schrittmacher- und icd-assoziierte infektionen; device related infections;

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Schwerpunkt 148 | Herzschrittmachertherapie + Elektrophysiologie 3 · 2013 Seit den 1960er Jahren, als die ersten an- tibradykarden, starrfrequenten Herz- schrittmacher implantiert wurden, haben sich diese Systeme enorm weiterentwi- ckelt zu multiprogrammierbaren Implan- taten, die ihre Frequenz und ihren Stimu- lationsmodus weitgehend den physiologi- schen Bedürfnissen des Patienten anpas- sen können sowie physiologische Parame- ter des Patienten messen, auswerten und diese telemetrisch an die nachsorgenden Ärzte weiterleiten können. In den 1980er Jahren wurde das Spektrum der kardialen elektronischen Implantate (KEI) zudem um den implantierbaren Kardioverter- Defibrillator (ICD) erweitert, in den spä- ten 1990er Jahren durch die kardiale Re- synchronisationstherapie (CRT). Diese Entwicklung hat zu einem enor- men Zuwachs der Implantationsrate an KEIs geführt. So stieg z. B. die Rate an Schrittmacher- bzw. ICD-Implantationen zwischen 1997 und 2004 in einer US-ame- rikanischen Analyse um 19 bzw. 60 % [1]. Etwa 70 % der Patienten in dieser Analy- se waren > 65 Jahre alt und 75 % hatten mehr als eine Komorbidität. In einer welt- weiten Untersuchung aus dem Jahr 2001 [2] waren bereits 20–35 % aller Patienten, die einen Schrittmacher oder ICD erhiel- ten, über 80 Jahre alt; dieser Anteil dürf- te inzwischen eher noch höher sein. Die gestiegene Anzahl an Implantaten, beson- ders im Bereich der ICDs und CRT-Syste- me in den letzten Jahren, sowie der höhe- re Anteil an alten Patienten mit Komor- biditäten haben eine wichtige Bedeutung für die Inzidenz von KEI-assoziierten In- fektionen. Inzidenz und Epidemiologie Die Inzidenz von postoperativen Schritt- macher- und ICD-Infektionen wird in der Literatur mit etwa 1,6 % angegeben, aller- dings mit steigender Tendenz in den letz- ten Jahren [3]. Es wird geschätzt, dass in rund 10 % der Fälle in Folge einer KEI- Infektion eine Endokarditis entsteht. Da- bei ist die Inzidenz bei ICDs höher als bei Schrittmachern. Daten des National Hospital Discharge Survey in den USA [4] belegen, dass zwischen 1996 und 2003 die Zahl der Infektionen überproportio- nal zur Zunahme der Implantationen auf das 2,8-fache für Schrittmacher und das 6-fache für ICDs angestiegen ist. Die Krankenhausletalität verdoppelte sich durch eine solche Infektion. Obwohl kei- ne verlässlichen Daten zu den Kosten für Deutschland existieren, die durch KEI- Infektionen entstehen, kann angenom- men werden, dass diese erheblich sind, da eine Implantatinfektion häufig erneu- te chirurgische Eingriffe bis hin zum Aus- tausch der (teuren) Systeme erforderlich macht. Berechnungen für das US-ameri- kanische Gesundheitssystem zeigen, dass eine Infektion die Krankenhauskosten bei Herzschrittmachern um 100 % und bei ICDs um 40 % erhöhen [5]. Daneben ist die KEI-Infektion eine der häufigsten Indikationen zur Sondenextraktion, die wiederum mit einer nicht zu vernachläs- sigenden Morbidität assoziiert ist. Risikofaktoren Wesentliche, patientenbezogene Risikofak- toren für eine KEI-Infektion sind das Vor- liegen eines Diabetes mellitus sowie eine Herz- und eine Niereninsuffizienz. Dane- ben ist das Risiko für eine Infektion bei Bat- teriewechsel bzw. Systemumstellung/-auf- rüstung höher als bei der Erstimplantation, insbesondere bei Notwendigkeit einer frü- hen Reintervention nach Implantation. Ein möglicher Grund hierfür ist eine häu- fig nachweisbare, asymptomatische Keim- besiedlung der Schrittmachertasche nach Erstimplantation, die dann nach Eröffnung der Tasche im Rahmen des erneuten Ein- griffs zur Streuung dieser Bakterien führt [6]. Daneben wurden in kleineren Studien eine orale Antikoagulation (vermutlich auf Grund der höheren Rate an Hämatomen mit sekundärer Infektion) und die länger- fristige Gabe von Kortikosteroiden als Ri- sikofaktoren beschrieben. Weitere, peri- operative Risikofaktoren sind Fieber in- nerhalb der letzten 24 h vor Implantation und die Anlage eines passageren Schritt- machers vor der endgültigen Implantation. Auch scheint die Rate an Infektionen mit der Zahl der implantierten Elektroden an- zusteigen, was insbesondere für die kardia- le Resynchronisationstherapie von Bedeu- tung sein dürfte. Auch spielt die Erfahrung Christoph Stellbrink · Bert Hansky Klinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin, Klinikum Bielefeld, Bielefeld, Deutschland Schrittmacher- und ICD-assoziierte Infektionen Erkennung und Behandlung Herzschr Elektrophys 2013 ∙ 24:148–151 DOI 10.1007/s00399-013-0286-2 Online publiziert: 21. August 2013 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 Tab. 1 Risikofaktoren für eine KIED-Sys- teminfektion Immunosuppression (renale Dysfunktion, Steroidtherapie) Orale Antikoagulation Patienten-Komorbiditiäten Periporozedurale Faktoren (z. B. fehlende Antibiotikaprophylaxe) Geräteaustausch/-revision Größe des Implantats/Sondenzahl Erfahrung des Operateurs Art der Keimbesiedlung

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Page 1: Schrittmacher- und ICD-assoziierte Infektionen; Device related infections;

Schwerpunkt

148 | Herzschrittmachertherapie + Elektrophysiologie 3 · 2013

Seit den 1960er Jahren, als die ersten an-tibradykarden, starrfrequenten Herz-schrittmacher implantiert wurden, haben sich diese Systeme enorm weiterentwi-ckelt zu multiprogrammierbaren Implan-taten, die ihre Frequenz und ihren Stimu-lationsmodus weitgehend den physiologi-schen Bedürfnissen des Patienten anpas-sen können sowie physiologische Parame-ter des Patienten messen, auswerten und diese telemetrisch an die nachsorgenden Ärzte weiterleiten können. In den 1980er Jahren wurde das Spektrum der kardialen elektronischen Implantate (KEI) zudem um den implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (ICD) erweitert, in den spä-ten 1990er Jahren durch die kardiale Re-synchronisationstherapie (CRT).

Diese Entwicklung hat zu einem enor-men Zuwachs der Implantationsrate an KEIs geführt. So stieg z. B. die Rate an Schrittmacher- bzw. ICD-Implantationen zwischen 1997 und 2004 in einer US-ame-rikanischen Analyse um 19 bzw. 60 % [1]. Etwa 70 % der Patienten in dieser Analy-se waren > 65 Jahre alt und 75 % hatten mehr als eine Komorbidität. In einer welt-weiten Untersuchung aus dem Jahr 2001 [2] waren bereits 20–35 % aller Patienten, die einen Schrittmacher oder ICD erhiel-ten, über 80 Jahre alt; dieser Anteil dürf-te inzwischen eher noch höher sein. Die gestiegene Anzahl an Implantaten, beson-ders im Bereich der ICDs und CRT-Syste-me in den letzten Jahren, sowie der höhe-re Anteil an alten Patienten mit Komor-biditäten haben eine wichtige Bedeutung für die Inzidenz von KEI-assoziierten In-fektionen.

Inzidenz und Epidemiologie

Die Inzidenz von postoperativen Schritt-macher- und ICD-Infektionen wird in der Literatur mit etwa 1,6 % angegeben, aller-dings mit steigender Tendenz in den letz-ten Jahren [3]. Es wird geschätzt, dass in rund 10 % der Fälle in Folge einer KEI-Infektion eine Endokarditis entsteht. Da-bei ist die Inzidenz bei ICDs höher als bei Schrittmachern. Daten des National Hospital Discharge Survey in den USA [4] belegen, dass zwischen 1996 und 2003 die Zahl der Infektionen überproportio-nal zur Zunahme der Implantationen auf das 2,8-fache für Schrittmacher und das 6-fache für ICDs angestiegen ist. Die Krankenhausletalität verdoppelte sich durch eine solche Infektion. Obwohl kei-ne verlässlichen Daten zu den Kosten für Deutschland existieren, die durch KEI-Infektionen entstehen, kann angenom-men werden, dass diese erheblich sind, da eine Implantatinfektion häufig erneu-te chirurgische Eingriffe bis hin zum Aus-tausch der (teuren) Systeme erforderlich macht. Berechnungen für das US-ameri-kanische Gesundheitssystem zeigen, dass eine Infektion die Krankenhauskosten bei Herzschrittmachern um 100 % und bei ICDs um 40 % erhöhen [5]. Daneben ist die KEI-Infektion eine der häufigsten Indikationen zur Sondenextraktion, die wiederum mit einer nicht zu vernachläs-sigenden Morbidität assoziiert ist.

Risikofaktoren

Wesentliche, patientenbezogene Risikofak-toren für eine KEI-Infektion sind das Vor-liegen eines Diabetes mellitus sowie eine

Herz- und eine Niereninsuffizienz. Dane-ben ist das Risiko für eine Infektion bei Bat-teriewechsel bzw. Systemumstellung/-auf-rüstung höher als bei der Erstimplantation, insbesondere bei Notwendigkeit einer frü-hen Reintervention nach Implantation. Ein möglicher Grund hierfür ist eine häu-fig nachweisbare, asymptomatische Keim-besiedlung der Schrittmachertasche nach Erstimplantation, die dann nach Eröffnung der Tasche im Rahmen des erneuten Ein-griffs zur Streuung dieser Bakterien führt [6]. Daneben wurden in kleineren Studien eine orale Antikoagulation (vermutlich auf Grund der höheren Rate an Hämatomen mit sekundärer Infektion) und die länger-fristige Gabe von Kortikosteroiden als Ri-sikofaktoren beschrieben. Weitere, peri-operative Risikofaktoren sind Fieber in-nerhalb der letzten 24 h vor Implantation und die Anlage eines passageren Schritt-machers vor der endgültigen Implantation. Auch scheint die Rate an Infektionen mit der Zahl der implantierten Elektroden an-zusteigen, was insbesondere für die kardia-le Resynchronisationstherapie von Bedeu-tung sein dürfte. Auch spielt die Erfahrung

Christoph Stellbrink · Bert HanskyKlinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin, Klinikum Bielefeld, Bielefeld, Deutschland

Schrittmacher- und ICD-assoziierte Infektionen

Erkennung und Behandlung

Herzschr Elektrophys 2013 ∙ 24:148–151DOI 10.1007/s00399-013-0286-2Online publiziert: 21. August 2013© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

Tab. 1 Risikofaktoren für eine KIED-Sys-teminfektionImmunosuppression (renale Dysfunktion, Steroidtherapie)

Orale Antikoagulation

Patienten-Komorbiditiäten

Periporozedurale Faktoren (z. B. fehlende Antibiotikaprophylaxe)

Geräteaustausch/-revision

Größe des Implantats/Sondenzahl

Erfahrung des Operateurs

Art der Keimbesiedlung

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des Operateurs eine Rolle für das Auftre-ten von Infektionen im Verlauf [7]. Beson-ders eine Keimbesiedlung mit Staphylococ-cus aureus führt häufig zur manifesten KEI-Infektion, während gramnegative Erreger selten eine klinisch manifeste Systemin-fektion hervorrufen [8]. Eine Zusammen-fassung der wichtigsten Risikofaktoren für eine KEI-Infektion gibt . Tab. 1.

Ätiopathogenese

Die häufigsten Keime, die eine KEI-Infek-tion verursachen, sind in . Abb. 1 darge-stellt. Am häufigsten findet sich Staphylo-coccus aureus (etwa 60–80 % aller Fälle). Da der größte Teil durch Koagulase-nega-tive Staphylokokken bedingt ist, die auch ein häufiger Kontaminationskeim bei Wundabstrichen und Blutkulturen sind, ist der wiederholte Nachweis des glei-chen Keims mit identischer Antibiotika-

sensibilität erforderlich, um sicherzustel-len, dass der Keim tatsächlich für die KEI-Infektion verantwortlich ist. Eine Schritt-machertascheninfektion entsteht in den meisten Fällen als Folge einer bakteriel-len Kontamination im Rahmen der Im-plantation bzw. Revision, kann aber auch direkt von extern nach Perforation des Systems durch die Haut entstehen. Aller-dings ist eine solche Perforation häufiger Folge einer schon bestehenden Infektion. Auch eine Infektion durch Anheftung hä-matogen gestreuter Keime eines entfern-ten Fokus ist möglich. Im MEDIC-Regis-ter (Multicenter Electrophysiologic De-vice Cohort; [9]) waren Staphylokokken die häufigsten Erreger sowohl bei frühen (< 6 Monaten nach Implantation) als auch bei späten KEI-Infektionen. Ein implan-tiertes Aggregat stellt daher auch keine In-dikation für eine Endokarditisprophylaxe z. B. im Rahmen zahnärztlicher Eingriffe

dar, da Keime der Mundflora nicht zu den typischen Endokarditiserregern gehören. Besonders gefürchtet ist die Ausbreitung der Infektion entlang der im Herzen ein-liegenden Elektroden mit der Folge einer Endokarditis. In einem aktuellen Register zur Endokarditis [10] machte die KEI- assoziierte Endokarditis 6 % aller Fälle aus. Sie war mit einer 1-Jahres-Mortalität von 23,2 % assoziiert, gegenüber etwa 5 % bei einer einfachen Tascheninfektion.

Auch die verwendeten Materialien im Implantat spielen eine Rolle für die Ent-stehung von Infektionen. Irregularitäten der Oberfläche begünstigen eine Infek-tion. Die zur Umhüllung der Geräte ver-wendeten Plastikpolymere weisen – wie die zur Infektion führenden Bakterien – hydrophobe Eigenschaften auf. Je hyd-rophober die Oberfläche ist, desto wahr-scheinlicher ist eine Anlagerung pathoge-ner Keime: Polyvinylchlorid fördert die Keimadhärenz mehr als Teflon, Polyethy-len mehr als Polyurethan, Silikon mehr als Polytetrafluoroethylen und Latex mehr als Silikon.

Diagnose

Die klassischen Symptome bestehen in einer Schwellung, Überwärmung und Rötung der Schrittmachertasche (. Abb. 2); oft klagen die Patienten auch über Schmerzen im Bereich des Aggre-gats. Gelegentlich ist in späten Stadien auch eine Perforation des Aggregats oder Teile der Elektroden durch die Haut er-kennbar. Das Fehlen systemischer Infek-tionszeichen schließt eine Tascheninfek-tion jedoch nicht aus. Umgekehrt präsen-tieren sich manche Patienten mit unspe-zifischen Symptomen wie Fieber und Ab-geschlagenheit, ohne dass im Bereich der Schrittmachertasche eindeutige, lokale Zeichen einer Infektion erkennbar sind.

Die Empfehlungen zu den erforder-lichen, diagnostischen Maßnahmen bei Verdacht auf eine KEI-Infektion sind von der American Heart Association 2010 zu-sammengefasst worden [12]. Demnach sollten vor Einleitung einer antibiotischen Therapie mindestens 2 Blutkulturen ab-genommen werden. Eine Endokardi-tis infolge einer KEI-Infektion sollte mit-tels transösophagealer Echokardiographie (TEE) diagnostiziert werden, da hierzu die

Abb. 1 9 Häufigkeit der verschiedenen Er-reger bei der KEI-as-soziierten Infektion. MRSA Methicillin-re-sistenter Staphylokok-kus aureus, MSSA Met-hicillin-sensibler Sta-phylokokkus aureus. (Aus [11])

Polymicrobial 2%

Culture Negative 21%

Non- Staphylococcal

16%

CNS 27%

MSSA 12%

MRSA 22%

Abb. 2 9 Bild einer infizierten Schritt-machertasche. In die-sem Fall hat die Infek-tion bereits zu einer Hautperforation mit Freilegung des Aggre-gats geführt. Erkenn-bar sind außerdem die Schwellung und Rö-tung im Bereich der Aggregattasche

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transthorakale Echokardiographie nicht ausreichend sensitiv ist. Im TEE erkenn-bare Strukturen an den Schrittmacher-sonden können sowohl thrombotischen als auch endokarditischen Ursprungs sein. Die Unterscheidung ist wichtig, da throm-botische Auflagerungen keine Sondenex-traktion erforderlich machen. Bei Vor-liegen systemischer Entzündungszeichen sind bakterielle Vegetationen wahrschein-lich. Sollte eine Systementfernung erfor-derlich werden, ist eine Kultur aus exzi-diertem Gewebe der Schrittmachertasche sowie der extrahierten Elektrodenspitzen einem einfachen Wundabstrich für den Erregernachweis vorzuziehen. Eine dia-gnostische Punktion der Schrittmacher-tasche wird dagegen nicht empfohlen, da die diagnostische Ausbeute zum einen zu niedrig ist und zum anderen das Risiko be-steht, dass durch die Punktion erst Keime in die Schrittmachertasche eingeschleppt werden.

Eine schwierige, diagnostische Situa-tion stellt die Bakteriämie ohne Zeichen einer lokalen Infektion bei implantiertem KEI dar. Bei Nachweis endokarditischer Vegetationen auf den Herzklappen wird generell die Systemexplantation, gleich-zeitig mit der Sanierung der Herzklap-pen, empfohlen [12]. Auch bei einer Bak-teriämie mit Staphylokokken ohne Nach-weis einer anderen Infektionsquelle wird die Explantation empfohlen, da Staphylo-kokken die häufigsten ursächlichen Kei-me einer KEI-Infektion sind. Bei einer Bakteriämie mit gramnegativen Bakte-rien oder anderen, selteneren Keimen (z. B. Pilzen) kann nur dann eine Explan-tation erwogen werden, wenn die Bakteri-ämie trotz adäquater Antibiose persistiert und keine andere Infektionsquelle gefun-den wird [12].

Therapeutische Maßnahmen

Prophylaxe

Die vielleicht wichtigste Maßnahme noch vor der Behandlung einer eingetretenen KEI-Infektion stellt die Prophylaxe einer Keimbesiedlung des Aggregats dar. Neben einer schnellen und möglichst atraumati-schen Operationstechnik und einer guten Blutstillung spielt die perioperative Anti-biotikaprophylaxe dabei eine zentrale

Rolle. Zumeist wird eine einmalige Gabe eines Cephalosporins der 1. Generation (z. B. Cephazolin) 1 h vor der Operation empfohlen [13]. Bei einer hohen Inzidenz von Oxacillin-resistenten Staphylokokkus aureus in einem Zentrum oder bei Cepha-losporin-Unverträglichkeit stellt Vanco-mycin eine sinnvolle Alternative dar, soll-te dann aber 90–120 min. vor dem Ein-griff appliziert werden. Alternativ können Daptomycin oder Linezolid eingesetzt werden. Weitere, perioperative Maßnah-men, die zur Reduktion von Infektionen beitragen können, sind die Verwendung von Antibiotikaschwämmen oder -spül-lösungen sowie die Verhinderung von Nachblutungen durch lokale Thrombin-gabe oder Vermeidung der Gabe von nie-dermolekularem Heparin in der postope-rativen Phase. Für keine dieser Maßnah-men ist jedoch eine Reduktion des Auf-tretens von KEI-Infektionen sicher belegt.

Entfernung der Hardware

Bei einer oberflächlichen Infektion der Hautinzision und des umgebenden Weichteilgewebes ist eine Systemexplan-tation nicht erforderlich, solange das Ge-rät selbst nicht beteiligt ist. In diesen Fäl-len ist eine orale antibiotische Therapie mit einem gegen Staphylokokken-wirksa-men Agens über 7–10 Tage ausreichend. Sobald jedoch Teile des implantierten Systems infiziert sind, ist eine komplette Entfernung der gesamten Hardware er-forderlich, da Rezidive im Bereich ver-bleibender Fremdkörperanteile häufig sind. Dies gilt auch für Tascheninfektio-nen ohne systemische Entzündungszei-chen und für Erosionen von Kabel- oder Aggregatanteilen durch die Haut. In den meisten Fällen wird heute die Entfernung der Schrittmacher- und ICD-Sonden durch perkutane Extraktion durchgeführt (s. Artikel in diesem Heft). Auf Grund der damit verbundenen Risiken sollte diese je-doch durch erfahrene Operateure in kar-diochirurgischem Standby erfolgen [14]. Eine offene chirurgische Entfernung der Elektroden ist erforderlich, wenn nach perkutaner Extraktion Sondenanteile im Herzen verbleiben. Ob dies ebenfalls bei sehr großen, an die Sonden angehefteten Vegetationen (> 2 cm Durchmesser) er-forderlich ist, bleibt umstritten.

Antibiotikatherapie

Die antibiotische Therapie ist ergänzend zur Systementfernung durchzuführen, sollte aber die Entfernung des Schritt-

Herzschr Elektrophys 2013 ∙ 24:148–151DOI 10.1007/s00399-013-0286-2© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

C. Stellbrink · B. Hansky

Schrittmacher- und ICD-assoziierte Infektionen. Erkennung und Behandlung

ZusammenfassungDurch die enorm gestiegene Zahl an Schritt-macher- und ICD-Implantationen ist auch die Zahl der systemassoziierten Infektionen deutlich angestiegen. Dieser Anstieg war so-gar überproportional, auf Grund des gestie-genen Patientenalters bei Implantation, der höheren Komorbidität der Patienten und der komplexeren implantierten Systeme. Bis auf wenige Ausnahmen erfordert die Infek-tion eines Schrittmacher- oder ICD-Systems die komplette Explantation mit begleitender antibiotischer Therapie. Die Diagnose einer Implantatinfektion, Behandlungsindikatio-nen und -optionen werden in diesem Artikel ausführlich anhand der vorliegenden Daten-lage diskutiert.

SchlüsselwörterInfektion · Herzschrittmacher · Implantierbarer Kardioverter-Defibrillator · Explantation · Antibiotika

Device related infections. How to identify and how to treat

AbstractBecause of the enormous increase in pace-maker and implantable cardioverter-defibrilla-tor (ICD) implants, the number of device-relat-ed infections has also increased considerably. In fact, this increase has been out of propor-tion due to the higher patient age at implant, the increased co-morbidity of patients and the higher complexity of the implanted devic-es. Apart from few exceptions the infection of a pacemaker or ICD requires complete explan-tation of the whole system with adjunctive an-tibiotic therapy. The diagnosis of device infec-tion, the indication and different options for therapy are thoroughly discussed in this article according to the current status of knowledge.

KeywordsInfection · Pacemaker · Implantable cardioverter-defibrillator · Explantation · Antibiotics

Zusammenfassung · Abstract

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macher-/ICD-Systems nicht verzögern. Die Antibiotikatherapie sollte optima-lerweise nach Antibiogramm erfolgen. Da Oxacillin-resistente Staphylokokken bei einer KEI-Infektion häufig sind, soll-te bei fehlendem Keimnachweis mit Van-comycin begonnen werden, bis ein Anti-biogramm vorliegt. Bei Nachweis Oxacil-lin-sensibler Staphylokokken kann ggf. auf ein Staphylokokken-wirksames Peni-cillin oder Cephalosporin gewechselt wer-den (z. B. Flucloxacillin, Cephazolin). Zur erforderlichen Dauer der antibiotischen Therapie gibt es wenige Daten. Bei auf die Schrittmachertasche beschränkten Infek-tionen werden 7–14 Tage Antibiose nach der Entfernung des Schrittmachers bzw. ICD empfohlen [12], bei Patienten mit nachgewiesener Bakteriämie sind min-destens 2 Wochen parenterale Antibio-se erforderlich. Nach der Entfernung des KEI sollten erneut Blutkulturen abgenom-men werden. Bei positivem Keimnachweis in der Blutkultur auch nach vollständiger Entfernung des Aggregats und der Elek-troden wird eine parenterale Antibiose über mindestens 4 Wochen empfohlen, auch wenn keine Vegetationen im TEE sichtbar sind. Bei Nachweis von Vegeta-tionen im TEE gelten die Behandlungs-empfehlungen für die Endokarditis [15].

Reimplantation eines neuen Schrittmachers oder ICDs

Vor der Reimplantation sollte zunächst geklärt sein, ob überhaupt ein neues Sys-tem implantiert werden muss, denn bis zu der Hälfte der Patienten benötigt nicht zwingend ein neues KEI [16]. Wenn eine erneute Implantation erforderlich ist, sollte vorher das alte System komplett entfernt, die lokale Entzündung abgeheilt und keine systemischen Infektparame-ter mehr nachweisbar sein. Der mögliche chirurgische Zugang für die Reimplanta-tion sollte schon vor der Entfernung des infizierten Alt-Systems geklärt sein, ins-besondere bei teilweiser oder durchge-hender Schrittmacherabhängigkeit. Üb-licherweise erfolgt die Implantation des neuen KEI von der kontralateralen Sei-te. Sollte dies nicht möglich sein, kann das Aggregat ggf. abdominell mit subku-taner Tunnelung der Elektroden implan-tiert werden. Für ICD-Patienten, die kei-

ne antibradykarde oder -tachykarde Sti-mulation benötigen, kann in Zukunft der subkutan implantierbare ICD eine Alter-native darstellen. Nach den AHA-Emp-fehlungen sollten bei Patienten mit posi-tiver Blutkultur vor Extraktion für min-destens 3 Tage keine Keime mehr in der Blutkultur nachweisbar sein, bevor eine Reimplantation durchgeführt wird; bei Patienten mit Klappenvegetationen sollte mindestens 14 Tage abgewartet werden.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. C. StellbrinkKlinik für Kardiologie und Internistische Intensivmedizin, Klinikum Bielefeld Teutoburger Strasse 50, 33604 [email protected]

Interessenkonflikt. C. Stellbrink und B. Hansky ge-ben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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