p. pasik, t. pasik,editors, ,santiago ramón y cajal, texture of the nervous system of man and the...

1
Buchbesprechung E Pasik, T. Pasik (Eds.): Santiago Ramgn y Cajal, Texture of the Nervous System of Man and the Vertebrates. Vol. 1, Springer Verlag, Wien-New York 1999. 631 Seiten, 270 z. T. farbige Abbildungen, geb., DM 298,-, 6S 2086,-, sFr 269,-, US$189,- ISBN 3-211-83056-1. Santiago Ram6n y Cajal (1887-1934) erarbeitete neben Wilhelm His und August Forel zahlreiche morphologische Argumente ge- gen die retikularistische Gehirntheorie. Insofern ist er einer der wichtigsten Mitbegrtinder der netzwerk~basierten Gehirntheorie (funktionelle Einheiten sind Neurone, die morphologisch vonein- ander getrennt sind), die bis heute unwiderlegt ist. Ram6n y Ca- jal ftihrte seine Beobachtungen 15 Jahre lang durch und ver6ffentlichte seine Ergebnisse zusammen mit denen seiner Mitarbeiter in ca. 80 Originalarbeiten. Diese fal3te er schlieglich in dem 3-bfndigen Werk, Textura del Sistema Nervioso del Hom- bre y de los Vertebrados" (Band 1: 1897-1899, Band 2, Teil 1 und 2: 1904) zusammen. Die Beobachtungen, die er machte, waren und sind beeindruckend und werden nun erstmals in vollem Urn- fang der wissenschaftlichen Gemeinschaft, Dank der Oberset- zung des opus magnum durch die vielen Anatomen bekannten Neurowissenschaftler Tauba Pasik und Pedro Pasik, zugfnglich gemacht. Der erste Band dieses Werkes ist kiirzlich mit den Ori- ginalabbildungen erschienen. Er ist insgesamt in 21 Kapitel ge- gliedert, gefolgt von zwei AnhSngen und einem ausftihrlichen Literaturverzeichnis, in dem die gesamte yon Ram6n y Cajal zi- tierte Literatur aufgeftihrt ist. Im ersten Kapitel behandelt Ra- m6n y Cajal allgemeine funktionelle und strukturelle Aspekte des Zentralnervensystems und nachfolgend ein Kapitel tiber Ffr- bemethoden, Lfsions-Techniken und vergleichende Neuroanato- mie u.a. Weiter geht es mit der Neurozytologie: einleitend wird die allgemeine neuronale Morphologie und Physiologie behan- delt und schlieglich die zytologischen Strukturen im einzelnen. Als nfchste Gruppe zellulfrer Elemente stellt Ramdn y Cajal die Neuroglia-Zellen im folgenden Kapitel dar. Hier schlog er sich den spfiter als korrekt nachgewiesenen Vermutungen zur Funktion der Gliazellen von Andriezen an, der den Gliazellen, als Gesamtpopulation, mechanische und nutritive Funktionen zu- ordnete. Mikrogliazellen wurden hier uoch nicht beschrieben. Ependymzellen finden bereits Erwfhnung und wurden ebenfalls zeichnerisch festgehalten. Nervenzellfortsftze werden zunfchst allgemein behandelt und dann eingehender in den Substantiae albae et griseae der Medulla spinalis. Thematisch verweilt Ramdn y Cajal in der Medulla spi- nalis, indem er die sensorischen Neurone darstellt und deren Fortsftze sowie ihre Endigungen (Merkel, Meissner, Krause etc.) in der Peripherie beschreibt. Hiernach ffhrt er mit der Darstel- lung der zentral verlaufenden Fortsftze der sensorischen Gan- glienzellen fort. Auf die morphologischen Ausftihrungen folgt wieder ein physiologisches Kapitel, in dem auf die Funktion der Spinalganglienzellen, die unterschiedlichen Faserarten und die Reflexe eingegangen wird. In dem vorletzten Kapitel wird die Medulla spinalis bei den Amphibien, Reptilien und V6geln u.a. vergleichend betrachtet. Im letzten Kapitel widmet sich Ram6n y Cajal der Histogenese bzw. Entwicklung des Rfickenmarkes. Hier wird deutlich, dab Wachstumskonzepte, die Differenzierung yon Neuroblasten sowie die Bildung von Dendritenbfumen Ra- mdn y Cajal wohl bekannt waren. Ober die vorliegende Obersetzung des ersten Bandes der ,,Textura del Sistema Nervioso del Hombre y de los Vertebra- dos" lfiBt sich nur Positives berichten. Das Buch ist sowohl Medizinhistorikern und Neurowissenschaftlern, insbesondere Neurophysiologen und Neuroanatomen, zu empfehlen. Es ist flu- gerst interessant wie Ram6n y Cajal zu seiner Zeit Neuronen, Gliazellen und Nervenfasern u. a. beschrieb, analysierte, interpre- tierte und vor allem zeichnete. Die kritische und vergleichende Diskussion sowohl der Morphologie als auch der Physiologie ist auch noch aus heutiger Perspektive beispielhaft. Den meisten Kapiteln liegt eine, wenn auch im Vergleich zum heutigen prag- matischen Publikationsaufbau in Einleitung, Material, Methode, Ergebnisse etc., eine vergleichbare, wenn auch flieBendere Struk- tur zugrunde, die jedoch nicht weniger eindeutig ist. An dieser Stelle sei auch auf die Web-Seite des The Electro- nic Nobel Museum (ENM) Project (http://nobel.sdsc.edu/essays/ cajal/index.html) und des Instituto Cajal (http://www.cajal.csic.es) verwiesen, wo der Interessierte einige sch6ne Photographien yon Cajal und seiner Prgparate u. a. findet. Oliver Schmitt, Lttbeck

Upload: oliver-schmitt

Post on 18-Sep-2016

214 views

Category:

Documents


2 download

TRANSCRIPT

Buchbesprechung

E Pasik, T. Pasik (Eds.): Santiago Ramgn y Cajal, Texture of the Nervous System of Man and the Vertebrates. Vol. 1, Springer Verlag, Wien-New York 1999. 631 Seiten, 270 z. T. farbige Abbildungen, geb., DM 298,-, 6S 2086,-, sFr 269,-, US$189,- ISBN 3-211-83056-1.

Santiago Ram6n y Cajal (1887-1934) erarbeitete neben Wilhelm His und August Forel zahlreiche morphologische Argumente ge- gen die retikularistische Gehirntheorie. Insofern ist er einer der wichtigsten Mitbegrtinder der netzwerk~basierten Gehirntheorie (funktionelle Einheiten sind Neurone, die morphologisch vonein- ander getrennt sind), die bis heute unwiderlegt ist. Ram6n y Ca- jal ftihrte seine Beobachtungen 15 Jahre lang durch und ver6ffentlichte seine Ergebnisse zusammen mit denen seiner Mitarbeiter in ca. 80 Originalarbeiten. Diese fal3te er schlieglich in dem 3-bfndigen W e r k , Textura del Sistema Nervioso del Hom- bre y de los Vertebrados" (Band 1: 1897-1899, Band 2, Teil 1 und 2: 1904) zusammen. Die Beobachtungen, die er machte, waren und sind beeindruckend und werden nun erstmals in vollem Urn- fang der wissenschaftlichen Gemeinschaft, Dank der Oberset- zung des opus magnum durch die vielen Anatomen bekannten Neurowissenschaftler Tauba Pasik und Pedro Pasik, zugfnglich gemacht. Der erste Band dieses Werkes ist kiirzlich mit den Ori- ginalabbildungen erschienen. Er ist insgesamt in 21 Kapitel ge- gliedert, gefolgt von zwei AnhSngen und einem ausftihrlichen Literaturverzeichnis, in dem die gesamte yon Ram6n y Cajal zi- tierte Literatur aufgeftihrt ist. Im ersten Kapitel behandelt Ra- m6n y Cajal allgemeine funktionelle und strukturelle Aspekte des Zentralnervensystems und nachfolgend ein Kapitel tiber Ffr- bemethoden, Lfsions-Techniken und vergleichende Neuroanato- mie u.a. Weiter geht es mit der Neurozytologie: einleitend wird die allgemeine neuronale Morphologie und Physiologie behan- delt und schlieglich die zytologischen Strukturen im einzelnen. Als nfchste Gruppe zellulfrer Elemente stellt Ramdn y Cajal die Neuroglia-Zellen im folgenden Kapitel dar. Hier schlog er sich den spfiter als korrekt nachgewiesenen Vermutungen zur Funktion der Gliazellen von Andriezen an, der den Gliazellen, als Gesamtpopulation, mechanische und nutritive Funktionen zu- ordnete. Mikrogliazellen wurden hier uoch nicht beschrieben. Ependymzellen finden bereits Erwfhnung und wurden ebenfalls zeichnerisch festgehalten.

Nervenzellfortsftze werden zunfchst allgemein behandelt und dann eingehender in den Substantiae albae et griseae der Medulla spinalis. Thematisch verweilt Ramdn y Cajal in der Medulla spi- nalis, indem er die sensorischen Neurone darstellt und deren Fortsftze sowie ihre Endigungen (Merkel, Meissner, Krause etc.) in der Peripherie beschreibt. Hiernach ffhrt er mit der Darstel- lung der zentral verlaufenden Fortsftze der sensorischen Gan- glienzellen fort. Auf die morphologischen Ausftihrungen folgt wieder ein physiologisches Kapitel, in dem auf die Funktion der Spinalganglienzellen, die unterschiedlichen Faserarten und die Reflexe eingegangen wird. In dem vorletzten Kapitel wird die Medulla spinalis bei den Amphibien, Reptilien und V6geln u.a. vergleichend betrachtet. Im letzten Kapitel widmet sich Ram6n y Cajal der Histogenese bzw. Entwicklung des Rfickenmarkes. Hier wird deutlich, dab Wachstumskonzepte, die Differenzierung yon Neuroblasten sowie die Bildung von Dendritenbfumen Ra- mdn y Cajal wohl bekannt waren.

Ober die vorliegende Obersetzung des ersten Bandes der ,,Textura del Sistema Nervioso del Hombre y de los Vertebra- dos" lfiBt sich nur Positives berichten. Das Buch ist sowohl Medizinhistorikern und Neurowissenschaftlern, insbesondere Neurophysiologen und Neuroanatomen, zu empfehlen. Es ist flu- gerst interessant wie Ram6n y Cajal zu seiner Zeit Neuronen, Gliazellen und Nervenfasern u. a. beschrieb, analysierte, interpre- tierte und vor allem zeichnete. Die kritische und vergleichende Diskussion sowohl der Morphologie als auch der Physiologie ist auch noch aus heutiger Perspektive beispielhaft. Den meisten Kapiteln liegt eine, wenn auch im Vergleich zum heutigen prag- matischen Publikationsaufbau in Einleitung, Material, Methode, Ergebnisse etc., eine vergleichbare, wenn auch flieBendere Struk- tur zugrunde, die jedoch nicht weniger eindeutig ist.

An dieser Stelle sei auch auf die Web-Seite des The Electro- nic Nobel Museum (ENM) Project (http://nobel.sdsc.edu/essays/ cajal/index.html) und des Instituto Cajal (http://www.cajal.csic.es) verwiesen, wo der Interessierte einige sch6ne Photographien yon Cajal und seiner Prgparate u. a. findet.

Oliver Schmitt, Lttbeck