mikroskop

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

Page 53: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

43

Abbildung 50: Aufnahme knöcherner Canalis incisivus mit dem Mikroskop bei Durchleuchtung

Präparat aus der Sammlung des Instituts für Anatomie, Graz

Page 54: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

44

5 Diskussion

Zahlreiche Studien befassten sich mit der Beschreibung, Darstellung und Vermessung

diverser Strukturen des Unterkiefers. Während der Nervus alveolaris inferior und seine

fälschlicherweise als Kanal bezeichnete knöcherne Rinne, der Canalis mandibulae, in

seinem Verlauf vom Eintritt am Foramen mandibulae bis zum Austritt am Foramen

mentale, seine Variationen, seine Darstellbarkeit und seine klinische Bedeutung in der

Literatur relativ gut beschrieben sind, so ist die interforaminale Region des Unterkiefers im

Vergleich nur sehr spärlich untersucht.

Zwar gibt es einige Arbeiten die sich mit der interforaminalen Region, genauer mit dem

Nervus incisivus mandibulae, den begleitenden Blutgefäßen und deren knöchernen Kanal

befassten, die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind jedoch sehr kontrovers.

Jacobs et al. konnten beispielsweise in ihrer Arbeit anhand von CT-Scans von 230

PatientInnen, einen Canalis incisivus mandibulae in 93% der Fälle identifizieren. Hier sei

erwähnt, dass 93% der PatientInnen eine anteriore Bezahnung von Eckzahn bis Eckzahn

aufwiesen und lediglich 7% in der Front unbezahnt waren. Es wurde keine Aussage

darüber gemacht, ob der Umstand der Unidentifizierbarkeit des Kanals bei 7% der

untersuchten PatientInnen mit dem Bezahnungszustand der PatientInnen, ebenfalls 7%

waren zahnlos, korreliert.(21) Zur Beantwortung dieser Frage sind weitere Untersuchungen

notwendig, welche die Darstellbarkeit des Canalis incisivus mandibulae, anhand von CT-

Scans, bei bezahnten und unbezahnten PatientInnen vergleichen.

Andere Autoren hingegen konnten die Existenz eines eindeutigen Canalis incisivus

mandibulae nicht bestätigen.

Polland et al. befassten sich in ihrer Arbeit mit der Untersuchung von zahnlosen

Mandibeln. Sie beschrieben anhand von sezierten Humanpräparaten einen sehr gut

ausgebildeten, aus 3-4 Nervenbündeln bestehenden Nervus alveolaris inferior kurz vor

dessen Austritt aus dem Foramen mentale. Vom Foramen mentale mesialwärts konnten sie

keinen eindeutigen knöchernen Kanal mehr identifizieren. Die Nervenbündel hätten sich

aus dem Verband gelöst und würden separiert durch das spongiöse Trabekelwerk

laufen.(28)

Mraiwa et al., sowie Jacobs et al. fanden in ihren Arbeiten zu 96% (sezierte

Humanpräparate) bzw. 93% (CT-Scans) einen eindeutigen Kanal, welcher sich im Verlauf

ausgehend vom Foramen mentale hin zur Symphysenregion leicht absenkt. Sie konnten in

ihren Arbeiten lediglich Aussagen über den knöchernen Kanal machen, aber schlossen aus

Page 55: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

45

ihren Ergebnissen, dass ein gut definierter knöcherner Kanal ein ebenso großes

neurovaskuläres Bündel enthalten könnte.(21)(14)

Mardinger et al fanden in ihrer Studie bei 56% der insgesamt 46 radiographierten

Hemimandibeln einen Canalis incisivus mandibulae. Bei der anschließenden Präparation

der Hemimandibeln konnten sie in 100% der Fälle interforaminal verlaufende

Nervenbündel zeigen. Zum Teil verlief dieses Nervenbündel parallel zum

Unterkieferunterrand, teilweise auch leicht nach aufwärts gerichtet. (29)

Keiner der genannten Autoren vermaß dabei den Abstand des Nerven von der krestalen

Knochenkante oder vom Unterkieferunterrand zu diesem. Gerade der Abstand vom

krestalen Knochenrand zum Gefäß-Nervenstrang ist aber von besonderem Interesse.

Kohavi et al. schilderten in einem Fallbericht einen Patienten, der nach der Implantation

von zwei interforaminal gesetzten Implantaten unter Schmerzen und Missempfindungen

litt. CT-Scans konnten zeigen, dass die Implantate durch eine feine Struktur hindurch

gesetzt wurden, welche als Canalis incisivus identifiziert wurde.(30)

Um der Frage von möglichen Komplikationen nach Schädigung des Nervus incisivus

mandibulae nach interforaminaler Implantation nachzugehen, untersuchte die

Arbeitsgruppe um Kütük zahlreiche ImplantatpatientInnen. In ihre Studie wurden

schließlich 50 PatientInnen, bei denen radiologisch eine Perforation der Implantate in den

Canalis incisivus mandibulae vermutet wurde, eingeschlossen. Bei der Operation wurde

stets ein Sicherheitsabstand von mindestens 5mm zum Foramen mentale eingehalten. 10

der 50 PatientInnen gaben postoperativ neuropathische Schmerzen an, die zwischen einem

Monat und vier Jahren persistierten. Von diesen 10 PatientInnen wurden CT-Scans

aufgenommen um mit Hilfe einer dreidimensionalen Software exakte Lagebeziehungen

zwischen Implantaten und Nerv zu erhalten. Bei allen 10 PatientInnen lag eine Perforation

des Nervus incisivus mandibulae zumindest durch eines der gesetzten interforaminalen

Implantate vor.(31)

Wismeijer et al. führten eine Studie an 110 zahnlosen PatientInnen durch, bei denen 2 bis 4

interforaminale Implantate gesetzt wurden. Während jeder Implantation wurde das

Foramen mentale dargestellt und die Implantate in einem Mindestabstand von 3mm zur

vorderen Grenze des Foramens positioniert. Trotzdem kam es bei 7% der Fälle zu

sensiblen Beeinträchtigungen der unteren Lippe.(32)

Für das Auftreten von neuropathischen Schmerzen oder sensiblen Beeinträchtigungen gibt

es verschiedene Erklärungsmodelle. Zunächst könnte ein direktes Trauma des Nervus

incisivus für Schmerzen oder sensible Beeinträchtigungen verantwortlich sein.(30) Da der

Page 56: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

46

Nervus incisivus jedoch ausschließlich die Innervation der Zähne übernimmt, müsste man

hier von einer Art Phantomschmerz sprechen.

Weiters könnte die Verletzung des Gefäß-Nervenbündels im Canalis incisivus die Bildung

eines Hämatoms im Bereich der Aufspaltung des Nervus alveolaris inferior in den Nervus

mentalis und den Nervus incisivus bedingen. Durch das Hämatom könnte ein Druck auf

den Nervus alveolaris inferior bzw. den Nervus mentalis entstehen, welcher seinerseits zu

Schädigungen des Nerven führen könnte.(29) In diesem Fall wären sensible

Beeinträchtigungen der Unterlippe bei Schädigung des Nervus incisivus mandibulae

denkbar.

Schließlich könnte der Nervus mentalis direkt, bei bestehendem vergrößerten anterioren

Loop, verletzt werden. Bei weit nach mesial reichenden anterioren Schleifen, die meist im

konventionellen Röntgen nicht sichtbar sind(2), wäre die Verletzung des Nervus mentalis

und die damit verbundenen sensiblen Störungen, trotz Einhaltung eines

Sicherheitsabstandes von 3mm(32) zum vorderen Rand des Foramen mentale, denkbar.

Als weitere mögliche Konsequenz einer Penetration von Implantaten in den Canalis

incisivus mandibulae bzw. den gleichnamigen Nerven nennen Kohavi und Bar-Ziv ein

Fehlschlagen der Osseointegration bei großen Kanaldurchmessern. Als Grund vermuten sie

das Einwachsen von Weichgewebe rund um das gesetzte Implantat.(30)

Basierend auf den Ergebnissen dieser Arbeit verläuft ein Gefäß-Nervenbündel, identifiziert

als Nervus incisivus mandibulae mit Begleitgefäßen, ausgehend vom Foramen mentale

nach mesial. Im Verlauf senkt sich dieses zumeist vom Foramen mentale aus bis in die

Regio 3 ab und erreicht hier sein Maximum an kaudaler Auslenkung. Anschließend steigt

es wieder auf Richtung Regio 2 und 1 auf. Seltener verläuft der Strang in einer Ebene von

Regio 3 nach mesial. Bei einigen Präparaten konnten, trotz fehlender Bezahnung, vom

Strang abgehende Endäste gefunden werden, die bis zum krestalen Knochenrand verfolgt

werden konnten.

Ein eindeutiger Gefäß-Nervenstrang konnte in sämtlichen Präparaten dargestellt werden.

Die Vermessung der jeweiligen Abstände vom krestalen Knochenrand der Mandibel sowie

vom Unterkieferunterrand bis zur Mittel des Gefäß-Nervenstranges interforaminal wurde

aufgrund folgender Überlegung durchgeführt. Der Abstand des Unterkieferunterrandes zur

Mitte des Gefäß-Nervenstranges bleibt nach Zahnverlust weitgehend von

Atrophieprozessen verschont und somit relativ konstant. Dieser Abstand betrug im Mittel

11,12mm mit einer Standardabweichung von 2,39mm. Geht man nun von einer

Mindestimplantatlänge von 8mm aus, so müsste die Gesamthöhe des Unterkiefers

Page 57: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

47

interforaminal mindestens 19,12mm betragen um das Implantat oberhalb des Nervus

incisivus mandibulae samt Begleitgefäßen setzen zu können. Die Gesamthöhe des

Unterkiefers ist hierbei mit Hilfe des konventionellen Panoramaröntgens recht einfach zu

bestimmen. Um Die Messungenauigkeit möglichst gering zu halten, empfiehlt sich hier die

Verwendung von Röntgenkugeln definierter Höhe, z.B 5mm. Unterschreitet die

Gesamthöhe des Unterkiefers im Panoramaröntgen 20mm, sollten folglich CT-Bilder

aufgenommen und dreidimensional analysiert werden. Die Identifikation des Canalis

incisivus mandibulae ist mittels CT-Scans wesentlich sicherer und durch die

dreidimensionale Analyse ist auch dessen interforaminaler Verlauf besser nachvollziehbar.

So könnte beispielsweise, bei ausreichend breitem Knochen, eine Penetration in den Kanal

durch Änderung der Implantatposition, oder -angulation erreicht werden.

Die Mindesthöhe des Unterkiefers richtet sich selbstverständlich nach der geplanten

Implantatlänge. Bei geplanten 11mm langen Implantaten müsste der Unterkiefer demnach

eine Gesamthöhe von 22,12mm aufweisen.

Ist eine Änderung der Implantatposition, -angulation, oder -länge nicht möglich, so sollte

die/der Patient/in zumindest über das erhöhte Risiko von sensiblen Missempfindungen und

Schmerzen und auch über eventuelle ungenügende oder ausbleibende Osseointegration

aufgeklärt werden. Wünscht die/der Patient/in dennoch eine Implantation und sollte es im

Zuge der Implantatversorgung tatsächlich zu Komplikationen dieser Art kommen, hätte die

Aufklärung auch forensische Vorteile.

Als Limitation dieser Arbeit ist die relativ geringe Anzahl an Präparaten zu nennen. Zudem

birgt eine Vermessung der Präparate mit der Schublehre mögliche Messungenauigkeiten.

Page 58: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

48

6 Conclusio

Nach Verlust der natürlichen Bezahnung bleibt das Gefäß-Nervenbündel, welches die

Zähne in der Interforaminalregion versorgt hat, bestehen und degeneriert nicht im Laufe

der Zeit. Dieser Gefäß-Nervenstrang läuft in charakteristischer Weise beginnend am

Foramen mentale nach mesial. Er senkt sich vom Foramen mentale bis hin zur Regio 3 ab

und erreicht hier ein Maximum an kaudaler Auslenkung. Von hier weg steigt das Bündel

entweder im weiteren Verlauf nach mesial an oder bleibt auf einer Ebene.

Die Distanz vom krestalen Knochenrand der Mandibel bis zum Zentrum des Gefäß-

Nervenstranges ist von wichtiger klinischer Bedeutung. Ist dieser Abstand kleiner als die

Länge des geplanten Implantates, könnte das eingebrachte Implantat den Strang verletzen.

Dies könnte sich einerseits in sensiblen Beeinträchtigungen und Schmerzen äußern und

andererseits ist eine vollständige Osseointegration des Implantates gefährdet.

Um diese Komplikationen möglichst zu vermeiden, empfiehlt sich bei Unterschreiten der

Gesamthöhe des Unterkiefers unter einen bestimmten Wert, der von der geplanten

Implantatlänge abhängt, eine dreidimensionale Bildgebung der interforaminalen Region.

Anhand dieser ist die Analyse des Verlaufes des Nervus incisivus mandibulae häufig

möglich. Kennt man den genauen Verlauf des Gefäß-Nervenstranges, kann durch

Änderung der Implantatposition, -angulation oder –länge möglicherweise die Verletzung

des neurovaskulären Bündels vermieden werden.

Page 59: Oralchirurgisch relevante Gefäß-Nervenbündel und deren

49

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