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Public Reporting – Welche
Wirkungen können wir erwarten?
Max Geraedts
Lehrstuhl und Institut für Gesundheitssystemforschung
der Universität Witten/Herdecke
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Quality Improvement Saves Lives!
MEASURE LIVES SAVED* SINCE
Beta Blocker Treatment 24,000 – 30,000 1996
Cholesterol Management 23,000 – 39,000 2000
Blood Pressure Control 76,000 – 132,000 2000
Diabetes – HbA1c Control 2,000 – 3,500 1999
TOTAL 125,000 – 205,000 * Gross estimate of lives saved; does not take comorbities or
expected mortality over time into account.
The State of Health Care Quality 2008
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Qualitätsberichterstattung: Ziele
Motivation zur Qualitätsverbesserung auf Seiten
der Leistungserbringer
Auswahl geeigneter Krankenhäuser / Ärzte /
anderer medizinischer Leistungserbringer durch
Patienten, Angehörige, Einweiser,
Beratungsorganisationen, Kostenträger
Rechenschaftspflicht der Leistungserbringer
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Modell der Qualitätsberichterstattung (Marshall et al., 2000)
Informations-bedarf
Nutzung durch Gruppen von
Leistungs-erbringern
Einstellungen Ressourcen
Nutzung durch einzelne Ärzte
Nutzung durch Verbraucher
Nutzung durch Kostenträger
Öffentliche Qualitätsberichte: Inhalt Präsentationsform Wissenschaftlichkeit Art der Publikation
Effekte auf die Qualität der Versorgung
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Modell der Qualitätsberichterstattung (Berwick et al. 2003)
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Public Reporting: Potenzielle
Nebenwirkungen (Smith 1995)
Tunnelblick: Fokussierung der bewerteten
Versorgungsaspekte auf Kosten anderer wichtiger Aspekte
Suboptimierung: Verfolgung zu enger, anstatt
organisationsweiter Ziele
Kurzsichtigkeit: Verfolgung nur kurzfristig erreichbarer Ziele
Messgrößenfixierung: Versuch, die Messgrößenaus-
prägung zu optimieren statt der dahinter liegenden Ziele
Falschangaben: entweder in Form verzerrt positiver
Interpretationen oder offenen Betrugs
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Public Reporting: Potenzielle
Nebenwirkungen (Smith 1995)
Missdeutung: fehlerhafte Interpretation von Daten z.B.
aufgrund der Nicht-Beachtung unterschiedlicher
Umgebungsfaktoren (z.B. Versorgungsstrukturen)
Gaming: formal korrektes, aber gegen die Absichten
verstoßendes, geschicktes Ausnutzen von Vorgaben,
Strukturen und Regeln (z. B. Risikoselektion oder –
vermeidung)
Verknöcherung: Erstarrung des Systems durch
Konzentration auf extrem rigide Performanzmessungen
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Analyse zeitlicher Trends der
Indikatorausprägungen mit QB-Daten
Verpflichtend laut G-BA: 2006 = 30 QI; 2008 = 29 QI
aus 2006 3 QI gestrichen, 2 neue QI 2008
-> 27 (oberflächlich) gemeinsame QI
Veränderung bei Ein-Ausschlusskriterien, Definitionen,
Rechenregeln bei 8 QI im Vergleich von 2006 / 2008
->19 QI vergleichbar in 2006 und 2008
Datenschutzspezifikation in 2006 falsch, 2008 verändert:
Ausschluss Zähler in 2006 N = 0-5, in 2008 N = 1-5]
Beschränkung auf QI, bei denen hoher Anteil = gute Qualität
10 QI vergleichbar
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99
100
Indik-
CEA
Histo-
Chol
ABio-
Hyst
Throm-
bo-Hyst
Cort-
Früh
Päd-
Früh
Indik-
Koro
Indik-
PCI
Out-
PCI
HSM-
Impl
Abb.: Veränderung der Indikatorausprägungen 2006 / 2008 (nur Krankenhäuser mit Daten aus beiden
Jahren) (2006 2008 ) (*= unadjustiert signifikant; **= signifikant nach Korrektur für multiples Testen)
% * * ** ** ** ** ** ** *
Public Reporting-bedingte Veränderung
von Indikator-Ausprägungen ?
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[AQUA-Qualitätsreport 2009 vom 19.08.2010]
(Public) Reporting ohne Einfluss auf
Indikator-Ausprägungen ?
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Wirkung von Public Reporting
+ P4P im NHS
[Campbell et al. NEJM 2009]
Verbesserung klinischer QI
bis Plateau
P4P beschleunigt z. T. den
Trend ohne P4P
QI ohne P4P fallen
schlechter aus
Kontinuität verschlechtert
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Evidenz zu Effekten strukturierter
Leistungsrückmeldung
Audit and feedback can be effective in
improving professional practice.
When it is effective, the effects are
generally small to moderate.
The relative effectiveness of audit and
feedback is likely to be greater when
baseline adherence to recommended
practice is low and when feedback is
delivered more intensively.
The results of this review do not support
mandatory or unevaluated use of audit
and feedback as an intervention to
change.
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Evidenz zu den Effekten des Public Reporting
Basis: Review von Fung et al., Ann Intern Med 2008 (berücksichtigt Reviews von Marshall et al., JAMA 2000 und
Schauffler & Modarvsky, Ann Rev Public Health 2001)
Methode: Systematische Literaturanalyse (1986-)1999-2006
Ergebnis: 45 (englischsprachige, peer-reviewed) Artikel zum
Einfluss von Public Reporting auf
Auswahl von Leistungserbringern
Qualitätsverbesserungsaktivitäten
klinische Ergebnisse (Effektivität, Patientensicherheit, Patientenorientierung)
unbeabsichtigte Konsequenzen
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Evidenz zu den Effekten des Public Reporting (Fung et al.)
Geringer Einfluss auf Auswahl von Health Plans (8 Studien)
Inkonsistenter Einfluss auf die Auswahl von Krankenhäusern (9
Studien) und individuellen Leistungserbringern (7 Studien)
Konsistente Stimulierung von Qualitätsverbesserungsaktivitäten
in Krankenhäusern (11 Studien)
Inkonsistente Assoziation zu Effektivitätsverbesserungen (11
Studien, fast nur bezogen auf Krankenhäuser)
Ungenügende Evidenz zum Einfluss auf Patientensicherheit und
Patientenorientierung
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Evidenz zu den Effekten des Public Reporting
Perzeption und Nutzung von qualitätsvergleichenden
Informationen durch Versicherte
(Quelle: Robinson & Brodie.
Jt Com J Qual Impr. 1997. 5:239.)
MCOs Krankenhäuser Ärzte
Information
gesehen
Keine Information
gesehen 87% 86%
83%
34% 35%
30%
0%
10%
20%
30%
40%
50%
60%
70%
80%
90%
100% Information wäre nützlich Information selber genutzt
39% 61%
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G-BA Auftrag - Evaluation der gesetzlichen Qualitäts-
berichte – Zusammenfassung der Ergebnisse (I)
Patienten (48) kannten im Allgemeinen die QB nicht,
verstanden sie nicht und hielten die Berichtsinhalte nur in
geringem Umfang für hilfreich.
Die Krankenhauswahl erfolgt auf der Basis von Vertrauen in die
fachliche und menschliche Kompetenz der Behandler.
Die Mehrzahl der Ärzte (300) kannte die QB nicht und nur
wenige nutzten diese für die Patientenberatung zu
Einweisungsentscheidungen.
Ärzte nutzen zum Teil Informationen, die sie in QB finden
könnten, mehr jedoch eigene und die Erfahrungen ihrer
Patienten mit Krankenhäusern.
[www.g-ba.de/downloads/17-98-2939/1Geraedts_geschützt.pdf]
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G-BA Auftrag - Evaluation der gesetzlichen Qualitäts-
berichte – Zusammenfassung der Ergebnisse (II)
Krankenhäuser (333) hielten die QB mehrheitlich für
geeignet, die Art und Anzahl ihrer Leistungen
darzustellen, aber eher ungeeignet, die Qualität der
erbrachten Leistungen abzubilden.
Die vorliegenden QB werden für andere externe oder
interne Zwecke genutzt.
Das Verhältnis von Nutzen zu Aufwand wird
überwiegend als nicht angemessen angesehen.
Krankenhäuser sehen Verbesserungsbedarf im
Hinblick auf die Darstellungsweise, Ausführlichkeit,
Laienverständlichkeit und Gestaltungsfreiheit.
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Methodische Probleme der vergleichenden
Darstellung von Versorgungsergebnissen
• Zumeist seltene Ereignisse
• Langzeitergebnisse oft besonders relevant
• Beeinflussung durch vielfältige externe Faktoren
• Zur Adjustierung notwendige sowie Langzeit-Daten oft nicht
vorhanden
• Assoziation zur medizinischen Versorgung unsicher
• Ergebnisdarstellungen in Form von Wahrscheinlichkeiten
werden selten verstanden
• Allein aufgrund statistischer Überlegungen kaum sichere
Aussagen möglich
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Präzision adjustierter Letalitätsraten als
Qualitätsmessgröße: Verteilung richtig und falsch
positiver sowie falsch negativer Krankenhäuser
(Thomas JW & Hofer TP, Med Care 1999)
Thomas/Hofer: “Reports that measure quality using risk-adjusted mortality rates misinform the public about hospital performance.”
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Fazit zum Public Reporting (I)
Patienten / Öffentlichkeit wünschen Informationen zur
Qualität in der Medizin
Bislang genutzte öffentliche Qualitätsberichterstattung
zeigt nur geringe Effekte, wobei die Studienlage
unzureichend ist
Intensivierte Rückmeldung, bessere Studien !
Effekte einer Q-Berichterstattung zeigen sich vor allem bei
Kliniken/Ärzten
Verstärkung dieser Effekte durch Benchmarking ?
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Fazit zum Public Reporting (II)
Interpretation von Qualitätsvergleichen methodisch
schwierig
Breite öffentliche Qualitätsberichterstattung zu
seltenen Ereignissen mit geringer Zuschreibbarkeit
könnte kontraproduktiv sein
Konzentration auf häufige, zuschreibbare Ereignisse
(z. B. "optimale Behandlung gewährleistet ?")