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Optimierung des Schaltprozesses bei
schweren Nutzfahrzeugen durch adaptive
Momentenfuhrung
Von der Fakultat Konstruktions-, Produktions- und Fahrzeugtechnik
der Universitat Stuttgart
zur Erlangung der Wurde eines Doktors der
Ingenieurwissenschaften (Dr.-Ing.) genehmigte Abhandlung
Vorgelegt von
Carsten Joachim
aus Wemmetsweiler
Hauptberichter: Prof. Dr.-Ing. H.-C. Reuss
Mitberichter: Prof. Dr.-Ing. A. Kistner
Tag der mundlichen Prufung: 16.04.2010
Institut fur Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwesen
der Universitat Stuttgart
2010
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Vorwort
Die vorliegende Arbeit entstand wahrend meiner Tatigkeit als wissenschaft-
licher Mitarbeiter am Institut fur Verbrennungsmotoren und Kraftfahrwe-
sen (IVK) der Universitat Stuttgart. Herrn Prof. Dr.-Ing. Hans-Christian
Reuss danke ich fur das Ermoglichen dieser Dissertation im Bereich der
Kraftfahrzeugmechatronik. Sein Engagement uber die rein fachliche Be-
treuung hinaus ist und bleibt ein wesentlicher Grundpfeiler fur das erfolg-
reiche und angenehme Arbeiten am IVK und FKFS (Forschungsinstitut fur
Kraftfahrwesen und Verbrennungsmotoren Stuttgart). Weiterhin danke ich
Herrn Prof. Dr.-Ing. Arnold Kistner fur seine freundliche Bereitschaft, den
Mitbericht zu ubernehmen.
Die Grundlage fur diese Arbeit bildet eine Forschungskooperation des
FKFS mit dem Nutzfahrzeugbereich der Daimler AG. An dieser Stelle sei
mein Dank an die gesamte Abteilung TP/PET fur die Unterstutzung wah-
rend der mehrjahrigen Projektarbeit vor Ort gerichtet. Stellvertretend sei
Herr Horwath genannt, der als Mentor und Diskussionspartner wesentlich
zum Gelingen beigetragen hat.
Das kollegiale Arbeitsumfeld und die fruchtbaren Diskussionen am Institut
haben meine Zeit dort sehr bereichert. Hier soll stellvertretend Herr Tobias
Mauk genannt werden, der mir fur Fragen zu flachen Systemen und Ausgan-
gen stets zur Verfugung stand. Mein Dank gilt auch meinem Bereichsleiter
Herrn Dr.-Ing. Gerd Baumann. Seine Unterstutzung war insbesondere in
der Schlussphase der Arbeit unverzichtbar.
Zuletzt mochte ich mich ganz besonders bei meiner Ehefrau Carmen bedan-
ken. Ich habe erfahren, dass ich auch in schwierigen Zeiten auf sie zahlen
kann.
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Inhaltsverzeichnis
Vorwort 3
Abkurzungen und Formelzeichen 6
Zusammenfassung 12
Abstract 14
1 Einleitung 16
2 Stand der Technik 21
2.1 Triebstrangschwingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
2.2 Schaltvorgange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.3 Bestehende Losungsansatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
2.4 Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
3 Systemkomponenten und Modellbildung 33
3.1 Antriebsstrang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
3.1.1 Motor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34
3.1.2 Kupplung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36
3.1.3 Getriebe und Antriebswellen . . . . . . . . . . . . . . 39
3.1.4 Reifen und Dampfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
3.2 Sattelzugmaschine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
3.3 Simulation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
3.4 Ersatzmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
4 Gesteuerte Momentenfuhrung 54
4.1 Zielsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54
4.2 Steuerung durch Rampenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . 55
4.3 Systemtheoretische Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . 58
4.4 Steuerungsentwurf fur das Zweimassenmodell . . . . . . . . 63
4.4.1 Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
4.4.2 Storgroenkompensation . . . . . . . . . . . . . . . . 64
4
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4.4.3 Trajektorienplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
4.5 Steuerungsentwurf bei komplexen Modellen . . . . . . . . . . 68
4.5.1 Lineares Mehrmassenmodell . . . . . . . . . . . . . . 68
4.5.2 Nichtlineares Triebstrangmodell . . . . . . . . . . . . 71
4.6 Simulationsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74
5 Schatzverfahren 78
5.1 Parameterempfindlichkeit der Momentenfuhrung . . . . . . . 78
5.2 Beobachter fur Zustands- und Storgroe . . . . . . . . . . . 86
5.2.1 Triebstrangmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86
5.2.2 Lastmoment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
5.3 Schatzung der Triebstrangparameter . . . . . . . . . . . . . 91
5.3.1 Primartragheit und Fahrzeugmasse . . . . . . . . . . 91
5.3.2 Eigenfrequenz und Dampfung . . . . . . . . . . . . . 93
5.3.2.1 Identifikationsmethoden . . . . . . . . . . . 93
5.3.2.2 Diskrete Systembeschreibung . . . . . . . . 95
5.3.2.3 Parameteridentifikation . . . . . . . . . . . 98
5.3.2.4 Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
5.4 Parallele Schatzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103
5.5 Vergleich der Schatzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
6 Strategien zur Adaption 108
6.1 Adaption durch Modellidentifikation . . . . . . . . . . . . . 108
6.1.1 Adaptionskonzept . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
6.1.2 Koordination und Supervision . . . . . . . . . . . . . 110
6.1.3 Problematik der Parameterunsicherheiten . . . . . . 112
6.2 Adaption mit Referenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 114
7 Funktionsprototyp und Fahrversuche 119
7.1 Funktionsentwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
7.2 Software in the Loop Testumgebung . . . . . . . . . . . . . . 122
7.3 Fahrzeugintegration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124
7.4 Versuchsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125
8 Zusammenfassung und Ausblick 129
Literaturverzeichnis 132
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Abkurzungen und Formelzeichen
Abkurzungen
AMT Automated Manual Transmission
AT Automatic Transmission
B/I Byrnes/Isidori
BS Bremsensteuergerat
CAN Controller Area Network
CPC Common Powertrain Controller
CVT Continuously Variable Transmission
DCT Dual Clutch Transmission
ECU Electronic Control Unit
E/A Ein-/Ausgang
E/E Elektrik/Elektronik
EEPROM Electrically Eraseable Programmable
Read Only Memory
EKF Extended Kalman Filter
EKM Elektronisches Kupplungs Management
EPS Elektronisch Pneumatische Schaltung
EU Europaische Union
GOC Generalized Optimal Control
GPC Generalized Predictive Control
GS Getriebesteuergerat
IES Integriertes Elektronik System
LKW Lastkraftwagen
LQ Linear Quadratisch
6
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LQG Linear Quadratic Gaussian
LTR Loop Transfer Recovery
MIAC Model Identification Adaptive Control
MKS Mehrkorpersystem
MP Modellpflege
MR Motorregelung
MRAC Model Reference Adaptive Control
MT Manual Transmission
NFZ Nutzfahrzeug
PKW Personenkraftwagen
RLS Recursive Least Squares
SiL Software in the Loop
SISO Single Input Single Output
ZMS Zweimassenschwungrad
Formelzeichen
Zeichen Einheit Beschreibung
aFZG kgm2 Fahrzeuglangsbeschleunigung
ax kgm2 Langsbeschleunigung im Fahrerhaus
ay kgm2 Vertikalbeschleunigung im Fahrerhaus
A Systemmatrix (kontinuierlich)
Ad Systemmatrix (diskret)
B Eingangsmatrix (kontinuierlich)
Bd Eingangsmatrix (diskret)
c Nm/rad Federsteifigkeit des Zweimassenmodells
cl N Longitudinalsteifigkeit des Reifens
cR N/m Ersatzsteifigkeit des Reifens
cw Luftwiderstandsbeiwert
7
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C Ausgangsmatrix (kontinuierlich)
d Nms/rad Dampfungskonstante des Zweimassenmodells
D Durchgangsmatrix (kontinuierlich) /
Dampfungsmatrix
D Modaler Dampfungsgrad
e Fehler (allgemein)
f Erregerkraftvektor
fR Rollwiderstandsbeiwert
FA N Anpresskraft der Kupplungsscheiben
FLW N Luftwiderstandskraft
FL N Lastkraft
FRW N Rollwiderstandskraft
FSt N Steigungswiderstand
FN N Normalkraft
FG N Gewichtskraft
FZ N Vortriebskraft
Fx N Reifenumfangskraft
f0 Hz Triebstrangeigenfrequenz
iG Getriebeubersetzung
iHA Ubersetzung Hinterachsgetriebe
iAS Triebstranggesamtubersetzung
I Einheitsmatrix
kR Ns/m Ersatzdampfungskonstante fur den Reifen
J1 kgm2 Primartragheit geschlossener Triebstranges
J2 kgm2 Sekundartragheit Triebstrang
JK kgm2 Primartragheit offener Triebstranges
JM kgm2 Rotationstragheit des Motors
JR kgm2 Rotationstragheit der Reifen
K Verstarkungsfaktor (allgemein)
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K Steifigkeitsmatrix
M Massenmatrix
mFZG kg Fahrzeugmasse
MAS Nm Triebstrangmoment
Mc Nm Triebstrangfedermoment
Md Nm Triebstrangdampfermoment
MK Nm Kupplungsmoment
ML Nm Lastmoment
MM Nm Motormoment
Mosz Nm Dynamisches Moment aus Motortragheiten
M s Steuerbarkeitsmatrix
nK Anzahl der Kupplungsreibflachen
nM Hz Motordrehzahl
nR Hz Raddrehzahl
P Fehlerkovarianzmatrix
q Vektor der Freiheitsgrade
Q Varianzmatrix fur Systemrauschen
R m Dynamischer Reifenradius
R Varianzmatrix fur Messrauschen
Rm m Mittlerer Reibradius der Kupplung
rx m Relaxationslange des Reifens
s komplexe Variable der Laplace Transformation
sR % Reifenschlupf
sK % Kupplungsausruckweg
T s Zeitdauer Momentenabbau
TAS s Periodendauer Triebstrangeigenschwingung
T0 s Abtastzeit
u Systemeingangsgroe
vFZG m/s Fahrzeuggeschwindigkeit
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v m/s Normierungsgeschwindigkeit
x Zustandsgroenvektor
xF m Langsposition Fahrer
xS Zustandsgroenvektor (Regelungsnormalform)
y Systemausgangsgroe
yF m Vertikalposition Fahrer
xR m Langsposition Fahrzeugrahmen
yFH m Vertikalposition Fahrerhaus
yR m Vertikalposition Fahrzeugrahmen
zFlacher Systemausgang /
Variable der z-Transformation
zZyl Anzahl der Zylinder
FH rad Nickwinkel Fahrerhaus
R rad Nickwinkel Fahrzeugrahmen
Korrekturvektor fur RLS-Algorithmus
rad Fahrbahnsteigungswinkel
FH rad Wankwinkel Fahrerhaus
RH rad Wankwinkel hinterer Rahmen
RV rad Wankwinkel vorderer Rahmen
rad Verdrehwinkel des Triebstranges
rad/s Differenzwinkelgeschwindigkeit Triebstrang
Parametervektor
G Gleitreibbeiwert Kupplung
H Haftreibbeiwert Kupplung
kg/m3 Luftdichte
ES s Totzeit des Einspritzsystems
Transformationsmatrix
M rad Motorwinkel
Messdatenvektor fur Schatzverfahren
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1 rad/s Winkelgeschwindigkeit Primartragheit
2 rad/s Winkelgeschwindigkeit Sekundartragheit
d rad/s Eigenfrequenz des gedampften Systems
K rad/s Winkelgeschwindigkeit des Getriebeeinganges
M rad/s Motorwinkelgeschwindigkeit
R rad/s Winkelgeschwindigkeit des Rades
0 rad/s Eigenfrequenz ungedampftes System
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Zusammenfassung
In schweren Nutzfahrzeugen werden heutzutage uberwiegend voll auto-
matisierte Antriebsstrange eingesetzt. Dabei dominieren automatisierte
Schaltgetriebe aufgrund der Wirkungsgradvorteile. Aktuatoren uberneh-
men die erforderlichen Stelleingriffe, z. B. zur Betatigung der Schaltgrup-
pen, und werden uber Softwarefunktionen gesteuert. Die bei der Trieb-
strangregelung beteiligten Steuergerate sind uber Bussysteme vernetzt.
Dadurch konnen Steuergerate uber geeignete Schnittstellen auf beliebige
Aktuatoren im Netzwerk zugreifen. Fur den Schaltvorgang, der systembe-
dingt mit einer Zugkraftunterbrechung verbunden ist, hat der Motor als
Aktuator Bedeutung beim Abbau und Aufbau des Momentes vor bzw.
nach der Schaltung. Diese Momentenanderungen regen den schwingungs-
fahigen Triebstrang an und beeinflussen damit den Schaltablauf sowie den
Schaltkomfort.
Der Einsatz einer intelligenten Momentenfuhrung beim Schaltvorgang ist
daher sinnvoll. Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dieser Thematik
und ubergeordnet mit der Fragestellung, wie die Funktion in Hinblick
auf den Einsatz bei unterschiedlichen Fahrzeugkonfigurationen bzw. unter-
schiedlicher Triebstrangdynamik erweitert werden kann. Zunachst wird das
Schwingungsverhalten mit den beteiligten Komponenten von Triebstrang
und Fahrzeug untersucht und eine Modellbildung durchgefuhrt. Damit wer-
den Simulationen auch der fahrkomfortrelevanten Groen - insbesondere
der Fahrerbeschleunigungen - ermoglicht. Fur die Funktionsentwicklung
wird ein geeignetes Ersatzmodell abgeleitet. Da ein robustes und effizien-
tes Verfahren erforderlich ist, wird die Momentenfuhrung als reine Steue-
rung nach dem systemtheoretischen Prinzip der Flachheit entworfen. Der
Triebstrang kann so definiert in einen Sollzustand uberfuhrt werden, der
fur die Synchronisationsphase angepasst wird. Fur die Steuerung wird eine
geeignete Trajektorienplanung vorgestellt, die entsprechende Randbedin-
gungen berucksichtigen und online berechnet werden kann.
In Hinblick auf den breiten Einsatz ist die hohe Anzahl an Fahrzeugkon-
figurationen im Nutzfahrzeugbereich zu berucksichtigen. Daneben konnen
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aufgrund des im Betrieb veranderlichen Schwingungsverhaltens, z. B. auf-
grund veranderlicher Fahrzeugmasse, Anpassungen der Funktionsparame-
ter erforderlich sein. Um diese Anforderungen zu berucksichtigen, werden
in dieser Arbeit geeignete Schatzalgorithmen entwickelt und in eine Ge-
samtstrategie zur Adaption integriert. Neben der Moglichkeit zur Adaption
uber Prozessidentifikation wird als Alternative ein Konzept basierend auf
der Idee von Modellreferenzverfahren vorgestellt. Die Teilmodule werden
in ein Gesamtkonzept zur Triebstrangregelung eingebettet. Zur Verifikati-
on wurde dieses nach der Vorgehensweise der modellbasierten Softwareent-
wicklung uber ein Prototypensteuergerat in einen Versuchstrager in Form
eines Mercedes-Benz Actros integriert. Fahrversuche bestatigen den prak-
tischen Nutzen.
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Abstract
Most heavy duty vehicles produced today are equipped with a fully auto-
mated powertrain. Automated manual transmissions are dominating be-
cause of their advantages in efficiency. The required control actions e.g.
moving the shift groups are processed by actuators and controlled by soft-
ware functions. The electronic control units involved in powertrain control
are connected with bus systems, e.g. the CAN bus. As a consequence
it is possible to provide actuators via an appropriate interface inside the
network to other modules. This is important for gear shifting, where the
engine is used as an actuator. At AMTs gear shifting, the driving force
has to be interrupted as the torque must be reduced before shifting and
increased again after shifting. The changes in torque excite the driveline
to oscillate and thus have an influence on the shift process and the shift
comfort.
Therefore it is required to use an intelligent torque control function for
gear shifting. The work presented here is focussed on this function. Above
that it is shown how to extend the function regarding the application on
different vehicle configurations and different driveline dynamics. First the
dynamic behaviour of the system with the driveline components and the
vehicle construction itself is analyzed. Based on this, models are devel-
oped which are able to simulate the dynamic behaviour. This includes the
drivelines behaviour as well as the driver accelerations which are relevant
for comfort issues. For the development of control functions, a simplified
model is derived. The torque control function is implemented as a pure
feedforward control using the methods of the theory of flatness based con-
trol to achieve function robustness and efficiency. Herewith the powertrain
can be transferred on a defined way to a desired state suitable for the syn-
chronization phase. An adequate trajectory planning is presented as well.
The trajectory can consider boundary conditions and is suitable for online
calculation.
For extensive application in the commercial vehicle sector the number of
different vehicle configurations has to be considered. In addition the vehi-
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cles dynamic behaviour can vary during operation e.g. due to varying ve-
hicle mass. As a consequence the function parameters have to be adapted.
To handle these aspects, suitable estimation algorithms are developed and
integrated in an overall adaptation strategy. One option is an adaptation
based on process identification. As an alternative a method based on the
idea of model reference is presented here. The several function components
are embedded in an overall concept for powertrain control. This concept
was integrated in a model based function structure and implemented on
a prototype ECU. Therewith it could be integrated in a vehicle of type
Mercedes-Benz Actros as final step. Driving tests confirm the concepts
practical use.
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1 Einleitung
Der Groteil des Guterverkehrs in Deutschland und anderen Industrielan-
dern wird uber die Strae abgewickelt. Auch der Zuwachs der letzten Jahre
ist fast ausschlielich diesem Sektor zuzuschreiben, vgl. Bild 1.1. Mit dieser
Entwicklung gehen die zunehmende Bedeutung des Nutzfahrzeugbereichs
(vgl. [118], [57]) und damit die Wachstumsraten der Nutzfahrzeugindustrie
in den letzten Jahren einher. Dabei kommt Deutschland eine gewichtige
Bedeutung sowohl beim Guterverkehr mit 474 Milliarden Tonnenkilome-
! "
#
Bild 1.1 Entwicklung des Guterverkehrs in Europa EU 27 [29]
16
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tern in 2008 [126] als auch im Bereich der Nutzfahrzeugindustrie zu. Allein
im Inland wurden 2008 ca. 500.000 Nutzfahrzeuge produziert [142]. Der
Anteil der mittleren und schweren Baureihen mit einem zulassigen Ge-
samtgewicht von mehr als sechs Tonnen betragt dabei etwa 40 % der in
Deutschland produzierten Nutzfahrzeuge [141].
Wahrend der Guterverkehr im Nahverkehrsbereich stagniert, ist im Fern-
verkehr ein stetiger Zuwachs zu verzeichnen [125]. Hier wird hauptsachlich
die schwere Klasse (Heavy Duty) von Nutzfahrzeugen mit bis zu 40 t zulas-
sigem Gesamtgewicht eingesetzt. Ein groer Teil der fur den Spediteur zu
berucksichtigenden Kosten wird im Fernverkehrsbereich durch die Betriebs-
kosten, insbesondere den Kraftstoff verursacht [56]. Automatisierte Schalt-
getriebe (AMT) konnen hier dazu beitragen, im Flottendurchschnitt eine
Kraftstoffersparnis durch Einsatz einer intelligenten automatische Gang-
wahl zu erreichen. Anders als im PKW-Segment ist vor allem dieser Kos-
tengesichtspunkt der treibende Grund fur den Spediteur zur Wahl einer
Ausstattungsvariante mit automatisiertem Getriebe. Zusatzlich wird eine
Entlastung des Fahrers von den Aufgaben Schalten und Kuppeln erreicht.
Prognosen (z. B. [56]) lassen erwarten, dass die Marktdurchdringung mit
AMTs im Nutzfahrzeugbereich kontinuierlich zunehmen wird.
Einen Uberblick uber die Eignung verschiedener Getriebetypen fur Nutz-
fahrzeuge gibt Bild 1.2. Aufgrund der Wirkungsgradvorteile werden bei
schweren Nutzfahrzeugen uberwiegend AMTs eingesetzt. Der Antriebs-
strang bietet dabei typischerweise folgende Funktionalitaten (vgl. [58],
[144]):
Automatisierte Schaltung Automatisierte Gangwahl Automatisierte Kupplung
Die Verfugbarkeit dieser Funktionalitaten ist vom Automatisierungsgrad
abhangig. Dieser wurde bei Nutzfahrzeuggetrieben schrittweise erhoht [77].
Er hangt von den eingesetzten Aktuatoren ab, die im bzw. um das Getriebe
verbaut sind und die mechanischen Stelleingriffe durch den Fahrer erset-
zen. Bei schweren Nutzfahrzeugen werden dazu hauptsachlich pneumati-
sche Aktuatoren ( [26], [55]) eingesetzt. [114] gibt eine Marktubersicht aus
der Zeit der breiten Markteinfuhrung der ersten automatisierten Schalt-
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Verbrauch Komfort Fahrleistung Kosten Gewicht
MT + 0 + +++ +
MT by wire + 0 + ++ ++
AMT ++ + + ++ ++
AT 0 ++ ++ 0 0
DCT, dry ++ ++ ++ - -
DCT, wet 0 ++ ++ 0 0
CVT ++ +++ ++ -- -
+/++/+++ Vorteil / groer Vorteil / sehr groer Vorteil
0 weder besonderer Vorteil noch Nachteil
-/--/--- Nachteil / groer Nachteil
Bild 1.2 Eignung verschiedener Getriebetypen fur Nutzfahrzeuge [44]
getriebe in Nutzfahrzeugen. Zunachst wurden automatisierte Schaltungen
ermoglicht, d.h. der mechanische Schalthebel durch einen elektronischen er-
setzt. Beispielsweise hat Mercedes-Benz dies 1985 mit der EPS eingefuhrt
(vgl. [40], [97]). Danach wurde die Schaltung um eine automatische Voraus-
wahl des Zielgangs erweitert, was z. B. bei Mercedes-Benz mit der Actros-
Baureihe 1996 in Serie eingefuhrt wurde (vgl. [98]). Als letzte Komponente
auf dem Weg zur Vollautomatisierung wurde die Kupplung automatisiert,
d.h. die Pedalkraft durch einen Aktuator ersetzt. Bei Verwendung auen
liegender Aktuatoren kann hier das gleiche Getriebe als Handschaltung
(MT) und Automatik (AMT) ausgefuhrt werden.
Mittlerweile beschrankt sich bei vielen Herstellern die Konzipierung eines
automatisierten Getriebes auf die Ausfuhrung als AMT. Dies ermoglicht
den Verbau von integrierten Aktuatoren. Ein konzentrischer Kupplungsak-
tuator kann in die Kupplungsglocke integriert werden, womit die Ausruck-
gabel entfallt [35]. Des weiteren kann die mechanische Synchronisierung
entfallen. Die Ausfuhrung als Klauengetriebe ermoglicht hohere Drehmo-
mente bei geringerem Gewicht und Bauraum. Fur die elektronische Syn-
chronisierung wird dabei als zusatzlicher Aktuator eine Vorgelegewellen-
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bremse benotigt. Es zeichnet sich ab, dass sich Klauengetriebe im Schwer-
lastbereich durchsetzen. So wurde beispielsweise bei der Baureihe Actros
MP II von Mercedes-Benz ein solches Klauengetriebe 2006 noch als Aus-
stattungsvariante angeboten. Beim Nachfolgemodell Actros MP III zahlt
ein Klauengetriebe bereits zur Serienausstattung (vgl. [144]).
Mit der zunehmenden Fokussierung auf den vollautomatisierten Antriebs-
strang werden auch die dazu erforderlichen Softwarefunktionen immer kom-
plexer. Sie erfordern ein abgestimmtes Zusammenspiel der beteiligten Mo-
dule bzw. Steuergerate. Die Vernetzung der Steuergerate ermoglicht da-
bei verteilte Funktionalitaten bzw. die Bereitstellung von Aktuatoren im
Netzwerk uber geeignete Schnittstellen. Dies ist bei Schaltvorgangen von
Bedeutung, da der Motor als Aktuator verwendet wird. Die Zunahme der
uber Elektronik abgebildeten Funktionalitat schlagt sich auch in der Kom-
plexitat der E/E-Architektur nieder. Bild 1.3 zeigt dies beispielhaft anhand
der E/E Architektur eines Mercedes Actros MP II.
Bei der Entwicklung automatischer Getriebe steht das Erreichen eines gu-
ten Schaltverhaltens im Vordergrund. Bei automatisierten Schaltgetrieben
sind Schaltungen prinzipbedingt mit einer Zugkraftunterbrechung verbun-
den. Neben dem Sicherstellen der Schaltungsdurchfuhrbarkeit in allen Fahr-
situationen ist daher auch die Realisierung einer akzeptablen Schaltzeit von
Bedeutung, um diese Zugkraftunterbrechung gering zu halten. Zum ande-
ren besteht der Anspruch, einen guten Schaltkomfort zu gewahrleisten.
Zwischen diesen beiden Zielen steht das Phanomen der Triebstrangschwin-
gungen, die Komfort und Schaltablauf beeinflussen. Bei Nutzfahrzeugen
sind diese im Vergleich zum PKW deutlich ausgepragter. Insbesondere in
den unteren Gangen treten bei voller Beladung Schwingungen mit Frequen-
zen von unter einem Hertz auf und konnen den Schaltvorgang beeintrach-
tigen. Der Entwurf von geeigneten Softwarefunktionen zur Gewahrleistung
von gutem Schaltverhalten steht daher im Fokus dieser Arbeit.
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HZR
INSFM
TMF
ZHE
TMB MSF
MRFLA
RS
GS AM FDR
WSK
LWS
KS
AG
SRS
TCO
IES-CANISO 11898High-Speed, 5V500 kBaud, 11-Bit
Innenraum-CANTJA 1054, weckbarLow-Speed, 5 V125 kBaud, 29-Bit
RG
HRFH
RG
F
Motor-CANISO 11992,
Low-Speed, 24 V 125 kBaud, 11-Bit
Getriebe-CANISO 11992, Low-Speed24 V, 250 kBaud. 11-Bit
Bremsen-CAN 500 kBaud, 11-Bit
SPA
AUFANH
PSM
WRNR
EAB
ZL
ART1-Box
BTS
KB
FR
HM
ART2-Box
K-L
eitu
ng
BS
7-pol. ABS-Anhngersteckdose 15-pol. Anhngersteckdose
ISO
119
92-3
ISO
11
992
-2
Diagnosesteckdose
K-Leitung
ISO
119
92-3
6+4
9
4
1
TCO-CANISO 16844
APU
TP
GM
ISO 11898High-Speed, 5V500 kBaud, 29-Bit
1
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4 4& 64; 4 "&"
"
83 899
87 89"
Bild 1.3 E/E-Architektur eines Mercedes Actros MP II [9]
20
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2 Stand der Technik
In dem folgenden Kapitel wird der Stand der Technik bzgl. der in der
Arbeit behandelten Problematik dargestellt. Dazu werden jeweils die rele-
vanten Literaturstellen genannt. In Abschnitt 2.1 wird die Thematik der
Triebstrangschwingungen allgemein und im Hinblick auf fahrkomfortrele-
vante Aspekte vorgestellt. Abschnitt 2.2 behandelt den eigentlichen Schalt-
ablauf sowie das Thema Schaltkomfort allgemein. In Abschnitt 2.3 wer-
den die bestehenden Arbeiten zu softwareseitigen Gegenmanahmen zu
Triebstrangschwingungen in Form von regelungstechnischen Ansatzen auf-
gezeigt. Abschlieend wird in Abschnitt 2.4 die Zielsetzung sowie der An-
satz der hier vorliegenden Arbeit zur Optimierung von Schaltvorgangen
durch Softwarefunktionen begrundet.
2.1 Triebstrangschwingungen
Ein Fahrzeug-Antriebsstrang ist kein starres System. Verschiedene Ele-
mente sind nachgiebig und wirken als Elastizitaten. Damit entsteht ein
schwingungsfahiges System mit verschiedenen Eigenformen, die von den
Freiheitsgraden im System abhangig sind. Bild 2.1 zeigt zur Verdeutlichung
ein vereinfachtes Ersatzmodell der Triebstrangmechanik. An diesem me-
chanischen System greifen Krafte bzw. Momente wie Motormoment und
Kupplungsmoment an, die Schwingungen anregen konnen. In der Regel
sind diese unerwunscht. Je nach Schwingungsform bzw. dem damit ver-
bundenen Phanomen wird klassifiziert [23], [143], [146] :
Ruckelnist die erste Eigenform bei geschlossenem Triebstrang. Sie wird durch
Motormomentenanderung angeregt und ist komfort- und bei automa-
tisierten Getrieben funktionsrelevant. Ihre Frequenz liegt bei PKW
im Bereich 1-3 Hz, bei LKW kann sie
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Bild 2.1 Modell der Triebstrangmechanik
Kupplung. Die Frequenz liegt bei PKW im Bereich von 9-13 Hz.
Rupfen ist komfortrelevant und tritt hauptsachlich bei Anfahrvor-
gangen auf. Die Anregung erfolgt insbesondere durch Selbsterregung
infolge negativer Reibwertgradienten der Kupplungsreibbelage.
Rasselnist die dritte Eigenform mit einer Frequenz im Bereich von 40-70 Hz.
Durch das Aneinanderschlagen spielbehafteter Bauteile im Getriebe
treten hoherfrequente Rasselgerausche auf. Angeregt wird diese Ei-
genform durch die Drehungleichformigkeit im Motormoment.
ClonkBeim Lastwechsel kann durch das Aneinanderschlagen spielbehafte-
ter Bauteile ein besonders pragnantes Gerausch, der Getriebeclonk,
auftreten. Der Frequenzbereich reicht von 300-6000 Hz.
LastwechselschlagBeim Lastwechsel konnen infolge der hohen Momentenanderungen
die Aggregate in ihren Lagern anschlagen, was horbar und ggfs. fuhl-
bar ist (15-200 Hz).
Insbesondere die Ruckel-Eigenform stellt ein Komfortproblem dar, das bei
Nutzfahrzeugen aufgrund der niedrigen Frequenzen in verstarkter Form
auftritt. Oszillationen im Triebstrang bzw. im Radmoment ubertragen sich
auf die Beschleunigung des Fahrzeuges und damit des Fahrers, siehe Bild
2.2. Sie werden als komfortmindernd empfunden. Schnelle Momentenande-
22
-
Bild 2.2 Komfortrelevante Groen (Bildquelle: Daimler)
rungen, wie sie z. B. mit schnellen Fahrpedalanderungen einhergehen, regen
den Triebstrang starker an als langsame und sind daher nicht beliebig um-
setzbar. Sie sind aber erforderlich, um kurze Reaktionszeiten zu realisieren.
Zur Darstellung eines akzeptablen Fahrverhaltens sind daher Kompromisse
einzugehen. [116] verdeutlicht am Beispiel des Anfahrverhaltens den Begriff
der Driveability. [47] befasst sich u. a. mit der Objektivierung des Begriffs
Fahrkomfort und nennt aufeinander folgende Beschleunigungsflanken, wie
sie beim Ruckeln auftreten konnen, als komfortminderndes Kriterium.
Eine groe Anzahl von Arbeiten befasst sich mit dem Themenkom-
plex Triebstrangdynamik mit dem Schwerpunkt Fahrzeugruckeln. [95] be-
schreibt Einflusse auf das Fahrzeugruckeln anhand eines Simulationsmo-
dells. [28] analysiert die Einflusse auf das Ruckelverhalten eines PKW-
Antriebsstranges. Dabei werden Kupplungssteifigkeit, Reifenverhalten und
der Einfluss der Aggregate berucksichtigt. [25] untersucht in der Simula-
tion die Einflusse von Kupplungssteifigkeit und Seitenwellensteifigkeit auf
Langsruckeln und Getrieberasseln. [48] sowie darauf aufbauend [49] unter-
suchen die Eigenformen eines einfachen Triebstrangmodells und ordnen sie
Fahrzeug, Radern und Getriebe zu. Es werden die Entstehungsmechanis-
men von Ruckeln und Clonk sowie Moglichkeiten zur Beeinflussung analy-
siert. [143] gibt einen Uberblick uber Schwingungen im Antriebsstrang und
zeigt auf, welche Modellierungstiefen fur die Nachbildung der einzelnen
Phanomene erforderlich sind. [87] und [146] unterscheiden die Lastwechsel-
23
-
reaktionen Ruckeln, Lastwechselschlag und Getriebeclonk. [99] gibt einen
Teiluberblick uber bestehende Literatur u. a. zur Analyse von Driveability,
Langsschwingungen und Regleransatzen. [68] beschreibt Modelle zur Simu-
lation der Triebstrangdynamik mit Torsionsdampfer, Lose, Reifenschlupf
sowie verschiedene Ansatzen zur Motormodellierung. Auch in [76] werden
Modelle zur Simulation der Triebstrangdynamik vorgestellt.
Eine weitere Reihe von Arbeiten befasst sich mit dem Thema Rupfen. Die-
se Schwingungen werden hauptsachlich durch den Friktionskontakt einer
Reibkupplung induziert. [22] beschreibt Ursachen und Methoden zur Ana-
lyse solcher Rupfschwingungen. [71] untersucht dasCold Start Squeal-
Phanomen, das in den Bereich der Akustik fallt. Ausfuhrlicher mit dem
Kupplungsrupfen und Gegenmanahmen befasst sich [3]. Als Hauptursa-
che wird die Reibbelagscharakteristik angefuhrt. [78] analysiert ausfuhrlich
Ursachen fur Kupplungsrupfen und nennt konstruktive sowie regelungs-
technische Gegenmanahmen. Als solche wird die Regelung der Anpress-
kraft vorgeschlagen, um gegenphasig die Rupfschwingungen zu dampfen.
In [151] werden als Gegenmanahmen eine gegenphasiges Stellmoment, ei-
ne weichere Belagfederung und dampfende Kupplungsreibbelage genannt.
Eine verwandte Problematik beim Anfahren ist der Einkuppelschlag. Beim
Einkuppeln findet ein Systemubergang von offenem zu geschlossenem
Triebstrang statt, wobei aufgrund des sich andernden Kupplungsmomentes
Schwingungen angeregt werden konnen. [127] untersucht hierzu Einflusse
und Optimierungsmanahmen.
Das Thema Getrieberasseln stellt einen eigenen Teilkomplex dar. Die Dreh-
ungleichformigkeit des Motors infolge der Zylinderdruckverlaufe wirkt als
anregende Komponente. Als Gegenmanahmen sind hauptsachlich kon-
struktive Losungen in Form von Torsionsdampfern eingesetzt. Im PKW
werden zum Teil auch Zweimassenschwungrader (ZMS) verbaut. Das Ge-
trieberasseln wurde in der Simulation z. B. schon in [86] untersucht. In [69]
ist ein ZMS mit Fliehkraftpendel beschrieben. [11] und [123] beschaftigen
sich mit der Simulation eines ZMS im Antriebsstrang. [130] untersucht die
Auswirkung einer Weitwinkelkupplung, die sich bzgl. der Drehungleich-
formigkeit positiv und bzgl. des Ruckelns negativ auswirkt. [4] stellt eine
Methodik zur Untersuchung des dynamischen Verhaltens von ZMS beim
Lastwechsel vor. Mit der Optimierung des Drehschwingungsverhaltens von
24
-
Bild 2.3 Nutzfahrzeug-Klauengetriebes, 16-Gang-Ausfuhrung (Bildquelle:Daimler)
NFZ-Antriebsstrangen durch Torsionsdampfer beschaftigt sich [128]. Aus-
fuhrlich wird das Thema Getrieberasseln auch in [113] behandelt.
2.2 Schaltvorgange
Nutzfahrzeuggetriebe fur den Schwerlastbereich besitzen in der Regel 12
oder 16 Gange und beinhalten drei Schaltgruppen, vgl. Bild 2.3. Diese kon-
nen separat uber eigene Aktuatoren betatigt werden. Die Hauptgruppe ist
in Vorgelegebauweise ausgefuhrt und besitzt drei bzw. vier Ubersetzungs-
stufen. Die vorgeschaltete Splitgruppe bewirkt mit ihrer niedrigen Sprei-
zung eine zweistufige Feineinstellung der Gesamtubersetzung. Die Range-
gruppe weist eine hohe Spreizung auf und trennt die unteren von den oberen
sechs bzw. acht Gangen. Die Synchronisierung erfolgt bei Split- und Range-
gruppe mechanisch. Die Hauptgruppe wird bei Klauengetrieben elektro-
nisch synchronisiert. Dafur ist als Aktuator die Vorgelegewellenbremse er-
forderlich (siehe Bild 2.3). Bei der Steuerung eines Schaltvorganges ist eine
25
-
Bild 2.4 Phasen eines Schaltvorganges
exakte Abstimmung und Koordination aller Aktuatoren erforderlich. Der
Ablauf einer typischen Zughochschaltung ist schematisch in Bild 2.4 darge-
stellt. Vor dem eigentlichen Gangwechsel ist das Motormoment abzubauen,
um den Triebstrang zu entlasten und ein Hochdrehen des Motors zu ver-
meiden. Nach dem Offnen des Triebstrangs bzw. dem Auslegen des Gangs
erfolgt die Synchronisationsphase, in welcher die Drehzahl der Vorgelege-
welle an die neue Zieldrehzahl angepasst wird. Dies erfolgt entweder durch
Abbremsen uber die Vorgelegewellenbremse (Hochschaltung) oder durch
Beschleunigen uber die Kupplung oder den Motor. Bei erfolgtem Drehzahl-
angleich wird die Klaue eingespurt bzw. der Triebstrang geschlossen und
die Zugkraft wieder bis zur Fahrpedalanforderung aufgebaut. Die Phasen
eines Schaltvorganges sind ausfuhrlich auch in [109] beschrieben. Durch
den Momentenabbau vor der eigentlichen Schaltung wird die Triebstrang-
dynamik angeregt. Dies wirkt sich auf die gefuhlte Fahrerbeschleunigung
und damit das Komfortempfinden aus. Ein akzeptabler Schaltkomfort ist
in jedem Falle Voraussetzung fur die Akzeptanz von automatischen Getrie-
ben. Schwingungen beeinflussen aber auch die Einleitung des eigentlichen
Schaltprozesses. Je nach Prinzip wird der Triebstrang beim Gangauslegen
durch die Reibkupplung oder direkt an der Klaue aufgetrennt. Zu die-
sem Zeitpunkt ist ein definierter Triebstrangzustand entscheidend, da eine
unerwunschte Restverspannung zu Schwingungen auf den Getriebewellen
26
-
fuhren kann. Dies beeinflusst die Synchronisation und kann zu verlangerten
Schaltzeiten fuhren.
Eine Vielzahl von Arbeiten befasst sich mit dem Schaltablauf automati-
scher Getriebe. Hier soll eine Auswahl mit Fokus auf AMTs genannt wer-
den. [33] sowie [110] erlautern die Phasen des Schaltablaufs bei automa-
tisierten Schaltgetrieben. [24] bezieht sich auf das im BMW M3 verbaute
automatisierte Getriebe und beschreibt ebenfalls den Schaltablauf. [41] be-
fasst sich mit der Regelung der Phasen des Schaltvorganges mit Fokus auf
den Phasen mit schleifender Kupplung. [42] zeigt den Ablauf eines Schalt-
vorganges bei AMT und stellt die Anforderungen an die jeweils aktiven
Regelungen heraus.
Weitere Arbeiten zielen auf den Schaltkomfort. [16] stellt einen komfor-
tablen einem unkomfortablen Schaltablauf gegenuber. [15] untersucht den
Schaltkomfort und sieht gegenlaufige Flanken der Beschleunigung als kom-
fortmindernd an. [36] stellt Kenngroen zur Objektivierung des Schaltkom-
forts vor. Neben dem Auftreten von gegenlaufigen Flanken der Langsbe-
schleunigung werden weitere Kenngroen hergeleitet. Die Applikationspa-
rameter werden als gegeben vorausgesetzt und anhand eines Gutekriteri-
ums appliziert. Das Verfahren ist zur Offline-Auslegung am Prufstand aus-
gelegt. In [46] sowie [47] werden Einflusse auf das Komfortempfinden bei
Schaltvorgangen untersucht und Ansatze zur Objektivierung aufgezeigt.
Dabei wird die Langsbeschleunigung als entscheidende Groe identifiziert
und der Einfluss von Nicken und Wanken als gering angesehen. Anhand der
Kriterien wird eine automatisierte Optimierung einer Schaltung am Pruf-
stand aufgezeigt. Die in [19] vorgestellten Schaltkomfortuntersuchungen
setzen auf diese Arbeiten auf. [73] verwendet evolutionare Algorithmen zur
Parameteroptimierung von Schaltvorgangen bei PKW-Automatgetrieben.
Ferner erlautert [32] das Problem des Auskuppelschlages, wie er beim Off-
nen der Kupplung vor dem Schaltvorgang auftreten kann. [27] befasst sich
mit Spiel im Antriebsstrang und dessen Auswirkung auf Getrieberasseln
und Schaltclonk.
27
-
2.3 Bestehende Losungsansatze
Einhergehend mit dem Einzug der Elektronik beim Triebstrangmanage-
ment werden zur Behandlung der Problematik der Triebstrangschwingun-
gen zunehmend softwareseitige Manahmen untersucht und eingesetzt. Sie
sind Gegenstand einer Reihe von aktuellen wissenschaftlichen Arbeiten. Im
Folgenden wird der Stand der Technik wiedergegeben.
Eine Teilgruppe der Arbeiten beschaftigt sich mit der Regelung von
Rupfschwingungen, die bei schleifender Kupplung auftreten konnen. Das
anzusteuernde Stellglied ist hier der Kupplungsaktuator, der uber seine Po-
sition das Kupplungsmoment vorgibt. [122] zeigt einen Losungsansatz zur
Dampfung von Rupfschwingungen bei einem Doppelkupplungsgetriebe mit
hydraulischen Aktuatoren. Es werden Zustandsregler basierend auf einem
komplexen Systemmodell ausgelegt und am Prufstand verifiziert. [21] zeigt
einen LQ-Regler zur Regelung des Anfahrvorgangs mit schleifender Kupp-
lung. [5] stellt als Gegenmanahme zum Kupplungsrupfen eine Moglich-
keit zur aktiven Dampfung uber ein gegenphasiges Kupplungsmoment dar
und untersucht diese am Prufstand. [93] beschreibt ein Konzept zur Rege-
lung von Doppelkupplungsgetrieben. Dabei sollen Triebstrangschwingun-
gen bei den Kuppelvorgangen uber eine Schlupfregelung gedampft werden.
Auch [72] zeigt eine Reglerauslegung fur den Fall schleifender Kupplung
beim Doppelkupplungsgetriebe zur Dampfung von Triebstrangschwingun-
gen uber die Kupplung.
Eine weitere Teilgruppe kann unter dem StichwortRuckelregler zusam-
mengefasst werden und bezieht sich auf die Regelung von Triebstrang-
schwingungen im Fahrbetrieb. Durch Lastwechsel bzw. Fahrpedal-
anderungen werden Schwingungen im Triebstrang angeregt. Durch das
elektronische Fahrpedal kann der Motor von der Fahrpedalstellung ent-
koppelt uber eine Softwarefunktion als Aktuator verwendet werden. [115]
befasst sich mit der Triebstrangsimulation und beschreibt drei Ansatze
zur Anti-Ruckel-Regelung. In der Simulation werden ein PI-Regler, ein
LQG-Regler und ein GPC-Regler (Generalized Predictive Control) un-
tersucht. [12] nennt als Losungsansatz eine Regelung mit zwei Freiheits-
graden, deren Parameter mittels Gain-Scheduling angepasst werden, ohne
konkrete Aussagen zur Struktur zu machen. [38] beschreibt Ansatze zur
28
-
Regelung der Fahrzeuglangsdynamik ohne Berucksichtigung von Ruckel-
schwingungen. Es werden Verfahren zur Parameterbestimmung aufgezeigt,
wobei diese zur Offline-Parametrierung ausgelegt sind. [68] zeigt anhand
von optimalen Regerlauslegungen das Potenzial einer Regelung bei unter-
schiedlich detaillierten Motormodellen in der Simulation. Die Algorithmen
erfordern eine Offline-Berechnung und sind nicht zum Einsatz in Steuer-
geraten konzipiert. [101] zeigt die Wirkung eines LQG-Reglers zur Ge-
schwindigkeitsregelung mit Dampfung von Triebsstrangschwingungen. [49]
schlagt fur Lastwechsel bei PKW ein Kompensationsmoment in Abhan-
gigkeit der Winkelbeschleunigung des Schwungrades vor. In [33] werden
LQG-Regler fur die Motormomentenregelung im Fahrbetrieb vorgeschla-
gen. [91] untersucht regelungstechnische Moglichkeiten zur aktiven Damp-
fung von Schwingungen bei Elektrostraenfahrzeugen und nutzt dazu den
Elektromotor als Aktuator. Auch [43] zeigt anhand eines Modells fur ein
Elektrofahrzeug auf, wie uber den elektrischen Aktuator Drehschwingun-
gen gedampft werden konnen. Dabei werden eine Ruckkoppelung der Dreh-
zahldifferenz von Motor und Raddrehzahl verwendet und die Auswirkungen
auf ein Modell mit Berucksichtigung der Aggregatelager aufgezeigt. [117]
untersucht theoretisch an einem Zweimassenschwinger die Wirkung von
verschiedenen Regelungskonzepten, ohne eine konkrete Anwendung wie z.
B. im Automobil anzustreben. [121] untersucht Langsschwingungen bei
Lastwechselvorgangen und bei Einfugung einer Haltestufe im Momenten-
aufbau. [155] und [103] benutzen einen erweiterten Kalmanfilter (EKF) zur
Online-Parameterschatzung. Dieser dient als Basis fur einen Ruckeldamp-
fungsregler. [104] entwirft einen modellbasierten Regler als aktiven Ru-
ckeldampfer bei Lastwechseln und legt diesen anhand von Parameteriden-
tifikationsmethoden aus. Die Identifikation erfolgt mit einem EKF. Eine
Parametrierung einer Vorsteuerung sei bei diesem Konzept nicht moglich.
In [147] wird ein LQG-Regler zur Dampfung der Triebstrangschwingungen
und eine Adaption mittels RLS-Verfahren basierend auf einem Kalman-
filter zur Torsionsschatzung als mogliche Erweiterung vorgestellt. In [148]
liegt der Schwerpunkt auf der Auslegung komplexer Regelungen fur den
Fahrbetrieb in der Simulation. Daneben werden Identifikationsmethoden
aufgezeigt, die aufgrund der Ruckkoppelung von Beobachter- und Identi-
fikationsalgorithmen das Risiko von Instabilitaten beinhalten. Eine Veri-
fikation der Simulationen im Fahrzeug bleibt aus. [145] und [112] nennen
29
-
drei Moglichkeiten zur Verbesserung von Lastwechselreaktionen: Steigungs-
variation, Stufe im Momentenverlauf und der Einsatz eines Reglers ohne
genauere Angaben. [17] stellt einen Regler zur Schwingungsdampfung ba-
sierend auf einem einfachen Modell vor. [13] berucksichtigt die Totzeit im
Regelkreis und schlagt eine Totzeitkompensation mittels Smith-Pradiktor
vor. [7] und [14] entwerfen einen diskreten Regler dritter Ordnung fur ein
Elektrofahrzeug. Es wird ein Kalmanfilter zur Schatzung des Getriebemo-
mentes verwendet. [129] identifiziert offline ein vereinfachtes Ersatzsystem
und legt darauf basierend eine Steuerung aus. Uber die erforderliche Trajek-
torienplanung werden keine Aussagen gemacht. [18] zeigt einen Ansatz zur
Dampfung von Triebstrangschwingungen mittels GOC (Generalized Opti-
mal Control). Dabei wird abschnittsweise ein optimaler Wert der Stellgroe
berechnet und zum Gesamtverlauf zusammengesetzt. Die Anwendung ist
auf Offline-Untersuchungen begrenzt. [20] untersucht in der Simulation die
Wirkung eines LQ-Reglers zur Dampfung von Triebstrangschwingungen.
Uber den Feedforward Teil wird keine Aussage gemacht.
Zur Regelung der Triebstrangschwingungen bei Schaltvorgangen
liegen eine Reihe von Arbeiten vor. Je nach System und Anwendungs-
fall werden dabei Motor oder Kupplungen als Aktuatoren verwendet. [37]
zeigt theoretisch das Vorgehen zur Auslegung optimal geregelter Schalt-
vorgange fur Automatikgetriebe (AT). [100] untersucht die Wirkung eines
PID-Reglers bei der Momentenregelung fur Schaltvorgange von AMTs in
Simulation und Praxis. [34] zeigt einen Backstepping-Ansatz zur Momen-
tenfuhrung in der Simulation auf. Dieser benotigt ein komplexes Modell der
Motordynamik, was einen praktischen Einsatz erschwert. Neben der An-
wendung bei Lastwechseln wird auch die Anwendung bei Schaltvorgangen
beispielhaft in der Simulation demonstriert. [75] befasst sich mit Schalt-
vorgangen bei PKW-Automatikgetrieben. Dort stehen zwei Aktuatoren in
Form von Lamellenkupplungen zur Verfugung, so dass eine Zugkraftun-
terbrechung vermieden werden kann. Es wird eine Regelung vorgestellt,
die die Elastizitat des Antriebsstrangs berucksichtigt. [50] und [52] be-
fassen sich ebenfalls mit der Optimierung von PKW-Automatgetrieben.
Ein Schwerpunkt liegt auf der Berucksichtigung der Dynamik des hydrau-
lischen Systems. Die Optimierung erfolgt offline durch Parametervaria-
tion ahnlich wie in [75]. Als Alternative wird eine modellbasierte Rege-
lung vorgestellt. Auch hier wird jedoch die Reglerauslegung durch Offline-
30
-
Optimierungsalgorithmen durchgefuhrt. [51] stellt zur Regelung von Stu-
fenautomaten eine optimale Zustandsregelung vor. [88] definiert fur einen
AMT-Schaltvorgang verschiedene Gutekriterien wie Antriebsarbeit, Langs-
beschleunigung und Dissipationsenergie. Darauf basierend wird ein Ziel-
funktional bestimmt und anhand dessen eine optimale Systemtrajekto-
rie ausgewahlt. [102] behandelt die Triebstrangmodellierung mit Fokus
auf schweren Nutzfahrzeugen. Fur den Gangwechsel bei AMTs wird ein
Zustandsregler nach LQG/LTR-Verfahren vorgeschlagen. Ein Einsatz im
Fahrzeug wurde fur einen PI-Regler erreicht. Die in [70] vorgestellten Reg-
ler entsprechen dieser Arbeit.
Ferner beschaftigen sich weitere Arbeiten mit speziellen Themen der
Triebstrangregelung. Der Vollstandigkeit halber wird hierfur eine knap-
pe Auswahl aufgefuhrt: [1] untersucht die Wirkung eines elektronischen
Kupplungsmanagements (EKM) zur Reduktion des Getrieberasselns. Beim
EKM soll durch einen geregelten Schlupfbetrieb der Kupplung die Drehun-
gleichformigkeit infolge von Gas- und Massenkraften des Motors von der
Sekundarseite der Kupplung entkoppelt werden. [2] fuhrt diese Untersu-
chungen fort. Ein weiteres Thema ist die im Antriebsstrang vorhandene
Lose. Diese muss bei Nulldurchgang des Momentes durchfahren werden.
Auch dafur ist der Einsatz von Reglerfunktionen in wissenschaftlichen Ar-
beiten untersucht worden. [80], [79], [81], [82], [85], [83] sowie [84] behandeln
die Thematik ausfuhrlich. Es werden sowohl Schatzalgorithmen zur Ermitt-
lung der Lose wie auch Gegenmanahmen in Form von Reglerfunktionen
vorgestellt.
2.4 Ziel der Arbeit
Die Optimierung von Schaltvorgangen ist nach wie vor das zentrale The-
ma bei der Softwareentwicklung fur automatische Getriebe. Zum Errei-
chen eines Kompromisses zwischen Schaltzeit und Schaltkomfort werden
aufgrund der Triebstrangdynamik im Allgemeinen Softwarefunktionen ein-
gesetzt. Die bisherigen Arbeiten basieren entweder auf modellbasierten Re-
gelungen oder auf der Einstellung der Stellgroenverlaufe im Rahmen der
Parameterapplikation am Prufstand. Die modellbasierten Verfahren ent-
halten stets eine Feedback-Struktur und beinhalten damit verschiedene
31
-
Nachteile. Mittels einer reinen Regelung kann ein definierter Triebstrang-
zustand nach einer definierten Vorgangsdauer nicht garantiert werden. Es
entstehen weiterhin Schwierigkeiten durch die systemimmanenten Totzei-
ten, die im Vergleich zur Vorgangsdauer hoch sind. Generell besteht hier
eine Problematik der Regelung in der nicht messbaren Regelgroe. Beob-
achteralgorithmen basieren auf Ersatzmodellen, die stets mit Modellfehlern
behaftet sind. Sie fuhren zudem weitere Verzogerungen ins System ein. Da-
neben ist zu beachten, dass die zur Verfugung stehenden Messgroen im
Fahrzeug prinzipbedingt mit variabler Verzogerung ermittelt werden. Dies
alles kann sich negativ auf die Performance einer Regelung auswirken. Ap-
plikationsbasierte Einstellverfahren sind dafur bestimmt, am Prufstand die
Softwareparameter fur ein spezielles System einzustellen. Sie bilden nicht
zwangslaufig ein Dynamikmodell ab. Dies ist zur Parametrierung im Nutz-
fahrzeugbereich nicht optimal. Auch bei modellbasierten Verfahren ist die
Vorparametrierung aufgrund der hohen Anzahl von Parametersatzen infol-
ge der Vielzahl der Nutzfahrzeugkonfigurationen und der im Betrieb ver-
anderlichen Regelstrecke schwierig.
Die vorliegende Arbeit stellt ein abgestimmtes Gesamtkonzept vor, das die-
se Aspekte berucksichtigt. Die Momentenfuhrung wird als reine Steuerung
basierend auf der Theorie der Flachheit ausgelegt. Damit kann ein ge-
wunschter Sollverlauf des Triebstrangzustandes vorgegeben werden. Auch
das Problem der Trajektorienplanung wird hierfur gelost, so dass Randbe-
dingungen berucksichtigt werden konnen und die Vorgangsdauer einstellbar
ist. Mit dieser Art der Momentenfuhrung bieten sich spezielle Moglichkei-
ten zur Funktionsadaption im Fahrbetrieb. Das Gesamtkonzept Steuerung
mit angepasstem Adaptionskonzept bildet den Schwerpunkt der Arbeit.
Ziel ist auerdem, das Gesamtkonzept so zu entwickeln, dass bzgl. Robust-
heit, Komplexitat und Algorithmen ein steuergeratetauglicher Einsatz im
praktischen Fahrbetrieb moglich ist. Dies wird durch den Aufbau eines
Prototyps verifiziert.
32
-
3 Systemkomponenten und
Modellbildung
In diesem Kapitel werden die relevanten Wirkmechanismen und Kompo-
nenten, die das Schwingungsverhalten eines Nutzfahrzeuges im Hinblick
auf die relevanten Frequenzen pragen, herausgearbeitet. Abschnitt 3.1 be-
schrankt sich dabei auf die Momentenubertragung im Triebstrang vom Mo-
tor bis zum Reifen. Im Fokus stehen die dynamischen Eigenschaften der
Komponenten Motor, Kupplung, Torsionsdampfer, Getriebe, Antriebs- und
Seitenwellen sowie Reifen bzw. Reifen-Fahrbahnkontakt. Abschnitt 3.2 be-
handelt die dynamisch relevanten Eigenschaften des Gesamtsystems Sat-
telzug, mit dem der Triebstrang gekoppelt ist. Die wesentlichen Freiheits-
grade werden an einem vereinfachten Modell einer typischen Sattelzugma-
schine verdeutlicht. In Abschnitt 3.3 zeigen vergleichende Simulationen die
Eignung der Modelle im Hinblick auf die Abbildung von funktions- bzw.
komfortrelevanten Groen. Fur den spateren Funktionsentwurf wird ein
vereinfachtes Ersatzmodell benotigt, das in Abschnitt 3.4 abgeleitet wird.
Hierfur werden die bei der Reduktion getroffenen Vernachlassigungen mit
ihren Auswirkungen verdeutlicht.
3.1 Antriebsstrang
Die Komponenten eines typischen Antriebsstranges fur schwere Nutzfahr-
zeuge sind aus Bild 3.1 ersichtlich. Die einzelnen Komponenten beeinflus-
sen mit ihren Tragheiten, Elastizitaten sowie teilweise ihrer Funktion als
Stellglied die Momentenubertragung im Antriebsstrang. Mit dieser The-
matik beschaftigen sich viele der in Abschnitt 2.1 genannten Arbeiten. In
den folgenden Unterabschnitten werden die relevanten Eigenschaften der
einzelnen Komponenten, die fur das dynamische Verhalten bzw. die Mo-
dellierung wichtig sind, zusammengefasst.
33
-
Motor Kupplung/
Torsions-
dmpfer
Getriebe
Antriebs-
welle
Hinterachs-
differenzial
Reifen
Seiten-
welle
Bild 3.1 Komponenten eines LKW-Antriebsstrangs (Bildquellen: Daimler,ZF Sachs, Continental)
3.1.1 Motor
Das antreibende Element im Antriebsstrang ist der Verbrennungsmotor.
Er ist in zweierlei Hinsicht dynamisch relevant. Zum einen erzeugt er das
Motormoment, zum anderen wirkt er als mechanische Tragheit. Der Druck-
verlauf in den einzelnen Zylinder ubertragt sich als Kraft auf die jeweiligen
Kolben, die uber Pleuel das Moment der Kurbelwelle erzeugen. Hierbei ent-
steht ein pulsierendes Moment im Einzelzylinder. Bei mehreren Zylindern
uberlagern sich die Einzelmomente zu einem welligen Gesamtmomenten-
verlauf. Die Frequenz der Pulsationen hangt von Zylinderzahl und Dreh-
zahl ab. Die Amplitude hangt vom Druck und damit bei Dieselmotoren
mageblich von der eingespritzten Kraftstoffmenge ab. Ihre Steuerung ist
eine der Hauptaufgaben der Motorsteuerung. Zur Triebstrangmodellierung
im Hinblick auf die Ruckeleigenform ist die Verwendung des Mittelwerts
des Motormoments ausreichend, da die Ruckelfrequenzen deutlich tiefer
als die Frequenzen der Pulsationen liegen. Zu diesem Ergebnis kommt [68]
nach dem Vergleich zwischen einem Modell mit pulsierendem Motormo-
ment (Cylinder by Cylinder Engine Model) und einem Mittelwertmodell
(Mean Value Engine Model) in der Simulation. Die typischen Motorkenn-
felder, vgl. Bild 3.2, verwenden den Mittelwert des Motormomentes. Sie
zeigen den Bereich, in dem dieser Wert variiert werden kann, abhangig
von der Motordrehzahl. Die Grenzen werden durch die Volllastkennlinie
und die Schlepplinie festgelegt. Das maximale Motormoment ist begrenzt
durch Luftmasse und Einspritzmenge. Die zugefuhrte Luftmasse ist bei den
34
-
600 800 1000 1200 1400 1600 18001500
1000
500
0
500
1000
1500
2000
2500
3000
Motordrehzahl [U/min]
Motormoment [Nm]
Motorkennfeld
Volllastmoment
Motorschleppmoment
Konstantdrossel
Auspuffklappe
Bild 3.2 Motorkennlinien eines 8-Zylinder LKW-Motors
turboaufgeladenen Motoren vom Turboladerzustand abhangig. Hier kann
eine dynamische Verzogerung bis zum Erreichen der maximalen Volllast-
kennlinie auftreten, da der Turbolader nicht unendlich schnell reagiert. [34]
modelliert diese Turbolader-Dynamik. Der Schleppbereich ist hier durch
die Motorbremsen in Bild 3.2 nochmals erweitert. Hierbei ist jedoch die
Einschaltverzogerung von Konstantdrossel und Auspuffklappe zu beruck-
sichtigen. Innerhalb dieser Grenzen kann das Motormoment uber die Ein-
spritzmenge durch die Motorsteuerung relativ schnell geandert werden. Im
Idealfall passiert dies ab dem nachsten Einspritzzeitpunkt. Diese Verzo-
gerung kann als variable Totzeit angenommen werden [70]. Da die Zeit
zwischen zwei Einspritzzeitpunkten von der Drehzahl abhangig ist, ergibt
sich:
ES =2
zZyl nM(3.1)
Weitere Verzogerungen konnen durch die Datenverarbeitung im Steuerge-
rat entstehen. Daneben kann im Netzwerkverbund der Motor uber geeig-
nete Schnittstellen als Aktuator zur Verfugung gestellt werden. In einer so
verteilten Funktionalitat treten dann zusatzliche Verzogerungen infolge der
Steuergeratetaktung und der Bustaktung auf. Fur den Regelkreis sind dies
35
-
dynamisch relevante Effekte, die insgesamt zu einer beachtlichen Totzeit
fuhren.
Als zweite dynamische Eigenschaft ist das Tragheitsmoment des Motors
relevant. Dabei ist zu beachten, dass bei Annahme einer Rotationstrag-
heit auch translatorische Komponenten wie die Kolben auf den Kurbelwel-
lenwinkel reduziert werden, was zu einer winkelabhangigen Drehtragheit
fuhrt. Insgesamt setzt sich das dynamische Moment Mosz aus einem um
den Nullpunkt oszillierenden Anteil Mosz,stat und einen um einen Offset
oszillierenden Anteil Mosz,dyn zusammen [90]:
Mosz =Mosz,stat(M , 2M) +Mosz,dyn(M , M) (3.2)
Im Falle eines konstanten Tragheitsmomentes wurde dies dem Ausdruck
M = J entsprechen. Die Schwankungen des Momentes sind betragsma-
ig klein und von hoher Frequenz. Massenausgleichswellen wirken diesem
Effekt, der von Bauart und Zylinderform abhangig ist, zusatzlich entgegen.
Daher kann der oszillatorische Teil vernachlassigt werden. Es wird fur die
Motortragheit JM ein Mittelwert verwendet, der dem Offset des dynami-
schen Anteils entspricht. Fur eine Modellbildung mit dem Fokus auf den
Ruckelschwingungen ist dies ausreichend.
3.1.2 Kupplung
Die Kupplung vereint zwei Komponenten in einem integrierten Bauteil. Sie
wirkt einerseits als Aktuator beim Trennen und Schlieen des Triebstrangs.
Die Stellgroe ist dabei der Kupplungsweg sK , der eine Anpresskraft FAam Reibkontakt erzeugt. Bild 3.3 zeigt den typischen Verlauf. Uber den
Reibkontakt wird dadurch das Kupplungsmoment erzeugt. Dabei sind die
zwei Falle zu unterscheiden. Bei haftender Kupplung legt die Anpresskraft
das maximal ubertragbare Kupplungsmoment MK,max fest, oberhalb dem
das Durchrutschen der Kupplung beginnt. Es ist durch den Haftbeiwert Hund den mittleren Reibradius Rm festgelegt. Dynamisch ist die Hohe des
Kupplungsmomentes fur die Momentenubertragung nicht relevant, solange
der haftende Zustand bleibt.
MK,max = H FA(sK)Rm nK (3.3)
36
-
0 20 40 60 80 1000
20
40
60
80
100
Ausrckweg [%]
Anpresskraft [%]
Kupplungskennlinie
Kupplung offen
Bild 3.3 Typischer Verlauf der Kupplungskennlinie
Unterschreitet das Zwangsmoment das maximal ubertragbare Kupplungs-
moment, so beginnt die Gleitphase der Kupplung. In diesem Zustand ist
der Gleitreibbeiwert G magebend fur das Kupplungsmoment MK :
MK = G FA(sK)Rm nK (3.4)
Der Reibbeiwert ist hier eine vereinfachende Darstellung der komplexen
Vorgange im Reibkontakt. Er ist von verschiedenen Faktoren abhangig,
von denen als wichtigste die Temperatur, die Flachenpressung und die Dif-
ferenzgeschwindigkeit im Reibkontakt zu nennen sind. Bei vereinfachender
Annahme eines konstanten Reibbeiwertes entstehen als dynamisches Mo-
dell zwei Teilsysteme, die lediglich uber das Kupplungsmoment gekoppelt
sind. Da sich Gleit- und Haftbeiwert unterscheiden, konnen auch bei lang-
samem Triebstrangoffnen bzw. -schlieen Schwingungen angeregt werden.
Als weitere Komponente ist bei Nutzfahrzeugantriebsstrangen der Torsi-
onsdampfer in die Kupplung integriert. Dessen Funktion ist die Entkopp-
lung der periodischen Drehungleichformigkeiten des Motormomentes von
der Sekundarseite. Realisiert wird dies durch zusatzliche Federsatze. Eine
typische Kennlinie ist in Bild 3.4 abgebildet. Zusatzlich wird im Torsi-
onsdampfer durch Relativbewegungen der aneinander gepressten Bauteile
Coulombsche Reibung und somit Dampfung erzeugt. Diese wirkt anschau-
lich wie eine Hysterese in der Kennlinie. Aus Grunden der Ubersichtlichkeit
wurde diese in Bild 3.4 nicht dargestellt. Das Einfugen eines zusatzlichen
37
-
Schubanschlag Leerlaufgrenze 0 Leerlaufgrenze Zuganschlag
Anschlag
Schub
0
Zug
Anschlag
Torsionswinkel
Federmoment
Federkennlinie Torsionsdmpfer
Hauptdmpfer Leerlaufdmpfer Hauptdmpfer
Bild 3.4 Charakteristik des Torsionsdampfers
Bild 3.5 Wirkung des Torsionsdampfers [124]
Feder-Dampferelementes in Form des Torsionsdampfers wirkt wie ein Tief-
passfilter zwischen Motormoment und Getriebemoment. Den Effekt zeigt
anschaulich Bild 3.5. Konstruktiv ist der Torsionsdampfer zweistufig aufge-
baut. Bei kleinen Momenten im Leerlauf wirkt eine geringe Steifigkeit, um
das Rasseln bei der niedrigen Leerlaufdrehzahl zu vermeiden. Eine Ver-
ringerung der Steifigkeit wirkt wie ein Verschieben der Eckfrequenz des
Tiefpassfilters zu kleineren Werten. Der Leerlaufdampfer wirkt aufgrund
seiner geringen Steifigkeit beim Nulldurchgang des Moments als Lose im
Triebstrang.
38
-
3.1.3 Getriebe und Antriebswellen
Getriebe fur schwere Nutfahrzeuge sind wie in Bild 2.3 gezeigt mit drei
Schaltgruppen versehen. Die Einzelubersetzungen multiplizieren sich zur
Gesamtubersetzung des jeweiligen Ganges. Teilweise sind Direktganggetrie-
be aufgrund der Wirkungsgradvorteile realisiert (iG = 1). Getriebe wirken
vor bzw. nach dem eigentlichen Gangwechsel als passive Komponenten,
d. h. lediglich als mechanisches Element sowie durch das Ubersetzungs-
verhaltnis. Fur die Modellierung der im Fokus stehenden Dynamik ist dies
ausreichend. Auch die weiteren Ubertragungsglieder wirken als passive me-
chanische Komponenten. Vom Getriebeausgang wird das Moment von der
Antriebswelle zum Hinterachsdifferenzial ubertragen. Dort wird das Mo-
ment umgelenkt, ubersetzt (iHA) und uber die Seitenwellen zum Reifen
geleitet. Diese sind mit ihrem hohen Verhaltnis von Lange zu Durchmes-
ser vergleichsweise nachgiebig gegenuber den kurzen Bauteilen im Getriebe
bzw. Hinterachsdifferenzial. Bei der Modellierung konnen nun weitere ge-
eignete Annahmen getroffen werden. Um abzuschatzen, welche Tragheiten
und Steifigkeiten mageblich sind, muss die dazwischen liegende Uberset-
zung berucksichtigt werden. Die Umrechnungen bei der Reduktion uber die
Gesamttriebstrangubersetzung iAS = iG iHA (siehe Bild 3.6) erhalt man aus
der Energieerhaltung zu:
J2 =JFZG
i2AS, c =
cAS
i2AS, d =
dAS
i2AS(3.5)
2 = RiAS, ML =M2
iAS
Die Ubersetzung geht quadratisch in die Parameterreduktion ein. Die Trag-
heiten von Getriebe, Hinterachsdifferenzial und den Wellen konnen daher
im Vergleich zur groeren Motortragheit bzw. Rad- und Fahrzeugtragheit
vernachlassigt werden. Weiterhin ist die Abbildung der Getriebe als starre
Elemente zulassig. Die Steifigkeit der Seitenwellen dominiert. Letztendlich
kann ein gangabhangiges Feder-Dampfer-Element fur die Modellierung die-
ser Teilkomponenten abgeleitet werden.
39
-
Bild 3.6 Modellreduktion uber die Triebstrangubersetzung
3.1.4 Reifen und Dampfung
Das Verhalten des Reifens bzw. die Eigenschaften des Reifen-Fahrbahn-
Kontaktes sind komplex und Gegenstand einer Vielzahl von wissenschaft-
lichen Untersuchungen (z. B. [149], [108], [132]). Die Ableitung eines ge-
eigneten Reifenmodells fur die Simulation ist daher nicht trivial und stellt
immer eine Vereinfachung dar. Zum Teil werden zwar komplexe Model-
le angegeben, deren Parametrierung aber schwierig bzw. nur mit einer
Vielzahl von Messreihen moglich ist. Einfachere Ansatze berucksichtigen
den Reifen im Triebstrang als zusatzlichen Freiheitsgrad in Form eines
Masse-Feder-Dampfer-Elementes zwischen Seitenwellen und Fahrzeugmas-
se ( [28] [48] [23] [91]). Dem Reifenverhalten liegt die Kraftubertragung
zugrunde, die beim angetriebenen Reifen unter Schlupf stattfindet. Dieser
ist in [8] definiert als:
sR =vFZG R R
|v| (3.6)
Dabei ist v eine formale Normierungsgeschwindigkeit, fur die hier die
Transportgeschwindigkeit R R eingesetzt wird. Die reifenspezifische Cha-
rakteristik in Form der Abhangigkeit der Reifenkraft vom Schlupf wird
ublicherweise in Diagrammen wie in Bild 3.7 dargestellt. Das Verhalten
ist generell nichtlinear, mit Zunahme der Reifenkraft beginnt dasRut-
schen. Bei den hier zu untersuchenden Ruckelschwingungen bewegt man
sich meist in einem Bereich kleineren Schlupfes, bei dem eine lineare Abhan-
gigkeit und damit eine konstante Reifensteifigkeit cl angenommen werden
kann:
cl =dFx
dsR
sR=0
(3.7)
40
-
-40 -20 0 20 40
-40
-20
0
20
40
Fx
[k
N]
10 kN
20 kN
30 kN
40 kN
50 kN
Schlupfkurve
Schlupf [%]
Bild 3.7 Langskraftverlauf eines LKW-Reifens [108]
Bei vielen Reifenmodellen fuhrt diese Schlupfdefinition insbesondere bei
kleinen Geschwindigkeiten in der Simulation zu Problemen (Division durch
Null). Ein einfaches Modell, das die Reifendynamik als Verzogerungsglied
erster Ordnung darstellt und auch bei kleinen Geschwindigkeiten gultig
ist, wird von verschiedenen Autoren z. B. in [8], [107], [39] vorgeschlagen.
Zugrunde liegt die Differenzialgleichung:
rxFx + |v|Fx = cl (vFZG R R) (3.8)
Anschaulich interpretiert stellt damit der Reifen-Fahrbahnkontakt eine Se-
rienschaltung von Steifigkeit cR =clrxund Dampfung kR =
cl|v| dar (vgl. Bild
3.8). Die Reifenkraft kann sich somit nur verzogert einstellen. Die Damp-
fung entsteht durch den Reifenschlupf. Als Parameter werden u. a. die Rei-
fensteifigkeit cl und die Relaxationslange rx benotigt. Fur Nutzfahrzeuge
liegen hierzu nur wenige Untersuchungen vor. In [149], [150] sind fur typi-
sche Nutzfahrzeugreifen Kenndaten fur die Steifigkeit zu finden. Die Rela-
xationslange wird empirisch anhand von Vergleichen von Modell und Mes-
sungen so ausgelegt, dass ein realitatsnahes Gesamtverhalten entsteht. Ins-
gesamt ist festzuhalten, dass der Reifen bzw. der Reifen-Fahrbahnkontakt
mageblich die Dampfung im Triebstrang bestimmt. Das Gesamtverhalten
41
-
Bild 3.8 Einfaches dynamisches Reifenmodell
des Triebstrangs wird damit auch bei diesem einfachen Reifendynamikmo-
dell nichtlinear.
3.2 Sattelzugmaschine
Zur Untersuchung des Fahrkomforts sind die vom Fahrer erfahrenen Bewe-
gungen bzw. Beschleunigungen entscheidend. In PKW-Modellen wird oft
das gesamte Fahrzeug als starre Masse angenommen und im Modell durch
eine Tragheit, die von der Reifenkraft angetrieben wird, berucksichtigt.
Die Koppelung von Triebstrang und Fahrzeug erfolgt dann ausschlielich
uber die Radlager. Die dort wirkenden Krafte werden als proportional der
Langsbeschleunigung des Fahrzeuges und des Fahrers angesehen.
Die Annahme einer starren Fahrzeugmasse stellt bei Nutzfahrzeugen ei-
ne grobere Vereinfachung der Realitat als bei PKWs dar. Bei einer Sat-
telzugmaschine liegt ein komplexes schwingungsfahiges System vor. Ei-
ne Reihe von Arbeiten untersuchen das Schwingungsverhalten von LKWs
bzw. Teilaspekte davon, jedoch mit anderer Zielsetzung als in der vorlie-
genden Arbeit. [106] und [105] befassen sich mit der Schwingungsanalyse
von Nutzfahrzeugantriebsstrangen mit komplexen MKS-Modellen. [31] un-
tersucht das Schwingungsverhalten eines LKW-Triebstrangs bei Betrieb-
sanregung mit Fokus auf hoheren Eigenformen. Auch [92] konzentriert
sich auf den akustischen Bereich der Schwingungen einer Sattelzugma-
42
-
Motor
Kupplung/
Torsions-
dmpfer GetriebeAntriebs-
welle
Hinterachs-
differenzial Reifen
Seiten-
welle
Fahrzeug
Aggregat-
lager
Hinterachs-
lagerRadlager
Bild 3.9 Wechselwirkungen zwischen Antriebsstrang und Fahrzeugrahmen(Bildquellen: Daimler, ZF Sachs, Continental)
schine. [134] analysiert fur LKW den Federungskomfort des Fahrerhau-
ses. [133] beschreibt ein ebenes Lastwagenmodell ohne Berucksichtigung
des Triebstrangs. Ein vereinfachtes Gesamtmodell zur gezielten Untersu-
chung der Auswirkung von Triebstrangschwingungen auf den Fahrkomfort
fur LKW-Sattelzugmaschinen wurde als Grundlage fur den folgenden Ab-
schnitt in [64] vorgestellt.
Der erste zu betrachtende Aspekt ist die tatsachliche Koppelung zwischen
Triebstrang und Fahrzeugrahmen uber die Lagerkrafte. Diese betrifft neben
den Radlagern auch die Aggregatelager des Triebstrangs, uber die Motor-
und Getriebemoment abgestutzt werden (Bild 3.9). Fur frontgetriebene
PKW ist die Aggregatedynamik in mehreren wissenschaftlichen Arbeiten
durch Simulation bzw. Messung untersucht worden [48], [91], [121]. Zum
Teil wird in den Modellen ein zusatzlicher Freiheitsgrad fur die aufgrund der
elastischen Gummilager moglichen Bewegungen eingefuhrt. [122] und [43]
berucksichtigen die Aggregatedynamik auch bei der Auslegung von Reg-
lerfunktionen, was zu komplexen Reglerstrukturen mit einer hohen Para-
meteranzahl fuhrt. Bei dem in Sattelzugmaschinen vorhandenen Hinter-
achsantrieb ist eine zusatzliche Koppelung zu berucksichtigen. Das Achs-
differenzial ist in die Hinterachse integriert und uber deren Lager ebenfalls
mit dem Fahrzeugrahmen gekoppelt. Die Reaktionsmomente des Differen-
43
-
Bild 3.10 Schwingungsmodell einer Sattelzugmaschine
zials ubertragen sich auf den Rahmen, wobei sie betragsmaig deutlich
uber denen des Motor-Getriebeverbundes liegen. Die korrekte Berucksichti-
gung der Lagerkrafte fuhrt dazu, dass an mehreren Stellen unterschiedliche
Krafte bzw. Momente in den Fahrzeugrahmen eingeleitet werden. Dieser
ist torsionsweich und kann daher nicht mehr als starrer Korper angenom-
men werden, die Verdrehung ist bei hoheren Momenten mit bloem Au-
ge erkennbar. Das Fahrerhaus ist bei den Fernverkehrsausstattungen uber
Federn mit dem Fahrzeugrahmen verbunden und damit beweglich. Diese
Freiheitsgrade sind im Modell zu berucksichtigen.
In Abbildung Bild 3.10 ist ein Modell fur eine schwingungsfahige Sattel-
zugmaschine dargestellt, das die oben genannten Eigenschaften berucksich-
tigt und die minimal zur Darstellung der fahrkomfortrelevanten Groen
benotigten Freiheitsgrade aufweist. Insgesamt sind neun Freiheitsgrade
vorhanden, wozu einige vernachlassigende Annahmen getroffen wurden.
Der torsionsweiche Rahmen wird in Wankrichtung in zwei Freiheitsgra-
de aufgeteilt, in Nickrichtung wird er als starr angenommen. Der Motor-
Getriebeverbund stutzt uber die Lager das volle Motormoment aus der
Verbrennung sowie das Getriebemoment als Differenz zwischen Getriebe-
eingang und -ausgang direkt auf dem vorderen Rahmenteil ab. Dabei ist der
Freiheitsgrad der Aggregatverdrehung mit dem vorderen Rahmen zusam-
44
-
mengefasst. Zur Darstellung der Krafteinleitung in den Fahrzeugrahmen
ist dies ausreichend genau. Die Ruckwirkungen auf den Triebstrang durch
Aggregatverdrehung sind vernachlassigbar, da diese bei den vorliegenden
Getriebemomenten klein im Vergleich zur Verdrehung aus der Triebstrang-
elastizitat sind. Das Hinterachsdifferenzial wirkt einerseits als Ubersetzung
und andererseits als richtungsumlenkendes Element. Daher wird das vol-
le Eingangsmoment in Wankrichtung und das volle Ausgangsmoment in
Nickrichtung auf dem hinteren Rahmen abgestutzt. Die Hinterachse ist
uber eine Lenkerkonstruktion und die Luftfedern mit dem Fahrzeugrah-
men verbunden, so dass in Nickrichtung auch real eine starre Verbindung
vorliegt. Der Freiheitsgrad des Aggregates in Wankrichtung wird vernach-
lassigt, was zur Darstellung der Krafteinleitung in den Fahrzeugrahmen
auch hier ausreichend genau ist. Die Ruckkoppelung zum Triebstrang wird
auch hier vernachlassigt, da die Verdrehwinkel des Aggregats klein sind im
Vergleich zu denen des Triebstrangs. Der Anhanger wird als konzentrierte
Masse vereinfacht, die in Horizontal- und Vertikalkomponente aufgespal-
ten wird. Bei der Vertikalbewegung des hinteren Rahmens wird lediglich
die Achslast angehoben, die der Vertikalkomponente entspricht. Bei Langs-
bewegung wird die gesamte Anhangermasse in Form der Horizontalkom-
ponente mitbewegt.
Fur den Fahrkomfort relevant sind die Fahrerbeschleunigungen bzw.
-bewegungen. Es zeigt sich bei Fahrversuchen, dass hier bei Schaltungen
in den unteren Gangen die Vertikalkomponente deutlich storender wirkt.
Diese hangt auerdem noch vom Fahrersitz ab, welcher uber eine Luftfeder
individuell unterschiedlich eingestellt werden kann. Daher wird im Folgen-
den ersatzweise die Vertikalbewegung des Fahrerhauses betrachtet. Um eine
lineare Modelldarstellung zu erhalten, werden die Luftfederkennlinien im
Arbeitspunkt linearisiert und als konstante Federsteifigkeit angenommen.
Liegen hier groe Federwege vor, ist diese Vernachlassigung bei der quanti-
tativen Interpretation der Ergebnisse zu berucksichtigen. Das vorliegende
Ersatzmodell wird somit als linearer Mehrmassenschwinger entwickelt. Die
Bewegungsgleichungen dafur konnen in Matrizenform angegeben werden:
M q +D q +K q = f (3.9)
45
-
Dabei enthalt der Vektor q die Systemfreiheitsgrade und f die eingepragten
Krafte bzw. Momente:
q = [M , xR, yR, R, yFH , FH , FH , RV , RH ]T
f = [MM , 0, 0, 0, 0, 0, 0, MM , 0]T(3.10)
Die MatrizenM , D und K konnen mit Verfahren aus [153] aufgestellt wer-
den. Sie sind von der Dimension 9x9. Zur Berechnung der einzelnen Ma-
trizenelemente sind Kraftegleichgewichtsbedingungen aufzustellen. Hierbei
sind die Lagermomente an Getriebe und Hinterachsdifferenzial als innere
Momente zu berucksichtigen. Die Parameterermittlung ist selbst fur dieses
Minimalersatzmodell aufwandig und zum Teil nur durch naherungsweise
Schatzung moglich. Ingesamt lassen sich die fahrkomfortrelevanten Gro-
enverlaufe aber qualitativ gut nachbilden. Der Zweck als Streckenmodell
zur Simulation der spater behandelten Funktionen im Hinblick auf Fahr-
komfortuntersuchungen kann somit erfullt werden.
3.3 Simulation
Mit dem reinen Triebstrangmodell konnen die gemessenen Drehzahlen von
Motor (nM), Rad (nR) sowie die uber die Vorderachsdrehzahl ermittelte
Fahrzeuggeschwindigkeit vFZG mit den Simulationsergebnissen verglichen
werden. Bild 3.11 zeigt die Modellgute anhand eines solchen Vergleiches
bei Fahrmanovern mit provozierten Schwingungen. Es ist eine gute Uber-
einstimmung der Drehzahlen zu erkennen. Dies ist insbesondere vor dem
Hintergrund, dass das Modell die gesamte Zeit parallel ohne zusatzlichen
Abgleich ausschlielich anhand des Motormomentenverlaufes MM berech-
net wird, positiv zu sehen.
Bei zusatzlicher Berucksichtigung des Schwingungssystems Sattelzug im
Modell lassen sich die fahrkomfortrelevanten Groen in Form der Fahrerbe-
schleunigungen berechnen und mit gemessenen Werten vergleichen. Dazu
wurde im Fahrerhaus ein Beschleunigungssensor zur Aufnahme der Ho-
rizontalbeschleunigung ax und der Vertikalbeschleunigung ay angebracht.
Bild 3.12 zeigt den Vergleich von Messung und Simulation fur diese Gro-
en bei der gleichen Fahrsituation wie vorher. Die Ubereinstimmung zeigt,
46
-
10 15 20 25 30 35 40
0
1000
2000Vergleich Triebstrangmodell Messung
MM
[N
m]
10 15 20 25 30 35 40500
1000
1500
2000
nM
[U
/min
]
10 15 20 25 30 35 40500
1000
1500
2000
nR [
U/m
in]
10 15 20 25 30 35 400
2
4
6
v FZ
G [
m/s
]
t [s]
Messung
Modell
Messung
Modell
Messung
Modell
Bild 3.11 Simulationsergebnisse beim Triebstrangmodell
dass mit diesem Modell qualitative Analysen in ausreichender Genauigkeit
bzgl. der komfortrelevanten Groen moglich sind. Sowohl der Verlauf der
Longitudinal- als auch der Vertikalbeschleunigung deckt sich gut mit den
gemessenen Werten.
3.4 Ersatzmodell
Komplexe Modelle sind fur die Auslegung von Reglerfunktionen ungeeig-
net, da hiermit die Funktionskomplexitat und -empfindlichkeit ansteigt.
Gleichzeitig ist die Bestimmung einer hohen Anzahl von Parametern erfor-
derlich, die zum Teil nur schwer oder nur mit erheblichen Ungenauigkeiten
erfolgen kann. Eine Online-Parameterbestimmung, wie in Kapitel 5 vor-
gestellt, ist aufgrund der begrenzten Sensorik dafur nicht umsetzbar. Das
Minimal-Ersatzmodell, mit dem die hier relevante Eigenform Ruckeln ab-
47
-
10 15 20 25 30 35 40
0
1000
2000Vergleich Modell Messung
MM
[N
m]
10 15 20 25 30 35 40500
1000
1500
2000
nM
[U
/min
]
10 15 20 25 30 35 405
0
5
ax
[m/s
]
10 15 20 25 30 35 405
10
15
ay
[m/s
]
t [s]
Messung
Modell
Messung
Modell
Messung
Modell
Bild 3.12 Simulationsergebnisse beim Sattelzugmodell
gebildet werden kann, ist ein Modell mit zwei Freiheitsgraden (siehe Bild
3.13). Im Zweimassenmodell bildet das Feder-Dampferelement keine direk-
te Komponente ab, die Parameter sind vielmehr passend zur Systemeigen-
frequenz der Grundschwingung auszulegen. Die Eigenschaften der realen
Komponenten wie Torsionsdampfer, Seitenwellen und Reifen bilden sich
darin ab. Der Einfluss des Torsionsdampfers auf die Ersatzsteifigkeit ist
gangabhangig, wie in [48] fur einen PKW-Triebstrang gezeigt wird. Fur
einen typischen Nutzfahrzeugantriebsstrang sind diese Verhaltnisse in Bild
3.14 dargestellt. Die Ersatzsteifigkeit ist damit gangabhangig, wobei der
Einfluss des Torsionsdampfers auf die Eigenfrequenz in den unteren Gangen
sehr schwach ist.
[28] schlagt ebenfalls die Reduktion eines Triebstrangmodells mit mehre-
ren Freiheitsgraden auf ein Zweimassenmodell vor. Aus den Mehrkorper-
systemen lassen sich die Eigenfrequenzen ermitteln und mit denen eines
angepassten Zweimassenmodells abgleichen.
48
-
!
"
#
Bild 3.13 Systemreduktion auf ein Zweimassenmodell
0 5 10 150
2
4
6
8x 10
4 Ersatzsteifigkeit
c Ers
atz
[N
m/r
ad]
Gang
Bild 3.14 Einfluss der Torsionsdampfersteifigkeit
49
-
101
100
101
MA
S /
MM
2MassenModell: MAS
101
100
101
MA
S /
MM
Sattelzugmodell: MAS
106
105
104
103
y Fahre
r / M
M
Sattelzugmodell: yFahrer
0.3 0.4 0.5 0.6 0.7 0.8 0.9 1 2 3 4 510
4
103
102
101
ax,
Fahre
r / M
M
f [Hz]
Sattelzugmodell: ax,Fahrer
Gang 1
Gang 2
Gang 3
Gang 4
Gang 5
Gang 6
Bild 3.15 Frequenzgange verschiedener Ausgangsgroen
Das Modell fur das Gesamtsystem Sattelzug hat mehrere Eigenfrequen-
zen. Bei der Reduktion zu einem Ersatzmodell niedrigerer Ordnung werden
zwangslaufig Vernachlassigungen in Kauf genommen. Im Bodediagramm
(vgl. Bild 3.15) kann die Auswirkung dieser Vernachlassigungen anhand
vom Frequenzgang nachvollzogen werden. Der Einfluss der verschiedenen
Eigenformen ist vom gewahlten Ausgang abhangig. Dies wird am Verlauf
der Frequenzgange in Bild 3.15 deutlich. Die den Frequenzgangen zugrun-
de liegenden Ubertragungsfunktionen unterscheiden sich dabei durch den
Verstarkungsfaktor sowie das Zahlerpolynom, d.h. durch die Nullstellen.
Das Zahlerpolynom bzw. die Pole sind die gleichen. Im Falle des funktions-
relevanten Triebstrangmomentes als Ausgangsgroe dominiert die unterste
Eigenfrequenz deutlich. Die Frequenzgange von Zweimassen-Ersatzmodell
und Mehrkorper-Sattelzugmodell zeigen eine hohe Ubereinstimmung und
den gleichen charakteristischen Verlauf. Bei den komfortrelevanten Gro-
en liegen die Verhaltnisse anders. Die Fahrerlangsbeschleunigung bzw.
die Vertikalbewegung zeigen in ihren Frequenzgangen eine etwas abwei-
chende Charakteristik. Sie unterscheiden sich damit vom Triebstrangmo-
50
-
10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30
0
1000
2000Einfluss Reifenmodellierung
MM
[N
m]
10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 30500
1000
1500
2000
nM
[U
/min
]
10 15 20 25 30 35 4020
40
60
80
100
nR [
U/m
in]
10 12 14 16 18 20 22 24 26 28 301000
0
1000
2000
MA
S [
Nm
]
t [s]
Messung
2MassenModell
Reifenmodell
Messung
2MassenModell
Reifenmodell
2MassenModell
Reifenmodell
Bild 3.16 Einfluss der Modelltiefe
ment beim Zweimassen-Ersatzmodell, das dort die einzige komfortrelevante
Groe darstellt. Die Vertikalbewegung lasst sich in diesem einfachen Modell
nicht getrennt abbilden. Zusatzlich bleiben weitere nichtlineare Effekte un-
berucksichtigt. Die Vernachlassigung der Triebstranglose ist von geringerer
Bedeutung fur die hier behandelte Problematik. Die Dampfung durch das
Reifenverhalten wird durch eine geschwindigkeitsproportionale Dampfung
im Zweimassen-Ersatzmodell abgebildet. Damit ist kein Schlupf moglich,
der nichtlineare Effekt durch den Reifen entfallt. Den Unterschied zwischen
den beiden Modellen zeigt Bild 3.16 anhand eines Vergleichs mit Messda-
ten. In der letzten Zeile sind die simulierten Verlaufe des Triebstrangmo-
mentes aufgetragen. Die Ubereinstimmung der Drehzahlen ist beim nichtli-
nearen Reifenmodell insbesondere bei scharfen Motormomentengradienten
besser.
Zur praktisch relevanten Auslegung von Reglerfunktionen ist das Zwei-
massenmodell das am besten geeignete Modell. Es hat eine Minimalanzahl
von Parametern und bildet damit die Grundschwingung des Triebstrangs
51
-
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 120
1
2
3
4
Gang
f 0 [
Hz]
Eigenfrequenzen
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 120
0.2
0.4
0.6
0.8
1
Gang
DM
od
Modaler Dmpfungsgrad
Messung Fahrzeug 1
Messung Fahrzeug 2
Modell Parametersatz 1
Modell Parametersatz 2
Messung Fahrzeug 1
Messung Fahrzeug 2
Modell Parametersatz 1
Modell Parametersatz 2
Bild 3.17 Vergleich Zweimassenmodell - Reales System
ab. Diese ist abhangig von der Triebstrang- bzw. Fahrzeugkonfiguration
des Nutzfahrzeuges, von der Beladung und dem gewahlten Gang. Es zeigt
sich, dass eine Vorhersage der Frequenz fur verschiedene Fahrzeugkonfigu-
rationen anhand von angenommenen Festwerten der Parameter schwierig
ist. Bild 3.17 zeigt dazu fur unterschiedliche Systeme (u. a. unterschiedli-
che Auflieger) gemessene Eigenfrequenzen sowie ferner den modalen Damp-
fungsgrad als Verlauf uber die ersten acht Gange. Es ist erkennbar, dass
bei geeigneter Wahl der Modellparameter die Eigenfrequenz unter Beruck-
sichtigung der Gangubersetzung recht gut nachgebildet werden kann. Eine
Systemanderung wie z. B. verschiedene Auflieger bzw. deren Beladung kann
unter dem Aspekt der Modellreduktion komplexer Modelle zu einem un-
terschiedlichen Parametersatz fur ein Zweimassen-Ersatzmodell fuhren. Die
feste Vorparametrierung birgt daher die Gefahr, in dem Falle zu abweichen-
den Systemeigenfrequenzen zu fuhren. Da die oben genannten Systemande-
rungen nicht vorparametriert werden konnen, wird eine Online-Schatzung
der Parameter als sinnvoll angesehen. Der Eigenfrequenzverlauf gehorcht
in Bild 3.17 bei einem fur eine bestimmte Fahrzeugkonfiguration geschatz-
52
-
ten Modell gut den Gesetzmaigkeiten zur Frequenzberechnung uber die
Gangubersetzungen:
f0(iG,2) = f0(iG,1)
J1 +J2i2G,2
J1 +J2i2G,1
(3.11)
Beim modalen Dampfungsgrad zeigt sich zwischen realen und den aus dem
Modell uber die Gangubersetzung berechneten Werten eine Abweichung.
Auch deshalb ist eine Online-Adaption fur diesen Parameter sinnvoll.
53
-
4 Gesteuerte Momentenfuhrung
Das vorliegende Kapitel behandelt den Funktionsentwurf fur die Momen-
tenfuhrung beim Schaltvorgang. In Abschnitt 4.1 wird das Ziel der Funk-
tion, einen definierten Triebstrangzustand auf einem definierten Weg zu
erreichen, erlautert. Abschnitt 4.2 zeigt vorab die Wirkung einer Momen-
tenrampe fur diesen Anwendungsfall. In Abschnitt 4.3 werden Grundlagen
aus der Regelungstechnik zusammengefasst wiedergegeben. Der eigentliche
Funktionsentwurf erfolgt in Abschnitt 4.4 als flachheitsbasierte Steuerung.
Das Problem der Trajektorienplanung wird uber einen Polynomansatz ge-
lost. Die Storgroe wird durch eine geeignete Kompensation berucksichtigt.
Die Moglichkeiten zum Steuerungsentwurf basierend auf komplexeren Er-
satzmodellen werden in Abschnitt 4.5 untersucht. In Abschnitt 4.6 werden
Simulationen fur die Momentenfuhrung durchgefuhrt und diskutiert.
4.1 Zielsetzung
In Abschnitt 2.2 wurde die Bedeutung des Momentenabbaus fur den Schalt-
vorgang erlautert. Fur die Funktion der Momentenfuhrung sind daraus
zwei prinzipielle Ziele abzuleiten. Zum einen ist fur die Synchronisation
beim Schaltprozess ein definierter Triebstrangzustand beim Offnen erfor-
derlich. Dazu ist ein schwingungsfreier Zustand anzustreben, wozu als erste
Bedingung erfullt sein muss:
(T )!= 0 (4.1)
Auerdem muss eine stationare Verdrehung eingestellt sein, was haufig
als Bedingung fur das Triebstrangmoment formuliert wird:
MAS(T )!= 0 (4.2)
Dies stellt eine - oft ausreichend gute - Naherung dar. Eine exaktere Be-
dingung erhalt man uber die Berucksichtigung des Zwangsmoments an der
54
-
Trennstelle, die in der Regel an der Kupplung liegt:
MK(T )!= 0 (4.3)
Zum anderen wirken sich die Triebstrangschwingungen auf das Komfort-
empfinden aus, welches von der gefuhlten Beschleunigung beeinflusst wird.
Beim einfachen Zweimassenmodell ist diese proportional zum Triebstrang-
moment. Dessen Zeitverlauf wahrend der Momentenanderung bestimmt
damit den Schaltkomfort. Schwingungen bedeuten gegenlaufige Flanken
im Beschleunigungsverlauf und sind daher zu vermeiden [47]. Gerade kur-
ze Momentenabbauzeiten und somit hohe Motormomentengradienten be-
gunstigen deren Entstehung. Eine kurze Zeitdauer des Momentenabbaus
fuhrt auch ohne zusatzliche Oszillationen zu hohen Gradienten. Hier ist
ein Kompromiss zwischen Schaltzeit und Schaltkomfort zu finden. I