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as “Orchestrale Manöver im Dunkeln“ - oder auch kurz OMD, wurde 1978 von den Teenagern ANDY McCLUSKEY (24.6.59, Gesang, Bass) und PAUL HUMPHREYS (27.2.60, Keyboards, Tapes und Gesang) auf das Schlachtfeld des gerade im Entstehen begriffenen elektronischen “New Wave“ geführt, deren spät- erer Ableger in den frühen 80ern in der “New Romantic“- Welle mündete. Ihre aufkeimenden musi- kalischen Ambitionen lebten die beiden bekennenden “Kraft- werk“-Fans, die be- reits 1975 vom “Autobahn“ -Virus infiziert wurden, zunächst in ganz gewöhnlichen lokalen Schüler- und Rockbands aus, eine davon trug den obskuren Namen “Hitler'z Underpantz“ . Während Humphreys auf “Genesis“ und “Queen“ abfuhr, stand McCluskey auf die Musik von Steve Harley und seiner Glamrock-Band “Cockney Rebel“ - deren 1974er-Hit “Judy Teen“ und das “Psychomodo“- Album lief bei ihm in Dauerschleife. Anders als ihre Freunde, die überwiegend auf die neuesten Hits von Elton John und Rod Stewart standen, entdeckten Andy und Paul abseits aller kommerziellen Musikrichtungen schon früh die deutsche elektronische Musik für sich. 1975 besuchte McCluskey ein nur spärlich besuchtes Konzert der deutschen Synthesizer-Pioniere im “Liverpool Empire“: “Ich saß dort als sechzehnjähriger Junge auf Platz Q36, sah 'Kraftwerk' und wurde Zeuge davon, wie sich vor meinen Augen die Zukunft offenbarte. Ich wollte ebenfalls ein Teil davon sein. Dies war der erste Tag vom Rest meines Lebens“. Einstweilen spielten sie noch in der 8-köpfigen Post-Punk-Band “The ID“, wo sie schließlich auch damit begannen, ihre eigenen Songs zu schreiben. Einige der Erstkompositionen der beiden Autodidakten, die auch heute noch keine Noten lesen können, tauchten später im Repertoire von OMD wieder auf. Nach einem kurzen Zwischenstopp als Sänger in der lokalen Band “Dalek I Love You“, tat sich Andy McCluskey erneut mit Paul Humphreys zusammen. Das Duo arbeitete schon seit geraumer Zeit an einem elektronischem Avantgarde-Projekt namens “VCL XI“, benannt nach der Seriennummer einer Elektronenröhre und abgebildet auf dem “Radio-Aktivität“-Albumcover. Anstatt über Liebe, Emotionen oder Bezieh- ungen zu singen, schrieben sie Songs über Telefonzellen, Elektrizität und Ölraffinerien. “Wir bildeten uns ein, Wirral 's Antwort auf 'Kraftwerk' zu sein“, so McCluskey. Andy und Paul schrieben und probten für sich alleine in Paul's Elternhaus im stillen Kämmerlein, umgeben von selbstgebasteltem und - wie McCluskey es nannte - “absonderlich dysfunktionalem Second Hand-Equipment“. Den Anstoß zu der Entscheidung, ihre Musik live auf die Bühne zu bringen, gab letztendlich die Veröffentlichung der Single “Warm Leatherette“ von “The Normal“ (aka Daniel Miller - späterer “Mute“-Label- und “Depeche Mode“-Guru) im Jahr 1978. “Wir dachten: Verdammt, da macht jemand genau das, was wir schon

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Page 1: seit drei Jahren im Hinterzimmer von Paul's und Diskographie.pdfDaniel Miller - späterer “Mute“-Label- und “Depeche Mode“-Guru) im Jahr 1978. “Wir dachten: Verdammt, da

as “Orchestrale Manöver im Dunkeln“ - oder auch kurz OMD, wurde

1978 von den Teenagern ANDY McCLUSKEY (24.6.59, Gesang, Bass) und

PAUL HUMPHREYS (27.2.60, Keyboards, Tapes und Gesang) auf das

Schlachtfeld des gerade im Entstehen begriffenen elektronischen “New Wave“

geführt, deren spät-

erer Ableger in den

frühen 80ern in der

“New Romantic“-

Welle mündete. Ihre

aufkeimenden musi-

kalischen Ambitionen

lebten die beiden

bekennenden “Kraft-

werk“-Fans, die be-

reits 1975 vom

“Autobahn“ -Virus

infiziert wurden,

zunächst in ganz

gewöhnlichen lokalen

Schüler- und Rockbands aus, eine davon trug den obskuren Namen

“Hitler'z Underpantz“. Während Humphreys auf “Genesis“ und

“Queen“ abfuhr, stand McCluskey auf die Musik von Steve Harley und

seiner Glamrock-Band “Cockney Rebel“ - deren 1974er-Hit “Judy

Teen“ und das “Psychomodo“- Album lief bei ihm in Dauerschleife.

Anders als ihre Freunde, die überwiegend auf die neuesten Hits

von Elton John und Rod Stewart standen, entdeckten Andy und Paul

abseits aller kommerziellen Musikrichtungen schon früh die deutsche

elektronische Musik für sich. 1975 besuchte McCluskey ein nur

spärlich besuchtes Konzert der deutschen Synthesizer-Pioniere im

“Liverpool Empire“: “Ich saß dort als sechzehnjähriger Junge auf Platz

Q36, sah 'Kraftwerk' und wurde Zeuge davon, wie sich vor meinen

Augen die Zukunft offenbarte. Ich wollte ebenfalls ein Teil davon sein.

Dies war der erste Tag vom Rest meines Lebens“. Einstweilen spielten

sie noch in der 8-köpfigen Post-Punk-Band “The ID“, wo sie schließlich

auch damit begannen, ihre eigenen Songs zu schreiben. Einige der

Erstkompositionen der beiden Autodidakten, die auch heute noch keine Noten

lesen können, tauchten später im Repertoire

von OMD wieder auf.

Nach einem kurzen Zwischenstopp als

Sänger in der lokalen Band “Dalek I Love You“,

tat sich Andy McCluskey erneut mit Paul

Humphreys zusammen. Das Duo arbeitete

schon seit geraumer Zeit an einem

elektronischem Avantgarde-Projekt namens

“VCL XI“, benannt nach der Seriennummer

einer Elektronenröhre und abgebildet auf dem

“Radio-Aktivität“-Albumcover. Anstatt über Liebe, Emotionen oder Bezieh-

ungen zu singen, schrieben sie Songs über Telefonzellen, Elektrizität und

Ölraffinerien. “Wir bildeten uns ein, Wirral 's Antwort auf 'Kraftwerk' zu sein“,

so McCluskey.

Andy und Paul schrieben und probten für sich alleine in Paul's Elternhaus

im stillen Kämmerlein, umgeben von selbstgebasteltem und - wie McCluskey es

nannte - “absonderlich dysfunktionalem Second Hand-Equipment“. Den Anstoß

zu der Entscheidung, ihre Musik live auf die Bühne zu bringen, gab letztendlich

die Veröffentlichung der Single “Warm Leatherette“ von “The Normal“ (aka

Daniel Miller - späterer “Mute“-Label- und “Depeche Mode“-Guru) im Jahr

1978. “Wir dachten: Verdammt, da macht jemand genau das, was wir schon

Page 2: seit drei Jahren im Hinterzimmer von Paul's und Diskographie.pdfDaniel Miller - späterer “Mute“-Label- und “Depeche Mode“-Guru) im Jahr 1978. “Wir dachten: Verdammt, da

seit drei Jahren im Hinterzimmer von Paul's

Mutter tun. Es wird jetzt wirklich allerhöchste

Zeit, selbst auf die Bühne zu gehen!“

Ihren ersten Gig als ORCHESTRAL

MANOEUVRES IN THE DARK spielten sie

im Oktober 1978 als Duo im Punk-

Schuppen “Eric's Club“, inmitten des

Liverpooler „Beatles Quarter“-Viertels.

Andy McCluskey: “Ich kann mich noch

gut daran erinnern, das ich 'Sounds'

angerufen hatte, damit sie uns in ihrem

Konzertkalender erwähnten und das

Mädel am anderen Ende der Leitung

fragte uns, wie wir denn heißen

würden... Sie meinte danach nur trocken:

'Hey Sunshine, mit solch einem Namen

werdet ihr es nie zu etwas bringen!'“.

Unterstützt wurden die beiden lediglich

von einer Bandmaschine genannt

“Winston“, mit der sie vorgefertigte

Backingtracks zuspielten und die den Einsatz

weiterer

Musiker

überflüssig

machte. “Wir

hatten

keinesfalls

mehr Bock auf

ein starres,

althergebrachtes Bandschema, sondern

wollten die alleinige musikalische Kontrolle

über unsere Musik behalten“, so McCluskey.

Die Sequenzer-Technik steckte noch in ihren

Kinderschuhen und hätte es sie damals

gegeben - sie wäre für die beiden arbeitslosen

jungen Männer finanziell ohnehin uner-

schwinglich gewesen. Der Bandname ist

übrigens auf Andy McCluskey's Mist gewach-

sen: “Wir wollten ganz unmissverständlich

klarstellen, das wir weder eine Rock-, Pop-,

Punk- oder Discoband waren, wir sahen uns

damals als 'Synth Punks', also wählten wir den blödesten Namen, der uns dafür

einfiel. Der Auftritt im 'Eric's' war sowieso nur als eine einmalige Sache

gedacht. Wir wurden zwar nicht ausgebuht, aber richtig begeistert oder

beeindruckt war allerdings auch nicht wirklich jemand“. Doch dem Clubbesitzer

gefiel es - und “Orchestral Manoeuvres“ spielten noch weitere sieben Mal in

seinem Club.

Obwohl fernab der Musikindustrie im Liverpooler Bezirk Wirral

beheimatet, der beschaulichen Halbinsel auf der anderen Seite des Mersey

River, gelang es “Orchestral Manoeuvres in the Dark“, ihre Debütsingle

“Electricity“ beim gerade neu gegründeten Manchester Independent-Label

“Factory“ von Tony Wilson unterzubringen. Veröffentlicht im Mai 1979, waren

alle 5000 gepressten und eigenhändig verpackten Singles schon bald

ausverkauft, was

nicht unwesentlich

auf die Unterstütz-

ung der Radio-DJ-

Ikone John Peel

zurückzuführen war.

Sein beharrliches

Powerplay hievte

das Stück in die Top

10 der britischen

Alternativ-Charts.

Unter der Regie von

“Joy Division“-

Produzent Martin

'Zero' Hannett

wurde der Song, der

– wie McCluskey

später enthüllte - “nur eine schnellere, punkigere Version von Kraftwerks 'Radio

Activity' war“, nochmals neu aufgenommen. Das “Virgin“-Unterlabel “DinDisc“,

zu dem OMD mittlerweile gewechselt waren,

brachte ihn im Zuge der Gary Numan-Englandtour,

die Andy und Paul als Support begleiten durften,

(erfolglos) ein zweites und drittes Mal heraus. Als

sie damals ihren Plattenvertrag für insgesamt

sieben zu liefernde Alben unterschrieben, ahnten

weder Andy noch Paul, dass sie nach allen Regeln

der Kunst über den Tisch gezogen worden waren

und tappten in genau die gleiche Falle der

kleingedruckten Vertragsklauseln, wie schon

unzählige Newcomer-Bands vor und nach ihnen.

Dieser Umstand sollte sich in den folgenden Jahren

noch entsprechend negativ auf ihren

künstlerischen Output auswirken.

Nette Anekdote am Rande: McCluskey weiß

zu berichten, das “Depeche Mode“ ihren

elektronischen

Kurs erst einschlu-

gen, nachdem sie

“Electricity“ zu

Ohren bekamen.

“Vince Clarke hat uns erzählt, das sie

'Electricity' in einem Club in Basildon gehört

und sich gleich darauf ihre ersten Synthesizer

besorgt hatten“. In Sheffield folgte indessen

mit “The Human League“ und ihrer Synthpop-

Nummer “Being Boiled“ eine weitere Band

einem ähnlichen Kurs in die neuen,

elektronische Musikgefilde. Die Geräte

wurden kleiner und erschwinglicher - für viele

ein Argument, sich an die Technik

heranzuwagen. Bis dahin war das nur echten

Könnern vorbehalten. Der Synthesizer

verkörperte für so manchen die Ablehnung

gegenüber allem, wofür die Gitarre stand:

Machotum, Aggression, Sexismus, Blues, Eric

Clapton - der totale Verfall. Das war nun alles

Vergangenheit. Der Synthesizer bot Möglich-

keiten, die man vorher nicht hatte. Die neue

Generation von Synthie-Freaks entdeckte eine

ganz andere Umgangsweise mit den Geräten:

Statt Virtuosität interessierten sie sich für

Reduktion, Rhythmus und Sounds. Dabei

orientierte sich die junge britische Synthesizer-

Generation stets an ihren Vorbildern aus

Deutschland, allen voran “Kraftwerk“, aber

auch an “CAN“, “NEU!“, “La Duesseldorf“ oder

“Tangerine Dream“.

Page 3: seit drei Jahren im Hinterzimmer von Paul's und Diskographie.pdfDaniel Miller - späterer “Mute“-Label- und “Depeche Mode“-Guru) im Jahr 1978. “Wir dachten: Verdammt, da

Im Februar 1980 brachten OMD - in nur drei Wochen in ihrem eigenen,

aus dem Vorschuss der Plattenfirma finanziertem und eilig zusammen-

gezimmerten Aufnahmestudio - ihr erstes in kompletter Eigenregie aufge-

nommenes Album “Orchestral Manoeuvres in the Dark“ heraus , mit dem sie

auf Anhieb Platz 27 in den britischen Charts erreichten. “Wir hatten wirklich

keinen Plan, was produktionstechnisch gesehen angemessen war und was

nicht. Wir waren einfach nur naiv, was das ganze Business betraf - die

Aufnahme,

das Mixing,

die Produk-

tion. Diesel-

ben Songs

könnten mit

der heutigen

Art von Mega-

Produktion so

nicht mehr

aufgenommen

werden. Aber

die Lieder

passten in die

Zeit und der

einfache

Sound zu die-

sen simplen

Songs", resü-

miert Paul

Humphreys

ihren Erstling.

Einen nicht

unerheblichen Anteil an den guten Verkaufszahlen hatte dabei sicherlich auch

das von “Factory“-Designer Peter Saville gestaltete, extravagante Albumcover.

Die Band absolvierte nun ihre erste Tour als Headliner durch England, die sie

sogar erstmals bis nach Amerika führte – letzten Endes aber war der Kurz-Trip

über den großen Teich etwas zu voreilig: Ohne eine lokale Plattenfirma im

Rücken, erwies sich der Ausflug in die Staaten als ein hoffnungslos

unterfinanziertes Unterfangen - in der Regel mussten die Jungs mangels Geld

für Hotels bei Fans oder Bardamen übernachten.

Mit ihrer dritten Single “Messages“, produziert vom „Gong“-Bassisten

Mike Howlett, erklommen sie im Juli dann erstmals die Top 20 der britischen

Single-Charts. “Wir wollten nie Popstars sein. Doch plötzlich standen wir in 'Top

Of The Pops', schauten uns nur an und dachten beide: Wie zum Teufel konnte

das nur passieren?“. Die Bandmaschine “Winston“ wurde eingemottet und

durch “menschliche“ Musiker ersetzt: Drummer Malcolm Holmes, der bereits

bei “The ID“ mit

von der Partie war,

sowie Martin

Cooper (Saxofon,

Bass und

Keyboards) stießen

dauerhaft als feste

Mitglieder zur

Band hinzu. Mit

“Enola Gay“ (der

Name des Flug-

zeuges, dass die

Atombombe auf

Hiroshima abge-

worfen hatte)

landeten OMD

dann ihren ersten

internationalen Hit

- Nr. 1 in Italien

und Frankreich, in

UK kam man bis auf Platz 8. “Wir spielten den Song im Ein-Finger-System mit

unserem ersten, 'richtigen' Synthesizer ein, einem KORG M500, den wir aus

einem Versandkatalog meiner Mutter bestellt hatten und auf sechsunddreißig

Raten abbezahlten“, erinnert sich McCluskey. Ihr Nachfolgealbum

“Organisation“, ebenfalls 1980 veröffentlicht, erklomm mühelos die britische

Top 10: “Man kann es getrost als eine Art 'Zwischenalbum' unseres ersten und

dritten Longplayers betrachten und auch als eine Art Sprungbrett: Es wurde

größer, dunkler und mehr 'gothic'“, so Andy.

Während man in UK 1981 mit der Softpop-Single “Souvenir“ haarscharf

an der Spitzenposition der Singlecharts vorbeischrammte, wurden OMD in

Deutschland immer noch als Geheimtipp gehandelt. Dies änderte sich

schlagartig 1982, als ihr

Elektronikwalzer “Maid Of

Orleans“ wochenlang die

Nr. 1 der Charts blockierte

und zur meistverkauften

Single des Jahres

avancierte. Ihr Synthpop-

Meisterwerk

“Architecture & Morality“

mauserte sich zudem mit

drei Millionen verkauften

Exemplaren zum

weltweiten Album-

Bestseller und beinhaltete

insgesamt drei Top-5-

Singles. Es blieb bis heute

DER Klassiker von OMD

und eines ihrer

erfolgreichsten Alben

(2007 spielten sie es

komplett bei ihren

Konzerten). McCluskey:

“Wir konnten musikalisch

machen was wir wollten.

Wir durften experimentell

sein und verkauften damit auch

noch Millionen an Platten.

OMD war ein Hobby, dass sich

für uns unverständlicherweise

zu einer musikalischen Karriere

entwickelt hatte und wir sagten

uns: 'Hey, egal was wir tun - die

Leute kaufen es!'“. Paul Humphreys äußerte sich dazu ganz ähnlich: “Der

zunehmende Erfolg unterstützte uns in dem naiv-arroganten Glauben, dass wir

nichts falsch machen konnten. Diese Einstellung kann sehr gefährlich sein, wie

wir bei unserem Nachfolgealbum schmerzlich zu spüren bekamen".

Auf dem 1983 herausgebrachten Album “Dazzle Ships“ - mittlerweile war

man vollständig beim Mutterlabel “Virgin“ integriert - verwendeten sie

Radioschnipsel aus dem Weltempfänger, Fanfaren von Radio Prag, Emulator-

Endlosschleifen und

konstruierte 'Songs',

die lediglich aus den

verschiedensten

Zeitansagen aus

aller Welt bestan-

den. Die Quittung

für ihren neu ent-

deckten avantgard-

istischen Pionier-

drang erhielten sie

prompt an der

Ladentheke: OMD

verloren auf einen

Schlag neunzig

Prozent ihres

Publikums. “Ich war

der Ideengeber, Paul

Humphreys setzte

sie um. Letztendlich

war ich derjenige, der uns damals an den Rand des Abgrunds geführt hatte. Es

hat fünfundzwanzig Jahre gedauert, bis mir Paul für 'Dazzle Ships' verziehen

hatte“, so Andy heute. “Wir wollten ABBA und Stockhausen gleichzeitig sein.

Dieses Album, welches damals fast vollständig unsere Karriere ruiniert hatte,

sieht man heute als eine Art ungeschickten Geniestreich an und als seiner Zeit

weit voraus“.

Page 4: seit drei Jahren im Hinterzimmer von Paul's und Diskographie.pdfDaniel Miller - späterer “Mute“-Label- und “Depeche Mode“-Guru) im Jahr 1978. “Wir dachten: Verdammt, da

OMD vollführten nun in

den darauffolgenden Jahren

eine musikalische Kurskorrektor

hin zu glatt poliertem

Synthiepop, der mit den Alben

“Junk Culture“ (1984), “Crush“

(1985) und “The Pacific Age“

(1986) immer mehr “die

Richtungslosigkeit einer aus der

Mode kommenden Popband

unterstrich, die ihre Originalität

verloren hat“ (Rockmusik

Lexikon). Hier trug allerdings ihr

miserabler Plattendeal eine

nicht unwesentliche Rolle dazu

bei. Finanzielle Risiken und

Produktionskosten wurden

weitgehend auf die Band

abgewälzt, ihre Beteiligung an

den Plattenverkäufen auf ein

Minimum reduziert. “Noch 1982 hingen unsere Goldenen Schallplatten im

Wohnzimmer unserer Eltern, weil wir immer noch zu Hause wohnen mussten.

Wir waren internationale Popstars, aber eigene Wohnungen konnten wir uns

trotz millionenfach verkaufter Platten nicht leisten“, so Andy McCluskey. OMD

waren dazu verdammt, auf Teufel komm raus Hits schreiben zu müssen, um

ihre Schulden bei der Plattenfirma zurückzahlen zu können.

Ab Mitte der 1980er-Jahre konzentrierten sich OMD deshalb auf ihren

Durchbruch in Amerika, der ihnen - abgesehen von ihrem Top 5-Hit “If You

Leave“ im Jahr 1986 - auf Dauer

aber versagt blieb. 1988 waren

OMD, nach endlosen Tourneen

durch die USA, müde und

ausgebrannt, zudem hatten sie

die Nase voll davon, neue Platten

machen zu müssen, nur weil sie

dazu gezwungen waren. Oder in

Andy's Worten: “Wir hatten die

Schnauze voll voneinander“.

Kommerziell gesehen konnten

OMD mit ihrer “The Best Of

OMD“-Scheibe nochmals an

vergangene Erfolge anknüpfen

(Nr. 2 in England) – jedoch ging

man fortan getrennte Wege.

Humphreys formierte zu-

sammen mit Malcolm Holmes

und Martin Cooper die Band “The

Listening Pool“, die allerdings kaum Beachtung und nach nur einem Album

schnell ihr vorzeitiges Ende fand. Andy McCluskey hingegen führte OMD (der

Name wurde ihm nach einem jahrelangen Rechtsstreit gegen Paul

zugesprochen) mit eingängigem Euro-Dancepop im Alleingang und noch dazu

überaus erfolgreich durch die erste Hälfte der 1990er-Jahre. Mit dem Album

“Sugar Tax“ (Nr. 3 in UK) und den Hitsingles “Sailing On The Seven Seas“ und

“Pandora's Box“ (alle 1991) vermochte er gar an die erfolgreichsten Zeiten der

Band zehn Jahre zuvor anzuknüpfen. Zwei weitere Alben (“Liberator“, 1993 und

“Universal“, 1996) folgten noch - danach brach der angesagte Brit-Pop um

“Oasis“ und “Blur“ sowohl OMD, als auch dem Synthiepop im Allgemeinen,

endgültig das Genick. “Wir stellten fest, das unser Verfallsdatum weit

überschritten war. Ich entschied deshalb, das es nun an der Zeit wäre, nur noch

Songs für andere zu schreiben“, so McCluskey.

1998 formierte Andy die Girl-Group “Atomic Kitten“, schrieb und

produzierte gemeinsam mit Stuart Kershaw (OMD-Drummer des 90er-Line Ups)

ihr erstes Album und landete mit “Whole Again“ den ersten Nr. 1-Hit seiner

Karriere in Großbritannien. Dafür wurde er sogar für den Ivor Novello Award

nominiert. Paul Humphreys tat sich derweil mit seiner Partnerin Claudia

Brücken, Sängerin der deutschen Band “Propaganda“, zusammen. Unter dem

Namen “OneTwo“ brachten sie ein Album heraus und tourten damit u. a. als

Vorgruppe von “Erasure“ durch die Lande.

2005 dann erfolgte der Startschuss für das OMD-Comeback. Während

eines Auftritts in der Originalbesetzung McCluskey, Humphreys, Malcolm

Holmes und Martin Cooper in

der “Ultimativen Chartsshow“

von RTL kam man sich

menschlich wieder näher und

stellte sogleich die Weichen für

die bis heute andauernde

Reunion. 2007 standen alle Vier

nach neunzehn Jahren wieder

gemeinsam für eine weltweit

angelegte Tournee zusammen

auf der Bühne und tourten auch

danach weiter regelmäßig. Sie

spielten ausnahmslos in

ausverkauften Häusern und als

Headliner auf Festivals rund um

den Globus und waren selbst am

meisten über den neuerlichen

Zuspruch der Konzertbesucher

und auch Kritiker überrascht.

“Noch vor 10 Jahren rannten wir

mit dem Kopf gegen die Wand, jetzt aber interessieren sich die Leute wieder

für die Band und unseren musikalischen Output. Es scheint, als wären wir

genau zur richtigen Zeit wieder auf der Bildfläche aufgetaucht“, so McCluskey.

2010 brachten sie ihr Album “History Of Modern“ mit brandneuem Material

heraus, welches in Deutschland bis auf Platz 5 der Charts emporschoss – die

höchste Hitparadenplatzierung eines OMD-Albums in Germany überhaupt! Das

2013 veröffentlichte Nachfolgealbum “English Electric“ wiederholte den Erfolg

seines Vorgängers. “Das Schöne ist, dass wir - wie in unseren frühen Tagen - nur

um ihrer selbst willen Platten

machen“, gibt Andy zu Protokoll.

“Wir haben keinen Druck, eine

Scheibe aufnehmen und

verkaufen zu müssen und es gibt

keine Karriere am Laufen zu

halten. Es ist ein Gefühl wie

damals, als wir unser erstes

Album aufnahmen“.

Im Oktober diesen Jahres

brachten sie ihr im November

2014 aufgenommenes “Dazzle

Ships At The Museum Of

Liverpool“-Livealbum inkl. DVD

heraus. Zeitgleich würdigte die

„Demon Group“ OMD in ihrer

„Access All Areas“-Reihe mit

einer CD + DVD ihres ersten

gefilmten Livekonzertes aus dem

Jahr 1980.

Im Dezember schließen sich Andy McCluskey und Paul Humphreys zum

zweiten Mal nach 2006 dem “Night Of The Proms“-Tross an und für 2016 haben

die beiden bereits ein weiteres Album mit neuen Songs angekündigt, das

wieder auf ihrem eigenen Label “Bluenoise“ erscheinen und von “BMG“

vertrieben wird. Ob bei den kommenden Konzerten wieder Original-Drummer

Malcolm Holmes an der Schießbude sitzen wird, ist allerdings ungewiss - nach

einem Hitzschlag und darauffolgenden, dreiminütigem Herzstillstand während

eines Konzertes in Toronto 2013, wo er noch hinter der Bühne durch

Wiederbelebung nur knapp dem Tod entrinnen konnte, ist er kürzer getreten

und überließ seine Sticks für die diesjährigen Festival-Konzerte bereits Stuart

Kershaw.

Page 5: seit drei Jahren im Hinterzimmer von Paul's und Diskographie.pdfDaniel Miller - späterer “Mute“-Label- und “Depeche Mode“-Guru) im Jahr 1978. “Wir dachten: Verdammt, da

ORCHESTRAL MANOEUVRES in the DARK

ALBEN

1980 ORCHESTRAL MANOEUVRES IN THE DARK

1980 ORGANISATION

1981 ARCHITECTURE & MORALITY

1983 DAZZLE SHIPS

1984 JUNK CULTURE

1985 CRUSH

1986 THE PACIFIC AGE

1988 The Best Of OMD

1991 SUGAR TAX

1993 LIBERATOR

1996 UNIVERSAL

1998 The OMD Singles

2000 The Peel Sessions 1979-1983

2001 Navigation - The OMD B Sides

2008 OMD Live - Architecture & Morality & More

2008 Messages - Greatest Hits

2010 HISTORY OF MODERN

2011 So 80s present OMD - Extended Versions

2011 OMD Live In Berlin

2013 ENGLISH ELECTRIC

2015 Dazzle Ships Live At The Museum Of Liverpool

DISKOGRAPHIE

SINGLES

1979/80 Electricity

1980 Red Frame/White Light

1980 Messages

1980 Enola Gay

1981 Souvenir

1981 Joan Of Arc

1982 Maid Of Orleans

1983 Genetic Engineering

1983 Telegraph

1984 Locomotion

1984 Talking Loud And Clear

1984 Tesla Girls

1984 Never Turn Away

1985 So In Love

1985 Secret

1985 La Femme Accident

1986 If You Leave

1986 Forever Live And Die

1986 We Love You

1987 Shame

1988 Dreaming

1991 Sailing On The Seven Seas

1991 Pandora's Box

1991 Call My Name

1991/92 Then You Turn Away

1993 Stand Above Me

1993 Dream Of Me (Based On Love's Theme)

1993 Everyday

1996 Walking On The Milky Way

1996 Universal

2010 If You Want It

2010 Sister Mary Says

2011 History Of Modern (Part 1)

2013 Metroland

2013 Dresden

2013 Night Cafè

Detaillierte Diskografie und Biografie zu finden auf:

www.germanmanoeuvres.com