russland_ sanktionen der eu laufen ins leere

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19. Jun. 2015, 14:47 Diesen Artikel finden Sie online unter http://www.welt.de/142752445 14:04 Ukraine-Konflikt Mit viel Getöse hat die EU Sanktionen gegen Russland eingeführt. Doch entweder werden sie nicht richtig umgesetzt, oder sie schaden sogar der eigenen Wirtschaft. Bilanz einer katastrophalen Politik. Von Jörg Eigendorf , Andreas Maisch, Eduard Steiner , Andre Tauber Foto: Konstantin Zavrazhin/Getty Images Ein Beispiel für die Sanktionen gegen Russland: Zwei Pferde des Präsidenten der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramzan Kadyrow, dürfen nicht mehr an Rennen teilnehmen und Preisgeld gewinnen Die Antworten sind kurz und knapp und meist sehr unbefriedigend. Man habe weniger als 120.000 Euro an Vermögen eingefroren, schreibt das Außenministerium Zyperns zurück. Die irische Zentralbank wiederum hat über eingefrorene Vermögenswerte "keine Nachricht erhalten". Auch aus Finnland kommt ein "No assets are frozen". Gleiches gilt für Kroatien, Malta, Slowenien, die Slowakei und Spanien. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn sagt der "Welt", ein Komitee mehrerer Ministerien analysiere noch die Umsetzung der Sanktionen im Land. "Die Analyse der Daten ist noch nicht abgeschlossen und die entsprechenden Informationen können deshalb nicht veröffentlicht werden." Da ist die Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin schon fast ein Erfolgserlebnis: 124.346 Euro habe man eingefroren – und zwei Pferde. Aus Kreisen des Wirtschaftsministeriums ist zu hören, dass insgesamt vier Konten von insgesamt zwei Personen, Unternehmen oder Organisationen betroffen sind. Es geht um die Sanktionen gegen inzwischen 150 "natürliche Personen", die die Europäische Union seit März 2014 auf eine schwarze Liste gesetzt hat. Das Resultat scheint typisch für das Vorgehen der Europäischen Union, wenn es um Russland und den Ukraine-Konflikt geht. Es wird viel geredet, aber dann passiert wenig. Kaum einer der 150 Russen und Ukrainer, darunter enge Vertraute Wladimir Putins bis hin zum Geheimdienstchef Alexander Bortnikow oder dem stellvertretenden Leiter der Präsidentschaftsadministration Wjatscheslaw Wolodin scheint wirklich betroffen. Das Eigentum der meisten, wenn sie denn welches auf dem Gebiet der EU haben sollten, blieb unentdeckt und unangetastet. Wenn man selbst im Russen-Eldorado Zypern weniger als 120.000 Euro findet, dann kann es mit der Ernsthaftigkeit der Suche nicht weit her sein. Katastrophale Sanktionspolitik der EU gegen Russland Russland: Sanktionen der EU laufen ins Leere - DIE WELT http://www.welt.de/wirtschaft/article142752445/Katastrophale-Sankti... 1 von 5 19.06.2015 14:47

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russland

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  • 19. Jun. 2015, 14:47

    Diesen Artikel finden Sie online unter

    http://www.welt.de/142752445

    14:04 Ukraine-Konflikt

    Mit viel Getse hat die EU Sanktionen gegen Russland eingefhrt. Doch

    entweder werden sie nicht richtig umgesetzt, oder sie schaden sogar

    der eigenen Wirtschaft. Bilanz einer katastrophalen Politik. Von Jrg

    Eigendorf , Andreas Maisch, Eduard Steiner , Andre Tauber

    Foto: Konstantin Zavrazhin/Getty Images

    Ein Beispiel fr die Sanktionen gegen Russland: Zwei Pferde des Prsidenten der russischen Teilrepublik

    Tschetschenien, Ramzan Kadyrow, drfen nicht mehr an Rennen teilnehmen und Preisgeld gewinnen

    Die Antworten sind kurz und knapp und meist sehr unbefriedigend. Man habe weniger als

    120.000 Euro an Vermgen eingefroren, schreibt das Auenministerium Zyperns zurck. Die

    irische Zentralbank wiederum hat ber eingefrorene Vermgenswerte "keine Nachricht

    erhalten".

    Auch aus Finnland kommt ein "No assets are frozen". Gleiches gilt fr Kroatien, Malta,

    Slowenien, die Slowakei und Spanien. Luxemburgs Auenminister Jean Asselborn sagt der

    "Welt", ein Komitee mehrerer Ministerien analysiere noch die Umsetzung der Sanktionen im

    Land. "Die Analyse der Daten ist noch nicht abgeschlossen und die entsprechenden

    Informationen knnen deshalb nicht verffentlicht werden."

    Da ist die Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums in Berlin schon fast ein Erfolgserlebnis:

    124.346 Euro habe man eingefroren und zwei Pferde. Aus Kreisen des

    Wirtschaftsministeriums ist zu hren, dass insgesamt vier Konten von insgesamt zwei

    Personen, Unternehmen oder Organisationen betroffen sind.

    Es geht um die Sanktionen gegen inzwischen 150 "natrliche Personen", die die Europische

    Union seit Mrz 2014 auf eine schwarze Liste gesetzt hat. Das Resultat scheint typisch fr

    das Vorgehen der Europischen Union, wenn es um Russland und den Ukraine-Konflikt geht.

    Es wird viel geredet, aber dann passiert wenig.

    Kaum einer der 150 Russen und Ukrainer, darunter enge Vertraute Wladimir Putins bis hin

    zum Geheimdienstchef Alexander Bortnikow oder dem stellvertretenden Leiter der

    Prsidentschaftsadministration Wjatscheslaw Wolodin scheint wirklich betroffen. Das

    Eigentum der meisten, wenn sie denn welches auf dem Gebiet der EU haben sollten, blieb

    unentdeckt und unangetastet. Wenn man selbst im Russen-Eldorado Zypern weniger als

    120.000 Euro findet, dann kann es mit der Ernsthaftigkeit der Suche nicht weit her sein.

    Katastrophale Sanktionspolitik der EU gegen Russland

    Russland: Sanktionen der EU laufen ins Leere - DIE WELT http://www.welt.de/wirtschaft/article142752445/Katastrophale-Sankti...

    1 von 5 19.06.2015 14:47

  • Die zwei Pferde sind da eine Ausnahme, wobei sie sich mit einer einfachen Google

    (Link: http://www.welt.de/themen/google/) -Suche finden lieen. Denn "Zazou" und "Dashing Home"

    gehren ganz offiziell Ramzan Kadyrow, dem Prsidenten der russischen Teilrepublik

    Tschetschenien. So steht es im "Direktorium fr Vollblutzucht & Rennen". Eine

    Beschlagnahmung sei das allerdings nicht, erklrt das Bundeswirtschaftsministerium.

    Die Rennpferde seien lediglich "nach Magabe der Verordnung als wirtschaftliche

    Ressourcen eingefroren", schreibt ein Sprecher, und meint das zum Glck nicht im Wortlaut:

    "Dies bedeutet, dass sie nicht mehr zur Gewinnerzielung eingesetzt oder veruert werden

    drfen." In Tschechien war man hnlich erfolgreich. Auch dort gab es nur ein Sanktionsopfer:

    Kadyrow und seine Pferde.

    Der robuste Tschetschene wird das verkraften. Sein Prachtpferd Zazou hat die beste Zeit

    hinter sich und Kadyrow 2014 nur noch 17.000 Euro an Sieg- und Platzgeld eingebracht,

    nachdem der Hengst in den fnf Jahren zuvor fast 1,2 Millionen Euro gewonnen hatte. Noch

    gelassener drften die meisten der 149 anderen Russen und auch Ukrainer die Sanktionen

    sehen.

    Magere Bilanz

    Denn in der Regel scheinen sich die europischen Behrden nicht einmal sonderlich

    angestrengt zu haben, um Geld, Villen und Autos der Sanktionierten aufzuspren. Da wiegt

    wohl viel schlimmer, dass diese ihre Kinder nicht mehr auf den Boarding-Schools in England

    oder sonst wo in Europa besuchen drfen. Doch es wrde angesichts der Bilanz nicht

    berraschen, wenn einige der Herren auf der Liste trotz Einreiseverbot ber irgendeine

    Grenze in die EU eingereist wren.

    Angesichts dieser mageren Bilanz kann es nicht verwundern, dass man auf europischer

    Seite den fehlenden Erfolg nicht dokumentiert haben will. Es gibt offenbar nicht einmal eine

    zentrale Datenbank zu den konkreten Konsequenzen der Sanktionen bei der EU-Kommission

    oder dem Rat. Trotz mehrmaliger Nachfrage sah man sich auer Stande, die Summe der

    eingefrorenen Gelder, Immobilien und Vermgensgegenstnde zu beziffern.

    "Die Umsetzung der Sanktionen erfolgt in den Mitgliedsstaaten", teilte eine Sprecherin

    lediglich mit. Und tatschlich ist die Liste nur in einer Hinsicht ziemlich lang: Mit Spanien,

    Malta, Finnland, Kroatien, Slowenien, Slowakei, Ungarn, Irland und Litauen haben mindestens

    neun von 28 befragten Lndern berhaupt keine Vermgenswerte beschlagnahmt, in den

    meisten anderen Lndern ist es vernachlssigbar. Oder sie haben gar nicht erst geantwortet.

    Eine Ausnahme ist Italien. An einem khlen Septembermorgen vergangenen Jahres ging die

    italienische Finanzpolizei in einer Hrte gegen den russischen Milliardr Arkadi Rotenberg

    vor, die in Europa bislang ihresgleichen sucht, wenn es um Russland geht: Ein Luxushotel in

    Rom, ein Apartment in Tarquinia, eine Villa in Villasimius, zwei Wohnungen an der Costa

    Smeralda die Beamten von der "Guardia di Finanza", der italienischen Finanzpolizei, waren

    bestens vorbereitet. Innerhalb weniger Minuten entzogen sie dem engen Vertrauten Putins

    die Kontrolle ber Eigentum im Wert von rund 30 Millionen Euro.

    EU wiegelt ab

    Whrend, abgesehen von Rotenberg und Kadyrow, die Konsequenzen fr die russischen

    Politiker und Oligarchen vernachlssigbar sind, wirkt sich ein anderer Teil der Sanktionen

    weitaus dramatischer aus und zwar nicht nur fr Russland, sondern auch fr die meisten

    der 28 Staaten in der Europischen Union. Es geht um die Handelsbeschrnkungen. Auch

    sie wurden im Mrz 2014 gro angekndigt.

    Und auch hier hlt die Europische Union die ffentlichkeit bei den Folgen weitgehend im

    Dunkeln. So kann man zu Rckschlssen und Empfehlungen kommen, die politisch opportun

    sind, wenn man kurz davor steht, die Sanktionen bis Ende Januar 2016 zu verlngern. Das

    haben die Auenminister am Montag auf der Tagesordnung.

    Die Folgen fr die europischen Volkswirtschaften hlt man in Brssel, wo man sich derzeit

    zum Thema Russland nicht offiziell zitieren lassen mchte, fr denkbar gering. Die Mehrheit

    der Exporte sei von den Manahmen nicht betroffen, heit es. Die Auswirkungen der

    Sanktionen fr die europische Wirtschaft seien "relativ klein und handhabbar" zumal

    Unternehmen einen Teil der Waren nun in andere Lnder verkaufen, etwa auch im

    Agrarsektor.

    So teilte es die Europische Kommission nach Information der LENA-Korrespondenten den

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    2 von 5 19.06.2015 14:47

  • Vertretern der Mitgliedsstaaten Ende Mai vertraulich mit. Und man ist sogar zuversichtlich,

    dass die bestehenden negativen Auswirkungen der Sanktionen sich nun wieder verringern

    werden.

    Mit der Realitt wird das wahrscheinlich nichts zu tun haben. Denn man kommt zu ganz

    anderen Ergebnissen, wenn man die Annahmen etwas verndert und den Zeithorizont

    erweitert. Das ergeben Berechnungen, die das sterreichische Institut fr

    Wirtschaftsforschung (Wifo) exklusiv fr LENA vorgenommen hat: Demzufolge steuern die

    europischen Volkswirtschaften mit Blick auf die Russlandkrise auf ein Worst-

    Case-Szenario zu, das mehr als zwei Millionen Arbeitspltze und rund 100 Milliarden Euro an

    Wertschpfung kosten knnte.

    Deutschland trifft es besonders hart

    Basis dieser Berechnungen ist das erste Quartal dieses Jahres, als viele Altvertrge

    ausliefen und der Export nach Russland in vielen Lndern abstrzte. Besonders

    eindrucksvoll war das in Estland der Fall. Die Warenlieferungen aus dem baltischen Land

    gingen gegenber dem Vorjahr um fast die Hlfte zurck. In anderen Lndern ist der

    Einbruch nicht ganz so dramatisch, doch auch hier verzeichneten die Exporte nach Russland

    im Schnitt ein Minus von rund einem Drittel.

    Nimmt man diese Werte als Grundlage, schreibt sie in die Zukunft fort und berechnet noch

    die Folgeeffekte fr Konsum und Investitionen, dann ergibt sich fr fast alle Lnder ein

    dsteres Bild. Allein Deutschland knnte mittelfristig fast eine halbe Millionen Arbeitspltze

    und 27,6 Milliarden Euro an Wertschpfung verlieren, wenn man das letzte Vorkrisenjahr

    2013 als Mastab nimmt. Dabei lsst sich kein genauer Zeitpunkt festlegen, wann diese

    Arbeitspltze und die Wertschpfung verschwunden sind, da es ein schleichender Prozess

    ist, der von vielen Faktoren abhngt.

    Die entscheidende Frage ist nun, ob das erste Quartal eine Ausnahme war, von der man sich

    nun wieder erholt. Oder hlt der Trend an? Fr Eckhard Cordes, den Vorsitzenden des

    Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, ist die Sache klar. Die Aktivitt im Auenhandel

    mit Russland wird mindestens auf diesem niedrigen Niveau verharren. Oder noch schlechter

    werden: "Das erste Quartal 2015 ist ein guter Gradmesser fr die Beurteilung der Lage. Bis

    dahin waren wir seit dem Frhjahr 2014 im Sinkflug. Jetzt knnte der Boden erreicht sein.

    Genau wissen wir es aber noch nicht."

    Im Agrarsektor sind Hunderttausende Jobs bedroht

    Die Folgen dieses Sinkflugs sind bereits berall in Europa zu beobachten, wenn man eben

    nicht nur die Handelsbeschrnkungen isoliert fr jene Waren betrachtet, die nicht mehr

    ausgefhrt werden drfen. Denn es gab ja auch direkte Reaktionen des Kreml auf die

    Brsseler Sanktionspolitik.

    So hat die russische Regierung im August vergangenen Jahres den Import vieler

    landwirtschaftlicher Produkte und Lebensmittel wie Milch, Obst, Gemse, Kse und Fleisch

    aus der Europischen Union untersagt. Mit einem mglichen Verlust von 265.000

    Arbeitspltzen wird der Agrar- und Nahrungsmittelsektor laut Wifo-Berechnungen

    voraussichtlich den strksten Einbruch aller Branchen verzeichnen.

    Eine Fahrt an einem heien Juni-Tag durch die Provinzen Parma, Mantua oder Bologna ist

    da der richtige Anschauungsunterricht. Denn dort ist das Mutterland des Parmesans mit

    Tausenden Farmen und Hunderten Ksefabriken. Giuseppe Alai, der Prsident des

    Branchenverbands Consorzio Parmigiano Reggiano sieht eine ganze Region in Gefahr. "Die

    Sanktionen haben einen doppelten Effekt", sagt Alai. "Wir knnen unseren Parmesan nicht

    mehr nach Russland exportieren. Und andere Lnder wie Deutschland, die Niederlande oder

    Frankreich verkaufen nun ihre Milch und ihren Kse nach Italien statt nach Russland."

    Innerhalb von nur zwlf Monaten sei der Milch- und Ksemarkt wegen berkapazitten

    kollabiert. "Der durchschnittliche Milchpreis in Europa fiel von 50 auf 30 Cent pro Kilogramm.

    Ein Albtraum." hnlich schlecht sei die Situation mit Parmesan. Noch 2010 habe man ein

    Jahr im Voraus fr ein Kilogramm 10,50 bis 11 Euro bekommen. Der Preis sei bis Ende 2014

    auf 7,10 Euro gesunken, klagt Alai. "Die Sanktionen gegen Russland gefhrden einen Markt,

    der schon seit fnf Jahren gelitten hat. Sie knnen uns nun den finalen Sto geben."

    Wie sehr die Handelsbeschrnkungen manche Mrkte durcheinanderwirbeln, lsst sich gar

    nicht mal so weit entfernt unter umgekehrten Vorzeichen beobachten. 50 Mails und Anrufe

    Russland: Sanktionen der EU laufen ins Leere - DIE WELT http://www.welt.de/wirtschaft/article142752445/Katastrophale-Sankti...

    3 von 5 19.06.2015 14:47

  • waren es, vielleicht 60, die Christoph Scherrer von der Zger Frischkse AG bei St. Gallen in

    der Schweiz im vergangenen August erreichten. Manche schrieben auf Deutsch, manche

    sprachen gebrochenes Englisch, manche schickten einen bersetzer vor. Alle wollten

    dasselbe wissen: Ob er liefern knne? Mglichst viel, mglichst schnell?

    Schweiz zieht nicht mit

    Russlands Prsident Putin hatte gerade Lebensmittelimporte aus der EU verboten, und

    Scherrer, gelernter Kser, Schnellsprecher und -rechner, war in Moskau pltzlich ein

    gefragter Mann. "Die russischen Hndler waren in Panik", sagt der Verkaufsleiter der Zger

    Frischkse AG heute. Woher sollten sie nun Schweinehlften importieren, Magerquark,

    Gouda? Scherrer nutzte die Chance.

    160.000 Portionen Mozzarella 150 Gramm verlieen seit letztem Sptsommer die Kserei

    in Richtung Russland. Dazu kommen Mascarpone- und Frischkse-Packungen (mit und ohne

    Kruter), alles in allem rund 200 Tonnen. Scherrer hofft, den Russland-Absatz innerhalb

    eines Jahres auf 600 Tonnen hochtreiben zu knnen. Bei einer Jahresproduktion von 22.000

    Tonnen sei das "eine schne Menge".

    Mglich ist das, weil die Schweiz bei den Sanktionen der EU gegen Russland nicht

    mitgezogen hat. Bern hat lediglich Manahmen verhngt, die verhindern sollen, dass die

    EU-Embargos via Schweiz umgangen werden. Viele Wirtschaftszweige, etwa die Banken

    oder die Rohstoffhndler, sind dennoch genauso betroffen wie ihre Pendants in der EU, als

    internationale Multis mssen sie sich an EU- und US-Sanktionen halten.

    Das zeigt sich auch in der Handelsstatistik: Der Umsatz mit Russland fiel im ersten Quartal

    gegenber dem Vorjahr auch um ein Viertel. Aber es gibt eben einige Nischen, wo die

    Schweizer profitieren knnen, denn Moskau hat keine Gegensanktionen gegen sie verordnet.

    Die Frage ist, wie dauerhaft diese Ausweicheffekte sein werden. Noch sei die Situation

    beherrschbar, meint der deutsche Ost-Ausschuss-Vorsitzende Cordes, der schon frher als

    Vorstandschef des Grohndlers Metro enge Verbindungen nach Russland pflegte. "Aber

    wenn diese Entwicklung lnger andauert sagen wir noch ein Jahr , dann werden die

    deutsch-russischen Beziehungen schweren Schaden nehmen."

    Cordes ist vor allem darber besorgt, dass Konkurrenten aus China oder anderen Lndern in

    die Bresche springen und sich bewhren. "Wir hren immer fter: 'So viel schlechter als die

    Deutschen sind die Chinesen auch nicht.' Das ist besorgniserregend."

    Erste Beispiele dafr gibt es. Wie die Eisenbahnschnellstrecke zwischen Moskau, Kasan

    und Jekaterinenburg. Diese Ausschreibung htte auch gern die Deutsche Initiative fr

    Hochgeschwindigkeitsverkehr in Russland gewonnen. Doch daraus wurde nichts. Anfang Mai

    bekam ein russisch-chinesisches Konsortium den Zuschlag.

    Hiobsbotschaften in einer Excel-Datei

    Seit geraumer Zeit sammelt der Ost-Ausschuss alle Hiobsbotschaften zu deutschen

    Unternehmen (Link: http://www.welt.de/139912382) in einer Excel-Datei. Darin finden sich so gut wie

    alle groen Namen der deutschen Wirtschaft. Und hinter ihnen stehen reihenweise Stze wie

    "Wegen des schwachen Rubels wurden 80 Millionen Euro abgeschrieben" oder "Entlassung

    von 1150 Mitarbeitern" oder "Die Entscheidung ber ein neues Werk wurde auf unbestimmte

    Zeit vertagt".

    Auch Stefan Brck, der Geschftsfhrer des Herstellers von Helmen und Schutzbrillen, Uvex

    Safety Group, frchtet langfristige Konsequenzen: "Alle russischen Staatsunternehmen

    versuchen nach entsprechender Anweisung der Politik, Gter aus dem Westen durch lokale

    Produkte zu ersetzen. Teilweise werden sie dazu vom Staat angewiesen, zum Teil tun sie es

    freiwillig."

    Wie der Europische Rat und die Kommission da argumentieren wollen, dass das erste

    Quartal 2015 nur ein Ausrutscher war und es nun wieder aufwrtsgeht, bleibt ihr Geheimnis,

    solange sie nicht transparent machen, worauf ihr Optimismus beruht. Damit ist allerdings

    nicht zu rechnen: Angesichts der Entscheidung, welche die Auenminister am Montag fllen

    werden, ist schwer vorstellbar, dass man nun mit irgendwelchen pessimistischen Szenarien

    die ffentlichkeit berraschen will.

    Die USA sind fein raus

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    4 von 5 19.06.2015 14:47

  • Mitarbeit: Carlo Bonini, Jenner Meletti, Pierre-Alexandre Sallier, Mario Stuble

    Das wrde auch nicht zum Auftritt von Angela Merkel und Barack Obama beim G-7-Gipfel vor

    knapp zwei Wochen im bayerischen Elmau passen. Vor allem der amerikanische Prsident

    lud vor der Alpenkulisse verbal einmal durch. Da sprach Obama von der russischen

    "Isolation" und wie wichtig es sei, dass die russische Wirtschaft ernsthaft geschwcht

    worden sei durch die Sanktionen. "Der Rubel fllt, Auslandsinvestitionen gehen zurck, die

    Inflation steigt. Die russische Zentralbank hat mehr als 150 Milliarden US-Dollar ihrer

    Reserven verbraucht." Das russische Vorgehen schade also Russland und der russischen

    Bevlkerung.

    Einem Land schaden die Sanktionen auf jeden Fall kaum: den Vereinigten Staaten

    (Link: http://www.welt.de/141406410) . Zwar weist auch die amerikanische Handelsbilanz mit Russland

    fr 2014 und die ersten Monate 2015 ein Minus aus. Doch in absoluten Zahlen sind die

    Vereinigten Staaten im Russland-Handel mit 10,8 Milliarden Dollar ein Zwerg. Die Zeche

    zahlen die Europer. Nur erwhnten der US-Prsident und auch die Kanzlerin das mit keinem

    Wort.

    Wie eine vernnftige Sanktionspolitik aussehen knnte, skizziert der russische

    Oppositionspolitiker Alexej Nawalny, der sich mit seinem unerbittlichen Kampf gegen die

    Korruption in seinem Land einen Namen gemacht hat. Er will nicht mehr

    Handelsbeschrnkungen, sondern fordert, dass die Zahl der Personen erheblich ausgeweitet

    wird. "An die 1000 Leute aus Putins Umgebung sollten auf die Liste kommen", sagt Nawalny.

    Darunter sollten nicht Militrs und Geheimdienstmitarbeiter sein, die ohnehin nicht ins

    Ausland fahren, sondern die Abgeordneten und Fhrungsleute der Kremlpartei Geeintes

    Russland. Dazu noch jene russischen Medien-Propagandisten des Ukraine-Konfliktes.

    Wichtig sei dann aber vor allem, dass diese Sanktionen auch wirklich umgesetzt wrden. Es

    helfe nicht, wenn sie nur formal existierten, faktisch aber nicht angewendet wrden. Aber das

    sei leider europische Realitt: "Niemand will sich mit Putin und seiner Umgebung anlegen."

    Angesichts der vorliegenden Daten fllt es schwer, dem russischen Oppositionspolitiker zu

    widersprechen.

    WeltN24 GmbH 2015. Alle Rechte vorbehalten

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