policy brief: wirtschaftliche folgen eines euro-austritts der südeuropäischen mitgliedsstaaten

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Dr. Thieß Petersen Programm „Nachhaltig Wirtschaften“ Telefon: +49 5241 81-81218 E-Mail: thiess.petersen@ bertelsmann- stiftung.de Dr. Michael Böhmer Prognos AG Telefon: +49 89 954 1586- 701 E-Mail: michael.böhmer@ prognos.com Policy Brief # 2012/06 Wirtschaftliche Folgen eines Euro-Austritts der südeuro- päischen Mitgliedsstaaten Ein Staatsbankrott in Griechenland inklusive eines Austritts Griechenlands aus dem Euro wäre für sich genommen für die Weltwirtschaft ökonomisch verkraftbar. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Kapitalmärkte dann auch Por- tugal, Spanien und Italien das Vertrauen entziehen und es dort ebenfalls zu Staatsbankrotten kommt. Die Weltwirt- schaft würde dadurch in eine tiefe Rezession fallen. Bis 2020 würden die 42 wichtigsten Volkswirtschaften Wachstums- einbußen in Höhe von insgesamt 17,2 Billionen Euro erlei- den. Die internationale Staatengemeinschaft sollte daher ei- nen Staatsbankrott und Euroaustritt Griechenlands verhin- dern, um die damit verbundenen möglichen Dominoeffekte zu vermeiden. . Fokus Erläuterung der Szenarien: Grexit: Staatsbankrott und Euro- austritt von Griechenland GP-Exit: Staatsbankrott und Euro- austritt von Griechenland und Portugal GPS-Exit: Staatsbankrott und Eu- roaustritt von Griechenland, Por- tugal und Spanien GPSI-Exit: Staatsbankrott und Eu- roaustritt von Griechenland, Por- tugal, Spanien und Italien

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Page 1: Policy Brief: Wirtschaftliche Folgen eines Euro-Austritts der südeuropäischen Mitgliedsstaaten

Dr. Thieß PetersenProgramm„NachhaltigWirtschaften“

Telefon:+49 5241 81-81218E-Mail:[email protected]

Dr. MichaelBöhmerPrognos AG

Telefon:+49 89 954 1586-701E-Mail:michael.bö[email protected]

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6 Wirtschaftliche Folgen einesEuro-Austritts der südeuro-päischen Mitgliedsstaaten

Ein Staatsbankrott in Griechenland inklusive eines AustrittsGriechenlands aus dem Euro wäre für sich genommen fürdie Weltwirtschaft ökonomisch verkraftbar. Es ist jedochnicht auszuschließen, dass die Kapitalmärkte dann auch Por-tugal, Spanien und Italien das Vertrauen entziehen und esdort ebenfalls zu Staatsbankrotten kommt. Die Weltwirt-schaft würde dadurch in eine tiefe Rezession fallen. Bis 2020würden die 42 wichtigsten Volkswirtschaften Wachstums-einbußen in Höhe von insgesamt 17,2 Billionen Euro erlei-den. Die internationale Staatengemeinschaft sollte daher ei-nen Staatsbankrott und Euroaustritt Griechenlands verhin-dern, um die damit verbundenen möglichen Dominoeffektezu vermeiden.

.

FokusErläuterung der Szenarien: Grexit: Staatsbankrott und Euro-

austritt von Griechenland GP-Exit: Staatsbankrott und Euro-

austritt von Griechenland undPortugal

GPS-Exit: Staatsbankrott und Eu-roaustritt von Griechenland, Por-tugal und Spanien

GPSI-Exit: Staatsbankrott und Eu-roaustritt von Griechenland, Por-tugal, Spanien und Italien

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2/06 Seit Beginn der Euro-Krise im Herbst

2009 hat sich die Diskussion um den mög-lichen Austritt einzelner Mitgliedstaatenaus dem Euro zugespitzt. Im Juli 2012 ver-trat beispielsweise Bundeswirtschaftsmi-nister Philipp Rösler die Ansicht, dass einAustritt Griechenlands aus dem Eurolängst seinen Schrecken verloren hätte.Ähnlich äußerte sich der CSU-General-sekretär Alexander Dobrindt Ende August2012 als er verkündete, dass er Griechen-land im Jahr 2013 außerhalb der Euro-Zone sehe. Die Anfang September 2012getroffene Entscheidung der EuropäischenZentralbank (EZB), in unbegrenztem Um-fang Staatsanleihen der europäischen Kri-senstaaten aufzukaufen, hat die Situationder hochverschuldeten Euro-Mitgliedervorerst entschärft. Dennoch ist derenHaushaltslage nach wie vor extrem ange-spannt. Anfang Oktober 2012 wies dergriechische Regierungschef Antonis Sa-maras nachdrücklich darauf hin, dass dieöffentlichen Kassen seines Landes ohneweitere Hilfszahlungen aus dem AuslandEnde November 2012 leer sein würden.

Grundsätzlich ist festzuhalten, dass einAusschluss eines Landes aus der Euro-Zone rechtlich derzeit nicht möglich ist.Denkbar wäre aber, dass die internationa-len Hilfszahlungen ausbleiben, weil dieGeberstaaten die Konsolidierungsfort-schritte in den südeuropäischen Krisen-ländern für unzureichend halten. Ohne dieFinanzhilfen des Europäischen Rettungs-schirms bzw. des Internationalen Wäh-rungsfonds würden diese Staaten keineweiteren Gelder mehr erhalten, sodass eszu einem Staatsbankrott käme. Damit derbetreffende Staat dennoch Gehälter, Pen-sionen und andere vertraglich festgelegteLeistungen bezahlen kann, müsste er eineeigene Währung einführen, also aus demEuro austreten. Die möglichen realwirt-schaftlichen Folgen, die sich aus dem Eu-ro-Austritt und Staatsbankrott eines odermehrerer Krisenländer für die Weltwirt-

schaft ergeben könnten, werden im Fol-genden näher untersucht.

1. Konzeption der Aus-stiegsszenarien

Zur Abschätzung der ökonomischen Kon-sequenzen eines Euro-Austritts der vierLänder, die momentan die größten haus-haltspolitischen Probleme aufweisen,werden vier Szenarien entwickelt. Im ers-ten Szenario verlässt nur Griechenland dieEuro-Zone (Grexit-Szenario). Im zweitenSzenario treten Griechenland und Portugalaus dem Euro aus (GP-Exit-Szenario). Imdritten Szenario verlässt zusätzlich nochSpanien den Euro (GPS-Exit-Szenario) undabschließend werden die Konsequenzenabgeschätzt, die sich ergeben würden,wenn Griechenland, Italien, Portugal undSpanien gemeinsam die Euro-Zone verlas-sen (GPSI-Exit-Szenario). Dieser sequenti-elle Ablauf der Austrittsvarianten wurdegewählt, weil er dem aktuellen Stand derDiskussion um mögliche Austrittskandida-ten entspricht.

Die realwirtschaftlichen Konsequenzen,die mit diesen Szenarien verbunden sind,werden mit Hilfe des makroökonomischenWeltmodells VIEW der Prognos AG abge-schätzt (siehe Textbox). Zur Berechnungder realwirtschaftlichen Konsequenzenwird simuliert, wie sich die Wirtschafts-leistung – also das reale Bruttoinlands-produkt (BIP) – in den 42 Ländern desVIEW-Modells bis zum Jahr 2020 entwi-ckeln würde, wenn die vier Szenarien imJahr 2013 Realität werden sollten. Die ausden Szenarien resultierenden Berechnun-gen zur Höhe des realen BIP werden mitder wirtschaftlichen Entwicklung des„Weltreports 2012“ verglichen, der voneinem Fortbestand der Euro-Zone ausgeht(Basisszenario). Die dort durchgeführtenPrognosen zur weltwirtschaftlichen Ent-

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Das VIEW-Modell: Bei diesem Modell handelt es sich umein umfassendes makroökonomisches Modell, das 42Länder und damit mehr als 90 Prozent der Weltwirtschaftabdeckt. Es behandelt neben der Entstehung und Ver-wendung der produzierten Güter und Dienstleistungenauch den Arbeitsmarkt und die öffentlichen Finanzenund verbindet dabei alle beteiligten Länder über Exporte,Importe, Wechselkurse etc. miteinander. Das Modell wirdzur Berechnung von Prognosen und Szenarien eingesetzt.

wicklung wurden ebenfalls mit demVIEW-Modell erstellt. Der im Sommer2012 erstellte „Weltreport 2012“ prognos-tiziert angesichts der weltweit erforderli-chen Konsolidierungen der öffentlichenHaushalte bis 2016/2017 eine deutlicheDämpfung des weltweiten Wirtschafts-wachstums. In den vier Szenarien kommtes zu weiteren Wachstumseinbußen.

Die vier Simulationsrechnungen basierenauf folgenden Annahmen: Es wird ange-nommen, dass zunächst die Finanzhilfenfür Griechenland eingestellt werden, so-dass es dort zu einem Staatsbankrottkommt, in dessen Folgeauch eine eigene griechi-sche Währung eingeführtwird. Der Staatsbankrottführt zu einem massivenSchuldenschnitt.Realistischerweise kannheute niemand vorhersa-gen, wie groß dieser aus-fallen würde. Wir gehenin den Simulationsrechnungen von einem60-prozentigen Schuldenschnitt aus. Diesomit verbleibenden 40 Prozent der For-derungen bleiben in Euro denominiert.Dieser Schuldenschnitt betrifft sowohl öf-fentliche als auch private Gläubiger, die60 Prozent ihrer Forderungen gegenüberGriechenland abschreiben müssen.Exemplarisch sind die Forderungsverlustedes öffentlichen und privaten Sektors fürausgewählte Länder in Tabelle 1 darge-stellt.

Für die öffentlichen Haushalte bedeutendie Forderungsverluste Abschreibungenin entsprechender Höhe. Abschreibungenstellen buchhalterische Kosten dar, sodassdie staatlichen Budgetdefizite der Länder,die direkt oder indirekt für Griechenlandhaften, größer werden. Damit steigen indiesen Ländern die Staatsschulden undder zu leistende Schuldendienst. Der Staatmuss daher an anderer Stelle Konsolidie-

rungsmaßnahmen ergreifen, also entwe-der seine Ausgaben reduzieren oder dieSteuern und Abgaben erhöhen. Beidesführt dazu, dass die Nachfrage nach Gü-tern und Dienstleistungen zurückgeht,was dann auch eine Verringerung derProduktion und Beschäftigung zur Folgehat. Die Budgetwirkungen eines Schul-denschnitts werden in den Simulationsbe-rechnungen für sämtliche Industrieländerdes VIEW-Modells berücksichtigt, indemdie umfangreichen Forderungen bzw. Haf-tungen für Kredite (EFSM-, EFSF- undIWF-Hilfen, Aufkäufe von Staatsanleihendurch die EZB, Target-Kredite) der einzel-

nen Industrieländer entsprechend abge-schrieben werden. Bei den Schwellenlän-dern ist eine Berücksichtigung der Bud-getwirkungen der Forderungsverlusteaufgrund der unzureichenden Datenlagenicht möglich.

Die privaten Gläubiger des griechischenStaates und des griechischen Privatsek-tors müssen ebenfalls 60 Prozent ihrerForderungen abschreiben. In den vorlie-genden Berechnungen geht dieser Verlustannahmegemäß direkt als negativer Ver-mögenseffekt in die Einkommen der pri-vaten Haushalte des betreffenden Jahresein. In der Folge werden deren Konsum-ausgaben und Wohnungsbauinvestitionengedämpft.

Auch für Griechenland selbst haben derStaatsbankrott und die Wiedereinführungeiner eigenen Währung erhebliche wirt-schaftliche Konsequenzen: Die neue grie- 03

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Das VIEW-Modell: Bei diesem Modell handelt es sich umein umfassendes makroökonomisches Modell, das 42Länder und damit mehr als 90 Prozent der Weltwirtschaftabdeckt. Es behandelt neben der Entstehung und Ver-wendung der produzierten Güter und Dienstleistungenauch den Arbeitsmarkt und die öffentlichen Finanzenund verbindet dabei alle beteiligten Länder über Exporte,Importe, Wechselkurse etc. miteinander. Das Modell wirdzur Berechnung von Prognosen und Szenarien eingesetzt.

wicklung wurden ebenfalls mit demVIEW-Modell erstellt. Der im Sommer2012 erstellte „Weltreport 2012“ prognos-tiziert angesichts der weltweit erforderli-chen Konsolidierungen der öffentlichenHaushalte bis 2016/2017 eine deutlicheDämpfung des weltweiten Wirtschafts-wachstums. In den vier Szenarien kommtes zu weiteren Wachstumseinbußen.

Die vier Simulationsrechnungen basierenauf folgenden Annahmen: Es wird ange-nommen, dass zunächst die Finanzhilfenfür Griechenland eingestellt werden, so-dass es dort zu einem Staatsbankrottkommt, in dessen Folgeauch eine eigene griechi-sche Währung eingeführtwird. Der Staatsbankrottführt zu einem massivenSchuldenschnitt.Realistischerweise kannheute niemand vorhersa-gen, wie groß dieser aus-fallen würde. Wir gehenin den Simulationsrechnungen von einem60-prozentigen Schuldenschnitt aus. Diesomit verbleibenden 40 Prozent der For-derungen bleiben in Euro denominiert.Dieser Schuldenschnitt betrifft sowohl öf-fentliche als auch private Gläubiger, die60 Prozent ihrer Forderungen gegenüberGriechenland abschreiben müssen.Exemplarisch sind die Forderungsverlustedes öffentlichen und privaten Sektors fürausgewählte Länder in Tabelle 1 darge-stellt.

Für die öffentlichen Haushalte bedeutendie Forderungsverluste Abschreibungenin entsprechender Höhe. Abschreibungenstellen buchhalterische Kosten dar, sodassdie staatlichen Budgetdefizite der Länder,die direkt oder indirekt für Griechenlandhaften, größer werden. Damit steigen indiesen Ländern die Staatsschulden undder zu leistende Schuldendienst. Der Staatmuss daher an anderer Stelle Konsolidie-

rungsmaßnahmen ergreifen, also entwe-der seine Ausgaben reduzieren oder dieSteuern und Abgaben erhöhen. Beidesführt dazu, dass die Nachfrage nach Gü-tern und Dienstleistungen zurückgeht,was dann auch eine Verringerung derProduktion und Beschäftigung zur Folgehat. Die Budgetwirkungen eines Schul-denschnitts werden in den Simulationsbe-rechnungen für sämtliche Industrieländerdes VIEW-Modells berücksichtigt, indemdie umfangreichen Forderungen bzw. Haf-tungen für Kredite (EFSM-, EFSF- undIWF-Hilfen, Aufkäufe von Staatsanleihendurch die EZB, Target-Kredite) der einzel-

nen Industrieländer entsprechend abge-schrieben werden. Bei den Schwellenlän-dern ist eine Berücksichtigung der Bud-getwirkungen der Forderungsverlusteaufgrund der unzureichenden Datenlagenicht möglich.

Die privaten Gläubiger des griechischenStaates und des griechischen Privatsek-tors müssen ebenfalls 60 Prozent ihrerForderungen abschreiben. In den vorlie-genden Berechnungen geht dieser Verlustannahmegemäß direkt als negativer Ver-mögenseffekt in die Einkommen der pri-vaten Haushalte des betreffenden Jahresein. In der Folge werden deren Konsum-ausgaben und Wohnungsbauinvestitionengedämpft.

Auch für Griechenland selbst haben derStaatsbankrott und die Wiedereinführungeiner eigenen Währung erhebliche wirt-schaftliche Konsequenzen: Die neue grie- 03

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Das VIEW-Modell: Bei diesem Modell handelt es sich umein umfassendes makroökonomisches Modell, das 42Länder und damit mehr als 90 Prozent der Weltwirtschaftabdeckt. Es behandelt neben der Entstehung und Ver-wendung der produzierten Güter und Dienstleistungenauch den Arbeitsmarkt und die öffentlichen Finanzenund verbindet dabei alle beteiligten Länder über Exporte,Importe, Wechselkurse etc. miteinander. Das Modell wirdzur Berechnung von Prognosen und Szenarien eingesetzt.

wicklung wurden ebenfalls mit demVIEW-Modell erstellt. Der im Sommer2012 erstellte „Weltreport 2012“ prognos-tiziert angesichts der weltweit erforderli-chen Konsolidierungen der öffentlichenHaushalte bis 2016/2017 eine deutlicheDämpfung des weltweiten Wirtschafts-wachstums. In den vier Szenarien kommtes zu weiteren Wachstumseinbußen.

Die vier Simulationsrechnungen basierenauf folgenden Annahmen: Es wird ange-nommen, dass zunächst die Finanzhilfenfür Griechenland eingestellt werden, so-dass es dort zu einem Staatsbankrottkommt, in dessen Folgeauch eine eigene griechi-sche Währung eingeführtwird. Der Staatsbankrottführt zu einem massivenSchuldenschnitt.Realistischerweise kannheute niemand vorhersa-gen, wie groß dieser aus-fallen würde. Wir gehenin den Simulationsrechnungen von einem60-prozentigen Schuldenschnitt aus. Diesomit verbleibenden 40 Prozent der For-derungen bleiben in Euro denominiert.Dieser Schuldenschnitt betrifft sowohl öf-fentliche als auch private Gläubiger, die60 Prozent ihrer Forderungen gegenüberGriechenland abschreiben müssen.Exemplarisch sind die Forderungsverlustedes öffentlichen und privaten Sektors fürausgewählte Länder in Tabelle 1 darge-stellt.

Für die öffentlichen Haushalte bedeutendie Forderungsverluste Abschreibungenin entsprechender Höhe. Abschreibungenstellen buchhalterische Kosten dar, sodassdie staatlichen Budgetdefizite der Länder,die direkt oder indirekt für Griechenlandhaften, größer werden. Damit steigen indiesen Ländern die Staatsschulden undder zu leistende Schuldendienst. Der Staatmuss daher an anderer Stelle Konsolidie-

rungsmaßnahmen ergreifen, also entwe-der seine Ausgaben reduzieren oder dieSteuern und Abgaben erhöhen. Beidesführt dazu, dass die Nachfrage nach Gü-tern und Dienstleistungen zurückgeht,was dann auch eine Verringerung derProduktion und Beschäftigung zur Folgehat. Die Budgetwirkungen eines Schul-denschnitts werden in den Simulationsbe-rechnungen für sämtliche Industrieländerdes VIEW-Modells berücksichtigt, indemdie umfangreichen Forderungen bzw. Haf-tungen für Kredite (EFSM-, EFSF- undIWF-Hilfen, Aufkäufe von Staatsanleihendurch die EZB, Target-Kredite) der einzel-

nen Industrieländer entsprechend abge-schrieben werden. Bei den Schwellenlän-dern ist eine Berücksichtigung der Bud-getwirkungen der Forderungsverlusteaufgrund der unzureichenden Datenlagenicht möglich.

Die privaten Gläubiger des griechischenStaates und des griechischen Privatsek-tors müssen ebenfalls 60 Prozent ihrerForderungen abschreiben. In den vorlie-genden Berechnungen geht dieser Verlustannahmegemäß direkt als negativer Ver-mögenseffekt in die Einkommen der pri-vaten Haushalte des betreffenden Jahresein. In der Folge werden deren Konsum-ausgaben und Wohnungsbauinvestitionengedämpft.

Auch für Griechenland selbst haben derStaatsbankrott und die Wiedereinführungeiner eigenen Währung erhebliche wirt-schaftliche Konsequenzen: Die neue grie-

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chische Währung wird gegenüber allenanderen Währungen abgewertet. So wieschon bei der Höhe des Schuldenschnittsherrscht auch bezüglich des konkretenAusmaßes der Abwertung großeUnsicherheit. In den Be-rechnungen des VIEW-Modells wird von einer50-prozentigen Abwer-tung der neuen griechi-schen Währung ausge-gangen. Diese Abwer-tung hat zur Folge, dassder in der griechischenWährung ausgedrückteStaatsschuldenstandsteigt, da die Altschulden Griechenlandsin Euro denominiert sind. Die effektiveReduktion der Staatsverschuldung beträgtdeshalb nur 20 Prozent.

Als Folge der Staatspleite verlieren dieKapitalmärkte jegliches Vertrauen in diezukünftige Bonität des griechischen Staa-tes. Der griechische Staat kann daher nurdas ausgeben, was er durch Steuern undAbgaben einnimmt. Der geplante staatli-che Budgetsaldo liegt daher bis 2020 beinull. Die Staatspleite und die Währungs-umstellung führen schließlich noch zu ei-ner massiven Verunsicherung der griechi-schen Konsumenten und nationaler sowieinternationaler Investoren, was negativeKonsequenzen für den privaten Konsumund die privaten Investitionen hat. In An-lehnung an historische Beispiele (z. B. Ar-gentinien 2001) werden in den Simulati-onsrechnungen für beide Nachfragekom-ponenten eine zehnprozentige Verringe-rung im Jahr 2013 und eine fünfprozenti-ge Reduktion im Jahr 2014 angenommen.Alle bisher skizzierten negativen Impulsefür die Nachfrage nach Gütern und Dienst-leistungen beschränken sich nicht nur aufdas jeweils betreffende Land. Da die ein-zelnen Volkswirtschaften über Exporteund Importe intensiv miteinander ver-

flochten sind, breiten sich Nachfragerück-gänge eines Landes schnell auf dessenHandelspartner aus. Daraus resultiertdann im Ergebnis ein weltweiter Rück-gang der wirtschaftlichen Aktivitäten.

Die übrigen drei Szenarien werden analogsimuliert, d. h. es werden für alle betroffe-nen Länder ein 60-prozentiger Schulden-schnitt und eine 50-prozentige Abwertungder neu eingeführten Währung ange-nommen.

2. Konsequenzen der Aus-stiegsszenarien

Die nachfolgend präsentierten Simulati-onsberechnungen des VIEW-Modells ver-anschaulichen die Auswirkungen der vierSzenarien für die 42 Länder dieses Mo-dells. Die Resultate werden wie bei allenSimulationsrechnungen von den zugrundegelegten Annahmen beeinflusst, in diesemFall vor allem von den konkreten Wertenzur Höhe der Schuldenschnitte und derAbwertungen. Die hier getroffenen An-nahmen sind unserer Meinung nach diederzeit beste Annäherung an möglicheEntwicklungen.

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getroffenen Annah-men lassen sich dieKonsequenzen dervier Szenarien fürdie weltwirtschaftli-che Entwicklung imZeitraum von 2013bis 2020 berechnen.Um die Wachstums-effekte jedes einzel-nen Szenarios abzu-bilden, werden diejährlichen Einbußendes BIP gegenüberder Entwicklung des„Weltreports 2012“berechnet und an-schließend über dieJahre 2013 bis 2020addiert. Die so be-rechneten kumulier-ten Wachstumsein-bußen sind für allevier Szenarien in Ta-belle 2 dargestellt.

Grexit-Szenario: EinStaatsbankrott undEuro-Austritt Grie-chenlands ist für sichgenommen sowohlfür Europa und alsauch für die Welt-wirtschaft nur mitgeringen Wachs-tumseffekten ver-bunden. Die gesam-ten BIP-Verluste derJahre 2013 bis 2020in den 42 VIEW-Ländern, die mehrals 90 Prozent derweltweiten Wirt-schaftsleitung aus-machen, würden sichauf 674 Milliarden

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Grexit-Szenario: EinStaatsbankrott undEuro-Austritt Grie-chenlands ist für sichgenommen sowohlfür Europa und alsauch für die Welt-wirtschaft nur mitgeringen Wachs-tumseffekten ver-bunden. Die gesam-ten BIP-Verluste derJahre 2013 bis 2020in den 42 VIEW-Ländern, die mehrals 90 Prozent derweltweiten Wirt-schaftsleitung aus-machen, würden sichauf 674 Milliarden

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getroffenen Annah-men lassen sich dieKonsequenzen dervier Szenarien fürdie weltwirtschaftli-che Entwicklung imZeitraum von 2013bis 2020 berechnen.Um die Wachstums-effekte jedes einzel-nen Szenarios abzu-bilden, werden diejährlichen Einbußendes BIP gegenüberder Entwicklung des„Weltreports 2012“berechnet und an-schließend über dieJahre 2013 bis 2020addiert. Die so be-rechneten kumulier-ten Wachstumsein-bußen sind für allevier Szenarien in Ta-belle 2 dargestellt.

Grexit-Szenario: EinStaatsbankrott undEuro-Austritt Grie-chenlands ist für sichgenommen sowohlfür Europa und alsauch für die Welt-wirtschaft nur mitgeringen Wachs-tumseffekten ver-bunden. Die gesam-ten BIP-Verluste derJahre 2013 bis 2020in den 42 VIEW-Ländern, die mehrals 90 Prozent derweltweiten Wirt-schaftsleitung aus-machen, würden sichauf 674 Milliarden

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2/06 Euro aufsummieren. Griechenland selbst

trägt davon mit 164 Milliarden Euro dengrößten Anteil. In Deutschland liegen diekumulierten Wachstumsverluste bei ledig-lich 73 Milliarden Euro. Um die Bedeu-tung der BIP-Einbußen für die einzelnenLänder besser vergleichen zu können,werden die kumulierten Wachstumsver-luste in Relation zum BIP des Jahres 2013gesetzt. In Griechenland betragen die ku-mulierten BIP-Verluste 94 Prozent derWirtschaftsleistung des Jahres 2013, inDeutschland und den USA hingegen nur2,9 bzw. 0,9 Prozent. Verhältnismäßigstark betroffen wären Frankreich, Portugalund Bulgarien, deren kumulierte BIP-Verluste sich auf jeweils etwa 8 Prozentbelaufen würden.

GP-Exit-Szenario: Die Auswirkungen ei-nes Austritts von Griechenland und Por-tugal auf die weltwirtschaftliche Entwick-lung wären spürbarer, aber immer nochrelativ gering. In diesem Szenario addie-ren sich die kumulierten Wachstumsver-luste der 42 VIEW-Länder zu fast 2,4 Billi-onen Euro auf. In Portugal selbst fielenBIP-Einbußen in Höhe von 84 MilliardenEuro an. Auch in Deutschland würde die-ses Szenario mit einem kumulierten BIP-Verlust von 225 Milliarden Euro spürbarewirtschaftliche Schäden hervorrufen. Fürdie USA ergeben sich mit Wachstumsein-bußen in Höhe von 365 Milliarden Euroabsolut betrachtet sogar größere Verlusteals in den europäischen Volkswirtschaf-ten. Hohe absolute Verluste müssten zu-dem Frankreich mit 331 Milliarden Euround China mit 275 Milliarden Euro hin-nehmen. Diese Größen relativieren sichjedoch beim Blick auf die Wachstumsver-lust in Relation zum BIP des Jahres 2013:In den USA und in Deutschland belaufensich die kumulierten BIP-Einbußen auf 3,3bzw. 9,1 Prozent des BIP des Jahres 2013.In Frankreich (17,6 Prozent) ist der ent-sprechende Wert spürbar höher. In Portu-gal hingegen addieren sich die Wachs-

tumsverluste auf fast 55 Prozent des BIPdes Jahres 2013 auf. Für Griechenland er-höht sich der Wert nur noch sehr gering-fügig im Vergleich zum Grexit-Szenariound verbleibt bei gut 94 Prozent.

GPS-Exit-Szenario: Bei einem gemeinsa-men Austritt von Griechenland, Portugalund Spanien ergeben sich weltweit spür-bare Wachstumseinbußen. In Frankreichaddieren sich die Wachstumsverluste bis2020 auf über 1,2 Billionen Euro auf undin Deutschland auf über 850 MilliardenEuro. Für die vier BRIC-Staaten ergebensich kumulierte Wachstumseinbußen inHöhe von 1,4 Billionen Euro und für dieUSA in Höhe von mehr als 1,2 BillionenEuro. Der gesamte wirtschaftliche Scha-den der 42 VIEW-Länder liegt bei knapp7,9 Billionen Euro. Auch in Relation zumBIP des Jahres 2013 steigen die kumulier-ten Wachstumsverluste nun stark an. Be-sonders betroffen sind dabei Portugal(wegen den engen Handelsbeziehungenmit Spanien) und Frankreich (unter ande-rem wegen des starken Engagements derfranzösischen Banken in Spanien). Portu-gal weist in diesem Szenario einen BIP-Verlust in Höhe von 104 Prozent in Rela-tion zum BIP des Jahres 2013 auf, gefolgtvon Griechenland (96 Prozent), Spanienselbst (81 Prozent) und Frankreich (65Prozent). In Deutschland liegt der ent-sprechende Wert bei 34 Prozent, in denUSA bei gut 11 Prozent, und in China bei24 Prozent.

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/06GPSI-Exit-Szenario: Der gemeinsame

Austritt aller vier Krisenländer würdeschließlich eine weltweite Rezession her-vorrufen und für die 42 VIEW-Länder bis2020 einen Wachstumsverlust in Höhevon fast 17,2 Billionen Euro nach sich zie-hen. Absolut betrachtet wären die Verlus-te in Frankreich (2,9 Billionen Euro), denUSA (2,8 Billionen Euro), China (1,9 Billi-onen Euro) und Deutschland mit rund 1,7Billionen Euro am größten. Frankreichwürde unter anderem wegen der hohenKreditvergabe der heimischen Banken be-sonders stark unter dem zusätzlichen ita-lienischen Staatsbankrott und Euro-Austritt leiden: Die aufsummiertenWachstumsverluste erreichen einen Wertvon 154 Prozent der Wirtschaftsleistungdes Jahres 2013. In Italien selbst liegt derkumulierte BIP-Verlust mit rund 75 Pro-zent des BIP des Jahres 2013 etwas überdem entsprechenden Wert Deutschlands(69 Prozent). Für die USA ergibt sich einWert von knapp 25 Prozent und für Chinavon rund 49 Prozent.

Ein derart starker Einbruch des realen BIPführt zwangsläufig zu einem Anstieg derArbeitslosigkeit. Im GPSI-Exit-Szenario istbeispielsweise Deutschlands Erwerbslo-senquote in den Jahren 2015 und 2016rund 2,5 bzw. 2,2 Prozentpunkte höher alsim Basisszenario. In den restlichen Jahrendes hier betrachteten Zeitraums liegt diedeutsche Erwerbslosenquote 0,5 bis 1,7Prozentpunkte über den Werten des Ba-sisszenarios.

3. WirtschaftspolitischeKonsequenzen

Ein Staatsbankrott in Griechenland inklu-sive eines Austritts Griechenlands ausdem Euro wäre für sich genommen für dieWeltwirtschaft ökonomisch verkraftbar.Welche Folgewirkungen sich daraus erge-

ben, ist jedoch nicht absehbar. Denkbar isteinerseits, dass dieser Schritt den übrigensüdeuropäischen Krisenstaaten nachhaltigsignalisiert, dass sie ohne massive eigeneAnstrengungen nicht mehr davon ausge-hen können, die erhofften Finanzhilfen zuerhalten. Dies könnte den Widerstand ge-gen harte, aber notwendige Reformen ver-ringern und so zur Lösung der Euro-Krisebeitragen. Es ist aber anderseits nichtauszuschließen, dass ein griechischerStaatsbankrott zu Kapitalmarktreaktionenund Spekulationen führt, die Portugal,Spanien und schließlich auch Italien ineinen Staatsbankrott führen. Dies würdedie Weltwirtschaft in eine tiefe Rezessionstürzen, die auch vor außereuropäischenVolkswirtschaften keinen Halt machenwürde. Neben den rein ökonomischenKonsequenzen ist dann auch mit erhebli-chen sozialen Spannungen und politi-schen Instabilitäten zu rechnen – vor al-lem in den Ländern, die aus dem Euroausscheiden, aber auch in anderenVolkswirtschaften. Die Gefahr von Domi-no-Effekten durch einen Austritt Griechen-lands mit den Folgen einer länger andau-ernden weltweiten Rezession ist also ge-geben. Will sich die internationale Staa-tengemeinschaft - auch außerhalb Europas- dieser Gefahr nicht aussetzen, sollte sieihre Anstrengungen zur Stabilisierung derWährungsunion konsequent beibehalten.

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/06GPSI-Exit-Szenario: Der gemeinsame

Austritt aller vier Krisenländer würdeschließlich eine weltweite Rezession her-vorrufen und für die 42 VIEW-Länder bis2020 einen Wachstumsverlust in Höhevon fast 17,2 Billionen Euro nach sich zie-hen. Absolut betrachtet wären die Verlus-te in Frankreich (2,9 Billionen Euro), denUSA (2,8 Billionen Euro), China (1,9 Billi-onen Euro) und Deutschland mit rund 1,7Billionen Euro am größten. Frankreichwürde unter anderem wegen der hohenKreditvergabe der heimischen Banken be-sonders stark unter dem zusätzlichen ita-lienischen Staatsbankrott und Euro-Austritt leiden: Die aufsummiertenWachstumsverluste erreichen einen Wertvon 154 Prozent der Wirtschaftsleistungdes Jahres 2013. In Italien selbst liegt derkumulierte BIP-Verlust mit rund 75 Pro-zent des BIP des Jahres 2013 etwas überdem entsprechenden Wert Deutschlands(69 Prozent). Für die USA ergibt sich einWert von knapp 25 Prozent und für Chinavon rund 49 Prozent.

Ein derart starker Einbruch des realen BIPführt zwangsläufig zu einem Anstieg derArbeitslosigkeit. Im GPSI-Exit-Szenario istbeispielsweise Deutschlands Erwerbslo-senquote in den Jahren 2015 und 2016rund 2,5 bzw. 2,2 Prozentpunkte höher alsim Basisszenario. In den restlichen Jahrendes hier betrachteten Zeitraums liegt diedeutsche Erwerbslosenquote 0,5 bis 1,7Prozentpunkte über den Werten des Ba-sisszenarios.

3. WirtschaftspolitischeKonsequenzen

Ein Staatsbankrott in Griechenland inklu-sive eines Austritts Griechenlands ausdem Euro wäre für sich genommen für dieWeltwirtschaft ökonomisch verkraftbar.Welche Folgewirkungen sich daraus erge-

ben, ist jedoch nicht absehbar. Denkbar isteinerseits, dass dieser Schritt den übrigensüdeuropäischen Krisenstaaten nachhaltigsignalisiert, dass sie ohne massive eigeneAnstrengungen nicht mehr davon ausge-hen können, die erhofften Finanzhilfen zuerhalten. Dies könnte den Widerstand ge-gen harte, aber notwendige Reformen ver-ringern und so zur Lösung der Euro-Krisebeitragen. Es ist aber anderseits nichtauszuschließen, dass ein griechischerStaatsbankrott zu Kapitalmarktreaktionenund Spekulationen führt, die Portugal,Spanien und schließlich auch Italien ineinen Staatsbankrott führen. Dies würdedie Weltwirtschaft in eine tiefe Rezessionstürzen, die auch vor außereuropäischenVolkswirtschaften keinen Halt machenwürde. Neben den rein ökonomischenKonsequenzen ist dann auch mit erhebli-chen sozialen Spannungen und politi-schen Instabilitäten zu rechnen – vor al-lem in den Ländern, die aus dem Euroausscheiden, aber auch in anderenVolkswirtschaften. Die Gefahr von Domi-no-Effekten durch einen Austritt Griechen-lands mit den Folgen einer länger andau-ernden weltweiten Rezession ist also ge-geben. Will sich die internationale Staa-tengemeinschaft - auch außerhalb Europas- dieser Gefahr nicht aussetzen, sollte sieihre Anstrengungen zur Stabilisierung derWährungsunion konsequent beibehalten.

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/06GPSI-Exit-Szenario: Der gemeinsame

Austritt aller vier Krisenländer würdeschließlich eine weltweite Rezession her-vorrufen und für die 42 VIEW-Länder bis2020 einen Wachstumsverlust in Höhevon fast 17,2 Billionen Euro nach sich zie-hen. Absolut betrachtet wären die Verlus-te in Frankreich (2,9 Billionen Euro), denUSA (2,8 Billionen Euro), China (1,9 Billi-onen Euro) und Deutschland mit rund 1,7Billionen Euro am größten. Frankreichwürde unter anderem wegen der hohenKreditvergabe der heimischen Banken be-sonders stark unter dem zusätzlichen ita-lienischen Staatsbankrott und Euro-Austritt leiden: Die aufsummiertenWachstumsverluste erreichen einen Wertvon 154 Prozent der Wirtschaftsleistungdes Jahres 2013. In Italien selbst liegt derkumulierte BIP-Verlust mit rund 75 Pro-zent des BIP des Jahres 2013 etwas überdem entsprechenden Wert Deutschlands(69 Prozent). Für die USA ergibt sich einWert von knapp 25 Prozent und für Chinavon rund 49 Prozent.

Ein derart starker Einbruch des realen BIPführt zwangsläufig zu einem Anstieg derArbeitslosigkeit. Im GPSI-Exit-Szenario istbeispielsweise Deutschlands Erwerbslo-senquote in den Jahren 2015 und 2016rund 2,5 bzw. 2,2 Prozentpunkte höher alsim Basisszenario. In den restlichen Jahrendes hier betrachteten Zeitraums liegt diedeutsche Erwerbslosenquote 0,5 bis 1,7Prozentpunkte über den Werten des Ba-sisszenarios.

3. WirtschaftspolitischeKonsequenzen

Ein Staatsbankrott in Griechenland inklu-sive eines Austritts Griechenlands ausdem Euro wäre für sich genommen für dieWeltwirtschaft ökonomisch verkraftbar.Welche Folgewirkungen sich daraus erge-

ben, ist jedoch nicht absehbar. Denkbar isteinerseits, dass dieser Schritt den übrigensüdeuropäischen Krisenstaaten nachhaltigsignalisiert, dass sie ohne massive eigeneAnstrengungen nicht mehr davon ausge-hen können, die erhofften Finanzhilfen zuerhalten. Dies könnte den Widerstand ge-gen harte, aber notwendige Reformen ver-ringern und so zur Lösung der Euro-Krisebeitragen. Es ist aber anderseits nichtauszuschließen, dass ein griechischerStaatsbankrott zu Kapitalmarktreaktionenund Spekulationen führt, die Portugal,Spanien und schließlich auch Italien ineinen Staatsbankrott führen. Dies würdedie Weltwirtschaft in eine tiefe Rezessionstürzen, die auch vor außereuropäischenVolkswirtschaften keinen Halt machenwürde. Neben den rein ökonomischenKonsequenzen ist dann auch mit erhebli-chen sozialen Spannungen und politi-schen Instabilitäten zu rechnen – vor al-lem in den Ländern, die aus dem Euroausscheiden, aber auch in anderenVolkswirtschaften. Die Gefahr von Domi-no-Effekten durch einen Austritt Griechen-lands mit den Folgen einer länger andau-ernden weltweiten Rezession ist also ge-geben. Will sich die internationale Staa-tengemeinschaft - auch außerhalb Europas- dieser Gefahr nicht aussetzen, sollte sieihre Anstrengungen zur Stabilisierung derWährungsunion konsequent beibehalten.

Page 8: Policy Brief: Wirtschaftliche Folgen eines Euro-Austritts der südeuropäischen Mitgliedsstaaten

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2/06 Policy Brief 2012/04: Die Vermessung der SMW

Der „Index moderner sozialer Marktwirtschaften“ (MSMW-Index) definiert und misst die Eigenschaften der modernensozialen Marktwirtschaft im internationalen Vergleich. ImGegensatz zu anderen Indizes, die die Wirtschaftsleistungmessen, setzt der MSMW-Index bei den Institutionen undKonstruktionsmerkmalen moderner Marktwirtschaften an.Unter anderem könnte der Index die Europäische Union da-hingehend anleiten, dass sie die „wettbewerbsfähige sozialeMarktwirtschaft“ erreicht, die sie im Vertrag von Lissabon alsihre gewünschte Wirtschaftsordnung bezeichnet.

Policy Brief 2012/05: Maastricht 2.0Die gegenwärtigen Verschuldungsregeln der EuropäischenUnion behandeln alle Länder gleich. Der hier skizzierte Alter-nativvorschlag der Bertelsmann Stiftung und Prognos AGberücksichtigt länderspezifische Gegebenheiten, ohne dabeiwillkürlich zu sein. Diese Regel ist wachstumsfreundlicher alsdie europäische Schuldenbremse. Bis 2030 addieren sich dierealen Wachstumsgewinne gegenüber der europäischenSchuldenbremse auf mehr als 450 Mrd. Euro. Deutschlandprofitiert am stärksten von der neuen Regelung wegen deshöheren Wirtschaftswachstums in den Partnerländern.

V.i.S.d.P

Bertelsmann StiftungCarl-Bertelsmann-Straße 256D-33311 Güterslohwww.bertelsmann-stiftung.de

Dr. Thieß PetersenTelefon: +49 5241 [email protected]

Eric ThodeTelefon: +49 5241 [email protected]

ISSN-Nummer: 2191-2459

Demnächst erscheint:

• Laura Naegele, Claire Dhéret und EricThode, „Bessere Beschäftigungschancenfür ältere Arbeitskräfte“