robert barth weshalb gehen sie nicht (mehr) in die bibliothek?

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1 1 Weshalb gehen Sie nicht (mehr) in die Bibliothek? Beispiele und Defizite aus der Nichtnutzer-Forschung Robert Barth, Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur [email protected] Unter Verwendung der Studie von Susanne Mathys: Gründe für die Nicht-mehr-Nutzung einer allgemeinen öffentlichen Bibliothek: Gemeindebibliothek Wettingen. Bachelor-Thesis. Chur 2009. 2 Inhaltsübersicht Formen und Zielsetzungen von Befragungen Phasen von Kundenbeziehungen Was heisst „Nicht-Nutzer“? Wie viele sind es denn in der Schweiz? Beispiele von Nicht-Nutzerstudien Nichtmehr-Nutzung am Bp. der Bibliothek Wettingen Wer sind die Nicht-Nutzer? Welches sind ihre Motive? Ausgewählte Ergebnisse

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Beispiele und Defizite aus der Nichtnutzer-ForschungRobert Barth, Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur

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Page 1: Robert barth Weshalb gehen Sie nicht (mehr) in die Bibliothek?

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Weshalb gehen Sie nicht (mehr) in die Bibliothek?

Beispiele und Defizite aus der Nichtnutzer-Forschung

Robert Barth, Hochschule für Technik und Wirtschaft Chur

[email protected]

Unter Verwendung der Studie von Susanne Mathys: Gründe für die Nicht-mehr-Nutzung einer allgemeinen öffentlichen Bibliothek: Gemeindebibliothek Wettingen. Bachelor-Thesis. Chur 2009.

2

Inhaltsübersicht• Formen und Zielsetzungen von Befragungen

• Phasen von Kundenbeziehungen

• Was heisst „Nicht-Nutzer“?

• Wie viele sind es denn in der Schweiz?

• Beispiele von Nicht-Nutzerstudien

• Nichtmehr-Nutzung am Bp. der Bibliothek Wettingen

• Wer sind die Nicht-Nutzer?

• Welches sind ihre Motive?

• Ausgewählte Ergebnisse

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Abgrenzung

• Worum es hier (noch) nicht geht:

• Was müssten Bibliotheken tun, damit die Benutzer wieder in die Bibliotheken kommen.

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Formen und Zielsetzungen von Befragungen

• Nicht-Nutzerbefragungen � Kundengewinnung

• Nutzerbefragungen � Kundenbindung

• Nichtmehr-Nutzerbefragungen � Kundenrückgewinnung

• (Verzichtsbefragungen � Mehrwertberechnung)

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Phasen von Kundenbeziehungen

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Aufgaben in den Beziehungsphasen

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Was heisst „Nutzer“?

���� Keine einheitliche Definition!

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Marktdurchdringungin der Schweiz

Erfahrungs-

werte der

Bibliotheken:

„gute 20%“

44%

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Was heisst „Nicht-Nutzer“?

http://www.leshop.ch/images/ProductsBig/2900586000006.JPG

• Befragung ���� „soziale Erwünschtheit“

• Nutzerausweis: + ca. 30%

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Nicht-Nutzuerstudien: Bp. Genf 2006

Moeschler 2007.

• Persönliche Gründe:– Am häufigsten nannten die Personen einen Mangel an Zeit,

zumal sie nun andere Tätigkeiten, z.B. Sport, vorziehen würden.

– Vor allem, wenn sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben, haben sie schlicht keine Veranlassung zur Bibliotheksnutzung mehr.

– Buchbesitz statt Ausleihe ist ebenfalls ein wichtiger Faktor.

200 Passanten, Alter 15+ aus allen 12 Stadtquartieren

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Nicht-Nutzerstudien: Bp. Genf 2006

Moeschler 2007.

• Institutionelle Gründe:– „zu still“, „zu laut“

– Mühe mit der Aufstellungsordnung (Klassifikation)

– Zu grosse Entfernung vom Wohnort

– Mangel an Büchern der eigenen Sprache

– Eine bemerkenswert grosse Gruppe wusste nicht wo sich ihre Bibliothek im Quartier befand, ja nicht einmal, dass es dort überhaupt eine gab

– Das breite Medienangebot ist zu wenig bekannt, in dem Sinne als die Bibliotheken primär mit Büchern konnotiert wurden

– Mangel an Bestsellern oder Literatur zu bestimmten Themen

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Nicht-Nutzerstudien: Kt. Zürich 2003

Bericht 2003.

„häufiger Besuch“ = „wöchentlichem – monatlichem“

„seltener Besuch“ = “1x/Jahr – alle paar Jahre“

a) 500 Telefoninterviews mit 18 bis 75 jährige Einwohnern

b) Nachbefragung mit 50 Nichtbenutzern

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Nicht-Nutzerstudien: Kt. Zürich 2003

Bericht 2003.

• Grundsätzlich positive Einstellung zu Bibliotheken

• Diese Institutionen entsprechen aber nicht den Anforderungen der Befragten

• Das auffallend düstere Image basiert auf Erinnerungen, Klischees und Vorurteilen.

• Kein „Leidensdruck“ und damit keine Veranlassung, Bibliotheken zu besuchen

• Bibliotheken dienen „Randgruppen“ (Forschern , Wissenschaftler, Auszubildende, Pensionierte usw.“

• Wunsch nach „totaler Verfügungs- und Nutzungsgewalt“

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Zwischenbemerkung: „Ehemalige“

Lust auf Lesen 2004, 2. Bertrand 1998. Lockyer-Benzie 2004, 40.

• Frankreich 1998: 31% + 21.5% haben schon daran gedacht, sich einzuschreiben

• Swan (Australien) 2004: 32%

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Nichtmehr-Nutzung in Wettingen (AG)• Typ: Gemeindebibliothek

• Einwohner: 20‘000

• Bestand: 30‘000

• Öffnungszeiten: 29 Std./Woche

• Hintergrund: seit 1997 phasenweise rückläufige Benutzerzahlen bei einzelnen Benutzergruppen; 2008 Rückgang bei allen Kategorien (insges. 4%)

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Zielsetzung der Befragung• „Welche Gründe führen zur Nicht-mehr-Nutzung einer

öffentlichen Bibliothek?

• Hat das Bibliotheksangebot nicht den Erwartungen entsprochen?

• Wird der Informations- und Medienbedarf anderweitig abgedeckt?

• Waren persönliche Gründe Auslöser für den Abbruch der Nutzung?

• Welche Massnahmen könnten zu einer erneuten Nutzung führen?“

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Methode der Befragung

Mathys 2009, 27-32.

• Telefonisch

• 200 Personen aus einer Grundgesamtheit von 1768. (Erreichtes 18. Altersjahr, da für die Befragung Minderjähriger die Einwilligung einer

erziehungsberechtigten Person nötig ist.)

• Erreicht wurden 115 Personen, von denen 25 die Antwort verweigerten.

• Interviewt wurden 85 Personen

• den ganzen Fragebogen beantworteten 69

• ein Drittel hatte Wohnsitz ausserhalb von Wettingen.

.

Nichtmehr-Nutzung: WettingenAngenommene Gründe:

18Mathys, Susanne. Gründe für die Nicht-mehr-Nutzung einer allgemeinen öffentlichen Bibliothek:

Gemeindebibliothek Wettingen. Bachelor Thesis. Chur 2010, 19.

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• Frühere Nutzungsfrequenz:

Nichtmehr-Nutzung: Wettingen

19Mathys, Susanne. Gründe für die Nicht-mehr-Nutzung einer allgemeinen öffentlichen Bibliothek: Gemeindebibliothek Wettingen. Bachelor Thesis. Chur 2010, 35.

Nichtmehrnutzung Bp. GB Wettingen

20Mathys, Susanne. Gründe für die Nicht-mehr-Nutzung einer allgemeinen öffentlichen Bibliothek: Gemeindebibliothek Wettingen. Bachelor Thesis. Chur 2010, 36f..

• Bibliotheksbezogene Gründe für die Nichtmehrnutzung:

Page 11: Robert barth Weshalb gehen Sie nicht (mehr) in die Bibliothek?

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Nichtmehr-Nutzung: Wettingen

21Mathys, Susanne. Gründe für die Nicht-mehr-Nutzung einer allgemeinen öffentlichen Bibliothek: Gemeindebibliothek Wettingen. Bachelor Thesis. Chur 2010, 38-44.

• Bibliotheksbezogene Gründe*:– Medienrückgabe ausserhalb Öffnungsz.: 46%

– Medienauswahl entspricht nicht 36%

– Schwierigkeit die Leihfristen einzuhalten: 36%

– Nicht ausreichende Öffnungszeiten: 33%

– Beschränkte Medienzahl pro Ausleihe: 29%

– Wartezeit am Schalter 25%

– Wunsch nach Einzelausleihe: 23%

– Räumlichkeiten sind nicht einladend 12%

– Zu hohe Jahresgebühr (15 Fr.): 7%

– Der Lärmpegel ist zu hoch 4%

– Personal ist unfreundlich 4%

– Ungenügende Beratungsqualität 1%Prozentzahl = Total der Aussagen „trifft voll zu“, „trifft mehrheitlich zu“

Nichtmehrnutzung Bp. GB Wettingen

22Mathys, Susanne. Gründe für die Nicht-mehr-Nutzung einer allgemeinen öffentlichen Bibliothek: Gemeindebibliothek Wettingen. Bachelor Thesis. Chur 2010, 46

• Wettbewerbsbezogene Gründe:

Diese Antworten lassen keine eindeutigen Schlüsse zu.

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Nichtmehr-Nutzung Wettingen

23Mathys, Susanne. Gründe für die Nicht-mehr-Nutzung einer allgemeinen öffentlichen Bibliothek: Gemeindebibliothek Wettingen. Bachelor Thesis. Chur 2010, 47..

NutzerbezogeneGründe: Veränderte Lebenssituation –und wenn ja welche?

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Nichtmehr-Nutzung Wettingen

Mathys 2009, 54.

Fazit: „• Nicht in erster Linie das Angebot der Bibliothek führte dazu, die Bibliothek

nicht mehr aufzusuchen.

• Im Vordergrund standen Gründe, die durch Veränderungen der persönlichen Lebenssituation ausgelöst wurden.

• Diese führten zu einem veränderten Informations- und Medienbedarf

• Zudem wurde häufig der Mangel an Zeit als Grund der Nichtmehr-Nutzung genannt.

• Dennoch weisen die Nichtmehr-Nutzer die Bibliothek auf Handlungsbedarf hin.

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Vergleich Raum Köln/Düsseldorf

Büning/Fühles-Ubach/Seidler-de Alwis 2008, 27.

„Bei der Nicht-Mehr-Kundenbefragung wurden als Grund für das Fernbleiben der Nutzer keine grundsätzlichen Probleme mit Personal, Dienstleistungen oder Produkten genannt. Vielmehr spielen die temporären, sich immer wieder verändernden Lebens- oder Arbeitsbedingungen, wie zum Beispiel Schule, Ausbildung, Kleinkinder, Arbeitszeiten, eine entscheidende Rolle. Dies erschwert die Ermittlung eines Ansatzpunktes für gezielte Kundenbindungsmaßnahmen der Bibliotheken.“

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Wer sind die Nichtnutzer?

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Die wichtigsten Gründe: 1. „keine Zeit“

http://livingflow.typepad.com/photos/uncategorized/2008/09/12/zeitsprung.jpg

Was heisst das?

• Mangel an Zeit für den Medienkonsum?

• für den Bibliotheksbesuch?

• oder in Bezug auf die Öffnungszeiten?

• (Niemand hat „keine Zeit“. Er/sie nutzt sie nur anders.)

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Die wichtigsten Gründe: 2. Kauf

Girard-Billon/Hersent 1998. Büning/Fühles-Ubach/Seidler-de Alwis 2008, 30. http://static.cozop.com/imgdepot/7/3/4/1437/300_300_org_abcdetc.files.wordpress.com__2F2009__2F01__2Fdevorer-

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- In der Untersuchung in Paris 1997 das Argument z.B. mit 38% z.B. an 2. Stelle. Überdruchschnittlich bei - Nichtnutzer mit höherer Ausbildung (45%)

- und Viellesern (48%)

- Region Köln/Düsseldor 2/3 der

Nichtmehr-Benutzer (!)

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Die wichtigsten Gründe: 3. Nichtleser

http://www.lesen.tsn.at/index.php?archiv=1&con_id=1280

- Z.B.: 23% der Pariser Befragten (1997)

Anteil Personen, die angaben 2000 kein Buch gelesen zu haben.

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Aus den Ergebnissen• Nicht-Nutzerstudien sind eindeutig aufwändiger in der

Realisierung – allein schon durch den banalen Umstand, dass sie ausserhalb der Bibliothek durchgeführt werden müssen.

• Studien der Selbsteinschätzung haben tendenziell ein höheres Niveau an Bibliotheksbesuchern als harte Fakten (z.B. Besitz von Benutzerausweisen im Vlg. mit dem Total der Bevölkerung).

• Kundenabwanderung ist stark abhängig von äusseren Faktoren (Mobilität, Veränderung der Lebens-/Ausbildungssituation)

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Aus den Ergebnissen• Erstaunlich ist, dass die technische Ausstattung der

Bibliotheken ein Randthema – und wohl auch zu wenig erfragt worden ist.

• Der Anteil der Menschen in der Schweiz, die nichts von „ihrer“ Bibliothek wissen, ist beträchtlich.

• Zum Teil ergaben sich überraschend vergleichbare Resultate. Dies gilt in Bezug auf die Hauptgründe für die Nicht-Nutzung, wie z.B. auch auf den Prozentsatz der ehemaligen Nutzer, der in Deutschland, Frankreich und beim Beispiel von Westaustralien in einem Bereich von 27 und 32% lag.

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Aus den Ergebnissen• Wo liegt einen Sättigungsgrad für die Marktdurchdringung

(schweizerischer) Bibliotheken?

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Aus den Ergebnissen• Beträchtliches Problem bei der Öffentlichkeitsarbeit in diesem Land. – Die Bibliotheken sind einfach kein ständiges Thema.

– Sie sind in der (Stadt-)Landschaft nicht erkennbar.

– Eine grosse Minderheit weiss nicht, was Bibliotheken bieten.

– Es gibt kein gemeinsames, nationales Logo.

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Page 18: Robert barth Weshalb gehen Sie nicht (mehr) in die Bibliothek?

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35• The Status of Digitisation in Europe. Paul Ayris, LIBER Vice-President, Library Services, University College London, Gower Street, London WC1E 6BT, UK, [email protected]

• In: Liber quarterly Volume 19 (2010), No. 3/4