risikomanagement in der geriatrie geriatrie-lehrgang 9/2015 dr. gaby treichler risikobeauftragte lkh...

31
Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1 TG, Geriatrie 2015

Upload: albert-schulz

Post on 06-Apr-2016

226 views

Category:

Documents


2 download

TRANSCRIPT

Page 1: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 1

Risikomanagement in der

Geriatrie

Geriatrie-Lehrgang 9/2015Dr. Gaby Treichler

Risikobeauftragte LKH Voitsberg

Page 2: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 2

BEGRIFFE• Im heutigen Sprachgebrauch findet man den Begriff

„Risiko“ meist als unerwünschtes Ereignis (adverse event) mit negativer Auswirkung,

• „Verlust und Gefahr“. • Im Gesundheitswesen verbindet man damit vor allem

„Schaden“ und „Fehler“.• Risiko aber auch als Ereignis mit positiver Auswirkung und

wird dann als Chance gesehen.• Risikomanagement“ bezeichnet den Umgang mit Risiken

und findet sich als Führungsinstrument in allen drei Ebenen einer Organisation.

• Risikomanagement ist systematisch, zeitgerecht und strukturiert.

Page 3: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 3

Risikomanagement• Wirkung und Nachhaltigkeit abhängig vom Umgang durch

die Spitalsleitung • Bereitschaft Ressourcen dafür zu akquirieren • vorbildliche Fehlerkultur top-down, • Unterstützung der operativen MitarbeiterInnen • dient ausschließlich der PatientInnen- und

MitarbeiterInnensicherheit, soll Schaden vermeiden.• Aktives Fehlermanagement - Sicherheitskultur Ursachen erforschen, d.h. die Falle suchen:  • denn Fehler warten bis sie passieren - wem sie passieren

ist Zufall,  • aber nicht der, der Fehler macht ist schuld,  • sondern die Rahmenbedingungen sind schlecht• weg von „naming-blaming-shaming“

Page 4: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 4

Risikomanagement• Fehlerursachen: Neue Aufgabe- neues Team, Stress, Zeitmangel,

fehlendes Teamtraining, Änderung des Routineablaufes, etc.• Fehlerquellen: Menschliche Faktoren (human factors)

• H ungry - hungrig• A ngry - zornig• L ate - gehetzt • T ired - müde

….schlechte Kommunikation/Organisation, PatientInnen, Technik

Fehler sind: häufig, kosten Zeit, teuer, Symptome eines Systems reihen sich aneinander und verursachen Schaden

Page 5: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 5

Case

Worst

Schadensfall 20%RISIKOMANAGEMENT SOLL SCHADEN VERMEIDEN

Page 6: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 6

TOP-down-AnalyseBewertung nach der der „2-F-Methode“:

übersichtliche Matrix -> nach Eintrittswahrscheinlichkeit und Auswirkung

Ziel Risiko vom roten Hochrisikobereich

zumindest in den gelben und in weiterer Folge den weißen Bereich zu verschieben

Page 7: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 7

ERRORS WAIT TO HAPPEN

Ziele des RM1. Risikobewusstsein etablieren und dadurch Fehler

vermeiden.2. Vermeidung von Schäden an PatientInnen,

MitarbeiterInnen und Angehörigen.3. Vermeidung von Imageschäden und finanziellen Verlusten4. Schutz vor zivil / strafrechtlicher Verfolgung.5. Risikotransparenz fördern, Gefahrenquellen aufdecken6. Vertrauen schaffen7. Aus ( Beinahe-) Fehlern lernen.8. Offene Fehlerkultur9. Fehlermeldesystem

Page 8: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 8

Risikomanagement-Prozess

Page 9: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 9

KasuistikFrau L.Huber (86 a) stationär wegen LWS-Beschwerden

Frau A.Huber (80 a) – Aufnahme 2 Tage später nachts wegen Hüftschmerzen nach Sturz bei TEP links

Plan: Röntgen -> Vorstellung an Klinikum Graz (Orthopädie).

Transportdienst – bringt Frau L.Huber (86 a) ins Röntgen

Frau A.Huber (80 a) wird richtigerweise in Graz vorgestellt mit Röntgenbildern von Frau L.Huber (86 a)

Aufgefallen nur, weil keine TEP am Bild bei Fragestellung Prothesenlockerung

Page 10: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 10

Namensgleiche PatientInnen• Ausgangslage : sehr häufig zeitgleich namensgleiche

PatientInnen - auf gleicher Station / verteilt auf sämtlichen Abteilungen im Haus

-> steigende Zahl hochbetagter, verwirrter und dementer Pat. • Das Risiko : Verwechslungen dieser PatientInnen,

Fehlzuweisungen von Befunden, vor allem wenn sich diese PatientInnen auf unterschiedlichen Stationen befinden und dieser Umstand nicht bekannt ist.

• Die Konsequenzen : Fehlbehandlungen und / oder nicht indizierte bzw. unterlassene Untersuchungen -> Operationen an falschen PatientInnen.

-> schwere körperliche Schädigungen, überregionaler Imageverlust, Schadensersatzforderungen

Page 11: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 11

Namensgleiche PatientInnen

Page 12: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 12

Page 13: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 13

Namensgleiche PatientInnen

Page 14: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 14

Kasuistik – Insulin/Heparin

Ein 67 jähriger Patient wurde von der Gefäßchirurgie, wo er zur Korrektur einer Carotisstenose aufgenommen worden war, an unsere Abteilung verlegt.

Die Transferierung erfolgte zur Abklärung einer suspekten gastrointestinalen Blutung (pos. Occult-Test)

Der Patient befand sich in gutem AZ mit stabilen Vitalfunktionen, war afebril, wach, ansprechbar, orientiert und mobil.

Page 15: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 15

Kasuistik Bei St. p. Aortenklappenersatz hatte der

Patient schon präoperativ an der Klinik, nach Absetzen der oralen Antikoagulation, unfraktioniertes Heparin mittels Perfusor erhalten.

Diese Therapie wurde unter regelmäßigen PTT – Kontrollen fortgeführt. Weder das Handling mit Heparin noch mit Perfusoren ist auf Normalstationen Routine, für die DGKP eher die Ausnahme.

Laborchemisch und radiologisch zeigten sich während der ersten 3 Aufenthaltstage keine Besonderheiten. Die PTT bewegte sich unter konstanter Heparindosis im therapeutischen Bereich (1,5 – 2-facher Ausgangswert)

Page 16: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 16

Kasuistik

Am 4. Tag lag die PTT erstmals über der Messgrenze, das wurde aber als Abnahmefehler gewertet.

Die Heparin-Dosierung wurde vorerst belassen.

Am 5. Tag in der Früh PTT unverändert über der Messgrenze - Heparintherapie wurde pausiert (09h00).

Am selben Tag 15:00 PTT noch immer über der Messgrenze.

Page 17: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 17

Kasuistik Tag 5 um 20:45 PTT erstmals wieder im

therapeutischen Bereich (54 sec.). Die Heparintherapie sollte fortgesetzt werden.

DGKS erhielt Anordnung einen neuen Heparinperfusor herzurichten, da eine Überdosierung im vorigen Perfusor nicht gänzlich auszuschließen war.

Page 18: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 18

Heparinüberdosierung?• Halbwertszeit von Heparin 4h • nach 8 h Therapiepause PTT immer noch über

der Messgrenze, bei bisher problemlosem Verlauf unter der gleichen Dosierung

• Anordnung auf FK: 25.000IE/50/1-3-ml/h• Packungsbeschriftung: 5.000IE/ML

Page 19: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 19

Heparinüberdosierung?

???? 5 Fläschchen Heparin im Perfusor ?????

Page 20: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 20

Kasuistik Tag 5 20:55 Neuer Perfusor wurde mit 1,2

ml/h (=600 IE/h) angeschlossen. PTT – Kontrolle wurde für nächsten Tag um

07:00 angeordnet. Die Nacht verlief ruhig

Tag 6 um 07:00 Patient war komatös. Vitalfunktionen unauffällig Verdacht einer intracerebralen Blutung

wurde wegen möglicher Heparinüberdosierung erhoben

CCT veranlasst.

Page 21: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 21

Kasuistik

Vor der Untersuchung fiel ein BZ von 12 mg% auf und wurde sofort entsprechend substituiert.

Keine Änderung am Zustandsbild CCT war negativ. Patient wurde auf Intensivstation verlegt. Vitalfunktionen blieben stabil, BZ auf Normalwert angehoben.

Page 22: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 22

Kasuistik

Tag 7: Patient war auf Intensivstation noch müde, gering verlangsamt, ohne neurologisches Defizit

Tag 8: Patient war wieder völlig beschwerdefrei und mobil;

Er wurde über stattgehabte Hypoglycämie, deren Ursache zu diesem Zeitpunkt noch nicht geklärt war, informiert

Page 23: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 23

AUFKLÄRUNG Stationsleitung äußerte sofort den Verdacht, dass

Insulin statt Heparin im Perfusor war, Beides ist Kühlschrankware, die Verpackungen

optisch ähnlich und waren nebeneinander gelagert

Page 24: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 24

AUFKLÄRUNG

Page 25: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 25

AUFKLÄRUNG

der Inhalt der Perfusorspritze wurde sichergestellt.

Nach Befragen der zuständigen Nachtschwester wurde die Verwechslung immer wahrscheinlicher, eine Besprechung mit Verantwortlichen und allen Beteiligten wurde einberufen.

Der Inhalt der Perfusorspritze wurde vom Isotopenlabor des ZRI Graz als Insulin verifiziert und der Befund am Tag 8 (Freitag 12:00) übermittelt.

Page 26: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 26

AUFKLÄRUNGApplizierte Insulindosis: 5ml Insulin (=500 IE ) wurden statt Heparin

(25.000 IE wären 5ml) in der Perfusorspritze aufgezogen.

Dieser lief über 10 Std. mit 1,2 ml/h, somit erhielt der Patient 12 IE/h ----- 120 IE insgesamt!!

BZ nach 10 Std. 12 mg% - Patient komatös

Page 27: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 27

KONSEQUENZ

Am Tag 11 (Montag): Rechtsabteilung der KAGES wurde informiert, das weitere Vorgehen abgesprochen.

Der Patient wurde danach vom Abteilungsvorstand über den Vorfall vollständig aufgeklärt.

Die Schadensfallanalyse wurde bereits am Wochenende davor erstellt und

in der Folge Maßnahmen zur Vermeidung eines derartigen Ereignisses mit den Stationsleitungen erarbeitet.

Page 28: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 28

MAßNAHMEN1. Zentrale Zubereitung der Perfusoren auf

der Intensivstation, ausschließlich auf schriftliche Anordnung und laut erarbeitetem Prozess.

Page 29: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 29

Kasuistik

Page 30: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 30

MAßNAHMEN

2. Anordnung künftig in ml und IE (z.B. 25.000IE = 5ml Heparin) um Unklarheiten auszuschließen, zudem existieren auf der Intensivstation Dosierungsstandards.

3. Entfernung von Heparin von den Normalstationen – Lagerung nur mehr auf Intensivstation und Ambulanz

4. Auf Intensivstation Verwendung eines Insulins einer anderen Firma um dort Verwechslung (look alike) zu vermeiden

Page 31: Risikomanagement in der Geriatrie Geriatrie-Lehrgang 9/2015 Dr. Gaby Treichler Risikobeauftragte LKH Voitsberg 1TG, Geriatrie 2015

TG, Geriatrie 2015 31

Take home message Es arbeiten starke Menschen in einem (oft) schwachen

System-nicht umgekehrt! Jedes System ist so organisiert, dass es genau die Ergebnisse

liefert, die es liefert => auch die schlechten. Die meisten machen meistens das Meiste – Ziel wäre, dass

immer alle alles machen! „We can not change the human condition,

but we can change the conditions under which human work“, James Reason