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REFORMSTRATEGIEN WELTWEIT. SCHULE IN DER DIGITALEN WELT

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REFORMSTRATEGIEN WELTWEIT. SCHULE IN DER DIGITALEN WELT

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01Hintergrund, Ziel und

Ausrichtung der Expertise

SEITE 04

02Auswahl der Länder

SEITE 05

03Auswahl der Indikatoren

Unterrichtsentwicklung

Schulentwicklung

Netzwerkentwicklung

Politikentwicklung

SEITE 07

04 05 06Ergebnisse der Recherche

Estland

Spanien

Tschechien

Singapur

Brasilien

SEITE 11

Länderübergreifender

Vergleich und Einordnung

der Rechercheergebnisse

SEITE 43

Ableitung von

Handlungsempfehlungen

für Deutschland

SEITE 52

INHALT

Literatur und Quellen

SEITE 61

Glossar

SEITE 67

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1. HINTERGRUND, ZIEL UND AUSRICHTUNG DER EXPERTISE

Lernen im 21. Jahrhundert ist ohne die Einbeziehung von

digitalen Lehr- und Lernmitteln kaum noch vorstellbar.

Während das Digitale in unserem Alltags-, Arbeits- und

Privatleben nicht mehr wegzudenken ist, bietet sich im

Bildungssystem jedoch Raum für Verbesserungen. Wo

andere Staaten bereits sehr erfolgreich digitale Medien in

Schule und Unterricht einsetzen, agiert Deutschland trotz

Digitalpakt zurückhaltend bei der flächendeckenden, ziel-

gerichteten und pädagogisch durchdachten Einführung

digital unterstützter Lehr- und Lernsettings.

Auch wenn digitale Möglichkeiten, gerade im Kontext von

Bildungsprozessen, per se kein Selbstzweck sind, so

können sie doch erheblich zur Verbesserung von Lern- und

Bildungsprozessen beitragen. Nicht zuletzt müssen auch

die Digital Natives den medienkompetenten, souveränen

und sicheren Umgang mit digitalen Medien lernen. Dazu

gehört auch Basiswissen um die Funktionsweise von

Algorithmen und ein grundsätzliches Verständnis der

Technologien: „Computational Thinking“ wird zur weiteren

Schlüsselkompetenz im 21. Jahrhundert.

Im internationalen Vergleich haben viele Staaten bereits

langjährige Erfahrung mit dem Einsatz digitaler Medien

im schulischen Kontext, sei es für die Organisation des

Schulgeschehens, für die Planung und Vorbereitung von

Unterricht, als Lehr- und Lernmittel im Unterricht selbst

oder als Gegenstand für die Reflektion und den medienpä-

dagogischen Kompetenzaufbau.

Von den Erfahrungen dieser Länder lässt sich profitie-

ren. Freilich sind Bildungssysteme sehr unterschiedlich.

Auch kulturelle Hintergründe variieren mitunter stark und

nicht zuletzt ergibt sich aus dem deutschen Konzept von

Bildung, dem ganzheitlich orientierten Humboldtschen

Bildungsideal, eine inhaltliche Besonderheit, die in vielen

Staaten so nicht zu finden ist. Dennoch ist der Blick auf

die bildungspolitischen Ansätze und Erfahrungen anderer

Länder ein hilfreicher. Wenn die jeweiligen Bedingungen

und Kontexte mitbetrachtet und die Ergebnisse vor die-

sem Hintergrund interpretiert und auf ihre Übertragbar-

keit in den deutschen Rahmen hin überprüft werden, dann

lassen sich auf diese Weise innovative Vorgehensweisen

ableiten.

Die vorliegende Expertise dient dazu, genau dies anhand

einiger ausgewählter Beispiele zu tun und so Ansätze und

Instrumente zu identifizieren, die in anderen Ländern

im Hinblick auf die Einführung des digitalen Lernens im

Schulsektor gut funktioniert haben und hilfreich gewe-

sen sind. Dafür werden Konzepte aus fünf ausgewählten

Ländern in den Blick genommen und deren Strategien in

einzelnen Länderkapiteln dargestellt, ebenso wie die je-

weiligen Bildungssysteme. Anhand von vorher festgeleg-

ten Indikatoren werden die Ansätze und Instrumentarien

der jeweiligen Länder analysiert und schließlich auf ihre

Relevanz für und ihre Übertragbarkeit auf das deutsche

Bildungssystem hin diskutiert und bewertet.

Die Expertise schließt mit Handlungsempfehlungen für die

deutsche Bildungspolitik. Diese werden dabei sowohl an-

hand der Rechercheergebnisse als auch auf Basis dessen,

was in den deutschen Strukturen machbar erscheint, ent-

wickelt und sind auf ein der deutschen Bildungsgeschichte

und des deutschen Bildungsgedankens verpflichtetes

Ideal hin ausgerichtet, das unser Bildungssystem auch

vermitteln soll: die Idee der ganzheitlichen, am Menschen

und seiner individuellen Autonomie orientierten Bildung.

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2. AUSWAHL DER LÄNDER

1 Vgl. Europäische Kommission 2019 2 Vgl. OECD 2015a, S. 4 sowie S. 83 Vgl. ebd.

Für die vorliegende Expertise wurden fünf Länder ausge-

wählt, um die dortigen Strategien zur Umsetzung des digi-

talen Lernens näher zu betrachten und im Hinblick auf ihre

Übertragbarkeit auf die deutsche Situation zu überprüfen.

Die fünf Länder sind auf dem gesamten Globus verteilt,

haben sehr unterschiedliche Bildungssysteme und unter-

schiedlich viel und lange Erfahrung im Hinblick auf die

Nutzung und den gezielten Einsatz digitaler Lernsettings

im Schulkontext. Alle Länder stehen vor unterschiedlichen

Herausforderungen die Weiterentwicklung ihres eigenen

Bildungssystems und ihrer Strategien zum digitalen Ler-

nen betreffend. Die Auswahl erfolgte bewusst auf Basis

dieser Heterogenität und mit dem Blick sowohl auf Good

Practices als auch auf besondere Anstrengungen, die zur

Verbesserung des Bildungssystems generell unternom-

men wurden – unabhängig vom Stand der Vorhaben, der

generellen Erfahrung mit digitalem Lernen oder der (Un-)

Ähnlichkeit der Bildungssysteme im Vergleich zu Deutsch-

land. Nachfolgend wird die Auswahl näher erläutert und

begründet.

ESTLAND

Estland hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur

durch sein exzellentes Bildungswesen hervorgetan,

sondern auch mit einer konsequenten Ausrichtung als

digitale Gesellschaft seinen Status als Vorreiter in Sachen

Digitalisierung ausgebaut. Digitale Medien wurden in

Estland in allen gesellschaftlichen Bereichen konsequent

eingesetzt, um Strukturen zu verbessern, Vorgänge

zu erleichtern und Synergieeffekte zu schaffen. So ist

zum Beispiel die WiFi-Abdeckung in Estland beispiellos,

Behördengänge werden in Estland ganz selbstverständ-

lich digital erledigt und die Potenziale, die sich durch die

Digitalisierung ergeben, werden in allen gesellschaftlichen

und wirtschaftlichen Bereichen genutzt – wie etwa die

gesamte bestehende Struktur des estnischen e-Govern-

ments zeigt.

Estland steht im Digital Economy and Society Index (DESI)

der Europäischen Kommission auf Platz 8 von 28. Im Ver-

gleich dazu rangiert Deutschland auf Platz 12.1 Untersu-

chungen der letzten Jahre haben gezeigt, wie erfolgreich

das estnische Bildungssystem ist, nicht nur in Sachen

Lernleistungen in verschiedenen Schulfächern, sondern

auch in Bezug auf Chancengerechtigkeit und Teilhabe-

aspekte.2

SPANIEN

Spanien ist in der deutschen Debatte um Bildungspolitik

in den letzten Jahren vor allem durch eine hohe Jugendar-

beitslosigkeit und durch wirtschaftliche Schwierigkeiten

in Erscheinung getreten. Das spanische Bildungssystem

liegt mit seinen Leistungen im OECD-Durchschnitt3 und

hat bedingt durch notwendige Finanzkürzungen in den

letzten Jahren weniger Geld in Bildung investieren können

als noch einige Jahre zuvor. Umso spannender ist es zu

schauen, welche Strategien Spanien nutzt, um seine bil-

dungspolitischen Herausforderungen anzugehen. In den

letzten Jahren hat das Land eine ganze Reihe an Bildungs-

reformen auf den Weg gebracht. Vorbild war hier auch die

deutsche duale Berufsausbildung. Gerade im Schulsektor

setzt Spanien seit einigen Jahren verstärkt auf die Digi-

talisierung und hat eine beachtliche Anzahl an Projekten

und Initiativen ins Leben gerufen. Die Möglichkeiten und

Chancen der Digitalisierung werden hier dazu genutzt, um

das gesamte Bildungssystem zu modernisieren.

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TSCHECHIEN

Tschechien hat in den letzten Jahren die Ausgaben für Bil-

dung deutlich angehoben. Das Land liegt in den aktuellen

Vergleichsstudien mit seinen Leistungen im Bildungs-

bereich im OECD-Durchschnitt, wobei die Leistungen in

den verschiedenen Feldern über die Jahre zum Teil stark

schwanken.4

Die Nutzung von Computern und Internet in Privathaushal-

ten findet in Tschechien deutlich zurückhaltender statt als

in vielen anderen Ländern. Entsprechend ist die Durch-

dringung mit digitalen Medien in den Haushalten oft noch

etwas geringer als in anderen Ländern. Allerdings hat

Tschechien gerade in den letzten Jahren viel unternom-

men, um den Anschluss an die digitale Welt herzustellen.

Es wurden und werden dabei vermehrte Anstrengungen

unternommen, auch im Bildungsbereich digitale Medien zu

nutzen, Medienkompetenz zu vermitteln und die Bildungs-

organisation zu digitalisieren.

SINGAPUR

Singapur ist als Stadtstaat mit hoher Einwanderungsquote

sicher eine Besonderheit und zeigt auf, wie ein Bildungs-

system mit Heterogenität und Vielfalt souverän umgehen

kann. Interessant dabei ist auch, dass Singapur sich nicht

mehr als Wissensgesellschaft sieht, sondern bereits als

Innovationsgesellschaft, die digitale Medien selbstver-

ständlich nutzt, um Innovationen voranzutreiben.5

Singapur hat bereits in den 1990er-Jahren mit einer sys-

tematischen Einführung des digitalen Lernens begonnen.

Das Bildungssystem von Singapur kann als eines der

erfolgreichsten nicht nur in Asien, sondern auf der ganzen

Welt gelten. Internationale Vergleichsstudien attestieren

dem Land immer wieder exzellente Ergebnisse.6

Das Kernstück der bildungspolitischen Bemühungen bildet

dabei der ICT-Masterplan IV, der auf seinen drei Vorläufern

aufsetzt. Singapur hat die Einführung digitalen Lernens

als langfristigen Prozess begriffen und mit wohldefinierten

Meilensteinen umgesetzt.7 Damit ist das Land ein ausge-

sprochen interessantes Beispiel für erfolgreiche Bildungs-

planung und die Gestaltung und Umsetzung von großen

bildungspolitischen Reformen.

4 Vgl. ebd.5 Vgl. Ministry of Education Singapore o. D. 6 Vgl. OECD 2015a, S. 2 ff.7 Vgl. Ministry of Education Singapore o. D.8 Vgl. OECD 2015a, S. 6 ff.

BRASILIEN

Brasilien steht in internationalen Vergleichsstudien mit

den Leistungen seines Bildungssystems eher im unte-

ren Mittelfeld.8 Das Land musste immer wieder Kritik für

die Schwächen seines Bildungssystems einstecken und

hat daraus insofern Konsequenzen gezogen, als dass

vermehrt Anstrengungen unternommen werden, das

Bildungssystem zu verbessern.

Auch wenn die brasilianische Situation strukturell be-

trachtet nicht mit Deutschland vergleichbar ist, lohnt sich

der Blick nach Brasilien dennoch. Hier wird der Versuch

unternommen, ein Bildungssystem massiv auszubauen

und qualitativ deutlich zu verbessern. Dabei wird auch auf

digitale Medien gesetzt. Auch die Themen Bildungschan-

cen und Bildungsgerechtigkeit werden hier berührt. Be-

denkt man weiterhin die Größe des Landes, dann handelt

es sich um ein ausgesprochen interessantes und ambitio-

niertes Projekt.

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3. AUSWAHL DER INDIKATOREN

Ein Vergleich verschiedener bildungspolitischer Ansätze

und Instrumentarien kann nur kriterienbasiert gelingen.

Aus diesem Grund wurden im Vorfeld zur Recherche be-

stimmte Themen identifiziert, die aus deutscher Per-

spektive besonders interessant und relevant sind, um

bildungspolitische Strategien und Instrumentarien im

Hinblick auf ihre Eignung für die deutsche Situation be-

urteilen zu können.

Nachfolgend wird die Auswahl der Indikatoren vorgestellt

und begründet. Der Einfachheit halber wurden die einzel-

nen Indikatoren in thematische Indikatorensets gebündelt

und in den einzelnen Länderkapiteln auch gemeinsam be-

trachtet. Die Indikatoren bauen aufeinander auf und sind

als Ebenen eines Gesamtmodells zu verstehen.

UNTERRICHTS-ENTWICKLUNG

POLITIKENTWICKLUNG

NETZWERKENTWICKLUNG

SCHULENTWICKLUNG

Abb. 1: Ebenenmodell zum Indikatorenset

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3.1 Unterrichtsentwicklung

Digitales Lernen findet auf der kleinsten Ebene im

direkten Unterrichtsgeschehen statt. Digitale Medien

werden entweder eingesetzt, um Lehr- und Lernsettings

zu schaffen, die das individuelle Lernen verbessern und

den individuellen Lernprozess gezielt und personalisiert

unterstützen, oder sie sind selbst inhaltlicher Gegenstand

des Unterrichtsgeschehens, wenn sie für die Reflektion

über digitale Medien eingesetzt werden, um Medienkom-

petenz und den sicheren und reflektierten Umgang mit

digitalen Medien zu vermitteln.

Dabei sollen analoge Lernmittel nicht einfach durch digi-

tale Lernmittel ersetzt werden. Es geht vielmehr darum,

mit digitalen Medien Lernprozesse umzugestalten und

zu individualisieren, Lernen für die einzelnen Lernenden

passgenauer zu gestalten und so für jeden ein möglichst

individuelles Lernsetting zu ermöglichen. Das erfordert

eine neue Planung und Gestaltung des Unterrichtsge-

schehens. Lernende agieren zunehmend selbstbestimmt,

während Lehrende weniger Wissensvermittelnde und

mehr Coach und Begleitperson sind, die sanft anleiten,

mitreflektieren und die notwendigen Selbstlernkompeten-

zen vermitteln.

FORTBILDUNGSMÖGLICHKEITEN FÜR LEHRKRÄFTE

Um diesen Rollenwandel zu ermöglichen, brauchen

Lehrende nicht nur eine Idee davon, wie Unterricht auf

diese Weise aussehen kann und möglich wird, sondern

auch die notwendigen Kompetenzen in der Nutzung

digitaler Medien, im Umgang mit Lernenden in der Rolle

als Lern-Coach und in der Gestaltung, Auswahl und Auf-

bereitung von digitalem Material für den Unterricht und

die Unterrichtsplanung. In der Recherche wurde die Rolle

von Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte mitbe-

rücksichtigt. Von Interesse waren dabei die Rolle und die

Bedeutung, die den Fortbildungsangeboten beigemessen

wurden, sowie die Zielsetzung, die aus bildungspolitischer

Sicht damit verbunden war.

VERFÜGBARKEIT VON DIGITALEM LERNMATERIAL UND

EINSATZ VON PLATTFORMEN

Digitales Lernen benötigt vor allem auch digitales Lernma-

terial und Lernplattformen als didaktische Infrastruktur.

Für die Recherche wurde für jedes Land mitbetrachtet,

inwieweit digitale Lernmedien und Plattformen Gegen-

stand der bildungspolitischen Bemühungen sind, inwie-

fern digitales Lernmaterial über diese Kanäle genutzt und

gefördert wird und welche Ansätze zu ihrer Förderung und

Verbreitung vorherrschen.

SCHUL- UND LERNKULTUR

Die Idee hinter dem digitalen Lernen ist weit mehr als der

Einsatz neuer Lernmedien. Es geht um einen generel-

len Wandel der Lehr- und Lernkultur, bei dem Lernende

zunehmend selbstbestimmt ihren eigenen Lernprozess

steuern. Lehrende sind weniger Inputgebende und viel-

mehr Lernbegleitende und Navigierende, die je nach

Bedarf und individueller Fähigkeit Wissen vermitteln,

Lernmethoden aufzeigen und als Sparringspartner und

-partnerinnen zur Verfügung stehen. Um das zu ermög-

lichen, ist aber eine andere Denkweise über das Lehren

und Lernen nötig – und damit ein Wandel in der Schul- und

Lernkultur, wie wir sie bisher kennen. In die Recherche

ist mit eingeflossen, inwieweit die jeweiligen Länder sich

dieses Wandels bewusst sind, ihn aktiv gestalten und vor-

antreiben und zu welchen Maßnahmen sie hier greifen.

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3.2 Schulentwicklung

Digitales Lernen ist weit mehr als eine neue Methode. Es

ist ein neuer Ansatz des Lehrens und Lernens. Gutes digi-

tales Lernen geht sehr oft einher mit mehr Freiräumen für

Lehrende und Lernende, mit individualisierten Angeboten,

mehr Selbstbestimmtheit und mehr Selbststeuerung im

Lernprozess. Das umzusetzen und zu einem schuleigenen

Gesamtkonzept zu kommen, das zum individuellen Selbst-

verständnis und den gegebenen Voraussetzungen passt,

ist anspruchsvoll und braucht kontinuierliche Schulent-

wicklung.

WEITERENTWICKLUNG DER CURRICULA

Für die Recherche war es deshalb wichtig einzubeziehen,

inwieweit Schulentwicklung in den ausgewählten Ländern

in Bezug auf digitales Lernen stattfindet und welche Maß-

nahmen dafür ergriffen werden. Die Weiterentwicklung

der Curricula wurde in diesem Bereich als ein wichtiger

Marker identifiziert. Daher wurden, soweit möglich, die

jeweiligen Ansätze zur Weiterentwicklung der Curricula

betrachtet und analysiert.

QUALIFIZIERUNG DER SCHULLEITUNG

Den Schulleitungen kommt dabei die wichtige Rolle der

Ermöglichenden und Begleitenden zu. Ohne die Unter-

stützung der Schulleitung kann digitales Lernen nicht

sinnvoll umgesetzt werden. Hier wird der konzeptionelle

Rahmen für die gesamte Schule maßgeblich mitentwickelt

und dessen Umsetzung gesteuert. Entsprechend wichtig

ist auch hier die Qualifizierung der Schulleitung. In der

Recherche wurden das Vorhandensein entsprechender

Angebote sowie deren Ausgestaltung mitbetrachtet.

TECHNISCHE AUSSTATTUNG, SUPPORT UND WARTUNG

Ein weiterer wichtiger Faktor für gelingendes digitales

Lernen ist die technische Ausstattung der Schulen. Dazu

gehört nicht nur die grundsätzliche Ausstattung mit Ge-

räten und Internetverbindung, sondern auch die gesamte

Infrastruktur, die für die Schulverwaltung notwendig

wird, ebenso wie die Software für den Einsatz im Unter-

richt. Auch der Weg der Ressourcenverteilung ist wichtig:

Kann eine Schule Wünsche für die eigene Ausstattung

äußern oder gibt es eine „one-size-fits-all“-Lösung?

Soweit möglich sind Informationen darüber in die Analyse

eingeflossen.

Die Halbwertszeit von technischer Ausstattung ist mit-

unter kurz. Schon bei der Anschaffung muss ein Nut-

zungs- und Erneuerungskonzept bestehen. Auch Support

und Wartung sind unerlässlich und können nicht von den

Schulen als Nebenaufgabe mitgestemmt werden. Hierfür

braucht es durchdachte und erprobte Konzepte. Ent-

sprechend wurden diese Informationen in die Recherche

aufgenommen und in der Analyse berücksichtigt.

3.3 Netzwerkentwicklung

Keine Schule sollte das Rad neu erfinden müssen, wenn

sie sich auf den Weg macht, gutes digitales Lernen umzu-

setzen. Umso wichtiger ist der Austausch mit Lehrkräften

und Schulen, die diesen Weg bereits gegangen sind, die

mitten in der eigenen Entwicklung stecken und ihre Erfah-

rungen gerne mit anderen teilen, um selbst daraus lernen

zu können. Dem Netzwerken in der Community kommt

deshalb eine besondere Bedeutung zu, wenn es um die

Umsetzung digitalen Lernens geht. Entsprechend wurde

dieser Aspekt für Recherche und Analyse berücksichtigt

und in seinen Facetten näher betrachtet.

LEHRKRÄFTEKOOPERATION

Zur Netzwerkbildung gehören in erster Linie der Aus-

tausch und die Kooperation zwischen Lehrkräften. Der

Austausch dient nicht nur dem eigenen Wissenserwerb,

sondern hilft auch dabei, Ideen zu generieren und neue

Konzeptideen zu entwickeln. Gerade auch, wenn an einer

Schule nur vereinzelt Lehrkräfte mit dem Thema betraut

sind, ist der Austausch mit Externen unerlässlich. In der

Recherche wurde entsprechend darauf fokussiert, welche

Angebote es für die Lehrkräftekooperation und den geziel-

ten Austausch in den jeweiligen Ländern gibt.

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(REGIONALE) UNTERSTÜTZUNGSSYSTEME ZUR

SCHULENTWICKLUNG

Beim Netzwerken ist auch die Regelmäßigkeit, also der

kontinuierliche, wenn möglich auch persönliche Aus-

tausch, ein wichtiger Erfolgsfaktor. Hier kommt gerade

regionalen Schulnetzwerken eine wichtige Rolle zu, denn

sie sind geprägt durch ähnliche Ausgangsbedingungen.

Für die Analyse wurde daher auch betrachtet, welche Ini-

tiativen zur lokalen und regionalen Vernetzung von Lehr-

kräften, aber auch von Schulleitungen und gegebenenfalls

weiteren Akteuren in den jeweiligen Ländern existieren

und welche Erfolge damit erzielt wurden.

VERNETZUNGSMÖGLICHKEITEN UND KOMMUNIKATION

Darüber hinaus wurden alle weiteren Ansätze zur stär-

keren Vernetzung und Kommunikation der beteiligten

Akteure in der Recherche berücksichtigt und in die Ana-

lyse einbezogen, um sicherzugehen, dass auch weitere

innovative Konzepte des Austauschs und der Vernetzung

gesehen werden und in die Bewertung mit einfließen

konnten. Hier ging es darum, insbesondere im Bereich des

Austauschs und des Community-Buildings von anderen

zu lernen und deren konkretes Vorgehen in den Blick zu

nehmen.

3.4 Politikentwicklung

Jenseits der Ebene der konkreten Einzelschule oder des

regionalen Schulnetzwerks sind auch die landesweiten

bildungspolitischen Bemühungen und die hier entwickel-

ten Reformkonzepte wichtig, um eine gemeinsame Linie

zu entwerfen und mit geeigneten Instrumentarien die

Zielerreichung voranzutreiben. Gutes digitales Lernen

braucht nicht nur gute Schulen, sondern auch gute

politische Vorgaben und Strategien zur Unterstützung.

Entsprechend wurden bei der Recherche auch Ansätze zur

Politikentwicklung im Bereich des digitalen Lernens, die in

den jeweiligen Ländern gewählt wurden, betrachtet.

FÖRDERANSÄTZE ZUR SCHULENTWICKLUNG

Konkret ging es hier darum, Reformpakete mit ihren

jeweiligen Bestandteilen und Förderinstrumentarien, aber

auch wichtige Strategie- und Positionspapiere in den Blick

zu nehmen. Der Fokus lag dabei sowohl auf der Wahl der

Instrumente wie etwa Fördergelder, Fortbildungen, Aus-

tauschformate und Strukturentwicklung als auch auf der

Ausgestaltung der gewählten Methoden.

RAHMENPLÄNE UND STRUKTURENTWICKLUNGSKONZEPTE

Ein wichtiger Aspekt sind hier Rahmen- und Strukturent-

wicklungspläne, da sie die großen Entwicklungslinien für

die Zukunft festlegen. Dabei ging es nicht nur darum, die

Instrumente zu betrachten, die für die Umsetzung gewählt

wurden, sondern auch die eigentlich definierten Ziele

in den Blick zu nehmen und im Hinblick auf die deutsche

Situation zu analysieren, zu interpretieren und auf ihre

mögliche Adaptierbarkeit hin zu bewerten.

EVALUATIONSANSÄTZE UND MESSUNG DER WIRKSAMKEIT

Nicht zuletzt standen Evaluationsmaßnahmen im Fokus

der Recherche und Analyse. Hier interessierte sowohl,

welche Ansätze zur Evaluation und Wirksamkeitsmessung

gewählt wurden, als auch, ob sich die von den jeweiligen

Ländern eingeschlagenen Wege als wirksam und hilfreich

erwiesen haben. Sofern möglich sind diese Inhalte recher-

chiert worden und in die Analyse eingeflossen.

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4. ERGEBNISSE DER RECHERCHE

Bildungssysteme sind sehr komplexe Gebilde, die an den

jeweiligen kulturellen Kontext angepasst sind. Sie sind

historisch gewachsen und in ihren Eigenheiten und Struk-

turen nur historisch zu verstehen. Das verdeutlicht, warum

jeder Gesamtvergleich von Bildungssystemen methodisch

ausgesprochen anspruchsvoll ist.

Für die Ausgestaltung der vorliegenden Expertise, die

den Fokus auf bildungspolitische Interventionen legt, war

ein solch vollständiger Vergleich ausgewählter Bildungs-

systeme weder notwendig noch zielführend. Stattdessen

wird der Vergleich in dieser Studie ganz bewusst auf be-

stimmte Ausschnitte, einzelne Bestandteile und Aspekte

von Bildungssystemen und bildungspolitischen Strategien

konzentriert.

Es geht daher nicht darum, Kennzahlen für einen wissen-

schaftlichen Vergleich der Gesamtsysteme zu liefern, son-

dern vielmehr darum, erprobte Ansätze zu analysieren und

im Hinblick auf ihre Adaptierbarkeit zu prüfen, um davon

ausgehend Vorschläge für bildungspolitische Strategien in

Deutschland zu erarbeiten.

Selbstverständlich sind in diese Recherche umfängliche

Informationen über die Bildungssysteme und die bildungs-

politischen Handlungsstrategien der jeweiligen Länder

eingeflossen. Je nach Land differieren die Informations-

stände jedoch zum Teil erheblich, sodass nicht in jedem

Land alle Informationen in der gleichen Fülle und Güte

vorliegen können.

Der Fokus lag weiterhin auf den landesspezifischen Be-

mühungen zum Thema digitales Lernen in den jeweiligen

Schulsystemen. Politische Handlungsansätze, die nicht

explizit digitales Lernen zum Gegenstand hatten, wur-

den nicht berücksichtigt. Gleichwohl sind Ansätze in die

Expertise eingeflossen, die einen wichtigen Rahmen für

digitales Lernen in den Schulen bilden.

Nachfolgend werden die Ergebnisse der Recherche vor-

gestellt. Anhand von Länderkapiteln werden die wichtigs-

ten Ergebnisse geordnet dargestellt. Jedes Länderkapitel

enthält zunächst die wichtigsten Informationen zum

Schulsystem des jeweiligen Landes, die für die Einordnung

der Ergebnisse wichtig sein können.

Im Anschluss werden die Ergebnisse der Recherche an-

hand der Indikatoren gruppiert dargestellt und erläutert.

Besonders interessante Ansätze sind als gute Beispiele

hervorgehoben. Die Ableitung von konkreten Handlungs-

empfehlungen erfolgt als Gesamtschau in Kapitel 5. Hier

werden die Rechercheergebnisse im Hinblick auf ihre

Nutzbarkeit für die deutsche Situation beurteilt und einge-

ordnet.

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4.1 Estland

9 Vgl. OECD 2015a, S. 4 ff.10 Vgl. ebd.11 https://e-estonia.com 12 Vgl. OECD 2018a 13 Vgl. Statistics Estonia 201714 https://www.hm.ee/en/introduction

Estland gilt nicht umsonst als ausgesprochen vorbild-

lich in seinen Bemühungen um ein leistungsfähiges und

chancengerechtes Bildungssystem. In der PISA-Studie

etwa schneidet Estland, gerade wenn es um Chancen-

gerechtigkeit im Bildungssystem geht, hervorragend

ab und liegt deutlich über dem OECD-Durchschnitt.9 Im

naturwissenschaftlichen Bereich landen die estnischen

Schülerinnen und Schüler auf Platz drei im internationa-

len Vergleich, ebenfalls im Bereich Lesekompetenz und

mathematisches Verständnis.10 Estland zählt damit zu

einem der wenigen Länder weltweit, dessen Bildungs-

system nicht nur ausgesprochen leistungsstark, sondern

auch chancengerecht ist.

In Sachen Digitalisierung kann Estland als beachtlicher

Vorreiter gelten. Bereits seit 2002 ist das Land flächende-

ckend mit WLAN versorgt – frei zugänglich und kostenlos.

Sämtliche Verwaltungsstrukturen werden Schritt für

Schritt digitalisiert. Ein Großteil der Steuereinnahmen

Estlands wird durch die e-Economy generiert.11 Entspre-

chend konsequent hat das Land auch das Schulsystem in

den digitalen Wandel eingeschlossen.

DAS ESTNISCHE SCHULSYSTEM

In Estland beginnt die Schulpflicht im Alter von sechs

Jahren, wenn die Kinder in die Grundschule eingeschult

werden. Der Besuch des Kindergartens ist möglich, jedoch

nicht verpflichtend. Die Grundschule wird im Alter von

sechs bis 15 Jahren besucht. Da die Schulpflicht erst im

Alter von 17 Jahren endet, schließt sich der Besuch der

Allgemeinbildenden Sekundarschule oder der Beruflichen

Sekundarschule an. Der Abschluss der Allgemeinbilden-

den Sekundarschule berechtigt zum Besuch der Universi-

tät ebenso wie zum Besuch einer Berufsfachschule. Der

Abschluss der Beruflichen Sekundarschule ermöglicht

den weiteren Besuch einer Höheren Berufsschule. Sowohl

der Erwerb des Bachelors als auch des Berufszertifikats

der Berufsfachschule dauern drei Jahre. Nach Abschluss

des Bachelors kann ein universitärer Master erworben

werden. Der Abschluss der Berufsfachschule ermöglicht

wiederum den Besuch der höheren Berufsschule. Sowohl

der Abschluss des Masters als auch der höheren Berufs-

schule – nach Abschluss der Berufsfachschule – dauert

zwei Jahre.

Estland gibt pro Jahr ca. 2,7 Prozent seines Bruttoin-

landsprodukts (BIP) für die Schulbildung aus, ca. 6.500

US-Dollar pro Jahr und Schüler bzw. Schülerin.12 Die Ver-

antwortung für das Schulsystem und für die 519 Primar-

und Sekundarschulen Estlands13 liegt beim estnischen

Bildungsministerium, das für alle Belange des estnischen

Schulsystems zuständig ist. Es entwickelt sowohl die

Curricula und Entwicklungspläne als auch die bildungs-

politischen Strategien, kümmert sich um die Vorgaben für

die Lehrkräfteausbildung und verwaltet die Finanzen für

das Schulsystem.14

Abb. 2: Das estnische Schulsystem

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Beru�iche Sekundarschule

Universität

Höhere Berufsschule

Alter

Allgemeinbildende Sekundarschule

Beru�icheSekundarschule

Allgemeinbildende Sekundarschule

Berufsfachschule

Schu

lp�icht

Grundschule(6 bis 15 Jahre)

Kindergarten(ab 3 Jahre)

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Estland hat das Thema Digitalisierung früh aufgegriffen

und für sich als wichtige Chance erkannt. Entsprechend

offen ist die estnische Gesellschaft digitalen Impulsen

gegenüber. Die Digitalisierung wird hier konsequent als

Möglichkeit begriffen, die eigene Gesellschaft zukunftsfä-

hig zu gestalten. Im Bildungssystem gilt das genauso wie

in allen anderen Bereichen. An 85 Prozent aller estnischen

Schulen werden digitale Lösungen eingesetzt.15

PROGRAMM ZUR „DIGITALEN REVOLUTION 2019-2022“

Das estnische Bildungsministerium hat eigens ein Pro-

gramm zur „Digitalen Revolution 2019-2022“ aufgesetzt,

das indikatorenbasiert die Entwicklung in Bezug auf das

digitale Lernen vorantreibt. Digitale Kompetenz ist als

eine von acht Schlüsselkompetenzen in dem Programm

definiert und wird verstanden als die Fähigkeit, sicher,

aber auch kritisch und kreativ mit digitalen Medien umzu-

gehen und sie sowohl im Arbeits- als auch in allen anderen

Lebensbereichen einzusetzen. Digitale Kompetenz wird

dabei als wichtige Kompetenz begriffen, um sich in der

Informationsgesellschaft sicher bewegen zu können. Be-

tont wird die Wichtigkeit digitaler Medien im Bildungssek-

tor und die Fähigkeit aller Beteiligten (Schülerinnen und

Schüler, Lehrkräfte und Schulleitungen), damit souverän

umzugehen.

Eines der Hauptziele des Programms ist es entsprechend,

den Erwerb digitaler Kompetenzen in den allgemeinbilden-

den Schulen und auch schon im Kindergarten sicherzu-

stellen. Das Programm zielt darauf ab, digital gestütztes

Lernen in allen Schulen Estlands einzuführen und die

notwendigen Kompetenzen für den sicheren Umgang zu

vermitteln. Digitale Medien sollen im Unterricht eingesetzt

und auch als elektronische Bewertungsinstrumente ge-

nutzt werden. Ein weiteres Kernziel des Programms ist die

Entwicklung interoperabler Informationssysteme für das

Bildungswesen, um eine kompatible und belastbare Soft-

ware-Infrastruktur zu schaffen, die den dortigen Schulen

zur Verfügung steht und die schulübergreifend genutzt

werden kann.

Das Programm baut dabei auf bereits in der Vergangenheit

eingeleiteten Entwicklungen auf und führt diese fort. Um

die gesteckten Ziele zu erreichen, werden beispielsweise

jährlich die digitalen Kompetenzen der Schülerinnen und

15 https://e-estonia.com 16 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2018, S. 1 ff.17 Eesti Telekom ist der führende Telekommunikationsanbieter Estlands. Es handelt sich um ein privates Wirtschaftsunternehmen, das sowohl das Telefon- als auch das Mobilfunknetz Estlands betreibt. Weitere Informationen unter: www.telia.ee18 https://www.hitsa.ee

Schüler gemessen. Die Entwicklung digitaler Prüfungsfor-

mate wird weiter vorangetrieben. Die Einführung digitaler

Schulbücher ist ebenso festgeschrieben wie die Unter-

stützung von Startups, die sich im Bildungssektor ein-

bringen. Zusätzlich wird die IT-Ausbildung im Bereich der

Grundschul-, Sekundarschul- und Berufsbildung finanziell

unterstützt, um den Kompetenzerwerb bei Lehrenden zu

fördern. Bis 2020 sollen alle estnischen Schulen Unter-

richt im informatischen Bereich anbieten. Ebenfalls bis

2020 sollen Prüfungen an Schulen, insbesondere externe

Begutachtungen, überwiegend bis vollständig in elekt-

ronischer Form durchgeführt werden. Lernmaterialen

in digitaler Form sollen für den allgemeinbildenden und

beruflichen Bereich entwickelt werden, sodass der Ein-

satz digitaler Medien für alle Fachbereiche und Schulen

gewährleistet ist. Im berufsbildenden Bereich wird hier

auch auf die Einführung von Simulatoren gesetzt.

Die Kosten für die Umsetzung sind dabei für jeden Bil-

dungsbereich und für jedes Jahr genau kalkuliert, aufge-

schlüsselt und mit den Indikatoren verknüpft. Ein eigens

eingerichtetes Sachverständigenkomitee aus 15 Personen

beurteilt in zweijährigem Rhythmus den Umsetzungsfort-

schritt bei den strategischen Zielen und macht bei Bedarf

Vorschläge zum weiteren Vorgehen und zur Nachjustie-

rung. Das Bildungsministerium hat einen Implementie-

rungsplan vorgelegt, der auf Basis einer Jahresplanung

Indikatoren, Budget und zuständige Stellen definiert.

Digitale Kompetenz zählt als eine von acht Schlüssel-

kompetenzen für lebenslanges Lernen und wird mit hoher

Priorität behandelt.16

NATIONALE STIFTUNG ZUR FÖRDERUNG DIGITALEN

LERNENS (HITSA)

Die estnische Regierung hat gemeinsam mit Hoch-

schulen und dem Telekommunikationsversorger Eesti

Telekom17 eine Stiftung (HITSA) ins Leben gerufen, die

durch verschiedene Maßnahmen sicherstellen will, dass

jeder Schulabsolvent und jede Schulabsolventin Est-

lands die benötigten digitalen Kompetenzen erworben

hat.18 Die Wurzeln der Stiftung reichen in die Anfänge der

Digitalisierung Estlands zurück, als es zunächst um die

technische Ausstattung der Schulen ging. Im weiteren

Verlauf kam der Fokus auf die Kompetenzentwicklung der

Beteiligten dazu. Der Auftrag der Stiftung lautet heute

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sicherzustellen, dass alle Schulabsolventinnen und -ab-

solventen die digitalen Kompetenzen mitbringen, die sie

brauchen, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen und die

Gesellschaft weiterentwickeln zu können.

HITSA hat dazu eine eigene Strategie für die Jahre 2018-

2020 ausgearbeitet, die sich an den Vorgaben und Zielen

der estnischen Strategie für Lebenslanges Lernen 2020

orientiert. Sie unterstützt Maßnahmen im Bereich Infra-

strukturausbau, gewährt Schulen finanzielle Unterstüt-

zung für die Anschaffung und Ausstattung mit digitaler

Infrastruktur, liefert aber auch datengestützte Analysen

und Berichte, die bei der weiteren Maßnahmengestaltung

hilfreiche Daten und Einschätzungen liefern.

Ein Kernbereich der Aktivitäten, die seit 2018 entwickelt

werden, ist ein Monitoring, das darauf abzielt, konkrete

Daten über den Zustand des estnischen Bildungswesens

zu liefern, Erklärungsansätze für aktuelle Entwicklungen

zu bieten, aber auch Herausforderungen und künftige Ent-

wicklungsanforderungen zu identifizieren. Der Schwer-

punkt liegt dabei auf der Verbreitung und Nutzung digitaler

Medien im estnischen Bildungssystem.

Ein weiteres Projekt ist die IT-Academy,19 die von der

Stiftung getragen wird und Angebote zur Ausbildung im

Bereich IT macht. Sie wendet sich speziell an Lehrende,

die digitale Medien sinnvoll und fundiert in ihren Unterricht

einbinden möchten, macht aber auch Angebote zur pro-

fessionellen IT-Ausbildung an diejenigen, die nach ihrem

Schulabschluss eine professionelle Karriere im IT-Sektor

anstreben.

Darüber hinaus hat die Stiftung ein eigenes Learning

Repository20 angelegt, in dem eigens entwickelte digitale

Lernmaterialien hinterlegt sind, die im berufsbildenden

und hochschulischen Bereich eingesetzt werden können.

Alle Ansätze laufen unter einer Creative-Commons-Lizenz.

DATENBANK EHIS ALS WICHTIGE

INFORMATIONSINFRASTRUKTUR

Estland stellt seit 2005 mit ehis21 eine eigene Informa-

tionsdatenbank zur Verfügung, die alles Material rund

um das Thema digitales Lernen in Estland bündelt.

19 https://www.hitsa.ee/ikt-haridus/ita20 http://www.e-ope.ee/repositoorium 21 http://www.ehis.ee 22 Ebd.23 https://e-estonia.com 24 https://e-koolikott.ee

Die Datenbank enthält Informationen zu Bildungsein-

richtungen, Lernmaterial, Curricula und Abschlüssen.

Auch statistische Daten zum Bildungssystem und sogar

persönliche Daten von Schülerinnen und Schülern sowie

zu Lehrkräften wie zum Beispiel Abschlüsse, absolvierte

Fortbildungen und dergleichen werden hinterlegt. Zugang

haben sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehr-

kräfte und generell Lernende im estnischen Bildungs-

system. Dabei wird nicht nach Bildungsgang oder Fokus

(berufliches Lernen vs. privates Lernen) unterschieden.

Darüber hinaus dienen die Datenbank und die gespei-

cherten Informationen auch dem bildungspolitischen

Monitoring des Bildungssystems. Hier können Daten zu

Abschlüssen, zu stark oder weniger stark nachgefrag-

ten Bildungsgängen sowie generellen Bewegungen und

Entwicklungen im Bildungssektor analysiert und die

Ergebnisse für die bildungspolitische Weichenstellung

genutzt werden. Durch die Verschränkung von personen-

und institutionsbezogenen Daten ergeben sich weitere

Möglichkeiten, die in Estland gerne genutzt werden. So ist

es üblich, dass Schulabsolventinnen und -absolventen ihre

Daten aus dem System direkt an die Hochschule ihrer Wahl

übermitteln und sich auf diese Weise um einen Studien-

platz bewerben.22

GESAMTSYSTEM DIGITALER LERNANGEBOTE: DIE E-SCHOOL

Estland setzt beim digitalen Lernen auf digitale Lernma-

terialien und eine passende digitale Gesamtinfrastruktur.

In den letzten Jahren hat Estland die e-School eingeführt,

zu der e-Lessons, e-Textbooks und eine e-Schoolbag

gehören.23 Dahinter verbergen sich digitale Lehr- und

Lernmaterialien ebenso wie die Software-Architektur, die

nötig ist, um das Material geräteunabhängig und flexibel

im Unterricht zu nutzen. Auch eine digitale Lerncommu-

nity zählt dazu, die in der Schule eingesetzt wird und auch

den virtuellen Austausch mit den Eltern ermöglicht.

DIE E-SCHOOLBAG

Die e-Schoolbag24 ist ein digitales Portal, das vom est-

nischen Bildungsministerium ins Leben gerufen wurde

und digitales Lernmaterial für alle Schulformen, Schul-

stufen und Schulfächer enthält. Gesucht werden kann

mit Schlagworten oder auf Basis des Schulcurriculums.

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Alle verfügbaren und geprüften Materialien sind in diesem

Portal gebündelt und erleichtern so die Nutzung. Lehr-

kräfte können in der e-Schoolbag gezielt Material für

ihre Schülerinnen und Schüler zusammenstellen, es im

Unterricht nutzen oder auch für das Selbstlernen zur

Verfügung stellen. Das Material ist dabei nicht auf Texte

begrenzt, sondern enthält auch digitale Lernspiele sowie

interaktive Aufgaben. Durch die Datenbankstruktur lassen

sich Statistiken zur Nutzung des Materials erstellen und

auswerten. Auf diese Weise können Lehrende nicht nur

sehen, welche Materialien gerne genutzt wurden und wel-

che weniger, sondern auch verstehen, wo Schwierigkeiten

liegen, und das Material entsprechend anpassen.

Das estnische Bildungsministerium hat eigene Qualitäts-

standards für digitales Lernmaterial und die digitale Infra-

struktur an Schulen definiert. Mitgedacht wurden hier

auch die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigung,

sodass auch für sehr unterschiedliche Lernende Material

zur Verfügung steht.25

Die Inhalte kommen dabei vorrangig von dem privaten

Unternehmen OPIQ, das Lernmaterial erstellt, prüft und

geräteunabhängig aufbereitet. Die Inhalte sind geprüft

und an die Anforderungen der Curricula angepasst, kön-

nen also von den Lehrenden sicher verwendet werden.26

Schülerinnen und Schüler müssen dadurch nicht mehr

mehrere Lehrbücher bei sich haben, sondern können die

digitalen Ressourcen nutzen.

Darüber hinaus gibt es Angebote für spezielle Unterrichts-

erfordernisse, etwa für den naturwissenschaftlichen

Unterricht, indem die Produkte von Foxcademy, also

interaktive Spiele, Simulationen, 3D-Modelle, Animatio-

nen, Videos und dergleichen, genutzt werden. Roboversity

beispielsweise ist ein spezielles Spiel, um Lernende schon

frühzeitig für das Thema Robotik zu begeistern, etwa im

Rahmen von Bootcamps oder Nachmittagsangeboten.27

Welches Lernmaterial von welchem Hersteller kommt,

ist dabei für jede Person transparent und einsehbar. Die

Informationen sind frei verfügbar und leicht auffindbar auf

der estnischen Webseite e-Estonia,28 die alle Informatio-

nen rund um das digitale Estland bündelt.

25 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2014, S. 16 26 https://www.opiq.ee 27 https://robotex.ee/roboversity28 https://e-estonia.com29 http://e-koolokott.ee30 Die Verschlagwortung kann anhand konkreter Lernmaterialien auf der estnischen Webseite der e-Schoolbag (https://e-koolikott.ee) ausprobiert werden.

EINHEITLICHE VERSCHLAGWORTUNG FÜR DIE METADATEN

Um eine digitale Gesamtinfrastruktur zu ermöglichen,

wurde eigens eine Verschlagwortung entwickelt, die

landesweit in den Metadaten aller Materialien verwendet

wird. Auf diese Weise entsteht ein solider Materialkatalog,

der orts- und zeitunabhängig genutzt werden kann und ein

leichtes Auffinden der gewünschten Materialien ermög-

licht. Die Verschlagwortung ist eng mit dem Curriculum

verknüpft, sodass Material auch gezielt anhand des Curri-

culums und der dort verorteten Lernziele gesucht werden

kann.29

Jedes Material, das eingestellt wird, muss verschiedene

Informationen enthalten, zum Beispiel wer der Autor oder

die Autorin ist, wann es erstellt und hochgeladen wurde,

für welche Altersgruppe und Schulart es geeignet ist,

welche Kompetenzen damit vermittelt werden können,

wo sich fächerübergreifende Themen anbieten und unter

welcher Lizenz das Material verwendet werden kann.

Zusätzlich gibt es auf inhaltlicher Ebene ein Tagsystem,

das vergleichbar ist mit der Logik von Tagsystemen, wie

sie auch bei Blogs Anwendung finden. Jedes Material kann

mit inhaltlichen Tags versehen werden, die Interessierten

zeigen, worum es geht – zum Beispiel, ob es sich um eine

konkrete Anleitung in einem bestimmten Themenbereich

oder eher um Hintergrundwissen in einem anderen The-

menbereich handelt.30

KONTINUIERLICHE ENTWICKLUNG VON SCHULE

UND CURRICULUM

Die universitären Kompetenzzentren für Lehrkräfte-

bildung sind angehalten, eigene Curricula zu entwickeln,

die auf die Ziele der nationalen Strategie für Lebens-

langes Lernen 2020 einzahlen und sehr praxisorientiert

aufgebaut sind. Der Fokus soll dabei nicht allein auf der

Vermittlung neuer didaktischer Ansätze und Methoden in

der Lehrkräftebildung liegen, sondern auch Leadership-

Seminare für Schulleitungen beinhalten.

Neben theoretischem Wissen sollen auch ganz praktische

Kenntnisse darüber, wie sich neue Ansätze und Methoden

von Seiten der Schulleitung an der eigenen Schule einfüh-

ren lassen, vermittelt werden. Auch Qualitätsstandards

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für die Lehrkräftebildung werden von den Kompetenzzent-

ren definiert. So können etwa nur diejenigen eine Schullei-

tung übernehmen, die zusätzlich zum Hochschulstudium

drei Jahre relevante Berufserfahrung nachweisen und an

einem Kurs zur Managementausbildung im Umfang von

240 Stunden teilgenommen haben. Die Kurse werden an

den Universitäten Tartu und Tallinn angeboten und können

dort auch mit neun ECTS-Punkten auf einen Masterstu-

diengang in Schulmanagement angerechnet werden.

Zusätzlich soll es regelmäßige Entwicklungsgesprächs-

zirkel an den Bildungseinrichtungen geben, die speziell auf

das Etablieren neuer Lernansätze hin ausgerichtet sein

sollen. Es obliegt hier der Schulleitung, die Lehrenden zu

motivieren, ihre Schülerinnen und Schüler individuell zu

fördern, sich selbst weiterzubilden und sich in die Schul-

entwicklung einzubringen.31

KOMPETENZSTANDARDS UND SCHULLEITUNGSENTWICKLUNG

Estland hat für den Schulsektor eigens Kompetenzstan-

dards definiert. Die Kompetenzstandards für Lehrende

und Schulleitungen werden von den Verbänden der Schul-

leitungen, von Einrichtungen der Bildungsforschung und

vom estnischen Bildungsministerium entwickelt. Digita-

lisierung und der Umgang mit digitalen Medien ist hier ein

wichtiger Bestandteil. Die Auswahl neuer Schulleitungen

soll sich künftig an den Kompetenzen der Kandidaten und

Kandidatinnen in diesem Bereich orientieren. Das estni-

sche Bildungsministerium plant ein Trainingsprogramm

für Schulleitungen, um die besten Personen auswählen zu

können.

Zusätzlich soll durch Bildungsministerium und Schulträger

ein Assessment für Schulleitungen entwickelt werden.

Es soll regelmäßiges Feedback für Schulleitungen bieten,

ihre Leistungen herausstellen und Vorschläge für weitere

Entwicklungsperspektiven oder Trainings unterbreiten.

Die Qualitäts- und Kompetenzstandards dienen dabei als

Basis für die Beurteilung.32

Um landesweit ein weitgehend einheitliches Level in Be-

zug auf Qualitäts- und Kompetenzstandards zu erhalten,

gibt es regelmäßige Assessments, die von den Verbänden

der Schulleitungen durchgeführt werden.33

31 Vgl. http://www.schoolleadership.eu/portal/resource/school-leadership-estonia32 Vgl. Estonian Ministery of Education and Research 2014, S. 1233 Vgl. ebd., S. 1134 Ebd.35 http://www.schoolleadership.eu/portal/resource/school-leadership-estonia 36 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2014, S. 10

Darüber hinaus wird derzeit ein Rahmen zur Anerkennung

informell erworbener digitaler Kompetenzen entwickelt,

ebenso wie ein Assessmentsystem zur Messung dieser

Kompetenzen.34 Die zugrunde gelegten Kompetenzmodel-

le wurden basierend auf professionellen Standards von

Lehrkräften und Schulleitungen entwickelt und werden

derzeit pilotiert.

Ausgebildete Schulleitungen sollen in der Lage sein, sou-

verän das Schulcurriculum umzusetzen. Sie sind verant-

wortlich für die generelle Weiterentwicklung der Konzepte

der Schule und ihrer pädagogischen Leitbilder und für die

Organisation sämtlichen Schulgeschehens im Hinblick auf

Management und Organisation von Prozessen.35 Das Be-

sondere dieses Ansatzes ist die Verknüpfung von Kompe-

tenzstandards mit Assessment- und Trainingsansätzen:

Es wird nicht nur ein Kompetenzstandard festgesetzt, der

künftig leitend sein soll, sondern auch ein Auswahlverfah-

ren auf diesen Standards begründet. Dies stellt in Verbin-

dung mit Trainingsangeboten, die dabei unterstützen, die

Kompetenzstandards zu erreichen, einen innovativen An-

satz in der Fortbildung und Auswahl von Schulleitungen dar.

LEHRKRÄFTEBILDUNG

In seiner nationalen Strategie für Lebenslanges Lernen

2020 setzt Estland sich auch mit der Frage der Schul-

entwicklung auseinander. Ein besonderes Augenmerk

liegt hier auf der Lehrkräfteausbildung. Die Universitäten

Tallinn und Tartu sind hierfür in Estland zuständig und

sollen bis 2020 eigene Kompetenzzentren aufbauen, die

sich mit Bildungsforschung und der Entwicklung von

Strategien zur Umsetzung der nationalen Bildungsziele

befassen. Auch Kooperationen zwischen Hochschule und

Wirtschaft sollen hier gestärkt werden. Für beide Uni-

versitäten ist die Verbesserung der Lehrkräftebildung und

Bildungsforschung generell als höchste Priorität für die

nächsten Jahre durch das estnische Bildungsministerium

festgelegt worden. Die Bemühungen der Kompetenzzen-

tren werden regelmäßig durch externe Sachverständige

beurteilt.36

Erklärte Ziele der Kompetenzzentren sind, die Attraktivi-

tät des Lehrberufs zu steigern, die Schulpraxis effizienter

zu gestalten und Theorie und Praxis zu verzahnen, gute

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Praxisbeispiele aus der ganzen Welt zu sammeln, ebenso

wie methodisches Wissen innerhalb Estlands zu analysie-

ren und in alle Bildungseinrichtungen Estlands zu tragen.

Ein besonderes Augenmerk soll dabei auch auf der Ent-

wicklung digitaler Innovationen für den Bildungsbereich

liegen.37

Angebote der Lehrkräftefortbildung gibt es speziell zum

Thema digitales Lernen. Nur Kurse, die den Qualitäts-

standards entsprechen, werden von staatlicher Seite be-

zuschusst.38 Digitale Lernmaterialien sollen entwickelt und

gleich in die Kurse integriert werden, um den Kompetenz-

aufbau in diesem Bereich bei Lehrenden voranzutreiben.39

LEHRBERUF ATTRAKTIVER GESTALTEN

Das estnische Bildungsministerium hat in seiner bildungs-

politischen Strategie verschiedene Ziele definiert, um den

Lehrberuf zu stärken und den Aufbau digitaler Kompeten-

zen bei Lehrkräften zu verbessern. So sollen zum Beispiel

die Verdienstmöglichkeiten von Lehrenden deutlich ver-

bessert werden, um den Lehrberuf attraktiver zu machen.

Ansätze, die hier gewählt wurden, beinhalten etwa die

Möglichkeit des Quereinstiegs in den Lehrberuf für Men-

schen mit Berufserfahrung, die älter als 35 Jahre sind.

In Zusammenarbeit mit den estnischen Hochschulen

wurden Lernmodule entwickelt, die dabei unterstützen

sollen, die benötigten Kompetenzen zu erwerben. Ein

besonderes Augenmerk wurde auf die Vereinbarkeit von

Familie und Beruf gelegt, sodass ein familienfreundlicher

Einstieg in den Lehrberuf möglich wird. Zusätzlich soll

das Lohnniveau von Lehrkräften an kommunalen Schulen

angehoben werden. Bis 2019 soll es 20 Prozent über dem

nationalen Durchschnitt von 2016 liegen.40

Die Angebote für Fortbildungen im Bereich digitales Ler-

nen sollen weiterhin ausgebaut werden. Bei der Förde-

rung von Projekten zum digitalen Lernen liegt der Fokus

besonders auf denjenigen Projekten, die einen Transfer

von Ergebnissen und Material, Erfahrungen, Umsetzungs-

strategien und dergleichen für andere Schulen ermög-

lichen.41

37 Vgl. ebd.38 Vgl. ebd., S. 939 Vgl. ebd., S. 1540 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2016, S. 14 ff.41 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2014, S. 11 ff.42 https://digipeegel.ee 43 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2014, S. 944 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2016, S. 14 ff.

DAS SELF-ASSESSMENT-TOOL DIGIPEEGEL

Mit Digipeegel (= Digitaler Spiegel) hat das estnische

Bildungsministerium ein bemerkenswertes digitales Self-

Assessment-Tool ins Leben gerufen, das Schulen nutzen

können, um die eigene digitale Reife beurteilen zu können.

Indikatorenbasiert können Schulen sich selbst einschät-

zen und ihre eigene Entwicklung im Bereich digitales

Lernen überprüfen. Zusätzlich stehen Expertinnen- und

Expertenteams bereit, die die Schulen bei ihrer Ent-

wicklung vom digitalen Nutzer hin zum Ersteller digitaler

Materialien begleiten.42

Digipeegel erlaubt die virtuelle Kooperation zwischen

Lehrkräften und Bildungsinstitutionen und fördert den

regelmäßigen Austausch untereinander mit dem Ziel, von-

einander zu lernen und gemeinsame Projekte ins Leben zu

rufen. Dabei geht es auch um die Kontrolle in Bezug auf das

Erreichen von Kompetenz- und Qualitätsstandards sowie

darum, wie sich die Standards an der eigenen Einrichtung

und im eigenen Handlungsbereich erreichen lassen. Hier

wird ganzheitlich gedacht. So soll es eben nicht nur darum

gehen, Lehrende und Schulleitungen zum Austausch zu-

sammenzubringen, sondern auch die Lernenden selbst,

die Eltern, die Schulträger und weitere beteiligte Einrich-

tungen des öffentlichen und privaten Sektors.43

Die Grundgedanken des Digitalen Spiegels basieren auf

den Überlegungen des kanadischen Bildungsforschers

Michael Fullan.44 Dabei wird vor allem die Veränderung

des Lernansatzes durch den innovativen Einsatz digitaler

Medien im Unterricht in den Vordergrund gestellt. Das Tool

erlaubt nicht nur die Beurteilung der eigenen digitalen

Reife, sondern auch die konkrete Planung der Umsetzung

weiterer Entwicklungsschritte in Bezug auf digitales Ler-

nen für die eigene Schule. Das Kernstück bildet die

Beurteilungsmetrik. Unterschieden werden fünf Schritte,

die Entwicklungsziele innerhalb der Nutzung digitaler

Medien markieren und deren Bedeutung hier kurz exempla-

risch beschrieben wird:

Episodischer Gebrauch: Digitale Werkzeuge werden im

Rahmen des traditionellen Lernens in Einzelfällen ein-

gesetzt.

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Schulinterne Koordination: Mit digitalen Tools werden

neue Ansätze und Lernprozesse getestet und der Aus-

tausch von Erfahrungen zwischen Lehrenden ermöglicht.

Änderung der Lernprozesse: Auf Schulebene werden sys-

tematische Änderungen an der Organisation des Lernens

vorgenommen, die auf einem kohärenten, wissenschaft-

lich fundierten Rahmen beruhen und die Schülerinnen und

Schüler mit einbeziehen.

Allgegenwärtige digitale Kultur: Integrierte Technologien

werden zu einem unmerklichen und allgegenwärtigen

Bestandteil der Arbeits- und Lernumgebung, sodass

Schülerinnen und Schüler ihre persönliche digitale Lern-

umgebung erhalten, die sie nach eigenen Bedürfnissen

selbst gestalten können.

Innovationen anstoßen und einführen: Digitale Schullern-

dienste werden über die Schule hinaus ausgebaut, agile

(adaptive, flexible) Lernpfade werden eingeführt und die

Schülerinnen und Schüler übernehmen die Verantwortung

für die Gestaltung ihrer eigenen Lernpfade und teilweise

für das Unterrichten anderer.

Digipeegel folgt einem gedachten Entwicklungsprozess,

der die Stufen Ersatz – Bereicherung – Verbesserung – In-

tegration – e-Durchbruch umfasst. Das Modell ist im Sinne

von Entwicklungsstufen zu verstehen, wobei eine Schule

nicht notwendigerweise in allen Bereichen auf derselben

Entwicklungsstufe stehen kann und wird.

1.1Arbeitspraktiken im

digitalen Zeitalter und digitale Kompetenzen

1.2 Studienorganisation

1.3 Rolle der Lehrenden

und Lernenden

1.4 Lehrbuch und Lernzentrum

1.5 Lernziel und Bewertung

2.1 Strategische

Planung

2.2 Inklusion und Partnerschaft2.3

Überwachung und Analyse

2.4 Erfahrungsaustausch

2.5 Unterstützung, Führung

und Motivation

3.1 Netzwerk- und

digitale Sicherheit

3.2 Ausrüstung

3.3 IT-Management

3.4 Helpdesk/Support

3.5 Software und

Dienstleistungen, Informationssysteme

Abb. 3: Beispiel einer Selbsteinschätzungs-Matrix aus Digipeegel

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Das Self-Assessment-Modell selbst wurde von der Uni-

versität Tallinn in Zusammenarbeit mit der Stiftung HITSA

entwickelt. Die dem Modell hinterlegte Skala basiert auf

dem EduVista-Modell der Reife von Organisationen, das

2014 vom Projekt iTEC (Innovative Technologies for Enga-

ging Classrooms) von European Schoolnet erstellt wurde.

Das komplette Modell inklusive aller Skalen ist online ein-

sehbar und kann eigenständig heruntergeladen werden.45

Fokussiert werden hier Themen wie die Veränderung des

didaktisch-methodischen Repertoires, die strategische

Planung im Hinblick auf den Umgang mit Veränderungen

oder auch der IT-Support. Die Abbildung 3 zeigt den grund-

legenden Aufbau des Modells und die Indikatoren

als solche.

45 https://www.dropbox.com/s/0nb7ke20fomjety/Kooli_digikupsuse_hindamismudel.pdf?dl=046 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2014, S. 1647 Vgl. OECD 2015a, S. 5 ff.48 http://www.educacionyfp.gob.es/prensa/actualidad/2019/07/20190717-digitalessummit.html 49 Vgl. OECD 2018b, S. 4

MODERNISIERUNG DER INFRASTRUKTUR – EIGENE

AUSSTATTUNG FÜR JEDE LEHRKRAFT

Insbesondere in Bezug auf den Aufbau schulischer Infra-

struktur soll die Ausstattung der Schulen so modernisiert

werden, dass in allen Klassenräumen die Präsentation von

digitalen Medien möglich wird, zum Beispiel durch Beamer,

Whiteboards oder Tablets.

Hervorzuheben ist, dass Estland jeder Lehrkraft eine

eigene digitale Ausstattung stellt: Lehrende werden hier

also standardmäßig mit den benötigten digitalen Geräten

ausgerüstet. Zusätzlich soll es Unterstützungsangebote

geben für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die sich

keine eigenen digitalen Geräte zum Lernen leisten können

oder besondere Bedürfnisse, etwa aufgrund von Beein-

trächtigung, haben und entsprechende Unterstützungs-

systeme benötigen.46

4.2 Spanien

Spanien ist in den letzten Jahren vor allem bedingt durch

seine hohe Jugendarbeitslosigkeit in bildungspolitischer

Hinsicht in den Medien präsent gewesen. Schaut man in

die PISA-Daten, bietet das Land dennoch einen soliden

Durchschnitt in Bezug auf die Leistungen seiner Schüle-

rinnen und Schüler, egal ob es um Lesekompetenz oder

mathematisch-naturwissenschaftliche Kompetenzen

geht. Auch die Drop-out-Raten von Schülerinnen und

Schülern, die die Schule ohne Abschluss verlassen, haben

sich deutlich verbessert.47

Das Bewusstsein für die Rolle digitaler Medien im Bildungs-

sektor ist in den vergangenen Jahren auch in Spanien

deutlich stärker geworden – so sprach die Bildungsminis-

terin Isabel Celaá jüngst auf einer wichtigen spanischen

Digitalkonferenz über die Notwendigkeit, eine eigene

digitale Strategie für den spanischen Bildungssektor zu

entwickeln.48 Spanien hat in den letzten Jahren bereits eine

ganze Reihe von bildungspolitischen Herausforderungen

adressiert und Initiativen angestoßen, um insbesondere

die berufliche Ausbildung in Spanien zu stärken. Auch das

digitale Lernen rückt nun zunehmend mehr ins Zentrum

der politischen Aktivitäten und gewinnt das Interesse der

bildungspolitischen Akteure. Entsprechend interessant

ist der Blick auf die Bemühungen, die Spanien unternimmt,

um diese Herausforderungen zu meistern und welche

Rolle dabei digitale Ansätze spielen.

Zusätzlich ist Spanien aus der deutschen Perspektive

auch deshalb interessant, weil das spanische Bildungs-

system ähnlich wie in Deutschland dezentral organisiert

ist. Die spanische Zentralregierung definiert Rahmen und

Richtlinien, die autonomen Regionen Spaniens jedoch

kümmern sich um die Ausgestaltung und stellen die Wei-

chen im Hinblick auf die alltägliche politische Gestaltung.

Dazu gehört auch die Verwaltung der öffentlichen Aus-

gaben für das Schulsystem.49

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DAS SPANISCHE SCHULSYSTEM

Das spanische Schulsystem ist ein Gesamtschulsystem,

das in Primarstufe und Sekundarstufe unterteilt wird.

Zusätzlich gibt es frühkindliche Bildungsangebote, ähnlich

wie Krippe und Kindergarten in Deutschland. Der Besuch

des Kindergartens ist bereits für Kinder unter einem Jahr

möglich und bis zum Alter von drei Jahren freiwillig. Ab

dem Alter von drei Jahren ist der Besuch des Kindergar-

tens verpflichtend.

Die Schulpflicht beginnt in Spanien im Alter von sechs

Jahren. Die Grundschule, das sogenannte Colegio, wird

im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren besucht und

dient der Allgemeinbildung. Der Besuch ist kostenfrei, die

Finanzierung des Schulsystems wird durch die öffentliche

Hand geleistet. Das spanische Schulsystem ist ein Voll-

zeitschulsystem. Die Schulen können selbst bestimmen,

ob sie mit einer längeren Mittagspause arbeiten – dann

geht der Schultag bis 17:00 Uhr – oder die Mittagspause

ausfallen lassen und den Schultag bis 14:00 Uhr beenden.50

Erst im Alter von zwölf Jahren beginnt für Kinder die

Sekundarschule, die bis zum Alter von 16 Jahren besucht

wird und ebenfalls verpflichtend ist. Am Ende steht das

schulische Abschlusszertifikat, das auch zum Besuch

weiterer Bildungseinrichtungen befähigt. Die allgemeine

Schulpflicht endet in Spanien im Alter von 16 Jahren.

50 https://www.donquijote.org/es/cultura-espanola/tradiciones/educacion51 Vgl. Europäische Kommission o. D. a

Abb. 4: Das spanische Schulsystem

Wer sich für eine weitere schulische Ausbildung entschei-

det, kann innerhalb von zwei Jahren seinen Bachillerato

an der Sekundarschule erwerben. Der Bachillerato ähnelt

dem deutschen Abitur, lässt sich aber sowohl mit einer

akademischen als auch einer beruflichen Orientierung

absolvieren. Der Bachillerato befähigt zum anschließen-

den Besuch der Universität ebenso wie zum Besuch der

berufsbildenden Einrichtungen.

Je nachdem, welche Ausrichtung des Bachillerato ab-

solviert wurde, schließt sich ein klassisches Universi-

tätsstudium oder der Besuch einer berufsschulischen

Einrichtung an, um ein Berufszertifikat zu erwerben. In

den letzten Jahren hat Spanien insbesondere im Bereich

der beruflichen Bildung Schritte unternommen, nach

deutschem Vorbild eine engere Verzahnung von prakti-

scher und schulischer Ausbildung einzuführen.51

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Grundschule(6 bis 12 Jahre)

Universität

Berufsschule(Bachillerato)

Höhere Sekundarschule(Bachillerato)

Höhere Technische Schule

Schu

lp�icht

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2

Alter

0

Kindergarten(ab 0 Jahre, verp�ichtend ab 3 Jahre)

Sekundarschule

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Das spanische Schulsystem wird durch die öffentliche

Hand finanziert. Es gibt kein Schulgeld, das von den

Eltern bezahlt werden müsste. Zusätzlich zu öffentlichen

Schulen gibt es jedoch einige private Schulen, zumeist von

der katholischen Kirche geführt, die jedoch ebenfalls von

der öffentlichen Hand mitfinanziert werden und sich auf

Systemebene nicht von den öffentlichen Schulen unter-

scheiden.

Insgesamt hat Spanien derzeit etwa 30.000 Schulen,

aufgeteilt in Grund- und Sekundarschulen, inklusive der

Bildungsangebote der frühkindlichen Bildung und der

beruflichen Bildung. In Spanien werden all diese Angebote

unter dem Begriff „Centros Educativos“ zusammenge-

fasst.52

Spanien hat seine Bildungsausgaben in den letzten Jahren

reduziert und gibt derzeit im Vergleich zu den übrigen

OECD-Ländern leicht unterdurchschnittlich viel Geld für

sein Bildungssystem aus. Pro Jahr investiert Spanien in

der Primarstufe ca. 7.300 US-Dollar und in der Sekundar-

stufe ca. 9.000 US-Dollar pro Schüler bzw. Schülerin.53

Die Gesamtausgaben, die Spanien für sein Schulsystem

tätigt, betragen 3,1 Prozent seines BIPs. Zum Vergleich: In

Deutschland sind es 3 Prozent vom BIP; der OECD-Durch-

schnitt liegt bei 3,5 Prozent vom BIP.54

GESETZ ZUR VERBESSERUNG DER BILDUNGSQUALITÄT

Bereits 2013 hat die spanische Regierung das Gesetz zur

Verbesserung der Bildungsqualität verabschiedet. Das

sogenannte LOMCE 55 regelt umfängliche Maßnahmen und

Verbesserungen für das spanische Bildungssystem und

enthält dabei auch Ansätze, die sich explizit auf die Digi-

talisierung des Bildungssystems beziehen. Tatsächlich

bildet der Fokus auf Informations- und Kommunikations-

technologien im Bildungssektor einen von drei Schwer-

punkten.56

Bemerkenswerterweise wird davon ausgegangen, dass

Technologien den Bildungssektor immer geprägt und ver-

ändert haben – die Digitalisierung des Bildungsbereichs

wird also weniger als Bedrohung wahrgenommen denn als

normale Entwicklung. Verbesserungen erhofft man sich

52 Vgl. Ministerio de Educación y Formación Profesional 2019, Table B1.1.53 Vgl. OECD 2019 sowie OECD 2018a54 Vgl. OECD 2019, S. 286 55 Gobierno de Espana 2013 - LOMCE56 Vgl. LOMCE, S. XI57 Vgl. ebd.58 Vgl. ebd., Artículo 2159 Vgl. ebd., Artículo 2460 Vgl. ebd., Artículo 122.3

insbesondere im Erwerb nicht-kognitiver Fähigkeiten, vor

allem bei der Entwicklung personaler-sozialer Kompeten-

zen. Dabei wird auch die Frage gestellt, inwieweit Klassen-

und Bildungsräume neu gedacht werden müssen. Dies

wiederum wird eng verknüpft mit den Möglichkeiten, die

Technologie tatsächlich für Bildung bietet.57

Der Einsatz von digitalen Medien im Unterricht und gene-

rell im Bildungssystem wird dabei als besonders wichtig

betrachtet. Vor allem der personalisierte Unterricht bzw.

das individualisierte Lernen soll starkgemacht werden.

Ein ausdrückliches Augenmerk wird auf die Möglichkeiten

des Einsatzes neuer Technologien in der Lehrkräfteaus-

bildung gelegt.

Im Gesetz ist festgeschrieben, dass die digitalen Kom-

petenzen der Schülerinnen und Schüler am Ende des

sechsten Schuljahres der Primarstufe erhoben werden

sollen.58 Generell wird der Umgang mit Technologie als

Querschnittsthema gesehen, das in allen Fächern Eingang

finden soll.59

Um Lehramtsstudium und Schulforschung aufzuwerten,

sollen an den Forschungszentren der Hochschulen mehr

Initiativen zur Verbesserung der Lehrkräfteausbildung,

zur Förderung schulischer Leistungen von Schülern und

Schülerinnen, zur spezifischen pädagogischen Unter-

stützung oder der Entwicklung guter digitaler Inhalte und

Formate entstehen.60

VORGABEN ZUR NUTZUNG VON INFORMATIONSSYSTEMEN AUF

NATIONALER EBENE

Das spanische Bildungsministerium gibt gesetzlich ge-

regelt vor, welche digitalen Informationssysteme die

Regionen in ihren Schulen einsetzen müssen. Auch wird

festgeschrieben, dass diese Systeme sowohl die adminis-

trative als auch die akademische Selbstverwaltung in den

Schulen erlauben müssen. Auch der Einsatz zur Lern-

unterstützung soll möglich sein. Gleichsam müssen die

eingesetzten Systeme bestimmte Sicherheitsstandards

erfüllen und bestimmte Kompatibilitätsanforderungen

abdecken – zum Beispiel damit Daten für die Bildungssta-

tistik problemlos erhoben und übermittelt werden können.

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Dabei gibt das Gesetz nicht vor, welches System zu nutzen

ist, sondern regelt lediglich, dass bestimmte Rahmen-

bedingungen einzuhalten sind. Welche Kriterien genau

greifen sollen, muss separat in den Regionen entwickelt

werden. Einige Vorgaben ergeben sich hier schon aus dem

Gesetz zum elektronischen Zugang der Bürger zu öffentli-

chen Daten von 2007.61

Ebenfalls im Gesetz geregelt ist, dass die virtuellen Lern-

umgebungen, die in Schulen zum Einsatz kommen, nicht

nur durch öffentliche Mittel finanziert werden, sondern

auch die Umsetzung von Bildungsplänen, die in den Schu-

len entworfen und entwickelt werden, erleichtern sollen.62

Zusätzlich ist es erklärtes Ziel, das Konzept des Klassen-

zimmers mittelfristig zu hinterfragen und den Schülerin-

nen und Schülern zu jeder Zeit und von jedem Ort aus den

Zugang zu Lernumgebung und Lernmaterialien zu ermög-

lichen – und dabei die Barrierefreiheit mitgedacht.

AUSHANDLUNGSPROZESS FÜR DIGITALE LERNMEDIEN

Welche Inhalte und vor allem welche Formate für digitale

Lernmedien verwendet werden, wird in einem gemeinsa-

men Prozess zwischen den Regionen und dem nationalen

Bildungsministerium festgelegt. Der Fokus liegt hier auf

der Nutzbarkeit aller Inhalte und Formate unabhängig

von der Plattform, auf der sie hinterlegt sind. Es geht

also auch hier um Kompatibilität und Durchlässigkeit für

verschiedene Formate und Ansätze. Zusätzlich plant das

Bildungsministerium, für alle Bildungsbereiche Inhalte

über eine digitale Plattform zur Verfügung zu stellen, die

von allen Beteiligten sicher genutzt werden können und

die inhaltlich und methodisch geprüft sind.63 Außerdem

ist geregelt, dass gemeinsam mit dem Bildungsminis-

terium und den Regionen ein Bezugsrahmen für digitale

Kompetenzen des Lehrpersonals entwickelt wird.64

REFERENZRAHMEN FÜR DIGITALE KOMPETENZEN BEI LEHRKRÄFTEN

Das spanische Bildungsministerium hat einen Referenz-

rahmen für die Beurteilung und Entwicklung von digitalen

Kompetenzen für Lehrkräfte entwickelt.65 Federführend

war hier das Instituto Nacional de Tecnologías Educativas

y Formación del Profesorado (INTEF) tätig. Der Kompe-

tenzrahmen baut auf dem Europäischen Referenzrahmen

für digitale Kompetenzen für Lehrende (DigiCompEdu) auf

und unterscheidet fünf Bereiche:

61 Vgl. ebd., Artículo 111.162 Vgl. ebd., Artículo 111.263 Vgl. ebd., Artículo 111.464 Vgl. ebd., Artículo 111.665 Vgl. INTEF 2017

1. Basics und Informationskompetenz

2. Kommunikation und Zusammenarbeit

3. Digitale Inhalte erstellen

4. Sicherheit

5. Problemlösekompetenz

Insgesamt 21 Kompetenzen werden adressiert und in

diese fünf Bereiche eingeordnet. Dem sind sechs unter-

schiedliche Kompetenzstufen übergeordnet: A1 und A2

(Grundstufen), B1 und B2 (Mittelstufen) und C1 und C2 (Fort-

geschrittenen-Stufen).

INSTITUTO NACIONAL DE TECNOLOGÍAS EDUCATIVAS Y DE

FORMACIÓN DEL PROFESORADO (INTEF)

Das INTEF ist eine Einrichtung des Bildungsministeriums,

die sich allein mit technischen Innovationen in der Bildung

und der Lehrkräftebildung befasst. Innerhalb des Instituts

werden verschiedene Aktivitäten gebündelt, die sowohl

der Erforschung des Einsatzes von Technologie in der

Bildung dienen, als auch Praxisprojekte ins Leben rufen.

Zusätzlich liefert das Institut eine Fülle an Berichten, die

mal daten- und forschungsorientiert sind und mal in die

praktische Handhabung von Technologien einführen,

etwa in die Handhabung von Joomla als Content-Manage-

ment-System.

Ein Bestandteil der Arbeit ist eine virtuelle Bibliothek, in

der Artikel und Berichte hinterlegt sind, die von Lehrkräf-

ten verfasst werden und sich mit digitalen Innovationen im

Klassenzimmer beschäftigen sowie praktische Hilfestel-

lung beim Einsatz verschiedener digitaler Lernwerkzeuge

bieten. Jeder Artikel enthält eine Bewertung des Autors

bzw. der Autorin und eine Empfehlung für den Einsatz. Die

Themen sind breit angelegt und befassen sich mit unter-

schiedlichsten Ansätzen, Technologien und Angeboten.

Lehrende können Ideen äußern und Artikel anbieten. Die

Verbreitung der Artikel erfolgt über die Webseite des Insti-

tuts selbst und vor allem über Social Media.

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CONNECTED SCHOOLS

Das Projekt Connected Schools ist ein Gemeinschaftspro-

jekt des INTEF mit dem spanischen Wirtschaftsministe-

rium und dem spanischen Telekommunikationsanbieter

red.es. Ziel ist die Ausstattung aller spanischen Schulen

mit schnellem Internet bis zum Jahr 2020. Das Projekt

erhält zusätzlich eine Förderung der Europäischen Kom-

mission.66 Die Umsetzung erfolgt in zwei Phasen. Zum

Zeitpunkt der Recherche waren keine genauen Zahlen zum

Umsetzungsstand zu finden. Laut Informationen auf der

Webseite des INTEF sind die Regionen, die an der ersten

Phase teilgenommen haben, aber weitgehend bearbeitet

und die Regionen aus der zweiten Phase befinden sich

aktuell in der Ausschreibung für die Telekommunikations-

anbieter.67

Zu den weiteren Angeboten gehören Schulungen für

Lehrkräfte, die sich im Umgang mit Robotik und Program-

mieren fit machen und beides in den Unterricht integrie-

ren möchten, Kurse und Material zur sicheren Nutzung

des Internets und zur Vermittlung von Medienkompetenz

oder auch das AbiesWeb, mit dessen Hilfe Schulen ihren

eigenen Bibliothekskatalog verwalten und digitalisieren

können. Auch die Verwaltung der Ausleihe ist möglich,

ebenso wie der Versand von Mails oder Newslettern.

AULA DEL FUTURO

Ein weiterer Ansatz ist das Projekt Aula del futuro, bei

dem es darum geht, das Konzept des Klassenraums

flexibler zu denken. Integraler Bestandteil ist die Nutzung

eines Whiteboards. Lehrende, die teilnehmen möchten,

werden in e-Twinning-Workshops geschult.68 Im Fokus

steht die Idee, dass der Klassenraum der Zukunft ein

flexibles Konstrukt ist und entsprechend ausgestattet

und eingerichtet sein muss, sodass er flexibles Arbeiten

und Lernen ermöglicht. Aus den Projektansätzen ist ein

nationales Netzwerk entstanden, in dem Botschafter und

Botschafterinnen die Idee des flexiblen Klassenzimmers

in alle Regionen Spaniens tragen. Der Einsatz digitaler

Technologien ist dabei integraler Bestandteil. Schulen, die

ein flexibles Klassenzimmer einrichten möchten, können

auf der Webseite des Projekts69 ein Toolkit mit Ressourcen

herunterladen, die für die Umsetzung hilfreich sind. Einen

ähnlichen Ansatz verfolgt die Samsung Smart School. Das

66 https://www.red.es/redes/es/que-hacemos/e-educaci%C3%B3n 67 https://intef.es/tecnologia-educativa/escuelas-conectadas68 E-Twinning ist eine europäische Lehrkräfte-Community, die allen interessierten Lehrpersonen in Europa die Möglichkeit zum Austausch, zum Lernen und zu gemeinsamen Projekten bietet.69 http://fcl.intef.es70 http://www.escuela20.com/escuela20-educacion-recursos-educativos/espanol/inicio_24_1_ap.html 71 http://www.escuela20.com/articulos-familia-crianza/familias/buenas-practicas_7_1_ap.html

Projekt fokussiert das Lernen mit mobilen Endgeräten und

wird in mehreren Regionen Spaniens durchgeführt. Der

Einsatz der Geräte wird wissenschaftlich begleitet, mit

dem Ziel, Leitlinien für den guten Einsatz zu entwickeln.

Der Einsatz der Geräte erfolgt in der fünften und sechs-

ten Klasse. Im Grundsatz ist das Projekt vergleichbar mit

vielen deutschen Tablet-Klassen.

ESCUELA 2.0

Ein weiteres Projekt, das das spanische Bildungsministe-

rium ins Leben gerufen hat, ist die Escuela 2.0.70 Hierbei

handelt es sich um einen breit angelegten Schulversuch,

der die Digitalisierung des Lehrens und Lernens in den

Blick nimmt. Im Fokus steht weniger die Ausstattung der

Schulen mit schnellem Internet und technischen Geräten

– wenngleich beides Bestandteil ist und hier nicht nur die

Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Lehrkräfte

mit technischen Geräten ausgestattet werden –, sondern

der Blick auf didaktische und methodische Möglichkeiten.

Im Vordergrund steht also die Ausbildung der Lehrkräfte,

digitale Mittel im Unterricht pädagogisch wertvoll einset-

zen zu können. Eine Besonderheit des Projekts ist, dass

die Familien mit einbezogen werden und auf der Webseite

des Projekts hilfreiche Hinweise dafür finden, wie sie die

Medienkompetenz ihrer Kinder stärken oder auch wie sie

mit spezifischen Problemen im Umgang mit der Digitalisie-

rung gut umgehen können.71 Das Projektbudget beträgt ca.

800 Millionen Euro und wird jeweils zur Hälfte vom nationa-

len Bildungsministerium und von den Regionen getragen.

ZERTIFIZIERUNGSPROGRAMM „TIC EN EDUCACIÓN“

(CASTILLA Y LEÓN)

Die Region Castilla y Léon hat ein Zertifizierungspro-

gramm für ICT-Technologien ins Leben gerufen, das

dort allen öffentlichen Schulen zur Verfügung steht. Die

Zertifizierung wird den Schulen verliehen und kann in drei

verschiedenen Graden erfolgen: der Erstzertifizierung,

der Verbesserung der vorherigen Zertifizierung oder der

Verlängerung der vorherigen Zertifizierung. Schulen kön-

nen sich für die Zertifizierung bewerben und reichen dafür

Vorschläge, geplante und bereits laufende Aktivitäten und

eine Übersicht über bereits vorhandene digitale Ressour-

cen ein. Ziel ist die Verbesserung der Unterrichtsqualität

an der jeweiligen Schule selbst, aber auch grundsätzlich in

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der gesamten Region Castilla y León, indem sich möglichst

viele Schulen um die Zertifizierung bemühen.72

TOOLKIT ZUR VERBESSERUNG DER EIGENEN DIGITALEN

KOMPETENZEN FÜR LEHRKRÄFTE

Ein Toolkit zur Verbesserung der eigenen digitalen Kompe-

tenzen kann auf der Webseite des INTEF heruntergeladen

werden.73 Es fokussiert die fünf Bereiche, die auch im

Kompetenzrahmen benannt werden: Basics und Informa-

tionskompetenz, Kommunikation und Zusammenarbeit,

Digitale Inhalte erstellen, Sicherheit und Support-Kit für

Online-Nachhilfe.

72 https://www.educa.jcyl.es/es/programas/certificacion-codice-tic-curso-2018-201973 http://formacion.intef.es/course/view.php?id=483#toggle-7 74 Vgl. OECD 2015a, S. 5 ff. 75 Vgl. European Schoolnet 201876 Vgl. OECD 2017 sowie OECD 2018c77 Vgl. Europäische Kommission o. D. b78 Vgl. Europäische Kommission o. D. c

Neben Erklärungen und Links gibt es hier Audio- und Vi-

deoangebote, Bilder und weitere Ressourcen. Das Toolkit

kann als eine Art Online-Ressource betrachtet werden, die

den Einstieg in die Themen erlaubt und auf weiterführen-

de Ressourcen verlinkt, die dabei helfen, sich bestimmte

Inhalte anzueignen, die für den Umgang mit der digitalen

Welt sinnvoll sind. Das Toolkit stellt keinen dramaturgisch

gestalteten Online-Kurs dar, sondern ist vor allem ein

heterogener Materialfundus für das eigene, selbstgesteu-

erte Lernen.

4.3 Tschechien

Betrachtet man die PISA-Daten zum tschechischen

Bildungssystems, dann bewegen sich die Leistungen der

tschechischen Schülerinnen und Schüler etwa im OECD-

Durchschnitt. Gerade im naturwissenschaftlichen und

im mathematischen Bereich sind die Leistungen in den

letzten Jahren eher gesunken als gestiegen, bei der Lese-

kompetenz ist es umgekehrt.74

In Tschechien korreliert der Schulerfolg stark mit dem

sozio-ökonomischen Status der Eltern – ein Effekt, den

man auch in Deutschland kennt.75 Gleichzeitig tut sich

Tschechien schwer mit der Adaptation neuer Medien in den

Alltag. Die Computerdichte in den Haushalten war bis in die

1990er-Jahre deutlich niedriger als in anderen Ländern.

Das hat sich inzwischen verbessert. Die private Internet-

nutzung ist nach wie vor noch nicht so hoch wie in anderen

Ländern, in den letzten Jahren aber deutlich gestiegen.76

Tschechien steht also vor der Herausforderung, in Sachen

Digitalisierung generell aufholen zu müssen. Hierfür

werden aktuell einige Anstrengungen unternommen. So

ist geplant, Standards für digitale Kompetenzen in die

Lehrkräfteausbildung zu integrieren, die derzeit entwi-

ckelt werden.

Tschechien hat in den letzten Jahren einiges unternom-

men, um die Qualität des Bildungssystems zu verbes-

sern. Zu diesem Zweck wurde 2014 eine Strategie für

die Bildungspolitik der tschechischen Republik bis 2020

formuliert.77 Hier wird bereits die Bedeutung der Ausein-

andersetzung mit digitalen Technologien für den Bildungs-

sektor betont. Zudem enthält sie strategische Ziele, etwa

zur Entwicklung digitaler Kompetenzen bei Lernenden

und Lehrenden oder zur Versorgung von Schulen mit der

notwendigen Infrastruktur. Auch die Notwendigkeit einer

eigenen Strategie für digitales Lernen wird hier hervor-

gehoben.

DAS TSCHECHISCHE SCHULSYSTEM

Die Schulpflicht beginnt in Tschechien im Alter von sechs

Jahren mit dem Besuch der Primarstufe. Spätestens ein

Jahr vor Schulbeginn müssen alle Kinder seit 2017 auch

den Kindergarten besuchen. Grundsätzlich steht der Kinder-

garten allen Kindern ab dem Alter von drei Jahren offen.78

Die Grundschule (1. Stufe) ist als Gesamtschulsystem orga-

nisiert und wird von allen Kindern bis zum Alter von zehn

Jahren durchlaufen. Danach fächert sich das tschechi-

sche Schulsystem auf. Kinder können entweder weitere

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vier Jahre auf der Grundschule (2. Stufe) verbringen oder

auf das Gymnasium wechseln, was den Eintritt in die Se-

kundarstufe kennzeichnet.

Die Schulpflicht endet grundsätzlich im Alter von 15 Jah-

ren. Wer sich für den Besuch der Grundschule (2. Stufe)

entschieden hat, kann mit dem Abschluss die Schule

verlassen. Das erworbene Zertifikat berechtigt aber auch

zum Besuch der Sekundarstufe. Wer die Sekundarstufe

anschließen möchte, kann auf das Gymnasium wechseln

und hier innerhalb weiterer vier Jahre sein Abschlusszerti-

fikat erwerben, das auch zum Studium an einer Hochschu-

le berechtigt. Das Äquivalent im beruflichen Bereich ist die

Technische Sekundarschule. Auch diese Schulform kann

mit dem Abschluss der Grundschule (2. Stufe) besucht

werden. Der Abschluss des Berufszertifikats dauert vier

Jahre, also genauso lange wie der gymnasiale Abschluss.

Auch mit dem Berufszertifikat ist das Studium an einer

Universität oder einer Berufshochschule möglich. Beide

Abschlussarten werden im tschechischen Bildungssystem

als gleichwertig eingestuft.

Eine Besonderheit des tschechischen Schulsystems ist,

dass der Wechsel auf das Gymnasium flexibel erfolgen kann.

Fällt die Entscheidung für das Gymnasium direkt nach der

Grundschule (1. Stufe), so kann das Gymnasium acht Jahre

lang besucht und mit dem gymnasialen Abschlusszertifikat

verlassen werden, das mit unserem Abitur vergleichbar ist.

Genauso kann aber zunächst auch die Grundschule

(2. Stufe) besucht werden und der Wechsel auf das Gymna-

sium nach zwei weiteren Jahren erfolgen. Der Erwerb

des gymnasialen Abschlusszertifikats dauert dann sechs

Jahre. Wird die Grundschule (2. Stufe) bis zum Abschluss

durchlaufen, sind es noch vier Jahre auf dem Gymnasium

bis zum Erwerb des gymnasialen Abschlusszertifikats.

Eine weitere Besonderheit des tschechischen Bildungs-

systems bilden die Konservatorien. Der Besuch eines

Konservatoriums ist mit dem Abschluss der Grundschu-

le (2. Stufe) möglich und beginnt damit im Alter von 15

Jahren. Ein Konservatorium wird weitere fünf Jahre bis

zum Alter von 20 Jahren besucht und berechtigt dann zum

Besuch der Universität. Der universitäre Abschluss kann

dann innerhalb eines weiteren Jahres, statt innerhalb von

drei Jahren erworben werden. Konservatorien sind also

ein Hybrid aus Sekundarschule und Hochschule und damit

79 Vgl. ebd.80 Vgl. UNHCR 2017, S. 581 Vgl. ebd., S. 18

vergleichbar mit dem deutschen Modell des Oberstufen-

kollegs.79

Abb. 5: Das tschechische Schulsystem 80

Der Schultag beginnt in Tschechien um 8:00 Uhr morgens

und endet je nach Schulstufe zwischen 12:00 und 13:00 Uhr

bzw. gegen 15:00 Uhr für die älteren Kinder. Bemerkenswert

ist, dass Tschechien ein eigenes Schulfach „ICT“ eingeführt

hat, das den Umgang mit dem Computer lehrt. Das Fach

wird bereits in der Primarstufe unterrichtet und bleibt

auch in der Sekundarstufe bestehen. In der Sekundarstufe

stehen weniger Computer-Literacy als vielmehr Fachin-

halte aus dem informatischen Bereich im Vordergrund.81

Wie in Deutschland ist auch in Tschechien das nationale

Bildungsministerium für übergeordnete Fragestellungen

zuständig, hat jedoch einige weitergehende Befugnisse.

Es gibt die großen inhaltlichen Linien und Konzepte vor

und legt Qualifizierungsanforderungen für Lehrende

fest, ebenso wie die Lehrpläne. Außerdem verwaltet das

Bildungsministerium den Etat, der für Bildungsfragen zur

Verfügung steht. Die tschechischen Regionen sind für die

Errichtung und Unterhaltung der Sekundarschulen und

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Kindergarten(ab 3 Jahre, verpichtend ab 5 Jahre)

Grundschule 1. Stufe(6 bis 10 Jahre)

Universität / Berufshochschule

Alter

Gymnasium

Konservatorium

Schu

lp�icht

Grundschule 2. Stufe(11 bis 15 Jahre)

TechnischeSekundar-

schule

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Konservatorien zuständig. Die Kommunen schließlich sind

für die Grundschulen zuständig und kümmern sich um die

Durchsetzung der Schulpflicht. Der Besuch der Schule ist

in Tschechien kostenfrei. Die Schule wird aus öffentlichen

Geldern finanziert.82

Insgesamt hat Tschechien laut dem Czech Statistical Office

ca. 4.100 Grundschulen der 1. und 2. Stufe und ca. 1.300 Se-

kundarschulen, davon ca. 500 mit der Möglichkeit, einen

beruflich-technischen Abschluss zu machen. Über das ge-

samte Land verteilt gibt es außerdem 18 Konservatorien.83

Pro Jahr und Schüler bzw. Schülerin investiert Tschechien

ca. 5.200 US-Dollar in der Primarstufe und ca. 8.500 US-

Dollar in der Sekundarstufe. Insgesamt gibt Tschechien ca.

2,6 Prozent seines BIPs für das Schulsystem aus.84

„DIGITAL EDUCATION STRATEGY UNTIL 2020“

Die „Digital Education Strategy until 2020“85 wurde im Jahr

2014 entwickelt und befindet sich derzeit in der Umset-

zung. Hierbei geht es darum, die richtigen Bedingungen zu

schaffen, die dabei helfen, digitales Lernen in der Schule

erfolgreich zu gestalten. Dabei wird darauf Wert gelegt,

die neuesten Erkenntnisse aus der Wissenschaft direkt

mit zu berücksichtigen. Die Bedürfnisse von Gesellschaft

und Wirtschaft sollen abgedeckt und auch aktuelle Ent-

wicklungen aus dem technischen Sektor beachtet und

umgesetzt werden.

Ziel ist, Methoden und Formen von Bildung zu verändern

und zu verbessern. Ein wichtiger Punkt ist auch die Offen-

heit für künftige Entwicklungen – die Flexibilität bei der

Umsetzung soll also erhalten bleiben.86

Drei Prioritäten werden in der Strategie genannt:

1. Das Bildungssystem für neue Lehr- und Lernmethoden

und neue Ansätze durch digitale Technologien öffnen.

2. Die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler durch

den Einsatz digitaler Mittel verbessern.

3. Schülerinnen und Schülern das Computational Think-

ing beibringen.

Diese drei Prioritäten werden wiederum in Ausprägungen

zusammengefasst, bei denen es darum geht, Bedingungen

zu schaffen, die sowohl Lernenden als auch Lehrenden

82 Vgl. Europäische Kommission o. D. c83 Vgl. Czech Statistical Office 201984 OECD 2018a 85 Vgl. Ministerstvo Skolství Mladeze a Telovychovy 201486 Vgl. European Schoolnet 201887 Národní ústav pro vzdělávání 2016, S. 1 ff.

erlauben, digitale Kompetenzen und Computerkompeten-

zen zu erwerben sowie Systeme zu etablieren, die Schulen

helfen, digitale Technologien im Unterricht und im Schul-

leben einzusetzen.

Die Umsetzung der Strategie wird vom SDV-Lenkungs-

ausschuss begleitet, die SDV-Arbeitsgruppe ist für die

operationale Umsetzung der Maßnahmen zuständig. Die

genaue Zusammensetzung des Lenkungsausschusses

und der Arbeitsgruppe war leider nicht zu ermitteln.

QUALITÄTSKRITERIEN FÜR DIGITALE BILDUNGSMEDIEN

Das Nationale Institut für Bildung, das 2011 vom tsche-

chischen Bildungsministerium gegründet wurde und die

tschechischen Schulcurricula entwickelt, hat Qualitätskri-

terien für digitale Bildungsmedien herausgearbeitet, die

online abgerufen werden können. Die Kriterien sind offen

formuliert und geben Leitlinien vor, die nutzenden Per-

sonen dabei helfen, die Qualität zu beurteilen, und ihnen

anzeigen, inwieweit die Materialien lizenzrechtlich frei zu

nutzen und zu verbreiten sind, inwiefern die Bildungsme-

dien mit Metadaten hinterlegt sind und ob sie kompatibel

zum Lehrplan sind und geltendes tschechisches Recht

nicht verletzen.87

Die Kriterien sind allgemein gehalten. Sie können nicht

allein zur konkreten Auswahl von Inhalten dienen, sondern

geben nur erste Anhaltspunkte, worauf es bei der Auswahl

von Bildungsmedien zu achten gilt.

Die Qualitätskriterien fokussieren Themen wie die offene

Lizenzierung, damit die Verwendung im schulischen Kontext

sichergestellt ist, aber auch die barrierefreie Verfügbar-

keit, also die Möglichkeit, auf das Material direkt über das

Internet zugreifen zu können, ohne eine spezielle Software

zu benötigen oder Gebühren für die Verwendung bezahlen

zu müssen.

Darüber hinaus wird die Verwendung von Metadaten als

wichtiges Qualitätskriterium benannt, ebenso wie die

Nutzung klassischer Software-Standards wie HTML 5 oder

klassischer Dateiformate wie PDF oder JPG. Außerdem

sollte das Material intuitiv bedien- und nutzbar sein.

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Inhaltlich wird auch die Professionalität des Materials als

Kriterium genannt, was die inhaltliche Korrektheit ebenso

wie die professionelle und didaktisch-methodische Auf-

bereitung beinhaltet, die auch bezogen auf Zielgruppe und

Inhalt selbst in sich stimmig und passend sein soll, zum

Beispiel durch den Einbezug der Lernenden oder durch

unterschiedliche Lehr-Lern-Settings.

DER WETTBEWERB FÜR SCHULWEBSEITEN UND DER

WETTBEWERB DOMINO

2015 wurde von verschiedenen öffentlichen Partnern ein

Wettbewerb für Schulwebseiten ins Leben gerufen, der

Schulen dazu aufruft, sicherere und nutzerfreundlichere

Schulwebseiten aufzusetzen. Eine Jury beurteilt die

eingereichten Entwürfe anhand eines Kriterienkatalogs,

der öffentlich zugänglich ist und so auch eine Leitlinie für

Schulen sein kann, die eigene Webseite zu verbessern,

auch wenn sie sich nicht an dem Wettbewerb beteiligen.88

Der Wettbewerb hat 2018 ein viertes Mal stattgefunden

und ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der

Datenschutzregelungen gelegt.

Das greift auch der nationale Wettbewerb DOMINO89 auf,

der Lehrkräfte belohnt, die digitale Bildungsmedien

auf herausragende Art und Weise in ihrem Unterricht ein-

setzen. Die besten Ansätze werden auf der Webseite des

Wettbewerbs veröffentlicht.

Das Nationale Institut für Weiterbildung (NIDV) hat auch

einen Leitfaden als Einführung90 veröffentlicht, der Lehr-

kräften hilft, sich mit den grundlegenden Fragestellungen

rund um digitales Lernen vertraut zu machen.

Für die Bewertung beim Wettbewerb ist nicht die Krea-

tion eines eigenen digitalen Lernmediums entscheidend,

sondern die Art wie das Lernmedium didaktisch einge-

setzt wird. Jedes Jahr wird ein Fokusthema festgesetzt:

Im aktuellen Wettbewerb geht es zum Beispiel um kreative

Ansätze der Einbindung des Themas Ethik und Daten-

schutz mit Hilfe digitaler Lernmedien in den Unterricht.

88 https://www.scoolweb.cz89 http://domino.nidv.cz90 https://publi.cz/books/220/Cover.html 91 European Schoolnet 2018, S. 792 Vgl. ebd.

Eine Fachjury bewertet die eingereichten Vorschläge an-

hand von sieben Kriterien:

• Dynamik und Benutzerfreundlichkeit

• Offenheit für Veränderung und Überprüfung im

Klassenzimmer

• Motivation

• Interaktivität

• Anleitung und Methodik

• Originalität

• Grafik

Für jedes Kriterium werden zwischen einem und fünf

Punkten vergeben. Auf diese Weise wird der beste Wett-

bewerbsbeitrag ermittelt. Die Siegerbeiträge werden auf

der Webseite des Wettbewerbs veröffentlicht und dürfen

frei von anderen Lehrkräften genutzt und eingesetzt

werden.

ICT-KOORDINIERENDE

An tschechischen Schulen gibt es in der Regel einen Ko-

ordinator oder eine Koordinatorin für Informations- und

Kommunikationstechnologien (ICT). Die Aufgaben variie-

ren von Schule zu Schule. An 90 Prozent aller Schulen mit

mehr als 150 Schülerinnen und Schülern ist diese Position

auch besetzt. An kleineren Schulen ist diese Position nur

an 50 Prozent der Schulen besetzt, da finanzielle Mittel

fehlen.91

Dabei obliegt ICT-Koordinierenden nicht die Wartung der

Geräte und der Infrastruktur – das ist an tschechischen

Schulen in der Regel ausgelagert an Supportanbieter.

Hierfür stehen in der Regel monatlich etwa zehn Stunden

zur Verfügung, die flexibel abgerufen werden können.92

ICT-Koordinierende sind eine Schnittstelle zwischen tech-

nischem Support und pädagogischer Arbeit. Ihre Aufgabe

besteht grundsätzlich darin, die technische Infrastruktur

der Schule für den Unterricht im Blick zu haben und kon-

zeptionell weiterzuentwickeln. Außerdem haben sie die

pädagogische Seite im Blick und wissen, welche Ansätze

sich in welchen Settings wie einsetzen lassen. Lehrenden,

die neue digitale Technologien im Unterricht einsetzen

möchten, leisten sie Hilfestellung und geben Orientierung.

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Der Zugang zur Qualifizierung als ICT-Koordinator bzw.

ICT-Koordinatorin ist durch eine spezielle Fortbildung

gegeben, die Lehrkräften offensteht, die mindestens

zwei Jahre Berufserfahrung mitbringen. Das Angebot ist

vom tschechischen Bildungsministerium akkreditiert.

Die Fortbildung umfasst 250 Stunden, die im Verlauf von

ein bis zwei Jahren absolviert werden. 30 bis 150 Stunden

davon werden als e-Learning absolviert. Inhalte sind zum

Beispiel Kriterien für Auswahl und Umgang mit digitalen

Technologien, aber auch ein eigenes Praxisprojekt, das im

Verlauf der Fortbildung an der eigenen Schule durchge-

führt werden muss.93

SCHULVERWALTUNGSSOFTWARE

In Tschechien haben sich vier verschiedene Systeme

durchgesetzt, die als Schulverwaltungssysteme fun-

gieren. Das tschechische Bildungsministerium hat

inzwischen ein Interface programmieren lassen, das die

Übermittlung der Schuldaten aus allen vier Systemen

ermöglicht – ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung

eines Bottom-up-Ansatzes.

Mit Hilfe von Skola Online lassen sich die Daten von Schü-

lerinnen und Schülern aus dem Schulregister weitergeben

oder ins Register einspeisen. Das Programm überprüft die

Richtigkeit der eingegebenen Daten, indem es vorhandene

Datensätze abgleicht, und unterstützt so bei der Eingabe.

Außerdem können Schulberichte über das Portal über-

mittelt werden. Es bietet einen Überblick über Stunden-

pläne und erlaubt eine erleichterte Zeit- und Lehrplanung

für Schulen. Auch eine Übersicht über Vertretungen und

Krankheitsfälle im Kollegium lässt sich für die eigene

Schule anzeigen.

Weiterhin lassen sich schulische Aktivitäten wie Ausflüge

oder Klassenfahrten planen. Auch Zeugnisse können in

dem System erstellt und ausgedruckt werden. Interessant

ist auch die Möglichkeit, Unfälle an der Schule über das

System direkt an die Schulaufsicht zu melden.

Vielfältige weitere Funktionen stehen zur Verfügung, zum

Beispiel die Verwaltung des Schulinventars, die Anlage

einer Mitarbeitendenkartei und deren Verwaltung, das Ge-

nerieren von Presseberichten, An- und Abwesenheitsver-

waltung, digitales Klassenbuch, Hinterlegen von digitalen

93 Eger 2006 94 Vgl. IIEP 2004, S. 25695 http://mentep.eun.org/tet-sat96 https://skola21.rvp.cz

Lernressourcen, E-Mail- und Messenger-Dienst sowie die

Möglichkeit zur statistischen Auswertung von hinterlegten

Daten.

JUST-IN-TIME-LEHR-LERN-PARADIGMA:

DAS PROJEKT NET-R@IL

Schülerinnen und Schüler in Tschechien lernen insbe-

sondere im ICT-Bereich nach dem Just-in-time-Prinzip:

Lerninhalte und Handwerkszeug werden in dem Moment

bereitgestellt, in dem sie benötigt werden. Lehrkräfte

bemühen sich um die didaktische und methodische Auf-

bereitung dieser Inhalte und stellen sie den Schülerinnen

und Schülern genau in dem Moment zur Verfügung, in dem

sie zur Anwendung kommen sollen.

Ein Beispiel für eine gelungene Umsetzung dieses Ansat-

zes ist das Projekt Net-r@il, das schon 1999 in Zusammen-

arbeit mit 13 Sekundarschulen und unter Beteiligung der

Europäischen Union mit weiteren Schulen in fünf ver-

schiedenen Ländern durchgeführt wurde. Kennzeichnend

ist die Orientierung an real existierenden Problemen und

dem realen Austausch mit anderen. Wichtiger Bestandteil

für die Arbeitsorganisation ist die Nutzung moderner ICT.

Die Schülerinnen und Schüler lernen so nicht nur den Um-

gang mit Technologie, sondern auch die Lösung komplexer

Probleme.94 Detaillierte Projektinformationen waren leider

nicht zu recherchieren.

DIE SELF-ASSESSMENT-TOOLS MENTEP UND SKOLA 21

Seit 2015 haben Lehrkräfte in Tschechien die Möglichkeit,

ihre eigenen digitalen Kompetenzen mit dem Self-Assess-

ment-Tool MENTEP zu erfassen. Das Tool ist nicht originär

tschechisch, sondern wurde als europäisches Projekt ent-

wickelt, kommt allerdings unter anderem in Tschechien zum

Einsatz. Insgesamt vier Felder können inhaltlich bearbei-

tet werden: digitale Inhalte produzieren, digitale Pädago-

gik, digitale Zusammenarbeit und digitales Citizenship.95

Zusätzlich gibt es das Tool Skola 21,96 das Lehrkräfte und

Schulleitungen nutzen können, um die Performance der

eigenen Schule in Sachen Digitalisierung zu beurteilen.

Das Angebot kann anonym genutzt werden, es wird also

nicht gespeichert, welche Schule mit dem Tool gearbeitet

hat. Die Daten, die anonymisiert erfasst werden, erlauben

jedoch einen Abgleich mit den Schulen in der Region im

Hinblick auf deren Abschneiden, sodass eine Einordnung

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der eigenen Leistung möglich wird. Abgefragt werden

Themen wie das Management und die Planung von ICT im

Schulkontext, die Infrastruktur selbst oder die Art und

Weise, wie ICT ins Schulleben integriert werden.

SCHOOL LABS

In mehreren tschechischen Städten, zum Beispiel in Prag,

Ostrava und Brno, sind sogenannte School Labs entstan-

den, die dem Gedanken der Fab Labs oder Maker Spaces

verpflichtet sind und Schülerinnen und Schülern die

97 Beispiele: https://www.edukacnilaborator.cz • https://www.fablabbrno.cz/en • https://www.strojlab.cz 98 Vgl. OECD 2015a, S. 3 ff.99 Vgl. UNDP 2016, S. 198100 The World Bank 2019101 https://beta.moe.gov.sg/primary/curriculum/subject-based-banding

Möglichkeit geben, eigene Projekte im Bereich Technik, In-

genieurswesen und ICT umzusetzen. In einigen Fällen sind

diese Labs an entsprechende Fakultäten der Hochschu-

len angebunden und werden auch von den Hochschulen

betrieben. Die Labs sind also nicht direkt an die Schulen

angeschlossen, stehen ihnen aber offen. Die School Labs

sind dem europäischen Netzwerk der Future Classroom

Labs angeschlossen, sodass ein Austausch auch auf euro-

päischer Ebene möglich ist.97

4.4 Singapur

Singapur ist weltweit für sein erstklassiges Bildungssys-

tem bekannt und landet in vielen internationalen Rankings

immer wieder auf den ersten Plätzen.98 Dabei hat das kleine

Land in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Heraus-

forderungen gemeistert. Als verhältnismäßig junger Staat

hat Singapur innerhalb weniger Jahrzehnte ein ausge-

sprochen leistungsfähiges Bildungssystem auf hohem

Niveau aufgebaut.

Die Bevölkerung Singapurs setzt sich aus unterschied-

lichen Ethnien zusammen. Singapur ist mehrsprachig und

gleichermaßen beliebt bei Einwandernden und Expats. Die

Bevölkerung ist also ausgesprochen heterogen. Singapur

gilt als eines der reichsten Länder der Welt und belegt

auch auf dem Index der menschlichen Entwicklung immer

einen der vorderen Plätze.99

Singapur investiert ca. 3 Prozent seines BIPs in Bildung.

Allerdings ist Singapur eines der Länder, das weltweit den

höchsten Anteil seiner Gesamtausgaben in sein Bildungs-

system investiert, etwa 20 Prozent. Da Singapur keine

Rohstoffe und keine nennenswerte Industrie hat, betrachtet

die Regierung gut ausgebildete Menschen als wertvollstes

Gut des Landes.100

DAS SCHULSYSTEM VON SINGAPUR

Das Schulsystem von Singapur gliedert sich in Primar- und

Sekundarstufe. Die allgemeine Schulpflicht beginnt erst

im Alter von sieben Jahren mit dem Start der Grundschule.

Der vorherige Besuch des Kindergartens (ab drei Jahren)

oder der vorgelagerten Vorschule (ab null Jahren) ist mög-

lich, aber nicht verpflichtend.

Die Grundschule umfasst sechs Schuljahre, von denen die

erste vier Jahre als Basisstufe bezeichnet werden und die

beiden letzten Jahre als Orientierungsstufe fungieren.

Bereits ab der dritten Klasse gibt es Unterricht im natur-

wissenschaftlichen Bereich.

Sobald die Kinder die fünfte und sechste Klasse und damit

die Orientierungsstufe erreichen, werden sie nach dem

sogenannten Subject based Banding weiter eingeteilt.101

Dieses Verfahren ist seit 2008 in Kraft und teilt die Schü-

lerinnen und Schüler basierend auf ihren Leistungen am

Ende der vierten Klasse in drei unterschiedliche Leis-

tungsbänder ein, die fachbezogen sind. Unterschieden

wird zwischen Basis-Level, Normal-Level und Höheres Le-

vel (Foundation, Standard und Higher Level). Je nach Vor-

leistungen im jeweiligen Fach werden die Kinder eingeteilt

und besuchen in den letzten zwei Jahren unterschiedliche

Leistungsklassen in verschiedenen Kurssystemen.

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Am Ende der Grundschule steht das sogenannte Primary

School Leaving Examination (PSLE), das alle Schülerinnen

und Schüler absolvieren. Die Leistungen in diesem Test

werden mit in die Wahl der weiterführenden Schule heran-

gezogen. Grundsätzlich können weiterführende Schulen

ihre Schülerinnen und Schüler basierend auf der Leistung

im Test und ihrer Bewerbung bei der Schule auswählen.

Sie können besonders begabte Schülerinnen und Schüler –

wobei Begabung auch nur auf einzelne Fächer bezogen

werden kann – auch aufnehmen, bevor diese ihre Tests

absolviert haben.

Im Alter von dreizehn Jahren beginnt der Besuch der

Sekundarschule. Je nachdem, wie die Leistungen im PSLE

ausgefallen sind, werden die Schülerinnen und Schüler in

unterschiedlichen Schienen (Tracks) eingeteilt. Unter-

schieden wird zwischen der normal-akademisch orientier-

ten Schiene, der normal-technisch orientierten Schiene

und der Express-Schiene. Die Benennungen werden mit

dem Jahr 2021 in G1, G2 und G3 geändert und inhaltlich an

das Subject based Banding angepasst, das auch schon in

der Grundschule Anwendung findet.

Alle Sekundarschulen schließen mit den allgemeinen Ab-

schlussprüfungen (Singapore-Cambridge GCE), die je nach

Schule und Schiene auf unterschiedlichen Schwierigkeits-

graden abgehalten werden. Die Express-Schiene dauert

vier Jahre und schließt mit dem einfachen Abschluss

(O-Level-Exam) ab, der im Alter von 17 Jahren erworben

wird und den Abschluss der allgemeinen Sekundarschule

kennzeichnet.

Im Anschluss kann für zwei Jahre die post-sekundare

Oberstufe besucht werden, die eine allgemeinbildende

Ausrichtung hat und auf den Besuch einer Hochschule vor-

bereitet. Die Oberstufe schließt mit den A-Level-Exams

ab, die zum Besuch einer Hochschule berechtigen. Alter-

nativ kann auch das Hochschulkolleg besucht werden. Der

Abschluss hier dauert in etwa drei Jahre und berechtigt

ebenfalls zum Besuch der Universität, allerdings verkürzt

sich die Ausbildungszeit an der Hochschule durch den vor-

herigen Besuch des Hochschulkollegs.

Alternativ kann mit Abschluss der Sekundarschule auch

das Polytechnikum oder eine Berufsfachschule besucht

werden. Die Berufsfachschule hat eine klare berufs-

fachliche Ausrichtung und ist am ehesten mit einer deut-

schen Berufsschule vergleichbar. Das Polytechnikum

hat eine beruflich-technische Ausrichtung und zielt

ebenfalls auf eine berufsfachliche Ausbildung ab, be-

rechtigt aber im Anschluss zum Besuch der Universität,

was mit dem Abschluss der Berufsfachschule nicht vor-

gesehen ist.

Das Schulsystem von Singapur ist durch eine hohe Durch-

lässigkeit gekennzeichnet. Gerade mit Abschluss der

Sekundarschule ergeben sich eine Vielzahl von Möglich-

keiten, weitere Bildungsgänge wahrzunehmen. Häufig

ist die Dauer der Bildungsgänge individuell verkürz- oder

verlängerbar, auch bestehen weitere Möglichkeiten,

zwischen einzelnen Schienen und Angeboten zu springen.

Entsprechend sind in der Grafik nur die wichtigsten Bau-

steine dargestellt.

Es gibt zum Beispiel zusätzlich zu den klassischen

Sekundarschulen weitere Typen von Sekundarschulen,

die integrierte Programme anbieten und bei denen es

möglich ist, mit dem Schulabschluss gleichzeitig einen

Bachelorabschluss zu erwerben. Dieser Weg steht jedoch

nur besonders begabten Schülerinnen und Schülern offen

und erfordert sechs Jahre Unterricht an einer Sekundar-

schule, wobei die letzten beiden Jahre mit der Oberstufe

kombiniert werden, sodass der Bachelor erworben werden

kann.

Abb. 6: Das Schulsystem von Singapur

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Grundschule(7 bis 12 Jahre)

Universität

Oberstufe

Schu

lp�icht

1

2

Alter

0

Vorschulefreiwillig (ab 0 Jahre)

Sekundarschule(13 bis 17 Jahre)

23

Kindergartenfreiwillig (ab 3 Jahre)

Poly-technikum

Berufs-fachschule

Hochschul-kolleg

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Eine weitere Besonderheit des singapurischen Schul-

systems sind die sogenannten Specialised Independent

Schools (SIS). Derzeit gibt es vier dieser Schulen in ganz

Singapur. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich Mathematik

und Naturwissenschaft, Technologie, Kunst oder Sport.102

Die Leistungen in den Examina entscheiden mit darüber,

welche weiteren Kurse an Hochschulen und Universitäten

bzw. Instituten besucht werden können, um einen Hoch-

schulabschluss zu erwerben. Der Besuch einer beruflichen

Bildungseinrichtung nach dem Schulabschluss galt in Sin-

gapur lange als Stigma, da das System als Auffangbecken

für weniger leistungsfähige Schülerinnen und Schüler

galt. Inzwischen ändert sich diese Auffassung dadurch,

dass die singapurische Gesellschaft Technologien sehr

schätzt und viele technische Berufe eine praktisch-beruf-

liche Ausbildung erfordern.103

Der Schulbesuch ist in Singapur kostenlos. Je nach Bedarf

wird ein geringer monatlicher Betrag erhoben, um das

Schulessen zu bezahlen. Viele Eltern investieren aber zu-

sätzlich privat in Nachhilfe und außerschulische Bildungs-

angebote für ihre Kinder, was auch in Singapur selbst

kritisch diskutiert wird.104

Die Zuständigkeit für das Schulsystem liegt beim Bil-

dungsministerium, das auch die finanziellen Mittel für

die Bildung verwaltet. Derzeit gibt Singapur pro Jahr und

Schüler bzw. Schülerin ca. 8.800 US-Dollar in der Primar-

stufe und ca. 11.400 US-Dollar in der Sekundarstufe aus.105

Das kleine Land hat 141 Grundschulen und 108 Sekundar-

schulen. Im Verhältnis unterrichtet in der Grundschule

eine Lehrkraft 15 Schülerinnen und Schüler, in der Sekun-

darschule 11 Schülerinnen und Schüler.

AUF DEM WEG ZUR SMART NATION

Singapur hat sich bereits vor einigen Jahren auf die

Fahnen geschrieben, eine Smart Nation werden zu wollen.

Dieses Ziel betrifft alle gesellschaftlichen Bereiche und

zielt darauf ab, Singapurs wichtigste Ressource – die Men-

schen – zu fördern und zu fordern. Im Fokus steht dabei

die Nutzung von digitalen Technologien auf allen Ebenen

und in allen gesellschaftlichen Bereichen. Ein wichtiger

Gedanke ist dabei der Austausch, die Vernetzung und die

102 https://beta.moe.gov.sg/secondary/schools/types103 https://asiasociety.org/global-cities-education-network/singapore-innovation-technical-education 104 https://www.asiaone.com/News/Education/Story/A1Story20100323-206282.html 105 https://data.gov.sg/dataset/government-recurrent-expenditure-on-education-per-student • Die Beiträge sind im Original in Singapur-Dollar angegeben und wurden zur besseren Vergleichbarkeit in US-Dollar umgerechnet (mit Wechselkurs vom 25.10.2019)106 https://www.smartnation.sg/what-is-smart-nation/initiatives 107 https://www.moe.gov.sg/education/education-system/desired-outcomes-of-education

Kollaboration von Wirtschaft und öffentlichem Sektor.

Projekte gibt es in Bereichen wie öffentlicher Transport

und Leben in der Metropole, Gesundheit, öffentliche

Services oder Wirtschaft.106 Singapur hat damit die eigene

Entwicklung konsequent in Richtung digitale Gesellschaft

gelenkt. Interessant ist aus europäischer Perspektive,

dass der Fokus hier nicht mehr auf der Wissensgesell-

schaft liegt. Diese wird vielmehr bereits vorausgesetzt

und ist notwendige Bedingung, um überhaupt eine Smart

Nation werden zu können.

Die Idee der Smart Nation bildet eine Klammer für die ge-

samtgesellschaftliche Entwicklung in Singapur. Hier wird

besonders deutlich, dass das Land in der Nutzung digitaler

Technologien eine große Chance sieht und sich diese zu

eigen macht. Anstatt vorrangig Gefahren zu deklarie-

ren, betrachtet Singapur digitale Technologien bewusst

positiv und lotet deren Einsatzmöglichkeiten und Grenzen

aus – immer orientiert am Wohl der Menschen und an der

Erhöhung des Lebensstandards. Diese Haltung ist ein

wichtiger Kern aller Bemühungen im Rahmen der Digitali-

sierung der Gesellschaft Singapurs und spiegelt sich auch

im Bildungssystem wider.

BILDUNGSPOLITISCHE BEMÜHUNGEN: DIE HALTUNG

Kern der bildungspolitischen Bemühungen Singapurs sind

die Desired Outcomes of Education (DOE) – die erwünsch-

ten Ergebnisse für den Schulbereich. Ausgehend von

diesen DOE werden alle weiteren bildungspolitischen Stra-

tegien und Ansätze entwickelt. Sie dienen auch dazu abzu-

gleichen, wie gut das Bildungssystem im Hinblick auf die

Erreichung der DOE funktioniert. Inhaltlich geht es bei den

DOE darum, dass das Bildungssystem dazu beitragen soll,

Selbstvertrauen und Selbstreflektiertheit eines Menschen

zu stärken und ihm die notwendigen Kompetenzen und

das benötigte Wissen für das Leben in der Wissensgesell-

schaft zu vermitteln. Der Gemeinschaftssinn soll gestärkt

werden, damit jeder sich auch gesellschaftlich einbringt.

Zu den DOE zählt auch, die dafür benötigten Strategien zu

vermitteln, ebenso wie die Strategien, die dabei helfen,

sich selbstständig weiteres Wissen anzueignen und dieses

Wissen kritisch zu reflektieren. Was das jeweils in den

unterschiedlichen Schulstufen bedeutet, wurde in einem

eigenen Raster definiert.107

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Am Ende der Grundschule sollten die Lernenden …

Am Ende der Sekundarschule sollten die Lernenden …

Am Ende der postsekundären Ausbildung sollten die Lernenden …

in der Lage sein, richtig von falsch zu unterscheiden

moralische Integrität haben den Mut haben, für das einzustehen, was richtig ist

ihre Stärken und Entwicklungs- potenziale kennen

an ihre Fähigkeiten glauben und sich an Veränderungen anpassen können

Resilienz in schwierigen Situationen besitzen

in der Lage sein, zu kooperieren, zu teilen und für andere zu sorgen

in der Lage sein, in Teams zu arbeiten und Einfühlungsvermögen für andere zu zeigen

in der Lage sein, kulturübergreifend zusammenzuarbeiten und sozial verantwortlich zu agieren

ein lebhaftes Interesse an den Dingen haben

kreativ und neugierig sein innovativ sein und unternehmerisch denken

in der Lage sein, selbstbewusst zu denken und sich auszudrücken

in der Lage sein, unterschiedliche An-sichten zu schätzen und effektiv zu kommunizieren

kritisch denken und überzeugend kommunizieren können

stolz auf ihre Arbeit sein Verantwortung für das eigene Lernen übernehmen

nach Exzellenz streben

gesunde Gewohnheiten und ein Bewusstsein für die Künste haben

körperliche Aktivitäten schätzen und die Künste genießen

einen gesunden Lebensstil verfolgen und Wert auf Ästhetik legen

Singapur kennen und lieben an Singapur glauben und verstehen, was für Singapur wichtig ist

stolz auf Singapur sein und Singapur in Relation zur übrigen Welt verstehen

Abb. 7: Erwünschte Ergebnisse für den Schulbereich (DOE) in Singapur

ICT-MASTERPLÄNE

Bereits in den späten 1990er-Jahren hat Singapur seinen

ersten ICT-Masterplan ins Leben gerufen und damit

die strategischen Weichen für den Umgang mit ICT im

Bildungssektor gestellt.108 Der erste Masterplan galt von

1997 bis 2002 und zielte zunächst darauf ab, die in Schulen

benötigte technische Infrastruktur bereitzustellen und ICT

für Schulen überhaupt nutzbar zu machen.

Im ersten Masterplan ging es vorrangig darum, die Grund-

lagen sicherzustellen. Dazu zählte die Anschaffung von

Geräten ebenso wie WLAN für alle Schulen und die Aus-

stattung mit Software für den Unterricht. Außerdem wurde

die Lehrkräftefortbildung in den Fokus gerückt – mit dem

Ziel des Kompetenzerwerbs, aber auch, um die Akzeptanz

von ICT in Schulen zu erhöhen. Lehrkräfte sollten befähigt

108 Vgl. Ministry of Education Singapore o. D., S. 6 ff.

werden, sicher und souverän mit digitalen Geräten im

Unterricht agieren zu können. Schülerinnen und Schüler

wiederum sollten in der Lage sein, Aufgaben mit Hilfe di-

gitaler Technologie bearbeiten zu können, also selbst den

Umgang mit digitalen Geräten erlernen. Dabei wurde ganz-

heitlich gedacht. Ziel war es, eine Umgebung herzustellen,

die eine exzellente Nutzung von ICT ermöglicht.

2003 folgte der zweite ICT-Masterplan, der bis 2008 in

Kraft blieb. Unter dem Credo „Innovation säen“ sollte die

effektive und umfängliche Nutzung von ICT in Schulen er-

reicht werden. Zu diesem Zweck wurde die Nutzung von

ICT in den Schulcurricula verankert und integraler Bestand-

teil der Lehrkräfteausbildung. Getragen wurde der zweite

Masterplan von dem Bild der flexiblen, netzwerkorgani-

sierten Schule. Basiskompetenzen für Schülerinnen und

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Schüler im Umgang mit digitalen Technologien wurden

definiert und ein spezielles Finanzierungsprogramm für

alle Schulen mit dem Fokus auf digitale Technologien

aufgesetzt. Lehrkräfte sollten nicht nur grundsätzlich in

der Lage sein, digitale Medien im Unterricht zu nutzen,

sondern dies auch extensiv tun.

Im dritten ICT-Masterplan von 2009 stand die Stabilisie-

rung und Skalierung der bisherigen Maßnahmen und des

bis dahin Erreichten im Vordergrund. Kollaboratives und

selbstgesteuertes Lernen wurde als Ziel für die Schülerin-

nen und Schüler angestrebt. Das Thema Cyber Wellness

wurde angegangen und fest verankert. Die professionelle

Weiterentwicklung für Lehrkräfte blieb im Fokus und es

wurden Standards für die ICT-Ausstattung von Schulen

definiert. Schülerinnen und Schüler sollten jetzt nicht

mehr nur in der Lage sein, digitale Medien souverän zu

nutzen, sondern sie auch tatsächlich umfänglich für ihre

Lernprozesse einsetzen.

Genauso sollen Lehrkräfte dazu befähigt sein, eine große

Bandbreite an digitalen Medien und Tools im Unterricht

zu nutzen. Sie sollen auch innovative Ansätze, Ideen und

erprobte Praxis untereinander teilen. Um das zu ermög-

lichen, müssen digitale Medien in der Schule jederzeit und

überall verfügbar und reibungslos nutzbar sein.

Seit 2015 steht der zukunftsfähige und selbstverantwort-

liche Lernende als nächste Entwicklungsstufe im Vorder-

grund. Die Lernerfahrungen von Schülerinnen und Schülern

sollen mit Hilfe digitaler Medien weiter verbessert werden.

Gute Praxis soll geschärft und weithin etabliert werden. Ein

weiterer Fokus liegt auf dem Thema Cyber Wellness und

dem generell souveränen Umgang mit neuen Medien, auch in

ihrer künftigen Weiterentwicklung.

ICT-FONDS FÜR DIE EIGENSTÄNDIGE ENTWICKLUNG

VON SCHULEN

Mit Inkrafttreten des zweiten ICT-Masterplans bekamen

Schulen eigene ICT-Fonds, die sie autonom verwalten und

einsetzen konnten, um ICT im Schulalltag einzusetzen. Zu-

sätzlich wurden ICT-Standards definiert, die als Richtlinie

genutzt wurden, welches ICT-spezifische Wissen Schüle-

rinnen und Schüler lernen und beherrschen sollten.

Zusätzlich wurden Förderschienen wie FutureSchools@

Singapore geschaffen, in denen Schulen sich als beson-

ders innovative Schulen in Sachen digitales Lernen profi-

lieren und ihre Praxis als Vorbild für andere zur Verfügung

stellen konnten. Der Fokus liegt dabei aber nicht auf der

Technisierung, sondern auf der innovativen Pädagogik, die

entsprechend auch ICT-Komponenten umfasst.

KOMPETENZENTWICKLUNG FÜR SCHULLEITUNGEN

Singapur stellt hohe Anforderungen an seine Schulleitun-

gen. So sollen Schulleitungen die Richtlinien vorgeben und

die Bedingungen schaffen, die den nutzbringenden Ein-

satz von ICT im Unterricht ermöglichen. Lehrkräfte sollen

die Fähigkeiten und Kompetenzen haben, ICT im Unter-

richt didaktisch und methodisch sinnvoll einzusetzen. Das

benötigt eine ICT-Infrastruktur, die jederzeit und alleror-

ten einwandfrei funktioniert und das Lernen unterstützt.

Um das alles erreichen zu können, wurden Onlinekurse für

Schulleitungen ins Leben gerufen, die sie speziell für diese

Tätigkeit und die dabei notwendige Haltung ausbilden.

Hier findet sich auch die Verknüpfung zum Modell der 21st

Century Competencies, das in Singapur entwickelt wurde,

ebenso wie zu den DOE.

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ICT-MENTOR-PROGRAMM FÜR LEHRKRÄFTE

Zusätzlich gibt es das ICT-Mentor-Programm, das Lehr-

kräfte nutzen können, um gute Praxisbeispiele auszu-

tauschen und sich im Sinne des Mentorings in Sachen

ICT im Unterricht unterstützen zu lassen. Üblicherweise

bestimmt jede teilnehmende Schule vier Mentorinnen und

Mentoren, die jeweils zwei Lehrkräfte mit Mentoring unter-

stützen. Der Mentor bzw. die Mentorin soll den Kolleginnen

und Kollegen sein Wissen über digitales Lernen und gute

Beispiele aus der eigenen Praxis zur Verfügung stellen,

den Einsatz digitaler Medien im Unterricht anleiten und mit

Rat und Tat in Bezug auf digitales Lernen zur Seite stehen.

Die Mentorinnen und Mentoren durchlaufen selbst noch

ein Qualifizierungsprogramm, das einen mehrtägigen

Workshop zur Vermittlung von Kompetenzen im Umgang

mit digitalen Lernmedien vorsieht. Zusätzlich werden

auch Coachingkompetenzen für die Rolle als Mentor oder

Mentorin vermittelt. Außerdem gibt es mehrstündige

Workshopsessions, in denen die künftigen Mentorinnen

und Mentoren lernen, Ideen für die Nutzung digitaler

Lernmedien zu entwickeln und zu teilen. Auch Ansätze der

Schulentwicklung werden hier vermittelt. Zusätzlich gibt

es Webinare, um die Arbeit in Online-Lernumgebungen zu

vermitteln. Das Portal OPAL bietet Lehrkräften außerdem

den Zugang zu vielfältigen digitalen Lernressourcen, die

im Unterricht eingesetzt werden können und die sich

auch speziell auf einzelne Aspekte des Curriculums hin

aussuchen lassen. Erfahrungen und Material können

ausgetauscht und geteilt werden, da das Portal auch als

Lehrkräfte-Community fungiert.

21ST CENTURY COMPETENCIES – DAS SINGAPUR-MODELL

Weiterhin richtet das Bildungsministerium seine Bemü-

hungen darauf aus, den Schülerinnen und Schülern die

Kompetenzen zu vermitteln, die sie benötigen, um sich im

21. Jahrhundert zurechtzufinden. Diese 21st Century Com-

petencies werden als das Werkzeug zur Ausbildung der DOE

betrachtet. Im Kern wird in den 21st Century Competencies

betont, dass der Charakter einer Person sich durch ihre

Überzeugungen, Haltungen und Werte ausdrückt. Diese gilt

es zu entwickeln, da Wissen und Kompetenzen sonst nicht

zielgerichtet eingesetzt werden können. Dem schließen

sich soziale und emotionale Kompetenzen an, die Menschen

benötigen, um sich mit sich selbst und anderen Menschen

empathisch auseinandersetzen, verantwortungsvolle

Entscheidungen treffen und gute Beziehungen knüpfen zu

können. Erst dann geht es um methodische Kompetenzen

und Wissen wie kritisches und innovatives Denken, inter-

kulturelle Fähigkeiten, das Bewusstsein, ein Weltbürger bzw

Weltbürgerin zu sein, und weiteres mehr.

Abb. 8: Das Konzept des ICT-Mentor-Programms

Spalte Breite78 mm

ICT EDUVATION SINGAPORE

VISIONFuture-ready & Responsible Digital Learners

OUTCOME GOALQuality Learning in the Hands of Every Learner – Empowered with Technology

ENABLERS

Teachers as Designers of Learning, Experiences & Environments

School Leaders as Culture Builders

Integrating ICT into curriculum & assessment

Designing quality

online resources

DevelopingCyber Wellness &

New Media Literacies

Providingprofessional

development &facilitating learning

communities

Innovating & developing

good practicesfor ICT in

education

Providinginfrastructure

to supportanytime, anywhere

learning

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Das Interessante hier ist nicht nur das Modell selbst,

sondern die Tatsache, dass es die Grundlage für Verände-

rungen in der Lehrkräfteausbildung in Singapur bildet. Um

den Schülerinnen und Schülern die benötigten Kompeten-

zen für das 21. Jahrhundert vermitteln zu können, wurden

hier Anpassungen vorgenommen. Im Mittelpunkt stand die

Frage, was Lehrkräfte können müssen, um Schülerinnen

und Schülern die benötigten Kompetenzen vermitteln zu

können. Daraus entstand ein eigenes Modell des 21st Cen-

tury Teaching Professional.109

Lehrkräfte in Singapur sollen bestimmte Werte vertreten,

die beispielsweise die Lernendezentrierung im Unter-

richt oder die persönliche und berufliche Identität des

Lehrenden betreffen. Hier stehen Dinge wie Empathie,

die Überzeugung, dass alle Kinder lernen können, und das

Wertschätzen von Diversität im Mittelpunkt.

109 Vgl. Asia Society 2017

In Bezug auf die Identität des Lehrenden sind Leiden-

schaft, Professionalität, Resilienz oder ethische Grund-

überzeugungen wichtig. In Bezug auf die Profession soll es

auf kollaboratives Lernen, Mentoring und soziale Verant-

wortung ankommen.

Zusätzlich brauchen Lehrkräfte die Fertigkeiten in

pädagogischer Hinsicht, im Sinne kommunikativer oder

technologischer Fähigkeiten, aber auch im Sinne des

Selbstmanagements und des innovativen Entrepreneur-

ships. Und nicht zuletzt benötigen sie Wissen über sich

selbst, ihre Schülerinnen und Schüler, ihr Fachgebiet und

dessen didaktische Vermittlung, aber auch über Multi-

kulturalität sowie die Gesellschaft und die Umwelt im

Allgemeinen.

Das 2010 entwickelte Modell der 21st Century Skills wurde

als Ausgangspunkt genutzt, um ausgehend von den

erwünschten Ergebnissen für das Bildungswesen An-

passungen am Curriculum und der Lehrkräfteausbildung

vorzunehmen.

Komm

unik

atio

ns-,

Kol

labo

rati

ons-

und

Info

rmatio

nskompetenzBürgerkenntnisse, globales Bew

usstsein und interkulturelle Kompetenzen

Kritisches und innovatives Denken

Selbstbewusstsein/ Selbstre�ektion

Selbstmanagement

GRUNDWERTE

SozialesBewusstsein

Beziehungs-management

Verantwor-tungsvolle

Entscheidungs-�ndung

SELBSTSICHERERMENSCH

SELBSTGESTEUERTERLERNER

INTERESSIERTES MITGLIED DER GESELLSCHAFT

AKTIV MITWIRKENDER

Abb. 9: Das Modell der 21st Century Competencies

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„DESIGN AND TECHNOLOGY“ ALS EIGENES SCHULFACH

Ab der Sekundarstufe sieht das Schulsystem von Singa-

pur ein Pflichtfach „Design and Technology“ vor, dass alle

Schülerinnen und Schüler belegen müssen – egal, welche

Schiene sie besuchen. Das Fach wird projektbasiert

unterrichtet und soll ihnen grundlegende Prinzipien von

Design, Design Thinking und Design Making näherbringen

sowie die Bedeutung von Technologie in Designprozessen

vermitteln. Das Fach verknüpft damit zwei inhaltliche As-

pekte und soll die Schülerinnen und Schüler zum eigenen

Tun und zur Entwicklung und Umsetzung eigener Ideen

befähigen. In den Bereich Technologie fallen dabei sowohl

Inhalte aus Mechanik und Elektronik als auch Material-

kunde.110 Das Fach ist nicht auf informatische Aspekte hin

fokussiert oder eingegrenzt, verknüpft aber alle wichtigen

Aspekte und Inhalte, die etwa auch bei der technischen

Produktentwicklung wichtig sind, und sensibilisiert für

die Funktionsweise von Technik. Die Hürde, sich mit der

Thematik zu befassen, wird dadurch gesenkt und Interes-

se gefördert.

LEHR-LERN-KULTUR: TEACH LESS, LEARN MORE

Das Bildungssystem von Singapur hat auch international

einen exzellenten Ruf und schneidet regelmäßig sehr gut

in entsprechenden Vergleichstests ab. Teilweise liegt das

auch daran, dass das Bildungssystem von Singapur auch

darauf ausgelegt ist, sehr gut auf die entsprechenden

Tests vorzubereiten. Generell wird ein hoher Wert auf

Tests und die Reproduktion von Inhalten gelegt. Diskursi-

ves Lernen, wie es zum Beispiel in Deutschland Standard

ist, oder der gemeinsame Austausch im Gespräch stehen

in Singapur weit weniger im Vordergrund des Unterrichts-

geschehens.111

Bereits seit 2004 hat Singapur angefangen, die damals

noch vorherrschende Orientierung auf die Vermittlung

von reinen Inhalten und die auf Lehrmaterial wie Text-

bücher zu reduzieren, um die Qualität des Lernprozesses

und des Gelernten stärker in den Blick zu nehmen. Der

ursprünglich stark lehrkraft- und instruktionsorientierte

Unterricht wurde zugunsten von interaktiveren Ansätzen

im Unterricht und mehr Selbststeuerung aufgeweicht. Der

Anteil der zu vermittelnden Unterrichtsinhalte wurde ver-

ringert.112 Die Schülerinnen und Schüler Singapurs sollen

mehr eigenständig lernen und sich selbst organisieren.

110 Vgl. Ministry of Education Singapore 2006, S. 2 ff.111 Vgl. The Conversation 2014112 Unterschiedlichen Quellen zufolge lag die Reduzierung zwischen ca. 10 und 20 Prozent. Genaue Zahlen sind nicht zu recherchieren.113 Vgl. OECD 2011114 http://eresources.nlb.gov.sg/infopedia/articles/SIP_2018-03-21_105159.html

Gleichzeitig bleibt die starke Orientierung auf Prüfungen

und Tests mit dem Ziel bestehen, sowohl Eigenständigkeit

und innovatives Denken als auch Leistungsorientierung

zu fördern.

Lernende sollen sich ihre Lerninhalte eigenständiger

wählen und strukturieren können. Zu diesem Zweck wurde

Schulen auch die Möglichkeit gegeben, weiteres Personal

einzustellen, zum Beispiel für Schulberatung und Lehr-

planung, damit die Lehrkräfte entlastet werden und sich

mehr den Schülerinnen und Schülern und der Unterrichts-

entwicklung als solches widmen können.

Generell ist der Austausch unter Lehrkräften in Singapur

höher als der Austausch unter deutschen Lehrpersonen.

Gute Beispiele, Erfahrungen und Material werden geteilt.

Im Jahr 2010 wurde dafür eigens die Academy of Singa-

pore Teachers gegründet, um den Austausch untereinan-

der und den Community-Aspekt noch zu stärken.113

Finanziert wird das Programm vom Bildungsministerium.

Von anfänglich einigen Pilotschulen wurde das Programm

inzwischen auf mehrere Hundert Schulen ausgeweitet. Die

Evaluationen zeigen, dass das Programm zur Verbesse-

rung des Engagements der Schülerinnen und Schüler bei-

getragen und die Professionalität der Lehrkräfte generell

erhöht hat.114

DER CYBER-WELLNESS-ANSATZ

Eine Besonderheit im Portfolio der Ansätze, die in Singa-

pur genutzt werden, um digitales Lernen zu stärken, ist

eine Initiative zum Thema Cyber Wellness, die an Schulen

in Singapur verankert wurde, um Medienkompetenz zu ver-

mitteln und Cyber Mobbing zu begegnen. Cyber Wellness

basiert auf zwei Prinzipien: dem Respekt für mich und an-

dere und der sicheren und verantwortungsvollen Nutzung

von ICT. Orientiert am Dreiklang Sense – Think – Act soll

der Ansatz Schülerinnen und Schülern dabei helfen, sich

sicher und eigenverantwortlich im Internet zu bewegen.

Dabei arbeiten Schule, Lehrkräfte und Eltern zusammen.

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LEHRKRÄFTEAUS UND -FORTBILDUNG

Alle Lehrkräfte in Singapur werden am National Institute

of Education ausgebildet. Hierbei wird nicht in einer Fä-

cherlogik unterrichtet, wie es an deutschen Hochschulen

üblich ist, sondern ausgehend von der Lehrkraft mit einem

entsprechenden Fokus auf die pädagogischen Anforde-

rungen an den Lehrberuf und einem fächerübergreifenden

Denken.115

Auch die Lehrkräftefortbildung ist in Singapur anders or-

ganisiert als in Deutschland. Lehrkräfte sind hier verpflich-

tet, sich jedes Jahr 100 Stunden fortzubilden. Hier kommen

Kurse am National Institute of Education in Betracht, aber

auch andere Qualifizierungen und der Erwerb weiterer

beruflicher Zertifikate. Die Schulen kümmern sich selbst

darum, entsprechende Fortbildungsbedarfe zu identifizie-

ren. So gibt es an den Schulen in der Regel jemanden, der

sich um die Personalentwicklung bemüht und zum Beispiel

registriert, wenn bestimmte Themen neu dazukommen

und das Lehrpersonal dazu fortgebildet werden muss.

Außerdem hat jede Schule einen Fonds, aus dem Fortbil-

dungen besonderer Art bezahlt werden können. So ist es

Lehrkräften in Singapur etwa möglich, für einige Zeit ins

Ausland zu gehen, um dort von guten Schulen zu lernen und

das Wissen später an der heimischen Schule einzusetzen.

115 Vgl. OECD 2011116 Vgl. ebd., S. 169 f.117 Vgl. National Institute of Education 2018

JÄHRLICHE BEURTEILUNG DER LEISTUNGEN

Lehrkräfte werden jährlich anhand von 16 Kompetenzen in

ihrer Leistung beurteilt. Für besonders gute Leistungen

erhalten sie einen Bonus. Nach drei Jahren in der Schul-

laufbahn beginnt eine jährliche Beurteilung, durch die

analysiert werden soll, welchen von drei Karrierewegen

jemand im Lehrberuf einschlagen sollte. Sie werden als

Master Teacher, Curriculum Specialist und School Leader

bezeichnet. Jeder Pfad beinhaltet weitere Trainings und

regelmäßige spezielle Fortbildungen sowie eigene finanzi-

elle Entwicklungsmöglichkeiten. Generell wird in Singapur

großer Wert auf die Ausbildung der Schulleitungen gelegt,

ausgehend von dem Wissen, dass die Qualität der Schule

generell maßgeblich von der Qualität der Leitung mitbe-

stimmt wird.116

Die Beschäftigung mit der Digitalisierung und die Ver-

mittlung von Wissen über den Einsatz von Technologie im

Unterricht sind dabei standardmäßig in die Lehrkräfte-

ausbildung integriert. Der Umgang mit ICT im pädagogi-

schen Umfeld ist dort ein eigenes Beschäftigungsfeld.117

Besonderer Wert wird in den Programmen auch auf

kollaboratives und mobiles Lernen, den Flipped-Class-

room-Ansatz sowie auf experimentierendes, forschendes

Lernen, das unter dem Stichwort Innovative Pedagogy

CYBERWELLNESS

Students

Curriculum Infusion

Cyber Well Students Ambassador Programme

Stakeholders

Parent Engagement

Social MediaSystem

Inter-Ministry Cyber Wellness Steering Committee

Research Studies

Resource Portal

Teachers

Curriculum Integration

Capacity Building

Abb. 10: Struktur des Cyber-Wellness-Ansatzes

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zusammengefasst und als wichtig für die Vermittlung von

Kompetenzen für das 21. Jahrhundert angesehen wird,

gelegt.118

APPS FÜR ELTERN UND LEHRKRÄFTE

Aktuell entwickelt das Bildungsministerium von Singapur

eine App für Eltern, das sogenannte Parents Gateway.119

Diese App soll Eltern helfen, die Organisationsarbeit rund

um den Schulbesuch ihrer Kinder zu erledigen, etwa um

Schultermine auf einen Blick sehen und in den Kalender

eintragen, den direkten Austausch mit Lehrkräften er-

möglichen, Lernresultate und Anwesenheiten der Kinder

sehen oder Geld für Schulreisen zahlen zu können. Die App

soll auch dann funktionieren, wenn Eltern mehrere Kinder

an verschiedenen Schulen haben und wird damit eine

wesentliche Hilfe zur Organisation des Schulalltags für

Familien sein.

Außerdem arbeitet das Bildungsministerium an einer Mög-

lichkeit, Prüfungsprozesse zu digitalisieren. Prüfungskan-

didaten und -kandidatinnen sollen die Möglichkeit haben,

sich online für zentrale Tests und nationale Prüfungen wie

die GCE anzumelden und die eigenen Testergebnisse auch

online einzusehen. Lehrkräfte sollen zum Beispiel Berichte

hinterlegen und Antwortskripte einsehen können. Auf

diese Weise soll die Einheitlichkeit der Benotung verbes-

sert werden.120

Auch digitale Fortbildungsangebote für Lehrkräfte sind

geplant. So soll eine Plattform entstehen, die profilbasiert

und personalisiert Lernangebote und Informationen zur

Verfügung stellt. Ziel ist es, das mobile Lernen zu stärken

und weniger Präsenztrainings in der Lehrkräftefortbildung

einzusetzen.

VERWALTUNGSAPP FÜR SCHULEN

Darüber hinaus entwickelt das Bildungsministerium der-

zeit eine Verwaltungsapp für Schulen, das School Cockpit

System. Das System bildet jedoch nicht die Bedürfnisse

aller Schulen in Bezug auf die Administration ab, da einige

Schulen hierfür auch kommerzielle Produkte nutzen. Das

Bildungsministerium hat darauf reagiert und einen Teil der

Programmier-Interfaces (APIs) der eigenen Angebote für

Schuladmins und kommerzielle Entwickler zur Verfügung

gestellt, damit Apps kompatibel programmiert werden

118 Ebd.119 https://www.opengovasia.com/ministry-of-education-singapore-developing- public-facing-digital-shopfronts-and-a-school-administration-apps-marketplace 120 Ebd. 121 Vgl. https://codesg.imda.gov.sg/about 122 https://codesg.imda.gov.sg/in-schools/playmaker-overview

können. Am Ende wird es einen sogenannten Marketplace

geben, über den sowohl die Angebote des Bildungsmi-

nisteriums als auch kompatible kommerzielle Angebote

bezogen werden können.

CODING-KENNTNISSE VERMITTELN MIT CODE@SG

Programmieren ist kein eigenes Schulfach in Singapur.

Es wird aber viel Wert daraufgelegt, das sogenannte

Computational Thinking zu vermitteln – auch in der Schule.

Computational Thinking wird als wichtiges Element

betrachtet, um Singapur zur Smart Nation zu machen.

Entsprechend wurde die Initiative Code@SG ins Leben

gerufen, um Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit

zu geben, Grundkenntnisse des Programmierens zu er-

werben und sich mit ganz unterschiedlicher Technologie

auszuprobieren. Genutzt wird hier der Ansatz des Makings.

Schülerinnen und Schüler sollen nicht nur die Technologie

kennenlernen, sondern sich auch praktisch im Computa-

tional Thinking üben, indem sie diese vier Schritte kennen-

lernen und anwenden:

1. Komplexe Probleme erkennen und herunterbrechen

2. Muster erkennen

3. Abstrahieren

4. Algorithmen zur Lösung entwickeln121

Das Programm wird von der Infocomm Media Development

Authority (IMDA), einer Einrichtung der Regierung von

Singapur, durchgeführt. Neben Code@SG gibt es weitere

Programme, die ebenfalls an Schulen eingesetzt werden

und darauf abzielen, Programmierkenntnisse und Kennt-

nisse im Computational Thinking zu vermitteln, jeweils mit

dem Ansatz des Makings und zugeschnitten auf verschie-

dene Schul- und Altersstufen. Die ersten Angebote gibt es

bereits für Kinder im Vorschulalter.122

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4.5 Brasilien

123 Vgl. OECD 2015a, S. 6 ff.124 Vgl. ebd.

Im internationalen Vergleich schneidet das brasilianische

Schulsystem eher schlecht ab. In der PISA-Studie belegt

das Land in seiner Gesamtperformance einen der hinteren

Plätze. Im naturwissenschaftlichen Bereich haben sich die

Leistungen im Dreijahresvergleich verbessert, während

die Leistungen in der Lesekompetenz eher noch zurück-

gegangen sind.123

Brasilien hat seit langem mit einer hohen Rate funktiona-

ler Analphabetinnen und Analphabeten zu kämpfen. Dazu

kommt eine hohe Quote von Schulschwänzenden, die in

den letzten Jahren eher noch angestiegen ist.124 Das bra-

silianische Bildungsministerium unternimmt jedoch große

Anstrengungen, die Leistungsfähigkeit des Bildungssys-

tems durchgängig zu verbessern und hat in den letzten

Jahren bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen ins

Leben gerufen, um den Herausforderungen zu begegnen.

Da Brasilien noch ganz am Anfang einer größeren Ent-

wicklung steht, sind die bildungspolitischen Innovations-

maßnahmen eher allgemeiner Art und zielen darauf ab, die

großen generellen Herausforderungen des brasilianischen

Bildungssystems zu meistern. Es finden sich darunter

jedoch auch Ansätze, die ganz gezielt das digitale Lernen

adressieren. Zudem gibt es regionale Initiativen, die auf

Bemühen der Bundesstaaten entstanden sind und speziell

in bestimmten Regionen digitales Lernen fördern, etwa

im Gebiet von São Paulo oder Rio de Janeiro. Auch private

Initiativen haben hier neben den ministerialen Akteuren

einen wichtigen Stellenwert. So wird ein bedeutender Teil

der Bemühungen um digitales Lernen in Brasilien zum Bei-

spiel von der Fundação Lemann und weiteren Stiftungen

initiiert und getragen.

DAS BRASILIANISCHE SCHULSYSTEM

Grundsätzlich kennt Brasilien öffentliche und private

Schulen. Während öffentliche Schulen staatlich finanziert

sind, werden die privaten Schulen durch private Institu-

tionen eingerichtet und finanziert. Öffentliche Schulen

sind in der Regel kostenfrei zu besuchen. Private Schulen

fordern ein Schulgeld, werden aber auch in der Qualität

des Unterrichts als deutlich besser wahrgenommen. Hier

liegt der Schwerpunkt der Betrachtung auf den öffentlich

getragenen Schulen.

Die brasilianische Schulpflicht beginnt im Alter von sieben

Jahren mit der Grundschule. Angebote der frühkind-

lichen Bildung sind bereits ab dem Alter von einem Jahr

verfügbar, der Besuch ist jedoch nicht verpflichtend. Die

Grundschule ist in zwei Stufen unterteilt. Die erste Stufe

wird im Alter von sieben bis elf Jahren besucht. Üblicher-

weise werden in diesen ersten fünf Jahren alle Fächer

von einer Lehrperson unterrichtet. Die Kinder verbleiben

durchgehend in einem Klassenverband. Das Erlernen einer

Fremdsprache ist bereits hier möglich – zur Wahl stehen

Englisch und Spanisch. Die zweite Stufe der Grundschule

wird im Alter von zwölf bis 14 Jahren besucht. Die Kinder

werden dann bei verschiedenen Lehrpersonen unterrich-

tet und das Erlernen mindestens einer Fremdsprache wird

verpflichtend.

In der Grundschule werden häufig verschiedene Alters-

klassen zusammen unterrichtet, zum Beispiel, weil

Schülerinnen und Schüler das obligatorische Schuljah-

resexamen nicht bestehen und entsprechend das Jahr

wiederholen müssen. Die Altersspanne in den Klassen

variiert also häufig.

Ab dem Alter von 15 Jahren wird die Sekundarschule

besucht. Der Abschluss wird dort in der Regel im Alter

von 18 Jahren erworben. Der Fächerkanon erweitert sich

in der Sekundarschule um Fächer wie Philosophie oder

Soziologie und soll auf den Besuch einer öffentlichen

Universität vorbereiten. Häufig gibt es zusätzlich spe-

zielle Kurse, die auf den Besuch der Universität generell

vorbereiten sollen, also Wissen darüber vermitteln, wie

die Universität funktioniert und wie dort gelernt wird.

Die Schulpflicht endet im Alter von 17 Jahren, sodass der

Besuch der Sekundarschule ab dann freiwillig erfolgt. Wer

ohne den Abschluss der Sekundarschule abgeht, hat die

Möglichkeit, zwei Jahre lang eine Höhere Berufsschule zu

besuchen. Dieser Schulzweig zielt auf eine beruflich-tech-

nische Laufbahn ab, ermöglicht aber im Anschluss auch

den Erwerb eines universitären Abschlusses.

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Eine Besonderheit des brasilianischen Schulsystems ist

die Einteilung in sogenannte Schichten. Es gibt in der Re-

gel drei Schichten pro Schultag. Die erste Schicht beginnt

um 7:00 Uhr morgens und endet um 12:00 Uhr, die zweite

Schicht reicht von 12:00 Uhr bis 17:00 Uhr und die dritte

Schicht von 17:00 Uhr bis 22:00 Uhr. Die Schülerinnen und

Schüler müssen nur eine Schicht pro Tag besuchen. Die

meisten Schulen bieten zwei Schichten, viele aber auch

alle drei Schichten pro Tag an, da die Schulen in der Regel

stark überbelegt sind. Auf diese Weise wird das System

entzerrt.125

Abb. 11: Das brasilianische Schulsystem

Brasilien gibt etwa 6 Prozent seines BIPs für Bildung aus,126

geplant sind 10 Prozent bis 2024.127Die Ausgaben sind

in den letzten Jahren deutlich angehoben worden und

liegen inzwischen sogar deutlich über dem OECD-Durch-

schnitt. Das Land bemüht sich also um eine deutliche

Verbesserung des Bildungssystems. Bis dato wird davon

125 https://www.cfr.org/blog/public-education-brazil 126 Vgl. OECD 2015b127 Vgl. OECD 2015b, S. 14128 Vgl. ebd.129 Vgl. ebd.130 http://pne.mec.gov.br/18-planos-subnacionais-de-educacao/543-plano-nacional-de-educacao-lei-n-13-005-2014 131 Vgl. INEP 2014, S. 21 ff.

ein Großteil allerdings für die universitäre Bildung ver-

wendet. Im Verhältnis wird 3,5 Mal so viel Geld für einen

Studierenden bzw. eine Studierende investiert wie für ein

Schulkind.128

Ein drängendes Problem in Brasilien ist der Lehrkräfte-

mangel. Auch hier bemüht sich Brasilien zwar um Abhilfe,

bis die Maßnahmen jedoch wirken können, wird es noch

einige Zeit dauern. Die Schulpflicht wurde erst 2009 auf

das Alter von 17 Jahren angehoben, vorher endete sie im

Alter von 14 Jahren. Brasilien hat eigene Programme ins

Leben gerufen, um gerade ärmeren Familien und Familien

im ländlichen Raum bessere Bildungsmöglichkeiten eröff-

nen zu können. Wir haben es also mit einem Land zu tun,

das sein Schulsystem insgesamt langfristig neu aufstellen

möchte und dabei gleichzeitig möglichst kurzfristig Ver-

besserungen erzielen muss.

Brasilien hat etwa 141.000 Grundschulen und Sekundar-

schulen. Die Zuständigkeit für diese Schulen und für

die Bildung generell ist in Brasilien ausdifferenziert. So

besteht eine Gesamtverantwortung auf Seiten des bra-

silianischen Bildungsministeriums, das die großen strate-

gischen Linien und Rahmen vorgibt. Allerdings haben auch

alle Bundesstaaten eigene Bildungsministerien und eigene

Ansätze, Förderstrecken und Strategien, die sie auf Ebene

der Bundesstaaten unter Wahrung der Gesamtvorgaben

umsetzen.129

PLANO NACIONAL DE EDUCAÇÃO (PNE)

Auf bildungspolitischer Ebene hat Brasilien deshalb 2014

einen nationalen Bildungsplan, den Plano Nacional de

Educação (PNE), entwickelt und in Kraft gesetzt. Mit einer

Laufzeit von zehn Jahren bis einschließlich 2024 ist der

Bildungsplan das strategische Schlüsselinstrumentarium

für die Weiterentwicklung des brasilianischen Bildungs-

systems. 130 Der Bildungsplan definiert insgesamt 20

Ziele für den Bildungssektor, die zwischen 2015 und 2024

erreicht werden sollen.131 Die Ziele gelten für das gesamte

Staatsgebiet und setzen zum Beispiel dabei an, bis 2024

mindestens 95 Prozent der Kinder zu einem Schulab-

schluss zu bringen (Ziel 2) oder die Qualität der Bildungs-

angebote grundsätzlich zu verbessern (Ziel 7).

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Alter

Kindergarten(ab 1 Jahr)

Sekundarschule(15 bis 18 Jahre)

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Grundschule 1. Stufe(7 bis 11 Jahre)

Höhere Berufsschule

Grundschule 2. Stufe(12 bis 14 Jahre)

Schu

lp�icht

Universität

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Ein eigenes Ziel zum vermehrten Einsatz digitaler Mittel im

Unterricht oder zur Verbesserung von Schulorganisation

und Schulqualität findet sich hier nicht. Auf die generelle

Nutzung von neuen Technologien im Bildungsgeschehen

wird in verschiedenen Zielen immer wieder verwiesen,

ohne dabei jedoch konkrete Maßnahmen abzuleiten oder

vorzustellen.

PROGRAMA NACIONAL DE TECNOLOGIA

EDUCACIONAL (PROINFO)

ProInfo ist ein Programm zur Förderung des pädagogi-

schen Einsatzes von Informatik im öffentlichen Schul-

sektor, das vom brasilianischen Bildungsministerium ins

Leben gerufen wurde.132 Das Programm will den Einsatz

von Computern und digitalen Lernressourcen in der Schu-

le fördern und wird auf nationaler Ebene durchgeführt. Im

Gegenzug müssen die Bundesstaaten und die Kommunen

die geeignete Infrastruktur sicherstellen und Lehrkräfte

für den Einsatz von Technologien ausbilden.

Finanziert wird das Programm über den Fundo Nacional

de Desenvolvimento da Educação (FNDE). Um teilnehmen

zu können, müssen sich die Bürgermeister und Bürger-

meisterinnen der Kommunen für das Programm bei

offizieller Stelle registrieren lassen und dann die Schulen

vorschlagen, die sie ausgestattet wissen möchten. Zur

Ausstattung gehören entsprechende Computerlabore, die

dann bei den jeweiligen Schulen, die ausgewählt wurden,

eingerichtet werden. Ob und wie eine Schule ausgewählt

wird, hängt von ihrer Lage (ländlich vs. städtisch) und ihrer

bereits existierenden Computerausstattung ab.133

Der Erfolg des Programms, das bereits seit 2007 läuft, ist

umstritten. So wird zum Beispiel kritisiert, dass zu wenig

Geld in den Aufbau der Infrastruktur investiert wurde

und der Einsatz der Geräte in Bezug auf den Unterricht

zu wenig überwacht wurde. Ebenso fehlen eine weitere

Evaluation des Programms sowie Forschung zu den be-

treffenden Themen.134

132 http://portal.mec.gov.br/proinfo 133 https://www.fnde.gov.br/index.php/programas/proinfo/perguntas-frequentes 134 Vgl. Revista Brasileira de Estudos Pedagógicos 2015135 Das genaue Stiftungsvermögen und die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel waren nicht zu recherchieren.136 Vgl. World Economic Forum 2015137 https://www.fundacaolemann.org.br/public/projetos/formar 138 https://www.fundacaolemann.org.br/public/projetos/talentos-da-educacao

ÜBERSETZUNG VON LERNVIDEOS

Die brasilianische Stiftung Lemann hat ein breites Port-

folio an Projekten ins Leben gerufen, das generell auf die

Verbesserung der Bildungsqualität des brasilianischen

Bildungssystems abzielt. Sie ist eine private Familienstif-

tung, die 2002 vom Geschäftsmann Jorge Paulo Lemann

mit dem Ziel gegründet wurde, den Kindern von Brasilien

bessere Entwicklungschancen durch bessere Bildung zu

ermöglichen.135

Bereits 2015 wurde eine Kooperation mit der US-amerika-

nischen Lernplattform Khan Academy ins Leben gerufen

und die Übersetzung von Lernvideos ins Portugiesische

organisiert sowie die Nutzung der Plattform selbst in

brasilianischen Schulen befördert. Diese Videos stehen

nun 70.000 Schülerinnen und Schülern in Brasilien zur Ver-

fügung und werden an einigen Hundert Schulen genutzt.

Darüber hinaus nutzen ca. 850.000 Schülerinnen und

Schüler die Videos außerhalb der Schule zum Lernen.136

Das Ziel war, Lehrkräften eine gute Möglichkeit an die

Hand zu geben, ihren Unterricht mit digitalen Medien anzu-

reichern und generell zu verbessern, um etwa schneller zu

erkennen, wann und wo Schülerinnen und Schüler Schwie-

rigkeiten mit dem Lernstoff haben.

TALENTS OF EDUCATION

Zusätzlich organisiert die Stiftung Lemann den brasi-

lienweiten Austausch zwischen Bildungsnetzwerken,

Ministerien und Schulen, um Erfahrungen auszutauschen

und Ideen zur Verbesserung des Bildungswesens zu ent-

wickeln.137 Die Netzwerke, die hier entstehen, sind auf die

Dauer von mehreren Jahren des regelmäßigen Austauschs

hin angelegt und bieten auch Fortbildungsmöglichkeiten,

zum Beispiel für Schulleitungen.

Ein spezielles Netzwerk, das die Stiftung zusätzlich ins

Leben gerufen hat, ist das Rede Talentos da Educação.138

Es ist speziell darauf ausgelegt, Menschen, die bereits

im Bildungssektor beschäftigt sind, in den Austausch

zu bringen und sie in ihrer beruflichen Entwicklung zu

fördern. Es bietet den Beteiligten Seminare, Konferenzen,

Fortbildungsmöglichkeiten und Austausch – immer auch

mit dem Ziel, Ideen für eine bessere Bildung in Brasilien zu

entwickeln und deren Umsetzung voranzutreiben.

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Der Zugang erfolgt über eine Bewerbung. Der Fokus liegt

bei beiden Ansätzen nicht konkret auf der Nutzung und

Verbreitung von digitalen Medien im Unterricht, sondern

zielt darauf ab, das Bildungssystem generell zu verbes-

sern.

EDUCOPÉDIA – DIE LERNPLATTFORM DES BUNDESSTAATES

RIO DE JANEIRO

Educopédia139 ist eine digitale Lernplattform, auf der

Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte im Bundesstaat Rio

de Janeiro gemeinsam arbeiten können. Die Plattform

bietet Unterrichtspläne und Präsentationen für Lehrkräf-

te, die diese für den Unterricht nutzen können. Orientiert

ist das Angebot an den Lehrplänen des Bundesstaates. Die

Richtlinien für das Curriculum wurden in 32 dazu passende

Einheiten unterteilt, sodass die Lehrkräfte Inhalte bereits

vorbereitet und passend zum Curriculum für jede Klas-

senstufe für jede Woche des Schuljahres vorfinden. Das

Material ist auf die Schuljahresprüfungen hin zugeschnit-

ten und besteht sowohl aus Videos als auch aus Texten,

Bildern, Podcasts, Spielen, Quizzen und dergleichen.

DIGITAL SCHOOL OFFICE SÃO PAULO

Das Bildungsministerium des Bundesstaates São Paulo

hat ein eigenes digitales School Office ins Leben gerufen.

Das Angebot richtet sich an Schulen im Gebiet von São

Paulo und bietet diesen nicht nur Tools für die Verwaltung

und Unterstützung der Schulorganisation, sondern auch

ein eigenes Bildungsportal, auf dem Lehrkräfte Bildungs-

materialien herunterladen können.140

Auf der Website selbst können Schülerinnen und Schüler

eigene Notizen hinterlegen und E-Mails abrufen oder in den

Schulkalender schauen. Lehrkräfte haben zusätzlich die

Möglichkeit, das Klassenbuch einzusehen. Eltern können

über die Seite die Noten ihrer Kinder einsehen und Infor-

mationen zu Schulveranstaltungen abrufen. Zeugnisse und

die eigene Schulhistorie lassen sich hier ebenfalls abrufen.

139 http://www.educopedia.com.br 140 http://www.intranet.educacao.sp.gov.br 141 https://play.google.com/store/apps/details?id=br.gov.sp.educacao.minhaescola&hl=pt_BR 142 https://www.aprendizageminterativa.seduc.mt.gov.br

Die eigene App Minha Escola richtet sich an Eltern und

Schülerinnen und Schüler und soll das Engagement der

Familien für die Schule verbessern.141 Die App bietet zum

Beispiel Kontaktinformationen der Schule, Infos zu Spei-

seplänen oder auch einen Schulnewsletter.

ESCOLA DIGITAL

Escola Digital ist ein digitales Angebot, das von einer Ko-

operation mehrerer brasilianischer Stiftungen ins Leben

gerufen wurde. Das Portal bietet die Möglichkeit, sich in

Bezug auf digitales Lernen in der Schule weiterzubilden.

Es gibt umfängliche Online-Kurse zu verschiedensten

Fragestellungen im Hinblick auf die Nutzung von digitalen

Medien im Unterricht, auch in Bezug auf Erstellung und

Einsatz eigener digitaler Lernmedien. Die Kurse werden

von unterschiedlichen Anbietern gestellt und auf der

Plattform durchgeführt.

Zusätzlich gibt es Handreichungen und Empfehlungen

für die Gestaltung des Unterrichts mit digitalen Medien,

ebenso wie ganze Unterrichtsentwürfe inklusive der Ma-

terialien, die auch nach Fächern geordnet gesucht werden

können.142 Auch Sammlungen mit Informationen zu nütz-

lichen Tools und Programmen, wahlweise für den direkten

Einsatz im Unterricht oder zur Vorbereitung und Erstellung

von Material, sind zu finden.

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5. LÄNDERÜBERGREIFENDER VERGLEICH UND EINORDNUNG DER RECHERCHEERGEBNISSE

Die Darstellungen der Bildungssysteme der einzelnen

Länder, ihres Stands in Bezug auf digitales Lernen und der

daraus abgeleiteten Handlungsansätze auf bildungspoli-

tischer Ebene offenbaren, wie komplex sich nicht nur das

Feld an sich darstellt, sondern wie schwierig ein Vergleich

der länderspezifischen Befunde ist.

Da die Systeme ebenso unterschiedlich sind wie die Aus-

gangslagen und Zielstellungen in den jeweiligen Ländern,

ist ein direkter Vergleich weder möglich noch sinnvoll.

Zielführender erscheint es, die Maßnahmen, die jedes

Land ergriffen hat, in das eingangs vorgestellte Indikato-

renmodell einzuordnen und zu analysieren – vor allem mit

Blick auf die Übertragbarkeit der Ansätze auf das deut-

sche Bildungssystem.

Da überdies viele Initiativen in den Ländern auch indirekt

das Thema digitales Lernen bearbeiten, jedoch nicht unter

diesem Titel firmieren und daher hier unberücksichtigt

blieben, kann diese Aufstellung nicht erschöpfend sein,

sondern nur einen grobes Bild von der grundsätzlichen

Herangehensweise an das Thema digitale Bildung in den

jeweiligen Ländern vermitteln.

In den Länderdossiers selbst ist bereits deutlich gewor-

den, dass sich viele Maßnahmen nicht einem einzelnen

Indikator zuordnen lassen, sondern häufig auf mehrere

Dimensionen einzahlen. Aus Gründen der Übersichtlich-

keit wurden die einzelnen Maßnahmen dennoch einem

Indikator zugeordnet, der als hauptsächlich prägend für

das jeweilige Vorgehen betrachtet wurde.

KERNELEMENTE DER STRATEGIEN

So unterschiedlich alle fünf hier näher beleuchteten

Länder sind, so unterschiedlich sind auch ihre Strategien.

Und dennoch finden sich überall bestimmte Elemente

wieder. So gibt es in allen fünf Ländern Kernstrategien,

die für den Umgang mit dem digitalen Wandel im Schul-

sektor entwickelt wurden und damit einen wichtigen

Beitrag für die Politikentwicklung in diesem Bereich

leisten.

Ein Großteil der weiteren Maßnahmen und Ansätze lässt

sich primär im Bereich der Schul- und Unterrichtsent-

wicklung ansiedeln. Das Spektrum an möglichen Maß-

nahmen ist breit, aber auch hier gibt es auf methodischer

Ebene Parallelen in der Wahl der Mittel. So finden sich zum

Beispiel immer wieder Wettbewerbe zu verschiedenen

Themen, Self-Assessment-Ansätze, Ansätze, die auf die

Entwicklung von Kompetenz- und Qualitätsstandards ab-

zielen, sowie Angebote zum Kompetenzerwerb.

Eine Besonderheit bilden die ICT-Koordinierenden, die in

Tschechien eingesetzt werden, da sie eine neue Personal-

kategorie als Schnittstelle zwischen IT und Pädagogik

darstellen. Ähnliches gilt auch für den Ansatz, Metadaten

von digitalen Lernmedien stärker in den Blick zu nehmen,

um auf diese Weise eine bessere Strukturierung der An-

gebotslandschaft vornehmen zu können.

NETZWERKENTWICKLUNG ALS QUERSCHNITTSTHEMA

Auffällig erscheint hier auf den ersten Blick, dass das The-

ma Netzwerkentwicklung, dem in Deutschland zu Recht

eine hohe Bedeutung beigemessen wird, in den hier vor-

gestellten Ansätzen weit weniger präsent ist als erwartet.

Zwar finden sich in allen Ländern Ansätze, die auch das

Thema Netzwerkentwicklung in den Blick nehmen, jedoch

gibt es nur wenige Aktivitäten, die primär auf die Netz-

werkentwicklung abzielen.

Das lässt zwei Interpretationsrichtungen zu. Grundsätz-

lich wäre es denkbar, dass die Netzwerkentwicklung als

bildungspolitischer Hebel in den hier vorgestellten Län-

dern nicht strategisch und zielgerichtet betrieben wird.

Naheliegender ist jedoch die Annahme, dass Netzwerkent-

wicklung weniger als primäres Ziel denn als Nebeneffekt

begriffen wird, der sich durch verschiedene Maßnahmen

und Ansätze automatisch einstellt.

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Auf einer höheren Abstraktionsebene lässt sich sagen,

dass die Arbeit in Teams, der Austausch und das vernetzte

Arbeiten an sich in vielen Ländern bereits weit mehr Alltag

der Lehrkräfte ist, als das in Deutschland bisher gilt. Viele

Länder bilden ihre Lehrkräfte bereits stärker team- und

austauschorientiert aus. Auch dies spricht dafür, dass

das Thema Netzwerkentwicklung sich weniger in den

Maßnahmen wiederfindet, als aus deutscher Perspektive

zu erwarten gewesen wäre. Es beweist einmal mehr, wie

wichtig die vernetzte Arbeit auch im Schulalltag ist, und

unterstreicht vielmehr die Bedeutung der Netzwerkent-

wicklung für den deutschen Raum.

In den nachfolgenden Überblicksgrafiken zu den Stra-

tegien und Handlungsansätzen der Länder wird jeweils

aufgezeigt, welchem Indikator sich eine Maßnahme primär

zuordnen lässt. Zusätzlich wird durch eine grafische

Verbindung markiert, in welchen Fällen die Netzwerkent-

wicklung entweder originär mitintendiert war oder als

Sekundäreffekt zustande kommt.

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ESTLAND SETZT AUF EIN GESAMTKONZEPT DER SCHUL- UND

UNTERRICHTSENTWICKLUNG

Betrachtet man die Initiativen und Anstrengungen, die

Estland unternimmt, um digitales Lernen umzusetzen, so

sind zwei Stoßrichtungen offenkundig: Im Vordergrund

steht eine segmentspezifische Strategie für die (digitale)

Bildungspolitik, die mit der Gesamtstrategie zur weiteren

Entwicklung Estlands zu einer digitalen Gesellschaft aufs

engste korrespondiert. Das heißt, alle Maßnahmen auf

der konkreten bildungspolitischen Ebene sind aus dieser

übergreifenden Strategie abgeleitet.

Neben diesen klaren strategischen Zielstellungen dürfte

aber auch die estnische Grundhaltung zur Digitalisierung

in weiten Teilen der Bevölkerung von hoher Bedeutung

für den Erfolg dieser Maßnahmen sein. Das kleine Land,

dessen Bildungspolitik zentralistischer organisiert ist als

hierzulande, hat deutlich früher damit begonnen, sich mit

digitalen Medien zu befassen als Deutschland und ist in-

zwischen an entscheidenden Punkten wie der technischen

Infrastruktur an Schulen und dem technischen Support

deutlich weiter.

Die Ansätze zur Entwicklung des estnischen Bildungs-

systems auf digitaler Ebene zielen vor allem auf die

Unterrichts- und Schulentwicklung und fokussieren sehr

konkrete, abgegrenzte Themen wie die IT-Ausstattung für

Lehrkräfte oder das Self-Assessment-Tool Digipeegel. Dies

wird ergänzt durch praktische Angebote auf der Ebene der

Unterrichtsentwicklung, wie zum Beispiel die Datenbank

ehis, die e-Schoolbag oder auch der Ansatz, einheitliche

Metadaten für digitale Lernmedien zu entwickeln.

Estland hat also nicht nur strategische Leitplanken

gesetzt, sondern dafür auch entsprechende konkrete und

praxisrelevante Maßnahmen ins Leben gerufen.

Politik-entwicklung

Netzwerk-entwicklung

Schul-entwicklung

Unterrichts-entwicklung

StiftungLernen

Kompetenz-standards

IT-Ausstattung

für LehrkräfteDigipeegel

DigitalesLernmaterial

Metadaten OPIQehis

Strategiedigitale

Revolution

Lehrkräfte

Lehrberufattraktiver

machen

Curriculums-entwicklung

e-Schoolbag

e-Schoolbag

Abb. 12: Indikatorenbasierter Überblick über Kernpunkte des estnischen Vorgehens

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spanien

SPANIEN SETZT AUF GESETZE UND REFERENZRAHMEN

Im Gegensatz zu Estland setzt Spanien auf ein allgemeines

Gesetz zur Verbesserung der Bildungsqualität, das auch

digitales Lernen beinhaltet. Eine spezifische Strategie zur

Entwicklung digitalen Lernens gibt es hier derzeit noch

nicht, wenngleich dies angestrebt wird. Dazu kommen

Ansätze im Hinblick auf Schulzertifizierungen und der

Referenzrahmen für digitale Kompetenzen. Einzelne

Maßnahmen, etwa zum digitalen Kompetenzaufbau bei

Lehrkräften, wurden im Rahmen konkreter Projekte, zum

Beispiel in Form von Toolkits, umgesetzt. Obwohl einzelne

Maßnahmen durchaus ihre Wirksamkeit erzielen dürften,

stehen diese Initiativen und Projekte bisher jedoch noch

recht unverbunden nebeneinander.

Im Vergleich zu Estland steht Spanien in Bezug auf das

digitale Lernen noch an einem früheren Punkt und disku-

tiert zum Beispiel noch immer über die Infrastrukturaus-

stattung von Schulen. Zu würdigen sind jedoch einzelne,

bereits angestoßene konkrete Programme zur Entwick-

lung digitaler Lernmaterialien und zur Verbesserung der

Schul- und Unterrichtsqualität.

INTEF

Escuela 2.0

Toolkit digitale

Kompetenz

Gesetz zurBildungs-

qualität

Zerti�zierungs-programm

Referenz-rahmen digitale

Kompetenz

Aula delfuturo

Politik-entwicklung

Netzwerk-entwicklung

Schul-entwicklung

Unterrichts-entwicklung

Abb. 13: Indikatorenbasierter Überblick über Kernpunkte des spanischen Vorgehens

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tschechien

TSCHECHIEN LEGT DEN FOKUS AUF DIE SCHULENTWICKLUNG

Auch Tschechien hat mit seiner Digital Education Strategy

einen expliziten bildungspolitischen Rahmen für die

weitere Entwicklung des digitalen Lernens auf nationaler

Ebene geschaffen. In der Ausgestaltung dieser strategi-

schen Zielstellung zur Stärkung und Entwicklung des

digitalen Lernens setzt Tschechien vorrangig auf Maßnah-

men im Bereich der Schulentwicklung.

Darunter finden sich vielfältige Ansätze, die auch auf sehr

unterschiedliche Fragestellungen fokussieren. So steht

sowohl die Entwicklung der Infrastruktur als auch eine

Veränderung des Lehr-Lern-Geschehens im Mittelpunkt.

Interessant ist hier vor allem das Vorgehen, eine gemein-

same Schulverwaltungssoftware einzuführen, die von

allen Schulen genutzt wird und somit Einheitlichkeit und

Effizienz ermöglicht. Auch der Ansatz, ICT-Koordinierende

einzusetzen, ist bemerkenswert, wenngleich hier in der

konkreten Umsetzung durchaus größere Unterschiede

an den Schulen bestehen, etwa was das Stundenkontin-

gent betrifft. Hier bleibt abzuwarten, wie Tschechien mit

dieser Unterschiedlichkeit umgehen wird. Hervorzuheben

sind ebenso die Ansätze der School Labs und der Maker

Spaces, die ein projektorientiertes und fächerübergrei-

fendes Arbeiten ermöglichen.

Wenn man bedenkt, dass Tschechien noch vor wenigen

Jahren in Sachen Digitalisierung generell erheblichen

Nachholbedarf hatte, dann können die ergriffenen Maß-

nahmen als ambitioniert gelten. Sie belegen, dass Tsche-

chien sich der Bedeutung des Themas digitales Lernen

bewusst ist und vermehrt Anstrengungen unternimmt, um

hier aufzuholen – und das innerhalb kurzer Zeit auch schon

in beachtlicher Weise geschafft hat.

Politik-entwicklung

Netzwerk-entwicklung

Schul-entwicklung

Unterrichts-entwicklung

DigitalEducationStrategy

WettbewerbDOMINO

Qualitäts-kriterien fürLernmedien

School LabsSchul-

verwaltungs-software

Skola 21 MENTEPICT-

Koordinierende

Net-r@il

Abb. 14: Indikatorenbasierter Überblick über Kernpunkte des tschechischen Vorgehens

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singapur

SINGAPUR SETZT NEUE MASSSTÄBE IN SACHEN

DIGITALES LERNEN

Singapur ist ein Land, das konsequent auf die Digitalisie-

rung setzt und bereits vor über 20 Jahren mit der Ent-

wicklung des digitalen Lernens begonnen hat. Kernstück

waren und sind noch immer die ICT-Masterpläne, die jeweils

für mehrere Jahre in Kraft sind und dann für die nächsten

Entwicklungsstufen aktualisiert werden. Diese Masterpläne

sind auch deswegen bemerkenswert, weil sie nicht nur den

Entwicklungsprozess Singapurs in Sachen digitales Lernen

dokumentieren, sondern auch als Blaupause für eigene

Aktivitäten dienen können – vorausgesetzt, sie werden an

die eigene Situation angepasst.

Bedingt durch die frühe Entscheidung, digitales Lernen

zielgerichtet einzuführen und zu nutzen, hat Singapur

bereits jetzt einen Entwicklungsstand erreicht, der vielen

Ländern deutlich überlegen sein dürfte. Bemerkenswert

ist, dass Singapur dabei sowohl auf politische Weichen-

stellungen als auch auf die konkrete und praktische

Unterrichts- und Schulentwicklung setzt. Dabei existieren

neben den ICT-Masterplänen mehrere Schlüsselansätze,

die hier ineinandergreifen, wie etwa das übergeordnete

politische Ziel, Singapur zur Smart Nation zu entwickeln.

Hier zeigt sich – wie auch in Estland – eine grundsätzlich

positive und offene Haltung dem Thema Digitalisierung

gegenüber. Beide Länder können als Early Adopter in

Sachen digitale Bildung gelten.

Dazu kommt die Debatte um die 21st Century Competen-

cies, die in Singapur sehr lebhaft geführt wird und in der

insbesondere kreative Kompetenzen, kritisches Denken

und die Fähigkeit zur Selbststeuerung und Selbstreflek-

tion betont werden. Indem es nicht nur Einzelmaßnahmen

umfasst, sondern konsequent auch von der Metaebene her

gedacht ist, unterscheidet sich das Modell von Singapur

deutlich von den Aktivitäten anderer Länder.

Betrachtet man die verschiedenen politischen Ansätze, so

entsteht insgesamt das Bild einer Nation, die konsequent

digital sein will und durch verschiedene, sinnvoll miteinan-

der verzahnte Aktivitäten in die (ganzheitliche) Entwick-

lung der Menschen investiert.

Auf der Ebene der Unterrichtsentwicklung setzt Singapur

auf ein eigenes Schulfach, das sich sehr umfassend mit

Computational Thinking befasst und entsprechend offen

ist für alle relevanten Fragestellungen und Themen rund

um digitale Technologien.

Auch der Ansatz der Cyber Wellness ist bemerkenswert,

da hier nicht nur Medienkompetenz vermittelt werden soll,

sondern das Modell auch Lehrkräfte und Eltern mit ein-

bezieht und hier auf allen Ebenen und bei allen Zielgruppen

den medienkompetenten Umgang schult, befördert und

gleichzeitig ein gutes Management etwaiger Probleme wie

Cybermobbing im Schulalltag ermöglicht.

Digitales Lernen ist überdies bereits fester Bestandteil

der Lehrkräftesausbildung und auch in den verpflichten-

den Lehrkräftefortbildungen verankert. Auch die Idee,

die Schulsoftware-Infrastruktur zu vereinheitlichen und

per App eine Schnittstelle für Eltern zu ermöglichen, kann

durchaus als vorbildlich bezeichnet werden.

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Politik-entwicklung

Netzwerk-entwicklung

Schul-entwicklung

Unterrichts-entwicklung

SmartNation

ICT-Masterpläne

21st CenturyCompetencies

DigitaleHaltung

CyberWellness

CyberWellness

Lehrkräfte-aus &

-fortbildung

Design & Technology

Paradigma:Teach less,learn more

Apps Lehrkräfte/

Eltern

Apps Lehrkräfte/

Eltern

Code@SG

Code@SG

Abb. 15: Indikatorenbasierter Überblick über Kernpunkte des Vorgehens von Singapur

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brasilien

BRASILIEN SETZT AUF GROSS ANGELEGTE PROGRAMME MIT

INTEGRIERTEN DIGITALEN ELEMENTEN

Brasilien hat mit massiven Problemen im Bildungssektor

zu kämpfen, entsprechend steht hier die Verbesserung

des Bildungssystems insgesamt im Vordergrund. Digitales

Lernen kann hierbei unterstützen, genießt jedoch bei den

brasilianischen Zielsetzungen zumeist nicht die oberste

Priorität. Mit dem Plano Nacional de Educação hat Brasilien

eine wichtige bildungspolitische Strategie entwickelt, die

derzeit umgesetzt wird und bereits erste Erfolge hervorge-

bracht hat. Eine Gesamtstrategie zur Entwicklung digitalen

Lernens fehlt jedoch noch, sodass die Initiativen, die es

gibt, bisher eher unverbunden nebeneinanderstehen.

Auch private Akteure wie die Fundação Lemann und

weitere Stiftungen spielen in Brasilien eine größere Rolle

als anderswo. Die Zivilgesellschaft hat hier also wichtige

Funktionen bei der Umsetzung digitalen Lernens über-

nommen – ein Modell, das auch in Deutschland existiert.

Die Maßnahmen Brasiliens verteilen sich grundsätzlich

auf alle vier Ebenen des Indikatorenmodells. Gerade die

Ansätze zur Unterrichtsentwicklung und zur Schulent-

wicklung verdienen Beachtung, wenngleich sie nur regio-

nal umgesetzt werden. Mit dem Digital School Office und

der Escola Digital sind zwei Instrumentarien geschaffen

worden, die den Einsatz digitaler Medien in den Schulen

und gleichzeitig die Schulverwaltung erleichtern können.

Inwiefern sich diese Ansätze durchsetzen, wird maß-

geblich von Programmen wie ProInfo abhängen, das auf

der Ebene der Politikentwicklung eine bedeutende Rolle

spielt, da es bedarfsorientiert Schulen mit Infrastruktur

ausstattet – ein Thema, das mit dem Digitalpakt Schule in

Deutschland ebenfalls adressiert wurde.

Auf den ersten Blick bildet Brasilien in der Länderauswahl

einen Sonderfall, da sich im Verhältnis weniger explizit auf

das digitale Lernen ausgerichtete Elemente finden als bei

den übrigen Ländern. Allerdings muss hier berücksichtigt

werden, dass Brasilien eine noch viel größere Herausfor-

derung zu stemmen hat, nämlich den generellen Auf- und

Ausbau des eigenen Schulsystems. Hier hat Brasilien mit

mehreren großen Strategiepapieren eine wichtige Grundla-

ge geschaffen – keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt,

dass Brasiliens Bundesstaaten eine hohe Autonomie ge-

nießen.

Für die deutsche Situation lässt sich hier vor allem von der

Entscheidung für gemeinsame strategische Entwicklun-

gen und die diskursive Gestaltung und Aushandlung der

Inhalte und Vorgehensweisen lernen.

Politik-entwicklung

Netzwerk-entwicklung

Schul-entwicklung

Unterrichts-entwicklung

PlanoNacional deEducação

ProInfo

Talents ofEducation

DigitalSchool O�ce

EducopédiaEscolaDigital

Übersetzungvon

Lernvideos

Abb. 16: Indikatorenbasierter Überblick über Kernpunkte des brasilianischen Vorgehens

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der vergleich zeigt die bedeutung von gezielter schul- und unterrichtsentwicklung

Alle fünf Länder setzen umfänglich bei der Schul- und

Unterrichtsentwicklung an. Schaut man vor allem auf

Estland und Singapur als Vorzeigestaaten in Sachen

digitales Lernen, dann wird deutlich, wie wichtig neben

einer positiven Haltung zum Thema und einer gezielten

und kohärenten Umsetzungsstrategie die herunterge-

brochenen Einzelmaßnahmen auf Ebene der Schul- und

Unterrichtsentwicklung sind. Auch in Tschechien ist dies

zu erkennen.

Daraus lässt sich ableiten, dass der Schul- und Unter-

richtsentwicklung als solcher bei der Umsetzung digitalen

Lernens eine hohe Bedeutung zukommt. Entsprechend

erscheint es sinnvoll, die Maßnahmen der Schul- und

Unterrichtsentwicklung in Deutschland in diesem Bereich

zu stärken, weiter auszubauen und generell als Katalysa-

tor für schulische Entwicklung zu fassen.

Nachfolgend werden aus den hier vorgestellten Maß-

nahmen, die in den fünf ausgewählten Ländern ergriffen

werden, diejenigen vorgestellt, die vielversprechend

erscheinen und sich auf die deutsche Situation gut über-

tragen lassen.

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6. ABLEITUNG VON HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR DEUTSCHLAND

143 Die Ansätze wurden den Indikatoren zugeordnet. Berücksichtigt wurde hier jeweils die Hauptzielsetzung der Maßnahmen, wenngleich einige Ansätze auch auf mehrere Indikatoren einzahlen. Da keiner der empfohlenen Ansätze hauptsächlich auf die Netzwerkentwicklung abzielt, bleibt der Indikator hier unbesetzt. Gleichwohl gibt es Ansätze, die einen Effekt auf die Netzwerkentwicklung haben, auch wenn dies nicht hauptsächlich intendiert war.

Die Beispiele aus den fünf Ländern haben gezeigt, wie

vielfältig die möglichen Ansätze sind, digitales Lernen

zu befördern. Je nach Ausgangslage und Struktur des

Bildungswesens geht jedes Land ganz eigene Wege, um

den digitalen Wandel zu bewältigen und die Potenziale

des Digitalen im Bildungswesen zu nutzen. Als föderalisti-

scher Staat mit einer stark dezentralen Organisation des

Bildungswesens und einer ganz eigenen Geschichte und

Tradition von Bildung steht Deutschland vor der Heraus-

forderung, diesen nationalen Besonderheiten gerecht zu

werden und gleichermaßen eine kohärente Strategie zu

entwickeln, wie digitales Lernen hierzulande gestärkt und

befördert werden kann. Die hier dargestellten Beispiele

bieten einen Fundus an möglichen Maßnahmen, von denen

viele auch in Deutschland gut und gewinnbringend um-

gesetzt werden können. Selbstverständlich sind auch die

vorliegenden

Ansätze nicht einfach auf Deutschland übertragbar. Es gilt,

immer kulturelle und strukturelle, gesellschaftliche und

historische Gegebenheiten im Blick zu behalten und auf

dieser Grundlage abzuwägen, inwieweit bestimmte Vorge-

hensweisen ihre Wirksamkeit auch im eigenen nationalen

Kontext entfalten können. Einige der Maßnahmen lassen

sich jedoch mit der notwendigen Anpassung auch hierzu-

lande adaptieren und können als Anregung zur Förderung

des digitalen Lernens in Deutschland dienen. Die nachfol-

gende Grafik zeigt überblicksartig, welche Ansätze aus den

vorgestellten Ländern für Deutschland vielversprechend

erscheinen und auf welche Ebene des eingangs zugrunde

gelegten Indikatorenmodells sie einzahlen. Insgesamt

wurden sieben Ansätze aus den in den Länderdossiers vor-

gestellten Maßnahmen ausgewählt, die auch für Deutsch-

land geeignet sind und vielversprechend scheinen.143

Politik-entwicklung

Netzwerk-entwicklung

Schul-entwicklung

Unterrichts-entwicklung

MakerSpaces

Kompetenz-standards

Schul-leitungen

Standards für digitale

Lernmedien

Standards für digitale

Lernmedien

Kompetenz-standards

Lehrkräfte-bildung

Self-Assessment-

Tool

ICT-Koordinierende

StrategischerRahmenplan

Abb. 17: Indikatorenbasierte Handlungsempfehlungen für mögliche Ansätze in Deutschland

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1. Gemeinsamer strategischer Rahmenplan für Bund und Länder

Ein gemeinsamer, regelmäßig aktualisierter strategischer

Rahmenplan von Bund und Ländern zum digitalen Lernen

nach dem Vorbild der ICT-Masterpläne in Singapur könnte

auch in Deutschland ein wichtiger Motor für das digitale

Lernen sein und zugleich länderübergreifend gemeinsam-

verpflichtende Eckpunkte markieren.

Selbstverständlich sind die Länder auch in Sachen

digitales Lernen unterschiedlich ausgerichtet und auf-

gestellt und es kann nicht darum gehen, die Aufgabentei-

lung zwischen Bund und Ländern infrage zu stellen – der

Bildungsföderalismus soll keinesfalls aufgehoben werden.

Lediglich eine stärker aufeinander abgestimmte Strategie

ist für die Umsetzung des digitalen Lernens ein lohnens-

werter Ansatz. Ein übergreifender Entwicklungsplan

könnte dazu beitragen, Anstrengungen zu bündeln. Gleich-

sam könnten die vielfältigen Erfahrungen der Länder mit

unterschiedlichen Herangehensweisen hier einfließen.

Die ICT-Masterpläne Singapurs, markieren ein Phasen-

modell der Entwicklung hin zum digitalen Lernen: zuerst

technische Ausstattung und Kompetenzerwerb; dann

Kompetenzstandards für ICT-Skills sowie Schulautono-

mie bei der Umsetzung, gefördert durch Fonds; danach

Entwicklung von Visionen für die künftige Gestaltung nach

dem Ansatz Selbst Nutzen - Prinzipien verstehen - Neue

Lernformate entwickeln. Deutschland kann ein vergleich-

bares oder anderes Phasenmodell gemäß den eigenen

Rahmenbedingungen entwickeln. Ein auf eine langfristige

Entwicklung hin angelegter strategischer Entwicklungs-

plan bietet für alle Beteiligten einen verlässlichen Rahmen,

um Ziele Schritt für Schritt umzusetzen.

Ähnliche Ansätze finden sich auch in Spanien und Brasi-

lien, wo die jeweiligen nationalen Instanzen in den Dialog

mit den autonomen Regionen bzw. den Bundesstaaten

treten, um gemeinsam auszuhandeln, welche Rahmen-

vorgaben von nationaler Seite verbindlich sind und welche

Ansprüche und Entwicklungswünsche die Regionen bzw.

die Bundesstaaten haben, auf die auf nationaler Ebene

eingegangen werden muss.

Das Besondere entsteht hier durch den dialogischen

Austausch, die gemeinsame Strategiebildung und die Ver-

schränkung der jeweils eigenen Funktionslogiken. Es geht

weniger um die Erfüllung von Vorgaben einer bestimmten

Instanz als vielmehr um den wechselseitigen Abgleich von

Zielen und Erwartungen und die Verständigung auf ein

gemeinsames Drittes mit einer konkreten gemeinsamen

Zielsetzung.

In Bezug auf das digitale Lernen bedeutet das, einen stra-

tegisch-inhaltlichen Fahrplan zu entwickeln, der verschie-

dene Entwicklungsstufen vorsieht und zukunftsgerichtete

Entwicklungen zulässt, wie es die ICT-Masterpläne in

Singapur tun. Ein integriertes, regelmäßiges Monitoring

der Aktivitäten liefert wichtige Hinweise im Hinblick auf

Wirkung der Maßnahmen und künftige Entwicklungs-

potenziale.

Um einen solchen Rahmenplan entwickeln zu können,

braucht es den regelmäßigen dialogischen Austausch

zwischen Bund und Ländern im Sinne eines gemein-

samen Aushandlungsprozesses. Auf diese Weise lässt

sich sicherstellen, dass dem Masterplan untergeordnete

Aktivitäten regelmäßig rückgekoppelt werden und zum

Beispiel auf Umsetzungsebene der Kollision unterschied-

licher Förderprinzipien entgegenwirken.

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2. ICT-Koordinierende als Fachkräfte mit Schnittstellenfunktion

ICT-Koordinierende an jeder Schule, wie sie auch in

Tschechien eingesetzt werden, die professionell aus-

gebildet sind und bei Bedarf zur Verfügung stehen, sind

eine notwendige Bedingung für das gelingende digitale

Lernen und sollten auch in Deutschland zum Standard an

Schulen werden. Dabei ist der ICT-Koordinator bzw. die

ICT-Koordinatorin idealerweise weniger zuständig für den

reibungslosen Betrieb der technischen Infrastruktur, son-

dern plant den Bedarf an digitalen Medien in Abstimmung

mit didaktischen Fachkräften bzw. dem Lehrpersonal.

So ist er oder sie die Schnittstelle zwischen Lehrkräften

und Schulleitung auf der einen Seite und den beteiligten

Instanzen wie der Kommune oder dem Schulträger auf der

anderen Seite und könnte organisational etwa beim Schul-

träger angebunden sein.

ICT-Koordinierende sind auch an der Erarbeitung von

Medienentwicklungsplänen beteiligt. Auf diese Weise kann

die Verschränkung von technischer und pädagogisch-

didaktischer Perspektive sichergestellt und ein strin-

gentes Gesamtkonzept entwickelt werden, das digitales

Lernen in den Mittelpunkt stellt und Möglichkeiten für Syn-

ergien aufgreift. In diesem Sinne sind ICT-Koordinierende

nicht nur technisch geschult, sondern auch Expertinnen

und Experten für den Schulalltag und die Schuladminist-

ration und idealerweise jederzeit ansprechbar, um Fragen

von Lehrkräften zu beantworten und sich bei Problemen

zum Einsatz der technischen Infrastruktur um den Kontakt

zum Support zu bemühen.

Eine solche Personalkategorie fehlt an den meisten

deutschen Schulen. Die Einführung könnte jedoch eine der

Kernherausforderungen im Umgang mit digitalem Lernen

lösen. Zu diesem Zweck wäre es zunächst sinnvoll zu erar-

beiten, wie die Profilbeschreibung von ICT-Koordinieren-

den in Deutschland aussehen müsste, welche Modelle des

Einsatzes denkbar und welche Kosten mit der Einführung

einer solchen Personalkategorie verbunden wären.

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3. Kompetenzstandards und Kompetenz- zentren für die Lehrkräftebildung

Das Thema digitales Lernen in einer gemeinsamen An-

strengung von Bund und Ländern in Studium, Referenda-

riat und Schuldienst zu integrieren, ist eine unverzichtbare

und dauerhaft wichtige Maßnahme. Dem sollte die

Definition von einheitlichen Standards dienen, die fest-

legen, welche Kompetenzen Lehramtsabsolventinnen und

-absolventen nach Beendigung ihres Studiums in Bezug

auf digitales Lernen erworben haben sollen.

Auch hier kann der Blick nach Singapur lohnen, sowohl

was die Standards selbst betrifft, als auch im Blick auf die

Modalitäten für die Lehrkräfteaus- und -weiterbildung.

Dabei ist sicherzustellen, dass der Umgang mit digitalen

Medien in der Lehrkräfteausbildung nicht nur punktuell

erfolgt, sondern über die gesamte Spanne der Ausbildung

immer wieder eingeübt wird. Das bedeutet sowohl die

theoretische Beschäftigung mit der Thematik als auch das

Erlernen des praktischen Umgangs mit digitalen Medien

im Unterrichtsgeschehen.

In diesem Sinne müssen zunächst konkrete Kompetenz-

standards definiert werden. Um den Erwerb der nötigen

digitalen Kompetenzen zu ermöglichen, kann es hilfreich

sein, eigene Ausbildungszentren an den Hochschulen zu

verankern. Diese Kompetenzzentren können ein Bindeglied

zwischen Theorie und Praxis sein und sowohl angewandte

Forschung im Feld des digitalen Lernens betreiben, als

auch das konkrete Ausprobieren von digitalen Unterrichts-

methoden für Lehramtsstudierende ermöglichen.

Auch Lehrkräftefortbildungen können hier durchgeführt

werden. Auf diese Weise ist eine konstante Rückkopplung

zwischen Wissenschaft und Praxis gegeben und der ge-

zielte Kompetenzerwerb im Hinblick auf digitales Lernen

wird sowohl für Lehramtsstudierende als auch für Lehr-

kräfte praxisnah möglich.

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4. Kompetenzstandards und Trainings für Schulleitungen

Auch in Bezug auf die Auswahl und Fortbildung von

Schulleitungen kann Deutschland vom Ausland lernen.

Was für Lehrkräfte gilt, sollte auch für Schulleitungen

wichtig sein: Es braucht definierte Kompetenzstandards

für Schulleitungen und ein entsprechendes Fortbildungs-

angebot mit verpflichtenden Fortbildungselementen für

angehende Schulleitungen.

Dabei steht der ressourcen- und entwicklungsorientier-

te Blick im Fokus. Hier kann Deutschland von Estland

lernen. Sinnvoll wäre eine Kombination aus definierten

Kompetenzstandards mit einem Assessment-Ansatz bei

der Auswahl von Schulleitungen und dem Angebot von

Fortbildungen für geeignete Kandidatinnen und Kandida-

ten. Geeignet sind dabei nicht nur diejenigen Personen, die

bereits alle erforderlichen Qualifikationen haben, sondern

auch diejenigen Interessierten, die Entwicklungspotenzia-

le mitbringen.

Hier sollten zunächst in einem gemeinsamen Prozess mit

Schulleitungen, Fachverbänden und der Bildungsadminis-

tration Kompetenzstandards für Schulleitungen ausge-

arbeitet werden, mit besonderem Augenmerk auf der Rolle

digitaler Medien für die künftige Schulentwicklung und

den Unterricht. Ansätze aus Estland können hier ebenso

als Ausgangsbasis dienen wie die guten Erfahrungen und

Ansätze, die bereits in Deutschland existieren.

Weiterhin gilt es, auf der Basis der Kompetenzstandards

einen eigenen Assessment-Ansatz – vergleichbar einem

Assessment-Center für Bewerberinnen und Bewerber – zu

erproben und das Durchlaufen als Eingangsvoraussetzung

für die Bewerbung als Schulleitung verbindlich zu machen.

Zusätzlich braucht es passende, modular aufgebaute

Fortbildungsangebote, die idealerweise in digitaler Form

vorgehalten werden und so nicht nur theoretisch, sondern

auch durch das praktische Erleben digitales Lernen mit

seinen Implikationen für Schulleitungen thematisieren.

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5. Maker Spaces für projektorientiertes Lernen

Maker Spaces als Räume für projektorientiertes, expe-

rimentelles, fächerübergreifendes Lernen stellen einen

didaktisch und methodisch spannenden und innovativen

Ansatz dar, um Lernprozesse lebendig, erfahrungsnah und

praktisch zu gestalten. Sie bieten beispielsweise Raum für

naturwissenschaftlich-technische Projekte, können aber

auch in anderen Fächern kreativ eingesetzt werden.

Jede Schule mit mindestens einem Maker Space auszu-

statten, wäre ein innovativer Schritt, um neue Lehr-Lern-

Settings zu erlauben und digitale Medien sowie technische

Mittel in den Unterrichtsalltag einzubinden. Es kann auch

ein guter Ansatz sein, um das Computational Thinking,

wie es in Singapur vermittelt wird, zu stärken und auch in

Deutschland aufzugreifen. Auf diese Weise kann ein Raum

geschaffen werden, um die viel diskutierten 21st Century

Skills systematisch zu vermitteln.

Einige Schulen experimentieren bereits mit Maker Spaces

und richten, sofern räumlich machbar, entsprechende

Werkstätten ein. 3D-Drucker, CNC-Fräsen, Rechner zum

Programmieren und weitere Maschinen werden hier dafür

eingesetzt, um eigene Roboter zu bauen und zu program-

mieren oder um neue kleine Maschinen zu entwerfen,

die im Alltag hilfreich sein können. Hier fehlt es jedoch

noch an einem stringenten strategischen Ansatz für den

flächendeckenden Einsatz. Alle Schülerinnen und Schüler

sollten die Möglichkeit erhalten, von der Idee des Makings

zu profitieren.

Zwei Ansatzpunkte sind hier denkbar: Zum einen braucht

es Good-Practice-Beispiele aus dem deutschen Raum, die

zeigen, wie Maker Spaces in Schulen eingesetzt werden

können, wie sie eingerichtet sind und welche Ansätze in

welchem Kontext wie gut funktionieren. Dazu gehört auch

die Debatte darüber, inwieweit neue Lernansätze wie das

Design Thinking hier ausprobiert werden können. Idealer-

weise wird dies wissenschaftlich begleitet, um fundierte

Ansätze für die weitere Entwicklung von Maker Spaces im

schulischen Kontext in Deutschland zu haben.

Zum anderen braucht es Förderung für Schulen, die

Maker Spaces einrichten möchten. Hier ist eine gewisse

Bandbreite denkbar. Die Förderung kann zum Beispiel auf

die Einrichtung einer vollständigen Werkstatt abzielen,

aber auch die Förderung mobiler Maker Spaces, die an

unterschiedlichen Orten in der Schule aufgebaut werden

können, ist denkbar. Entsprechende Modelle und Vergabe-

kriterien wären hier zunächst noch zu entwickeln.

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6. Einheitliche Metadaten für digitale Lernmedien

Der estnische Ansatz, einheitliche und verbindliche Meta-

datenstandards für digitale Lerninhalte zu entwickeln, ist

auch für Deutschland vielversprechend und könnte zum

Beispiel in Kombination mit den Bemühungen um Open

Educational Resources (OER) einen beachtlichen Effekt

erzielen. Viele Lehrkräfte beklagen, dass sie digitale Lern-

materialien nicht auffinden, deren Qualität nicht beurteilen

und nicht wissen können, ob das Lernmaterial bestimmte

Aspekte des Lehrplans abdeckt. Einheitliche Metadaten

können bei all diesen Fragestellungen bedeutsame Hilfe

leisten und für die Schulpraxis von enormem Wert sein.

Mit dem deutschen Projekt edutags und auch mit den Ini-

tiativen des Bundes im Bereich von OER in den letzten Jah-

ren sind in Bezug auf einheitliche Metadaten in digitalen

Lerninhalten bereits wertvolle Vorstöße gemacht worden,

die sich leicht weiter ausbauen lassen. Auch dieser Punkt

zahlt auf die leichtere Auffindbarkeit und sicherere Ver-

wendbarkeit von digitalen Lernmaterialien ein und lässt

sich deshalb problemlos mit den einheitlichen Metadaten

kombinieren.

Definierte Standards helfen nicht nur den Lehrkräften

selbst bei der Auswahl, sondern sind auch für Produzenten

von Lernmaterial hilfreich und tragen dadurch dazu bei,

die Qualität des Lernmaterials insgesamt zu verbessern.

Sinnvoll wäre zunächst eine Bestandsaufnahme der

Alltagspraktiken von deutschen Portalen, die digitale

Lernmaterialien zum Download anbieten. Der Fokus sollte

dabei auf den Angeboten der Länder liegen, aber auch wei-

tere Portale anderer Anbieter berücksichtigen. Ein Über-

blick über die verschiedenen Vorgehensweisen in Bezug

auf Metadaten kann zeigen, wo sich Ansatzpunkte für ein

gemeinsames System ergeben und welchen Anforderun-

gen ein solches System gerecht werden müsste.

Im Anschluss können diese Anforderungen in die bereits

bestehenden Portale integriert werden, zum Beispiel

indem sie verbindlich in den Prozess des Material-

Uploads eingebunden werden. Auf diese Weise ließe

sich ein deutschlandweites System von Metadaten im

Bildungsbereich erarbeiten und etablieren, was vielen

Lehrkräften zugutekommen würde und die Chance des

Einsatzes digitaler Lernmedien im Unterricht erhöhen

dürfte.

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7. Self-Assessment-Tool für Schulen

Schulen, die sich sehr für digitales Lernen interessieren

und die eigene Entwicklung eigeninitiativ vorantreiben,

sind oft überfordert mit den Anforderungen und Möglich-

keiten, die sich ihnen im Hinblick auf die unterschiedli-

chen Handlungsdimensionen der Digitalisierung bieten.

Ein Self-Assessment-Tool für Schulen erlaubt nicht

nur die eigene Standortbestimmung, sondern kann

auch dabei helfen, die nächsten Schritte für die eigene

Entwicklung – unter Umständen auch im Vergleich zu

anderen Schulen – festzulegen und konkret anzugehen.

Ein solches Tool könnte überdies auch dazu beitragen, die

Einstiegshürden für die Umsetzung der digitalen Strate-

gien zu senken. Würde die Einführung eines solchen Tools

mit der Einführung eines strategischen Rahmenplans für

Bund und Länder gekoppelt, so könnte das Self-Assess-

ment-Tool zu einem wichtigen Bestandteil für die Umset-

zung der Ziele des Rahmenplans darstellen.

Ansätze wie der estnische Digipeegel können hier Modell

stehen. Der dort zugrunde gelegte Rahmen und die ver-

wendeten Skalen lassen sich durchaus auch im deutschen

Raum einsetzen. Um das Modell nach Deutschland über-

tragen zu können, wäre ein Entwicklungsprozess nötig,

der die bestehenden Konzepte auf ihre Passung für die

deutsche Situation hin überprüft und wo nötig adaptiert.

Ein solches Tool kann zum Beispiel gemeinsam mit

Schulen entwickelt und getestet und dann in die Breite

gebracht werden. In Estland wurde dieser Entwicklungs-

prozess gemeinsam von Forschenden, dem Bildungs-

ministerium und einer Stiftung getragen und organisiert.

Für Deutschland ist ein ähnliches Vorgehen denkbar.

Ein gemeinsam organisierter Entwicklungsprozess, der

wissenschaftlich begleitet wird, der die Erfahrungen und

Wünsche sowie Bedürfnisse der Schulen vor Ort in den

Blick nimmt und der gleichzeitig der Differenzierung der

deutschen Schullandschaft Rechnung trägt, wäre ein

großer Gewinn.

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LITERATUR 144

144 Stand: 05.11.2019

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QUELLEN 145

145 Stand: 19.09.2019

estland

• Schulleitungsausbildung: http://www.schoolleadership.eu/portal/resource/school-leadership-estonia

• Digipeegel: https://digipeegel.ee

• e-Estonia: https://e-estonia.com

• HITSA: https://www.hitsa.ee

• HITSA Innovationszentrum: http://www.e-ope.ee/repositoorium

• HITSA IT-Academy: https://www.hitsa.ee/ikt-haridus/ita

• Roboversity: https://robotex.ee/roboversity

• Estnisches Ministerium für Bildung und Forschung: https://www.hm.ee/en

• e-Schoolbag: https://e-koolikott.ee

• Lernmaterial OPIQ: https://www.opiq.ee

• Datenbank ehis: http://www.ehis.ee

• EduVista-Modell: https://www.dropbox.com/s/0nb7ke20fomjety/Kooli_digikupsuse_hindamismudel.pdf?dl=0

spanien

• Digitales Summit: https://digitalessummit.es

• Connected Schools / Red.es: https://www.red.es/redes/es/que-hacemos/e-educaci%C3%B3n

• Connected Schools / INTEF: https://intef.es/tecnologia-educativa/escuelas-conectadas

• Aula del futuro: http://fcl.intef.es

• Escuela 2.0:

http://www.escuela20.com/escuela20-educacion-recursos-educativos/espanol/inicio_24_1_ap.html

• Zertifizierungsprogramm „TIC en Educación“: https://www.educa.jcyl.es/es/programas/

certificacion-codice-tic-curso-2018-2019

• Toolkit zu digitalen Kompetenzen: http://formacion.intef.es/course/view.php?id=483#toggle-7

• Sistema educativo: https://www.donquijote.org/es/cultura-espanola/tradiciones/educacion

tschechien

• Wettbewerb DOMINO: http://domino.nidv.cz

• Elektronische Abschlussprüfungen: http://www.nuv.cz/t/nzz?lang=1

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• Wettbewerb zur Verbesserung von Schulwebseiten: https://www.scoolweb.cz

• Self-Assessment-Tool MENTEP: http://mentep.eun.org/tet-sat

• Self-Assessment-Tool Skola 21: https://skola21.rvp.cz

singapur

• Sekundarstufe Schultypen: https://beta.moe.gov.sg/secondary/schools/types

• Beruflich-technische Ausbildung in Singapur:

https://asiasociety.org/global-cities-education-network/singapore-innovation-technical-education

• Nachhilfe in Singapur:

https://www.asiaone.com/News/Education/Story/A1Story20100323-206282.html

• Smart Nation Singapur: https://www.smartnation.sg/what-is-smart-nation/initiatives

• Desired Outcomes of Education:

https://www.moe.gov.sg/education/education-system/desired-outcomes-of-education

• Subject based Banding: https://beta.moe.gov.sg/primary/curriculum/subject-based-banding

• ICT-Masterpläne: https://ictconnection.moe.edu.sg/masterplan-4/our-ict-journey

• Teach less, learn more: http://eresources.nlb.gov.sg/infopedia/articles/SIP_2018-03-21_105159.html

• Eltern-Apps:

https://www.opengovasia.com/ministry-of-education-singapore-developing-public-facing-digital-

shopfronts-and-a-school-administration-apps-marketplace

• Code@SG: https://codesg.imda.gov.sg/in-schools/playmaker-overview

• Government Recurrent Expenditure on Education Per Student:

https://data.gov.sg/dataset/government-recurrent-expenditure-on-education-per-student

brasilien

• Bildungssystem in Brasilien (Council on Foreign Relations): https://www.cfr.org/blog/public-education-brazil

• Plano Nacional de Educação:

http://pne.mec.gov.br/18-planos-subnacionais-de-Educação/

543-plano-nacional-de-Educação-lei-n-13-005-2014

• Programm ProInfo (Governo do Brasil): http://portal.mec.gov.br/proinfo

• Programm ProInfo (Ministerio da Educação):

https://www.fnde.gov.br/index.php/programas/proinfo/perguntas-frequentes

• Fundação Lemann: https://www.Fundaçãolemann.org.br/public

• Educopédia: http://www.educopedia.com.br

• Digital School Office São Paulo: http://www.intranet.Educação.sp.gov.br

• App Minha Escola: https://play.google.com/store/apps/details?id=br.gov.sp.Educação.minhaescola&hl=pt_BR

• Escola digital: https://www.aprendizageminterativa.seduc.mt.gov.br

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GLOSSAR

CURRICULUMDas Curriculum bezeichnet sowohl den von Seiten der bil-

dungspolitischen Administration vorgegebenen Lehrplan

als auch die eigene Ausgestaltung dieser Lehrpläne auf der

Ebene der Individualschule in Form des Schulcurriculums.

CYBERMOBBINGMit Cybermobbing ist das Mobbing von Personen mit Hilfe

von digitalen Medien gemeint. Durch den Einsatz digitaler

Medien erhält Mobbing eine neue Dimension, da zum Bei-

spiel mit Hilfe von Social Media schnell eine große Reich-

weite von Mobbingaktivitäten erreicht werden kann.

Zusätzlich kann die vermeintliche Anonymität im digitalen

Raum zu drastischen Handlungen verführen. Da das Inter-

net nicht vergisst, hat Cybermobbing auch eine besonders

langfristige Wirkung.

DESIGN THINKINGDesign Thinking ist ein methodischer Ansatz, der bei der

Lösung komplexer Probleme und in Designprozessen ein-

gesetzt wird. Der Ansatz greift auf feste Schritte zurück:

Verständnis, Beobachtung, Ideenfindung, Verfeinerung,

Ausführung. Das soll etwa die Arbeit in interdisziplinären

Teams erleichtern und sowohl neue, innovative Lösungs-

ideen hervorbringen, als auch eine schnelle Umsetzung

ermöglichen, zum Beispiel durch die Arbeit mit Prototypen.

ECTSDie Abkürzung steht für European Credit Transfer System.

Im Hochschulsektor werden sogenannte ECTS-Punkte für

Studienleistungen vergeben. Die Anzahl der ECTS-Punk-

te, die zum Beispiel für eine Seminarteilnahme vergeben

wird, hängt von der Lernzeit und Leistung ab, die für eine

erfolgreiche Seminarteilnahme erbracht werden muss.

Das ECTS-System soll so dabei helfen, Studienleistungen

in Europa vergleichbar zu machen.

ICTICT oder auch IKT ist die Abkürzung für Informations- und

Kommunikationstechnologien (in Englisch: Information

and Communication Technology). Darunter werden sowohl

technische Geräte wie PC, Smartphone und Tablet als

auch die digitalen Anwendungen, die die Kommunikation

mit Hilfe dieser Geräte ermöglichen, verstanden.

LEBENSLANGES LERNENLebenslanges Lernen oder auch lebensbegleitetes Lernen

bezeichnet das Konzept, dass Menschen sich über die

gesamte Lebensspanne hinweg immer wieder in Lernpro-

zessen befinden, statt einmalig eine Schul- und Berufs-

ausbildung zu absolvieren. Dabei steht das eigenständige

und selbstgesteuerte Lernen sowohl in formal organisierten

Bildungsangeboten als auch informell und selbstorgani-

siert im Vordergrund.

LERNMEDIENUnter Lernmedien sind Lernmaterialien für den Einsatz im

Unterricht zu verstehen. Diese Lernmaterialien oder auch

Lernressourcen können vielfältige Formen annehmen und

reichen vom klassischen Arbeitsblatt über kurze Lern-

videos bis hin zu eigens programmierten Lernspielen und

von Schülerinnen und Schülern selbsterstellten digitalen

Medien wie Blogs. Die Begriffe Lernmedien, Lernmate-

rialien und Lernressourcen werden hier deckungsgleich

verwendet.

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MAKER SPACEEin Maker Space oder auch Fab Lab (kurz für: Fabrication

Laboratory) ist eine offene Werkstatt, die von jedem ge-

nutzt werden kann. Maker Spaces sind in der Regel mit

modernen Maschinen und IT ausgestattet. Dazu gehören

häufig 3D-Drucker, Laser-Cutter, CNC-Fräsen, PCs und

weitere Maschinen. Ziel ist es, einen Raum zu eröffnen, um

eigene Projekte umzusetzen, Prototypen für Maschinen

oder Produkte zu erstellen und die Programme dafür zu

schreiben. In der Regel ist eine Begleitung durch andere

Personen im Maker Space möglich, die ihr Wissen teilen

und so Hilfestellung geben können. Der Einstieg kann so

niedrigschwellig erfolgen.

MARKETPLACEUnter einem Marketplace wird ein virtueller Marktplatz im

Internet verstanden. Der Marketplace ist eine Plattform,

auf der unterschiedliche Händler ihre Waren anbieten

können. Entsprechend dient der Marketplace für die

Nutzenden als zentrale Anlaufstelle für unterschiedliche

Waren oder Dienste.

METADATENMit Metadaten sind Daten gemeint, die Dateien in ihrer

Struktur und in ihren Merkmalen beschreiben. Sie geben

dem Nutzenden Auskunft über die Eigenschaften eines

Objekts. Metadaten sind wichtige Hintergrundinforma-

tionen, um digitale Dateien überhaupt über das Internet

auffindbar zu machen. Entsprechend können Metadaten

vom Ansatz her mit dem Katalogsystem einer Bibliothek

verglichen werden.

REFERENZRAHMENUnter einem Referenzrahmen wird eine strukturierte

Empfehlungsmatrix verstanden, die Orientierung über die

Vergleichbarkeit unterschiedlicher Standards geben soll.

Der Referenzrahmen bildet damit das Bindeglied zwischen

unterschiedlichen Systemen und Logiken und dient als

„Übersetzungshilfe“. Ein bekanntes Beispiel ist der Euro-

päische Referenzrahmen für Sprachen, der verschiedene

Kompetenzniveaus definiert und so etwa für den Vergleich

verschiedener Sprachzertifikate herangezogen werden

kann.

SELBSTGESTEUERTES LERNENMit selbstgesteuertem Lernen ist das eigenständige

und selbstverantwortliche Lernen gemeint. Im Gegen-

satz zum fremdgesteuerten Lernen, bei dem Lehrende

Inhalt, Methode und Lernsetting vorgeben, entscheiden

die Lernenden beim selbstgesteuerten Lernen eigen-

ständig, welche Inhalte sie sich wie aneignen möchten. Um

selbstgesteuert lernen zu können, müssen die Lernenden

entsprechend in der Lage sein, sich selbst Lernziele zu

setzen und sich Inhalte eigenständig zu suchen und zu

erschließen.

SELF-ASSESSMENTUnter einem Self-Assessment versteht man eine eigen-

ständig durchgeführte Selbsteinschätzung im Sinne eines

Abgleichs mit selbst- oder fremdgesteckten Zielen. Das

Self-Assessment dient der Positionsbestimmung und soll

zeigen, inwiefern und in welchen Punkten die eigene Leis-

tung in einem bestimmten Bereich von einem definierten

Standard abweicht bzw. zur Erarbeitung einer eigenen

Profilierung beiträgt.

21ST CENTURY COMPETENCIESDas Konzept der 21st Century Competencies versucht ein

Kompetenzmodell zu entwickeln, das festlegt, welche

Kompetenzen Menschen brauchen, um sich im 21. Jahr-

hundert gut und sicher in der Welt bewegen und sie aktiv

gestalten zu können. Seinen Ursprung hat der Ansatz in

der Feststellung, dass unsere Welt sich schnell verändert

und entsprechend bestimmte Kompetenzen wichtig wer-

den, um mit dieser Volatilität umgehen zu können.

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IMPRESSUM

HERAUSGEBER

Forum Bildung Digitalisierung e. V.

Pariser Platz 6

10117 Berlin

www.forumbd.de

+49 (0) 30 5858466-60

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VERANTWORTLICH

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14476 Potsdam

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Folkwangstraße 1

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E-Mail: [email protected]

Internet: www.mmb-institut.de

Essen, November 2019

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