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Philipps-Universität Marburg
Fachbereich Chemie
Experimentalvortrag
Leitung: Prof. Dr. Neumüller, Dr. Reiß
SS 2010
Protokoll zum organisch-
chemischen Experimentalvortrag
- Polymere in Industrie & Technik -
Verfasst von:
Tobias Gerhardt Matr.-Nr.: 2015170
Frankfurter Str. 8 L3, 10. Semester
35037 Marburg Sport, Chemie
Abgabetermin: 29.06.2010
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
2
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ....................................................................................................................................... 3
2. Polymere und Makromoleküle ....................................................................................................... 3
3. Erstes industriell produziertes Polymer .......................................................................................... 5
3.1. Versuch 1 - Bakelit .................................................................................................................. 7
4. Industrieübergreifendes Polymer ................................................................................................. 10
4.1. Demonstration 1 - Plexiglas .................................................................................................. 11
5. Verpackungs- und Lebensmittelindustrie ..................................................................................... 15
5.1. Versuch 2 - Styropor in Joghurtbechern ............................................................................... 16
5.2. Versuch 3 - Essbares Einweggeschirr .................................................................................... 20
6. Medizintechnik ............................................................................................................................. 23
6.1. Versuch 4 - Drug delivery system (controlled drug release) ................................................. 23
7. Elektrotechnik .............................................................................................................................. 26
7.1. Demonstration 2 - Leitfähige Polymere ................................................................................ 27
8. Bauindustrie ................................................................................................................................. 31
8.1. Demonstration 3 - Polyurethanschaum ................................................................................ 31
8.2. Versuch 5 - Wärmedämmung durch PU-Schaum ................................................................. 34
9. Methodisch-didaktische Analyse .................................................................................................. 35
9.1. Einordnung der Versuche ..................................................................................................... 35
9.2. Versuchsaufwand ................................................................................................................. 36
9.3. Versuchsdurchführung ......................................................................................................... 36
Literaturverzeichnis .............................................................................................................................. 38
Abbildungsverzeichnis .......................................................................................................................... 39
Verzeichnis der Versuchsvorschriften .................................................................................................. 40
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
3
1. Einleitung
Polymere sind in der heutigen Zeit aus der Industrie, der Technik und der alltäglichen
Anwendung nicht mehr wegzudenken. Viele der tagtäglich benutzten Gegenstände
wären ohne die Forschungen auf dem Gebiet der Polymer- bzw. Makromolekularen
Chemie gar nicht existent.
Dieser Experimentalvortrag beschäftigt sich mit ausgewählten Einsatzgebieten der
Industrie- und Technikzweige und zeigt anhand von Beispielen die unzähligen
Einsatzmöglichkeiten der modernen Polymere auf. Dazu wird zunächst ein kurzer
Überblick über die Definitionen von Polymeren und Makromolekülen gegeben, bevor
ein geschichtlicher Abschnitt die Entdeckung des ersten dann auch industriell
produzierten Kunststoffs beschreibt. Darauf folgend werden Versuche und
Demonstrationen zu den Bereichen Verpackungs- und Lebensmittelindustrie,
Medizintechnik, Elektrotechnik und Bauindustrie vorgestellt und erläutert. Ebenso
wird das erste industriell produzierte Polymer hergestellt sowie ein Kunststoff, der
sich in viele verschiedene Industrie- und Technikbereiche einordnen lässt.
Den Abschluss bildet die methodisch-didaktische Analyse der Versuche, wobei vor
allem der Einsatz im Schulunterricht thematisiert wird.
2. Polymere und Makromoleküle
Makromoleküle sind „große“ Moleküle, welche sich durch die Wiederholung von
konstitutiven Einheiten innerhalb ihrer Molekülstruktur auszeichnen. Diese
sogenannten großen Moleküle besitzen im Allgemeinen eine Molmasse von 1000 bis
10000 g/mol. Die Abteilung der Chemie, welche sich mit der Erforschung der
Strukturen, der Synthese und den Eigenschaften dieser Makromoleküle beschäftigt,
ist dementsprechend die makromolekulare Chemie.
Konstitutive Einheiten (auch Grundbausteine genannt) sind die kleinsten, regelmäßig
wiederkehrenden Strukturelemente innerhalb eines Makromoleküls. Sie werden
durch ionische, kovalente oder Wasserstoffbrückenbindungen miteinander verknüpft
und beschreiben den Aufbau der molekularen Kette vollständig. Gebildet werden sie
aus den Monomeren. Das Makromolekül Polypropylen (PP) besteht z.B. aus vielen
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
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Propen-Monomeren, welche die im Folgenden dargestellten konstitutiven Einheiten
bilden:
CH2
CH3
CH3
n
Abb. 1: Monomer Propen (links) und der Grundbaustein des Polypropylen (rechts)
Der Begriff „Polymer“ wird oftmals als Synonym für ein großes, aus konstitutiven
Einheiten aufgebautes Makromolekül verwendet, ohne dass man genau weiß, ob es
sich tatsächlich um ein Polymer handelt. Bei der Klassifizierung der Makromoleküle
lassen sich diese z.B. anhand ihrer Größe einordnen. Bestehen sie aus zwei
Grundbausteinen, so bilden sie ein Dimer; bei drei Grundbausteinen ein Trimer. Bei
ein paar wenigen Grundbausteinen (die genaue Anzahl ist je nach Quelle
verschieden und schwankt zwischen 4-6 und 10-30) spricht man von einem
Oligomer. Besitzen diese Makromoleküle nun eine Molmasse von 1000 bis
10000 g/mol, so werden sie Pleionomere genannt. Erst ab einer Molmasse von über
10000 g/mol spricht man von Polymeren1.
Des Weiteren werden sie klassifiziert nach ihrer Zusammensetzung, ihrer Herkunft
oder ihrer molekularen Struktur. Die Zusammensetzung gibt hierbei an, ob es sich
um Unipolymere oder Copolymere handelt. Unipolymere sind „reine“ Polymere, d.h.
sie bestehen nur aus einer Art von Grundbausteinen, während die Copolymere aus
verschiedenen Grundbausteinen aufgebaut sind. Dabei lassen sich weitergehend
Bipolymere (2 Grundbausteine), Tripolymere (3 Grundbausteine) und
Quartärpolymere (4 Grundbaustein) unterscheiden. Oftmals werden Unipolymere
durch Zusatzstoffe zu Copolymeren gemacht, um deren Eigenschaften in
spezifischer Weise zu verändern, z.B. um sie schlagfester zu machen. Nach ihrer
Herkunft1 lassen sie sich unterteilen in anorganische Polymere, dazu zählen
Polyphosphate und Silikone, sowie in organische Polymere. Aufgrund seiner
Elektronenkonfiguration ist der Kohlenstoff besonders gut für die Polymersynthese
geeignet, weswegen den organischen Polymeren ein deutlich höherer Stellenwert
zukommt. Bei den organischen Polymeren wird weitergehend unterschieden in:
1 Lechner, M. D.; Gehrke, K.; Nordmeier, E. H.: Makromolekulare Chemie. S. 2. 4. überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin: Springer. 2010.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
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natürliche Polymere (Biopolymere): Stärke, Cellulose, DNA etc.
chemisch modifizierte Polymere: Cellulosetrinitrat (Schießbaumwolle),
Zelluloid
synthetische Polymere: Polypropylen, Polystyrol (PS), Polyvinylchlorid (PVC)
Die in der Industrie eingesetzten Polymere sind nicht immer nur synthetische
Polymere, sondern in vielen Fällen auch Biopolymere wie z.B. Stärke für Essgeschirr
oder sonstige Backwaren.
Die molekulare Struktur der Polymere unterteilt sich in lineare oder verzweigte
(Thermoplasten), weitmaschig vernetzte (Elastomere) oder engmaschig vernetzte
(Duroplasten) Polymere.
Abb. 2: Schematische Struktur eines Thermoplasten (links), eines Elastomers (Mitte) und eines Duroplasten (rechts)
Thermoplasten können durch Erwärmen erweicht und dann leicht verformt werden,
wobei sie dann während des Auskühlens in dieser Form erstarren. Werden sie
allerdings zu hoch erhitzt, so zersetzen sie sich. Beispiele für Thermoplasten sind
Joghurtbecher oder CD-Hüllen aus Polystyrol. Elastomere sind sehr flexibel und
können bis zu einem gewissen Grad gedehnt werden, wobei sie aufgrund ihrer
weitmaschigen Vernetzung im Anschluss wieder in ihre alte Form zurückkehren (z.B.
Luftballons oder Gummis). Sie lassen sich durch Erwärmen und Abkühlen aber nicht
in ihrer Form verändern. Die Duroplasten sind sehr harte und spröde Materialien,
was durch ihre engmaschige Vernetzung bedingt ist. Beim Erhitzen zersetzen sie
sich ab einer bestimmten Temperatur.
3. Erstes industriell produziertes Polymer
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war die Elektrizität stark auf dem Vormarsch und die
Forschung war sehr daran interessiert für die aufkommenden elektrischen Geräte
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
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und Hochspannungsleitungen kostengünstige Isolationsmaterialien zu entwickeln.
Zuvor wurden dazu Schellack und Kautschuk verwendet. Allerdings besaßen diese
zwei große Nachteile. Schellack ist eine natürliches Harz, welches aus den
Ausscheidungen der Lackschildlaus gewonnen wurde. Da diese aber mit ihrer
natürlichen „Produktion“ den Bedarf bei weitem nicht decken konnten, stieg der Preis
für Schellack immer weiter in die Höhe. Kautschuk hingegen war zwar relativ
preisgünstig produzierbar, hatte aber den Nachteil, dass es den oftmals hohen
Strombelastungen nicht standhalten konnte und so relativ schnell durchbrannte.
Zu diesem Zeitpunkt war den Forschern die Kondensationsreaktion zwischen Phenol
und Formaldehyd bereits bekannt und sie versuchten auf Grundlage ihrer damaligen
Kenntnisse mithilfe dieser Reaktion einen elektrisch isolierenden Kunststoff
herzustellen. Phenol fiel zu diesem Zeitpunkt in großen Mengen als Abfallprodukt bei
der Steinkohledestillation an und Formaldehyd konnte relativ leicht aus Holz
gewonnen werden, wodurch man sich eine sehr preisgünstige Produktion erhoffte.
Dem belgisch-amerikanischen Chemiker Leo Hendrik Baekeland gelang es
schließlich durch seine Experimente mit Formaldehyd und Phenol in den Jahren
1905 - 1907 ein hartes Kunstharz herzustellen. Dazu nutzte er einen von ihm
entwickelten Druckkessel, dem „Bakelizer“. Dieser ermöglichte es ihm, die
Temperatur unter Überdruck genau anzupassen und zu kontrollieren.
Abb. 3: Bakelizer (?)
Das Reaktionsprodukt nannte er nach seinem Namen Bakelit. Es war weder brenn-
noch schmelzbar, ließ sich nicht in Säure auflösen und leitete nicht den elektrischen
Strom. Goss man es flüssig in eine Form und ließ es aushärten, so behielt es diese
Form auch unter Hitzeeinwirkung bei. Es stellte somit den ersten hitzebeständigen
Kunststoff dar, einen Duroplasten. Im Jahr 1907 meldete Baekeland sein Verfahren
an und erhielt das Hitze-Druck-Patent. Ab 1910 wurde Bakelit dann großtechnisch
produziert und war ab diesem Zeitpunkt nahezu überall zu finden: als Isolator für
Hochspannungsleitungen und Glühbirnenfassungen, als Füllfederhalter und
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Aschenbecher etc. Am bekanntesten sind wohl der Fernsprechapparat W48 und die
Schaltersysteme in alten Häusern.
Abb. 4: Fernsprechapparat W48
Abb. 5: Schaltersystem aus Bakelit
Des Weiteren führte Bakelit dazu, dass sich nun auch die bürgerlichen Familien
Rundfunkempfänger leisten konnten, da die zuvor aus Holz gefertigten Radios sehr
teuer waren. Aber durch die Produktion aus Bakelit fiel ihr Preis praktisch ins
Bodenlose. Auch heute noch wird Bakelit überall dort eingesetzt, wo eine
mechanische und thermische Belastbarkeit (Schleifscheiben), Brandresistenz
(flammenhemmende Mittel in Schaumstoffen) und/oder chemische Beständigkeit von
Nöten ist.
3.1. Versuch 1 - Bakelit
Chemikalien
Name Formel R-Sätze S-Sätze Gefahren-
symbol
Einsatz in
der Schule
Natronlauge
(c = 2 mol/L) NaOH 35 26-37/39-45 C SI
Formaldehyd
(w = 0,37) CH2O(aq) 23/23/25-34-40-43 26-36/37/39-45-51 T SI
Resorcin C6H4(OH)2 22-36/38-50 26-61 Xn, N SI
Materialien
Reagenzglas, Reagenzglasklammer, Reagenzglasständer, Bunsenbrenner, Spatel,
Pipette, Feuerzeug
Zeitbedarf
Vorbereitung: 2 min. Durchführung: 5 min. Nachbereitung: 2 min.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
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Versuchsaufbau
Resorcin, Formaldehyd, Natronlauge
Abb. 6: Versuchsaufbau
Versuchsdurchführung
In das Reagenzglas werden etwa 2 g Resorcin gefüllt und mit 3 mL
Formaldehydlösung versetzt. Anschließend werden etwa 5 Tropfen Natronlauge
hinzugegeben und das Gemisch vorsichtig über dem Bunsenbrenner erhitzt.
Beobachtungen
Das Resorcin löst sich vollständig auf und die Lösung beginnt zu sieden. Langsam
verfärbt sich die Lösung rötlich. Nach etwa 3 Minuten erstarrt sie auf einmal zu einem
dunklen, rötlichen Feststoff.
Abb. 7: Reaktionsprodukt im Reagenzglas (oben) und herausgelöst (unten)
Entsorgung
Der Feststoff wird mit dem Reagenzglas in die Feststofftonne gegeben.
Fachliche Analyse
Zunächst reagiert ein Resorcin-Molekül mit Natronlauge bzw. wird durch die
Natronlauge deprotoniert und somit für einen elektrophilen Angriff aktiviert. Es kommt
dann zu einer elektrophilen aromatischen Substitutionsreaktion (SE-Ar) zwischen
einem Formaldehyd-Molekül und dem deprotonierten Resorcin.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
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OH
OH
- H2O
+ OH-
O
OH
H O- O
-
OH
OHO-
OH
O
H H
Im Anschluss erfolgt die Abspaltung einer Hydroxy-Gruppe und es wird eine
Doppelbindung zwischen dem Ring des Resorcins und dem Kohlenstoff-Atom des
ehemaligen Formaldehyd-Moleküls ausgebildet. An dieser Doppelbindung kann nun
ein weiteres Resorcin-Molekül nucleophil angreifen.
O-
OH
OH O-
O
OHOH
H- OH-
O
OH
CH2
O-
OH
Auf diese Weise werden die Resorcin-Moleküle untereinander verknüpft. Durch viele
weitere Reaktionen bildet sich nun ein engmaschig vernetztes Makromolekül, das
Bakelit (siehe auch Abb. 8).
O-
OH
OHOH
O OH
OHOH
CH2
O
H H
- OH-
O
O
O
O
O
O
O
O
O
O
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
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Abb. 8: Schematische 3D-Darstellung des Bakelitnetzwerks
4. Industrieübergreifendes Polymer
Manche synthetischen Polymere besitzen ein so großes Einsatzgebiet, dass sie sich
nur schwer lediglich einem Industrie- oder Technikbereich zuordnen lassen. Zu
diesen gehört ohne Zweifel das Polymethylmethacrylat (PMMA), besser bekannt
unter dem Markennamen Plexiglas. Es handelt sich hierbei um einen amorphen,
thermoplastischen Kunststoff, d.h. es besitzt die Struktur einer eingefrorenen
Schmelze. PMMA besitzt keine geordnete Struktur, sondern nur ein unregelmäßiges
Muster, welches zwar eine Nah- aber keine Fernordnung aufweist. Es ist glasklar,
witterungsbeständig und sehr hart, gleichzeitig aber wesentlich leichter als normales
Glas. 1928 wurde das Verfahren zur Produktion von PMMA von Otto Röhm patentiert
und fünf Jahre später begann die industrielle Produktion. Aufgrund seiner sehr guten
optischen Eigenschaften wurde es für Lupen und Prismen verwendet. Ab dem ersten
Produktionsjahr wurden auch die ersten Kontaktlinsen aus Plexiglas hergestellt.
PMMA ist beständig gegen die meisten Chemikalien, außer Chlorkohlenwasserstoffe,
benzolhaltiges Benzin, Nitrolacke und Nitroverdünnungen sowie konzentrierte
Säuren. PMMA wird aus dem Monomer Methylmethacrylat (ein Ester) hergestellt.
Wird PMMA verbrannt, so ist ein süßlicher, fruchtiger Geruch festzustellen, welcher
durch die Rückbildung des Monomers entsteht.
Produziert wird PMMA im Kammerverfahren, welches im kleinen Maßstab im
folgenden Versuch eingesetzt wurde.
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4.1. Demonstration 1 - Plexiglas
Chemikalien
Name Formel R-Sätze S-Sätze Gefahren-
symbol
Einsatz in
der Schule
Methylmethacrylat CH2C(CH3)COOCH3 11-37/38-43 24-37-46 F, Xi SI
Dibenzoylperoxid (C6HCO)2O2 3-7-36-43 3/7-14-36/37/39 E, Xi LV (wirkt
allergisierend)
Wasser H2O - - - SI
Materialien
Magnetrührer mit Rührfisch, Wasserbad, Stativmaterial (Platte mit Gewindestange,
Doppelmuffe, Klemme), Spatel, Waage, Filterpapier, Erlenmeyerkolben (50 mL),
Arbeitshandschuhe, Thermometer, PVC-Schlauch, fester Draht, 2 Glasplatten (15 x
15 cm), 4 Schlauchklemmen, Hammer, Skalpell oder Rasierklinge
Zeitbedarf
Vorbereitung: 15 min. Durchführung: 90 min. Nachbereitung: 15 min.
Versuchsaufbau
Abb. 9: Erwärmen im Wasserbad
Abb. 10: Vorbereitete Gießform
Versuchsdurchführung
Zunächst wird aus den beiden Glasplatten mithilfe des PVC-Schlauchs eine U-
förmige Form hergestellt. In den PVC-Schlauch wird dabei der Draht eingezogen, um
den Schlauch zu stabilisieren. Dann werden die Glasplatten mit Schraubklemmen an
den Ecken zusammengepresst.
Anschließend werden in dem Erlenmeyerkolben 50 mL Methylmethacrylat mit 2 g
Dibenzoylperoxid versetzt und dieses vollständig darin gelöst. Nun wird die Lösung
mithilfe des Stativs in das Wasserbad abgesenkt und so für etwa 20 Minuten bei 65-
75 °C erwärmt.
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Sobald die Lösung deutlich viskoser geworden ist, wird sie in die vorbereitete Form,
d.h. zwischen die Glasplatten gegossen. Die Form wird nun noch für etwa 45
Minuten im Trockenschrank bei etwa 75-80 °C erwärmt.
Anschließend kann die Form aus dem Trockenschrank entnommen und das Produkt
vorsichtig von der Form gelöst werden.
Zum Schluss wird die Schlagfestigkeit des Produkts mit der von normalem
Fensterglas verglichen.
Beobachtungen
Während des Erwärmens im Wasserbad wird die Lösung zusehends viskoser. Beim
Einfüllen in die Form sinkt die Lösung auf den Boden ab und bildet eine klare
farblose Masse.
Nach dem Erhitzen im Trockenschrank ist die Masse fest geworden. An der
Unterseite sieht sie wie Glas aus, aber in der oberen Hälfte ist eine Vielzahl an
Blasen zu sehen. Der Schlauch ist fest an das Produkt gebunden und muss mit
einem Skalpell abgetrennt werden. Das Produkt ist deutlich leichter als Glas.
Von der Glasscheibe lässt sich darüber hinaus eine dünne, flexible, durchsichtige
und farblose Folie ablösen.
Das normale Glas zersplittert beim Schlag mit dem Hammer, während das
hergestellte „Glas“ den Schlägen wiederstehen kann.
Abb. 11: Die Form nach dem Eingießen der Lösung
Abb. 12: Die Produkte. Links das feste Produkt, rechts die flexible Folie.
Entsorgung
Das Produkt, der PVC-Schlauch und der Erlenmeyerkolben werden im Feststoffabfall
entsorgt. Alle anderen Materialien können wieder verwendet werden.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
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Fachliche Analyse
Die industrielle Produktion erfolgt ausschließlich durch die radikalische
Polymerisation im Kammerverfahren. Dabei wird ein Gemisch aus Vorpolymerisat,
Initiator und Vernetztern oder Comonomeren zwischen zwei Silicatglasscheiben
gegossen und mit Druck bis zur vollständigen Aushärtung gepresst.
Die Reaktion verläuft dabei nach dem Radikalkettenmechanismus. Zunächst wird
Dibenzoylperoxid durch Wärmezufuhr gespalten. Nach der Decarboxylierung
entstehen zwei Phenylradikale (Radikalbildung).
O
OO
O
O
O2 2 + C
O
O
2
Die Radikale können nun ein Methylmethacrylat-Monomer in einer radikalischen
Reaktion angreifen (Startreaktion), wobei ein neues Radikal gebildet wird.
CH2 CH3
OO
CH3
+C
CH3
OO
CH3
Dieses reagiert nun wieder mit einem weiteren Monomer, wodurch sich schließlich
eine lange Kette bildet (Kettenfortpflanzung).
C
OO
CH3
CH3 CH3 CH3
OO
CH3
OO
CH3
OO
CH3
CH3
CCH3
OO
CH3
+
CH2 CH3
OO
CH3
Die Reaktion kann durch die Abbruchreaktionen gestoppt werden, wobei jeweils zwei
Radikale miteinander reagieren. Dies kann zum einen durch Disproportionierung und
zum anderen durch Rekombination geschehen. Bei der Disproportionierung wird ein
Wasserstoffatom von einem auf das andere Radikal übertragen, wobei bei ersterem
eine Doppelbindung gebildet wird.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
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R1
C
CH3
OO
CH3
OO
CH3
CH3
H H
R2
C
CH3
O O
CH3
O O
CH3
CH3
H H
R1
CH3
OO
CH3
OO
CH3
CH3
H H
HR
2CH3
O O
CH3
O O
CH3
CH3
H
+
Bei der Rekombination bilden die Radikalelektronen lediglich eine neue Bindung
zwischen den beiden Molekülen aus.
R1 C
CH3
OO
CH3
R2C
CH3
O O
CH3
+O
CH3
CH3
O
CH3
CH3
O O
R1
R2
Die Eigenschaften von PMMA lassen sich durch die Bildung von Copolymeren
wesentlich verändern. So kann mit einem Anteil von <10 Massenprozent an
Butylacrylat schlagfestes PMMA gebildet werden. Dieses ist aber relativ teuer.
CH2O CH3
O
Abb. 13: Butylacrylat
OO
CH3 CH3
OO
CH3
OO OO
CH3
CH3 CH3
Abb. 14: Copolymer aus Methylmethacrylat und Butylacrylat
Aber auch reines PMMA besitzt bereits eine sechsmal höhere Schlagzähigkeit als
Glas, bei einem deutlich geringeren Gewicht. Daher werden Copolymerisate von
PMMA nur dort eingesetzt, wo eine gute Qualität von hoher Bedeutung ist, z.B. bei
der Verglasung von Flugzeugen und Hubschraubern oder Aquarienschaufenstern,
wie dem Monterrey Bay Aquarium in Kalifornien. Dieses besitzt eine 16,6 m lange,
5,5 m hohe und 33 cm dicke Scheibe aus einem PMMA-Copolymerisat, um dem
ungeheuren Wasserdruck standhalten zu können. Ein weiterer Vorteil gegenüber
echtem Glas ist, dass es bei einer Glasscheibe von 33 cm Dicke nicht mehr möglich
wäre hindurch zu sehen.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
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Abb. 15: Monterrey Bay Aquariumsscheibe
Homopolymeres PMMA wird darüber hinaus für Brillengläser und Kontaktlinsen,
Autoleuchten, Uhrgläser, Schutzverkleidung für Maschinen, Sanitärbauteile, Rohre in
der Getränkeindustrie und vieles mehr verwendet.
5. Verpackungs- und Lebensmittelindustrie
In der Verpackungs- und Lebensmittelindustrie werden viele verschiedene Polymere
eingesetzt, so z.B. Polyethylen (PE) für Verpackungsfolien, Polystyrol für CD-Hüllen,
als Füllmaterial in aufgeschäumter Form (Styropor) und als Joghurtbecher,
Polyethylentherephthalat (PET) für Getränkeflaschen und Polytetrafluorethylen
(PTFE) für Pfannenbeschichtungen (auch bekannt als Teflon). Auch zumindest ein
Biopolymer spielt eine wichtige Rolle in der Industrie, die Stärke. Ihr Hauptteil wird in
der Lebensmittelindustrie für die Herstellung von Süßwaren, Backwaren und
Milchprodukten verwendet. Im Jahr 2008 entsprach dies einem Anteil von 56 %2
(etwa 1,02 Mio. t) der in Deutschland verfügbaren Stärke. Die restliche Stärke wird
für Papier, Wellpappe und in der chemischen, Fermentations- und technischen
Industrie verwendet, z.B. für Bioethanol.
2 Fachverband der Stärke-Industrie e.V.: Zahlen &Daten zur deutschen Stärke-Industrie. Zu finden unter URL: http://www.staerkeverband.de/html/zahlen.html. Letzter Zugriff am 26.06.2010.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
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5.1. Versuch 2 - Styropor in Joghurtbechern
Chemikalien
Name Formel R-Sätze S-Sätze Gefahren-
symbol
Einsatz in
der Schule
Essigsäureethylester CH3COOC2H5 11-36-66-67 16-26-33 F, Xi SI
n-Pentan C5H12 12-65-66-67-51/53 9-16-29-33-61-62 F+, Xn, N
SI (ab 16
Jahren)
Wasser (entsalzt.) H2O - - - SI
Materialien
Waage, Polystyrolbecher, Becherglas (100 mL), Messzylinder (25 mL),
Erlenmeyerkolben (250 mL), 2 Bechergläser (250 mL), 2 Uhrgläser, Magnetrührer,
Pinzette, Schere
Zeitbedarf
Vorbereitung: 5 min. Durchführung: 15 min. Nachbereitung: 3 min.
Versuchsaufbau
Abb. 16: Intakter (links) und in Streifen geschnittener Becher (rechts)
Versuchsdurchführung
In einem Becherglas werden 200 mL Wasser bis zum Sieden erhitzt. Dabei wird der
Becher in kleine Schnipsel geschnitten und 1 g der Schnipsel werden in 10 mL
Essigsäureethylester aufgelöst. In das zweite 250 mL Becherglas werden 100 mL
Pentan gegeben. Nun wird die Essigsäureethylester-Lösung in das Pentan
dekantiert, damit die festen Rückstände im Becherglas zurückbleiben.
Das Pentan wird daraufhin umgeschwenkt, bis sich ein dicker weißer Klumpen in der
Mitte gebildet hat. Dieser wird mit der Pinzette entnommen und für etwa 30
Sekunden auf einem Uhrglas platziert.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
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Anschließend wird der Klumpen in das Becherglas mit dem siedenden Wasser
gegeben.
Beobachtungen
Die Schnipsel lösen sich zum Teil im Essigsäureethylester auf, jedoch bleibt ein Teil
ungelöst zurück. Während des Abdekantierens bilden sich im Pentan weiße
Ausfällungen und beim Umschwenken entsteht eine weißer Klumpen in der Mitte des
Becherglases. Dieser ist etwas klebrig und bläht sich nach dem Überführen in das
siedende Wasser auf.
Abb. 17: Gelöster Becher
Abb. 18: Wiederaufgeblähtes Produkt
Entsorgung
Die restlichen organischen Lösungen werden neutral in die organischen
Lösemittelabfälle entsorgt. Das Wasser wird in den Ausguss gegeben und das
Produkt wird trocken im Feststoffabfall entsorgt.
Fachliche Analyse
Der Joghurtbecher besteht überwiegend aus Polystyrol. Dieses ist ein stark
unpolares Molekül. Essigsäureethylester ist ebenfalls überwiegend unpolar. Die
Stoffe weisen die folgenden Strukturen auf.
H H H H
Abb. 19: Polystyrol
CH3 O
O
CH3 Abb. 20: Essigsäureethylester
Der Lösevorgang in Essigsäureethylester stellt einen rein physikalischen Vorgang
dar. Nach dem Grundsatz „Gleiches löst sich in Gleichem“ lässt sich das unpolare
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
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Polystyrol relativ gut im überwiegend unpolaren Essigsäureethylester lösen. Dabei
dringt das Lösemittel in die Zwischenräume der Polymerketten ein und hebt so die
teilkristalline Struktur des Polystyrols auf. Die Ketten werden also vom Lösemittel
vollständig umlagert und liegen dann gelöst in diesem vor. Gibt man das Gemisch
nun in Pentan, so kommt es zur Agglomeration der Polystyrolketten, d.h. sie lagern
sich wieder ungeordnet zusammen und bilden einen klebrigen Klumpen aus Styrol-
Monomeren. Dabei lagert sich nun das Pentan in den Zwischenräumen ein und
umgibt die Polymerketten vollständig. Wird das Agglomerat nun im siedenden
Wasserbad erhitzt, so verdampft das Pentan (Sdp.: 36 °C) und dehnt sich dabei aus.
Dadurch werden die Polymerketten des Polystyrols auseinander gedrückt, was zur
Aufblähung des weißen Klumpens führt. Nach kurzem ist der Klumpen erstarrt und
hat nun eine Struktur, die stark an Styropor erinnert. Auch hierbei handelt es sich
lediglich um mit Pentan aufgeblähtes Polystyrol. Allerdings werden dem Styropor vor
dem Aufblähen noch bestimmte Stoffe zugesetzt, damit die Blasen- und
Porenbildung kontrollierter ablaufen und sich Blasen bestimmter Größenordnungen
bilden.
Entdeckt wurde das Polystyrol 1839 von Eduard Simon. Dieser experimentierte mit
Styrol, welches er aus dem Storaxbaum extrahierte und welches dann unbeabsichtigt
polymerisierte. Trotz der frühzeitigen Entdeckung dauerte es noch fast ein
Jahrhundert, nämlich bis 1931, bevor das Polystyrol von I.G. Farben großtechnisch
produziert wurde.
In der Industrie wird Polystyrol durch die radikalische Polymerisation von Styrol
hergestellt, welche im Grunde dem Mechanismus der PMMA-Produktion entspricht,
weswegen hier nur noch einmal kurz der Mechanismus dargestellt ist. Auch hier kann
Dibenzoylperoxid als Radikalstarter dienen. Das Phenylradikal greift dann ein Styrol-
Molekül an, wodurch sich ein neues Radikal bildet und in einer
Fortpflanzungsreaktion lange Ketten entstehen.
Kettenstart:
CH
+
CH2
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Kettenfortpflanzung:
+
CH2CH CH
H H H H
Der Kettenabbruch erfolgt auch hier entweder durch Disproportionierung oder
Rekombination.
In der Industrie erfolgt die Polymerisation in einem statischen Mischer.
Abb. 21: Schematische Darstellung des statischen Mischers
Dabei wird das erwärmte Reaktionsgemisch (Styrol-Monomere, Wasser,
Radikalstarter) in den Mischer geleitet wo es unter Abkühlung polymerisiert und am
Ende als Polymerketten wieder austritt. Die Ausbeute liegt bei etwa 90 %. Alle nicht
polymerisierten Monomere werden anschließend bei 230 °C abgedampft und wieder
dem Mischer zugeleitet, wodurch keine Abfallprodukte gebildet werden. Das Polymer
liegt dann als harter, glasklarer und spröder Kunststoff vor und wird als Granulat an
die Kunden ausgeliefert. Es kann nun durch Thermoformung (z.B. Tiefziehen)
problemlos verarbeitet werden.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
20
5.2. Versuch 3 - Essbares Einweggeschirr
Chemikalien
Name Formel R-Sätze S-Sätze Gefahren-
symbol
Einsatz in
der Schule
Natriumhydrogenc
arbonat NaHCO3 - 22-24/25 - SI
Mehl - - - - SI
Kartoffelstärke C6H10O5 - - - SI
Wasser (entsalzt) H2O - - - SI
Materialien
2 Bechergläser (250 mL), Spatel, Waffeleisen (oder Heizplatte), Waage, evtl.
Pfannenwender
Zeitbedarf
Vorbereitung: 5 min. Durchführung: 4 min. Nachbereitung: 3 min.
Versuchsaufbau
Abb. 22: Versuchsaufbau
Versuchsdurchführung
In einem Becherglas werden 45 g Kartoffelstärke, 36 g Natriumhydrogencarbonat
und 0,15 g Mehl gegeben und gut miteinander vermischt. In das zweite Becherglas
werden 50 mL Wasser gegeben. Nun wird das Pulvergemisch langsam und unter
ständigem Rühren zu dem Wasser gegeben.
Nachdem sich eine homogene Masse gebildet hat, wird davon etwas auf das
Waffeleisen gegeben, dieses geschlossen und die Masse etwa 4 Minuten gebacken.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
21
Beobachtungen
Beim Einfüllen des Pulvergemisches in das Wasser entsteht eine immer dicker und
viskoser werdende weiße Masse. Diese beginnt auf der Heizplatte leicht zu blubbern
und bildet beim Backen dunkelbraune, teils schwarze feste Waffeln.
Entsorgung
Die gesamte Masse wird zu Waffeln verarbeitet. Wurde nur mit nicht
Labormaterialien und -chemikalien gearbeitet, so können die Waffeln verzehrt
werden. Ansonsten müssen sie in den Feststoffabfall gegeben werden.
Fachliche Analyse
Stärke ist ein Homoglykan aus Glucose-Einheiten und bildet zwei verschiedene
Strukturen. Zum einen liegt sie als Amylosehelix vor (20-30 %). Hierbei sind die
Glucoseeinheiten über 1-4-α-glykosidische Bindungen verknüpft sind. Zum anderen
bilden sie Amylopektin (70-80 % der Stärke), wobei die Glucoseeinheiten neben den
1-4-α- auch über 1-6-α-glykosidische Bindungen verknüpft werden. Sie sind hier also
weiter verzweigt.
Abb. 23: Schematische Darstellung von Amylose (links) und Amylopektin (rechts)
Im Versuch wirken Stärke und Mehl als Superabsorber und Verdickungsmittel. Das
heißt, sie nehmen das Wasser in ihre Strukturen auf, indem es zwischen die
Molekülketten eingelagert wird. Dies geschieht durch die Ausbildung von
Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Wassermolekülen und den Hydroxy-
Gruppen der Stärkemoleküle.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
22
O
O
OH
O
CH2OH
O
HHO
Hn
Abb. 24: Beispiel einer Wasserstoffbrückenbindung
Dadurch kommt es zu einer Erhöhung der Viskosität der entstehenden Lösung.
Zusätzlich quellen die Stärkemoleküle durch die Einlagerung auf. Während des
Erhitzens auf der Heizplatte beginnt das eingelagerte Wasser zu sieden und
verdampft, wodurch die Masse noch stärker aufquillt. Aufgrund des Wasserverlustes
bekommt die Masse eine gelartige Konsistenz und erstarrt beim Abkühlen in ihrer
momentanen Form. Zusätzlich wirkt das Natriumhydrogencarbonat als Treibmittel, da
bei der thermischen Zersetzung gasförmiges Kohlenstoffdioxid entsteht, welches
dann entweicht und so die Blasenbildung verstärkt.
Die gleiche Reaktion sorgt auch beim Kuchenbacken für das bekannte Aufgehen des
Kuchens. Genutzt wird diese Reaktion für die Herstellung von Essgeschirr. Dieses ist
für die Natur wesentlich besser verträglich als Papp- oder Kunststoffgeschirr, da es
nur aus biologisch abbaubaren Stoffen hergestellt wird und durch Verbrennung,
Kompostierung, Biovergasung oder als Tierfutter entsorgt werden kann. Darüber
hinaus kann es nach dem Essen auch verzehrt werden. Allerdings besitzt es keinen
Eigengeschmack, schmeckt also sehr fade, da bei der Produktion keine
Geschmacksstoffe zugesetzt werden.
Abb. 25: Essbare Snack-Schale, z.B. für Pommes frites
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
23
6. Medizintechnik
In der Medizintechnik begann die Forschung mit Polymeren gegen Ende des zweiten
Weltkrieges, da sich zeigte, dass bei amerikanischen Soldaten nach der Verletzung
durch Kunststoffsplitter keine Abwehrreaktionen des Körpers zu beobachten waren.
Mittlerweile ist die Forschung auf diesem Gebiet soweit fortgeschritten, das biostabile
Prothesen und Implantate in den menschlichen Körper als Ersatz für die natürlichen
Gewebe/Organe eingebaut werden können (z.B. Kunststoffzähne, welche mit
zahnfleischfarbenem Kunststoff verbunden sind3). Auch chirurgisches Nahtmaterial
und Klebstoffe für Wunden wurden entwickelt. Ersteres hat den Vorteil, dass der
Patient nicht noch einmal zum Fädenziehen zum Arzt muss, da das Nahtmaterial
vom Körper abgebaut wird. Wundkleber wird vor allem bei kleinen Kindern und alten
Menschen verwendet, da der Klebstoff die Wunden in Sekundenschnelle verschließt,
keine Anästhesie notwendig ist und die relativ dünne Haut bei diesen Patienten
geschont wird.
6.1. Versuch 4 - Drug delivery system (controlled drug release)
Chemikalien
Name Formel R-Sätze S-Sätze Gefahren-
symbol
Einsatz in
der Schule
Natronlauge
(pH = 7,5) NaOH 35 26-37/39-45 C SI
Salzsäure
(pH = 5) HCl 34-37 26-45 C SI
Aspirin - - - - SI
Aspirin protect - - - - SI
Materialien
4 Demoreagenzgläser mit Ständer, Magnetrührer mit Rührfisch, Becherglas (1 L) als
Wasserbad, Tropfpipette, Thermometer, pH-Papier, Glasstab
3 Zahnkunst Markus Koch Establishment: Prothesen aus Kunststoff. Zu finden unter URL: http://www.zahnkunst.li/kategorie1/seite2/5088119876143a816/index.html. Letzter Zugriff am 25.06.2010.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
24
Zeitbedarf
Vorbereitung: 15 min. Durchführung: 25 min. Nachbereitung: 5 min.
Versuchsaufbau
Abb. 26: Links erwärmte Salzsäure, rechts erwärmte Natronlauge
Versuchsdurchführung
Jeweils etwa 25 mL der Salzsäure werden in zwei Demoreagenzgläser gegeben,
ebenso wird die Natronlauge aufgeteilt. Die Lösungen werden dann im Wasserbad
auf etwa 37 °C (Körpertemperatur) erwärmt. Nun gibt man eine normale
Aspirintablette in ein Reagenzglas mit Salzsäure und eines mit Natronlauge. Ebenso
verfährt man mit Aspirin protect.
Nach etwa 15 Minuten prüft man mit dem Glasstab die Aspirin protect-Tabletten auf
ihre Festigkeit.
Beobachtungen
Die normale Aspirintablette zerfällt schnell; sowohl in Salzsäure als auch in
Natronlauge löst sie sich auf. Die Aspirin protect zeigt in der Salzsäure keine
Reaktion. In der Natronlauge hingegen quillt sie nach etwa 15 Minuten auf. Mit dem
Glasstab kann sie zerdrückt werden, wobei ein weißes Pulver aus ihr entweicht.
Abb. 27: Die normale Aspirin in Salzsäure (links) und Natronlauge (rechts)
Abb. 28: Aspirin protect in Salzsäure (links) und Natronlauge (rechts)
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
25
Entsorgung
Die festen Bestandteile werden abfiltriert und trocken in den Feststoffabfall entsorgt.
Die Lösungen können neutral in den Ausguss gegeben werden.
Fachliche Analyse
Normale Aspirintabletten bestehen lediglich aus dem Wirkstoff Acetylsalicylsäure
(ASS), Maisstärke und Cellulosepulver. Dies sind alles polare Verbindungen, welche
sich leicht in Wasser lösen lassen, indem sie Wasserstoffbrückenbindungen zu den
Wassermolekülen aufbauen. ASS hat allerdings den Nachteil, dass sie in vielen
Fällen Magengeschwüre und schwere Magenblutungen verursachen und dadurch im
schlimmsten Falle sogar den Tod herbeiführen kann4. Aus solchen Gründen wurde
begonnen nach Trägermaterialien für Pharmaka zu forschen, die den Wirkstoff nur
an bestimmten Zielorten freisetzen, wo er dann nur noch seine heilende, nicht aber
schädigende Wirkung besitzt. Dabei wurden magensaftresistente Überzüge (dürfen
sich mind. 2 Stunden lang nicht in Salzsäure, 0,1 mol/L, auflösen) entwickelt, z.B.
sogenannte Hydrogele. Dabei handelt es sich in den meisten Fällen um pH-
responsive Aktuatoren, d.h. sie reagieren auf den pH-Wert des sie umgebenden
Milieus und öffnen nur bei einem bestimmten Wert Kanäle, durch welche dann der
Wirkstoff freigesetzt wird. Für solche Hydrogele werden meist Polymere mit
Carboxygruppen verwendet, da diese ein pH-abhängiges Löseverhalten zeigen, d.h.
sie gehen bei pH = 6 in ihre lösliche Salzform über. Dazu gehören auch die
superabsorbierenden Polymere der Acrylsäure.
In basischem Milieu wird die gestreckte Polyacrylsäure deprotoniert und durch die
Bildung der Salzform lagern sich z.B. positiv geladene Natrium-Ionen an.
OHO
n
+ NaOH- H
2O
O-
O
n
Na+
Dabei knäult sich die Polymerkette zusammen und kann den eingeschlossenen
Wirkstoff freisetzen bzw. herauspressen.
4 Coordination gegen BAYER-Gefahren: Tödliche Nebenwirkungen von Aspirin. Zu finden unter URL: http://www.cbgnetwork.org/Ubersicht/Zeitschrift_SWB/SWB_1999/SWB03_99/Aspirin__Nebenwirkung/aspirin__nebenwirkung.html. Letzter Zugriff am 25.06.2010.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
26
Abb. 29: Gestreckte Polyacrylsäure
Abb. 30: Geknäulte, deprotonierte Polyacrylsäure
Bei Aspirin protect handelt es sich aber vermutlich um vernetzte Polyacrylsäure, da
sie sich nicht zusammenknäult, sondern aufquillt. Die Vernetzung erreicht man z.B.
durch die Vernetzung von Polyacrylsäure mit Crosslinkern wie Ethylenglycoldiacrylat.
CH2
O
O O
O
CH2
Abb. 31: Ethylenglycoldiacrylat
Dieses verknüpft die Polyacrylsäureketten, indem es über seine Doppelbindungen
kovalente Bindungen zu beiden Seiten aufbaut. Dadurch knäult sich die
Polyacrylsäure bei der Deprotonierung nicht zusammen sondern quillt auf, indem sie
pro Gramm Polymer 1000 g Wasser aufnimmt. Aspirin protect kann so im basischen
Milieu aufquellen, wodurch sich Mikrokanäle öffnen, durch welche nun der Wirkstoff
freigesetzt werden kann.
7. Elektrotechnik
Als die Elektrotechnik Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Vormarsch war, wurden
polymere Werkstoffe zunächst nur als elektrische Isolatoren eingesetzt. Mittlerweile
hat sich dieses Bild grundlegend verändert. Heutzutage existieren bereits polymere
Akkumulatoren und Batterien. Darüber hinaus gibt es eine Menge an weiteren
Einsatzmöglichkeiten, von welchen hier nur beispielhaft ein paar genannt werden. So
wurden leitfähige Polymere (Polypyrrol) in die Socken amerikanischer Soldaten
eingeflochten, die sich nun durch Anlegen einer Spannung von 10-12 V aufheizen
lassen. Polyanilin dient dem amerikanischen Militär als Überzug auf den Stealth-Jets,
welche dadurch für das feindliche Radar unsichtbar werden, da sie die ausgesandten
Mikrowellen komplett absorbieren statt sie zu reflektieren. Poly(phenylenvinylen),
Polythiopen und Polyfluoren werden als grüne, rote und blaue Leuchtioden (OLEDs =
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
27
Organic Light Emitting Diodes) in leuchtkräftigen Displays, z.B. für Handys oder
Computerbildschirme eingesetzt. Im Gegensatz zur gängigen LCD-Technologie
überzeugen sie mit einem geringeren Stromverbrauch, hoher Leuchtkraft und der
Unabhängigkeit vom Blickwinkel.
Die polymeren Werkstoffe erreichen mittlerweile Leitfähigkeitswerte, die denen von
Halbleitern bzw. Metallen sehr nahe kommen (Kupfer = 106 S/cm, Polyacetylen = 103
S/cm).
Abb. 32: Vergleich der Leitfähigkeiten verschiedener Materialien
Ihre Nachteile liegen in der geringeren Langlebigkeit und der chemisch geringeren
Stabilität.
7.1. Demonstration 2 - Leitfähige Polymere
Chemikalien
Name Formel R-Sätze S-Sätze Gefahren-
symbol
Einsatz in
der Schule
Pyrrol C4H5N 10-20-25-41 26-37/39-45 T LV
Methanol CH3OH 11-23/24/25-
39/23/24/25 7-16-36/36-45 F, T SI
Natriumperchlorat NaClO4 9-22 13-22-27 O, Xn SI
Materialien
Kristallisierschale, Stativmaterial (2 Platten, 2 Gewindestangen, 1 Stange, 4
Doppelmuffen, 2 Klemmen), Trafo, 3 Strippen, 4 Krokodilklemmen, Magnetrührer mit
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
28
Rührfisch, Pipette, Messzylinder (100 mL), 2 V4A-Stahlbleche (2x4 cm), Spatel,
Waage, Skalpell oder Rasierklinge
Zeitbedarf
Vorbereitung: 25 min. Durchführung: 50 min. Nachbereitung: 10-15 min.
Versuchsaufbau
Abb. 33: Aufbau der Elektrolyseapparatur
Versuchsdurchführung
In die Kristallisierschale werden 5 g Natriumperchlorat eingewogen und mit 200 mL
Methanol gelöst. Anschließend werden 3 mL Pyrrol hinzu getropft und das Gemisch
gut durchmischt. Die zwei Stahlbleche werden dann an die Krokodilklemmen
angeschlossen und möglichst tief und weit voneinander entfernt in die Lösung
getaucht. Dann wird eine Spannung von 6 V eingestellt und etwa 45 Minuten
elektrolysiert. Dabei wird die positive Elektrode (Anode) nach 2 Minuten umgedreht
und dann weiter elektrolysiert.
Nach 45 Minuten wird der Trafo ausgeschaltet, die Elektroden werden aus der
Lösung genommen. Die positive Elektrode wird nun mit etwas Methanol
abgewaschen und der gebildete Film wird vorsichtig (mithilfe eines Skalpells) von der
Elektrode abgezogen.
Zur Überprüfung der Leitfähigkeit wird die Folie nun in einen Stromkreis mit 6 V-
Glühbirne gebracht und die Spannung langsam erhöht, bis eine Reaktion zu sehen
ist.
Beobachtungen
Die Lösung in der Kristallisierschale färbt sich gelb. Während des Elektrolysierens
bildet sich auf der Anode eine schwarze Schicht. Diese kann nach Ende der
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
29
Elektrolyse vom Blech abgezogen werden. Allerdings ist sie sehr spröde und zerreißt
deshalb leicht.
Bringt man sie in einen Stromkreis, so kann die Glühbirne zum Leuchten gebracht
werden.
Abb. 34: Die Bleche während der Elektrolyse
Abb. 35: Die Produkte (schwarze, spröde Folie)
Abb. 36: Test auf elektrische Leitfähigkeit
Entsorgung
Die Lösung wird neutral in den organischen Lösemittelabfall gegeben. Die Folie wird
in der Feststofftonne entsorgt.
Fachliche Analyse
Polypyrrol wird durch anodische Oxidation von Pyrrol-Monomeren unter Beimischung
eines Leitsalzes (hier: Natriumperchlorat) gewonnen. Der Mechanismus ist noch
nicht vollständig geklärt, aber vermutlich läuft die Reaktion nach dem folgenden
Prinzip ab: Zunächst wird ein Pyrrolmolekül an der Anode zu einem Radikalkation
oxidiert.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
30
NH
+ e-
NH
Anschließend reagieren zwei dieser Radikale unter Ausbildung einer neuen Bindung
zu einem Dimer. Dabei werden zwei Protonen abgespalten.
NH
NH
+
NH
NH
NH
NHH H
+ 2 H+
Dieses Dimer kann nun wiederrum oxidiert werden und es bildet sich ein dimeres
Radikalkation.
NH
NH
+ e-
NH
NH
Auf diese Art können lange Ketten von Polypyrrol entstehen, welche dann allerdings
an jedem dritten oder vierten Grundbaustein eine positive Ladung trägt.
Cl O
O
O O-
Cl O
O-
O O
Cl O
O-
O O
NH
+
NH
NH
NH
+
NH
NH
NH
+
NH
n
An diese positiven Ladungen sind die Leitsalz-Ionen als Gegenionen koordiniert. Der
entstandene Polypyrrolfilm besitzt eine Leitfähigkeit im Bereich von 50 bis 100 S/cm.
Die Leitfähigkeit resultiert zum einen aus den delokalisierten Elektronen der
Doppelbindungen und zum anderen aus der Dotierung des Polypyrrols mit den Ionen
des Leitsalzes.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
31
Bei der Durchführung des Versuchs ist darauf zu achten, dass der pH-Wert der
Lösung nicht > 7 ist, da es ansonsten zu einer Deprotonierung der Stickstoffatome
des Pyrrols kommt und so einen isolierende Folie entsteht. Diese ist aber aufgrund
ihrer Farbe (orange) leicht von der leitfähigen Folie zu unterscheiden.
8. Bauindustrie
In der Bauindustrie werden polymere Werkstoffe z.B. als Bindemittel und
Dispersionspulver eingesetzt. Dadurch erhalten Dichtmassen und Mörtel eine
bessere Haftung, größere Flexibilität und erreichen eine verbesserte Kohäsion.
Darüber hinaus werden Rohre und Fußböden aus PVC, Fenster aus Plexiglas,
polymere Abdichtungen und Klebstoffe sowie Wärmedämmstoffe eingesetzt. Zu den
bekanntesten Vertretern der wärmeisolierenden Materialien gehört der
Polyurethanschaum.
8.1. Demonstration 3 - Polyurethanschaum
Chemikalien
Name Formel R-Sätze S-Sätze Gefahren-
symbol
Einsatz in
der Schule
Lignin - - - - SI
Diphenylmethan-4,4‘-
diisocyanat C15H10N2O2
20-36/37/38-40-
42/43-48/20 23-36/37-45 Xn SI
1,4-Diazabicyclo[2.2.2]-
octan C6H12N2 11-22-36/38 9-16-23-26 F, Xn SI
Wasser H2O - - - SI
Materialien
Magnetrührer, Kristallisierschale (Wasserbad), leere Suppendose, Glasstab,
Messpipette mit Peleusball (25 mL), Waage, Thermometer
Zeitbedarf
Vorbereitung: 5 min. Durchführung: 5 min. Nachbereitung: 5 min.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
32
Versuchsaufbau
Abb. 37: Gemisch in der Suppendose
Versuchsdurchführung
In der Suppendose werden 50 mL Diphenylmethan-diisocyanat mit 20 g Lignin
versetzt und gut vermischt. Anschließend wird das Gemisch im Wasserbad für etwa
1 Minute bei 60 °C erwärmt. Nun wird die Dose aus dem Wasserbad genommen, mit
1,5 g 1,4-Diazabicyclo[2.2.2]-octan versetzt und gut durchgerührt. Sobald sich eine
Reaktion zeigt, wird der Glasstab aus der Dose genommen und die Mischung
beobachtet.
Beobachtungen
Es entsteht ein braunes Gemisch, welches bei Zugabe von 1,4-Diazabicyclo[2.2.2]-
octan zu blubbern beginnt, sich langsam aufbläht und zum Teil aus der Dose
herausquillt. Nach etwa 2-3 Minuten ist ein sehr leichter löchriger braunschwarzer
Feststoff entstanden.
Abb. 38: Reaktionsprodukt
Entsorgung
Das Reaktionsprodukt wird für „Versuch 5 - Wärmedämmung durch PU-Schaum“
aufgehoben oder mitsamt der Dose in den Feststoffabfall entsorgt.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
33
Fachliche Analyse
Bei dem durchgeführten Versuch kam es zu einer Polyadditionsreaktion, d.h. es
wurden verschiedenartige Monomere unter Protonenübertragung miteinander
verknüpft, ohne dass dabei niedermolekulare Nebenprodukte wie Wasser
(Polykondensation) entstanden.
Zunächst bildet das 1,4-Diazabicyclo[2.2.2]octan (DABCO) eine
Wasserstoffbrückenbindung zum Hydroxywasserstoffatom des Lignins aus, wodurch
der Sauerstoff der entsprechenden Hydroxy-Gruppe stärker negativ polarisiert wird.
Im Anschluss bildet dieser Sauerstoff eine Bindung zum Isocyanat-Kohlenstoffatom
aus, wodurch der Stickstoff des Isocyanats eine negative Teilladung erhält. Das
Wasserstoffatom der Hydroxy-Gruppe wird als Proton auf den Stickstoff übertragen
und das DABCO löst seine Wasserstoffbrückenbindung zu diesem wieder.
+ H O R1
OH+ -
NN NN H O R1
OH+ --
+NN H O R1
OH+ --
O C N R2
N C O
+N
N
OH R1
O C
O
N R2
N C O
H
Urethanbindung
N
N
H
O+
CO N-
R2
N C O
R1
OH
Somit wurde der Katalysator zurückgebildet und kann eine neue Reaktion eingehen
und es ist ein neues Molekül, ein Bipolymer entstanden, in welchem die
Grundbausteine über eine Urethanbindung verknüpft sind.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
34
8.2. Versuch 5 - Wärmedämmung durch PU-Schaum
Zeitbedarf
Vorbereitung: 5 min. Durchführung: 50 min. Nachbereitung: 5 min.
Materialien
Produkt aus „Demonstration 3 - Polyurethanschaum“, Magnetrührer, Thermometer,
Wasser, eine weitere Suppendose, 2 Bechergläser (50 mL), Tiegelzange, 2
Pappestücke (15 x 15 cm)
Versuchsdurchführung
Nachdem das Produkt ausgehärtet ist, wird der „Kopf“ abgeschnitten und in die Mitte
ein Loch von der Größe eines 50 mL Becherglases geschnitten. Nun werden in die
Bechergläser 50 mL Wasser gegeben und auf dem Magnetrührer auf 80 °C erhitzt.
Anschließend wird das eine Becherglas in die ausgehöhlte Dose, das andere
Becherglas in die zweite, leere Dose gestellt. Mit zwei Pappstücken werden die
Öffnungen abgedeckt. Nach 45 Minuten wird die Temperatur des Wassers in den
beiden Bechergläsern erneut überprüft.
Beobachtungen
Der PU-Schaum lässt sich gut schneiden und aushöhlen.
Abb. 39: Produkt mit abgeschnittenem Oberteil
Abb. 40: Ausgehöhltes Produkt
Die Temperatur in den Bechergläsern steigt beim Erhitzen auf 80 °C. Nach 45
Minuten hat das Wasser in der mit PU-Schaum gefüllten Dose noch 43 °C, das
Wasser in der zweiten Dose aber nur noch 29 °C.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
35
Entsorgung
Die Dosen können für eine spätere Durchführung aufbewahrt werden. Ansonsten
müssen sie in die Feststofftonne entsorgt werden.
Fachliche Analyse
Polyurethanschaum ist im Verhältnis zu seiner Größe sehr leicht. Dies liegt daran,
dass er aufgrund der übermäßigen Porenbildung eine sehr große Oberfläche besitzt.
In den Poren ist Luft eingeschlossen, die die geringe Masse erklärt. Gase sind
generell schlechte Wärmeleiter. In der Suppendose mit dem Polyurethanschaum wird
zudem eine Zirkulation der Luft in den Poren verhindert, so dass die Wärme noch
schlechter an die Außenseite gelangen und dort abgegeben werden kann. In der
Dose ohne PU-Schaum ist dies gut möglich und so wird dort die Wärme des
Wassers besser abtransportiert. Daher weist das Wasser in der mit PU-Schaum
isolierten Dose auch nach 45 Minuten noch eine Temperatur von 43 °C auf, während
das andere Wasser schon auf 29 °C abgekühlt ist.
9. Methodisch-didaktische Analyse
9.1. Einordnung der Versuche
Die Versuche sind alle in das „Wahlthema Angewandte Chemie“ Qualifikationsphase
4 (Hessischer Lehrplan Chemie von 2010), sowohl im Grund- als auch im
Leistungskurs einzuordnen. Hier können im Unterthema „Werkstoffe“ die natürlichen
und synthetischen Makromoleküle thematisiert werden. Dabei geht es um ihre
Klassifizierung in Duroplasten, Thermoplasten und Elastomere, Reaktionstypen zur
Verknüpfung von Monomeren, die großtechnische Herstellung eines Kunststoffs und
um Polymere mit besonderen Eigenschaften.
Ebenfalls können sie bereits in der Qualifikationsphase 2 (auch hier sowohl im Grund
wie auch im Leistungskurs) durchgeführt werden. Hier werden als Themen auch der
Aufbau von Makromolekülen, modifizierte Naturstoffe, Reaktionsmechanismen,
Zusammenhänge zwischen Struktur und Eigenschaften, Umweltprobleme und Vor-
und Nachteile bei der Verarbeitung und Verwendung genannt.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
36
Manche Versuche, wie z.B. Versuch 4 zum Drug delivery system oder Versuch 5 zur
wärmeisolierenden Wirkung von PU-Schaum, können im fächerübergreifenden
Unterricht eingesetzt werden. Dabei kann in Biologie die eventuell schädigende
Wirkung von ASS oder in Physik die Wärmeleitfähigkeit verschiedener Medien
untersucht und besprochen werden. Nahezu jeder der vorgestellten Versuche besitzt
einen guten Bezug zur Lebenswelt, da die Schülerinnen und Schüler fast täglich mit
den Produkten und Stoffen in Kontakt kommen bzw. diese aus ihrem Alltag kennen.
9.2. Versuchsaufwand
Die Versuche besitzen in der Regel keinen größeren Aufwand und können alle in der
Schule durchgeführt werden. Für die Plexiglasdarstellung wird ein Trockenschrank
benötigt und auch die Materialien für die Produktionskammer sollten vorher auf ihr
Vorhandensein geprüft werden. Der zeitliche Aufwand ist hier etwas größer,
weswegen der Versuch am Besten in einer Projekteinheit einsetzbar wäre. Versuch 4
(Drug delivery system) benötigt ebenfalls etwas länger, ist aber trotzdem problemlos
in einer Schulstunde durchführbar. Dies gelingt bei der Herstellung von Polypyrrol nur
bedingt, d.h. es wird mindestens eine Doppelstunde benötigt, da die Elektrolyse eine
gewisse Zeit laufen muss, um eine vernünftige Folie zu erhalten. Dem gegenüber
kann der Zeitaufwand bei Versuch 5 (Wärmeisolierung durch PU-Schaum) auch
ohne Probleme gekürzt und die Temperaturen können z.B. schon nach 30 Minuten
gemessen werden. Auch dann sollte sich bereits ein deutlicher Unterschied zeigen.
Der Chemikalienaufwand hält sich bei allen Versuchen in Grenzen. Die verwendeten
Chemikalien dürften alle in einer normalen Schulchemikaliensammlung vorhanden
sein. Lediglich Pyrrol könnte an manchen Schulen fehlen und müsste dann extra
besorgt werden.
9.3. Versuchsdurchführung
Die Versuche haben fast alle gut funktioniert und sollten auch in der Schule gut
sichtbare Ergebnisse liefern. Der Versuch zum drug delivery system ist etwas knifflig,
der pH-Wert der basischen Lösung sehr genau auf 7,5 eingestellt werden muss. Dies
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
37
ist mit pH-Papier nur ansatzweise möglich, sinnvoller ist hier die Benutzung eines
pH-Meters. Aber auch dann kann es sein, dass die gewünschte Wirkung nicht
einsetzt. Daher ist dieser Versuch eher unberechenbar und es sollte vorher eine
Alternative, z.B. eine erfolgreiche Durchführung als Video bereitgehalten werden, um
den Schülerinnen und Schülern zeigen zu können, wie der Versuch hätte ablaufen
sollen.
Bei drei Versuchen gibt es nach dem HessGISS5 Einschränkungen hinsichtlich der
Durchführungsmöglichkeiten. So kann die Demonstration 1 (Plexiglas) nur vom
Lehrer vorgeführt werden, da Dibenzoylperoxid eine allergisierende Wirkung besitzt
und nicht von Schülern verwendet werden darf. Ähnlich verhält es sich bei der
Demonstration 2 (Leitfähige Polymere). Das hier benötigte Pyrrol ist als toxisch
eingestuft und darf daher ebenfalls nur von der Lehrperson verwendet werden.
Versuch 2 (Styropor in Joghurtbechern) kann bei der Verwendung von Pentan nur
von Schülern ab 16 Jahren durchgeführt werden. Aber anstelle von n-Pentan könnte
auch n-Hexan verwendet werden, welches für die SI freigegeben ist.
5 Unfallkasse Hessen, Hessisches Kultusministerium. Hessisches Gefahrstoffinformationssystem Schule - HessGISS. Version 13. 2008/2009.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
38
Literaturverzeichnis
[1] Brandl, H.; Kabuß, S.:Herstellung eines Fluoreszenz-Solarkollektors. In: Praxis der
Naturwissenschaften, 6/37, S. 24ff. 1988.
[2] Brückner, R.: Reaktionsmechanismen. 3. Auflage. Spektrum Verlag. 2004.
[3] Bruice, P: Organische Chemie. 5. aktualisierte Auflage. Pearson. 2009.
[4] Zu finden unter URL: http://www.kunststoff-schweiz.ch/html/2__seite.html. Letzter Zugriff am
23.06.2010.
[5] Berufsgenossenschaftliches Institut für Arbeitsschutz (BGIA). Gefahrstoffinformationssystem der
gewerblichen Berufsgenossenschaften. Zu finden unter URL:
http://www.hvbg.de/d/bia/gestis/stoffdb/index.html. Letzter Zugriff am 22.06.2010.
[6] FIZ CHEMIE Berlin , Fachinformationszentrum Chemie GmbH. Zu finden unter URL:
http://www.chemgapedia.de. Letzter Zugriff am 25.06.2010.
[7] Hessisches Kultusministerium. Lehrplan Chemie. 2010. Zu finden unter URL:
http://www.hessen.de/irj/servlet/prt/portal/prtroot/slimp.CMReader/HKM_15/HKM_Internet/med/
d0c/d0c304d8-bb44-4721-f3ef-efe2389e4818,22222222-2222-2222-2222-222222222222,true.
Letzter Zugriff am 26.06.2010.
[8] Hunold + Knoop Kunststofftechnik GmbH: Polystyrol - PS. Zu finden unter URL:
http://www.hunold-knoop.de/de/wissen/kunststoffe_ps.php. Letzter Zugriff am 23.06.2010.
[9] Lechner, M. D.; Gehrke, K.; Nordmeier, E. H.: Makromolekulare Chemie. 4. überarbeitete und
erweiterte Auflage. Berlin: Springer. 2010.
[10] Roemer, M.: Elektrochemo- und mikromechanisches Verhalten elektronisch leitfähiger Polymere.
Zu finden unter URL: http://deposit.d-nb.de/cgi-
bin/dokserv?idn=972810072&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=972810072.pdf. Letzter Zugriff
am 24.06.2010.
[11] Unfallkasse Hessen, Hessisches Kultusministerium. Hessisches Gefahrstoffinformationssystem
Schule - HessGISS. Version 13. 2008/2009.
[12] Westdeutscher Rundfunk Köln (WDR): Bakelit - Urstoff der modernen Alltagskultur. Zu finden
unter URL: http://www.planet-wissen.de/alltag_gesundheit/werkstoffe/kunststoff/bakelit.jsp.
Letzter Zugriff am 26.06.2010.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
39
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2: Fachhochschule Münster: Herstellung, Aufbau, Einteilung und Kennzeichnung der
Kunststoffen. Zu finden unter URL: https://www.fh-
muenster.de/maschinenbau/downloads/werkstofftechnik/Kunststoffanwendungen/KmK_2__Aufbau
_Einteilung_Arten_von_Kunststoffen.pdf. Letzter Zugriff am 24.06.2010.
Abb. 3: Kunststoff-Schweiz. Zu finden unter URL: http://www.kunststoff-
schweiz.ch/assets/images/Bakelizer.jpg. Letzter Zugriff am 25.06.2010.
Abb. 4: Manufactum GmbH & Co. KG. Zu finden unter URL:
http://images.manufactum.de/manufactum/grossbild/82985_1.jpg. Letzter Zugriff am 23.06.2010.
Abb. 5: Replicata Florian Langenbeck und verena Kohlbrenner GbR. Zu finden unter URL:
http://www.replicata.de/bilder/produkte/431000000B.jpg. Letzter Zugriff am 22.06.2010.
Abb. 15: FIZ CHEMIE Berlin , Fachinformationszentrum Chemie GmbH. Zu finden unter URL:
http://www.chemgapedia.de/vsengine/media/vsc/de/ch/9/mac/andere/pmma/transparent2schu.jp
g. Letzter Zugriff am 23.06.2010.
Abb. 21: FIZ CHEMIE Berlin , Fachinformationszentrum Chemie GmbH. Zu finden unter URL:
http://www.chemgapedia.de/vsengine/vlu/vsc/de/ch/10/styrol_polymerisation/polystyrol/polystyro
l.vlu/Page/vsc/de/ch/10/styrol_polymerisation/polystyrol/herstellung_von_standard_ps/herstellung
_von_standard_ps.vscml.html. Letzter Zugriff am 23.06.2010.
Abb. 23: Autor unbekannt. Zu finden unter URL:
http://academic.brooklyn.cuny.edu/biology/bio4fv/page/starch.html. Letzter Zugriff am 21.06.2010.
Abb. 25: Hermsen, O.: Snack-Schalen oval. http://www.hermsen.de/shop/media/81010037.jpg.
Letzter Zugriff am 25.06.2010.
Abb. 29: FIZ CHEMIE Berlin , Fachinformationszentrum Chemie GmbH. Zu finden unter URL:
http://www.chemgapedia.de/vsengine/media/vsc/de/ch/9/mac/andere/acrylsaeure/polyelektrolyt.
png. Letzter Zugriff am 26.06.2010.
Abb. 30: FIZ CHEMIE Berlin , Fachinformationszentrum Chemie GmbH. Zu finden unter URL:
http://www.chemgapedia.de/vsengine/media/vsc/de/ch/9/mac/andere/acrylsaeure/polysalz.png.
Letzter Zugriff am 23.06.2010.
Abb. 32: FIZ CHEMIE Berlin , Fachinformationszentrum Chemie GmbH. Zu finden unter URL:
http://www.chemgapedia.de/vsengine/media/vsc/de/ch/9/mac/andere/acetylen/leitfaehig.gif.
Letzter Zugriff am 23.06.2010.
Protokoll zum organisch-chemischen Experimentalvortrag: Polymere in Industrie & Technik
40
Verzeichnis der Versuchsvorschriften
Bakelit
Burgemeister, S.: Kunststoffe. Zu finden unter URL:
http://www.chids.de/dachs/expvortr/671Kunststoffe_Burgemeister.doc. Letzter Zugriff am
09.06.2010.
Plexiglas
[1] Rickelt, E.: Polymerisation von Methacrylsäureester (Plexiglas). Philipps-Universität Marburg,
Fachbereich Chemie.
[2] Brandl, H.; Kabuß, S.: Herstellung eines Fluoreszenz-Solarkollektors. In: Praxis der
Naturwissenschaften, 6/37, S. 24ff. 1988.
Styropor in Joghurtbechern
Rickelt, E.: Lehrerfortbildung - Kunststoffmüll. S. 21f. Philipps-Universität Marburg, Fachbereich
Chemie. 1998.
Essbares Einweggeschirr
[1] Büttner, M.; Wagner, G.: Herstellung von essbarem Einweggeschirr. Zu finden als
Downloadmaterial unter URL: http://www.friedrich-
verlag.de/go/?action=ShowProd&prod_uuid=ADF0893F5DF74A3FB484CBFBB28C22F4. Letzter
Zugriff am 09.06.2010.
[2] Kühn, I.: Herstellung von essbarem Einweggeschirr. In: Naturwissenschaften im Unterricht
Chemie. 9, Heft 45, S. 55-56. 1998.
Drug delivery system (controlled drug release)
Köhler-Krützfeldt, A.: Fortschritt durch Polymere. In: Praxis der Naturwissenschaften - Chemie. 5/51,
S. 2-5. 2002.
Leitfähige Polymere
Flintjer, B.; Jansen, W.: Polypyrrol und Polypyrrol-Batterien. In: Praxis der Naturwissenschaften -
Chemie. 3/38, S. 7-11. 1989
Polyurethanschaum
Rickelt, E.: Polyurethan auf Lignin-Basis. Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Chemie.
Isolierung durch PU-Schaum
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Erklärung
Hiermit versichere ich, dass ich den Bericht selbstständig verfasst und keine anderen
als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe.
Marburg, den 27.06.2010