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Seite 1 von 12 Es gilt das gesprochene Wort. „Der Übergang zur Elektromobilität mithilfe intelligenter Fahrzeugsysteme im Gesamtansatz“ Ausführungen des Mitglieds des Vorstands, Leiter der Division Powertrain der Continental Aktiengesellschaft, Hannover José A. Avila anlässlich des eMobility Summit am 22. Mai 2012 in Berlin „Meine Damen und Herren, Zukunftsprognosen sind eine knifflige Sache. Manchmal liegt jemand, der eine Prognose wagt, zwar richtig – nur der Zeitpunkt ist der falsche. Einige von Ihnen werden vielleicht das folgende Zitat kennen: „Das große Gebiet des weiten Landes wird von Ölmotorfahrzeugen durcheilt werden, während die glatte Asphaltfläche der großen Städte von mit Sammlerelektrizität getriebenen Wagen belebt sein wird.“

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Rede von José Avila, Mitglied des Vorstands der Continental AG, auf dem eMobility Summit am 22. Mai 2012

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Page 1: Rede von José Avila, Mitglied des Vorstands der Continental AG, auf dem eMobility Summit am 22. Mai 2012

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Es gilt das gesprochene Wort.

„Der Übergang zur Elektromobilität mithilfe

intelligenter Fahrzeugsysteme im Gesamtansatz“

Ausführungen des Mitglieds des Vorstands,

Leiter der Division Powertrain

der Continental Aktiengesellschaft, Hannover

José A. Avila

anlässlich des

eMobility Summit

am 22. Mai 2012 in Berlin

„Meine Damen und Herren, Zukunftsprognosen sind eine knifflige Sache. Manchmal liegt

jemand, der eine Prognose wagt, zwar richtig – nur der Zeitpunkt ist der falsche. Einige von

Ihnen werden vielleicht das folgende Zitat kennen:

„Das große Gebiet des weiten Landes wird von Ölmotorfahrzeugen durcheilt werden,

während die glatte Asphaltfläche der großen Städte von mit Sammlerelektrizität getriebenen

Wagen belebt sein wird.“

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Das klingt wie aus einer aktuellen Studie zur Elektromobilität, nicht wahr? In Wirklichkeit

stammt diese Aussage aus dem Jahr 1897.

Von Herrn Oberbaurat Klose vom Motorwagen-Verein Berlin1). So oder so könnte die Vision

von Klose nicht aktueller sein.

Zu Beginn meines Vortrags möchte ich daher gern Continentals Engagement im Bereich

Elektromobilität bekräftigen. Zum heutigen Zeitpunkt arbeiten wir bereits zusammen mit

20 Herstellern weltweit an 100 Serienprojekten. Continental setzt sich engagiert dafür ein,

dass die Elektromobilität auf unseren Straßen zu einer Selbstverständlichkeit wird. Wir

kommen dem Stand näher, den Herr Klose 1897 vorausgesagt hat.

Die Technologien jedoch, die wir dafür entwickeln, sind ausnahmslos hochmodern: Sie

umfassen Batterietechnik, Leistungselektronik, Elektromotoren und Energiemanagement.

Durch die enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden war es uns möglich, als Erste ein

seriengefertigtes Hybridauto mit Lithium-Ionen-Batterien auszustatten. Derzeit kommt bei

uns bereits die dritte Generation von Leistungselektronik zum Einsatz. Wir waren die Ersten,

die Doppelschichtkondensatoren zur Spitzenlastversorgung eingesetzt haben, und wir waren

auch die Ersten, die die Massenproduktion von elektrischen Antriebsmotoren ohne Magnete

erweitert haben, um die Hauptkomponenten eines elektrischen Antriebsstrangs

bereitzustellen.

Daher ist unser Engagement für die Elektromobilität nicht nur ein Werbeslogan – es basiert

vielmehr auf Tatsachen.

Continental wird selbstverständlich auch weiterhin technische Neuerungen entwickeln, die

die Effizienz des Verbrennungsmotors verbessern. Das mag widersprüchlich erscheinen, ist

es in Wirklichkeit aber nicht. Warum das so ist? Dafür gibt es gleich eine Reihe von Gründen:

Erstens – Die Elektrifizierung kann geringere Emissionswerten und höhere Drehmomente in

Bereichen erzielen, in denen der Verbrennungsmotor Schwachstellen aufweist. Der

Verbrennungsmotor gleicht dafür die Nachteile alternativer elektrifizierter Antriebsstränge

aus. Der Range-Extender ist hierfür das beste Beispiel. Er ist das derzeit einzige

Elektrofahrzeug mit einer großen Reichweite.

Zweitens – Verbrennungsmotoren müssen stark verbessert werden, damit sie ihre Aufgabe

erfüllen können, ohne das Klima und die Umwelt übermäßig stark zu belasten. Wie die große

Auswahl an Hybridfahrzeugen beweist, wird die Elektrifizierung uns dabei helfen, diesem Ziel

näher zu kommen.

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Drittens – Elektromobilität, wie sie heute unser Thema ist, wird hauptsächlich für Pkw und

leichte Nutzfahrzeuge infrage kommen. Bei schweren Fernverkehr-Lkws sehen wir keine

Möglichkeit für den Einsatz von Elektromobilität. Dies ist ein weiterer Grund, warum wir die

Elektromobilität weiterentwickeln müssen, ohne dabei die Verbrennungsmotorentechnik zu

vernachlässigen. Elektromotor und Verbrennungsmotor sind ein gutes Team.

Viertens – Es wäre zu kurzsichtig, nur den Zeitraum bis 2020 zu betrachten. Wir müssen

darüber hinausdenken. Auch wenn es 2020 noch nicht eine große Anzahl an

Elektrofahrzeugen geben sollte, hat die Internationale Energieagentur doch vorhergesagt,

dass der Fahrzeugbestand 2050 anders aussehen wird. Zu diesem Zeitpunkt werden die

meisten Autofahrer ein Fahrzeug mit einem deutlich anders gearteten Antrieb fahren: Der

Einfluss der Elektrifizierung wird dann stärker sein – und dieser Trend wird sich weiter

fortsetzen.

Hauptteil

Unsere Welt verändert sich. Sie wird wärmer und die Wissenschaftler sagen uns: Wir selbst

sind die Ursache. Der CO2-Ausstoß ist seit der Erfindung der Dampfmaschine durch James

Watt stetig gestiegen. Dementsprechend rückt der Ausstoß von Treibhausgasen wie CO2 auf

der Prioritätenliste der globalen Probleme immer weiter nach oben.

Gleichzeitig nimmt die Weltbevölkerung immer weiter zu. Und in immer mehr Ländern steigt

der Lebensstandard. Individuelle Mobilität ist ein Schritt in der Anhebung des

Lebensstandards geworden. Die EU-Kommission hat dies im Rahmen eines Weißbuchs für

Europa bestätigt, das im Februar 2011 herausgegeben wurde. Ihr Fazit lautet: Individuelle

Mobilität ermöglichen heißt, eine Quelle zukünftigen Wachstums zu erschließen.

Mobilität wird stark nachgefragt, hat jedoch einen hohen Preis. Werden die Menschen

aufhören, ihre Autos zu fahren, um diese Situation zu ändern? Vermutlich nicht.

Stattdessen steigen die Erwartungen. Wenn Sie sich die Megatrends im Bereich der Mobilität

ansehen, stoßen Sie auf eine Mischung aus hohen Erwartungen: Autos sollen nicht nur

extrem sicher, umweltschonender und effizienter sein, sondern zudem auch noch bezahlbar.

Die individuelle Mobilität in den wachsenden städtischen Gebieten – den Megastädten der

Zukunft – wird eine weitere Herausforderung sein.

Als Autofahrer haben wir über Jahrzehnte hinweg bestimmte Nutzungsgewohnheiten

entwickelt. Nun sollen wir uns plötzlich ändern. In einer dynamischen Situation wie dieser. Es

ist ratsam, einen Moment innezuhalten und zu überlegen: Was sind eigentlich unsere

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Fahrgewohnheiten? Wie werden sie sich entwickeln? Wo gibt es Verhandlungsspielraum

und wo nicht? Als einer der führenden internationalen Zulieferer von Fahrzeugsystemen und

-lösungen stehen wir in der Verantwortung, hierfür mögliche Antworten zu finden. Um

sicherzustellen, dass uns dies auch gelingt, müssen wir zunächst einmal die richtigen Fragen

stellen.

Die Studie

Ein guter Ansatz besteht darin, die Menschen zu befragen, die die Autos tatsächlich kaufen

und auch fahren. Aus diesem Grund haben wir Autofahrer und zukünftige Autokäufer befragt.

Wie sehen ihre Erwartungen aus? Welche Einstellungen und Absichten haben sie?

Die Continental-Mobilitätsstudie 2011 enthält hierzu einige Antworten.

Zugegebenermaßen ist diese Studie nur eine Momentaufnahme. Sie spiegelt die derzeitige

Situation wider. Sie ist keine Kristallkugel. Das ist uns durchaus bewusst. In Bezug auf die

Elektromobilität stehen Autofahrer noch ganz am Anfang ihrer Lernkurve. Der ganze Hype ist

der Realität voraus.

Doch wenn ich Sie jetzt auf eine kleine Reise durch die Erkenntnisse der Studie mitnehme,

werden Sie mir wahrscheinlich zustimmen, dass wir aus ihnen einige hilfreiche Lehren

ziehen können. Dabei geht es um unseren Lebensstil. Die Menschen – das heißt die

Autofahrer – werden das kaufen, was ihnen gefällt. Und ihnen gefällt, was sie jetzt haben.

Andererseits: In dem Maße, in dem die Lernkurve der Elektromobilität ansteigt, wird sich die

„Besorgniskurve“ nach unten entwickeln. Fragen Sie Menschen, die bereits einmal ein

Elektrofahrzeug gefahren haben. Höchstwahrscheinlich sind sie von diesem dynamischen

und leisen Fahrerlebnis begeistert.

Einzelheiten der Studie

Sehen wir uns einmal ein paar Studienergebnisse an. Die Untersuchung wurde von dem

Marktforschungsinstitut infas erarbeitet und in vier Ländern und zehn Megastädten

durchgeführt.

Eine allgemeine Frage war hierbei: Wollen Autofahrer die Elektromobilität? Ja, sie wollen

sie – vorausgesetzt, der Preis stimmt. Das ist das wichtigste einzelne K.o.-Kriterium. Für

über 40 % der Autofahrer ist der Preis der wichtigste Faktor beim Kauf eines

Elektrofahrzeugs. Die Ergebnisse zeigen, dass die Menschen zwar offen für alternative

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Antriebssysteme im Allgemeinen und Elektromobilität im Besonderen sind, dass ihre

Bereitschaft, dafür mehr zu zahlen, aber begrenzt ist. Es ist ein gewisses Maß an

Umweltbewusstsein feststellbar. Doch wenn es ums Geld geht, liegt die Obergrenze der

akzeptierten Mehrkosten für die Elektrifizierung etwa in der Größenordnung, sagen wir, einer

Leder-Innenausstattung.

Daher liegt die potenzielle Nachfrage nach Elektrofahrzeugen mit einer Reichweite von

150 km in den westlichen Ländern im niedrigen einstelligen Bereich, während sie in Asien

14 % erreicht!

Der nächste Punkt nach den preislichen Überlegungen ist die Sorge über die Reichweite.

Weit über 50 % der Autofahrer wären nicht bereit, ihr Auto alle 150 km aufzutanken – und

das, obwohl 90 % von ihnen nicht mehr als 100 km pro Tag fahren. Diese Ergebnisse

spiegeln die heutigen Gewohnheiten wider: Zukünftige Autofahrergenerationen werden das

wahrscheinlich anders sehen und dazu bereit sein, Kompromisse einzugehen.

Die Studie hat gezeigt, dass Autos eigentlich den größten Teil des Tages geparkt werden. Es

gibt also jede Menge Zeit zum Aufladen, nicht wahr? Fast jedes zweite Auto wurde am Tag

der Studie überhaupt nicht benutzt. In Deutschland wurden viele Autos für eine längere Zeit

zu Hause oder bei der Arbeit geparkt. Es scheint, dass individuelle Mobilität auch eine

Menge Stillstand mit sich bringt.

Mehr als 80 % der befragten Autofahrer verfügen zu Hause oder bei der Arbeit über einen

festen Stellplatz – also lässt sich hieraus der Schluss ziehen, dass es zahlreiche

Gelegenheiten zum Aufladen gibt.

Es überrascht nicht, dass die Menschen in den verschiedenen Teilen der Welt

unterschiedliche Ansichten zu alternativen Antriebssträngen und Elektrofahrzeugen haben.

Einige unterschiedliche Ansichten sind hierbei jedoch beachtenswert:

Bei der Frage, zu welchen Kompromissen die Autofahrer bereit wären, hängen die

Ergebnisse stark von der regionalen Herkunft ab. So erstaunlich es klingt – 71 % der

deutschen Autofahrer wären bereit, ihre Höchstgeschwindigkeit zu drosseln. Ungefähr ein

Drittel der deutschen Autofahrer wäre außerdem bereit, eine geringere Fahrzeugreichweite

in Kauf zu nehmen.

Erstaunlich viele Menschen sagten aus, dass sie bereit wären, ein Fahrzeug mit einem

alternativen Antriebsstrang anzunehmen, wenn es kleiner wäre. Wenn man sich die Zahlen

ansieht, scheint nicht einmal die Beschleunigungsleistung eine heilige Kuh zu sein. Es gibt

also einen gewissen Verhandlungsspielraum.

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Es ist bemerkenswert, dass sich die Reaktionen bezüglich der Sicherheitsbedenken je nach

Region unterscheiden. Während die befragten deutschen Autofahrer fest an die

Fahrzeughersteller glauben, haben Menschen aus anderen Nationen hier stärkere Zweifel.

Vielleicht steckt hinter diesen Zahlen die ehrgeizige frühzeitige Einführung der neuen

Batterietechnologie.

Die Bereitschaft, ein Auto mit einem elektrifizierten Antriebsstrang zu kaufen, ist sehr

unterschiedlich, je nachdem, wen man fragt. Dies wird insbesondere bei den chinesischen

Autofahrern deutlich. Ihre Einstellung spiegelt wahrscheinlich die großen Anstrengungen der

chinesischen Regierung zur Förderung der Elektrifizierung wider. Auch ist z. B. der Einsatz

von Elektrorollern in China weiter verbreitet als in jedem anderen Land. In China ist die

Elektromobilität auf zwei Rädern bereits Realität geworden.

Fragt man, wie wichtig es ist, ein Auto zu haben, antworten 8 von 10 Autofahrern, dass es

ihnen wichtig ist, ein eigenes Fahrzeug zu besitzen. In den Megastädten trifft dies nicht

immer zu. Ein eigenes Auto zu besitzen, ist beispielsweise für junge Stadtautofahrer in Berlin

oder Paris nicht von so großer Wichtigkeit, da sie das öffentliche Verkehrsnetz nutzen

können. Dies ist jedoch in Städten anders, in denen man für die individuelle Mobilität sehr

stark auf ein Auto angewiesen ist, so z. B. in Los Angeles oder Delhi.

Einige Ergebnisse zu den Megastädten

Menschen, die in kleineren und größeren Städten leben, bestimmen seit Jahrhunderten

allgemeine Trends. Die Megastädte bilden hierbei keine Ausnahme. Derzeit werden

zwischen 21 und 27 Städte als Megastädte eingeordnet:

Hier leben mehr als 10 Mio. Menschen, manchmal sogar mehr als 20 Mio. Es wird geschätzt,

dass allein in Asien zukünftig 10 Megastädte zu finden sein werden. Jede einzelne dieser

Städte ist dabei ein Motor für wirtschaftliches Wachstum. Denken Sie nur an die

Herausforderungen der täglichen Beförderung von Menschen und Handeslwaren. Zukünftig

wird dies in zunehmendem Maße durch CO2-neutrale Mobilität zu bewältigen sein.

Klar ist, dass die Einstellungen und Absichten der innerstädtischen Autofahrer immer stärker

an Bedeutung gewinnen. Aus diesem Grund wurde im Rahmen der Studie ein beträchtlicher

Aufwand betrieben, um mehr über junge Stadtbewohner weltweit herauszufinden.

Erst einmal wollen junge Städter vor allem mobil sein. Sie sind auch offen für neue Methoden

zur Vermeidung von Staus und Parkplatzmangel. In einigen verkehrsreichen Gebieten mit

hoher Umweltverschmutzung werden Elektroautos sogar als die „cooleren Autos“

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angesehen. Autofahrer in Los Angeles zum Beispiel halten Elektrofahrzeuge für

kosteneffizienter als Autos mit Verbrennungsmotoren.

Die jungen Leute sind ausgesprochen an Carsharing-Modellen interessiert. In der Regel ist

es für junge städtische Autofahrer wichtiger, dass ihnen ein Auto zur Verfügung steht, als

dass sie tatsächlich ein eigenes Auto besitzen.

Ob ein Auto auch als Prestigeobjekt betrachtet wird, hängt von der jeweiligen Region ab. Die

folgende Aussage trifft jedoch auf alle Megastädte gleichermaßen zu: Wenn die Befragten

eine größere Summe Geld gewinnen würden, würden sie mit diesem Geld eher eine

Wohnung oder ein Haus kaufen als ein Auto.

Strategische Konsequenzen

Die Studie bestätigt, dass wir uns im Prinzip in die richtige Richtung bewegen.

1. Um den Weg für die Elektromobilität zu ebnen, brauchen wir die richtige

Technologie zum richtigen Preis. Auf den ersten Blick erinnert die Frage des Preises bei

Elektrofahrzeugen an das Henne-Ei-Problem:

Der Preis für Elektromobilität ist zu hoch, weil die Produktionszahlen viel zu gering sind. Die

Produktionszahlen sind jedoch so gering, weil nicht genug Menschen ein Auto kaufen, das

im Verhältnis zu seiner Leistung zu teuer ist. Wir in Industrie wissen das und arbeiten

ununterbrochen daran, Lösungen zu finden. Ein zentraler Punkt dabei ist die

Standardisierung von Komponenten, um die Vorteile von großen Absatzmengen nutzen zu

können.

2. Eine unserer Hauptaufgaben wird natürlich darin bestehen, effizientere Lithium-

Ionen-Batterien mit einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten. Als einer der

Vorreiter im Bereich Hybrid- und Elektrofahrzeugtechnik beabsichtigen wir, zusammen mit

SK Innovation, einem führenden Anbieter von Lithium-Ionen-Batterietechnik, genau daran

zu arbeiten. Wir wollen unser Know-how auf dem Gebiet der Fahrzeugsysteme mit dem

Fachwissen von SK in den Bereichen Chemie und Fertigung kombinieren. Durch diese

Allianz werden wir unsere Wettbewerbssituation verbessern, um somit kommende

Herausforderungen meistern zu können.

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3. Betrachtet man das einzelne Fahrzeug und seinen Antriebsstrang, so erkennt man,

dass der Trend zur Elektrifizierung und Elektromobilität einen ganz neuen Ansatz erfordert.

Bis jetzt ist die Antriebssteuerung bei der Drehmomentsteuerung angesiedelt: Wenn der

Fahrer auf das Gaspedal tritt, berechnet die Motorsteuerung das erforderliche Drehmoment,

um die jeweilige Anforderung zu erfüllen. Sie steuert entsprechend die Kraftstoffeinspritzung

usw.

Im Falle eines elektrifizierten Fahrzeugs muss diese Sichtweise erweitert werden. Bei einem

alternativen Antriebsstrang mit elektrischem Motor und Verbrennungsmotor bedeutet das

Antriebsmanagement Antriebsausgleich.

Verschiedene Energieformen müssen in Betracht gezogen und koordiniert werden. Um von

der Drehmomentsteuerung zum Energiemanagement zu gelangen, ist daher ein

ganzheitlicher Ansatz erforderlich. Idealerweise werden wir uns auf prognosebasiertes

Energiemanagement zu bewegen, bei dem wir die vorhandene Batteriekapazität

bestmöglich ausschöpfen und die Reichweite maximieren.

4. Einige Dinge, die in einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor als selbstverständlich

gelten, werden in einem Elektrofahrzeug zur Herausforderung. Die Beheizung des

Fahrgastraums ist hierfür ein Beispiel. In einem Elektrofahrzeug steht zu diesem Zweck

keine Motorwärme zur Verfügung. Auch die Nutzung der Energie der Batterie ist hier nicht

die beste Lösung, da die Reichweite im Ergebnis beträchtlich verringert werden würde. Wir

brauchen neue Lösungen und neue Fahrzeugkomponenten, um Verlustwerte in Quellen für

die Wärmeerzeugung umzuwandeln. Daran arbeiten wir zusammen mit verschiedenen

Partnern der Industrie im Rahmen eines Projekts mit dem Namen integriertes

Wärmemanagement (Integrated Thermal Management — ITM).

5. Manche Dinge, die in einem Auto mit Verbrennungsmotor eher ein Komfortelement

darstellen, werden in einem Elektrofahrzeug zu einem Muss. Nehmen wir zum Beispiel die

Vernetzung: Die Reichweite eines Elektrofahrzeugs wird von derart vielen Faktoren

beeinflusst, dass es tatsächlich immer „on“ sein muss.

Um die begrenzte Batteriekapazität bestmöglich zu nutzen, müssen der Fahrer und das

Fahrerassistenzsystem Zugang zu den verschiedensten relevanten Informationen haben.

Das schließt Daten zum Wetter, zur Verkehrslage, Optionen zur Streckentopographie und

verfügbare Ladestationen ein.

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Neue Strategien zur Effizienzsteigerung wie zum Beispiel die Vernetzung der GPS-

Fahrzeugposition mit Kartendaten zur Topographie der restlichen Wegstrecke und aktuellen

Verkehrsdaten basieren auf einem Internetzugang.

Für die Vernetzung von Fahrzeugen bieten wir AutoLinQ an: eine Plattform zur Anbindung

eines Elektrofahrzeugs an das Ökosystem der Elektromobilität. Ist ein Elektrofahrzeug mit

einem AutoLinQ-System ausgestattet, ist es möglich, sich im Laufe der Lebensdauer des

Fahrzeugs neue „Apps“ oder Dienste herunterzuladen. So können beispielsweise neue

Ladestationen oder Batterieaufladestationen in die Streckenführungsfunktion integriert

werden.

6. Oder nehmen wir zum Beispiel die Fahrer-Fahrzeug-Schnittstelle: In einem Auto mit

Verbrennungsmotor kann der Fahrer die Kraftstoffeffizienz durch seine Fahrweise

beeinflussen. Ein sportlicher oder aggressiver Fahrstil mit ständigen

Belastungsschwankungen erhöht den Kraftstoffverbrauch; die Auswirkungen auf die

Reichweite sind jedoch begrenzt, weil zum Auftanken nur ein kurzer Stopp nötig ist.

Bei einem Elektrofahrzeug beeinflusst der Fahrstil die Reichweite massiv und kann darüber

entscheiden, ob man sein Ziel erreicht oder nicht. Doch woher weiß ein Fahrer, dass er seine

Batterie gerade rasant entleert? Nun, dabei kann das Elektrofahrzeug helfen. Wenn ein

aktives Gaspedal (Active Force Feedback Pedal — AFFP) eingebaut ist, hilft es dem

Fahrer, seinen Einfluss auf die Reichweite einzuschätzen. Wenn sein Drehmomentbedarf zu

hoch für den Batteriestatus und das gewählte Ziel ist, signalisiert das Pedal dies, indem es

leicht gegen den Fuß drückt. Diese neue Art der Fahrerschnittstelle wird uns dabei

unterstützen, einen Mittelweg zu finden: einerseits die neuen Regeln der Elektromobilität zu

erlernen und andererseits gleichzeitig den größten Nutzen aus ihr zu ziehen.

7. Fahrer in Megastädten bekommen den Unterschied zwischen einem eigenen Auto

und dem Zugang zu einem Auto zu spüren: Wenn Sie einen Mietwagen abholen oder in ein

Carsharing-Fahrzeug einsteigen, ist es heutzutage so, dass Sie die lästige Aufgabe haben,

alle Einstellungen an ihre persönlichen Bedürfnisse anzupassen. Um dies zu ändern,

entwickeln wir Lösungen für unsere Kunden, um die Möglichkeiten zur Personalisierung

des Fahrzeugs zu verbessern. So führen Sie Ihre Einstellungen in Ihrem Smartphone mit

sich, um diese beim nächsten Carsharing wiederzuverwenden.

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Manche Dinge ändern sich nicht

In einer Hinsicht unterscheidet sich die Elektromobilität nicht im Geringsten von derzeitigen

Mobilitätsformen: Autofahrer möchten sich in jeder Art von Fahrzeug sicher fühlen. Letzten

Endes muss ein Fahrzeug unabhängig von seinem Antriebsstrang höchste aktive und

passive Sicherheit bieten. Kaum ein Befragter hat im Rahmen der Studie angegeben, dass

er im Bereich der Sicherheit Kompromisse eingehen würde. Die Sicherheit ist nicht

verhandelbar.

8. Und doch kann uns die Elektromobilität auch vor neue Herausforderungen

hinsichtlich der aktiven Sicherheit stellen. Nehmen wir zum Beispiel die Bremsen. In einem

Hybrid- oder Elektrofahrzeug erfordern die Bremsablösung der Radbremsen und die

regenerative Bremsfunktion eine vollständige Trennung des Bremspedals vom

Bremssystem. Unser neues integriertes elektrohydraulisches Bremssystem MK-C1

wurde entwickelt, um diese Bremsablösung zu optimieren. Darüber hinaus bietet es eine

Bremsdynamik, die ganz neue Maßstäbe setzt.

9. Oder nehmen wir die Reifen: Reibungsarme Reifen sind bei herkömmlichen

Fahrzeugen ebenso wichtig wie bei Hybridautos oder Elektrofahrzeugen, weil sie die

Reibungsverluste und damit den Kraftstoffverbrauch verringern. Um aus einer

Traktionsbatterie alles herauszuholen, werden immer Hightechreifen wie die Conti.eContact

nötig sein. Dieser neue Reifentyp reduziert den Rollwiderstand um bis zu 30 % und erhöht

dadurch die Reichweite des Elektrofahrzeugs. Das Reifendesign wurde speziell für

Elektrofahrzeuge entwickelt, da deren Anforderungsprofil einzigartig ist.

10. Zunehmend wird erwartet, dass die zukünftige Mobilität auch nachhaltig ist. Dazu

sind auch grüne Materialien erforderlich. So enthalten unsere Acella-Verkleidungen

beispielsweise keine Weichmacher oder Schwermetalle und die flüchtigen organischen

Verbindungen wurden auf ein äußerstes Minimum reduziert. Darüber hinaus enthält Acella

Eco Natural bis zu 50 % erneuerbare Materialien ohne Mineralölanteil.

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Schlussfolgerung

Die Elektromobilität hat Vor- und Nachteile. Im Laufe der Entwicklung der

Elektromobilitätslernkurve werden die Autofahrer beginnen, zwischen früheren

Gewohnheiten und neuen Gewohnheiten zu unterscheiden. Die Menschen sind offen für

Elektromobilität.

Ein Großteil der derzeitigen Besorgnis beruht auf Ängsten. Damit müssen wir umgehen. Wir

sollten uns dabei an Folgendes erinnern: Laut unserer Studie machen sich selbst Fahrer, die

nur kurze Entfernungen von bis zu 30 km zurücklegen, große Sorgen darüber, dass die

Fahrzeugreichweite nicht ausreichen könnte. Deshalb brauchen wir nicht nur technische

Lösungen, sondern auch eine offene Kommunikation. Die Autofahrer müssen die

Gelegenheit haben, aus erster Hand mehr über Elektrofahrzeuge zu erfahren und ihren

Spaßfaktor zu entdecken.

Zuallererst müssen wir jedoch die Kosten reduzieren, ohne dabei die Sicherheit, die Qualität

und den Komfort einzuschränken. Nur, wenn uns das gelingt, kann die Elektromobilität einen

wesentlichen Beitrag leisten, und zwar in einer Zeit, in der die fossilen Brennstoffe knapp

werden und schließlich vielleicht zu wertvoll sein werden, um sie zu verbrennen.

Trotz allem werden in den nächsten 10 Jahren 95 % aller Fahrzeuge einen

Verbrennungsmotor haben. Um ihn für den Übergangszeitraum fit zu machen, ist die

Unterstützung durch die Elektrifizierung erforderlich. Zu zweit sind sie ein unschlagbares

Team. Der Übergang von fossilen Brennstoffen zu elektrischer Energie kann allerdings nicht

abrupt stattfinden, sondern muss kontinuierlich erfolgen. Unser Ziel besteht darin, diesen

Übergang so reibungslos und erfolgreich wie möglich zu gestalten.

Meine Damen und Herren, nächstes Jahr – 2013 – werden wir 125 Jahre Elektromobilität in

Deutschland feiern2), was uns zurück zu Oberbaurat Klose und zu seiner Aussage von 1897

bringt:

„...die glatte Asphaltfläche der großen Städte [wird] von mit Sammlerelektrizität getriebenen

Wagen belebt sein.“

Nach all diesen Jahren ist die Elektromobilität immer noch relativ jung. Nun jedoch wird sie

langsam erwachsen. Die Entwicklung von Elektrofahrzeugen wird mit einer unglaublichen

Dynamik vorangetrieben. Allein bei Continental arbeiten rund 1.600 Spezialisten an

Elektromobilität. Weil wir glauben, dass sie die Zukunft ist – und wir haben bereits

angefangen, sie zu industrialisieren.

Vielen Dank!“

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1) Oberbaurat a.D. Adolph Klose (* 1844, † 1923, Eisenbahningenieur und Erfinder),

Präsident des Mitteleuropäischen Motorwagen-Vereins (MMV) Berlin, aufgelöst 1933/34

2) seit dem Flocken-Elektrowagen von 1888, dem wahrscheinlich ersten bekannten

elektrischen Fahrzeug aus Deutschland