rotor nr. 4

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Bildet euch denn wir brauchen all eure Klugheit Bewegt euch denn wir brauchen eure ganze Begeisterung Organisiert euch denn wir brauchen eure ganze Kraft Nr. 4 | Spende 50 cent rotor lehrlingszeitschrift 05|2012

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Das ist die erste österreichweite Ausgabe des „Rotor“. Wir sind Lehrlinge und junge ArbeitnehmerInnen, die etwas zu sagen haben und die Welt verändern wollen. Wir arbeiten und lernen, um von unserer Arbeit einmal leben zu können. Aber unsere Würde verkaufen wir dabei nicht. Aufschreiben, diskutieren, voneinander lernen. Wenn wir merken, dass wir mit unseren Wünschen und Problemen nicht allein sind, sind wir schon einen guten Schritt weiter. Der nächste Schritt ist, dass wir uns zusammenschließen und uns organisieren!

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Bildet euch denn wirbrauchen all eure Klugheit

Bewegt euch denn wirbrauchen eure ganze Begeisterung

Organisiert euchdenn wir brauchen eure ganze Kraft

Nr. 4 | Spende 50 cent rotorlehrlingszeitschrift

05|2012

Editorial

Das ist die erste österreichweite Ausgabe des „Rotor“. Wir sind Lehr-linge und junge ArbeitnehmerInnen, die etwas zu sagen haben und die Welt verändern wollen. Wir arbeiten und lernen, um von unserer Arbeit ein-mal leben zu können. Aber unsere Würde verkaufen wir dabei nicht. Aufschreiben, diskutieren, voneinan-der lernen. Wenn wir merken, dass wir mit unseren Wünschen und Prob-lemen nicht allein sind, sind wir schon einen guten Schritt weiter. Der nächs-te Schritt ist, dass wir uns zusammen-schließen und uns organisieren!

In diesem Heft steckt nicht nur viel Ar-beit, sondern auch Druckkosten. Wir haben dieses Geld selbst vorgestreckt, weil wir davon überzeugt sind, dass du bereit bist 50 Cent oder 1 Euro beizutragen. Wer das Erscheinen des „Rotor“ mit einer Spende sichern will, ist herzlich willkommen. ■

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Rotieren!

Titelslogan Antonio GramsciImpressum Rotor, St. Anna-Straße 1, 6900 Bregenz

politik

Zwei Euro Stundenlohn – so viel un-gefähr bekommen junge Menschen in Griechenland für ihre Arbeit bezahlt. Beim letzten großen Sparpaket wurden nämlich die Mindestlöhne für Unter-25-jährige auf gerade einmal 450 Euro im Monat gesenkt. Gleichzeitig wurde die Arbeitszeit auf 12 Stunden erhöht. Viele Jugendliche finden aber überhaupt keinen Job, weil ein Unternehmen nach dem anderen pleite geht. Jeder zweite Jugendliche ist arbeitslos. So schaut die Krise aus.

Nicht nur in Griechenland, auch in Portugal, Spanien usw. geht es in diese Richtung. Überall sagen die PolitikerIn-nen, der Staat nicht mehr so viel Geld für Bildung, Gesundheit, Pensionen ausgeben. Die Gürtel müssen enger geschnallt werden. Warum? Weil die Banken und Finanzkapitalisten fordern, dass ihnen die Schulden plus Zinsen zurückgezahlt werden. Und je mehr Schulden ein Staat bei den Banken aufgenommen hat, desto mehr Zinsen

verlangen die Banken von den Regie-rungen. Und warum haben die Staaten alle so viele Schulden aufgenommen? Damit sie in der Krise die Banken vor der Pleite retten konnten. Die haben in den letzten Jahren weiter fette Profite gemacht und riesige Boni ausbezahlt und kommen jetzt daher und sagen, dass die arbeitenden Menschen über ihre Verhältnisse gelebt hätten.Die harten Sparpakete führen dazu, dass die Menschen weniger Geld zur Verfügung haben, arbeitslos wer-den, weniger ausgeben und die Krise dadurch noch mehr den Bach hinunter-geht. Sparpakete hin, Sparpakete her – die Schulden werden nicht weniger und fressen den Reichtum ganzer Länder auf. Profitieren tun dann erst wieder die Banken und die Superreichen.

So wird ein Land nach dem anderen wie Griechenland hergerichtet. Dort hat man geschaut, wie weit man die Löhne und Sozialleistungen drücken kann. Die Jugend hat dort keine Zukunft

mehr, viele Menschen sind verzweifelt: Eltern geben ihre Kinder in Heimen ab, weil sie zu wenig Geld haben, um die ganze Familie zu ernähren. Die Zahl der Selbstmorde nimmt immer mehr zu. Vor kurzem erschoss sich ein alter Mann in der Öffentlichkeit, in seinem Abschiedsbrief stand: „Ich sehe keine andere Lösung als jene eines würdevol-len Endes, bevor ich anfangen muss im Müll nach Essen zu suchen. Ich glaube, dass eines Tages die ‚Jugend ohne Zu-kunft’ Waffen in die Hand nehmen wird und die nationalen Verräter mit dem Kopf nach unten am Syntagma Platz aufhängen wird, so wie die Italiener es mit Mussolini 1945 auf der Piazza Lore-to in Mailand gemacht haben.“

Dieser Prozess findet in ganz Europa statt und wird auch nach Österreich kommen. Schon jetzt haben wir jungen ArbeiterInnen genügend Probleme (was die Berichte aus den Betrieben in dieser Ausgabe sehr gut zeigen). Diese Krise zerstört unsere Zukunftsperspektiven. Uns bleibt nur eine Antwort: Wir müs-sen uns organisieren!

Die Rotor-Redaktion

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Wir alle sind GriechInnen

aus den Betrieben

Bei „Blum Beschläge“ arbeiten am Standort Vorarlberg 4100 Arbeiter-Innen und Angestellte in sechs Werk-hallen und den Büros. Wir erzeugen Produkte im Wert von über einer Milliarde Euro jährlich. Das Lehr-lingsausbildungssystem gilt als so innovativ, dass Egon Blum zwischen 2003 und 2008 sogar zum Lehrlings-beauftragten der Bundesregierung gemacht wurde. Jedes Jahr werden etwa 60 Lehrlinge im Betrieb auf-genommen, von denen aber nur die besten in die Produktion übernom-men werden.

Mädchen, die bei Blum die Lehre ma-chen, wird es aber besonders schwer gemacht. Im 2. Lehrjahr sind von 64 Lehrlingen 11 Mädchen und junge Frauen, die zu Metallfacharbeiter-innen ausgebildet werden. Im letzten Herbst wurden 60 neue Lehrlinge eingestellt, darunter sind aber nur mehr drei Mädchen. Der Grund liegt nicht darin, dass wir Mädchen von

Haus aus nichts mit dem Werkstoff anfangen könnten. Im Gegenteil! Aber der alltägliche Sexismus der Ausbildner zeigt, dass Mädchen in der Metallindustrie noch immer nicht gern gesehen sind.

Lehre ist auch Lernen, und viel vom Erfolg hängt davon ab, ob etwas gut erklärt wird. Wir hantieren mit allerlei Maschinen, und die Werk-stücke werden dann penibel geprüft. Als drei von uns dann einmal ein

Werkstück aus Unkenntnis falsch gemacht haben, sagte der

Ausbildner zu uns: „Das beste ist wenn ihr drei alle durch-

gefickt werdet, schwanger werdet und dann beim Spar Marmeladegläser schlich-tet.“ Dann hat er unsere Sachen auf den Boden geschmissen. Das war uns dann zuviel. Wir gingen

zum Jugendvertrauens-rat. Der sagte, dass man da

nichts machen könnte, weil das normal sei. Wir gingen weiter

zum Ausbildungsleiter, weil für uns das eben nicht normal ist. Das Resul-tat war bisher, dass es eine Sitzung von allen weiblichen Lehrlingen mit der Lehrlingsbeauftragten und dem

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Wir Metallerinnen lassen uns nicht ficken

aus den Betrieben

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Mitarbeiterprämie für Lehrlinge bei Böhler

Ausbildungsleiter gab. Wir haben hier die Übergriffe von Ausbildnern zu Sprache gebracht – nicht nur den unmittelbaren Auslöser, sondern die allgemeine Respektlosigkeit gegen-über Lehrlingen. So hat es ein Aus-bildner etwa speziell auf Lehrlinge aus dem Bregenzer Wald abgesehen, bezeichnet die Wälder KollegInnen als „dumm“ und redet mit ihnen in Kindersprache. Eine Kollegin, die sich so gut es geht daran hält, nicht gegen das „Sozi-Verbot“ im Be-trieb zu verstoßen, wurde zur Rede gestellt, weil sie rote Schuhbänder in den Arbeitsschuhen trägt – obwohl die so aus der Schuhfabrik kommen.

Die Ausbildung ist in Ordnung. Man lernt, was man lernen muss, um eine Facharbeiterin zu werden, aber wir wollen Respekt. Daher haben wir Mädchen uns zusammengetan. An un-serem Arbeitsoverall tragen wir jetzt die lila Rose der SJ-Frauen als Zeichen unseres Zusammenhalts. Niemand kann verlangen, dass wir die runter nehmen, weil wir damit ja auch gegen keine Sicherheitsregeln verstoßen. ■

Seit Jahren ist es ein Anliegen der Lehrlinge, dass Lehrlinge, die in der Produktion tätig sind, auch einen Anteil am kleinen Kuchen der „Gewinnprämie“ bekommen. Diese Forderung war nur allzu berechtigt, da Lehrlinge in der Produktion auch an der Gewinnmache und am Ver-dienst der Firma stark beteiligt sind. Damit gemeint sind Lehrlinge, die außerhalb der Lehrwerkstätte in den Produktionshallen und –betrieben in die Produktionsgänge integriert werden und den Facharbeitern bei der gewinnbringenden Arbeit unter-stützend helfen und vor allem bei den Vorgängen lernen sollten. Doch Geduld und Druck tragen auch oft-mals ihre Früchte. Diese langjährige Forderung vom Jugendvertrauensrat wurde nach großen Anstrengungen und einem Betriebsratswechsel zusammen mit Unterstützung des

neuen Be-triebsrats ein-gefordert und von der Ge-schäftsführung angenommen. Zwar wird der Anteil prozentuell zu den Prämien der Facharbeiter genommen, doch Geld ist Geld in Zeiten, in denen man um jeden Euro kämpft! Der Anteil beträgt im 1. Lehr-jahr 15% im 2. Lj. 30%, im 3. Lj. 55% im 4. Lj. 75%. Zwar ist die Gerechtig-keit noch nicht komplett hergestellt, da es nur Lehrlinge in der Produktion und nicht die in der Lehrwerkstätte betrifft, doch wie gesagt, klein sind die Schritte des Erfolgs.

Also: holt euch, was euch zusteht. Besteht auf euer Recht, und mit ein wenig Druck und Geduld ist vieles möglich! Seiti

aus den Betrieben

Ich arbeite jetzt seit gut einem Jahr bei REWE in Vorarlberg und mache dort meine Lehre. Der REWE-Konzern beschäftigt insgesamt rund 336.000 MitarbeiterInnen und hat einen Jahres umsatz von 53 Mrd. Euro. Eine große Anzahl an Arbeitern und Arbeiter innen, die mit mir ein Schick-sal teilen.

Eine gewisse Flexibilität ist Voraussetzung bei dem Job. Ein großes Problem der sehr flexiblen Arbeitszeiten ist, dass das Privatleben auf der Strecke bleibt. Es wird uns für wenig Geld eine Arbeit zugemutet, die ein eigenständiges und angemess-enes Leben ausschließt. Im 1. Lehr-jahr verdiene ich 439 Euro, später als Fachkraft schaut es mit ca. 1000-1100 Euro im Monat auch nicht wirklich rosig aus. Bei Mietpreisen von 8-12 Euro pro m2 ist eine eigene Wohnung kaum finanzierbar. Nicht einmal der Tageseinkauf ist möglich, ohne das Budget genau zu kalkulieren. Ein-

fache Dinge werden da schnell zu Luxusartikeln. Viel einfacher wäre es doch, wenn man die abgelaufene Ware, die meist nicht einen Tag älter und eigentlich noch frisch ist, mitneh-men könnte, aber nein. Diese Ware wird ohne Umschweife in die Tonne befördert, das Mitnehmen gilt als Dieb-stahl. Nicht wenige Kolleginnen sind sogar von gemeinnützigen Organisa-tionen, wie z. B. der Tafel, abhängig.

Wir sorgen für den Reichtum des Konzerns, der immer größer wird, weiter ankauft und neue Märkte eröff-net. Schließlich lassen sie noch mehr Menschen unserer Klasse in ihrer Ausbeutungsmaschinerie arbeiten.

Ein Arbeiter allein kann nichts dage-gen tun, nur zusammen lässt sich irgendetwas ändern. Eigentlich ist es doch eine ganz einfache und logische Frage: Sollten diejenigen, die den ganzen Konzern am Laufen halten, die ihn zu dem machen, was

er ist, nicht mehr, oder besser gesagt angemessen, für ihre Arbeit bezahlt werden? Genau das ist die Frage, die uns zu unseren Forderungen bringt:

• Höhere Löhne: Wir wollen von un-serer Arbeit ein selbstständiges und angemessenes Leben führen können!• Fixe Arbeitszeiten: Ein Leben neben der Arbeit sollt e es auch noch geben! • Der REWE-Konzern ist einer der größten Lebensmittelkonzerne Europas, zugleich auch der größte Lebensmittelverschwender! REWE muss gesellschaftliche Verantwor-tung übernehmen!

Es wird nur dann sich etwas verän-dern, wenn du dich mit uns und deinen Kolleginnen und Kollegen beginnst zu organisieren. Der französische Vorstandsvor-sitzende von REWE wird nicht von selbst etwas daran ändern wollen. Wir müssen mit der Faust auf seinen Tisch klopfen und ihm klar machen, dass wir bereit sind für unsere Rechte, für das was uns zusteht, zu kämpfen! ■

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Ausbeutungsmaschinerie REWE

aus den Betrieben

Ich arbeite seit knapp zwei Jahren halbtags in der Nachmittagsbetreu-ung einer Leondinger Volksschule als Sozialpädagogin. Mein Team besteht aus zwei Pädagoginnen (ich und eine zweite Kollegin), einer Helferin und einer Köchin. Insgesamt werden knapp über siebzig Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren betreut.Grundsätzlich macht es sehr viel Spaß, diese Arbeit auszuüben, da mir der Kontakt zu den Kindern und ihren Familien viel Freude bereitet.

Aber halbtags mit einem großen Klientenkreis zu tun zu haben, birgt auch viele Probleme:• Die Bezahlung ist relativ schlecht. Ich als Alleinerziehende verdiene knapp 725 Euro netto im Monat.• Der Stress ist extrem. Ich muss sehr oft über 30 Kinder komplett alleine betreuen und sollte meine Augen überall haben. Ich kann auch weder auf die Toilette gehen noch etwas trinken oder essen.

• Die Aufstiegschancen in diesem Bereich sind niedrig.• Krankenstand oder Pflegeurlaub sind fast unmöglich, da die eigene Arbeitskraft im Endeffekt fehlt. Nur selten werden SpringerInnen in dem betreffenden Betrieb eingesetzt.• Von einem Betrieb in einen anderen zu wechseln funktioniert kaum. Ich warte nun schon über ein Jahr auf eine 30-Stunden-Stelle in einem Hort.• Auch wenn mein Chef ein extrem netter Mensch ist: auf die psychische Belastung seiner MitarbeiterInnen durch diverse Stresssituationen nimmt er kaum Rücksicht. Ich habe z. B. durch die Problematik mit der Menge an Kindern an meinem Arbeitsplatz extreme Migräne und eine Erschöpf-ungsdepression entwickelt. Ich war deshalb auch schon des Öfteren im Krankenstand.Nun bin ich der Meinung, dass viele dieser Probleme gelöst werden könnten, sei es durch mehr Personal anstatt Personalkürzung und grund-

sätzlich mehr Gehalt statt weniger. Die Cari-tas zahlt beispielsweise für dieselbe Anstel-lung mehr Gehalt als die Gemeinde Leonding, wenn man – wie ich – den Titel „diplomierte So-zialpädagogin“ vor dem Namen trägt. Deshalb wäre ich auch für den im März angesetzten Streik der oberös-terreichischen Landes- und Gemein-debediensteten gewesen, genauso wie viele andere die im Kinderbetreu-ungsbereich beschäftigt sind.Nachdem der Streik abgesagt bzw. verschoben wurde, habe ich munkeln gehört, dass viele aus der Gewerk-schaft wegen ihrer Inkonsequenz ausgetreten sind. Das ist für mich absolut nachvollziehbar, aber ich finde es wichtig, dass die KollegInnen nicht austreten sondern versuchen die Gewerkschaft zu verändern. Ich möchte gerne der Gewerkschaft beitreten, kann mir aber den Gewerk-schaftsbeitrag nicht leisten. Magda

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Soziale Arbeit ist mehr wert!

Aus den Betrieben

Wir sprachen mit Laurenz aus Niederösterreich über seine Lehre zum Binnenschiffer.

Stelle bitte deinen Lehrberuf vor!

BinnenschifferInnen arbeiten vor allem auf Gütertransportschiffen, aber auch auf Fahrgastschiffen. Im Gütertransport sind sie für die Vor-bereitung und Überwachung der Be- und Entladung des Schiffes, für die Verankerung des Schiffes im Hafen, für die Vorbereitung des Schiffes zur Fahrt, für die Zusammenstellung von Schiffskonvois sowie für die Rei-nigung, Instandhaltung und Wartung des Schiffes und der Schiffsausrüs-tung zuständig. Während der Fahrten führen sie auch Wachdienste (vor allem in der Nacht) und sonstige für die Fahrt erforderliche Tätigkeiten (z.B. Schleusenarbeiten) durch. Auf Fahrgastschiffen führen die Bin-nenschifferInnen hauptsächlich Reinigungs-, Wartungs- und Instand-

haltungsarbeiten durch. Die Lehrzeit beträgt 3 Jahre.

Gibt es Probleme in deiner Lehraus-bildung?

Ich persönlich bin mit meiner Aus-bildung sehr zufrieden, wobei es (wie ich schätze in jedem Lehrberuf ) ein paar Probleme gibt. Am meisten stört mich, dass es einen Kapitän gibt, der seiner Pflicht, Lehrlinge und Matrosen in der Ausbildung zum Steuermann, oder zumindest die Fähigkeit ein Schiff zu steuern, nicht nachkommt.

Werden Mitarbeiterinnen und Mitar-

beiter in die Entscheidung im Betrieb miteinbezogen?

Da unsere ChefInnen mit der Schifffahrt direkt nicht viel zu tun

haben, regeln wir eigentlich alles selbst. Von der Geschäftsleitung

kommen nur Anweisungen, wie das Schiff auszusehen hat bzw. charter-mäßige Organisationen.

Habt ihr eine betriebliche Interes-sensvertretung, wie einen Betriebs-rat oder einen Jugendvertrauensrat?

Nein, haben wir nicht. Aber wir haben einen sehr netten Bootsmann, dem ich alles anvertrauen kann, was mich im Betrieb und auch privat belastet.

Was würdest du im Betrieb oder in deiner Ausbildung verändern wollen?

Ich würde es lieber haben, wenn die Anweisungen an uns Lehrlinge von einer Person kommen und nicht von allen nautisch höher gestellten Personen. Mit der Bezahlung bin ich eigentlich zufrieden. ■

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Schiff ahoi!

Unsere Forderungen

Für das Recht auf eine qualitativ hochwertige Ausbildung - Kosten-lose Polytechnische Gesamtschule für alle bis 18! Das kapitalistische Bildungswesen läuft auf eine Trennung zwisch-en Hand- und Kopfarbeit hinaus. Spätestens nach dem 9. Schuljahr und dem Ende der Schulpflicht, wenn die Entscheidung ansteht, ob Jugendliche zu arbeiten beginnen oder eine weiterführende Schule besuchen, ist diese Trennung in Stein gemeißelt. Dem gilt es durch die Ein-führung einer öffentlich verwalteten und finanzierten Polytechnischen Gesamtschule für alle bis 18 Jahre ein Ende zu setzen. Die Polytechni-sche Gesamtschule verbindet prak-tische und theoretische Erziehung und würde somit der Arbeitsteilung in Kopf- und Handarbeit entgegen-wirken. Diese Schulbildung würde

mit einer Matura und einem Lehrab-schluss abgeschlossen. Dies erst würde die beste Vorausset-zung für eine qualitativ hochwertige, den gesellschaftlichen und ökonom-ischen Bedürfnissen entsprechende Ausbildung schaffen. Solange das duale Ausbildungssystem besteht, kämpfen wir gegen jede Form von Lehrlingsausbeutung und das Recht auf einen qualitativ hochwertigen Ausbildungsplatz.

Für öffentliche Lehrwerkstätten statt Fördergelder an die Unterneh-men!Seit 2008 gibt es für Betriebe, die Lehrlinge ausbilden, die sogenannte Basisförderung (früher „Blum-Bonus“). Es werden damit im 1. Lehr-jahr drei Lehrlingsentschädigungen, im 2. zwei Lehrlingsentschädigungen und im 3. Lehrjahr eine Lehrling-

sentschädigung den Betrieben von der öffentlichen Hand bezahlt. Hand in Hand damit ging die Aufhebung des Kündigungsschutzes. Das Ergeb-nis dieser staatlichen „Anreizpolitik“ ist, dass viele Lehrlinge nach dem 1. oder 2. Lehrjahr gekündigt werden. Für sie ist es dann umso schwieriger die begonnene Lehre abzuschließen. Und selbst wenn Lehrlinge bis zur Abschlussprüfung behalten werden, kommt es in den seltensten Fällen zu einer Übernahme im Lehrbetrieb. Viel lieber greifen die Betriebe dann wieder auf billigere Lehrlinge zurück, für die sie Förderungen erhalten. Die von der Wirtschaftskammer im Gegenzug zur Einführung dieser und weiterer Förderungen versprochenen 5000 zusätzlichen Lehrstellen gab es nicht. Lehrlinge werden nur noch mehr zu flexibel einsetzbaren Bil-ligarbeitskräften.

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Programm gegen Lehrlingsausbeutung und Jugendarbeitslosigkeit

unsere forderungen

In Wirklichkeit haben sich die Be-triebe aus der Lehrlingsausbildung immer stärker zurückgezogen und überlassen diese Aufgabe dem Staat. Die staatlich finanzierten Lehrwerk-stätten (ÜBAs) stellen aber eine weitere Verschlechterung gegenüber der betrieblichen Ausbildung dar. Was es braucht sind öffentliche überbetriebliche Lehrwerkstätten, die durch eine Zwangsabgabe von nicht ausbildenden Betriebe finanz-iert werden. Die Lehrausbildung in diesen Werkstätten muss unter Kon-trolle einer Kommission stehen, die je zu je einem Drittel aus Lehrlingen, GewerkschaftsvertreterInnen und Lehrpersonal zusammengesetzt ist.

30 Stunden Arbeitswoche für Ju-gendliche unter 18 Jahren!Arbeitszeitverkürzung ist nicht zuletzt zum Schutz der Gesund-heit jugendlicher ArbeitnehmerIn-nen wichtig. Viele körperliche und seelische Krankheiten sowie Sucht-verhalten sind Folgen von Stress und Überarbeitung. Weniger Arbeitszeit bedeutet mehr Freizeit! Zeit, in der

man sich einerseits erholen kann, andererseits Zeit hat, um eigenen Interessen nachzugehen. In diesem Sinne fordern wir einerseits auch mehr Urlaub und zweitens ein sofort-iges Verbot von Wochenendarbeit für Lehrlinge.

Für eine Entlohnung, von der man leben kann!Die meiste Zeit verbringen Lehrlinge mit gewöhnlicher, produktiver Arbeit und schaffen somit Mehrwert. Nur ein geringer Teil der Arbeitszeit wird in den meisten Fällen für Ausbil-dung im engeren Sinn verwendet. Es ist daher nicht einzusehen, warum Lehrlinge nur eine sogenannte „Lehrlingsentschädigung“ erhalten und Unternehmer sich auf diesem Weg Geld ersparen und ihre Profite maximieren. Völlig inakzeptabel ist, dass die Lehrlinge in den ÜBAs nicht einmal diese Lehrlingsentschädigung bekommen sondern ein Taschengeld, das weit unter der Lehrlingsentschäd-igung liegt. Das Ziel ist ein generel-ler Mindestlohn für Lehrlinge in der Höhe von etwa 50% eines durch-

schnittlichen Facharbeiterlohns. Das wären mindestens 900 Euro monatlich. Nur so ist es möglich, dass Lehrlinge beginnen können, un-abhängig von den Eltern eine eigen-ständige Existenz aufzubauen.

Übernahme aller Ausbildungskos-ten durch das Kapital!Die Unternehmen wälzen einen großen Teil der Ausbildungskosten direkt auf die Lehrlinge ab. Dies gilt teilweise für die Kosten, die beim Besuch der Berufsschule anfallen (Reisekosten, Internat), aber auch oft für den Kauf der Dienstkleidung oder den Erwerb z.B. des Staplerscheins. Sämtliche Kosten, die im Rahmen der Lehre für die Ausbildung an-fallen, müssen von den Unterneh-men bzw. von der öffentlichen Hand getragen werden.

Kündigungsschutz für Lehrlinge zurückerkämpfen! Weg mit der Probezeit für Lehrlinge!Lehrlinge können derzeit während der ersten drei Monate (der soge-nannten Probezeit), ohne Angabe

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unsere forderungen

von Gründen gefeuert werden. Das bietet den Unternehmern eine gute Möglichkeit, um in Saisonspitzen billige Arbeitskräfte einzustellen, jene Lehrlinge herauszufiltern, die ihnen besonders gut passen und um somit die Konkurrenz zwischen den Lehrlingen zu steigern. Besonders oft betrifft dies Lehrlinge im Gastge-werbe und im Tourismus, wo es für die Betriebe von besonderem Vorteil ist, für bestimmte Monate zusätzliche Arbeitskräfte einzustellen. Ein Drittel aller Lehrverträge im Gastgewerbe wird bereits während der Probezeit aufgelöst. Die Probezeit dient nur den Interessen der Kapitalisten aus und gehört daher abgeschafft!Seit 2006 wurde der Kündigungs-schutz für Lehrlinge immer weiter abgebaut. Zuerst wurde die Probezeit auf drei Monate verlängert. 2008 wurde der Kündigungsschutz schließlich soweit abge-baut, dass Lehrlinge nun nicht mehr nur in der Probezeit sondern auch nach dem 1. und 2. Lehr-

jahr ohne Grund gekündigt werden können. Das Mediationsgespräch zwischen Chef und Lehrling, das vorher stattfinden soll, um eine ein-vernehmliche Lösung zu finden, ist kein Schutz vor einer Kündigung. Die UnternehmerInnen haben freie Hand. Der fehlende Kündigungsschutz ist ein wichtiges Druckmittel, damit Lehrlinge Überstunden und „ausbil-dungsfremde“ Tätigkeiten machen und nicht auf ihre Rechte pochen. Ohne Kündigungsschutz wächst natürlich auch die Konkurrenz unter den Jugendlichen. Holen wir uns den Kündigungsschutz zurück und schaffen wir Bedingungen, wo wir für unsere Interessen und Rechte kämpfen können!

Für freie politische und gewerk-schaftliche Betätigung im Sinne der ArbeiterInnenklasse!Die spezifischen wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Bedürfnisse der Lehrlinge werden vom demokratisch gewählten Ju-gendvertrauensrat artikuliert und organisiert. Der Jugendvertrauens-rat ist politisch aufzuwerten. In den Lehrwerkstätten und Berufsschulen muss absolute Meinungsfreiheit und das Recht, sich gewerkschaftlich und politisch zu organisieren gelten. Gegen jede Form von Sexismus und Rassismus in den Ausbildungsstät-ten! Gegen jede Form von Repres-sion! Lehrlingen darf das Streikrecht nicht vorenthalten werden!

Gewerkschaftsmitglied werden – Gewerkschaft verändern!

Nur wenn wir uns organisieren, können wir etwas verändern. Deshalb: Gewerkschaftsmitglied

werden und für demokratische und kämpferische Gewerk-schaften eintreten! ■

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TermineDemonstration gegen das „Heldengedenken“ der rechtsextremen Burschenschaften – 8. MaiTreffpunkt: Uni Wien (vor Unirampe) um 17 Uhr

Antifa Seminar – 11. bis 13. MaiÜber 200 Jugendliche aus Österreich und Deutschland beteiligen sich jedes Jahr am Antifaschismus-Seminar der Sozialistischen Jugend Österreich im Europacamp am Attersee (OÖ). Beim inhaltlichen Programm, das den Themenkomplex Faschismus, Rechtsextremismus, Antifa vor Ort sowie einem Zeitzeugengespräch umfasst, ist wie immer für jeden und jede etwas dabei.

Befreiungsfeier im ehemaligen KZ Mauthausen – 13. MaiAuch heute 67 Jahre nach dem Ende des Nazi-Terrors gilt: Niemals vergessen! Denn wer aus der Geschichte nicht lernt, ist verdammt sie zu wiederholen!

Nieder mit der Diktatur der Märkte! – 25. bis 28. Mai Drei Tage Workshops, Badesee und Fußballplatz. Im Zuge des Pfingstseminars im Falkencamp Döbriach (Kärnten) findet unser nächstes Redaktionstreffen statt.

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