reformstrategien weltweit. schule in der …may 11, 2019 · forum bildung digitalisierung 1....
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01Hintergrund, Ziel und
Ausrichtung der Expertise
SEITE 04
02Auswahl der Länder
SEITE 05
03Auswahl der Indikatoren
Unterrichtsentwicklung
Schulentwicklung
Netzwerkentwicklung
Politikentwicklung
SEITE 07
04 05 06Ergebnisse der Recherche
Estland
Spanien
Tschechien
Singapur
Brasilien
SEITE 11
Länderübergreifender
Vergleich und Einordnung
der Rechercheergebnisse
SEITE 43
Ableitung von
Handlungsempfehlungen
für Deutschland
SEITE 52
INHALT
Literatur und Quellen
SEITE 61
Glossar
SEITE 67
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1. HINTERGRUND, ZIEL UND AUSRICHTUNG DER EXPERTISE
Lernen im 21. Jahrhundert ist ohne die Einbeziehung von
digitalen Lehr- und Lernmitteln kaum noch vorstellbar.
Während das Digitale in unserem Alltags-, Arbeits- und
Privatleben nicht mehr wegzudenken ist, bietet sich im
Bildungssystem jedoch Raum für Verbesserungen. Wo
andere Staaten bereits sehr erfolgreich digitale Medien in
Schule und Unterricht einsetzen, agiert Deutschland trotz
Digitalpakt zurückhaltend bei der flächendeckenden, ziel-
gerichteten und pädagogisch durchdachten Einführung
digital unterstützter Lehr- und Lernsettings.
Auch wenn digitale Möglichkeiten, gerade im Kontext von
Bildungsprozessen, per se kein Selbstzweck sind, so
können sie doch erheblich zur Verbesserung von Lern- und
Bildungsprozessen beitragen. Nicht zuletzt müssen auch
die Digital Natives den medienkompetenten, souveränen
und sicheren Umgang mit digitalen Medien lernen. Dazu
gehört auch Basiswissen um die Funktionsweise von
Algorithmen und ein grundsätzliches Verständnis der
Technologien: „Computational Thinking“ wird zur weiteren
Schlüsselkompetenz im 21. Jahrhundert.
Im internationalen Vergleich haben viele Staaten bereits
langjährige Erfahrung mit dem Einsatz digitaler Medien
im schulischen Kontext, sei es für die Organisation des
Schulgeschehens, für die Planung und Vorbereitung von
Unterricht, als Lehr- und Lernmittel im Unterricht selbst
oder als Gegenstand für die Reflektion und den medienpä-
dagogischen Kompetenzaufbau.
Von den Erfahrungen dieser Länder lässt sich profitie-
ren. Freilich sind Bildungssysteme sehr unterschiedlich.
Auch kulturelle Hintergründe variieren mitunter stark und
nicht zuletzt ergibt sich aus dem deutschen Konzept von
Bildung, dem ganzheitlich orientierten Humboldtschen
Bildungsideal, eine inhaltliche Besonderheit, die in vielen
Staaten so nicht zu finden ist. Dennoch ist der Blick auf
die bildungspolitischen Ansätze und Erfahrungen anderer
Länder ein hilfreicher. Wenn die jeweiligen Bedingungen
und Kontexte mitbetrachtet und die Ergebnisse vor die-
sem Hintergrund interpretiert und auf ihre Übertragbar-
keit in den deutschen Rahmen hin überprüft werden, dann
lassen sich auf diese Weise innovative Vorgehensweisen
ableiten.
Die vorliegende Expertise dient dazu, genau dies anhand
einiger ausgewählter Beispiele zu tun und so Ansätze und
Instrumente zu identifizieren, die in anderen Ländern
im Hinblick auf die Einführung des digitalen Lernens im
Schulsektor gut funktioniert haben und hilfreich gewe-
sen sind. Dafür werden Konzepte aus fünf ausgewählten
Ländern in den Blick genommen und deren Strategien in
einzelnen Länderkapiteln dargestellt, ebenso wie die je-
weiligen Bildungssysteme. Anhand von vorher festgeleg-
ten Indikatoren werden die Ansätze und Instrumentarien
der jeweiligen Länder analysiert und schließlich auf ihre
Relevanz für und ihre Übertragbarkeit auf das deutsche
Bildungssystem hin diskutiert und bewertet.
Die Expertise schließt mit Handlungsempfehlungen für die
deutsche Bildungspolitik. Diese werden dabei sowohl an-
hand der Rechercheergebnisse als auch auf Basis dessen,
was in den deutschen Strukturen machbar erscheint, ent-
wickelt und sind auf ein der deutschen Bildungsgeschichte
und des deutschen Bildungsgedankens verpflichtetes
Ideal hin ausgerichtet, das unser Bildungssystem auch
vermitteln soll: die Idee der ganzheitlichen, am Menschen
und seiner individuellen Autonomie orientierten Bildung.
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2. AUSWAHL DER LÄNDER
1 Vgl. Europäische Kommission 2019 2 Vgl. OECD 2015a, S. 4 sowie S. 83 Vgl. ebd.
Für die vorliegende Expertise wurden fünf Länder ausge-
wählt, um die dortigen Strategien zur Umsetzung des digi-
talen Lernens näher zu betrachten und im Hinblick auf ihre
Übertragbarkeit auf die deutsche Situation zu überprüfen.
Die fünf Länder sind auf dem gesamten Globus verteilt,
haben sehr unterschiedliche Bildungssysteme und unter-
schiedlich viel und lange Erfahrung im Hinblick auf die
Nutzung und den gezielten Einsatz digitaler Lernsettings
im Schulkontext. Alle Länder stehen vor unterschiedlichen
Herausforderungen die Weiterentwicklung ihres eigenen
Bildungssystems und ihrer Strategien zum digitalen Ler-
nen betreffend. Die Auswahl erfolgte bewusst auf Basis
dieser Heterogenität und mit dem Blick sowohl auf Good
Practices als auch auf besondere Anstrengungen, die zur
Verbesserung des Bildungssystems generell unternom-
men wurden – unabhängig vom Stand der Vorhaben, der
generellen Erfahrung mit digitalem Lernen oder der (Un-)
Ähnlichkeit der Bildungssysteme im Vergleich zu Deutsch-
land. Nachfolgend wird die Auswahl näher erläutert und
begründet.
ESTLAND
Estland hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur
durch sein exzellentes Bildungswesen hervorgetan,
sondern auch mit einer konsequenten Ausrichtung als
digitale Gesellschaft seinen Status als Vorreiter in Sachen
Digitalisierung ausgebaut. Digitale Medien wurden in
Estland in allen gesellschaftlichen Bereichen konsequent
eingesetzt, um Strukturen zu verbessern, Vorgänge
zu erleichtern und Synergieeffekte zu schaffen. So ist
zum Beispiel die WiFi-Abdeckung in Estland beispiellos,
Behördengänge werden in Estland ganz selbstverständ-
lich digital erledigt und die Potenziale, die sich durch die
Digitalisierung ergeben, werden in allen gesellschaftlichen
und wirtschaftlichen Bereichen genutzt – wie etwa die
gesamte bestehende Struktur des estnischen e-Govern-
ments zeigt.
Estland steht im Digital Economy and Society Index (DESI)
der Europäischen Kommission auf Platz 8 von 28. Im Ver-
gleich dazu rangiert Deutschland auf Platz 12.1 Untersu-
chungen der letzten Jahre haben gezeigt, wie erfolgreich
das estnische Bildungssystem ist, nicht nur in Sachen
Lernleistungen in verschiedenen Schulfächern, sondern
auch in Bezug auf Chancengerechtigkeit und Teilhabe-
aspekte.2
SPANIEN
Spanien ist in der deutschen Debatte um Bildungspolitik
in den letzten Jahren vor allem durch eine hohe Jugendar-
beitslosigkeit und durch wirtschaftliche Schwierigkeiten
in Erscheinung getreten. Das spanische Bildungssystem
liegt mit seinen Leistungen im OECD-Durchschnitt3 und
hat bedingt durch notwendige Finanzkürzungen in den
letzten Jahren weniger Geld in Bildung investieren können
als noch einige Jahre zuvor. Umso spannender ist es zu
schauen, welche Strategien Spanien nutzt, um seine bil-
dungspolitischen Herausforderungen anzugehen. In den
letzten Jahren hat das Land eine ganze Reihe an Bildungs-
reformen auf den Weg gebracht. Vorbild war hier auch die
deutsche duale Berufsausbildung. Gerade im Schulsektor
setzt Spanien seit einigen Jahren verstärkt auf die Digi-
talisierung und hat eine beachtliche Anzahl an Projekten
und Initiativen ins Leben gerufen. Die Möglichkeiten und
Chancen der Digitalisierung werden hier dazu genutzt, um
das gesamte Bildungssystem zu modernisieren.
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TSCHECHIEN
Tschechien hat in den letzten Jahren die Ausgaben für Bil-
dung deutlich angehoben. Das Land liegt in den aktuellen
Vergleichsstudien mit seinen Leistungen im Bildungs-
bereich im OECD-Durchschnitt, wobei die Leistungen in
den verschiedenen Feldern über die Jahre zum Teil stark
schwanken.4
Die Nutzung von Computern und Internet in Privathaushal-
ten findet in Tschechien deutlich zurückhaltender statt als
in vielen anderen Ländern. Entsprechend ist die Durch-
dringung mit digitalen Medien in den Haushalten oft noch
etwas geringer als in anderen Ländern. Allerdings hat
Tschechien gerade in den letzten Jahren viel unternom-
men, um den Anschluss an die digitale Welt herzustellen.
Es wurden und werden dabei vermehrte Anstrengungen
unternommen, auch im Bildungsbereich digitale Medien zu
nutzen, Medienkompetenz zu vermitteln und die Bildungs-
organisation zu digitalisieren.
SINGAPUR
Singapur ist als Stadtstaat mit hoher Einwanderungsquote
sicher eine Besonderheit und zeigt auf, wie ein Bildungs-
system mit Heterogenität und Vielfalt souverän umgehen
kann. Interessant dabei ist auch, dass Singapur sich nicht
mehr als Wissensgesellschaft sieht, sondern bereits als
Innovationsgesellschaft, die digitale Medien selbstver-
ständlich nutzt, um Innovationen voranzutreiben.5
Singapur hat bereits in den 1990er-Jahren mit einer sys-
tematischen Einführung des digitalen Lernens begonnen.
Das Bildungssystem von Singapur kann als eines der
erfolgreichsten nicht nur in Asien, sondern auf der ganzen
Welt gelten. Internationale Vergleichsstudien attestieren
dem Land immer wieder exzellente Ergebnisse.6
Das Kernstück der bildungspolitischen Bemühungen bildet
dabei der ICT-Masterplan IV, der auf seinen drei Vorläufern
aufsetzt. Singapur hat die Einführung digitalen Lernens
als langfristigen Prozess begriffen und mit wohldefinierten
Meilensteinen umgesetzt.7 Damit ist das Land ein ausge-
sprochen interessantes Beispiel für erfolgreiche Bildungs-
planung und die Gestaltung und Umsetzung von großen
bildungspolitischen Reformen.
4 Vgl. ebd.5 Vgl. Ministry of Education Singapore o. D. 6 Vgl. OECD 2015a, S. 2 ff.7 Vgl. Ministry of Education Singapore o. D.8 Vgl. OECD 2015a, S. 6 ff.
BRASILIEN
Brasilien steht in internationalen Vergleichsstudien mit
den Leistungen seines Bildungssystems eher im unte-
ren Mittelfeld.8 Das Land musste immer wieder Kritik für
die Schwächen seines Bildungssystems einstecken und
hat daraus insofern Konsequenzen gezogen, als dass
vermehrt Anstrengungen unternommen werden, das
Bildungssystem zu verbessern.
Auch wenn die brasilianische Situation strukturell be-
trachtet nicht mit Deutschland vergleichbar ist, lohnt sich
der Blick nach Brasilien dennoch. Hier wird der Versuch
unternommen, ein Bildungssystem massiv auszubauen
und qualitativ deutlich zu verbessern. Dabei wird auch auf
digitale Medien gesetzt. Auch die Themen Bildungschan-
cen und Bildungsgerechtigkeit werden hier berührt. Be-
denkt man weiterhin die Größe des Landes, dann handelt
es sich um ein ausgesprochen interessantes und ambitio-
niertes Projekt.
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3. AUSWAHL DER INDIKATOREN
Ein Vergleich verschiedener bildungspolitischer Ansätze
und Instrumentarien kann nur kriterienbasiert gelingen.
Aus diesem Grund wurden im Vorfeld zur Recherche be-
stimmte Themen identifiziert, die aus deutscher Per-
spektive besonders interessant und relevant sind, um
bildungspolitische Strategien und Instrumentarien im
Hinblick auf ihre Eignung für die deutsche Situation be-
urteilen zu können.
Nachfolgend wird die Auswahl der Indikatoren vorgestellt
und begründet. Der Einfachheit halber wurden die einzel-
nen Indikatoren in thematische Indikatorensets gebündelt
und in den einzelnen Länderkapiteln auch gemeinsam be-
trachtet. Die Indikatoren bauen aufeinander auf und sind
als Ebenen eines Gesamtmodells zu verstehen.
UNTERRICHTS-ENTWICKLUNG
POLITIKENTWICKLUNG
NETZWERKENTWICKLUNG
SCHULENTWICKLUNG
Abb. 1: Ebenenmodell zum Indikatorenset
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3.1 Unterrichtsentwicklung
Digitales Lernen findet auf der kleinsten Ebene im
direkten Unterrichtsgeschehen statt. Digitale Medien
werden entweder eingesetzt, um Lehr- und Lernsettings
zu schaffen, die das individuelle Lernen verbessern und
den individuellen Lernprozess gezielt und personalisiert
unterstützen, oder sie sind selbst inhaltlicher Gegenstand
des Unterrichtsgeschehens, wenn sie für die Reflektion
über digitale Medien eingesetzt werden, um Medienkom-
petenz und den sicheren und reflektierten Umgang mit
digitalen Medien zu vermitteln.
Dabei sollen analoge Lernmittel nicht einfach durch digi-
tale Lernmittel ersetzt werden. Es geht vielmehr darum,
mit digitalen Medien Lernprozesse umzugestalten und
zu individualisieren, Lernen für die einzelnen Lernenden
passgenauer zu gestalten und so für jeden ein möglichst
individuelles Lernsetting zu ermöglichen. Das erfordert
eine neue Planung und Gestaltung des Unterrichtsge-
schehens. Lernende agieren zunehmend selbstbestimmt,
während Lehrende weniger Wissensvermittelnde und
mehr Coach und Begleitperson sind, die sanft anleiten,
mitreflektieren und die notwendigen Selbstlernkompeten-
zen vermitteln.
FORTBILDUNGSMÖGLICHKEITEN FÜR LEHRKRÄFTE
Um diesen Rollenwandel zu ermöglichen, brauchen
Lehrende nicht nur eine Idee davon, wie Unterricht auf
diese Weise aussehen kann und möglich wird, sondern
auch die notwendigen Kompetenzen in der Nutzung
digitaler Medien, im Umgang mit Lernenden in der Rolle
als Lern-Coach und in der Gestaltung, Auswahl und Auf-
bereitung von digitalem Material für den Unterricht und
die Unterrichtsplanung. In der Recherche wurde die Rolle
von Fortbildungsmöglichkeiten für Lehrkräfte mitbe-
rücksichtigt. Von Interesse waren dabei die Rolle und die
Bedeutung, die den Fortbildungsangeboten beigemessen
wurden, sowie die Zielsetzung, die aus bildungspolitischer
Sicht damit verbunden war.
VERFÜGBARKEIT VON DIGITALEM LERNMATERIAL UND
EINSATZ VON PLATTFORMEN
Digitales Lernen benötigt vor allem auch digitales Lernma-
terial und Lernplattformen als didaktische Infrastruktur.
Für die Recherche wurde für jedes Land mitbetrachtet,
inwieweit digitale Lernmedien und Plattformen Gegen-
stand der bildungspolitischen Bemühungen sind, inwie-
fern digitales Lernmaterial über diese Kanäle genutzt und
gefördert wird und welche Ansätze zu ihrer Förderung und
Verbreitung vorherrschen.
SCHUL- UND LERNKULTUR
Die Idee hinter dem digitalen Lernen ist weit mehr als der
Einsatz neuer Lernmedien. Es geht um einen generel-
len Wandel der Lehr- und Lernkultur, bei dem Lernende
zunehmend selbstbestimmt ihren eigenen Lernprozess
steuern. Lehrende sind weniger Inputgebende und viel-
mehr Lernbegleitende und Navigierende, die je nach
Bedarf und individueller Fähigkeit Wissen vermitteln,
Lernmethoden aufzeigen und als Sparringspartner und
-partnerinnen zur Verfügung stehen. Um das zu ermög-
lichen, ist aber eine andere Denkweise über das Lehren
und Lernen nötig – und damit ein Wandel in der Schul- und
Lernkultur, wie wir sie bisher kennen. In die Recherche
ist mit eingeflossen, inwieweit die jeweiligen Länder sich
dieses Wandels bewusst sind, ihn aktiv gestalten und vor-
antreiben und zu welchen Maßnahmen sie hier greifen.
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3.2 Schulentwicklung
Digitales Lernen ist weit mehr als eine neue Methode. Es
ist ein neuer Ansatz des Lehrens und Lernens. Gutes digi-
tales Lernen geht sehr oft einher mit mehr Freiräumen für
Lehrende und Lernende, mit individualisierten Angeboten,
mehr Selbstbestimmtheit und mehr Selbststeuerung im
Lernprozess. Das umzusetzen und zu einem schuleigenen
Gesamtkonzept zu kommen, das zum individuellen Selbst-
verständnis und den gegebenen Voraussetzungen passt,
ist anspruchsvoll und braucht kontinuierliche Schulent-
wicklung.
WEITERENTWICKLUNG DER CURRICULA
Für die Recherche war es deshalb wichtig einzubeziehen,
inwieweit Schulentwicklung in den ausgewählten Ländern
in Bezug auf digitales Lernen stattfindet und welche Maß-
nahmen dafür ergriffen werden. Die Weiterentwicklung
der Curricula wurde in diesem Bereich als ein wichtiger
Marker identifiziert. Daher wurden, soweit möglich, die
jeweiligen Ansätze zur Weiterentwicklung der Curricula
betrachtet und analysiert.
QUALIFIZIERUNG DER SCHULLEITUNG
Den Schulleitungen kommt dabei die wichtige Rolle der
Ermöglichenden und Begleitenden zu. Ohne die Unter-
stützung der Schulleitung kann digitales Lernen nicht
sinnvoll umgesetzt werden. Hier wird der konzeptionelle
Rahmen für die gesamte Schule maßgeblich mitentwickelt
und dessen Umsetzung gesteuert. Entsprechend wichtig
ist auch hier die Qualifizierung der Schulleitung. In der
Recherche wurden das Vorhandensein entsprechender
Angebote sowie deren Ausgestaltung mitbetrachtet.
TECHNISCHE AUSSTATTUNG, SUPPORT UND WARTUNG
Ein weiterer wichtiger Faktor für gelingendes digitales
Lernen ist die technische Ausstattung der Schulen. Dazu
gehört nicht nur die grundsätzliche Ausstattung mit Ge-
räten und Internetverbindung, sondern auch die gesamte
Infrastruktur, die für die Schulverwaltung notwendig
wird, ebenso wie die Software für den Einsatz im Unter-
richt. Auch der Weg der Ressourcenverteilung ist wichtig:
Kann eine Schule Wünsche für die eigene Ausstattung
äußern oder gibt es eine „one-size-fits-all“-Lösung?
Soweit möglich sind Informationen darüber in die Analyse
eingeflossen.
Die Halbwertszeit von technischer Ausstattung ist mit-
unter kurz. Schon bei der Anschaffung muss ein Nut-
zungs- und Erneuerungskonzept bestehen. Auch Support
und Wartung sind unerlässlich und können nicht von den
Schulen als Nebenaufgabe mitgestemmt werden. Hierfür
braucht es durchdachte und erprobte Konzepte. Ent-
sprechend wurden diese Informationen in die Recherche
aufgenommen und in der Analyse berücksichtigt.
3.3 Netzwerkentwicklung
Keine Schule sollte das Rad neu erfinden müssen, wenn
sie sich auf den Weg macht, gutes digitales Lernen umzu-
setzen. Umso wichtiger ist der Austausch mit Lehrkräften
und Schulen, die diesen Weg bereits gegangen sind, die
mitten in der eigenen Entwicklung stecken und ihre Erfah-
rungen gerne mit anderen teilen, um selbst daraus lernen
zu können. Dem Netzwerken in der Community kommt
deshalb eine besondere Bedeutung zu, wenn es um die
Umsetzung digitalen Lernens geht. Entsprechend wurde
dieser Aspekt für Recherche und Analyse berücksichtigt
und in seinen Facetten näher betrachtet.
LEHRKRÄFTEKOOPERATION
Zur Netzwerkbildung gehören in erster Linie der Aus-
tausch und die Kooperation zwischen Lehrkräften. Der
Austausch dient nicht nur dem eigenen Wissenserwerb,
sondern hilft auch dabei, Ideen zu generieren und neue
Konzeptideen zu entwickeln. Gerade auch, wenn an einer
Schule nur vereinzelt Lehrkräfte mit dem Thema betraut
sind, ist der Austausch mit Externen unerlässlich. In der
Recherche wurde entsprechend darauf fokussiert, welche
Angebote es für die Lehrkräftekooperation und den geziel-
ten Austausch in den jeweiligen Ländern gibt.
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(REGIONALE) UNTERSTÜTZUNGSSYSTEME ZUR
SCHULENTWICKLUNG
Beim Netzwerken ist auch die Regelmäßigkeit, also der
kontinuierliche, wenn möglich auch persönliche Aus-
tausch, ein wichtiger Erfolgsfaktor. Hier kommt gerade
regionalen Schulnetzwerken eine wichtige Rolle zu, denn
sie sind geprägt durch ähnliche Ausgangsbedingungen.
Für die Analyse wurde daher auch betrachtet, welche Ini-
tiativen zur lokalen und regionalen Vernetzung von Lehr-
kräften, aber auch von Schulleitungen und gegebenenfalls
weiteren Akteuren in den jeweiligen Ländern existieren
und welche Erfolge damit erzielt wurden.
VERNETZUNGSMÖGLICHKEITEN UND KOMMUNIKATION
Darüber hinaus wurden alle weiteren Ansätze zur stär-
keren Vernetzung und Kommunikation der beteiligten
Akteure in der Recherche berücksichtigt und in die Ana-
lyse einbezogen, um sicherzugehen, dass auch weitere
innovative Konzepte des Austauschs und der Vernetzung
gesehen werden und in die Bewertung mit einfließen
konnten. Hier ging es darum, insbesondere im Bereich des
Austauschs und des Community-Buildings von anderen
zu lernen und deren konkretes Vorgehen in den Blick zu
nehmen.
3.4 Politikentwicklung
Jenseits der Ebene der konkreten Einzelschule oder des
regionalen Schulnetzwerks sind auch die landesweiten
bildungspolitischen Bemühungen und die hier entwickel-
ten Reformkonzepte wichtig, um eine gemeinsame Linie
zu entwerfen und mit geeigneten Instrumentarien die
Zielerreichung voranzutreiben. Gutes digitales Lernen
braucht nicht nur gute Schulen, sondern auch gute
politische Vorgaben und Strategien zur Unterstützung.
Entsprechend wurden bei der Recherche auch Ansätze zur
Politikentwicklung im Bereich des digitalen Lernens, die in
den jeweiligen Ländern gewählt wurden, betrachtet.
FÖRDERANSÄTZE ZUR SCHULENTWICKLUNG
Konkret ging es hier darum, Reformpakete mit ihren
jeweiligen Bestandteilen und Förderinstrumentarien, aber
auch wichtige Strategie- und Positionspapiere in den Blick
zu nehmen. Der Fokus lag dabei sowohl auf der Wahl der
Instrumente wie etwa Fördergelder, Fortbildungen, Aus-
tauschformate und Strukturentwicklung als auch auf der
Ausgestaltung der gewählten Methoden.
RAHMENPLÄNE UND STRUKTURENTWICKLUNGSKONZEPTE
Ein wichtiger Aspekt sind hier Rahmen- und Strukturent-
wicklungspläne, da sie die großen Entwicklungslinien für
die Zukunft festlegen. Dabei ging es nicht nur darum, die
Instrumente zu betrachten, die für die Umsetzung gewählt
wurden, sondern auch die eigentlich definierten Ziele
in den Blick zu nehmen und im Hinblick auf die deutsche
Situation zu analysieren, zu interpretieren und auf ihre
mögliche Adaptierbarkeit hin zu bewerten.
EVALUATIONSANSÄTZE UND MESSUNG DER WIRKSAMKEIT
Nicht zuletzt standen Evaluationsmaßnahmen im Fokus
der Recherche und Analyse. Hier interessierte sowohl,
welche Ansätze zur Evaluation und Wirksamkeitsmessung
gewählt wurden, als auch, ob sich die von den jeweiligen
Ländern eingeschlagenen Wege als wirksam und hilfreich
erwiesen haben. Sofern möglich sind diese Inhalte recher-
chiert worden und in die Analyse eingeflossen.
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4. ERGEBNISSE DER RECHERCHE
Bildungssysteme sind sehr komplexe Gebilde, die an den
jeweiligen kulturellen Kontext angepasst sind. Sie sind
historisch gewachsen und in ihren Eigenheiten und Struk-
turen nur historisch zu verstehen. Das verdeutlicht, warum
jeder Gesamtvergleich von Bildungssystemen methodisch
ausgesprochen anspruchsvoll ist.
Für die Ausgestaltung der vorliegenden Expertise, die
den Fokus auf bildungspolitische Interventionen legt, war
ein solch vollständiger Vergleich ausgewählter Bildungs-
systeme weder notwendig noch zielführend. Stattdessen
wird der Vergleich in dieser Studie ganz bewusst auf be-
stimmte Ausschnitte, einzelne Bestandteile und Aspekte
von Bildungssystemen und bildungspolitischen Strategien
konzentriert.
Es geht daher nicht darum, Kennzahlen für einen wissen-
schaftlichen Vergleich der Gesamtsysteme zu liefern, son-
dern vielmehr darum, erprobte Ansätze zu analysieren und
im Hinblick auf ihre Adaptierbarkeit zu prüfen, um davon
ausgehend Vorschläge für bildungspolitische Strategien in
Deutschland zu erarbeiten.
Selbstverständlich sind in diese Recherche umfängliche
Informationen über die Bildungssysteme und die bildungs-
politischen Handlungsstrategien der jeweiligen Länder
eingeflossen. Je nach Land differieren die Informations-
stände jedoch zum Teil erheblich, sodass nicht in jedem
Land alle Informationen in der gleichen Fülle und Güte
vorliegen können.
Der Fokus lag weiterhin auf den landesspezifischen Be-
mühungen zum Thema digitales Lernen in den jeweiligen
Schulsystemen. Politische Handlungsansätze, die nicht
explizit digitales Lernen zum Gegenstand hatten, wur-
den nicht berücksichtigt. Gleichwohl sind Ansätze in die
Expertise eingeflossen, die einen wichtigen Rahmen für
digitales Lernen in den Schulen bilden.
Nachfolgend werden die Ergebnisse der Recherche vor-
gestellt. Anhand von Länderkapiteln werden die wichtigs-
ten Ergebnisse geordnet dargestellt. Jedes Länderkapitel
enthält zunächst die wichtigsten Informationen zum
Schulsystem des jeweiligen Landes, die für die Einordnung
der Ergebnisse wichtig sein können.
Im Anschluss werden die Ergebnisse der Recherche an-
hand der Indikatoren gruppiert dargestellt und erläutert.
Besonders interessante Ansätze sind als gute Beispiele
hervorgehoben. Die Ableitung von konkreten Handlungs-
empfehlungen erfolgt als Gesamtschau in Kapitel 5. Hier
werden die Rechercheergebnisse im Hinblick auf ihre
Nutzbarkeit für die deutsche Situation beurteilt und einge-
ordnet.
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4.1 Estland
9 Vgl. OECD 2015a, S. 4 ff.10 Vgl. ebd.11 https://e-estonia.com 12 Vgl. OECD 2018a 13 Vgl. Statistics Estonia 201714 https://www.hm.ee/en/introduction
Estland gilt nicht umsonst als ausgesprochen vorbild-
lich in seinen Bemühungen um ein leistungsfähiges und
chancengerechtes Bildungssystem. In der PISA-Studie
etwa schneidet Estland, gerade wenn es um Chancen-
gerechtigkeit im Bildungssystem geht, hervorragend
ab und liegt deutlich über dem OECD-Durchschnitt.9 Im
naturwissenschaftlichen Bereich landen die estnischen
Schülerinnen und Schüler auf Platz drei im internationa-
len Vergleich, ebenfalls im Bereich Lesekompetenz und
mathematisches Verständnis.10 Estland zählt damit zu
einem der wenigen Länder weltweit, dessen Bildungs-
system nicht nur ausgesprochen leistungsstark, sondern
auch chancengerecht ist.
In Sachen Digitalisierung kann Estland als beachtlicher
Vorreiter gelten. Bereits seit 2002 ist das Land flächende-
ckend mit WLAN versorgt – frei zugänglich und kostenlos.
Sämtliche Verwaltungsstrukturen werden Schritt für
Schritt digitalisiert. Ein Großteil der Steuereinnahmen
Estlands wird durch die e-Economy generiert.11 Entspre-
chend konsequent hat das Land auch das Schulsystem in
den digitalen Wandel eingeschlossen.
DAS ESTNISCHE SCHULSYSTEM
In Estland beginnt die Schulpflicht im Alter von sechs
Jahren, wenn die Kinder in die Grundschule eingeschult
werden. Der Besuch des Kindergartens ist möglich, jedoch
nicht verpflichtend. Die Grundschule wird im Alter von
sechs bis 15 Jahren besucht. Da die Schulpflicht erst im
Alter von 17 Jahren endet, schließt sich der Besuch der
Allgemeinbildenden Sekundarschule oder der Beruflichen
Sekundarschule an. Der Abschluss der Allgemeinbilden-
den Sekundarschule berechtigt zum Besuch der Universi-
tät ebenso wie zum Besuch einer Berufsfachschule. Der
Abschluss der Beruflichen Sekundarschule ermöglicht
den weiteren Besuch einer Höheren Berufsschule. Sowohl
der Erwerb des Bachelors als auch des Berufszertifikats
der Berufsfachschule dauern drei Jahre. Nach Abschluss
des Bachelors kann ein universitärer Master erworben
werden. Der Abschluss der Berufsfachschule ermöglicht
wiederum den Besuch der höheren Berufsschule. Sowohl
der Abschluss des Masters als auch der höheren Berufs-
schule – nach Abschluss der Berufsfachschule – dauert
zwei Jahre.
Estland gibt pro Jahr ca. 2,7 Prozent seines Bruttoin-
landsprodukts (BIP) für die Schulbildung aus, ca. 6.500
US-Dollar pro Jahr und Schüler bzw. Schülerin.12 Die Ver-
antwortung für das Schulsystem und für die 519 Primar-
und Sekundarschulen Estlands13 liegt beim estnischen
Bildungsministerium, das für alle Belange des estnischen
Schulsystems zuständig ist. Es entwickelt sowohl die
Curricula und Entwicklungspläne als auch die bildungs-
politischen Strategien, kümmert sich um die Vorgaben für
die Lehrkräfteausbildung und verwaltet die Finanzen für
das Schulsystem.14
Abb. 2: Das estnische Schulsystem
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
Beru�iche Sekundarschule
Universität
Höhere Berufsschule
Alter
Allgemeinbildende Sekundarschule
Beru�icheSekundarschule
Allgemeinbildende Sekundarschule
Berufsfachschule
Schu
lp�icht
Grundschule(6 bis 15 Jahre)
Kindergarten(ab 3 Jahre)
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Estland hat das Thema Digitalisierung früh aufgegriffen
und für sich als wichtige Chance erkannt. Entsprechend
offen ist die estnische Gesellschaft digitalen Impulsen
gegenüber. Die Digitalisierung wird hier konsequent als
Möglichkeit begriffen, die eigene Gesellschaft zukunftsfä-
hig zu gestalten. Im Bildungssystem gilt das genauso wie
in allen anderen Bereichen. An 85 Prozent aller estnischen
Schulen werden digitale Lösungen eingesetzt.15
PROGRAMM ZUR „DIGITALEN REVOLUTION 2019-2022“
Das estnische Bildungsministerium hat eigens ein Pro-
gramm zur „Digitalen Revolution 2019-2022“ aufgesetzt,
das indikatorenbasiert die Entwicklung in Bezug auf das
digitale Lernen vorantreibt. Digitale Kompetenz ist als
eine von acht Schlüsselkompetenzen in dem Programm
definiert und wird verstanden als die Fähigkeit, sicher,
aber auch kritisch und kreativ mit digitalen Medien umzu-
gehen und sie sowohl im Arbeits- als auch in allen anderen
Lebensbereichen einzusetzen. Digitale Kompetenz wird
dabei als wichtige Kompetenz begriffen, um sich in der
Informationsgesellschaft sicher bewegen zu können. Be-
tont wird die Wichtigkeit digitaler Medien im Bildungssek-
tor und die Fähigkeit aller Beteiligten (Schülerinnen und
Schüler, Lehrkräfte und Schulleitungen), damit souverän
umzugehen.
Eines der Hauptziele des Programms ist es entsprechend,
den Erwerb digitaler Kompetenzen in den allgemeinbilden-
den Schulen und auch schon im Kindergarten sicherzu-
stellen. Das Programm zielt darauf ab, digital gestütztes
Lernen in allen Schulen Estlands einzuführen und die
notwendigen Kompetenzen für den sicheren Umgang zu
vermitteln. Digitale Medien sollen im Unterricht eingesetzt
und auch als elektronische Bewertungsinstrumente ge-
nutzt werden. Ein weiteres Kernziel des Programms ist die
Entwicklung interoperabler Informationssysteme für das
Bildungswesen, um eine kompatible und belastbare Soft-
ware-Infrastruktur zu schaffen, die den dortigen Schulen
zur Verfügung steht und die schulübergreifend genutzt
werden kann.
Das Programm baut dabei auf bereits in der Vergangenheit
eingeleiteten Entwicklungen auf und führt diese fort. Um
die gesteckten Ziele zu erreichen, werden beispielsweise
jährlich die digitalen Kompetenzen der Schülerinnen und
15 https://e-estonia.com 16 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2018, S. 1 ff.17 Eesti Telekom ist der führende Telekommunikationsanbieter Estlands. Es handelt sich um ein privates Wirtschaftsunternehmen, das sowohl das Telefon- als auch das Mobilfunknetz Estlands betreibt. Weitere Informationen unter: www.telia.ee18 https://www.hitsa.ee
Schüler gemessen. Die Entwicklung digitaler Prüfungsfor-
mate wird weiter vorangetrieben. Die Einführung digitaler
Schulbücher ist ebenso festgeschrieben wie die Unter-
stützung von Startups, die sich im Bildungssektor ein-
bringen. Zusätzlich wird die IT-Ausbildung im Bereich der
Grundschul-, Sekundarschul- und Berufsbildung finanziell
unterstützt, um den Kompetenzerwerb bei Lehrenden zu
fördern. Bis 2020 sollen alle estnischen Schulen Unter-
richt im informatischen Bereich anbieten. Ebenfalls bis
2020 sollen Prüfungen an Schulen, insbesondere externe
Begutachtungen, überwiegend bis vollständig in elekt-
ronischer Form durchgeführt werden. Lernmaterialen
in digitaler Form sollen für den allgemeinbildenden und
beruflichen Bereich entwickelt werden, sodass der Ein-
satz digitaler Medien für alle Fachbereiche und Schulen
gewährleistet ist. Im berufsbildenden Bereich wird hier
auch auf die Einführung von Simulatoren gesetzt.
Die Kosten für die Umsetzung sind dabei für jeden Bil-
dungsbereich und für jedes Jahr genau kalkuliert, aufge-
schlüsselt und mit den Indikatoren verknüpft. Ein eigens
eingerichtetes Sachverständigenkomitee aus 15 Personen
beurteilt in zweijährigem Rhythmus den Umsetzungsfort-
schritt bei den strategischen Zielen und macht bei Bedarf
Vorschläge zum weiteren Vorgehen und zur Nachjustie-
rung. Das Bildungsministerium hat einen Implementie-
rungsplan vorgelegt, der auf Basis einer Jahresplanung
Indikatoren, Budget und zuständige Stellen definiert.
Digitale Kompetenz zählt als eine von acht Schlüssel-
kompetenzen für lebenslanges Lernen und wird mit hoher
Priorität behandelt.16
NATIONALE STIFTUNG ZUR FÖRDERUNG DIGITALEN
LERNENS (HITSA)
Die estnische Regierung hat gemeinsam mit Hoch-
schulen und dem Telekommunikationsversorger Eesti
Telekom17 eine Stiftung (HITSA) ins Leben gerufen, die
durch verschiedene Maßnahmen sicherstellen will, dass
jeder Schulabsolvent und jede Schulabsolventin Est-
lands die benötigten digitalen Kompetenzen erworben
hat.18 Die Wurzeln der Stiftung reichen in die Anfänge der
Digitalisierung Estlands zurück, als es zunächst um die
technische Ausstattung der Schulen ging. Im weiteren
Verlauf kam der Fokus auf die Kompetenzentwicklung der
Beteiligten dazu. Der Auftrag der Stiftung lautet heute
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sicherzustellen, dass alle Schulabsolventinnen und -ab-
solventen die digitalen Kompetenzen mitbringen, die sie
brauchen, um auf dem Arbeitsmarkt bestehen und die
Gesellschaft weiterentwickeln zu können.
HITSA hat dazu eine eigene Strategie für die Jahre 2018-
2020 ausgearbeitet, die sich an den Vorgaben und Zielen
der estnischen Strategie für Lebenslanges Lernen 2020
orientiert. Sie unterstützt Maßnahmen im Bereich Infra-
strukturausbau, gewährt Schulen finanzielle Unterstüt-
zung für die Anschaffung und Ausstattung mit digitaler
Infrastruktur, liefert aber auch datengestützte Analysen
und Berichte, die bei der weiteren Maßnahmengestaltung
hilfreiche Daten und Einschätzungen liefern.
Ein Kernbereich der Aktivitäten, die seit 2018 entwickelt
werden, ist ein Monitoring, das darauf abzielt, konkrete
Daten über den Zustand des estnischen Bildungswesens
zu liefern, Erklärungsansätze für aktuelle Entwicklungen
zu bieten, aber auch Herausforderungen und künftige Ent-
wicklungsanforderungen zu identifizieren. Der Schwer-
punkt liegt dabei auf der Verbreitung und Nutzung digitaler
Medien im estnischen Bildungssystem.
Ein weiteres Projekt ist die IT-Academy,19 die von der
Stiftung getragen wird und Angebote zur Ausbildung im
Bereich IT macht. Sie wendet sich speziell an Lehrende,
die digitale Medien sinnvoll und fundiert in ihren Unterricht
einbinden möchten, macht aber auch Angebote zur pro-
fessionellen IT-Ausbildung an diejenigen, die nach ihrem
Schulabschluss eine professionelle Karriere im IT-Sektor
anstreben.
Darüber hinaus hat die Stiftung ein eigenes Learning
Repository20 angelegt, in dem eigens entwickelte digitale
Lernmaterialien hinterlegt sind, die im berufsbildenden
und hochschulischen Bereich eingesetzt werden können.
Alle Ansätze laufen unter einer Creative-Commons-Lizenz.
DATENBANK EHIS ALS WICHTIGE
INFORMATIONSINFRASTRUKTUR
Estland stellt seit 2005 mit ehis21 eine eigene Informa-
tionsdatenbank zur Verfügung, die alles Material rund
um das Thema digitales Lernen in Estland bündelt.
19 https://www.hitsa.ee/ikt-haridus/ita20 http://www.e-ope.ee/repositoorium 21 http://www.ehis.ee 22 Ebd.23 https://e-estonia.com 24 https://e-koolikott.ee
Die Datenbank enthält Informationen zu Bildungsein-
richtungen, Lernmaterial, Curricula und Abschlüssen.
Auch statistische Daten zum Bildungssystem und sogar
persönliche Daten von Schülerinnen und Schülern sowie
zu Lehrkräften wie zum Beispiel Abschlüsse, absolvierte
Fortbildungen und dergleichen werden hinterlegt. Zugang
haben sowohl Schülerinnen und Schüler als auch Lehr-
kräfte und generell Lernende im estnischen Bildungs-
system. Dabei wird nicht nach Bildungsgang oder Fokus
(berufliches Lernen vs. privates Lernen) unterschieden.
Darüber hinaus dienen die Datenbank und die gespei-
cherten Informationen auch dem bildungspolitischen
Monitoring des Bildungssystems. Hier können Daten zu
Abschlüssen, zu stark oder weniger stark nachgefrag-
ten Bildungsgängen sowie generellen Bewegungen und
Entwicklungen im Bildungssektor analysiert und die
Ergebnisse für die bildungspolitische Weichenstellung
genutzt werden. Durch die Verschränkung von personen-
und institutionsbezogenen Daten ergeben sich weitere
Möglichkeiten, die in Estland gerne genutzt werden. So ist
es üblich, dass Schulabsolventinnen und -absolventen ihre
Daten aus dem System direkt an die Hochschule ihrer Wahl
übermitteln und sich auf diese Weise um einen Studien-
platz bewerben.22
GESAMTSYSTEM DIGITALER LERNANGEBOTE: DIE E-SCHOOL
Estland setzt beim digitalen Lernen auf digitale Lernma-
terialien und eine passende digitale Gesamtinfrastruktur.
In den letzten Jahren hat Estland die e-School eingeführt,
zu der e-Lessons, e-Textbooks und eine e-Schoolbag
gehören.23 Dahinter verbergen sich digitale Lehr- und
Lernmaterialien ebenso wie die Software-Architektur, die
nötig ist, um das Material geräteunabhängig und flexibel
im Unterricht zu nutzen. Auch eine digitale Lerncommu-
nity zählt dazu, die in der Schule eingesetzt wird und auch
den virtuellen Austausch mit den Eltern ermöglicht.
DIE E-SCHOOLBAG
Die e-Schoolbag24 ist ein digitales Portal, das vom est-
nischen Bildungsministerium ins Leben gerufen wurde
und digitales Lernmaterial für alle Schulformen, Schul-
stufen und Schulfächer enthält. Gesucht werden kann
mit Schlagworten oder auf Basis des Schulcurriculums.
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Alle verfügbaren und geprüften Materialien sind in diesem
Portal gebündelt und erleichtern so die Nutzung. Lehr-
kräfte können in der e-Schoolbag gezielt Material für
ihre Schülerinnen und Schüler zusammenstellen, es im
Unterricht nutzen oder auch für das Selbstlernen zur
Verfügung stellen. Das Material ist dabei nicht auf Texte
begrenzt, sondern enthält auch digitale Lernspiele sowie
interaktive Aufgaben. Durch die Datenbankstruktur lassen
sich Statistiken zur Nutzung des Materials erstellen und
auswerten. Auf diese Weise können Lehrende nicht nur
sehen, welche Materialien gerne genutzt wurden und wel-
che weniger, sondern auch verstehen, wo Schwierigkeiten
liegen, und das Material entsprechend anpassen.
Das estnische Bildungsministerium hat eigene Qualitäts-
standards für digitales Lernmaterial und die digitale Infra-
struktur an Schulen definiert. Mitgedacht wurden hier
auch die Bedürfnisse von Menschen mit Beeinträchtigung,
sodass auch für sehr unterschiedliche Lernende Material
zur Verfügung steht.25
Die Inhalte kommen dabei vorrangig von dem privaten
Unternehmen OPIQ, das Lernmaterial erstellt, prüft und
geräteunabhängig aufbereitet. Die Inhalte sind geprüft
und an die Anforderungen der Curricula angepasst, kön-
nen also von den Lehrenden sicher verwendet werden.26
Schülerinnen und Schüler müssen dadurch nicht mehr
mehrere Lehrbücher bei sich haben, sondern können die
digitalen Ressourcen nutzen.
Darüber hinaus gibt es Angebote für spezielle Unterrichts-
erfordernisse, etwa für den naturwissenschaftlichen
Unterricht, indem die Produkte von Foxcademy, also
interaktive Spiele, Simulationen, 3D-Modelle, Animatio-
nen, Videos und dergleichen, genutzt werden. Roboversity
beispielsweise ist ein spezielles Spiel, um Lernende schon
frühzeitig für das Thema Robotik zu begeistern, etwa im
Rahmen von Bootcamps oder Nachmittagsangeboten.27
Welches Lernmaterial von welchem Hersteller kommt,
ist dabei für jede Person transparent und einsehbar. Die
Informationen sind frei verfügbar und leicht auffindbar auf
der estnischen Webseite e-Estonia,28 die alle Informatio-
nen rund um das digitale Estland bündelt.
25 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2014, S. 16 26 https://www.opiq.ee 27 https://robotex.ee/roboversity28 https://e-estonia.com29 http://e-koolokott.ee30 Die Verschlagwortung kann anhand konkreter Lernmaterialien auf der estnischen Webseite der e-Schoolbag (https://e-koolikott.ee) ausprobiert werden.
EINHEITLICHE VERSCHLAGWORTUNG FÜR DIE METADATEN
Um eine digitale Gesamtinfrastruktur zu ermöglichen,
wurde eigens eine Verschlagwortung entwickelt, die
landesweit in den Metadaten aller Materialien verwendet
wird. Auf diese Weise entsteht ein solider Materialkatalog,
der orts- und zeitunabhängig genutzt werden kann und ein
leichtes Auffinden der gewünschten Materialien ermög-
licht. Die Verschlagwortung ist eng mit dem Curriculum
verknüpft, sodass Material auch gezielt anhand des Curri-
culums und der dort verorteten Lernziele gesucht werden
kann.29
Jedes Material, das eingestellt wird, muss verschiedene
Informationen enthalten, zum Beispiel wer der Autor oder
die Autorin ist, wann es erstellt und hochgeladen wurde,
für welche Altersgruppe und Schulart es geeignet ist,
welche Kompetenzen damit vermittelt werden können,
wo sich fächerübergreifende Themen anbieten und unter
welcher Lizenz das Material verwendet werden kann.
Zusätzlich gibt es auf inhaltlicher Ebene ein Tagsystem,
das vergleichbar ist mit der Logik von Tagsystemen, wie
sie auch bei Blogs Anwendung finden. Jedes Material kann
mit inhaltlichen Tags versehen werden, die Interessierten
zeigen, worum es geht – zum Beispiel, ob es sich um eine
konkrete Anleitung in einem bestimmten Themenbereich
oder eher um Hintergrundwissen in einem anderen The-
menbereich handelt.30
KONTINUIERLICHE ENTWICKLUNG VON SCHULE
UND CURRICULUM
Die universitären Kompetenzzentren für Lehrkräfte-
bildung sind angehalten, eigene Curricula zu entwickeln,
die auf die Ziele der nationalen Strategie für Lebens-
langes Lernen 2020 einzahlen und sehr praxisorientiert
aufgebaut sind. Der Fokus soll dabei nicht allein auf der
Vermittlung neuer didaktischer Ansätze und Methoden in
der Lehrkräftebildung liegen, sondern auch Leadership-
Seminare für Schulleitungen beinhalten.
Neben theoretischem Wissen sollen auch ganz praktische
Kenntnisse darüber, wie sich neue Ansätze und Methoden
von Seiten der Schulleitung an der eigenen Schule einfüh-
ren lassen, vermittelt werden. Auch Qualitätsstandards
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für die Lehrkräftebildung werden von den Kompetenzzent-
ren definiert. So können etwa nur diejenigen eine Schullei-
tung übernehmen, die zusätzlich zum Hochschulstudium
drei Jahre relevante Berufserfahrung nachweisen und an
einem Kurs zur Managementausbildung im Umfang von
240 Stunden teilgenommen haben. Die Kurse werden an
den Universitäten Tartu und Tallinn angeboten und können
dort auch mit neun ECTS-Punkten auf einen Masterstu-
diengang in Schulmanagement angerechnet werden.
Zusätzlich soll es regelmäßige Entwicklungsgesprächs-
zirkel an den Bildungseinrichtungen geben, die speziell auf
das Etablieren neuer Lernansätze hin ausgerichtet sein
sollen. Es obliegt hier der Schulleitung, die Lehrenden zu
motivieren, ihre Schülerinnen und Schüler individuell zu
fördern, sich selbst weiterzubilden und sich in die Schul-
entwicklung einzubringen.31
KOMPETENZSTANDARDS UND SCHULLEITUNGSENTWICKLUNG
Estland hat für den Schulsektor eigens Kompetenzstan-
dards definiert. Die Kompetenzstandards für Lehrende
und Schulleitungen werden von den Verbänden der Schul-
leitungen, von Einrichtungen der Bildungsforschung und
vom estnischen Bildungsministerium entwickelt. Digita-
lisierung und der Umgang mit digitalen Medien ist hier ein
wichtiger Bestandteil. Die Auswahl neuer Schulleitungen
soll sich künftig an den Kompetenzen der Kandidaten und
Kandidatinnen in diesem Bereich orientieren. Das estni-
sche Bildungsministerium plant ein Trainingsprogramm
für Schulleitungen, um die besten Personen auswählen zu
können.
Zusätzlich soll durch Bildungsministerium und Schulträger
ein Assessment für Schulleitungen entwickelt werden.
Es soll regelmäßiges Feedback für Schulleitungen bieten,
ihre Leistungen herausstellen und Vorschläge für weitere
Entwicklungsperspektiven oder Trainings unterbreiten.
Die Qualitäts- und Kompetenzstandards dienen dabei als
Basis für die Beurteilung.32
Um landesweit ein weitgehend einheitliches Level in Be-
zug auf Qualitäts- und Kompetenzstandards zu erhalten,
gibt es regelmäßige Assessments, die von den Verbänden
der Schulleitungen durchgeführt werden.33
31 Vgl. http://www.schoolleadership.eu/portal/resource/school-leadership-estonia32 Vgl. Estonian Ministery of Education and Research 2014, S. 1233 Vgl. ebd., S. 1134 Ebd.35 http://www.schoolleadership.eu/portal/resource/school-leadership-estonia 36 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2014, S. 10
Darüber hinaus wird derzeit ein Rahmen zur Anerkennung
informell erworbener digitaler Kompetenzen entwickelt,
ebenso wie ein Assessmentsystem zur Messung dieser
Kompetenzen.34 Die zugrunde gelegten Kompetenzmodel-
le wurden basierend auf professionellen Standards von
Lehrkräften und Schulleitungen entwickelt und werden
derzeit pilotiert.
Ausgebildete Schulleitungen sollen in der Lage sein, sou-
verän das Schulcurriculum umzusetzen. Sie sind verant-
wortlich für die generelle Weiterentwicklung der Konzepte
der Schule und ihrer pädagogischen Leitbilder und für die
Organisation sämtlichen Schulgeschehens im Hinblick auf
Management und Organisation von Prozessen.35 Das Be-
sondere dieses Ansatzes ist die Verknüpfung von Kompe-
tenzstandards mit Assessment- und Trainingsansätzen:
Es wird nicht nur ein Kompetenzstandard festgesetzt, der
künftig leitend sein soll, sondern auch ein Auswahlverfah-
ren auf diesen Standards begründet. Dies stellt in Verbin-
dung mit Trainingsangeboten, die dabei unterstützen, die
Kompetenzstandards zu erreichen, einen innovativen An-
satz in der Fortbildung und Auswahl von Schulleitungen dar.
LEHRKRÄFTEBILDUNG
In seiner nationalen Strategie für Lebenslanges Lernen
2020 setzt Estland sich auch mit der Frage der Schul-
entwicklung auseinander. Ein besonderes Augenmerk
liegt hier auf der Lehrkräfteausbildung. Die Universitäten
Tallinn und Tartu sind hierfür in Estland zuständig und
sollen bis 2020 eigene Kompetenzzentren aufbauen, die
sich mit Bildungsforschung und der Entwicklung von
Strategien zur Umsetzung der nationalen Bildungsziele
befassen. Auch Kooperationen zwischen Hochschule und
Wirtschaft sollen hier gestärkt werden. Für beide Uni-
versitäten ist die Verbesserung der Lehrkräftebildung und
Bildungsforschung generell als höchste Priorität für die
nächsten Jahre durch das estnische Bildungsministerium
festgelegt worden. Die Bemühungen der Kompetenzzen-
tren werden regelmäßig durch externe Sachverständige
beurteilt.36
Erklärte Ziele der Kompetenzzentren sind, die Attraktivi-
tät des Lehrberufs zu steigern, die Schulpraxis effizienter
zu gestalten und Theorie und Praxis zu verzahnen, gute
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Praxisbeispiele aus der ganzen Welt zu sammeln, ebenso
wie methodisches Wissen innerhalb Estlands zu analysie-
ren und in alle Bildungseinrichtungen Estlands zu tragen.
Ein besonderes Augenmerk soll dabei auch auf der Ent-
wicklung digitaler Innovationen für den Bildungsbereich
liegen.37
Angebote der Lehrkräftefortbildung gibt es speziell zum
Thema digitales Lernen. Nur Kurse, die den Qualitäts-
standards entsprechen, werden von staatlicher Seite be-
zuschusst.38 Digitale Lernmaterialien sollen entwickelt und
gleich in die Kurse integriert werden, um den Kompetenz-
aufbau in diesem Bereich bei Lehrenden voranzutreiben.39
LEHRBERUF ATTRAKTIVER GESTALTEN
Das estnische Bildungsministerium hat in seiner bildungs-
politischen Strategie verschiedene Ziele definiert, um den
Lehrberuf zu stärken und den Aufbau digitaler Kompeten-
zen bei Lehrkräften zu verbessern. So sollen zum Beispiel
die Verdienstmöglichkeiten von Lehrenden deutlich ver-
bessert werden, um den Lehrberuf attraktiver zu machen.
Ansätze, die hier gewählt wurden, beinhalten etwa die
Möglichkeit des Quereinstiegs in den Lehrberuf für Men-
schen mit Berufserfahrung, die älter als 35 Jahre sind.
In Zusammenarbeit mit den estnischen Hochschulen
wurden Lernmodule entwickelt, die dabei unterstützen
sollen, die benötigten Kompetenzen zu erwerben. Ein
besonderes Augenmerk wurde auf die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf gelegt, sodass ein familienfreundlicher
Einstieg in den Lehrberuf möglich wird. Zusätzlich soll
das Lohnniveau von Lehrkräften an kommunalen Schulen
angehoben werden. Bis 2019 soll es 20 Prozent über dem
nationalen Durchschnitt von 2016 liegen.40
Die Angebote für Fortbildungen im Bereich digitales Ler-
nen sollen weiterhin ausgebaut werden. Bei der Förde-
rung von Projekten zum digitalen Lernen liegt der Fokus
besonders auf denjenigen Projekten, die einen Transfer
von Ergebnissen und Material, Erfahrungen, Umsetzungs-
strategien und dergleichen für andere Schulen ermög-
lichen.41
37 Vgl. ebd.38 Vgl. ebd., S. 939 Vgl. ebd., S. 1540 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2016, S. 14 ff.41 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2014, S. 11 ff.42 https://digipeegel.ee 43 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2014, S. 944 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2016, S. 14 ff.
DAS SELF-ASSESSMENT-TOOL DIGIPEEGEL
Mit Digipeegel (= Digitaler Spiegel) hat das estnische
Bildungsministerium ein bemerkenswertes digitales Self-
Assessment-Tool ins Leben gerufen, das Schulen nutzen
können, um die eigene digitale Reife beurteilen zu können.
Indikatorenbasiert können Schulen sich selbst einschät-
zen und ihre eigene Entwicklung im Bereich digitales
Lernen überprüfen. Zusätzlich stehen Expertinnen- und
Expertenteams bereit, die die Schulen bei ihrer Ent-
wicklung vom digitalen Nutzer hin zum Ersteller digitaler
Materialien begleiten.42
Digipeegel erlaubt die virtuelle Kooperation zwischen
Lehrkräften und Bildungsinstitutionen und fördert den
regelmäßigen Austausch untereinander mit dem Ziel, von-
einander zu lernen und gemeinsame Projekte ins Leben zu
rufen. Dabei geht es auch um die Kontrolle in Bezug auf das
Erreichen von Kompetenz- und Qualitätsstandards sowie
darum, wie sich die Standards an der eigenen Einrichtung
und im eigenen Handlungsbereich erreichen lassen. Hier
wird ganzheitlich gedacht. So soll es eben nicht nur darum
gehen, Lehrende und Schulleitungen zum Austausch zu-
sammenzubringen, sondern auch die Lernenden selbst,
die Eltern, die Schulträger und weitere beteiligte Einrich-
tungen des öffentlichen und privaten Sektors.43
Die Grundgedanken des Digitalen Spiegels basieren auf
den Überlegungen des kanadischen Bildungsforschers
Michael Fullan.44 Dabei wird vor allem die Veränderung
des Lernansatzes durch den innovativen Einsatz digitaler
Medien im Unterricht in den Vordergrund gestellt. Das Tool
erlaubt nicht nur die Beurteilung der eigenen digitalen
Reife, sondern auch die konkrete Planung der Umsetzung
weiterer Entwicklungsschritte in Bezug auf digitales Ler-
nen für die eigene Schule. Das Kernstück bildet die
Beurteilungsmetrik. Unterschieden werden fünf Schritte,
die Entwicklungsziele innerhalb der Nutzung digitaler
Medien markieren und deren Bedeutung hier kurz exempla-
risch beschrieben wird:
Episodischer Gebrauch: Digitale Werkzeuge werden im
Rahmen des traditionellen Lernens in Einzelfällen ein-
gesetzt.
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Schulinterne Koordination: Mit digitalen Tools werden
neue Ansätze und Lernprozesse getestet und der Aus-
tausch von Erfahrungen zwischen Lehrenden ermöglicht.
Änderung der Lernprozesse: Auf Schulebene werden sys-
tematische Änderungen an der Organisation des Lernens
vorgenommen, die auf einem kohärenten, wissenschaft-
lich fundierten Rahmen beruhen und die Schülerinnen und
Schüler mit einbeziehen.
Allgegenwärtige digitale Kultur: Integrierte Technologien
werden zu einem unmerklichen und allgegenwärtigen
Bestandteil der Arbeits- und Lernumgebung, sodass
Schülerinnen und Schüler ihre persönliche digitale Lern-
umgebung erhalten, die sie nach eigenen Bedürfnissen
selbst gestalten können.
Innovationen anstoßen und einführen: Digitale Schullern-
dienste werden über die Schule hinaus ausgebaut, agile
(adaptive, flexible) Lernpfade werden eingeführt und die
Schülerinnen und Schüler übernehmen die Verantwortung
für die Gestaltung ihrer eigenen Lernpfade und teilweise
für das Unterrichten anderer.
Digipeegel folgt einem gedachten Entwicklungsprozess,
der die Stufen Ersatz – Bereicherung – Verbesserung – In-
tegration – e-Durchbruch umfasst. Das Modell ist im Sinne
von Entwicklungsstufen zu verstehen, wobei eine Schule
nicht notwendigerweise in allen Bereichen auf derselben
Entwicklungsstufe stehen kann und wird.
1.1Arbeitspraktiken im
digitalen Zeitalter und digitale Kompetenzen
1.2 Studienorganisation
1.3 Rolle der Lehrenden
und Lernenden
1.4 Lehrbuch und Lernzentrum
1.5 Lernziel und Bewertung
2.1 Strategische
Planung
2.2 Inklusion und Partnerschaft2.3
Überwachung und Analyse
2.4 Erfahrungsaustausch
2.5 Unterstützung, Führung
und Motivation
3.1 Netzwerk- und
digitale Sicherheit
3.2 Ausrüstung
3.3 IT-Management
3.4 Helpdesk/Support
3.5 Software und
Dienstleistungen, Informationssysteme
Abb. 3: Beispiel einer Selbsteinschätzungs-Matrix aus Digipeegel
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Das Self-Assessment-Modell selbst wurde von der Uni-
versität Tallinn in Zusammenarbeit mit der Stiftung HITSA
entwickelt. Die dem Modell hinterlegte Skala basiert auf
dem EduVista-Modell der Reife von Organisationen, das
2014 vom Projekt iTEC (Innovative Technologies for Enga-
ging Classrooms) von European Schoolnet erstellt wurde.
Das komplette Modell inklusive aller Skalen ist online ein-
sehbar und kann eigenständig heruntergeladen werden.45
Fokussiert werden hier Themen wie die Veränderung des
didaktisch-methodischen Repertoires, die strategische
Planung im Hinblick auf den Umgang mit Veränderungen
oder auch der IT-Support. Die Abbildung 3 zeigt den grund-
legenden Aufbau des Modells und die Indikatoren
als solche.
45 https://www.dropbox.com/s/0nb7ke20fomjety/Kooli_digikupsuse_hindamismudel.pdf?dl=046 Vgl. Estonian Ministry of Education and Research 2014, S. 1647 Vgl. OECD 2015a, S. 5 ff.48 http://www.educacionyfp.gob.es/prensa/actualidad/2019/07/20190717-digitalessummit.html 49 Vgl. OECD 2018b, S. 4
MODERNISIERUNG DER INFRASTRUKTUR – EIGENE
AUSSTATTUNG FÜR JEDE LEHRKRAFT
Insbesondere in Bezug auf den Aufbau schulischer Infra-
struktur soll die Ausstattung der Schulen so modernisiert
werden, dass in allen Klassenräumen die Präsentation von
digitalen Medien möglich wird, zum Beispiel durch Beamer,
Whiteboards oder Tablets.
Hervorzuheben ist, dass Estland jeder Lehrkraft eine
eigene digitale Ausstattung stellt: Lehrende werden hier
also standardmäßig mit den benötigten digitalen Geräten
ausgerüstet. Zusätzlich soll es Unterstützungsangebote
geben für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die sich
keine eigenen digitalen Geräte zum Lernen leisten können
oder besondere Bedürfnisse, etwa aufgrund von Beein-
trächtigung, haben und entsprechende Unterstützungs-
systeme benötigen.46
4.2 Spanien
Spanien ist in den letzten Jahren vor allem bedingt durch
seine hohe Jugendarbeitslosigkeit in bildungspolitischer
Hinsicht in den Medien präsent gewesen. Schaut man in
die PISA-Daten, bietet das Land dennoch einen soliden
Durchschnitt in Bezug auf die Leistungen seiner Schüle-
rinnen und Schüler, egal ob es um Lesekompetenz oder
mathematisch-naturwissenschaftliche Kompetenzen
geht. Auch die Drop-out-Raten von Schülerinnen und
Schülern, die die Schule ohne Abschluss verlassen, haben
sich deutlich verbessert.47
Das Bewusstsein für die Rolle digitaler Medien im Bildungs-
sektor ist in den vergangenen Jahren auch in Spanien
deutlich stärker geworden – so sprach die Bildungsminis-
terin Isabel Celaá jüngst auf einer wichtigen spanischen
Digitalkonferenz über die Notwendigkeit, eine eigene
digitale Strategie für den spanischen Bildungssektor zu
entwickeln.48 Spanien hat in den letzten Jahren bereits eine
ganze Reihe von bildungspolitischen Herausforderungen
adressiert und Initiativen angestoßen, um insbesondere
die berufliche Ausbildung in Spanien zu stärken. Auch das
digitale Lernen rückt nun zunehmend mehr ins Zentrum
der politischen Aktivitäten und gewinnt das Interesse der
bildungspolitischen Akteure. Entsprechend interessant
ist der Blick auf die Bemühungen, die Spanien unternimmt,
um diese Herausforderungen zu meistern und welche
Rolle dabei digitale Ansätze spielen.
Zusätzlich ist Spanien aus der deutschen Perspektive
auch deshalb interessant, weil das spanische Bildungs-
system ähnlich wie in Deutschland dezentral organisiert
ist. Die spanische Zentralregierung definiert Rahmen und
Richtlinien, die autonomen Regionen Spaniens jedoch
kümmern sich um die Ausgestaltung und stellen die Wei-
chen im Hinblick auf die alltägliche politische Gestaltung.
Dazu gehört auch die Verwaltung der öffentlichen Aus-
gaben für das Schulsystem.49
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DAS SPANISCHE SCHULSYSTEM
Das spanische Schulsystem ist ein Gesamtschulsystem,
das in Primarstufe und Sekundarstufe unterteilt wird.
Zusätzlich gibt es frühkindliche Bildungsangebote, ähnlich
wie Krippe und Kindergarten in Deutschland. Der Besuch
des Kindergartens ist bereits für Kinder unter einem Jahr
möglich und bis zum Alter von drei Jahren freiwillig. Ab
dem Alter von drei Jahren ist der Besuch des Kindergar-
tens verpflichtend.
Die Schulpflicht beginnt in Spanien im Alter von sechs
Jahren. Die Grundschule, das sogenannte Colegio, wird
im Alter zwischen sechs und zwölf Jahren besucht und
dient der Allgemeinbildung. Der Besuch ist kostenfrei, die
Finanzierung des Schulsystems wird durch die öffentliche
Hand geleistet. Das spanische Schulsystem ist ein Voll-
zeitschulsystem. Die Schulen können selbst bestimmen,
ob sie mit einer längeren Mittagspause arbeiten – dann
geht der Schultag bis 17:00 Uhr – oder die Mittagspause
ausfallen lassen und den Schultag bis 14:00 Uhr beenden.50
Erst im Alter von zwölf Jahren beginnt für Kinder die
Sekundarschule, die bis zum Alter von 16 Jahren besucht
wird und ebenfalls verpflichtend ist. Am Ende steht das
schulische Abschlusszertifikat, das auch zum Besuch
weiterer Bildungseinrichtungen befähigt. Die allgemeine
Schulpflicht endet in Spanien im Alter von 16 Jahren.
50 https://www.donquijote.org/es/cultura-espanola/tradiciones/educacion51 Vgl. Europäische Kommission o. D. a
Abb. 4: Das spanische Schulsystem
Wer sich für eine weitere schulische Ausbildung entschei-
det, kann innerhalb von zwei Jahren seinen Bachillerato
an der Sekundarschule erwerben. Der Bachillerato ähnelt
dem deutschen Abitur, lässt sich aber sowohl mit einer
akademischen als auch einer beruflichen Orientierung
absolvieren. Der Bachillerato befähigt zum anschließen-
den Besuch der Universität ebenso wie zum Besuch der
berufsbildenden Einrichtungen.
Je nachdem, welche Ausrichtung des Bachillerato ab-
solviert wurde, schließt sich ein klassisches Universi-
tätsstudium oder der Besuch einer berufsschulischen
Einrichtung an, um ein Berufszertifikat zu erwerben. In
den letzten Jahren hat Spanien insbesondere im Bereich
der beruflichen Bildung Schritte unternommen, nach
deutschem Vorbild eine engere Verzahnung von prakti-
scher und schulischer Ausbildung einzuführen.51
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9
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Grundschule(6 bis 12 Jahre)
Universität
Berufsschule(Bachillerato)
Höhere Sekundarschule(Bachillerato)
Höhere Technische Schule
Schu
lp�icht
1
2
Alter
0
Kindergarten(ab 0 Jahre, verp�ichtend ab 3 Jahre)
Sekundarschule
21
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Das spanische Schulsystem wird durch die öffentliche
Hand finanziert. Es gibt kein Schulgeld, das von den
Eltern bezahlt werden müsste. Zusätzlich zu öffentlichen
Schulen gibt es jedoch einige private Schulen, zumeist von
der katholischen Kirche geführt, die jedoch ebenfalls von
der öffentlichen Hand mitfinanziert werden und sich auf
Systemebene nicht von den öffentlichen Schulen unter-
scheiden.
Insgesamt hat Spanien derzeit etwa 30.000 Schulen,
aufgeteilt in Grund- und Sekundarschulen, inklusive der
Bildungsangebote der frühkindlichen Bildung und der
beruflichen Bildung. In Spanien werden all diese Angebote
unter dem Begriff „Centros Educativos“ zusammenge-
fasst.52
Spanien hat seine Bildungsausgaben in den letzten Jahren
reduziert und gibt derzeit im Vergleich zu den übrigen
OECD-Ländern leicht unterdurchschnittlich viel Geld für
sein Bildungssystem aus. Pro Jahr investiert Spanien in
der Primarstufe ca. 7.300 US-Dollar und in der Sekundar-
stufe ca. 9.000 US-Dollar pro Schüler bzw. Schülerin.53
Die Gesamtausgaben, die Spanien für sein Schulsystem
tätigt, betragen 3,1 Prozent seines BIPs. Zum Vergleich: In
Deutschland sind es 3 Prozent vom BIP; der OECD-Durch-
schnitt liegt bei 3,5 Prozent vom BIP.54
GESETZ ZUR VERBESSERUNG DER BILDUNGSQUALITÄT
Bereits 2013 hat die spanische Regierung das Gesetz zur
Verbesserung der Bildungsqualität verabschiedet. Das
sogenannte LOMCE 55 regelt umfängliche Maßnahmen und
Verbesserungen für das spanische Bildungssystem und
enthält dabei auch Ansätze, die sich explizit auf die Digi-
talisierung des Bildungssystems beziehen. Tatsächlich
bildet der Fokus auf Informations- und Kommunikations-
technologien im Bildungssektor einen von drei Schwer-
punkten.56
Bemerkenswerterweise wird davon ausgegangen, dass
Technologien den Bildungssektor immer geprägt und ver-
ändert haben – die Digitalisierung des Bildungsbereichs
wird also weniger als Bedrohung wahrgenommen denn als
normale Entwicklung. Verbesserungen erhofft man sich
52 Vgl. Ministerio de Educación y Formación Profesional 2019, Table B1.1.53 Vgl. OECD 2019 sowie OECD 2018a54 Vgl. OECD 2019, S. 286 55 Gobierno de Espana 2013 - LOMCE56 Vgl. LOMCE, S. XI57 Vgl. ebd.58 Vgl. ebd., Artículo 2159 Vgl. ebd., Artículo 2460 Vgl. ebd., Artículo 122.3
insbesondere im Erwerb nicht-kognitiver Fähigkeiten, vor
allem bei der Entwicklung personaler-sozialer Kompeten-
zen. Dabei wird auch die Frage gestellt, inwieweit Klassen-
und Bildungsräume neu gedacht werden müssen. Dies
wiederum wird eng verknüpft mit den Möglichkeiten, die
Technologie tatsächlich für Bildung bietet.57
Der Einsatz von digitalen Medien im Unterricht und gene-
rell im Bildungssystem wird dabei als besonders wichtig
betrachtet. Vor allem der personalisierte Unterricht bzw.
das individualisierte Lernen soll starkgemacht werden.
Ein ausdrückliches Augenmerk wird auf die Möglichkeiten
des Einsatzes neuer Technologien in der Lehrkräfteaus-
bildung gelegt.
Im Gesetz ist festgeschrieben, dass die digitalen Kom-
petenzen der Schülerinnen und Schüler am Ende des
sechsten Schuljahres der Primarstufe erhoben werden
sollen.58 Generell wird der Umgang mit Technologie als
Querschnittsthema gesehen, das in allen Fächern Eingang
finden soll.59
Um Lehramtsstudium und Schulforschung aufzuwerten,
sollen an den Forschungszentren der Hochschulen mehr
Initiativen zur Verbesserung der Lehrkräfteausbildung,
zur Förderung schulischer Leistungen von Schülern und
Schülerinnen, zur spezifischen pädagogischen Unter-
stützung oder der Entwicklung guter digitaler Inhalte und
Formate entstehen.60
VORGABEN ZUR NUTZUNG VON INFORMATIONSSYSTEMEN AUF
NATIONALER EBENE
Das spanische Bildungsministerium gibt gesetzlich ge-
regelt vor, welche digitalen Informationssysteme die
Regionen in ihren Schulen einsetzen müssen. Auch wird
festgeschrieben, dass diese Systeme sowohl die adminis-
trative als auch die akademische Selbstverwaltung in den
Schulen erlauben müssen. Auch der Einsatz zur Lern-
unterstützung soll möglich sein. Gleichsam müssen die
eingesetzten Systeme bestimmte Sicherheitsstandards
erfüllen und bestimmte Kompatibilitätsanforderungen
abdecken – zum Beispiel damit Daten für die Bildungssta-
tistik problemlos erhoben und übermittelt werden können.
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Dabei gibt das Gesetz nicht vor, welches System zu nutzen
ist, sondern regelt lediglich, dass bestimmte Rahmen-
bedingungen einzuhalten sind. Welche Kriterien genau
greifen sollen, muss separat in den Regionen entwickelt
werden. Einige Vorgaben ergeben sich hier schon aus dem
Gesetz zum elektronischen Zugang der Bürger zu öffentli-
chen Daten von 2007.61
Ebenfalls im Gesetz geregelt ist, dass die virtuellen Lern-
umgebungen, die in Schulen zum Einsatz kommen, nicht
nur durch öffentliche Mittel finanziert werden, sondern
auch die Umsetzung von Bildungsplänen, die in den Schu-
len entworfen und entwickelt werden, erleichtern sollen.62
Zusätzlich ist es erklärtes Ziel, das Konzept des Klassen-
zimmers mittelfristig zu hinterfragen und den Schülerin-
nen und Schülern zu jeder Zeit und von jedem Ort aus den
Zugang zu Lernumgebung und Lernmaterialien zu ermög-
lichen – und dabei die Barrierefreiheit mitgedacht.
AUSHANDLUNGSPROZESS FÜR DIGITALE LERNMEDIEN
Welche Inhalte und vor allem welche Formate für digitale
Lernmedien verwendet werden, wird in einem gemeinsa-
men Prozess zwischen den Regionen und dem nationalen
Bildungsministerium festgelegt. Der Fokus liegt hier auf
der Nutzbarkeit aller Inhalte und Formate unabhängig
von der Plattform, auf der sie hinterlegt sind. Es geht
also auch hier um Kompatibilität und Durchlässigkeit für
verschiedene Formate und Ansätze. Zusätzlich plant das
Bildungsministerium, für alle Bildungsbereiche Inhalte
über eine digitale Plattform zur Verfügung zu stellen, die
von allen Beteiligten sicher genutzt werden können und
die inhaltlich und methodisch geprüft sind.63 Außerdem
ist geregelt, dass gemeinsam mit dem Bildungsminis-
terium und den Regionen ein Bezugsrahmen für digitale
Kompetenzen des Lehrpersonals entwickelt wird.64
REFERENZRAHMEN FÜR DIGITALE KOMPETENZEN BEI LEHRKRÄFTEN
Das spanische Bildungsministerium hat einen Referenz-
rahmen für die Beurteilung und Entwicklung von digitalen
Kompetenzen für Lehrkräfte entwickelt.65 Federführend
war hier das Instituto Nacional de Tecnologías Educativas
y Formación del Profesorado (INTEF) tätig. Der Kompe-
tenzrahmen baut auf dem Europäischen Referenzrahmen
für digitale Kompetenzen für Lehrende (DigiCompEdu) auf
und unterscheidet fünf Bereiche:
61 Vgl. ebd., Artículo 111.162 Vgl. ebd., Artículo 111.263 Vgl. ebd., Artículo 111.464 Vgl. ebd., Artículo 111.665 Vgl. INTEF 2017
1. Basics und Informationskompetenz
2. Kommunikation und Zusammenarbeit
3. Digitale Inhalte erstellen
4. Sicherheit
5. Problemlösekompetenz
Insgesamt 21 Kompetenzen werden adressiert und in
diese fünf Bereiche eingeordnet. Dem sind sechs unter-
schiedliche Kompetenzstufen übergeordnet: A1 und A2
(Grundstufen), B1 und B2 (Mittelstufen) und C1 und C2 (Fort-
geschrittenen-Stufen).
INSTITUTO NACIONAL DE TECNOLOGÍAS EDUCATIVAS Y DE
FORMACIÓN DEL PROFESORADO (INTEF)
Das INTEF ist eine Einrichtung des Bildungsministeriums,
die sich allein mit technischen Innovationen in der Bildung
und der Lehrkräftebildung befasst. Innerhalb des Instituts
werden verschiedene Aktivitäten gebündelt, die sowohl
der Erforschung des Einsatzes von Technologie in der
Bildung dienen, als auch Praxisprojekte ins Leben rufen.
Zusätzlich liefert das Institut eine Fülle an Berichten, die
mal daten- und forschungsorientiert sind und mal in die
praktische Handhabung von Technologien einführen,
etwa in die Handhabung von Joomla als Content-Manage-
ment-System.
Ein Bestandteil der Arbeit ist eine virtuelle Bibliothek, in
der Artikel und Berichte hinterlegt sind, die von Lehrkräf-
ten verfasst werden und sich mit digitalen Innovationen im
Klassenzimmer beschäftigen sowie praktische Hilfestel-
lung beim Einsatz verschiedener digitaler Lernwerkzeuge
bieten. Jeder Artikel enthält eine Bewertung des Autors
bzw. der Autorin und eine Empfehlung für den Einsatz. Die
Themen sind breit angelegt und befassen sich mit unter-
schiedlichsten Ansätzen, Technologien und Angeboten.
Lehrende können Ideen äußern und Artikel anbieten. Die
Verbreitung der Artikel erfolgt über die Webseite des Insti-
tuts selbst und vor allem über Social Media.
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CONNECTED SCHOOLS
Das Projekt Connected Schools ist ein Gemeinschaftspro-
jekt des INTEF mit dem spanischen Wirtschaftsministe-
rium und dem spanischen Telekommunikationsanbieter
red.es. Ziel ist die Ausstattung aller spanischen Schulen
mit schnellem Internet bis zum Jahr 2020. Das Projekt
erhält zusätzlich eine Förderung der Europäischen Kom-
mission.66 Die Umsetzung erfolgt in zwei Phasen. Zum
Zeitpunkt der Recherche waren keine genauen Zahlen zum
Umsetzungsstand zu finden. Laut Informationen auf der
Webseite des INTEF sind die Regionen, die an der ersten
Phase teilgenommen haben, aber weitgehend bearbeitet
und die Regionen aus der zweiten Phase befinden sich
aktuell in der Ausschreibung für die Telekommunikations-
anbieter.67
Zu den weiteren Angeboten gehören Schulungen für
Lehrkräfte, die sich im Umgang mit Robotik und Program-
mieren fit machen und beides in den Unterricht integrie-
ren möchten, Kurse und Material zur sicheren Nutzung
des Internets und zur Vermittlung von Medienkompetenz
oder auch das AbiesWeb, mit dessen Hilfe Schulen ihren
eigenen Bibliothekskatalog verwalten und digitalisieren
können. Auch die Verwaltung der Ausleihe ist möglich,
ebenso wie der Versand von Mails oder Newslettern.
AULA DEL FUTURO
Ein weiterer Ansatz ist das Projekt Aula del futuro, bei
dem es darum geht, das Konzept des Klassenraums
flexibler zu denken. Integraler Bestandteil ist die Nutzung
eines Whiteboards. Lehrende, die teilnehmen möchten,
werden in e-Twinning-Workshops geschult.68 Im Fokus
steht die Idee, dass der Klassenraum der Zukunft ein
flexibles Konstrukt ist und entsprechend ausgestattet
und eingerichtet sein muss, sodass er flexibles Arbeiten
und Lernen ermöglicht. Aus den Projektansätzen ist ein
nationales Netzwerk entstanden, in dem Botschafter und
Botschafterinnen die Idee des flexiblen Klassenzimmers
in alle Regionen Spaniens tragen. Der Einsatz digitaler
Technologien ist dabei integraler Bestandteil. Schulen, die
ein flexibles Klassenzimmer einrichten möchten, können
auf der Webseite des Projekts69 ein Toolkit mit Ressourcen
herunterladen, die für die Umsetzung hilfreich sind. Einen
ähnlichen Ansatz verfolgt die Samsung Smart School. Das
66 https://www.red.es/redes/es/que-hacemos/e-educaci%C3%B3n 67 https://intef.es/tecnologia-educativa/escuelas-conectadas68 E-Twinning ist eine europäische Lehrkräfte-Community, die allen interessierten Lehrpersonen in Europa die Möglichkeit zum Austausch, zum Lernen und zu gemeinsamen Projekten bietet.69 http://fcl.intef.es70 http://www.escuela20.com/escuela20-educacion-recursos-educativos/espanol/inicio_24_1_ap.html 71 http://www.escuela20.com/articulos-familia-crianza/familias/buenas-practicas_7_1_ap.html
Projekt fokussiert das Lernen mit mobilen Endgeräten und
wird in mehreren Regionen Spaniens durchgeführt. Der
Einsatz der Geräte wird wissenschaftlich begleitet, mit
dem Ziel, Leitlinien für den guten Einsatz zu entwickeln.
Der Einsatz der Geräte erfolgt in der fünften und sechs-
ten Klasse. Im Grundsatz ist das Projekt vergleichbar mit
vielen deutschen Tablet-Klassen.
ESCUELA 2.0
Ein weiteres Projekt, das das spanische Bildungsministe-
rium ins Leben gerufen hat, ist die Escuela 2.0.70 Hierbei
handelt es sich um einen breit angelegten Schulversuch,
der die Digitalisierung des Lehrens und Lernens in den
Blick nimmt. Im Fokus steht weniger die Ausstattung der
Schulen mit schnellem Internet und technischen Geräten
– wenngleich beides Bestandteil ist und hier nicht nur die
Schülerinnen und Schüler, sondern auch die Lehrkräfte
mit technischen Geräten ausgestattet werden –, sondern
der Blick auf didaktische und methodische Möglichkeiten.
Im Vordergrund steht also die Ausbildung der Lehrkräfte,
digitale Mittel im Unterricht pädagogisch wertvoll einset-
zen zu können. Eine Besonderheit des Projekts ist, dass
die Familien mit einbezogen werden und auf der Webseite
des Projekts hilfreiche Hinweise dafür finden, wie sie die
Medienkompetenz ihrer Kinder stärken oder auch wie sie
mit spezifischen Problemen im Umgang mit der Digitalisie-
rung gut umgehen können.71 Das Projektbudget beträgt ca.
800 Millionen Euro und wird jeweils zur Hälfte vom nationa-
len Bildungsministerium und von den Regionen getragen.
ZERTIFIZIERUNGSPROGRAMM „TIC EN EDUCACIÓN“
(CASTILLA Y LEÓN)
Die Region Castilla y Léon hat ein Zertifizierungspro-
gramm für ICT-Technologien ins Leben gerufen, das
dort allen öffentlichen Schulen zur Verfügung steht. Die
Zertifizierung wird den Schulen verliehen und kann in drei
verschiedenen Graden erfolgen: der Erstzertifizierung,
der Verbesserung der vorherigen Zertifizierung oder der
Verlängerung der vorherigen Zertifizierung. Schulen kön-
nen sich für die Zertifizierung bewerben und reichen dafür
Vorschläge, geplante und bereits laufende Aktivitäten und
eine Übersicht über bereits vorhandene digitale Ressour-
cen ein. Ziel ist die Verbesserung der Unterrichtsqualität
an der jeweiligen Schule selbst, aber auch grundsätzlich in
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der gesamten Region Castilla y León, indem sich möglichst
viele Schulen um die Zertifizierung bemühen.72
TOOLKIT ZUR VERBESSERUNG DER EIGENEN DIGITALEN
KOMPETENZEN FÜR LEHRKRÄFTE
Ein Toolkit zur Verbesserung der eigenen digitalen Kompe-
tenzen kann auf der Webseite des INTEF heruntergeladen
werden.73 Es fokussiert die fünf Bereiche, die auch im
Kompetenzrahmen benannt werden: Basics und Informa-
tionskompetenz, Kommunikation und Zusammenarbeit,
Digitale Inhalte erstellen, Sicherheit und Support-Kit für
Online-Nachhilfe.
72 https://www.educa.jcyl.es/es/programas/certificacion-codice-tic-curso-2018-201973 http://formacion.intef.es/course/view.php?id=483#toggle-7 74 Vgl. OECD 2015a, S. 5 ff. 75 Vgl. European Schoolnet 201876 Vgl. OECD 2017 sowie OECD 2018c77 Vgl. Europäische Kommission o. D. b78 Vgl. Europäische Kommission o. D. c
Neben Erklärungen und Links gibt es hier Audio- und Vi-
deoangebote, Bilder und weitere Ressourcen. Das Toolkit
kann als eine Art Online-Ressource betrachtet werden, die
den Einstieg in die Themen erlaubt und auf weiterführen-
de Ressourcen verlinkt, die dabei helfen, sich bestimmte
Inhalte anzueignen, die für den Umgang mit der digitalen
Welt sinnvoll sind. Das Toolkit stellt keinen dramaturgisch
gestalteten Online-Kurs dar, sondern ist vor allem ein
heterogener Materialfundus für das eigene, selbstgesteu-
erte Lernen.
4.3 Tschechien
Betrachtet man die PISA-Daten zum tschechischen
Bildungssystems, dann bewegen sich die Leistungen der
tschechischen Schülerinnen und Schüler etwa im OECD-
Durchschnitt. Gerade im naturwissenschaftlichen und
im mathematischen Bereich sind die Leistungen in den
letzten Jahren eher gesunken als gestiegen, bei der Lese-
kompetenz ist es umgekehrt.74
In Tschechien korreliert der Schulerfolg stark mit dem
sozio-ökonomischen Status der Eltern – ein Effekt, den
man auch in Deutschland kennt.75 Gleichzeitig tut sich
Tschechien schwer mit der Adaptation neuer Medien in den
Alltag. Die Computerdichte in den Haushalten war bis in die
1990er-Jahre deutlich niedriger als in anderen Ländern.
Das hat sich inzwischen verbessert. Die private Internet-
nutzung ist nach wie vor noch nicht so hoch wie in anderen
Ländern, in den letzten Jahren aber deutlich gestiegen.76
Tschechien steht also vor der Herausforderung, in Sachen
Digitalisierung generell aufholen zu müssen. Hierfür
werden aktuell einige Anstrengungen unternommen. So
ist geplant, Standards für digitale Kompetenzen in die
Lehrkräfteausbildung zu integrieren, die derzeit entwi-
ckelt werden.
Tschechien hat in den letzten Jahren einiges unternom-
men, um die Qualität des Bildungssystems zu verbes-
sern. Zu diesem Zweck wurde 2014 eine Strategie für
die Bildungspolitik der tschechischen Republik bis 2020
formuliert.77 Hier wird bereits die Bedeutung der Ausein-
andersetzung mit digitalen Technologien für den Bildungs-
sektor betont. Zudem enthält sie strategische Ziele, etwa
zur Entwicklung digitaler Kompetenzen bei Lernenden
und Lehrenden oder zur Versorgung von Schulen mit der
notwendigen Infrastruktur. Auch die Notwendigkeit einer
eigenen Strategie für digitales Lernen wird hier hervor-
gehoben.
DAS TSCHECHISCHE SCHULSYSTEM
Die Schulpflicht beginnt in Tschechien im Alter von sechs
Jahren mit dem Besuch der Primarstufe. Spätestens ein
Jahr vor Schulbeginn müssen alle Kinder seit 2017 auch
den Kindergarten besuchen. Grundsätzlich steht der Kinder-
garten allen Kindern ab dem Alter von drei Jahren offen.78
Die Grundschule (1. Stufe) ist als Gesamtschulsystem orga-
nisiert und wird von allen Kindern bis zum Alter von zehn
Jahren durchlaufen. Danach fächert sich das tschechi-
sche Schulsystem auf. Kinder können entweder weitere
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vier Jahre auf der Grundschule (2. Stufe) verbringen oder
auf das Gymnasium wechseln, was den Eintritt in die Se-
kundarstufe kennzeichnet.
Die Schulpflicht endet grundsätzlich im Alter von 15 Jah-
ren. Wer sich für den Besuch der Grundschule (2. Stufe)
entschieden hat, kann mit dem Abschluss die Schule
verlassen. Das erworbene Zertifikat berechtigt aber auch
zum Besuch der Sekundarstufe. Wer die Sekundarstufe
anschließen möchte, kann auf das Gymnasium wechseln
und hier innerhalb weiterer vier Jahre sein Abschlusszerti-
fikat erwerben, das auch zum Studium an einer Hochschu-
le berechtigt. Das Äquivalent im beruflichen Bereich ist die
Technische Sekundarschule. Auch diese Schulform kann
mit dem Abschluss der Grundschule (2. Stufe) besucht
werden. Der Abschluss des Berufszertifikats dauert vier
Jahre, also genauso lange wie der gymnasiale Abschluss.
Auch mit dem Berufszertifikat ist das Studium an einer
Universität oder einer Berufshochschule möglich. Beide
Abschlussarten werden im tschechischen Bildungssystem
als gleichwertig eingestuft.
Eine Besonderheit des tschechischen Schulsystems ist,
dass der Wechsel auf das Gymnasium flexibel erfolgen kann.
Fällt die Entscheidung für das Gymnasium direkt nach der
Grundschule (1. Stufe), so kann das Gymnasium acht Jahre
lang besucht und mit dem gymnasialen Abschlusszertifikat
verlassen werden, das mit unserem Abitur vergleichbar ist.
Genauso kann aber zunächst auch die Grundschule
(2. Stufe) besucht werden und der Wechsel auf das Gymna-
sium nach zwei weiteren Jahren erfolgen. Der Erwerb
des gymnasialen Abschlusszertifikats dauert dann sechs
Jahre. Wird die Grundschule (2. Stufe) bis zum Abschluss
durchlaufen, sind es noch vier Jahre auf dem Gymnasium
bis zum Erwerb des gymnasialen Abschlusszertifikats.
Eine weitere Besonderheit des tschechischen Bildungs-
systems bilden die Konservatorien. Der Besuch eines
Konservatoriums ist mit dem Abschluss der Grundschu-
le (2. Stufe) möglich und beginnt damit im Alter von 15
Jahren. Ein Konservatorium wird weitere fünf Jahre bis
zum Alter von 20 Jahren besucht und berechtigt dann zum
Besuch der Universität. Der universitäre Abschluss kann
dann innerhalb eines weiteren Jahres, statt innerhalb von
drei Jahren erworben werden. Konservatorien sind also
ein Hybrid aus Sekundarschule und Hochschule und damit
79 Vgl. ebd.80 Vgl. UNHCR 2017, S. 581 Vgl. ebd., S. 18
vergleichbar mit dem deutschen Modell des Oberstufen-
kollegs.79
Abb. 5: Das tschechische Schulsystem 80
Der Schultag beginnt in Tschechien um 8:00 Uhr morgens
und endet je nach Schulstufe zwischen 12:00 und 13:00 Uhr
bzw. gegen 15:00 Uhr für die älteren Kinder. Bemerkenswert
ist, dass Tschechien ein eigenes Schulfach „ICT“ eingeführt
hat, das den Umgang mit dem Computer lehrt. Das Fach
wird bereits in der Primarstufe unterrichtet und bleibt
auch in der Sekundarstufe bestehen. In der Sekundarstufe
stehen weniger Computer-Literacy als vielmehr Fachin-
halte aus dem informatischen Bereich im Vordergrund.81
Wie in Deutschland ist auch in Tschechien das nationale
Bildungsministerium für übergeordnete Fragestellungen
zuständig, hat jedoch einige weitergehende Befugnisse.
Es gibt die großen inhaltlichen Linien und Konzepte vor
und legt Qualifizierungsanforderungen für Lehrende
fest, ebenso wie die Lehrpläne. Außerdem verwaltet das
Bildungsministerium den Etat, der für Bildungsfragen zur
Verfügung steht. Die tschechischen Regionen sind für die
Errichtung und Unterhaltung der Sekundarschulen und
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Kindergarten(ab 3 Jahre, verpichtend ab 5 Jahre)
Grundschule 1. Stufe(6 bis 10 Jahre)
Universität / Berufshochschule
Alter
Gymnasium
Konservatorium
Schu
lp�icht
Grundschule 2. Stufe(11 bis 15 Jahre)
TechnischeSekundar-
schule
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Konservatorien zuständig. Die Kommunen schließlich sind
für die Grundschulen zuständig und kümmern sich um die
Durchsetzung der Schulpflicht. Der Besuch der Schule ist
in Tschechien kostenfrei. Die Schule wird aus öffentlichen
Geldern finanziert.82
Insgesamt hat Tschechien laut dem Czech Statistical Office
ca. 4.100 Grundschulen der 1. und 2. Stufe und ca. 1.300 Se-
kundarschulen, davon ca. 500 mit der Möglichkeit, einen
beruflich-technischen Abschluss zu machen. Über das ge-
samte Land verteilt gibt es außerdem 18 Konservatorien.83
Pro Jahr und Schüler bzw. Schülerin investiert Tschechien
ca. 5.200 US-Dollar in der Primarstufe und ca. 8.500 US-
Dollar in der Sekundarstufe. Insgesamt gibt Tschechien ca.
2,6 Prozent seines BIPs für das Schulsystem aus.84
„DIGITAL EDUCATION STRATEGY UNTIL 2020“
Die „Digital Education Strategy until 2020“85 wurde im Jahr
2014 entwickelt und befindet sich derzeit in der Umset-
zung. Hierbei geht es darum, die richtigen Bedingungen zu
schaffen, die dabei helfen, digitales Lernen in der Schule
erfolgreich zu gestalten. Dabei wird darauf Wert gelegt,
die neuesten Erkenntnisse aus der Wissenschaft direkt
mit zu berücksichtigen. Die Bedürfnisse von Gesellschaft
und Wirtschaft sollen abgedeckt und auch aktuelle Ent-
wicklungen aus dem technischen Sektor beachtet und
umgesetzt werden.
Ziel ist, Methoden und Formen von Bildung zu verändern
und zu verbessern. Ein wichtiger Punkt ist auch die Offen-
heit für künftige Entwicklungen – die Flexibilität bei der
Umsetzung soll also erhalten bleiben.86
Drei Prioritäten werden in der Strategie genannt:
1. Das Bildungssystem für neue Lehr- und Lernmethoden
und neue Ansätze durch digitale Technologien öffnen.
2. Die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler durch
den Einsatz digitaler Mittel verbessern.
3. Schülerinnen und Schülern das Computational Think-
ing beibringen.
Diese drei Prioritäten werden wiederum in Ausprägungen
zusammengefasst, bei denen es darum geht, Bedingungen
zu schaffen, die sowohl Lernenden als auch Lehrenden
82 Vgl. Europäische Kommission o. D. c83 Vgl. Czech Statistical Office 201984 OECD 2018a 85 Vgl. Ministerstvo Skolství Mladeze a Telovychovy 201486 Vgl. European Schoolnet 201887 Národní ústav pro vzdělávání 2016, S. 1 ff.
erlauben, digitale Kompetenzen und Computerkompeten-
zen zu erwerben sowie Systeme zu etablieren, die Schulen
helfen, digitale Technologien im Unterricht und im Schul-
leben einzusetzen.
Die Umsetzung der Strategie wird vom SDV-Lenkungs-
ausschuss begleitet, die SDV-Arbeitsgruppe ist für die
operationale Umsetzung der Maßnahmen zuständig. Die
genaue Zusammensetzung des Lenkungsausschusses
und der Arbeitsgruppe war leider nicht zu ermitteln.
QUALITÄTSKRITERIEN FÜR DIGITALE BILDUNGSMEDIEN
Das Nationale Institut für Bildung, das 2011 vom tsche-
chischen Bildungsministerium gegründet wurde und die
tschechischen Schulcurricula entwickelt, hat Qualitätskri-
terien für digitale Bildungsmedien herausgearbeitet, die
online abgerufen werden können. Die Kriterien sind offen
formuliert und geben Leitlinien vor, die nutzenden Per-
sonen dabei helfen, die Qualität zu beurteilen, und ihnen
anzeigen, inwieweit die Materialien lizenzrechtlich frei zu
nutzen und zu verbreiten sind, inwiefern die Bildungsme-
dien mit Metadaten hinterlegt sind und ob sie kompatibel
zum Lehrplan sind und geltendes tschechisches Recht
nicht verletzen.87
Die Kriterien sind allgemein gehalten. Sie können nicht
allein zur konkreten Auswahl von Inhalten dienen, sondern
geben nur erste Anhaltspunkte, worauf es bei der Auswahl
von Bildungsmedien zu achten gilt.
Die Qualitätskriterien fokussieren Themen wie die offene
Lizenzierung, damit die Verwendung im schulischen Kontext
sichergestellt ist, aber auch die barrierefreie Verfügbar-
keit, also die Möglichkeit, auf das Material direkt über das
Internet zugreifen zu können, ohne eine spezielle Software
zu benötigen oder Gebühren für die Verwendung bezahlen
zu müssen.
Darüber hinaus wird die Verwendung von Metadaten als
wichtiges Qualitätskriterium benannt, ebenso wie die
Nutzung klassischer Software-Standards wie HTML 5 oder
klassischer Dateiformate wie PDF oder JPG. Außerdem
sollte das Material intuitiv bedien- und nutzbar sein.
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Inhaltlich wird auch die Professionalität des Materials als
Kriterium genannt, was die inhaltliche Korrektheit ebenso
wie die professionelle und didaktisch-methodische Auf-
bereitung beinhaltet, die auch bezogen auf Zielgruppe und
Inhalt selbst in sich stimmig und passend sein soll, zum
Beispiel durch den Einbezug der Lernenden oder durch
unterschiedliche Lehr-Lern-Settings.
DER WETTBEWERB FÜR SCHULWEBSEITEN UND DER
WETTBEWERB DOMINO
2015 wurde von verschiedenen öffentlichen Partnern ein
Wettbewerb für Schulwebseiten ins Leben gerufen, der
Schulen dazu aufruft, sicherere und nutzerfreundlichere
Schulwebseiten aufzusetzen. Eine Jury beurteilt die
eingereichten Entwürfe anhand eines Kriterienkatalogs,
der öffentlich zugänglich ist und so auch eine Leitlinie für
Schulen sein kann, die eigene Webseite zu verbessern,
auch wenn sie sich nicht an dem Wettbewerb beteiligen.88
Der Wettbewerb hat 2018 ein viertes Mal stattgefunden
und ein besonderes Augenmerk auf die Einhaltung der
Datenschutzregelungen gelegt.
Das greift auch der nationale Wettbewerb DOMINO89 auf,
der Lehrkräfte belohnt, die digitale Bildungsmedien
auf herausragende Art und Weise in ihrem Unterricht ein-
setzen. Die besten Ansätze werden auf der Webseite des
Wettbewerbs veröffentlicht.
Das Nationale Institut für Weiterbildung (NIDV) hat auch
einen Leitfaden als Einführung90 veröffentlicht, der Lehr-
kräften hilft, sich mit den grundlegenden Fragestellungen
rund um digitales Lernen vertraut zu machen.
Für die Bewertung beim Wettbewerb ist nicht die Krea-
tion eines eigenen digitalen Lernmediums entscheidend,
sondern die Art wie das Lernmedium didaktisch einge-
setzt wird. Jedes Jahr wird ein Fokusthema festgesetzt:
Im aktuellen Wettbewerb geht es zum Beispiel um kreative
Ansätze der Einbindung des Themas Ethik und Daten-
schutz mit Hilfe digitaler Lernmedien in den Unterricht.
88 https://www.scoolweb.cz89 http://domino.nidv.cz90 https://publi.cz/books/220/Cover.html 91 European Schoolnet 2018, S. 792 Vgl. ebd.
Eine Fachjury bewertet die eingereichten Vorschläge an-
hand von sieben Kriterien:
• Dynamik und Benutzerfreundlichkeit
• Offenheit für Veränderung und Überprüfung im
Klassenzimmer
• Motivation
• Interaktivität
• Anleitung und Methodik
• Originalität
• Grafik
Für jedes Kriterium werden zwischen einem und fünf
Punkten vergeben. Auf diese Weise wird der beste Wett-
bewerbsbeitrag ermittelt. Die Siegerbeiträge werden auf
der Webseite des Wettbewerbs veröffentlicht und dürfen
frei von anderen Lehrkräften genutzt und eingesetzt
werden.
ICT-KOORDINIERENDE
An tschechischen Schulen gibt es in der Regel einen Ko-
ordinator oder eine Koordinatorin für Informations- und
Kommunikationstechnologien (ICT). Die Aufgaben variie-
ren von Schule zu Schule. An 90 Prozent aller Schulen mit
mehr als 150 Schülerinnen und Schülern ist diese Position
auch besetzt. An kleineren Schulen ist diese Position nur
an 50 Prozent der Schulen besetzt, da finanzielle Mittel
fehlen.91
Dabei obliegt ICT-Koordinierenden nicht die Wartung der
Geräte und der Infrastruktur – das ist an tschechischen
Schulen in der Regel ausgelagert an Supportanbieter.
Hierfür stehen in der Regel monatlich etwa zehn Stunden
zur Verfügung, die flexibel abgerufen werden können.92
ICT-Koordinierende sind eine Schnittstelle zwischen tech-
nischem Support und pädagogischer Arbeit. Ihre Aufgabe
besteht grundsätzlich darin, die technische Infrastruktur
der Schule für den Unterricht im Blick zu haben und kon-
zeptionell weiterzuentwickeln. Außerdem haben sie die
pädagogische Seite im Blick und wissen, welche Ansätze
sich in welchen Settings wie einsetzen lassen. Lehrenden,
die neue digitale Technologien im Unterricht einsetzen
möchten, leisten sie Hilfestellung und geben Orientierung.
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Der Zugang zur Qualifizierung als ICT-Koordinator bzw.
ICT-Koordinatorin ist durch eine spezielle Fortbildung
gegeben, die Lehrkräften offensteht, die mindestens
zwei Jahre Berufserfahrung mitbringen. Das Angebot ist
vom tschechischen Bildungsministerium akkreditiert.
Die Fortbildung umfasst 250 Stunden, die im Verlauf von
ein bis zwei Jahren absolviert werden. 30 bis 150 Stunden
davon werden als e-Learning absolviert. Inhalte sind zum
Beispiel Kriterien für Auswahl und Umgang mit digitalen
Technologien, aber auch ein eigenes Praxisprojekt, das im
Verlauf der Fortbildung an der eigenen Schule durchge-
führt werden muss.93
SCHULVERWALTUNGSSOFTWARE
In Tschechien haben sich vier verschiedene Systeme
durchgesetzt, die als Schulverwaltungssysteme fun-
gieren. Das tschechische Bildungsministerium hat
inzwischen ein Interface programmieren lassen, das die
Übermittlung der Schuldaten aus allen vier Systemen
ermöglicht – ein Beispiel für die erfolgreiche Umsetzung
eines Bottom-up-Ansatzes.
Mit Hilfe von Skola Online lassen sich die Daten von Schü-
lerinnen und Schülern aus dem Schulregister weitergeben
oder ins Register einspeisen. Das Programm überprüft die
Richtigkeit der eingegebenen Daten, indem es vorhandene
Datensätze abgleicht, und unterstützt so bei der Eingabe.
Außerdem können Schulberichte über das Portal über-
mittelt werden. Es bietet einen Überblick über Stunden-
pläne und erlaubt eine erleichterte Zeit- und Lehrplanung
für Schulen. Auch eine Übersicht über Vertretungen und
Krankheitsfälle im Kollegium lässt sich für die eigene
Schule anzeigen.
Weiterhin lassen sich schulische Aktivitäten wie Ausflüge
oder Klassenfahrten planen. Auch Zeugnisse können in
dem System erstellt und ausgedruckt werden. Interessant
ist auch die Möglichkeit, Unfälle an der Schule über das
System direkt an die Schulaufsicht zu melden.
Vielfältige weitere Funktionen stehen zur Verfügung, zum
Beispiel die Verwaltung des Schulinventars, die Anlage
einer Mitarbeitendenkartei und deren Verwaltung, das Ge-
nerieren von Presseberichten, An- und Abwesenheitsver-
waltung, digitales Klassenbuch, Hinterlegen von digitalen
93 Eger 2006 94 Vgl. IIEP 2004, S. 25695 http://mentep.eun.org/tet-sat96 https://skola21.rvp.cz
Lernressourcen, E-Mail- und Messenger-Dienst sowie die
Möglichkeit zur statistischen Auswertung von hinterlegten
Daten.
JUST-IN-TIME-LEHR-LERN-PARADIGMA:
DAS PROJEKT NET-R@IL
Schülerinnen und Schüler in Tschechien lernen insbe-
sondere im ICT-Bereich nach dem Just-in-time-Prinzip:
Lerninhalte und Handwerkszeug werden in dem Moment
bereitgestellt, in dem sie benötigt werden. Lehrkräfte
bemühen sich um die didaktische und methodische Auf-
bereitung dieser Inhalte und stellen sie den Schülerinnen
und Schülern genau in dem Moment zur Verfügung, in dem
sie zur Anwendung kommen sollen.
Ein Beispiel für eine gelungene Umsetzung dieses Ansat-
zes ist das Projekt Net-r@il, das schon 1999 in Zusammen-
arbeit mit 13 Sekundarschulen und unter Beteiligung der
Europäischen Union mit weiteren Schulen in fünf ver-
schiedenen Ländern durchgeführt wurde. Kennzeichnend
ist die Orientierung an real existierenden Problemen und
dem realen Austausch mit anderen. Wichtiger Bestandteil
für die Arbeitsorganisation ist die Nutzung moderner ICT.
Die Schülerinnen und Schüler lernen so nicht nur den Um-
gang mit Technologie, sondern auch die Lösung komplexer
Probleme.94 Detaillierte Projektinformationen waren leider
nicht zu recherchieren.
DIE SELF-ASSESSMENT-TOOLS MENTEP UND SKOLA 21
Seit 2015 haben Lehrkräfte in Tschechien die Möglichkeit,
ihre eigenen digitalen Kompetenzen mit dem Self-Assess-
ment-Tool MENTEP zu erfassen. Das Tool ist nicht originär
tschechisch, sondern wurde als europäisches Projekt ent-
wickelt, kommt allerdings unter anderem in Tschechien zum
Einsatz. Insgesamt vier Felder können inhaltlich bearbei-
tet werden: digitale Inhalte produzieren, digitale Pädago-
gik, digitale Zusammenarbeit und digitales Citizenship.95
Zusätzlich gibt es das Tool Skola 21,96 das Lehrkräfte und
Schulleitungen nutzen können, um die Performance der
eigenen Schule in Sachen Digitalisierung zu beurteilen.
Das Angebot kann anonym genutzt werden, es wird also
nicht gespeichert, welche Schule mit dem Tool gearbeitet
hat. Die Daten, die anonymisiert erfasst werden, erlauben
jedoch einen Abgleich mit den Schulen in der Region im
Hinblick auf deren Abschneiden, sodass eine Einordnung
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der eigenen Leistung möglich wird. Abgefragt werden
Themen wie das Management und die Planung von ICT im
Schulkontext, die Infrastruktur selbst oder die Art und
Weise, wie ICT ins Schulleben integriert werden.
SCHOOL LABS
In mehreren tschechischen Städten, zum Beispiel in Prag,
Ostrava und Brno, sind sogenannte School Labs entstan-
den, die dem Gedanken der Fab Labs oder Maker Spaces
verpflichtet sind und Schülerinnen und Schülern die
97 Beispiele: https://www.edukacnilaborator.cz • https://www.fablabbrno.cz/en • https://www.strojlab.cz 98 Vgl. OECD 2015a, S. 3 ff.99 Vgl. UNDP 2016, S. 198100 The World Bank 2019101 https://beta.moe.gov.sg/primary/curriculum/subject-based-banding
Möglichkeit geben, eigene Projekte im Bereich Technik, In-
genieurswesen und ICT umzusetzen. In einigen Fällen sind
diese Labs an entsprechende Fakultäten der Hochschu-
len angebunden und werden auch von den Hochschulen
betrieben. Die Labs sind also nicht direkt an die Schulen
angeschlossen, stehen ihnen aber offen. Die School Labs
sind dem europäischen Netzwerk der Future Classroom
Labs angeschlossen, sodass ein Austausch auch auf euro-
päischer Ebene möglich ist.97
4.4 Singapur
Singapur ist weltweit für sein erstklassiges Bildungssys-
tem bekannt und landet in vielen internationalen Rankings
immer wieder auf den ersten Plätzen.98 Dabei hat das kleine
Land in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Heraus-
forderungen gemeistert. Als verhältnismäßig junger Staat
hat Singapur innerhalb weniger Jahrzehnte ein ausge-
sprochen leistungsfähiges Bildungssystem auf hohem
Niveau aufgebaut.
Die Bevölkerung Singapurs setzt sich aus unterschied-
lichen Ethnien zusammen. Singapur ist mehrsprachig und
gleichermaßen beliebt bei Einwandernden und Expats. Die
Bevölkerung ist also ausgesprochen heterogen. Singapur
gilt als eines der reichsten Länder der Welt und belegt
auch auf dem Index der menschlichen Entwicklung immer
einen der vorderen Plätze.99
Singapur investiert ca. 3 Prozent seines BIPs in Bildung.
Allerdings ist Singapur eines der Länder, das weltweit den
höchsten Anteil seiner Gesamtausgaben in sein Bildungs-
system investiert, etwa 20 Prozent. Da Singapur keine
Rohstoffe und keine nennenswerte Industrie hat, betrachtet
die Regierung gut ausgebildete Menschen als wertvollstes
Gut des Landes.100
DAS SCHULSYSTEM VON SINGAPUR
Das Schulsystem von Singapur gliedert sich in Primar- und
Sekundarstufe. Die allgemeine Schulpflicht beginnt erst
im Alter von sieben Jahren mit dem Start der Grundschule.
Der vorherige Besuch des Kindergartens (ab drei Jahren)
oder der vorgelagerten Vorschule (ab null Jahren) ist mög-
lich, aber nicht verpflichtend.
Die Grundschule umfasst sechs Schuljahre, von denen die
erste vier Jahre als Basisstufe bezeichnet werden und die
beiden letzten Jahre als Orientierungsstufe fungieren.
Bereits ab der dritten Klasse gibt es Unterricht im natur-
wissenschaftlichen Bereich.
Sobald die Kinder die fünfte und sechste Klasse und damit
die Orientierungsstufe erreichen, werden sie nach dem
sogenannten Subject based Banding weiter eingeteilt.101
Dieses Verfahren ist seit 2008 in Kraft und teilt die Schü-
lerinnen und Schüler basierend auf ihren Leistungen am
Ende der vierten Klasse in drei unterschiedliche Leis-
tungsbänder ein, die fachbezogen sind. Unterschieden
wird zwischen Basis-Level, Normal-Level und Höheres Le-
vel (Foundation, Standard und Higher Level). Je nach Vor-
leistungen im jeweiligen Fach werden die Kinder eingeteilt
und besuchen in den letzten zwei Jahren unterschiedliche
Leistungsklassen in verschiedenen Kurssystemen.
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Am Ende der Grundschule steht das sogenannte Primary
School Leaving Examination (PSLE), das alle Schülerinnen
und Schüler absolvieren. Die Leistungen in diesem Test
werden mit in die Wahl der weiterführenden Schule heran-
gezogen. Grundsätzlich können weiterführende Schulen
ihre Schülerinnen und Schüler basierend auf der Leistung
im Test und ihrer Bewerbung bei der Schule auswählen.
Sie können besonders begabte Schülerinnen und Schüler –
wobei Begabung auch nur auf einzelne Fächer bezogen
werden kann – auch aufnehmen, bevor diese ihre Tests
absolviert haben.
Im Alter von dreizehn Jahren beginnt der Besuch der
Sekundarschule. Je nachdem, wie die Leistungen im PSLE
ausgefallen sind, werden die Schülerinnen und Schüler in
unterschiedlichen Schienen (Tracks) eingeteilt. Unter-
schieden wird zwischen der normal-akademisch orientier-
ten Schiene, der normal-technisch orientierten Schiene
und der Express-Schiene. Die Benennungen werden mit
dem Jahr 2021 in G1, G2 und G3 geändert und inhaltlich an
das Subject based Banding angepasst, das auch schon in
der Grundschule Anwendung findet.
Alle Sekundarschulen schließen mit den allgemeinen Ab-
schlussprüfungen (Singapore-Cambridge GCE), die je nach
Schule und Schiene auf unterschiedlichen Schwierigkeits-
graden abgehalten werden. Die Express-Schiene dauert
vier Jahre und schließt mit dem einfachen Abschluss
(O-Level-Exam) ab, der im Alter von 17 Jahren erworben
wird und den Abschluss der allgemeinen Sekundarschule
kennzeichnet.
Im Anschluss kann für zwei Jahre die post-sekundare
Oberstufe besucht werden, die eine allgemeinbildende
Ausrichtung hat und auf den Besuch einer Hochschule vor-
bereitet. Die Oberstufe schließt mit den A-Level-Exams
ab, die zum Besuch einer Hochschule berechtigen. Alter-
nativ kann auch das Hochschulkolleg besucht werden. Der
Abschluss hier dauert in etwa drei Jahre und berechtigt
ebenfalls zum Besuch der Universität, allerdings verkürzt
sich die Ausbildungszeit an der Hochschule durch den vor-
herigen Besuch des Hochschulkollegs.
Alternativ kann mit Abschluss der Sekundarschule auch
das Polytechnikum oder eine Berufsfachschule besucht
werden. Die Berufsfachschule hat eine klare berufs-
fachliche Ausrichtung und ist am ehesten mit einer deut-
schen Berufsschule vergleichbar. Das Polytechnikum
hat eine beruflich-technische Ausrichtung und zielt
ebenfalls auf eine berufsfachliche Ausbildung ab, be-
rechtigt aber im Anschluss zum Besuch der Universität,
was mit dem Abschluss der Berufsfachschule nicht vor-
gesehen ist.
Das Schulsystem von Singapur ist durch eine hohe Durch-
lässigkeit gekennzeichnet. Gerade mit Abschluss der
Sekundarschule ergeben sich eine Vielzahl von Möglich-
keiten, weitere Bildungsgänge wahrzunehmen. Häufig
ist die Dauer der Bildungsgänge individuell verkürz- oder
verlängerbar, auch bestehen weitere Möglichkeiten,
zwischen einzelnen Schienen und Angeboten zu springen.
Entsprechend sind in der Grafik nur die wichtigsten Bau-
steine dargestellt.
Es gibt zum Beispiel zusätzlich zu den klassischen
Sekundarschulen weitere Typen von Sekundarschulen,
die integrierte Programme anbieten und bei denen es
möglich ist, mit dem Schulabschluss gleichzeitig einen
Bachelorabschluss zu erwerben. Dieser Weg steht jedoch
nur besonders begabten Schülerinnen und Schülern offen
und erfordert sechs Jahre Unterricht an einer Sekundar-
schule, wobei die letzten beiden Jahre mit der Oberstufe
kombiniert werden, sodass der Bachelor erworben werden
kann.
Abb. 6: Das Schulsystem von Singapur
3
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17
18
19
20
21
22
Grundschule(7 bis 12 Jahre)
Universität
Oberstufe
Schu
lp�icht
1
2
Alter
0
Vorschulefreiwillig (ab 0 Jahre)
Sekundarschule(13 bis 17 Jahre)
23
Kindergartenfreiwillig (ab 3 Jahre)
Poly-technikum
Berufs-fachschule
Hochschul-kolleg
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Eine weitere Besonderheit des singapurischen Schul-
systems sind die sogenannten Specialised Independent
Schools (SIS). Derzeit gibt es vier dieser Schulen in ganz
Singapur. Ihre Schwerpunkte liegen im Bereich Mathematik
und Naturwissenschaft, Technologie, Kunst oder Sport.102
Die Leistungen in den Examina entscheiden mit darüber,
welche weiteren Kurse an Hochschulen und Universitäten
bzw. Instituten besucht werden können, um einen Hoch-
schulabschluss zu erwerben. Der Besuch einer beruflichen
Bildungseinrichtung nach dem Schulabschluss galt in Sin-
gapur lange als Stigma, da das System als Auffangbecken
für weniger leistungsfähige Schülerinnen und Schüler
galt. Inzwischen ändert sich diese Auffassung dadurch,
dass die singapurische Gesellschaft Technologien sehr
schätzt und viele technische Berufe eine praktisch-beruf-
liche Ausbildung erfordern.103
Der Schulbesuch ist in Singapur kostenlos. Je nach Bedarf
wird ein geringer monatlicher Betrag erhoben, um das
Schulessen zu bezahlen. Viele Eltern investieren aber zu-
sätzlich privat in Nachhilfe und außerschulische Bildungs-
angebote für ihre Kinder, was auch in Singapur selbst
kritisch diskutiert wird.104
Die Zuständigkeit für das Schulsystem liegt beim Bil-
dungsministerium, das auch die finanziellen Mittel für
die Bildung verwaltet. Derzeit gibt Singapur pro Jahr und
Schüler bzw. Schülerin ca. 8.800 US-Dollar in der Primar-
stufe und ca. 11.400 US-Dollar in der Sekundarstufe aus.105
Das kleine Land hat 141 Grundschulen und 108 Sekundar-
schulen. Im Verhältnis unterrichtet in der Grundschule
eine Lehrkraft 15 Schülerinnen und Schüler, in der Sekun-
darschule 11 Schülerinnen und Schüler.
AUF DEM WEG ZUR SMART NATION
Singapur hat sich bereits vor einigen Jahren auf die
Fahnen geschrieben, eine Smart Nation werden zu wollen.
Dieses Ziel betrifft alle gesellschaftlichen Bereiche und
zielt darauf ab, Singapurs wichtigste Ressource – die Men-
schen – zu fördern und zu fordern. Im Fokus steht dabei
die Nutzung von digitalen Technologien auf allen Ebenen
und in allen gesellschaftlichen Bereichen. Ein wichtiger
Gedanke ist dabei der Austausch, die Vernetzung und die
102 https://beta.moe.gov.sg/secondary/schools/types103 https://asiasociety.org/global-cities-education-network/singapore-innovation-technical-education 104 https://www.asiaone.com/News/Education/Story/A1Story20100323-206282.html 105 https://data.gov.sg/dataset/government-recurrent-expenditure-on-education-per-student • Die Beiträge sind im Original in Singapur-Dollar angegeben und wurden zur besseren Vergleichbarkeit in US-Dollar umgerechnet (mit Wechselkurs vom 25.10.2019)106 https://www.smartnation.sg/what-is-smart-nation/initiatives 107 https://www.moe.gov.sg/education/education-system/desired-outcomes-of-education
Kollaboration von Wirtschaft und öffentlichem Sektor.
Projekte gibt es in Bereichen wie öffentlicher Transport
und Leben in der Metropole, Gesundheit, öffentliche
Services oder Wirtschaft.106 Singapur hat damit die eigene
Entwicklung konsequent in Richtung digitale Gesellschaft
gelenkt. Interessant ist aus europäischer Perspektive,
dass der Fokus hier nicht mehr auf der Wissensgesell-
schaft liegt. Diese wird vielmehr bereits vorausgesetzt
und ist notwendige Bedingung, um überhaupt eine Smart
Nation werden zu können.
Die Idee der Smart Nation bildet eine Klammer für die ge-
samtgesellschaftliche Entwicklung in Singapur. Hier wird
besonders deutlich, dass das Land in der Nutzung digitaler
Technologien eine große Chance sieht und sich diese zu
eigen macht. Anstatt vorrangig Gefahren zu deklarie-
ren, betrachtet Singapur digitale Technologien bewusst
positiv und lotet deren Einsatzmöglichkeiten und Grenzen
aus – immer orientiert am Wohl der Menschen und an der
Erhöhung des Lebensstandards. Diese Haltung ist ein
wichtiger Kern aller Bemühungen im Rahmen der Digitali-
sierung der Gesellschaft Singapurs und spiegelt sich auch
im Bildungssystem wider.
BILDUNGSPOLITISCHE BEMÜHUNGEN: DIE HALTUNG
Kern der bildungspolitischen Bemühungen Singapurs sind
die Desired Outcomes of Education (DOE) – die erwünsch-
ten Ergebnisse für den Schulbereich. Ausgehend von
diesen DOE werden alle weiteren bildungspolitischen Stra-
tegien und Ansätze entwickelt. Sie dienen auch dazu abzu-
gleichen, wie gut das Bildungssystem im Hinblick auf die
Erreichung der DOE funktioniert. Inhaltlich geht es bei den
DOE darum, dass das Bildungssystem dazu beitragen soll,
Selbstvertrauen und Selbstreflektiertheit eines Menschen
zu stärken und ihm die notwendigen Kompetenzen und
das benötigte Wissen für das Leben in der Wissensgesell-
schaft zu vermitteln. Der Gemeinschaftssinn soll gestärkt
werden, damit jeder sich auch gesellschaftlich einbringt.
Zu den DOE zählt auch, die dafür benötigten Strategien zu
vermitteln, ebenso wie die Strategien, die dabei helfen,
sich selbstständig weiteres Wissen anzueignen und dieses
Wissen kritisch zu reflektieren. Was das jeweils in den
unterschiedlichen Schulstufen bedeutet, wurde in einem
eigenen Raster definiert.107
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Am Ende der Grundschule sollten die Lernenden …
Am Ende der Sekundarschule sollten die Lernenden …
Am Ende der postsekundären Ausbildung sollten die Lernenden …
in der Lage sein, richtig von falsch zu unterscheiden
moralische Integrität haben den Mut haben, für das einzustehen, was richtig ist
ihre Stärken und Entwicklungs- potenziale kennen
an ihre Fähigkeiten glauben und sich an Veränderungen anpassen können
Resilienz in schwierigen Situationen besitzen
in der Lage sein, zu kooperieren, zu teilen und für andere zu sorgen
in der Lage sein, in Teams zu arbeiten und Einfühlungsvermögen für andere zu zeigen
in der Lage sein, kulturübergreifend zusammenzuarbeiten und sozial verantwortlich zu agieren
ein lebhaftes Interesse an den Dingen haben
kreativ und neugierig sein innovativ sein und unternehmerisch denken
in der Lage sein, selbstbewusst zu denken und sich auszudrücken
in der Lage sein, unterschiedliche An-sichten zu schätzen und effektiv zu kommunizieren
kritisch denken und überzeugend kommunizieren können
stolz auf ihre Arbeit sein Verantwortung für das eigene Lernen übernehmen
nach Exzellenz streben
gesunde Gewohnheiten und ein Bewusstsein für die Künste haben
körperliche Aktivitäten schätzen und die Künste genießen
einen gesunden Lebensstil verfolgen und Wert auf Ästhetik legen
Singapur kennen und lieben an Singapur glauben und verstehen, was für Singapur wichtig ist
stolz auf Singapur sein und Singapur in Relation zur übrigen Welt verstehen
Abb. 7: Erwünschte Ergebnisse für den Schulbereich (DOE) in Singapur
ICT-MASTERPLÄNE
Bereits in den späten 1990er-Jahren hat Singapur seinen
ersten ICT-Masterplan ins Leben gerufen und damit
die strategischen Weichen für den Umgang mit ICT im
Bildungssektor gestellt.108 Der erste Masterplan galt von
1997 bis 2002 und zielte zunächst darauf ab, die in Schulen
benötigte technische Infrastruktur bereitzustellen und ICT
für Schulen überhaupt nutzbar zu machen.
Im ersten Masterplan ging es vorrangig darum, die Grund-
lagen sicherzustellen. Dazu zählte die Anschaffung von
Geräten ebenso wie WLAN für alle Schulen und die Aus-
stattung mit Software für den Unterricht. Außerdem wurde
die Lehrkräftefortbildung in den Fokus gerückt – mit dem
Ziel des Kompetenzerwerbs, aber auch, um die Akzeptanz
von ICT in Schulen zu erhöhen. Lehrkräfte sollten befähigt
108 Vgl. Ministry of Education Singapore o. D., S. 6 ff.
werden, sicher und souverän mit digitalen Geräten im
Unterricht agieren zu können. Schülerinnen und Schüler
wiederum sollten in der Lage sein, Aufgaben mit Hilfe di-
gitaler Technologie bearbeiten zu können, also selbst den
Umgang mit digitalen Geräten erlernen. Dabei wurde ganz-
heitlich gedacht. Ziel war es, eine Umgebung herzustellen,
die eine exzellente Nutzung von ICT ermöglicht.
2003 folgte der zweite ICT-Masterplan, der bis 2008 in
Kraft blieb. Unter dem Credo „Innovation säen“ sollte die
effektive und umfängliche Nutzung von ICT in Schulen er-
reicht werden. Zu diesem Zweck wurde die Nutzung von
ICT in den Schulcurricula verankert und integraler Bestand-
teil der Lehrkräfteausbildung. Getragen wurde der zweite
Masterplan von dem Bild der flexiblen, netzwerkorgani-
sierten Schule. Basiskompetenzen für Schülerinnen und
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Schüler im Umgang mit digitalen Technologien wurden
definiert und ein spezielles Finanzierungsprogramm für
alle Schulen mit dem Fokus auf digitale Technologien
aufgesetzt. Lehrkräfte sollten nicht nur grundsätzlich in
der Lage sein, digitale Medien im Unterricht zu nutzen,
sondern dies auch extensiv tun.
Im dritten ICT-Masterplan von 2009 stand die Stabilisie-
rung und Skalierung der bisherigen Maßnahmen und des
bis dahin Erreichten im Vordergrund. Kollaboratives und
selbstgesteuertes Lernen wurde als Ziel für die Schülerin-
nen und Schüler angestrebt. Das Thema Cyber Wellness
wurde angegangen und fest verankert. Die professionelle
Weiterentwicklung für Lehrkräfte blieb im Fokus und es
wurden Standards für die ICT-Ausstattung von Schulen
definiert. Schülerinnen und Schüler sollten jetzt nicht
mehr nur in der Lage sein, digitale Medien souverän zu
nutzen, sondern sie auch tatsächlich umfänglich für ihre
Lernprozesse einsetzen.
Genauso sollen Lehrkräfte dazu befähigt sein, eine große
Bandbreite an digitalen Medien und Tools im Unterricht
zu nutzen. Sie sollen auch innovative Ansätze, Ideen und
erprobte Praxis untereinander teilen. Um das zu ermög-
lichen, müssen digitale Medien in der Schule jederzeit und
überall verfügbar und reibungslos nutzbar sein.
Seit 2015 steht der zukunftsfähige und selbstverantwort-
liche Lernende als nächste Entwicklungsstufe im Vorder-
grund. Die Lernerfahrungen von Schülerinnen und Schülern
sollen mit Hilfe digitaler Medien weiter verbessert werden.
Gute Praxis soll geschärft und weithin etabliert werden. Ein
weiterer Fokus liegt auf dem Thema Cyber Wellness und
dem generell souveränen Umgang mit neuen Medien, auch in
ihrer künftigen Weiterentwicklung.
ICT-FONDS FÜR DIE EIGENSTÄNDIGE ENTWICKLUNG
VON SCHULEN
Mit Inkrafttreten des zweiten ICT-Masterplans bekamen
Schulen eigene ICT-Fonds, die sie autonom verwalten und
einsetzen konnten, um ICT im Schulalltag einzusetzen. Zu-
sätzlich wurden ICT-Standards definiert, die als Richtlinie
genutzt wurden, welches ICT-spezifische Wissen Schüle-
rinnen und Schüler lernen und beherrschen sollten.
Zusätzlich wurden Förderschienen wie FutureSchools@
Singapore geschaffen, in denen Schulen sich als beson-
ders innovative Schulen in Sachen digitales Lernen profi-
lieren und ihre Praxis als Vorbild für andere zur Verfügung
stellen konnten. Der Fokus liegt dabei aber nicht auf der
Technisierung, sondern auf der innovativen Pädagogik, die
entsprechend auch ICT-Komponenten umfasst.
KOMPETENZENTWICKLUNG FÜR SCHULLEITUNGEN
Singapur stellt hohe Anforderungen an seine Schulleitun-
gen. So sollen Schulleitungen die Richtlinien vorgeben und
die Bedingungen schaffen, die den nutzbringenden Ein-
satz von ICT im Unterricht ermöglichen. Lehrkräfte sollen
die Fähigkeiten und Kompetenzen haben, ICT im Unter-
richt didaktisch und methodisch sinnvoll einzusetzen. Das
benötigt eine ICT-Infrastruktur, die jederzeit und alleror-
ten einwandfrei funktioniert und das Lernen unterstützt.
Um das alles erreichen zu können, wurden Onlinekurse für
Schulleitungen ins Leben gerufen, die sie speziell für diese
Tätigkeit und die dabei notwendige Haltung ausbilden.
Hier findet sich auch die Verknüpfung zum Modell der 21st
Century Competencies, das in Singapur entwickelt wurde,
ebenso wie zu den DOE.
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ICT-MENTOR-PROGRAMM FÜR LEHRKRÄFTE
Zusätzlich gibt es das ICT-Mentor-Programm, das Lehr-
kräfte nutzen können, um gute Praxisbeispiele auszu-
tauschen und sich im Sinne des Mentorings in Sachen
ICT im Unterricht unterstützen zu lassen. Üblicherweise
bestimmt jede teilnehmende Schule vier Mentorinnen und
Mentoren, die jeweils zwei Lehrkräfte mit Mentoring unter-
stützen. Der Mentor bzw. die Mentorin soll den Kolleginnen
und Kollegen sein Wissen über digitales Lernen und gute
Beispiele aus der eigenen Praxis zur Verfügung stellen,
den Einsatz digitaler Medien im Unterricht anleiten und mit
Rat und Tat in Bezug auf digitales Lernen zur Seite stehen.
Die Mentorinnen und Mentoren durchlaufen selbst noch
ein Qualifizierungsprogramm, das einen mehrtägigen
Workshop zur Vermittlung von Kompetenzen im Umgang
mit digitalen Lernmedien vorsieht. Zusätzlich werden
auch Coachingkompetenzen für die Rolle als Mentor oder
Mentorin vermittelt. Außerdem gibt es mehrstündige
Workshopsessions, in denen die künftigen Mentorinnen
und Mentoren lernen, Ideen für die Nutzung digitaler
Lernmedien zu entwickeln und zu teilen. Auch Ansätze der
Schulentwicklung werden hier vermittelt. Zusätzlich gibt
es Webinare, um die Arbeit in Online-Lernumgebungen zu
vermitteln. Das Portal OPAL bietet Lehrkräften außerdem
den Zugang zu vielfältigen digitalen Lernressourcen, die
im Unterricht eingesetzt werden können und die sich
auch speziell auf einzelne Aspekte des Curriculums hin
aussuchen lassen. Erfahrungen und Material können
ausgetauscht und geteilt werden, da das Portal auch als
Lehrkräfte-Community fungiert.
21ST CENTURY COMPETENCIES – DAS SINGAPUR-MODELL
Weiterhin richtet das Bildungsministerium seine Bemü-
hungen darauf aus, den Schülerinnen und Schülern die
Kompetenzen zu vermitteln, die sie benötigen, um sich im
21. Jahrhundert zurechtzufinden. Diese 21st Century Com-
petencies werden als das Werkzeug zur Ausbildung der DOE
betrachtet. Im Kern wird in den 21st Century Competencies
betont, dass der Charakter einer Person sich durch ihre
Überzeugungen, Haltungen und Werte ausdrückt. Diese gilt
es zu entwickeln, da Wissen und Kompetenzen sonst nicht
zielgerichtet eingesetzt werden können. Dem schließen
sich soziale und emotionale Kompetenzen an, die Menschen
benötigen, um sich mit sich selbst und anderen Menschen
empathisch auseinandersetzen, verantwortungsvolle
Entscheidungen treffen und gute Beziehungen knüpfen zu
können. Erst dann geht es um methodische Kompetenzen
und Wissen wie kritisches und innovatives Denken, inter-
kulturelle Fähigkeiten, das Bewusstsein, ein Weltbürger bzw
Weltbürgerin zu sein, und weiteres mehr.
Abb. 8: Das Konzept des ICT-Mentor-Programms
Spalte Breite78 mm
ICT EDUVATION SINGAPORE
VISIONFuture-ready & Responsible Digital Learners
OUTCOME GOALQuality Learning in the Hands of Every Learner – Empowered with Technology
ENABLERS
Teachers as Designers of Learning, Experiences & Environments
School Leaders as Culture Builders
Integrating ICT into curriculum & assessment
Designing quality
online resources
DevelopingCyber Wellness &
New Media Literacies
Providingprofessional
development &facilitating learning
communities
Innovating & developing
good practicesfor ICT in
education
Providinginfrastructure
to supportanytime, anywhere
learning
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Das Interessante hier ist nicht nur das Modell selbst,
sondern die Tatsache, dass es die Grundlage für Verände-
rungen in der Lehrkräfteausbildung in Singapur bildet. Um
den Schülerinnen und Schülern die benötigten Kompeten-
zen für das 21. Jahrhundert vermitteln zu können, wurden
hier Anpassungen vorgenommen. Im Mittelpunkt stand die
Frage, was Lehrkräfte können müssen, um Schülerinnen
und Schülern die benötigten Kompetenzen vermitteln zu
können. Daraus entstand ein eigenes Modell des 21st Cen-
tury Teaching Professional.109
Lehrkräfte in Singapur sollen bestimmte Werte vertreten,
die beispielsweise die Lernendezentrierung im Unter-
richt oder die persönliche und berufliche Identität des
Lehrenden betreffen. Hier stehen Dinge wie Empathie,
die Überzeugung, dass alle Kinder lernen können, und das
Wertschätzen von Diversität im Mittelpunkt.
109 Vgl. Asia Society 2017
In Bezug auf die Identität des Lehrenden sind Leiden-
schaft, Professionalität, Resilienz oder ethische Grund-
überzeugungen wichtig. In Bezug auf die Profession soll es
auf kollaboratives Lernen, Mentoring und soziale Verant-
wortung ankommen.
Zusätzlich brauchen Lehrkräfte die Fertigkeiten in
pädagogischer Hinsicht, im Sinne kommunikativer oder
technologischer Fähigkeiten, aber auch im Sinne des
Selbstmanagements und des innovativen Entrepreneur-
ships. Und nicht zuletzt benötigen sie Wissen über sich
selbst, ihre Schülerinnen und Schüler, ihr Fachgebiet und
dessen didaktische Vermittlung, aber auch über Multi-
kulturalität sowie die Gesellschaft und die Umwelt im
Allgemeinen.
Das 2010 entwickelte Modell der 21st Century Skills wurde
als Ausgangspunkt genutzt, um ausgehend von den
erwünschten Ergebnissen für das Bildungswesen An-
passungen am Curriculum und der Lehrkräfteausbildung
vorzunehmen.
Komm
unik
atio
ns-,
Kol
labo
rati
ons-
und
Info
rmatio
nskompetenzBürgerkenntnisse, globales Bew
usstsein und interkulturelle Kompetenzen
Kritisches und innovatives Denken
Selbstbewusstsein/ Selbstre�ektion
Selbstmanagement
GRUNDWERTE
SozialesBewusstsein
Beziehungs-management
Verantwor-tungsvolle
Entscheidungs-�ndung
SELBSTSICHERERMENSCH
SELBSTGESTEUERTERLERNER
INTERESSIERTES MITGLIED DER GESELLSCHAFT
AKTIV MITWIRKENDER
Abb. 9: Das Modell der 21st Century Competencies
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„DESIGN AND TECHNOLOGY“ ALS EIGENES SCHULFACH
Ab der Sekundarstufe sieht das Schulsystem von Singa-
pur ein Pflichtfach „Design and Technology“ vor, dass alle
Schülerinnen und Schüler belegen müssen – egal, welche
Schiene sie besuchen. Das Fach wird projektbasiert
unterrichtet und soll ihnen grundlegende Prinzipien von
Design, Design Thinking und Design Making näherbringen
sowie die Bedeutung von Technologie in Designprozessen
vermitteln. Das Fach verknüpft damit zwei inhaltliche As-
pekte und soll die Schülerinnen und Schüler zum eigenen
Tun und zur Entwicklung und Umsetzung eigener Ideen
befähigen. In den Bereich Technologie fallen dabei sowohl
Inhalte aus Mechanik und Elektronik als auch Material-
kunde.110 Das Fach ist nicht auf informatische Aspekte hin
fokussiert oder eingegrenzt, verknüpft aber alle wichtigen
Aspekte und Inhalte, die etwa auch bei der technischen
Produktentwicklung wichtig sind, und sensibilisiert für
die Funktionsweise von Technik. Die Hürde, sich mit der
Thematik zu befassen, wird dadurch gesenkt und Interes-
se gefördert.
LEHR-LERN-KULTUR: TEACH LESS, LEARN MORE
Das Bildungssystem von Singapur hat auch international
einen exzellenten Ruf und schneidet regelmäßig sehr gut
in entsprechenden Vergleichstests ab. Teilweise liegt das
auch daran, dass das Bildungssystem von Singapur auch
darauf ausgelegt ist, sehr gut auf die entsprechenden
Tests vorzubereiten. Generell wird ein hoher Wert auf
Tests und die Reproduktion von Inhalten gelegt. Diskursi-
ves Lernen, wie es zum Beispiel in Deutschland Standard
ist, oder der gemeinsame Austausch im Gespräch stehen
in Singapur weit weniger im Vordergrund des Unterrichts-
geschehens.111
Bereits seit 2004 hat Singapur angefangen, die damals
noch vorherrschende Orientierung auf die Vermittlung
von reinen Inhalten und die auf Lehrmaterial wie Text-
bücher zu reduzieren, um die Qualität des Lernprozesses
und des Gelernten stärker in den Blick zu nehmen. Der
ursprünglich stark lehrkraft- und instruktionsorientierte
Unterricht wurde zugunsten von interaktiveren Ansätzen
im Unterricht und mehr Selbststeuerung aufgeweicht. Der
Anteil der zu vermittelnden Unterrichtsinhalte wurde ver-
ringert.112 Die Schülerinnen und Schüler Singapurs sollen
mehr eigenständig lernen und sich selbst organisieren.
110 Vgl. Ministry of Education Singapore 2006, S. 2 ff.111 Vgl. The Conversation 2014112 Unterschiedlichen Quellen zufolge lag die Reduzierung zwischen ca. 10 und 20 Prozent. Genaue Zahlen sind nicht zu recherchieren.113 Vgl. OECD 2011114 http://eresources.nlb.gov.sg/infopedia/articles/SIP_2018-03-21_105159.html
Gleichzeitig bleibt die starke Orientierung auf Prüfungen
und Tests mit dem Ziel bestehen, sowohl Eigenständigkeit
und innovatives Denken als auch Leistungsorientierung
zu fördern.
Lernende sollen sich ihre Lerninhalte eigenständiger
wählen und strukturieren können. Zu diesem Zweck wurde
Schulen auch die Möglichkeit gegeben, weiteres Personal
einzustellen, zum Beispiel für Schulberatung und Lehr-
planung, damit die Lehrkräfte entlastet werden und sich
mehr den Schülerinnen und Schülern und der Unterrichts-
entwicklung als solches widmen können.
Generell ist der Austausch unter Lehrkräften in Singapur
höher als der Austausch unter deutschen Lehrpersonen.
Gute Beispiele, Erfahrungen und Material werden geteilt.
Im Jahr 2010 wurde dafür eigens die Academy of Singa-
pore Teachers gegründet, um den Austausch untereinan-
der und den Community-Aspekt noch zu stärken.113
Finanziert wird das Programm vom Bildungsministerium.
Von anfänglich einigen Pilotschulen wurde das Programm
inzwischen auf mehrere Hundert Schulen ausgeweitet. Die
Evaluationen zeigen, dass das Programm zur Verbesse-
rung des Engagements der Schülerinnen und Schüler bei-
getragen und die Professionalität der Lehrkräfte generell
erhöht hat.114
DER CYBER-WELLNESS-ANSATZ
Eine Besonderheit im Portfolio der Ansätze, die in Singa-
pur genutzt werden, um digitales Lernen zu stärken, ist
eine Initiative zum Thema Cyber Wellness, die an Schulen
in Singapur verankert wurde, um Medienkompetenz zu ver-
mitteln und Cyber Mobbing zu begegnen. Cyber Wellness
basiert auf zwei Prinzipien: dem Respekt für mich und an-
dere und der sicheren und verantwortungsvollen Nutzung
von ICT. Orientiert am Dreiklang Sense – Think – Act soll
der Ansatz Schülerinnen und Schülern dabei helfen, sich
sicher und eigenverantwortlich im Internet zu bewegen.
Dabei arbeiten Schule, Lehrkräfte und Eltern zusammen.
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LEHRKRÄFTEAUS UND -FORTBILDUNG
Alle Lehrkräfte in Singapur werden am National Institute
of Education ausgebildet. Hierbei wird nicht in einer Fä-
cherlogik unterrichtet, wie es an deutschen Hochschulen
üblich ist, sondern ausgehend von der Lehrkraft mit einem
entsprechenden Fokus auf die pädagogischen Anforde-
rungen an den Lehrberuf und einem fächerübergreifenden
Denken.115
Auch die Lehrkräftefortbildung ist in Singapur anders or-
ganisiert als in Deutschland. Lehrkräfte sind hier verpflich-
tet, sich jedes Jahr 100 Stunden fortzubilden. Hier kommen
Kurse am National Institute of Education in Betracht, aber
auch andere Qualifizierungen und der Erwerb weiterer
beruflicher Zertifikate. Die Schulen kümmern sich selbst
darum, entsprechende Fortbildungsbedarfe zu identifizie-
ren. So gibt es an den Schulen in der Regel jemanden, der
sich um die Personalentwicklung bemüht und zum Beispiel
registriert, wenn bestimmte Themen neu dazukommen
und das Lehrpersonal dazu fortgebildet werden muss.
Außerdem hat jede Schule einen Fonds, aus dem Fortbil-
dungen besonderer Art bezahlt werden können. So ist es
Lehrkräften in Singapur etwa möglich, für einige Zeit ins
Ausland zu gehen, um dort von guten Schulen zu lernen und
das Wissen später an der heimischen Schule einzusetzen.
115 Vgl. OECD 2011116 Vgl. ebd., S. 169 f.117 Vgl. National Institute of Education 2018
JÄHRLICHE BEURTEILUNG DER LEISTUNGEN
Lehrkräfte werden jährlich anhand von 16 Kompetenzen in
ihrer Leistung beurteilt. Für besonders gute Leistungen
erhalten sie einen Bonus. Nach drei Jahren in der Schul-
laufbahn beginnt eine jährliche Beurteilung, durch die
analysiert werden soll, welchen von drei Karrierewegen
jemand im Lehrberuf einschlagen sollte. Sie werden als
Master Teacher, Curriculum Specialist und School Leader
bezeichnet. Jeder Pfad beinhaltet weitere Trainings und
regelmäßige spezielle Fortbildungen sowie eigene finanzi-
elle Entwicklungsmöglichkeiten. Generell wird in Singapur
großer Wert auf die Ausbildung der Schulleitungen gelegt,
ausgehend von dem Wissen, dass die Qualität der Schule
generell maßgeblich von der Qualität der Leitung mitbe-
stimmt wird.116
Die Beschäftigung mit der Digitalisierung und die Ver-
mittlung von Wissen über den Einsatz von Technologie im
Unterricht sind dabei standardmäßig in die Lehrkräfte-
ausbildung integriert. Der Umgang mit ICT im pädagogi-
schen Umfeld ist dort ein eigenes Beschäftigungsfeld.117
Besonderer Wert wird in den Programmen auch auf
kollaboratives und mobiles Lernen, den Flipped-Class-
room-Ansatz sowie auf experimentierendes, forschendes
Lernen, das unter dem Stichwort Innovative Pedagogy
CYBERWELLNESS
Students
Curriculum Infusion
Cyber Well Students Ambassador Programme
Stakeholders
Parent Engagement
Social MediaSystem
Inter-Ministry Cyber Wellness Steering Committee
Research Studies
Resource Portal
Teachers
Curriculum Integration
Capacity Building
Abb. 10: Struktur des Cyber-Wellness-Ansatzes
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zusammengefasst und als wichtig für die Vermittlung von
Kompetenzen für das 21. Jahrhundert angesehen wird,
gelegt.118
APPS FÜR ELTERN UND LEHRKRÄFTE
Aktuell entwickelt das Bildungsministerium von Singapur
eine App für Eltern, das sogenannte Parents Gateway.119
Diese App soll Eltern helfen, die Organisationsarbeit rund
um den Schulbesuch ihrer Kinder zu erledigen, etwa um
Schultermine auf einen Blick sehen und in den Kalender
eintragen, den direkten Austausch mit Lehrkräften er-
möglichen, Lernresultate und Anwesenheiten der Kinder
sehen oder Geld für Schulreisen zahlen zu können. Die App
soll auch dann funktionieren, wenn Eltern mehrere Kinder
an verschiedenen Schulen haben und wird damit eine
wesentliche Hilfe zur Organisation des Schulalltags für
Familien sein.
Außerdem arbeitet das Bildungsministerium an einer Mög-
lichkeit, Prüfungsprozesse zu digitalisieren. Prüfungskan-
didaten und -kandidatinnen sollen die Möglichkeit haben,
sich online für zentrale Tests und nationale Prüfungen wie
die GCE anzumelden und die eigenen Testergebnisse auch
online einzusehen. Lehrkräfte sollen zum Beispiel Berichte
hinterlegen und Antwortskripte einsehen können. Auf
diese Weise soll die Einheitlichkeit der Benotung verbes-
sert werden.120
Auch digitale Fortbildungsangebote für Lehrkräfte sind
geplant. So soll eine Plattform entstehen, die profilbasiert
und personalisiert Lernangebote und Informationen zur
Verfügung stellt. Ziel ist es, das mobile Lernen zu stärken
und weniger Präsenztrainings in der Lehrkräftefortbildung
einzusetzen.
VERWALTUNGSAPP FÜR SCHULEN
Darüber hinaus entwickelt das Bildungsministerium der-
zeit eine Verwaltungsapp für Schulen, das School Cockpit
System. Das System bildet jedoch nicht die Bedürfnisse
aller Schulen in Bezug auf die Administration ab, da einige
Schulen hierfür auch kommerzielle Produkte nutzen. Das
Bildungsministerium hat darauf reagiert und einen Teil der
Programmier-Interfaces (APIs) der eigenen Angebote für
Schuladmins und kommerzielle Entwickler zur Verfügung
gestellt, damit Apps kompatibel programmiert werden
118 Ebd.119 https://www.opengovasia.com/ministry-of-education-singapore-developing- public-facing-digital-shopfronts-and-a-school-administration-apps-marketplace 120 Ebd. 121 Vgl. https://codesg.imda.gov.sg/about 122 https://codesg.imda.gov.sg/in-schools/playmaker-overview
können. Am Ende wird es einen sogenannten Marketplace
geben, über den sowohl die Angebote des Bildungsmi-
nisteriums als auch kompatible kommerzielle Angebote
bezogen werden können.
CODING-KENNTNISSE VERMITTELN MIT CODE@SG
Programmieren ist kein eigenes Schulfach in Singapur.
Es wird aber viel Wert daraufgelegt, das sogenannte
Computational Thinking zu vermitteln – auch in der Schule.
Computational Thinking wird als wichtiges Element
betrachtet, um Singapur zur Smart Nation zu machen.
Entsprechend wurde die Initiative Code@SG ins Leben
gerufen, um Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit
zu geben, Grundkenntnisse des Programmierens zu er-
werben und sich mit ganz unterschiedlicher Technologie
auszuprobieren. Genutzt wird hier der Ansatz des Makings.
Schülerinnen und Schüler sollen nicht nur die Technologie
kennenlernen, sondern sich auch praktisch im Computa-
tional Thinking üben, indem sie diese vier Schritte kennen-
lernen und anwenden:
1. Komplexe Probleme erkennen und herunterbrechen
2. Muster erkennen
3. Abstrahieren
4. Algorithmen zur Lösung entwickeln121
Das Programm wird von der Infocomm Media Development
Authority (IMDA), einer Einrichtung der Regierung von
Singapur, durchgeführt. Neben Code@SG gibt es weitere
Programme, die ebenfalls an Schulen eingesetzt werden
und darauf abzielen, Programmierkenntnisse und Kennt-
nisse im Computational Thinking zu vermitteln, jeweils mit
dem Ansatz des Makings und zugeschnitten auf verschie-
dene Schul- und Altersstufen. Die ersten Angebote gibt es
bereits für Kinder im Vorschulalter.122
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4.5 Brasilien
123 Vgl. OECD 2015a, S. 6 ff.124 Vgl. ebd.
Im internationalen Vergleich schneidet das brasilianische
Schulsystem eher schlecht ab. In der PISA-Studie belegt
das Land in seiner Gesamtperformance einen der hinteren
Plätze. Im naturwissenschaftlichen Bereich haben sich die
Leistungen im Dreijahresvergleich verbessert, während
die Leistungen in der Lesekompetenz eher noch zurück-
gegangen sind.123
Brasilien hat seit langem mit einer hohen Rate funktiona-
ler Analphabetinnen und Analphabeten zu kämpfen. Dazu
kommt eine hohe Quote von Schulschwänzenden, die in
den letzten Jahren eher noch angestiegen ist.124 Das bra-
silianische Bildungsministerium unternimmt jedoch große
Anstrengungen, die Leistungsfähigkeit des Bildungssys-
tems durchgängig zu verbessern und hat in den letzten
Jahren bereits eine ganze Reihe von Maßnahmen ins
Leben gerufen, um den Herausforderungen zu begegnen.
Da Brasilien noch ganz am Anfang einer größeren Ent-
wicklung steht, sind die bildungspolitischen Innovations-
maßnahmen eher allgemeiner Art und zielen darauf ab, die
großen generellen Herausforderungen des brasilianischen
Bildungssystems zu meistern. Es finden sich darunter
jedoch auch Ansätze, die ganz gezielt das digitale Lernen
adressieren. Zudem gibt es regionale Initiativen, die auf
Bemühen der Bundesstaaten entstanden sind und speziell
in bestimmten Regionen digitales Lernen fördern, etwa
im Gebiet von São Paulo oder Rio de Janeiro. Auch private
Initiativen haben hier neben den ministerialen Akteuren
einen wichtigen Stellenwert. So wird ein bedeutender Teil
der Bemühungen um digitales Lernen in Brasilien zum Bei-
spiel von der Fundação Lemann und weiteren Stiftungen
initiiert und getragen.
DAS BRASILIANISCHE SCHULSYSTEM
Grundsätzlich kennt Brasilien öffentliche und private
Schulen. Während öffentliche Schulen staatlich finanziert
sind, werden die privaten Schulen durch private Institu-
tionen eingerichtet und finanziert. Öffentliche Schulen
sind in der Regel kostenfrei zu besuchen. Private Schulen
fordern ein Schulgeld, werden aber auch in der Qualität
des Unterrichts als deutlich besser wahrgenommen. Hier
liegt der Schwerpunkt der Betrachtung auf den öffentlich
getragenen Schulen.
Die brasilianische Schulpflicht beginnt im Alter von sieben
Jahren mit der Grundschule. Angebote der frühkind-
lichen Bildung sind bereits ab dem Alter von einem Jahr
verfügbar, der Besuch ist jedoch nicht verpflichtend. Die
Grundschule ist in zwei Stufen unterteilt. Die erste Stufe
wird im Alter von sieben bis elf Jahren besucht. Üblicher-
weise werden in diesen ersten fünf Jahren alle Fächer
von einer Lehrperson unterrichtet. Die Kinder verbleiben
durchgehend in einem Klassenverband. Das Erlernen einer
Fremdsprache ist bereits hier möglich – zur Wahl stehen
Englisch und Spanisch. Die zweite Stufe der Grundschule
wird im Alter von zwölf bis 14 Jahren besucht. Die Kinder
werden dann bei verschiedenen Lehrpersonen unterrich-
tet und das Erlernen mindestens einer Fremdsprache wird
verpflichtend.
In der Grundschule werden häufig verschiedene Alters-
klassen zusammen unterrichtet, zum Beispiel, weil
Schülerinnen und Schüler das obligatorische Schuljah-
resexamen nicht bestehen und entsprechend das Jahr
wiederholen müssen. Die Altersspanne in den Klassen
variiert also häufig.
Ab dem Alter von 15 Jahren wird die Sekundarschule
besucht. Der Abschluss wird dort in der Regel im Alter
von 18 Jahren erworben. Der Fächerkanon erweitert sich
in der Sekundarschule um Fächer wie Philosophie oder
Soziologie und soll auf den Besuch einer öffentlichen
Universität vorbereiten. Häufig gibt es zusätzlich spe-
zielle Kurse, die auf den Besuch der Universität generell
vorbereiten sollen, also Wissen darüber vermitteln, wie
die Universität funktioniert und wie dort gelernt wird.
Die Schulpflicht endet im Alter von 17 Jahren, sodass der
Besuch der Sekundarschule ab dann freiwillig erfolgt. Wer
ohne den Abschluss der Sekundarschule abgeht, hat die
Möglichkeit, zwei Jahre lang eine Höhere Berufsschule zu
besuchen. Dieser Schulzweig zielt auf eine beruflich-tech-
nische Laufbahn ab, ermöglicht aber im Anschluss auch
den Erwerb eines universitären Abschlusses.
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Eine Besonderheit des brasilianischen Schulsystems ist
die Einteilung in sogenannte Schichten. Es gibt in der Re-
gel drei Schichten pro Schultag. Die erste Schicht beginnt
um 7:00 Uhr morgens und endet um 12:00 Uhr, die zweite
Schicht reicht von 12:00 Uhr bis 17:00 Uhr und die dritte
Schicht von 17:00 Uhr bis 22:00 Uhr. Die Schülerinnen und
Schüler müssen nur eine Schicht pro Tag besuchen. Die
meisten Schulen bieten zwei Schichten, viele aber auch
alle drei Schichten pro Tag an, da die Schulen in der Regel
stark überbelegt sind. Auf diese Weise wird das System
entzerrt.125
Abb. 11: Das brasilianische Schulsystem
Brasilien gibt etwa 6 Prozent seines BIPs für Bildung aus,126
geplant sind 10 Prozent bis 2024.127Die Ausgaben sind
in den letzten Jahren deutlich angehoben worden und
liegen inzwischen sogar deutlich über dem OECD-Durch-
schnitt. Das Land bemüht sich also um eine deutliche
Verbesserung des Bildungssystems. Bis dato wird davon
125 https://www.cfr.org/blog/public-education-brazil 126 Vgl. OECD 2015b127 Vgl. OECD 2015b, S. 14128 Vgl. ebd.129 Vgl. ebd.130 http://pne.mec.gov.br/18-planos-subnacionais-de-educacao/543-plano-nacional-de-educacao-lei-n-13-005-2014 131 Vgl. INEP 2014, S. 21 ff.
ein Großteil allerdings für die universitäre Bildung ver-
wendet. Im Verhältnis wird 3,5 Mal so viel Geld für einen
Studierenden bzw. eine Studierende investiert wie für ein
Schulkind.128
Ein drängendes Problem in Brasilien ist der Lehrkräfte-
mangel. Auch hier bemüht sich Brasilien zwar um Abhilfe,
bis die Maßnahmen jedoch wirken können, wird es noch
einige Zeit dauern. Die Schulpflicht wurde erst 2009 auf
das Alter von 17 Jahren angehoben, vorher endete sie im
Alter von 14 Jahren. Brasilien hat eigene Programme ins
Leben gerufen, um gerade ärmeren Familien und Familien
im ländlichen Raum bessere Bildungsmöglichkeiten eröff-
nen zu können. Wir haben es also mit einem Land zu tun,
das sein Schulsystem insgesamt langfristig neu aufstellen
möchte und dabei gleichzeitig möglichst kurzfristig Ver-
besserungen erzielen muss.
Brasilien hat etwa 141.000 Grundschulen und Sekundar-
schulen. Die Zuständigkeit für diese Schulen und für
die Bildung generell ist in Brasilien ausdifferenziert. So
besteht eine Gesamtverantwortung auf Seiten des bra-
silianischen Bildungsministeriums, das die großen strate-
gischen Linien und Rahmen vorgibt. Allerdings haben auch
alle Bundesstaaten eigene Bildungsministerien und eigene
Ansätze, Förderstrecken und Strategien, die sie auf Ebene
der Bundesstaaten unter Wahrung der Gesamtvorgaben
umsetzen.129
PLANO NACIONAL DE EDUCAÇÃO (PNE)
Auf bildungspolitischer Ebene hat Brasilien deshalb 2014
einen nationalen Bildungsplan, den Plano Nacional de
Educação (PNE), entwickelt und in Kraft gesetzt. Mit einer
Laufzeit von zehn Jahren bis einschließlich 2024 ist der
Bildungsplan das strategische Schlüsselinstrumentarium
für die Weiterentwicklung des brasilianischen Bildungs-
systems. 130 Der Bildungsplan definiert insgesamt 20
Ziele für den Bildungssektor, die zwischen 2015 und 2024
erreicht werden sollen.131 Die Ziele gelten für das gesamte
Staatsgebiet und setzen zum Beispiel dabei an, bis 2024
mindestens 95 Prozent der Kinder zu einem Schulab-
schluss zu bringen (Ziel 2) oder die Qualität der Bildungs-
angebote grundsätzlich zu verbessern (Ziel 7).
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Alter
Kindergarten(ab 1 Jahr)
Sekundarschule(15 bis 18 Jahre)
23
Grundschule 1. Stufe(7 bis 11 Jahre)
Höhere Berufsschule
Grundschule 2. Stufe(12 bis 14 Jahre)
Schu
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Universität
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Ein eigenes Ziel zum vermehrten Einsatz digitaler Mittel im
Unterricht oder zur Verbesserung von Schulorganisation
und Schulqualität findet sich hier nicht. Auf die generelle
Nutzung von neuen Technologien im Bildungsgeschehen
wird in verschiedenen Zielen immer wieder verwiesen,
ohne dabei jedoch konkrete Maßnahmen abzuleiten oder
vorzustellen.
PROGRAMA NACIONAL DE TECNOLOGIA
EDUCACIONAL (PROINFO)
ProInfo ist ein Programm zur Förderung des pädagogi-
schen Einsatzes von Informatik im öffentlichen Schul-
sektor, das vom brasilianischen Bildungsministerium ins
Leben gerufen wurde.132 Das Programm will den Einsatz
von Computern und digitalen Lernressourcen in der Schu-
le fördern und wird auf nationaler Ebene durchgeführt. Im
Gegenzug müssen die Bundesstaaten und die Kommunen
die geeignete Infrastruktur sicherstellen und Lehrkräfte
für den Einsatz von Technologien ausbilden.
Finanziert wird das Programm über den Fundo Nacional
de Desenvolvimento da Educação (FNDE). Um teilnehmen
zu können, müssen sich die Bürgermeister und Bürger-
meisterinnen der Kommunen für das Programm bei
offizieller Stelle registrieren lassen und dann die Schulen
vorschlagen, die sie ausgestattet wissen möchten. Zur
Ausstattung gehören entsprechende Computerlabore, die
dann bei den jeweiligen Schulen, die ausgewählt wurden,
eingerichtet werden. Ob und wie eine Schule ausgewählt
wird, hängt von ihrer Lage (ländlich vs. städtisch) und ihrer
bereits existierenden Computerausstattung ab.133
Der Erfolg des Programms, das bereits seit 2007 läuft, ist
umstritten. So wird zum Beispiel kritisiert, dass zu wenig
Geld in den Aufbau der Infrastruktur investiert wurde
und der Einsatz der Geräte in Bezug auf den Unterricht
zu wenig überwacht wurde. Ebenso fehlen eine weitere
Evaluation des Programms sowie Forschung zu den be-
treffenden Themen.134
132 http://portal.mec.gov.br/proinfo 133 https://www.fnde.gov.br/index.php/programas/proinfo/perguntas-frequentes 134 Vgl. Revista Brasileira de Estudos Pedagógicos 2015135 Das genaue Stiftungsvermögen und die Höhe der zur Verfügung stehenden Mittel waren nicht zu recherchieren.136 Vgl. World Economic Forum 2015137 https://www.fundacaolemann.org.br/public/projetos/formar 138 https://www.fundacaolemann.org.br/public/projetos/talentos-da-educacao
ÜBERSETZUNG VON LERNVIDEOS
Die brasilianische Stiftung Lemann hat ein breites Port-
folio an Projekten ins Leben gerufen, das generell auf die
Verbesserung der Bildungsqualität des brasilianischen
Bildungssystems abzielt. Sie ist eine private Familienstif-
tung, die 2002 vom Geschäftsmann Jorge Paulo Lemann
mit dem Ziel gegründet wurde, den Kindern von Brasilien
bessere Entwicklungschancen durch bessere Bildung zu
ermöglichen.135
Bereits 2015 wurde eine Kooperation mit der US-amerika-
nischen Lernplattform Khan Academy ins Leben gerufen
und die Übersetzung von Lernvideos ins Portugiesische
organisiert sowie die Nutzung der Plattform selbst in
brasilianischen Schulen befördert. Diese Videos stehen
nun 70.000 Schülerinnen und Schülern in Brasilien zur Ver-
fügung und werden an einigen Hundert Schulen genutzt.
Darüber hinaus nutzen ca. 850.000 Schülerinnen und
Schüler die Videos außerhalb der Schule zum Lernen.136
Das Ziel war, Lehrkräften eine gute Möglichkeit an die
Hand zu geben, ihren Unterricht mit digitalen Medien anzu-
reichern und generell zu verbessern, um etwa schneller zu
erkennen, wann und wo Schülerinnen und Schüler Schwie-
rigkeiten mit dem Lernstoff haben.
TALENTS OF EDUCATION
Zusätzlich organisiert die Stiftung Lemann den brasi-
lienweiten Austausch zwischen Bildungsnetzwerken,
Ministerien und Schulen, um Erfahrungen auszutauschen
und Ideen zur Verbesserung des Bildungswesens zu ent-
wickeln.137 Die Netzwerke, die hier entstehen, sind auf die
Dauer von mehreren Jahren des regelmäßigen Austauschs
hin angelegt und bieten auch Fortbildungsmöglichkeiten,
zum Beispiel für Schulleitungen.
Ein spezielles Netzwerk, das die Stiftung zusätzlich ins
Leben gerufen hat, ist das Rede Talentos da Educação.138
Es ist speziell darauf ausgelegt, Menschen, die bereits
im Bildungssektor beschäftigt sind, in den Austausch
zu bringen und sie in ihrer beruflichen Entwicklung zu
fördern. Es bietet den Beteiligten Seminare, Konferenzen,
Fortbildungsmöglichkeiten und Austausch – immer auch
mit dem Ziel, Ideen für eine bessere Bildung in Brasilien zu
entwickeln und deren Umsetzung voranzutreiben.
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Der Zugang erfolgt über eine Bewerbung. Der Fokus liegt
bei beiden Ansätzen nicht konkret auf der Nutzung und
Verbreitung von digitalen Medien im Unterricht, sondern
zielt darauf ab, das Bildungssystem generell zu verbes-
sern.
EDUCOPÉDIA – DIE LERNPLATTFORM DES BUNDESSTAATES
RIO DE JANEIRO
Educopédia139 ist eine digitale Lernplattform, auf der
Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte im Bundesstaat Rio
de Janeiro gemeinsam arbeiten können. Die Plattform
bietet Unterrichtspläne und Präsentationen für Lehrkräf-
te, die diese für den Unterricht nutzen können. Orientiert
ist das Angebot an den Lehrplänen des Bundesstaates. Die
Richtlinien für das Curriculum wurden in 32 dazu passende
Einheiten unterteilt, sodass die Lehrkräfte Inhalte bereits
vorbereitet und passend zum Curriculum für jede Klas-
senstufe für jede Woche des Schuljahres vorfinden. Das
Material ist auf die Schuljahresprüfungen hin zugeschnit-
ten und besteht sowohl aus Videos als auch aus Texten,
Bildern, Podcasts, Spielen, Quizzen und dergleichen.
DIGITAL SCHOOL OFFICE SÃO PAULO
Das Bildungsministerium des Bundesstaates São Paulo
hat ein eigenes digitales School Office ins Leben gerufen.
Das Angebot richtet sich an Schulen im Gebiet von São
Paulo und bietet diesen nicht nur Tools für die Verwaltung
und Unterstützung der Schulorganisation, sondern auch
ein eigenes Bildungsportal, auf dem Lehrkräfte Bildungs-
materialien herunterladen können.140
Auf der Website selbst können Schülerinnen und Schüler
eigene Notizen hinterlegen und E-Mails abrufen oder in den
Schulkalender schauen. Lehrkräfte haben zusätzlich die
Möglichkeit, das Klassenbuch einzusehen. Eltern können
über die Seite die Noten ihrer Kinder einsehen und Infor-
mationen zu Schulveranstaltungen abrufen. Zeugnisse und
die eigene Schulhistorie lassen sich hier ebenfalls abrufen.
139 http://www.educopedia.com.br 140 http://www.intranet.educacao.sp.gov.br 141 https://play.google.com/store/apps/details?id=br.gov.sp.educacao.minhaescola&hl=pt_BR 142 https://www.aprendizageminterativa.seduc.mt.gov.br
Die eigene App Minha Escola richtet sich an Eltern und
Schülerinnen und Schüler und soll das Engagement der
Familien für die Schule verbessern.141 Die App bietet zum
Beispiel Kontaktinformationen der Schule, Infos zu Spei-
seplänen oder auch einen Schulnewsletter.
ESCOLA DIGITAL
Escola Digital ist ein digitales Angebot, das von einer Ko-
operation mehrerer brasilianischer Stiftungen ins Leben
gerufen wurde. Das Portal bietet die Möglichkeit, sich in
Bezug auf digitales Lernen in der Schule weiterzubilden.
Es gibt umfängliche Online-Kurse zu verschiedensten
Fragestellungen im Hinblick auf die Nutzung von digitalen
Medien im Unterricht, auch in Bezug auf Erstellung und
Einsatz eigener digitaler Lernmedien. Die Kurse werden
von unterschiedlichen Anbietern gestellt und auf der
Plattform durchgeführt.
Zusätzlich gibt es Handreichungen und Empfehlungen
für die Gestaltung des Unterrichts mit digitalen Medien,
ebenso wie ganze Unterrichtsentwürfe inklusive der Ma-
terialien, die auch nach Fächern geordnet gesucht werden
können.142 Auch Sammlungen mit Informationen zu nütz-
lichen Tools und Programmen, wahlweise für den direkten
Einsatz im Unterricht oder zur Vorbereitung und Erstellung
von Material, sind zu finden.
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5. LÄNDERÜBERGREIFENDER VERGLEICH UND EINORDNUNG DER RECHERCHEERGEBNISSE
Die Darstellungen der Bildungssysteme der einzelnen
Länder, ihres Stands in Bezug auf digitales Lernen und der
daraus abgeleiteten Handlungsansätze auf bildungspoli-
tischer Ebene offenbaren, wie komplex sich nicht nur das
Feld an sich darstellt, sondern wie schwierig ein Vergleich
der länderspezifischen Befunde ist.
Da die Systeme ebenso unterschiedlich sind wie die Aus-
gangslagen und Zielstellungen in den jeweiligen Ländern,
ist ein direkter Vergleich weder möglich noch sinnvoll.
Zielführender erscheint es, die Maßnahmen, die jedes
Land ergriffen hat, in das eingangs vorgestellte Indikato-
renmodell einzuordnen und zu analysieren – vor allem mit
Blick auf die Übertragbarkeit der Ansätze auf das deut-
sche Bildungssystem.
Da überdies viele Initiativen in den Ländern auch indirekt
das Thema digitales Lernen bearbeiten, jedoch nicht unter
diesem Titel firmieren und daher hier unberücksichtigt
blieben, kann diese Aufstellung nicht erschöpfend sein,
sondern nur einen grobes Bild von der grundsätzlichen
Herangehensweise an das Thema digitale Bildung in den
jeweiligen Ländern vermitteln.
In den Länderdossiers selbst ist bereits deutlich gewor-
den, dass sich viele Maßnahmen nicht einem einzelnen
Indikator zuordnen lassen, sondern häufig auf mehrere
Dimensionen einzahlen. Aus Gründen der Übersichtlich-
keit wurden die einzelnen Maßnahmen dennoch einem
Indikator zugeordnet, der als hauptsächlich prägend für
das jeweilige Vorgehen betrachtet wurde.
KERNELEMENTE DER STRATEGIEN
So unterschiedlich alle fünf hier näher beleuchteten
Länder sind, so unterschiedlich sind auch ihre Strategien.
Und dennoch finden sich überall bestimmte Elemente
wieder. So gibt es in allen fünf Ländern Kernstrategien,
die für den Umgang mit dem digitalen Wandel im Schul-
sektor entwickelt wurden und damit einen wichtigen
Beitrag für die Politikentwicklung in diesem Bereich
leisten.
Ein Großteil der weiteren Maßnahmen und Ansätze lässt
sich primär im Bereich der Schul- und Unterrichtsent-
wicklung ansiedeln. Das Spektrum an möglichen Maß-
nahmen ist breit, aber auch hier gibt es auf methodischer
Ebene Parallelen in der Wahl der Mittel. So finden sich zum
Beispiel immer wieder Wettbewerbe zu verschiedenen
Themen, Self-Assessment-Ansätze, Ansätze, die auf die
Entwicklung von Kompetenz- und Qualitätsstandards ab-
zielen, sowie Angebote zum Kompetenzerwerb.
Eine Besonderheit bilden die ICT-Koordinierenden, die in
Tschechien eingesetzt werden, da sie eine neue Personal-
kategorie als Schnittstelle zwischen IT und Pädagogik
darstellen. Ähnliches gilt auch für den Ansatz, Metadaten
von digitalen Lernmedien stärker in den Blick zu nehmen,
um auf diese Weise eine bessere Strukturierung der An-
gebotslandschaft vornehmen zu können.
NETZWERKENTWICKLUNG ALS QUERSCHNITTSTHEMA
Auffällig erscheint hier auf den ersten Blick, dass das The-
ma Netzwerkentwicklung, dem in Deutschland zu Recht
eine hohe Bedeutung beigemessen wird, in den hier vor-
gestellten Ansätzen weit weniger präsent ist als erwartet.
Zwar finden sich in allen Ländern Ansätze, die auch das
Thema Netzwerkentwicklung in den Blick nehmen, jedoch
gibt es nur wenige Aktivitäten, die primär auf die Netz-
werkentwicklung abzielen.
Das lässt zwei Interpretationsrichtungen zu. Grundsätz-
lich wäre es denkbar, dass die Netzwerkentwicklung als
bildungspolitischer Hebel in den hier vorgestellten Län-
dern nicht strategisch und zielgerichtet betrieben wird.
Naheliegender ist jedoch die Annahme, dass Netzwerkent-
wicklung weniger als primäres Ziel denn als Nebeneffekt
begriffen wird, der sich durch verschiedene Maßnahmen
und Ansätze automatisch einstellt.
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Auf einer höheren Abstraktionsebene lässt sich sagen,
dass die Arbeit in Teams, der Austausch und das vernetzte
Arbeiten an sich in vielen Ländern bereits weit mehr Alltag
der Lehrkräfte ist, als das in Deutschland bisher gilt. Viele
Länder bilden ihre Lehrkräfte bereits stärker team- und
austauschorientiert aus. Auch dies spricht dafür, dass
das Thema Netzwerkentwicklung sich weniger in den
Maßnahmen wiederfindet, als aus deutscher Perspektive
zu erwarten gewesen wäre. Es beweist einmal mehr, wie
wichtig die vernetzte Arbeit auch im Schulalltag ist, und
unterstreicht vielmehr die Bedeutung der Netzwerkent-
wicklung für den deutschen Raum.
In den nachfolgenden Überblicksgrafiken zu den Stra-
tegien und Handlungsansätzen der Länder wird jeweils
aufgezeigt, welchem Indikator sich eine Maßnahme primär
zuordnen lässt. Zusätzlich wird durch eine grafische
Verbindung markiert, in welchen Fällen die Netzwerkent-
wicklung entweder originär mitintendiert war oder als
Sekundäreffekt zustande kommt.
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ESTLAND SETZT AUF EIN GESAMTKONZEPT DER SCHUL- UND
UNTERRICHTSENTWICKLUNG
Betrachtet man die Initiativen und Anstrengungen, die
Estland unternimmt, um digitales Lernen umzusetzen, so
sind zwei Stoßrichtungen offenkundig: Im Vordergrund
steht eine segmentspezifische Strategie für die (digitale)
Bildungspolitik, die mit der Gesamtstrategie zur weiteren
Entwicklung Estlands zu einer digitalen Gesellschaft aufs
engste korrespondiert. Das heißt, alle Maßnahmen auf
der konkreten bildungspolitischen Ebene sind aus dieser
übergreifenden Strategie abgeleitet.
Neben diesen klaren strategischen Zielstellungen dürfte
aber auch die estnische Grundhaltung zur Digitalisierung
in weiten Teilen der Bevölkerung von hoher Bedeutung
für den Erfolg dieser Maßnahmen sein. Das kleine Land,
dessen Bildungspolitik zentralistischer organisiert ist als
hierzulande, hat deutlich früher damit begonnen, sich mit
digitalen Medien zu befassen als Deutschland und ist in-
zwischen an entscheidenden Punkten wie der technischen
Infrastruktur an Schulen und dem technischen Support
deutlich weiter.
Die Ansätze zur Entwicklung des estnischen Bildungs-
systems auf digitaler Ebene zielen vor allem auf die
Unterrichts- und Schulentwicklung und fokussieren sehr
konkrete, abgegrenzte Themen wie die IT-Ausstattung für
Lehrkräfte oder das Self-Assessment-Tool Digipeegel. Dies
wird ergänzt durch praktische Angebote auf der Ebene der
Unterrichtsentwicklung, wie zum Beispiel die Datenbank
ehis, die e-Schoolbag oder auch der Ansatz, einheitliche
Metadaten für digitale Lernmedien zu entwickeln.
Estland hat also nicht nur strategische Leitplanken
gesetzt, sondern dafür auch entsprechende konkrete und
praxisrelevante Maßnahmen ins Leben gerufen.
Politik-entwicklung
Netzwerk-entwicklung
Schul-entwicklung
Unterrichts-entwicklung
StiftungLernen
Kompetenz-standards
IT-Ausstattung
für LehrkräfteDigipeegel
DigitalesLernmaterial
Metadaten OPIQehis
Strategiedigitale
Revolution
Lehrkräfte
Lehrberufattraktiver
machen
Curriculums-entwicklung
e-Schoolbag
e-Schoolbag
Abb. 12: Indikatorenbasierter Überblick über Kernpunkte des estnischen Vorgehens
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spanien
SPANIEN SETZT AUF GESETZE UND REFERENZRAHMEN
Im Gegensatz zu Estland setzt Spanien auf ein allgemeines
Gesetz zur Verbesserung der Bildungsqualität, das auch
digitales Lernen beinhaltet. Eine spezifische Strategie zur
Entwicklung digitalen Lernens gibt es hier derzeit noch
nicht, wenngleich dies angestrebt wird. Dazu kommen
Ansätze im Hinblick auf Schulzertifizierungen und der
Referenzrahmen für digitale Kompetenzen. Einzelne
Maßnahmen, etwa zum digitalen Kompetenzaufbau bei
Lehrkräften, wurden im Rahmen konkreter Projekte, zum
Beispiel in Form von Toolkits, umgesetzt. Obwohl einzelne
Maßnahmen durchaus ihre Wirksamkeit erzielen dürften,
stehen diese Initiativen und Projekte bisher jedoch noch
recht unverbunden nebeneinander.
Im Vergleich zu Estland steht Spanien in Bezug auf das
digitale Lernen noch an einem früheren Punkt und disku-
tiert zum Beispiel noch immer über die Infrastrukturaus-
stattung von Schulen. Zu würdigen sind jedoch einzelne,
bereits angestoßene konkrete Programme zur Entwick-
lung digitaler Lernmaterialien und zur Verbesserung der
Schul- und Unterrichtsqualität.
INTEF
Escuela 2.0
Toolkit digitale
Kompetenz
Gesetz zurBildungs-
qualität
Zerti�zierungs-programm
Referenz-rahmen digitale
Kompetenz
Aula delfuturo
Politik-entwicklung
Netzwerk-entwicklung
Schul-entwicklung
Unterrichts-entwicklung
Abb. 13: Indikatorenbasierter Überblick über Kernpunkte des spanischen Vorgehens
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tschechien
TSCHECHIEN LEGT DEN FOKUS AUF DIE SCHULENTWICKLUNG
Auch Tschechien hat mit seiner Digital Education Strategy
einen expliziten bildungspolitischen Rahmen für die
weitere Entwicklung des digitalen Lernens auf nationaler
Ebene geschaffen. In der Ausgestaltung dieser strategi-
schen Zielstellung zur Stärkung und Entwicklung des
digitalen Lernens setzt Tschechien vorrangig auf Maßnah-
men im Bereich der Schulentwicklung.
Darunter finden sich vielfältige Ansätze, die auch auf sehr
unterschiedliche Fragestellungen fokussieren. So steht
sowohl die Entwicklung der Infrastruktur als auch eine
Veränderung des Lehr-Lern-Geschehens im Mittelpunkt.
Interessant ist hier vor allem das Vorgehen, eine gemein-
same Schulverwaltungssoftware einzuführen, die von
allen Schulen genutzt wird und somit Einheitlichkeit und
Effizienz ermöglicht. Auch der Ansatz, ICT-Koordinierende
einzusetzen, ist bemerkenswert, wenngleich hier in der
konkreten Umsetzung durchaus größere Unterschiede
an den Schulen bestehen, etwa was das Stundenkontin-
gent betrifft. Hier bleibt abzuwarten, wie Tschechien mit
dieser Unterschiedlichkeit umgehen wird. Hervorzuheben
sind ebenso die Ansätze der School Labs und der Maker
Spaces, die ein projektorientiertes und fächerübergrei-
fendes Arbeiten ermöglichen.
Wenn man bedenkt, dass Tschechien noch vor wenigen
Jahren in Sachen Digitalisierung generell erheblichen
Nachholbedarf hatte, dann können die ergriffenen Maß-
nahmen als ambitioniert gelten. Sie belegen, dass Tsche-
chien sich der Bedeutung des Themas digitales Lernen
bewusst ist und vermehrt Anstrengungen unternimmt, um
hier aufzuholen – und das innerhalb kurzer Zeit auch schon
in beachtlicher Weise geschafft hat.
Politik-entwicklung
Netzwerk-entwicklung
Schul-entwicklung
Unterrichts-entwicklung
DigitalEducationStrategy
WettbewerbDOMINO
Qualitäts-kriterien fürLernmedien
School LabsSchul-
verwaltungs-software
Skola 21 MENTEPICT-
Koordinierende
Net-r@il
Abb. 14: Indikatorenbasierter Überblick über Kernpunkte des tschechischen Vorgehens
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singapur
SINGAPUR SETZT NEUE MASSSTÄBE IN SACHEN
DIGITALES LERNEN
Singapur ist ein Land, das konsequent auf die Digitalisie-
rung setzt und bereits vor über 20 Jahren mit der Ent-
wicklung des digitalen Lernens begonnen hat. Kernstück
waren und sind noch immer die ICT-Masterpläne, die jeweils
für mehrere Jahre in Kraft sind und dann für die nächsten
Entwicklungsstufen aktualisiert werden. Diese Masterpläne
sind auch deswegen bemerkenswert, weil sie nicht nur den
Entwicklungsprozess Singapurs in Sachen digitales Lernen
dokumentieren, sondern auch als Blaupause für eigene
Aktivitäten dienen können – vorausgesetzt, sie werden an
die eigene Situation angepasst.
Bedingt durch die frühe Entscheidung, digitales Lernen
zielgerichtet einzuführen und zu nutzen, hat Singapur
bereits jetzt einen Entwicklungsstand erreicht, der vielen
Ländern deutlich überlegen sein dürfte. Bemerkenswert
ist, dass Singapur dabei sowohl auf politische Weichen-
stellungen als auch auf die konkrete und praktische
Unterrichts- und Schulentwicklung setzt. Dabei existieren
neben den ICT-Masterplänen mehrere Schlüsselansätze,
die hier ineinandergreifen, wie etwa das übergeordnete
politische Ziel, Singapur zur Smart Nation zu entwickeln.
Hier zeigt sich – wie auch in Estland – eine grundsätzlich
positive und offene Haltung dem Thema Digitalisierung
gegenüber. Beide Länder können als Early Adopter in
Sachen digitale Bildung gelten.
Dazu kommt die Debatte um die 21st Century Competen-
cies, die in Singapur sehr lebhaft geführt wird und in der
insbesondere kreative Kompetenzen, kritisches Denken
und die Fähigkeit zur Selbststeuerung und Selbstreflek-
tion betont werden. Indem es nicht nur Einzelmaßnahmen
umfasst, sondern konsequent auch von der Metaebene her
gedacht ist, unterscheidet sich das Modell von Singapur
deutlich von den Aktivitäten anderer Länder.
Betrachtet man die verschiedenen politischen Ansätze, so
entsteht insgesamt das Bild einer Nation, die konsequent
digital sein will und durch verschiedene, sinnvoll miteinan-
der verzahnte Aktivitäten in die (ganzheitliche) Entwick-
lung der Menschen investiert.
Auf der Ebene der Unterrichtsentwicklung setzt Singapur
auf ein eigenes Schulfach, das sich sehr umfassend mit
Computational Thinking befasst und entsprechend offen
ist für alle relevanten Fragestellungen und Themen rund
um digitale Technologien.
Auch der Ansatz der Cyber Wellness ist bemerkenswert,
da hier nicht nur Medienkompetenz vermittelt werden soll,
sondern das Modell auch Lehrkräfte und Eltern mit ein-
bezieht und hier auf allen Ebenen und bei allen Zielgruppen
den medienkompetenten Umgang schult, befördert und
gleichzeitig ein gutes Management etwaiger Probleme wie
Cybermobbing im Schulalltag ermöglicht.
Digitales Lernen ist überdies bereits fester Bestandteil
der Lehrkräftesausbildung und auch in den verpflichten-
den Lehrkräftefortbildungen verankert. Auch die Idee,
die Schulsoftware-Infrastruktur zu vereinheitlichen und
per App eine Schnittstelle für Eltern zu ermöglichen, kann
durchaus als vorbildlich bezeichnet werden.
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Politik-entwicklung
Netzwerk-entwicklung
Schul-entwicklung
Unterrichts-entwicklung
SmartNation
ICT-Masterpläne
21st CenturyCompetencies
DigitaleHaltung
CyberWellness
CyberWellness
Lehrkräfte-aus &
-fortbildung
Design & Technology
Paradigma:Teach less,learn more
Apps Lehrkräfte/
Eltern
Apps Lehrkräfte/
Eltern
Code@SG
Code@SG
Abb. 15: Indikatorenbasierter Überblick über Kernpunkte des Vorgehens von Singapur
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brasilien
BRASILIEN SETZT AUF GROSS ANGELEGTE PROGRAMME MIT
INTEGRIERTEN DIGITALEN ELEMENTEN
Brasilien hat mit massiven Problemen im Bildungssektor
zu kämpfen, entsprechend steht hier die Verbesserung
des Bildungssystems insgesamt im Vordergrund. Digitales
Lernen kann hierbei unterstützen, genießt jedoch bei den
brasilianischen Zielsetzungen zumeist nicht die oberste
Priorität. Mit dem Plano Nacional de Educação hat Brasilien
eine wichtige bildungspolitische Strategie entwickelt, die
derzeit umgesetzt wird und bereits erste Erfolge hervorge-
bracht hat. Eine Gesamtstrategie zur Entwicklung digitalen
Lernens fehlt jedoch noch, sodass die Initiativen, die es
gibt, bisher eher unverbunden nebeneinanderstehen.
Auch private Akteure wie die Fundação Lemann und
weitere Stiftungen spielen in Brasilien eine größere Rolle
als anderswo. Die Zivilgesellschaft hat hier also wichtige
Funktionen bei der Umsetzung digitalen Lernens über-
nommen – ein Modell, das auch in Deutschland existiert.
Die Maßnahmen Brasiliens verteilen sich grundsätzlich
auf alle vier Ebenen des Indikatorenmodells. Gerade die
Ansätze zur Unterrichtsentwicklung und zur Schulent-
wicklung verdienen Beachtung, wenngleich sie nur regio-
nal umgesetzt werden. Mit dem Digital School Office und
der Escola Digital sind zwei Instrumentarien geschaffen
worden, die den Einsatz digitaler Medien in den Schulen
und gleichzeitig die Schulverwaltung erleichtern können.
Inwiefern sich diese Ansätze durchsetzen, wird maß-
geblich von Programmen wie ProInfo abhängen, das auf
der Ebene der Politikentwicklung eine bedeutende Rolle
spielt, da es bedarfsorientiert Schulen mit Infrastruktur
ausstattet – ein Thema, das mit dem Digitalpakt Schule in
Deutschland ebenfalls adressiert wurde.
Auf den ersten Blick bildet Brasilien in der Länderauswahl
einen Sonderfall, da sich im Verhältnis weniger explizit auf
das digitale Lernen ausgerichtete Elemente finden als bei
den übrigen Ländern. Allerdings muss hier berücksichtigt
werden, dass Brasilien eine noch viel größere Herausfor-
derung zu stemmen hat, nämlich den generellen Auf- und
Ausbau des eigenen Schulsystems. Hier hat Brasilien mit
mehreren großen Strategiepapieren eine wichtige Grundla-
ge geschaffen – keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt,
dass Brasiliens Bundesstaaten eine hohe Autonomie ge-
nießen.
Für die deutsche Situation lässt sich hier vor allem von der
Entscheidung für gemeinsame strategische Entwicklun-
gen und die diskursive Gestaltung und Aushandlung der
Inhalte und Vorgehensweisen lernen.
Politik-entwicklung
Netzwerk-entwicklung
Schul-entwicklung
Unterrichts-entwicklung
PlanoNacional deEducação
ProInfo
Talents ofEducation
DigitalSchool O�ce
EducopédiaEscolaDigital
Übersetzungvon
Lernvideos
Abb. 16: Indikatorenbasierter Überblick über Kernpunkte des brasilianischen Vorgehens
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der vergleich zeigt die bedeutung von gezielter schul- und unterrichtsentwicklung
Alle fünf Länder setzen umfänglich bei der Schul- und
Unterrichtsentwicklung an. Schaut man vor allem auf
Estland und Singapur als Vorzeigestaaten in Sachen
digitales Lernen, dann wird deutlich, wie wichtig neben
einer positiven Haltung zum Thema und einer gezielten
und kohärenten Umsetzungsstrategie die herunterge-
brochenen Einzelmaßnahmen auf Ebene der Schul- und
Unterrichtsentwicklung sind. Auch in Tschechien ist dies
zu erkennen.
Daraus lässt sich ableiten, dass der Schul- und Unter-
richtsentwicklung als solcher bei der Umsetzung digitalen
Lernens eine hohe Bedeutung zukommt. Entsprechend
erscheint es sinnvoll, die Maßnahmen der Schul- und
Unterrichtsentwicklung in Deutschland in diesem Bereich
zu stärken, weiter auszubauen und generell als Katalysa-
tor für schulische Entwicklung zu fassen.
Nachfolgend werden aus den hier vorgestellten Maß-
nahmen, die in den fünf ausgewählten Ländern ergriffen
werden, diejenigen vorgestellt, die vielversprechend
erscheinen und sich auf die deutsche Situation gut über-
tragen lassen.
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6. ABLEITUNG VON HANDLUNGSEMPFEHLUNGEN FÜR DEUTSCHLAND
143 Die Ansätze wurden den Indikatoren zugeordnet. Berücksichtigt wurde hier jeweils die Hauptzielsetzung der Maßnahmen, wenngleich einige Ansätze auch auf mehrere Indikatoren einzahlen. Da keiner der empfohlenen Ansätze hauptsächlich auf die Netzwerkentwicklung abzielt, bleibt der Indikator hier unbesetzt. Gleichwohl gibt es Ansätze, die einen Effekt auf die Netzwerkentwicklung haben, auch wenn dies nicht hauptsächlich intendiert war.
Die Beispiele aus den fünf Ländern haben gezeigt, wie
vielfältig die möglichen Ansätze sind, digitales Lernen
zu befördern. Je nach Ausgangslage und Struktur des
Bildungswesens geht jedes Land ganz eigene Wege, um
den digitalen Wandel zu bewältigen und die Potenziale
des Digitalen im Bildungswesen zu nutzen. Als föderalisti-
scher Staat mit einer stark dezentralen Organisation des
Bildungswesens und einer ganz eigenen Geschichte und
Tradition von Bildung steht Deutschland vor der Heraus-
forderung, diesen nationalen Besonderheiten gerecht zu
werden und gleichermaßen eine kohärente Strategie zu
entwickeln, wie digitales Lernen hierzulande gestärkt und
befördert werden kann. Die hier dargestellten Beispiele
bieten einen Fundus an möglichen Maßnahmen, von denen
viele auch in Deutschland gut und gewinnbringend um-
gesetzt werden können. Selbstverständlich sind auch die
vorliegenden
Ansätze nicht einfach auf Deutschland übertragbar. Es gilt,
immer kulturelle und strukturelle, gesellschaftliche und
historische Gegebenheiten im Blick zu behalten und auf
dieser Grundlage abzuwägen, inwieweit bestimmte Vorge-
hensweisen ihre Wirksamkeit auch im eigenen nationalen
Kontext entfalten können. Einige der Maßnahmen lassen
sich jedoch mit der notwendigen Anpassung auch hierzu-
lande adaptieren und können als Anregung zur Förderung
des digitalen Lernens in Deutschland dienen. Die nachfol-
gende Grafik zeigt überblicksartig, welche Ansätze aus den
vorgestellten Ländern für Deutschland vielversprechend
erscheinen und auf welche Ebene des eingangs zugrunde
gelegten Indikatorenmodells sie einzahlen. Insgesamt
wurden sieben Ansätze aus den in den Länderdossiers vor-
gestellten Maßnahmen ausgewählt, die auch für Deutsch-
land geeignet sind und vielversprechend scheinen.143
Politik-entwicklung
Netzwerk-entwicklung
Schul-entwicklung
Unterrichts-entwicklung
MakerSpaces
Kompetenz-standards
Schul-leitungen
Standards für digitale
Lernmedien
Standards für digitale
Lernmedien
Kompetenz-standards
Lehrkräfte-bildung
Self-Assessment-
Tool
ICT-Koordinierende
StrategischerRahmenplan
Abb. 17: Indikatorenbasierte Handlungsempfehlungen für mögliche Ansätze in Deutschland
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1. Gemeinsamer strategischer Rahmenplan für Bund und Länder
Ein gemeinsamer, regelmäßig aktualisierter strategischer
Rahmenplan von Bund und Ländern zum digitalen Lernen
nach dem Vorbild der ICT-Masterpläne in Singapur könnte
auch in Deutschland ein wichtiger Motor für das digitale
Lernen sein und zugleich länderübergreifend gemeinsam-
verpflichtende Eckpunkte markieren.
Selbstverständlich sind die Länder auch in Sachen
digitales Lernen unterschiedlich ausgerichtet und auf-
gestellt und es kann nicht darum gehen, die Aufgabentei-
lung zwischen Bund und Ländern infrage zu stellen – der
Bildungsföderalismus soll keinesfalls aufgehoben werden.
Lediglich eine stärker aufeinander abgestimmte Strategie
ist für die Umsetzung des digitalen Lernens ein lohnens-
werter Ansatz. Ein übergreifender Entwicklungsplan
könnte dazu beitragen, Anstrengungen zu bündeln. Gleich-
sam könnten die vielfältigen Erfahrungen der Länder mit
unterschiedlichen Herangehensweisen hier einfließen.
Die ICT-Masterpläne Singapurs, markieren ein Phasen-
modell der Entwicklung hin zum digitalen Lernen: zuerst
technische Ausstattung und Kompetenzerwerb; dann
Kompetenzstandards für ICT-Skills sowie Schulautono-
mie bei der Umsetzung, gefördert durch Fonds; danach
Entwicklung von Visionen für die künftige Gestaltung nach
dem Ansatz Selbst Nutzen - Prinzipien verstehen - Neue
Lernformate entwickeln. Deutschland kann ein vergleich-
bares oder anderes Phasenmodell gemäß den eigenen
Rahmenbedingungen entwickeln. Ein auf eine langfristige
Entwicklung hin angelegter strategischer Entwicklungs-
plan bietet für alle Beteiligten einen verlässlichen Rahmen,
um Ziele Schritt für Schritt umzusetzen.
Ähnliche Ansätze finden sich auch in Spanien und Brasi-
lien, wo die jeweiligen nationalen Instanzen in den Dialog
mit den autonomen Regionen bzw. den Bundesstaaten
treten, um gemeinsam auszuhandeln, welche Rahmen-
vorgaben von nationaler Seite verbindlich sind und welche
Ansprüche und Entwicklungswünsche die Regionen bzw.
die Bundesstaaten haben, auf die auf nationaler Ebene
eingegangen werden muss.
Das Besondere entsteht hier durch den dialogischen
Austausch, die gemeinsame Strategiebildung und die Ver-
schränkung der jeweils eigenen Funktionslogiken. Es geht
weniger um die Erfüllung von Vorgaben einer bestimmten
Instanz als vielmehr um den wechselseitigen Abgleich von
Zielen und Erwartungen und die Verständigung auf ein
gemeinsames Drittes mit einer konkreten gemeinsamen
Zielsetzung.
In Bezug auf das digitale Lernen bedeutet das, einen stra-
tegisch-inhaltlichen Fahrplan zu entwickeln, der verschie-
dene Entwicklungsstufen vorsieht und zukunftsgerichtete
Entwicklungen zulässt, wie es die ICT-Masterpläne in
Singapur tun. Ein integriertes, regelmäßiges Monitoring
der Aktivitäten liefert wichtige Hinweise im Hinblick auf
Wirkung der Maßnahmen und künftige Entwicklungs-
potenziale.
Um einen solchen Rahmenplan entwickeln zu können,
braucht es den regelmäßigen dialogischen Austausch
zwischen Bund und Ländern im Sinne eines gemein-
samen Aushandlungsprozesses. Auf diese Weise lässt
sich sicherstellen, dass dem Masterplan untergeordnete
Aktivitäten regelmäßig rückgekoppelt werden und zum
Beispiel auf Umsetzungsebene der Kollision unterschied-
licher Förderprinzipien entgegenwirken.
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2. ICT-Koordinierende als Fachkräfte mit Schnittstellenfunktion
ICT-Koordinierende an jeder Schule, wie sie auch in
Tschechien eingesetzt werden, die professionell aus-
gebildet sind und bei Bedarf zur Verfügung stehen, sind
eine notwendige Bedingung für das gelingende digitale
Lernen und sollten auch in Deutschland zum Standard an
Schulen werden. Dabei ist der ICT-Koordinator bzw. die
ICT-Koordinatorin idealerweise weniger zuständig für den
reibungslosen Betrieb der technischen Infrastruktur, son-
dern plant den Bedarf an digitalen Medien in Abstimmung
mit didaktischen Fachkräften bzw. dem Lehrpersonal.
So ist er oder sie die Schnittstelle zwischen Lehrkräften
und Schulleitung auf der einen Seite und den beteiligten
Instanzen wie der Kommune oder dem Schulträger auf der
anderen Seite und könnte organisational etwa beim Schul-
träger angebunden sein.
ICT-Koordinierende sind auch an der Erarbeitung von
Medienentwicklungsplänen beteiligt. Auf diese Weise kann
die Verschränkung von technischer und pädagogisch-
didaktischer Perspektive sichergestellt und ein strin-
gentes Gesamtkonzept entwickelt werden, das digitales
Lernen in den Mittelpunkt stellt und Möglichkeiten für Syn-
ergien aufgreift. In diesem Sinne sind ICT-Koordinierende
nicht nur technisch geschult, sondern auch Expertinnen
und Experten für den Schulalltag und die Schuladminist-
ration und idealerweise jederzeit ansprechbar, um Fragen
von Lehrkräften zu beantworten und sich bei Problemen
zum Einsatz der technischen Infrastruktur um den Kontakt
zum Support zu bemühen.
Eine solche Personalkategorie fehlt an den meisten
deutschen Schulen. Die Einführung könnte jedoch eine der
Kernherausforderungen im Umgang mit digitalem Lernen
lösen. Zu diesem Zweck wäre es zunächst sinnvoll zu erar-
beiten, wie die Profilbeschreibung von ICT-Koordinieren-
den in Deutschland aussehen müsste, welche Modelle des
Einsatzes denkbar und welche Kosten mit der Einführung
einer solchen Personalkategorie verbunden wären.
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3. Kompetenzstandards und Kompetenz- zentren für die Lehrkräftebildung
Das Thema digitales Lernen in einer gemeinsamen An-
strengung von Bund und Ländern in Studium, Referenda-
riat und Schuldienst zu integrieren, ist eine unverzichtbare
und dauerhaft wichtige Maßnahme. Dem sollte die
Definition von einheitlichen Standards dienen, die fest-
legen, welche Kompetenzen Lehramtsabsolventinnen und
-absolventen nach Beendigung ihres Studiums in Bezug
auf digitales Lernen erworben haben sollen.
Auch hier kann der Blick nach Singapur lohnen, sowohl
was die Standards selbst betrifft, als auch im Blick auf die
Modalitäten für die Lehrkräfteaus- und -weiterbildung.
Dabei ist sicherzustellen, dass der Umgang mit digitalen
Medien in der Lehrkräfteausbildung nicht nur punktuell
erfolgt, sondern über die gesamte Spanne der Ausbildung
immer wieder eingeübt wird. Das bedeutet sowohl die
theoretische Beschäftigung mit der Thematik als auch das
Erlernen des praktischen Umgangs mit digitalen Medien
im Unterrichtsgeschehen.
In diesem Sinne müssen zunächst konkrete Kompetenz-
standards definiert werden. Um den Erwerb der nötigen
digitalen Kompetenzen zu ermöglichen, kann es hilfreich
sein, eigene Ausbildungszentren an den Hochschulen zu
verankern. Diese Kompetenzzentren können ein Bindeglied
zwischen Theorie und Praxis sein und sowohl angewandte
Forschung im Feld des digitalen Lernens betreiben, als
auch das konkrete Ausprobieren von digitalen Unterrichts-
methoden für Lehramtsstudierende ermöglichen.
Auch Lehrkräftefortbildungen können hier durchgeführt
werden. Auf diese Weise ist eine konstante Rückkopplung
zwischen Wissenschaft und Praxis gegeben und der ge-
zielte Kompetenzerwerb im Hinblick auf digitales Lernen
wird sowohl für Lehramtsstudierende als auch für Lehr-
kräfte praxisnah möglich.
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4. Kompetenzstandards und Trainings für Schulleitungen
Auch in Bezug auf die Auswahl und Fortbildung von
Schulleitungen kann Deutschland vom Ausland lernen.
Was für Lehrkräfte gilt, sollte auch für Schulleitungen
wichtig sein: Es braucht definierte Kompetenzstandards
für Schulleitungen und ein entsprechendes Fortbildungs-
angebot mit verpflichtenden Fortbildungselementen für
angehende Schulleitungen.
Dabei steht der ressourcen- und entwicklungsorientier-
te Blick im Fokus. Hier kann Deutschland von Estland
lernen. Sinnvoll wäre eine Kombination aus definierten
Kompetenzstandards mit einem Assessment-Ansatz bei
der Auswahl von Schulleitungen und dem Angebot von
Fortbildungen für geeignete Kandidatinnen und Kandida-
ten. Geeignet sind dabei nicht nur diejenigen Personen, die
bereits alle erforderlichen Qualifikationen haben, sondern
auch diejenigen Interessierten, die Entwicklungspotenzia-
le mitbringen.
Hier sollten zunächst in einem gemeinsamen Prozess mit
Schulleitungen, Fachverbänden und der Bildungsadminis-
tration Kompetenzstandards für Schulleitungen ausge-
arbeitet werden, mit besonderem Augenmerk auf der Rolle
digitaler Medien für die künftige Schulentwicklung und
den Unterricht. Ansätze aus Estland können hier ebenso
als Ausgangsbasis dienen wie die guten Erfahrungen und
Ansätze, die bereits in Deutschland existieren.
Weiterhin gilt es, auf der Basis der Kompetenzstandards
einen eigenen Assessment-Ansatz – vergleichbar einem
Assessment-Center für Bewerberinnen und Bewerber – zu
erproben und das Durchlaufen als Eingangsvoraussetzung
für die Bewerbung als Schulleitung verbindlich zu machen.
Zusätzlich braucht es passende, modular aufgebaute
Fortbildungsangebote, die idealerweise in digitaler Form
vorgehalten werden und so nicht nur theoretisch, sondern
auch durch das praktische Erleben digitales Lernen mit
seinen Implikationen für Schulleitungen thematisieren.
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5. Maker Spaces für projektorientiertes Lernen
Maker Spaces als Räume für projektorientiertes, expe-
rimentelles, fächerübergreifendes Lernen stellen einen
didaktisch und methodisch spannenden und innovativen
Ansatz dar, um Lernprozesse lebendig, erfahrungsnah und
praktisch zu gestalten. Sie bieten beispielsweise Raum für
naturwissenschaftlich-technische Projekte, können aber
auch in anderen Fächern kreativ eingesetzt werden.
Jede Schule mit mindestens einem Maker Space auszu-
statten, wäre ein innovativer Schritt, um neue Lehr-Lern-
Settings zu erlauben und digitale Medien sowie technische
Mittel in den Unterrichtsalltag einzubinden. Es kann auch
ein guter Ansatz sein, um das Computational Thinking,
wie es in Singapur vermittelt wird, zu stärken und auch in
Deutschland aufzugreifen. Auf diese Weise kann ein Raum
geschaffen werden, um die viel diskutierten 21st Century
Skills systematisch zu vermitteln.
Einige Schulen experimentieren bereits mit Maker Spaces
und richten, sofern räumlich machbar, entsprechende
Werkstätten ein. 3D-Drucker, CNC-Fräsen, Rechner zum
Programmieren und weitere Maschinen werden hier dafür
eingesetzt, um eigene Roboter zu bauen und zu program-
mieren oder um neue kleine Maschinen zu entwerfen,
die im Alltag hilfreich sein können. Hier fehlt es jedoch
noch an einem stringenten strategischen Ansatz für den
flächendeckenden Einsatz. Alle Schülerinnen und Schüler
sollten die Möglichkeit erhalten, von der Idee des Makings
zu profitieren.
Zwei Ansatzpunkte sind hier denkbar: Zum einen braucht
es Good-Practice-Beispiele aus dem deutschen Raum, die
zeigen, wie Maker Spaces in Schulen eingesetzt werden
können, wie sie eingerichtet sind und welche Ansätze in
welchem Kontext wie gut funktionieren. Dazu gehört auch
die Debatte darüber, inwieweit neue Lernansätze wie das
Design Thinking hier ausprobiert werden können. Idealer-
weise wird dies wissenschaftlich begleitet, um fundierte
Ansätze für die weitere Entwicklung von Maker Spaces im
schulischen Kontext in Deutschland zu haben.
Zum anderen braucht es Förderung für Schulen, die
Maker Spaces einrichten möchten. Hier ist eine gewisse
Bandbreite denkbar. Die Förderung kann zum Beispiel auf
die Einrichtung einer vollständigen Werkstatt abzielen,
aber auch die Förderung mobiler Maker Spaces, die an
unterschiedlichen Orten in der Schule aufgebaut werden
können, ist denkbar. Entsprechende Modelle und Vergabe-
kriterien wären hier zunächst noch zu entwickeln.
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6. Einheitliche Metadaten für digitale Lernmedien
Der estnische Ansatz, einheitliche und verbindliche Meta-
datenstandards für digitale Lerninhalte zu entwickeln, ist
auch für Deutschland vielversprechend und könnte zum
Beispiel in Kombination mit den Bemühungen um Open
Educational Resources (OER) einen beachtlichen Effekt
erzielen. Viele Lehrkräfte beklagen, dass sie digitale Lern-
materialien nicht auffinden, deren Qualität nicht beurteilen
und nicht wissen können, ob das Lernmaterial bestimmte
Aspekte des Lehrplans abdeckt. Einheitliche Metadaten
können bei all diesen Fragestellungen bedeutsame Hilfe
leisten und für die Schulpraxis von enormem Wert sein.
Mit dem deutschen Projekt edutags und auch mit den Ini-
tiativen des Bundes im Bereich von OER in den letzten Jah-
ren sind in Bezug auf einheitliche Metadaten in digitalen
Lerninhalten bereits wertvolle Vorstöße gemacht worden,
die sich leicht weiter ausbauen lassen. Auch dieser Punkt
zahlt auf die leichtere Auffindbarkeit und sicherere Ver-
wendbarkeit von digitalen Lernmaterialien ein und lässt
sich deshalb problemlos mit den einheitlichen Metadaten
kombinieren.
Definierte Standards helfen nicht nur den Lehrkräften
selbst bei der Auswahl, sondern sind auch für Produzenten
von Lernmaterial hilfreich und tragen dadurch dazu bei,
die Qualität des Lernmaterials insgesamt zu verbessern.
Sinnvoll wäre zunächst eine Bestandsaufnahme der
Alltagspraktiken von deutschen Portalen, die digitale
Lernmaterialien zum Download anbieten. Der Fokus sollte
dabei auf den Angeboten der Länder liegen, aber auch wei-
tere Portale anderer Anbieter berücksichtigen. Ein Über-
blick über die verschiedenen Vorgehensweisen in Bezug
auf Metadaten kann zeigen, wo sich Ansatzpunkte für ein
gemeinsames System ergeben und welchen Anforderun-
gen ein solches System gerecht werden müsste.
Im Anschluss können diese Anforderungen in die bereits
bestehenden Portale integriert werden, zum Beispiel
indem sie verbindlich in den Prozess des Material-
Uploads eingebunden werden. Auf diese Weise ließe
sich ein deutschlandweites System von Metadaten im
Bildungsbereich erarbeiten und etablieren, was vielen
Lehrkräften zugutekommen würde und die Chance des
Einsatzes digitaler Lernmedien im Unterricht erhöhen
dürfte.
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7. Self-Assessment-Tool für Schulen
Schulen, die sich sehr für digitales Lernen interessieren
und die eigene Entwicklung eigeninitiativ vorantreiben,
sind oft überfordert mit den Anforderungen und Möglich-
keiten, die sich ihnen im Hinblick auf die unterschiedli-
chen Handlungsdimensionen der Digitalisierung bieten.
Ein Self-Assessment-Tool für Schulen erlaubt nicht
nur die eigene Standortbestimmung, sondern kann
auch dabei helfen, die nächsten Schritte für die eigene
Entwicklung – unter Umständen auch im Vergleich zu
anderen Schulen – festzulegen und konkret anzugehen.
Ein solches Tool könnte überdies auch dazu beitragen, die
Einstiegshürden für die Umsetzung der digitalen Strate-
gien zu senken. Würde die Einführung eines solchen Tools
mit der Einführung eines strategischen Rahmenplans für
Bund und Länder gekoppelt, so könnte das Self-Assess-
ment-Tool zu einem wichtigen Bestandteil für die Umset-
zung der Ziele des Rahmenplans darstellen.
Ansätze wie der estnische Digipeegel können hier Modell
stehen. Der dort zugrunde gelegte Rahmen und die ver-
wendeten Skalen lassen sich durchaus auch im deutschen
Raum einsetzen. Um das Modell nach Deutschland über-
tragen zu können, wäre ein Entwicklungsprozess nötig,
der die bestehenden Konzepte auf ihre Passung für die
deutsche Situation hin überprüft und wo nötig adaptiert.
Ein solches Tool kann zum Beispiel gemeinsam mit
Schulen entwickelt und getestet und dann in die Breite
gebracht werden. In Estland wurde dieser Entwicklungs-
prozess gemeinsam von Forschenden, dem Bildungs-
ministerium und einer Stiftung getragen und organisiert.
Für Deutschland ist ein ähnliches Vorgehen denkbar.
Ein gemeinsam organisierter Entwicklungsprozess, der
wissenschaftlich begleitet wird, der die Erfahrungen und
Wünsche sowie Bedürfnisse der Schulen vor Ort in den
Blick nimmt und der gleichzeitig der Differenzierung der
deutschen Schullandschaft Rechnung trägt, wäre ein
großer Gewinn.
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LITERATUR 144
144 Stand: 05.11.2019
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QUELLEN 145
145 Stand: 19.09.2019
estland
• Schulleitungsausbildung: http://www.schoolleadership.eu/portal/resource/school-leadership-estonia
• Digipeegel: https://digipeegel.ee
• e-Estonia: https://e-estonia.com
• HITSA: https://www.hitsa.ee
• HITSA Innovationszentrum: http://www.e-ope.ee/repositoorium
• HITSA IT-Academy: https://www.hitsa.ee/ikt-haridus/ita
• Roboversity: https://robotex.ee/roboversity
• Estnisches Ministerium für Bildung und Forschung: https://www.hm.ee/en
• e-Schoolbag: https://e-koolikott.ee
• Lernmaterial OPIQ: https://www.opiq.ee
• Datenbank ehis: http://www.ehis.ee
• EduVista-Modell: https://www.dropbox.com/s/0nb7ke20fomjety/Kooli_digikupsuse_hindamismudel.pdf?dl=0
spanien
• Digitales Summit: https://digitalessummit.es
• Connected Schools / Red.es: https://www.red.es/redes/es/que-hacemos/e-educaci%C3%B3n
• Connected Schools / INTEF: https://intef.es/tecnologia-educativa/escuelas-conectadas
• Aula del futuro: http://fcl.intef.es
• Escuela 2.0:
http://www.escuela20.com/escuela20-educacion-recursos-educativos/espanol/inicio_24_1_ap.html
• Zertifizierungsprogramm „TIC en Educación“: https://www.educa.jcyl.es/es/programas/
certificacion-codice-tic-curso-2018-2019
• Toolkit zu digitalen Kompetenzen: http://formacion.intef.es/course/view.php?id=483#toggle-7
• Sistema educativo: https://www.donquijote.org/es/cultura-espanola/tradiciones/educacion
tschechien
• Wettbewerb DOMINO: http://domino.nidv.cz
• Elektronische Abschlussprüfungen: http://www.nuv.cz/t/nzz?lang=1
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• Wettbewerb zur Verbesserung von Schulwebseiten: https://www.scoolweb.cz
• Self-Assessment-Tool MENTEP: http://mentep.eun.org/tet-sat
• Self-Assessment-Tool Skola 21: https://skola21.rvp.cz
singapur
• Sekundarstufe Schultypen: https://beta.moe.gov.sg/secondary/schools/types
• Beruflich-technische Ausbildung in Singapur:
https://asiasociety.org/global-cities-education-network/singapore-innovation-technical-education
• Nachhilfe in Singapur:
https://www.asiaone.com/News/Education/Story/A1Story20100323-206282.html
• Smart Nation Singapur: https://www.smartnation.sg/what-is-smart-nation/initiatives
• Desired Outcomes of Education:
https://www.moe.gov.sg/education/education-system/desired-outcomes-of-education
• Subject based Banding: https://beta.moe.gov.sg/primary/curriculum/subject-based-banding
• ICT-Masterpläne: https://ictconnection.moe.edu.sg/masterplan-4/our-ict-journey
• Teach less, learn more: http://eresources.nlb.gov.sg/infopedia/articles/SIP_2018-03-21_105159.html
• Eltern-Apps:
https://www.opengovasia.com/ministry-of-education-singapore-developing-public-facing-digital-
shopfronts-and-a-school-administration-apps-marketplace
• Code@SG: https://codesg.imda.gov.sg/in-schools/playmaker-overview
• Government Recurrent Expenditure on Education Per Student:
https://data.gov.sg/dataset/government-recurrent-expenditure-on-education-per-student
brasilien
• Bildungssystem in Brasilien (Council on Foreign Relations): https://www.cfr.org/blog/public-education-brazil
• Plano Nacional de Educação:
http://pne.mec.gov.br/18-planos-subnacionais-de-Educação/
543-plano-nacional-de-Educação-lei-n-13-005-2014
• Programm ProInfo (Governo do Brasil): http://portal.mec.gov.br/proinfo
• Programm ProInfo (Ministerio da Educação):
https://www.fnde.gov.br/index.php/programas/proinfo/perguntas-frequentes
• Fundação Lemann: https://www.Fundaçãolemann.org.br/public
• Educopédia: http://www.educopedia.com.br
• Digital School Office São Paulo: http://www.intranet.Educação.sp.gov.br
• App Minha Escola: https://play.google.com/store/apps/details?id=br.gov.sp.Educação.minhaescola&hl=pt_BR
• Escola digital: https://www.aprendizageminterativa.seduc.mt.gov.br
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GLOSSAR
CURRICULUMDas Curriculum bezeichnet sowohl den von Seiten der bil-
dungspolitischen Administration vorgegebenen Lehrplan
als auch die eigene Ausgestaltung dieser Lehrpläne auf der
Ebene der Individualschule in Form des Schulcurriculums.
CYBERMOBBINGMit Cybermobbing ist das Mobbing von Personen mit Hilfe
von digitalen Medien gemeint. Durch den Einsatz digitaler
Medien erhält Mobbing eine neue Dimension, da zum Bei-
spiel mit Hilfe von Social Media schnell eine große Reich-
weite von Mobbingaktivitäten erreicht werden kann.
Zusätzlich kann die vermeintliche Anonymität im digitalen
Raum zu drastischen Handlungen verführen. Da das Inter-
net nicht vergisst, hat Cybermobbing auch eine besonders
langfristige Wirkung.
DESIGN THINKINGDesign Thinking ist ein methodischer Ansatz, der bei der
Lösung komplexer Probleme und in Designprozessen ein-
gesetzt wird. Der Ansatz greift auf feste Schritte zurück:
Verständnis, Beobachtung, Ideenfindung, Verfeinerung,
Ausführung. Das soll etwa die Arbeit in interdisziplinären
Teams erleichtern und sowohl neue, innovative Lösungs-
ideen hervorbringen, als auch eine schnelle Umsetzung
ermöglichen, zum Beispiel durch die Arbeit mit Prototypen.
ECTSDie Abkürzung steht für European Credit Transfer System.
Im Hochschulsektor werden sogenannte ECTS-Punkte für
Studienleistungen vergeben. Die Anzahl der ECTS-Punk-
te, die zum Beispiel für eine Seminarteilnahme vergeben
wird, hängt von der Lernzeit und Leistung ab, die für eine
erfolgreiche Seminarteilnahme erbracht werden muss.
Das ECTS-System soll so dabei helfen, Studienleistungen
in Europa vergleichbar zu machen.
ICTICT oder auch IKT ist die Abkürzung für Informations- und
Kommunikationstechnologien (in Englisch: Information
and Communication Technology). Darunter werden sowohl
technische Geräte wie PC, Smartphone und Tablet als
auch die digitalen Anwendungen, die die Kommunikation
mit Hilfe dieser Geräte ermöglichen, verstanden.
LEBENSLANGES LERNENLebenslanges Lernen oder auch lebensbegleitetes Lernen
bezeichnet das Konzept, dass Menschen sich über die
gesamte Lebensspanne hinweg immer wieder in Lernpro-
zessen befinden, statt einmalig eine Schul- und Berufs-
ausbildung zu absolvieren. Dabei steht das eigenständige
und selbstgesteuerte Lernen sowohl in formal organisierten
Bildungsangeboten als auch informell und selbstorgani-
siert im Vordergrund.
LERNMEDIENUnter Lernmedien sind Lernmaterialien für den Einsatz im
Unterricht zu verstehen. Diese Lernmaterialien oder auch
Lernressourcen können vielfältige Formen annehmen und
reichen vom klassischen Arbeitsblatt über kurze Lern-
videos bis hin zu eigens programmierten Lernspielen und
von Schülerinnen und Schülern selbsterstellten digitalen
Medien wie Blogs. Die Begriffe Lernmedien, Lernmate-
rialien und Lernressourcen werden hier deckungsgleich
verwendet.
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MAKER SPACEEin Maker Space oder auch Fab Lab (kurz für: Fabrication
Laboratory) ist eine offene Werkstatt, die von jedem ge-
nutzt werden kann. Maker Spaces sind in der Regel mit
modernen Maschinen und IT ausgestattet. Dazu gehören
häufig 3D-Drucker, Laser-Cutter, CNC-Fräsen, PCs und
weitere Maschinen. Ziel ist es, einen Raum zu eröffnen, um
eigene Projekte umzusetzen, Prototypen für Maschinen
oder Produkte zu erstellen und die Programme dafür zu
schreiben. In der Regel ist eine Begleitung durch andere
Personen im Maker Space möglich, die ihr Wissen teilen
und so Hilfestellung geben können. Der Einstieg kann so
niedrigschwellig erfolgen.
MARKETPLACEUnter einem Marketplace wird ein virtueller Marktplatz im
Internet verstanden. Der Marketplace ist eine Plattform,
auf der unterschiedliche Händler ihre Waren anbieten
können. Entsprechend dient der Marketplace für die
Nutzenden als zentrale Anlaufstelle für unterschiedliche
Waren oder Dienste.
METADATENMit Metadaten sind Daten gemeint, die Dateien in ihrer
Struktur und in ihren Merkmalen beschreiben. Sie geben
dem Nutzenden Auskunft über die Eigenschaften eines
Objekts. Metadaten sind wichtige Hintergrundinforma-
tionen, um digitale Dateien überhaupt über das Internet
auffindbar zu machen. Entsprechend können Metadaten
vom Ansatz her mit dem Katalogsystem einer Bibliothek
verglichen werden.
REFERENZRAHMENUnter einem Referenzrahmen wird eine strukturierte
Empfehlungsmatrix verstanden, die Orientierung über die
Vergleichbarkeit unterschiedlicher Standards geben soll.
Der Referenzrahmen bildet damit das Bindeglied zwischen
unterschiedlichen Systemen und Logiken und dient als
„Übersetzungshilfe“. Ein bekanntes Beispiel ist der Euro-
päische Referenzrahmen für Sprachen, der verschiedene
Kompetenzniveaus definiert und so etwa für den Vergleich
verschiedener Sprachzertifikate herangezogen werden
kann.
SELBSTGESTEUERTES LERNENMit selbstgesteuertem Lernen ist das eigenständige
und selbstverantwortliche Lernen gemeint. Im Gegen-
satz zum fremdgesteuerten Lernen, bei dem Lehrende
Inhalt, Methode und Lernsetting vorgeben, entscheiden
die Lernenden beim selbstgesteuerten Lernen eigen-
ständig, welche Inhalte sie sich wie aneignen möchten. Um
selbstgesteuert lernen zu können, müssen die Lernenden
entsprechend in der Lage sein, sich selbst Lernziele zu
setzen und sich Inhalte eigenständig zu suchen und zu
erschließen.
SELF-ASSESSMENTUnter einem Self-Assessment versteht man eine eigen-
ständig durchgeführte Selbsteinschätzung im Sinne eines
Abgleichs mit selbst- oder fremdgesteckten Zielen. Das
Self-Assessment dient der Positionsbestimmung und soll
zeigen, inwiefern und in welchen Punkten die eigene Leis-
tung in einem bestimmten Bereich von einem definierten
Standard abweicht bzw. zur Erarbeitung einer eigenen
Profilierung beiträgt.
21ST CENTURY COMPETENCIESDas Konzept der 21st Century Competencies versucht ein
Kompetenzmodell zu entwickeln, das festlegt, welche
Kompetenzen Menschen brauchen, um sich im 21. Jahr-
hundert gut und sicher in der Welt bewegen und sie aktiv
gestalten zu können. Seinen Ursprung hat der Ansatz in
der Feststellung, dass unsere Welt sich schnell verändert
und entsprechend bestimmte Kompetenzen wichtig wer-
den, um mit dieser Volatilität umgehen zu können.
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IMPRESSUM
HERAUSGEBER
Forum Bildung Digitalisierung e. V.
Pariser Platz 6
10117 Berlin
www.forumbd.de
+49 (0) 30 5858466-60
VERANTWORTLICH
Dr. Nils Weichert
LEKTORAT
Frank Buchstein
GESTALTUNG
TAU GmbH
Köpenicker Straße 154 A
10997 Berlin
DRUCK
Brandenburgische Universitätsdruckerei
und Verlagsgesellschaft Potsdam mbh
Karl-Liebknecht-Straße 24/25
14476 Potsdam
BILDNACHWEIS
Hero Images (Titelbild)
mmb Institut – Gesellschaft für Medien- und Kompetenzforschung mbH
Dr. Lutz Goertz, Dr. Julia Hense
Folkwangstraße 1
D-45128 Essen
Telefon: 0201 720 27 - 0
Telefax: 0201 720 27 - 29
E-Mail: [email protected]
Internet: www.mmb-institut.de
Essen, November 2019