polymere mit temperatur- und formgedächtnis

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Page 1: Polymere mit Temperatur- und Formgedächtnis

T R E F F P U N K T FO R SC H U N G

Chem. Unserer Zeit, 2013, 47, 278 – 284 www.chiuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 281

M AT E R I A L I E N

Polymere mit Temperatur- und Formgedächtnis

Während es schon verschiedene Formgedächtnis-Polymere mit einemeinmaligen Formänderungseffekt gibt, sind solche mit umkehrbarenFormänderungen neu. Die Idee dahinter ist, ein inneres Gerüst aus kristallinen Bereichen als Hochtemperaturform zu wählen, während die Kristallisation von Bereichen, welche in der Hochtemperaturformamorph vorliegen, die Niedertemperaturform bestimmt. Die Formände-rung basiert dann auf dem Schmelzen oder Kristallisieren dieser Berei-che, die als Aktoren fungieren.

che, die auch in der Hochtemperatur-form kristallin sind, geben die Formvor und halten zudem die Polymer-kettensegmente, welche den Aktoren-bereiche zuzuordnen sind, gespannt.Beim Abkühlen kristallisieren dieseAktoren-Kettensegmente, was zu einer Ausdehnung in der Richtungder vormals aufgebrachten Spannungführt. Wird ihre Schmelztemperaturüberschritten, wickeln sie sich wie-der auf und die Bewegung kehrt sichum. Die Programmierung kann auchzurückgesetzt und durch eine neueersetzt werden.

Die Forscher konnten zeigen,dass sich solche Temperatur-Gedächt-nis-Polymer-Aktoren mit vernetztemPoly-[Ethylen-co-(vinyl-acetat)] reali-sieren lassen. Es besteht aus Berei-chen aus Polyethylen mit niedrigemund hohem Schmelzpunkt sowie Vinylacetat und schmilzt zwischen25 °C und 90 °C. Günstig war einVerhältnis von einem Drittel Gerüst-bereichen gegenüber zwei DrittelnAktorenbereichen. Die Arbeitsgruppeverglich verschiedene Copolymer-

Kompositionen und konnte dabeisystematisch Aktoren-Temperaturenzwischen 36 und 76 °C einstellen.

Auf der Basis von etablierten Polymeren lassen sich also neueFunktionen erzielen. Fassaden, diesich durch Lamellen verschatten las-sen, wären eine mögliche Anwen-dung. Die Lamellen könnten abhän-gig von der Temperatur selbstständigden Grad der Verdunkelung ein -stellen.

Literatur[1] M. Behl; K. Kratz, U. Noechel, T. Sauter,

A. Lendlein, PNAS 2013, 110, 12555–12559.[2] M. Behl, K. Kratz, J. Zotzmann, U. Nöchel,

A. Lendlein, Adv. Mater. 2013, 25,4466–4469.

Sylvia Feil, Burgdorf

Am Forschungszentrum Geesthachthaben der Chemiker Andreas Lend-lein und seine Mitarbeiter ein neuesKonzept entwickelt, mit dem Polyme-re ähnlich wie metallische Formge-dächtnislegierungen je nach Tempe-ratur eine andere Form annehmen[1]. Es eignen sich Polymernetzwerkemit einem breiten Schmelztempera-turbereich. Die Temperatur, bis zu der erwärmt wird, steuert den Volumenanteil der Polymere für den Bereich des Gerüsts und der Aktoren.

Auf molekularer Ebene sind beideStrukturelemente über Netzpunkteverknüpft, sodass die Volumenände-rung sich als gerichtete Bewegungauf die äußere Form überträgt. Da-durch kann eine freistehende Formwie ein Verschluss oder ein Halterexpandieren und sich kontrahieren,also bidirektional bewegen.

Wie programmiert man die äußere Formänderung in das Polymer ein? Der Prozess beginnt mit einer Verfor-mung des erwärmten Materials. An-schließend kühlt es unter Zugspan-nung ab [2]. Beim Erreichen derniedrigeren Schmelztemperatur ha-ben sich alle kristallinen Bereichewie gewünscht orientiert. Beim er-neuten Erwärmen bis zur Tempera-tur, welche die Gerüst- und die Akto-renbereiche trennt, wird die Hoch-temperaturform programmiert. Jetztist nur noch ein Temperaturwechselnötig, um zwischen den beiden For-men zu wechseln. Die Gerüstberei-

Abb. 1a Der Aktor auf molekularer Ebene betrachtet. DiePunkte sind Polyacrylat-Vernetzungspunkte. Die kristallinenPolyethylen-Gerüst-Bereiche sind in rot zu sehen. Die Form -änderung der (grünen) Polyethylen-Aktoren-Bereiche ist reversibel. Im linken Bild ist die gestreckte Form bei niedrigenTemperaturen zu sehen, rechts die gewickelte Form bei höhe-ren Temperaturen.

Abb. 1b Der Aktor auf stofflicher Ebene betrachtet: Zusammenziehen und Ausdeh-nen abhängig von der Temperatur. [Bilder: Advanced Materials 2013, 25, 4466–4469].