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SELBSTORGANISIERTES LERNEN 2.0 Ein neues Lernkonzept für die berufliche Weiterbildung Anna Hoberg Competence Team Business Performance Management Erschienen in: Hofmann/Jarosch (Hrsg.): HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik, Februar 2011, Seite 63-72 FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR ARBEITSWIRTSCHAFT UND ORGANISATION IAO

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SELBSTORGANISIERTES LERNEN 2.0

Ein neues Lernkonzept für die berufliche Weiterbildung Anna Hoberg Competence Team Business Performance Management

Erschienen in: Hofmann/Jarosch (Hrsg.): HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik, Februar 2011, Seite 63-72

FRAUNHOFER-INSTITUT FÜR ARBEITSWIRTSCHAFT UND ORGANISATION IAO

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Praxis derHMDHeft 277

Februar 2011

Wirtschaftsinformatik

877 6dpunkt.verlag

Josephine Hofmann . Jürgen Jarosch (Hrsg.)

Û Betriebliche Lernplattformen

Û Microblogging

Û Interaktive Videos für eLearning

Û Selbstorganisiertes Lernen 2.0

Û Webbasierte Werkzeuge für Wissensarbeiter

Û Kommunales Wissensmanagementsystem

Praxis derHMDHeft 277

Sonderdruck

Wirtschaftsinformatik

D 12952 • ISSN 1436-3011 • ISBN 978-3-89864-740-3dpunkt.verlag

Elektronischer Sonderdruck

Selbstorganisiertes Lernen 2.0 Ein neues Lernkonzept für die berufliche Weiterbildung

Anna Hoberg • Petra Gohlke

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Elektronischer Sonderdruckaus:

HMD – Praxis der Wirtschaftsinformatik

Josephine Hofmann • Jürgen Jarosch (Hrsg.)IT-gestütztes Lernen & Wissensmanagement

48. Jahrgang – Heft 277 – Februar 2011 Seiten 63-72

© dpunkt.verlag GmbHISSN 1436-3011ISBN 978-3-89864-740-3

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Anna Hoberg, Petra Gohlke

Selbstorganisiertes Lernen 2.0Ein neues Lernkonzept für die berufliche Weiterbildung

Das »Selbstorganisierte Lernen 2.0« (SOL 2.0) för-dert neben fachlicher Wissensvermittlung einenselbstorganisierten Lernprozess und stellt die Zu-sammenarbeit unter den Kursteilnehmern in denMittelpunkt des Lernens. Mit dieser Grundideeverschmilzt das Lernen im betrieblichen Einsatzmit dem Anliegen des organisationalen Wissens-managements. Im Fortbildungskurs »Geprüfte/rBerufspädagoge/Berufspädagogin« wird dasKonzept zur Anwendung gebracht. DedizierteElemente helfen in der Umsetzung, der größtenHerausforderung zu begegnen: die Motivationder Lerner zu wahren und gleichzeitig eine hoheQualität an Lernergebnissen zu sichern.

Anhand eines Kursausschnitts in kollaborati-ver Fallarbeit lässt sich zeigen, wie die Konzept-bausteine ineinandergreifen, um Selbstorganisa-tion und Kollaboration für die Lerner zu realisie-ren.

Inhaltsübersicht1 Bestimmungsfaktoren der betrieblichen

Weiterbildung2 Katalysatoren selbstorganisierten

Lernens 2.02.1 Selbstorganisation2.2 Kollaboration2.3 User Generated Content

3 Das Lernkonzept in der Anwendung 3.1 Der Geprüfte Berufspädagoge als

Blended-Learning-Lehrgang 3.2 Die Kernelemente des Lernkonzepts

4 SOL 2.0 konkret: Videobasierte Fallanalyse 5 Erfahrungen aus der Praxis6 Literatur

1 Bestimmungsfaktoren der betrieblichen Weiterbildung

Unternehmen sehen sich heute mit einer Viel-zahl an externen Einflüssen konfrontiert, dieeine besondere Aufmerksamkeit in der Perso-nalarbeit erfordern. Das klassische Verständnisvon Weiterbildung und Wissensmanagement,das nach wie vor auf Wissensformalisierungund -vermittlung ausgerichtet ist, wird in Zu-kunft nicht mehr ausreichen, dem zunehmen-den Einfluss der im Folgenden beschriebenenFaktoren adäquat zu begegnen.

Technologischer Wandel: Erforderlich wirdzukünftig weniger die Fähigkeit der eigenen Be-legschaft sein, Spitzentechnologien zu etablie-ren, sondern vielmehr diejenige, im Arbeitspro-zess permanent nützliche Entscheidungen zutreffen. Im schnellen Tempo gefällte Entschei-dungen sind samt aller in der Folge hervorgeru-fenen Reaktionen in vollem Umfang zu verant-worten. Es braucht möglichst direkte Zugängezum Wissen mit immer kürzeren Halbwertszei-ten. Fehlt der Zugriff auf dieses Wissen, ist fürdie Handelnden erfolgs- und damit fortschritts-bestimmend, selbstständig Entscheidungentreffen zu können.

Demografie: Große Produktionsunterneh-men spüren schon heute Veränderungen in denAltersstrukturen. Dabei nimmt die wachsendeGruppe Älterer in der Belegschaft in geringeremUmfang Weiterbildungsangebote in Anspruch.Sie bringt im Durchschnitt weniger Offenheitund Bereitschaft für das Lernen mit. Die schonjetzt mit der Thematik konfrontierten Unter-nehmen sind aktiv auf der Suche, wie lebens-langes Lernen ausgestaltet werden kann. Es be-darf neuer Ansätze, die direkt vor Ort am Ar-beitsplatz Veränderungsbereitschaft fördern

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und Lernentwöhnung und Lernunwilligkeitnicht aufkommen lassen.

Heterogene Erwerbsbiografien: Trends bele-gen eine zunehmend heterogene Belegschafts-struktur. Nahezu alle Mitarbeiter unterscheidensich durch ihre individuellen, auch häufig unter-brochenen Erwerbsbiografien. Auch zeitlichePerioden der Lern- und Weiterbildungsphasendifferenzieren zunehmend. Die innerbetriebli-che Weiterbildung ist gefordert, auf diese völligheterogenen Wissens- und Lernvoraussetzun-gen effektiv und effizient einzugehen. Verstärktdurch den steigenden Fachkräftemangel ist siezunehmend zu individueller Förderung ge-zwungen.

Ökonomische Anforderungen: Für die Wett-bewerbsfähigkeit des gesamten Unternehmensleistet die Konkurrenzfähigkeit eines jeden Mit-arbeiters und einer jeden Mitarbeiterin einenindividuellen Beitrag zur Wettbewerbsdifferen-zierung. Wer sich vom Wettbewerb abhebenmöchte, muss nicht nur kompetente Fachkräftebeschäftigen, sondern auch effiziente Zusam-menarbeit in Teams ermöglichen. Von steigen-der Bedeutung sind dafür Selbstlernfähigkeit,Zeit- und Projektmanagement, Kommunikati-onskompetenzen und die Befähigung, bewusstWissen anderen zu transferieren.

Die beschriebenen Herausforderungen wei-sen auf einen Bedarf hin, gerade in der formali-sierten Weiterbildung den Lernern nicht nurneues Wissen zu vermitteln und verständlich zumachen, sondern sie auch Neues unmittelbaranwenden und in direkten Problemen lösenund bewerten zu lassen.

2 Katalysatoren selbstorganisierten Lernens 2.0

Das generische Lernkonzept »Selbstorgani-siertes Lernen 2.0« (SOL 2.0) vermittelt dahernicht nur das Wissen per se, sondern auch denmedienbasierten Umgang damit [BMBF 2010].Es bedient sich konzeptionell dazu dreier we-sentlicher Katalysatoren, um den Transfer des

Gelernten in innerbetriebliche Situationen undgemeinschaftliche Problemzusammenhängeauszugestalten.

2.1 SelbstorganisationSelbstorganisation bezeichnet die Befähigungder Lerner, ihren Lernprozess möglichst auto-nom und eigeninitiativ auszugestalten. Durchdie bewusste Förderung der Selbstlernkompe-tenz wird die Fähigkeit der Lerner zur Selbstor-ganisation eigener Lern- und Arbeitsprozesseausgebildet. Zu diesem Zweck durchlaufen sieje nach eigener Erfahrung folgende Schritte[Knowles 1975] aktiv selbst oder nach Bedarf ge-führt: Selbstorganisiertes Lernen beginnt mitder Identifikation eigener Lern-/Handlungsbe-darfe, auf deren Basis sich dann konkrete, indi-viduelle Lernziele planen lassen. Sind diese ge-setzt, ist es möglich, persönliche Lerninhaltefestzulegen und dafür eigene technische undfachliche Ressourcen auszuwählen. Fortge-schrittene Lerner wählen und steuern währenddes Lernens (Lern-)Methoden und kontrollierenihre eigenen Lernergebnisse. Durch eine festvorgesehene Lernprozessreflexion werden diebeschriebenen Schritte noch einmal beleuchtet,bewertet und das Potenzial zur Verbesserungidentifiziert.

2.2 KollaborationDie Kollaboration bildet als essenzielle Arbeits-form im Kurs einen weiteren zentralen Konzept-baustein. Die verschiedenen Perspektiven derLerner werden bewusst genutzt, um Erfah-rungswissen wieder- und weiterzugeben. Zielist es, über das konzeptgestützte Lernen hinausdauerhaft selbstständig effiziente kollaborati-ve Arbeits- und Lernprozesse gestalten zu kön-nen. Darüber hinaus sorgt gerade die Zusam-menarbeit auch für eine hohe Motivation derLerner, ihr eigenes Lernen voranzutreiben. Fürdiese Zielsetzung wird die Zusammenarbeit imLernen [Schlick et al. 2010] wie folgt gefördert:Individuelle Lern- und Arbeitsergebnisse wer-den unter den Lernen ausgetauscht und es wird

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gegenseitiges Feedback gegeben. Wo möglichund angemessen, werden Lernaufgaben alsGruppenarbeit angeregt, die dann eine eigen-ständige Arbeitseinteilung in Kleingruppen vonden Lernern erfordert. Dann ist es notwendig,dass die Lerner selbst Zeitlimits, Fristigkeitenund Verantwortlichkeiten in der Kleingruppevereinbaren. Darüber hinaus werden gezieltPlattformen geschaffen, um dort Erfahrungs-wissen aus der eigenen beruflichen Praxis miteinzubringen. So werden bewusst Koordina-tions- und Kooperationsfähigkeiten der Lernergefördert, und sie lernen methodische Unter-stützung zur Aneignung und Weitergabe vonErfahrungswissen kennen.

2.3 User Generated ContentDer dritte integrale Bestandteil im Gesamtkon-zept ist die Erstellung von Dokumenten. Lern-inhalte werden nicht nur formalisiert bereitge-stellt, sondern auch maßgeblich von den Ler-nern entwickelt und ausgetauscht.

Die Lerner dokumentieren und publizierenüber Medien und Werkzeuge des Web 2.0 ihrenLernfortschritt und ihre selbstorganisiert undkollaborativ generierten Lernergebnisse auf derLernplattform. Das unterstützt das bewussteReflektieren des Lernprozesses, indem konkreteSachverhalte mit eigenen Worten erklärt undzusammengefasst, Beispiele angeführt und un-aufgefordert abstrahiert werden. Darüber hin-aus kann die Content-Erstellung durch Berück-sichtigung des spezifischen Lernbedarfs undder individuellen inhaltlichen Interessen zurMotivationssteigerung der Lerner eingesetztwerden [Mason & Rennie 2010]. Dazu werdendie Lerner an didaktisch wertvolle Methodender Inhaltsgenerierung herangeführt und ler-nen kreative Aufbereitungsformen mit neuenMedien kennen.

Der User Generated Content – die von denLernern erstellten Inhalte – wird publiziertund beinhaltet eine kreative Eigenleistung[OECD 2007]. User Generated Content im Ler-nen zu etablieren zielt zum einen darauf ab, die

Kosten und Aufwände für die Lernmaterialer-stellung senken zu können. Zum andern profi-tiert der Lerner für die berufliche Praxis insbe-sondere von der Didaktisierung und Vermitt-lung des Gelernten an Dritte.

Der hohe Anspruch dieses Lernkonzepts be-steht darin, neben den fachlichen Zielsetzun-gen auch alle drei Katalysatoren im Lernen zuverankern und zu realisieren. Im Vergleich zuklassischen Lernformen besteht durch sie einMehraufwand für jeden Lerner, dessen Potenzi-al nur durch eine umfassende Motivation er-schlossen werden kann. Daraus ergibt sich diefolgende zentrale Herausforderung: Auf der ei-nen Seite ist den Lernern gestalterischer Frei-raum zur Selbstorganisation, Kollaboration undzum Erstellen von User Generated Content zugeben. Auf der andern Seite sind regulierendebzw. steuernde Eingriffe zur Qualitätssicherungfachlicher Lernziele unumgänglich.

Im Folgenden wird am Beispiel des neuenFortbildungslehrgangs »Geprüfte/r Berufspäda-goge/Berufspädagogin« dargestellt, wie diezentralen Elemente des SOL 2.0 realisiert wer-den und im Spannungsfeld der QualitätszieleAnwendung finden.

3 Das Lernkonzept in der Anwendung

3.1 Der Geprüfte Berufspädagoge als Blended-Learning-Lehrgang

Das innovative Lernkonzept wird im Rahmendes Forschungsprojekts SOL 2.0 am Beispiel desFortbildungslehrgangs zum Geprüften Berufs-pädagogen1 beim Elektro Technologie ZentrumStuttgart (etz) pilotiert. Der Fortbildungslehr-gang richtet sich an alle in der Aus- und Weiter-bildung Tätigen, die sich in neue »strategische«Verantwortungen und Aufgaben in der Aus-und Weiterbildung hineinqualifizieren wollen.Die Konzeption der Fortbildung sieht ein modu-lares Lernsystem vor. Inhaltlich geht es im Lehr-

1. Für eine bessere Lesbarkeit wird im Beitrag nurdie männliche Form verwendet.

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gang um Kernprozesse des Aus- und Weiterbil-dens, wie z.B. Organisation und Planung, Leis-tungsbeurteilung und Kompetenzfeststellung,aber auch um Begleitprozesse, wie z.B. Manage-mentaufgaben, Führungs- und Beratungsauf-gaben im Bereich Personal- und Organisations-entwicklung in der beruflichen Bildung. DieZielgruppe für diesen Fortbildungsberuf bringtbereits ein hohes Potenzial bezüglich der not-wendigen Fähigkeiten für das selbstorganisier-te Lernen mit, weil:

! in der Regel langjähriges Erfahrungswissenvorhanden ist,

! die Weitergabe von Wissen und das Explizie-ren von Erfahrungen zum Arbeitsauftrag ge-hört,

! bereits Vorkenntnisse zur medialen Aufberei-tung von Wissen vorhanden sind und

! der Umgang mit kollaborativ nutzbaren Sys-temen in den Grundlagen vertraut ist.

Mit der Prüfung der Lehrgangsteilnehmer zumGeprüften Berufspädagogen ist im SOL 2.0 al-lerdings eine sehr hohe Messlatte bezüglich derQualität der Lernprozesse und Lernergebnisseangelegt.

3.2 Die Kernelemente des Lernkonzepts Im Folgenden werden am Anwendungsbeispieldes Berufspädagogen die Kernelemente desSOL 2.0 konkret dargestellt. Die technologischeUnterstützung durch Web-2.0-Tools ist dabeivon zentraler Bedeutung.

Lernziele und -inhalte im SOL 2.0 Das Konzept des SOL 2.0 sieht vor, dass die Ler-ner eigene Lernziele und Themen definieren.Die Festlegung eines festgefügten Lehrplans imklassischen Sinne ist daher nicht mehr möglich.Um den in der Prüfungsordnung vorgesehenenRahmenzielen Rechnung zu tragen, wurden ausden Lernmodulen zentrale Keywords herausge-arbeitet und zu »Begriffslandkarten« zusam-mengesetzt. Diese »Begriffslandkarten« die-nen den Lernern als inhaltliche Orientierungs-

hilfe, ohne ein festes, sequenziell abzuarbeiten-des Curriculum vorzugeben.

SOL-2.0-MethodenDie Lehrgangsteilnehmer lernen über dieDurchführung von Praxisprojekten in ihrem ei-genen praktischen Umfeld (Handlungsorientie-rung), z.B. analysieren sie Qualifizierungsbedar-fe und entwickeln daraus neue Bildungsange-bote, sie modernisieren Ausbildungspläne odererarbeiten neue Prüfungskonzepte. Die Projekteorientieren sich jeweils an den Rahmenthemender Lernmodule, die Differenzierung und kon-krete Gestaltung der Projekte hängt von der be-ruflichen bzw. betrieblichen Situation der ein-zelnen Lerner ab. Um das Erfahrungswissen zuerweitern und um die Reflexionskompetenz zufördern, werden sowohl die Festlegung wieauch die Durchführung der Projekte immer wie-der in der Lerngruppe diskutiert. Die Projekt-arbeit stellt damit eine wesentliche makrodi-daktische Struktur zur Verfügung, durch die dieSelbstorganisation umgesetzt wird. Darin ein-gebettet ist das mikrodidaktische Methoden-arsenal des SOL 2.0, das einerseits die Selbstor-ganisation individuell, aber auch die Zusam-menarbeit aller Beteiligten erfordert. DenLernern steht eine Auswahl an SOL-2.0-Metho-den [Häfele & Maier-Häfele 2010] zur Verfü-gung, die auf der im Kurs verwendeten Lern-plattform bereitgestellt werden. Dazu gehörenbeispielsweise Cyberstorming, virtuelle Sprech-stunde, SMART-Methode oder Ziel- und Akti-onsplan.

RollenmodellIm SOL 2.0 trägt der Lernende die Verantwor-tung für seinen Lernprozess selbst. Er über-nimmt immer wieder die Rolle einer »Lehrper-son« innerhalb des Kollaborationsprozesses derGruppe und organisiert seine Lernressourcenweitestgehend autonom.

Um die Lernenden in ihrer Autonomie zuunterstützen, wird die Rolle des Lerndesignerseingeführt. Er implementiert proaktiv »Orien-

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tierungsstrukturen« für das selbstorganisierteLernen und ist zumindest in der Anfangsphasedes Lernens der Coach der Lerner im Prozess derSelbstorganisation und Kollaboration. Der Lern-designer muss in der Lage sein, zu erkennen,auf welcher individuellen Autonomiestufe sichdie Lerner befinden, die dafür vorliegenden Un-terstützungsbedarfe wahrzunehmen und ggf.die Lerner mit entsprechenden Hilfemaßnah-men zu unterstützen (bspw. beim Finden undFormulieren der Aufgabe oder bei der Planungder Vorgehensweise). Der Lerndesigner achtetvor allem auch darauf, dass die durch die Prü-fung bestimmten Zielsetzungen im Fokus blei-ben. Er begleitet beobachtend die Erstellungder Projekte und wirkt beispielsweise imContent-Erstellungsprozess in der Freigabe mit.Im Idealfall verbleiben im Laufe des Lernprozes-ses nur wenige Aufgaben bei dem Lerndesigner(bspw. Konfliktmoderation, ggf. Integration ein-zelner Lerner in die Gruppe, Vermittlung von ex-terner Expertenhilfe, strukturierte Reflexion desFehlermanagements).

Der »Lehrer-Lerner«-Rollenwechsel, der durchdas selbstorganisierte Arbeiten in kollaborativenZusammenhängen hervorgerufen wird, ist zu-nächst von allen zu lernen. Der Lerndesigner ini-tiiert den Rollentausch in der ersten Phase desLernens bewusst und überträgt die eigens dafürgeschaffene Rolle des Kollaborationsmanagersjeweils zu Beginn einer neuen Lernphase explizitan einen Lernenden, mit dem er die Aufgabenund Funktionen des Kollaborationsmanagersklärt (Coaching). Der Kollaborationsmanager (re-)aktiviert bzw. initiiert die Kollaboration in derGruppe, er terminiert Webmeetings in der Ge-samtgruppe (z.B. Koordination von Terminen,Fortschreiben des Kollaborationsfahrplans, Um-setzung einer Ad-hoc-Umfrage), bereitet dieseMeetings vor und übernimmt die Moderation. Erist der Ansprechpartner in den Selbstlernphasenund in der Kleingruppenarbeit.

Die Rolle des Kollaborationsmanagers »rol-liert« in der Lerngruppe, sodass alle Lernendeneinmal im Lernprozess diese Rolle übernehmen

können. Grundsätzlich bleibt jedoch jeder im-mer in seiner Verantwortung, den Lernprozessselbst zu gestalten.

Ein technischer Support steht besonders zuKursbeginn und bei umfassenderem Administ-rationsbedarf (z.B. der Implementierung neuerTools oder Rechtevergabe) zur Verfügung. Auchdie Meetings im virtuellen Klassenzimmer wer-den in der Startphase umfassend betreut. Ziel-setzung zu Beginn ist, die Frustration im Um-gang mit der Technik möglichst gering zu hal-ten.

Der Lerndesigner und der technische Sup-port können jederzeit per E-Mail angefordertwerden. Zu Beginn des Lehrgangs, so zeigt dieErfahrung, ist der Support der Experten (Lern-designer und technischer Support) häufigernotwendig. Für die Startphase des SOL emp-fiehlt es sich, seitens des Lerndesigners feste»Sprechstunden« im virtuellen Klassenzimmeranzubieten, um die Anfragen der Lernenden zukanalisieren und zu Beginn die Kommunikationund die gegenseitige Beratung der Lerner zufördern.

Wird ein externer Inputgeber (Experte zu ei-nem Fachthema) benötigt, so wird dieser in derRegel von dem Lerndesigner angesprochen.Möglich ist aber auch, dass die Lerner selbst dieFachexperten ansprechen und diese in Rück-sprache mit dem Kollaborationsmanager oderdem Lerndesigner in den Lernprozess »eintak-ten«.

Plattform und ToolsDie technische Konzeption des SOL 2.0 hat ihrenAusgangspunkt in der Methodik des selbstorga-nisierten Lernens. Die Auswahl und die Struktu-rierung der Software erfolgten unter Beachtungmethodisch-didaktischer Kriterien. TechnischesBasissystem für das SOL 2.0 bildet im Kurs dasLernmanagementsystem (LMS) Moodle, das be-reits eine große Anzahl der für SOL 2.0 notwen-digen Funktionalitäten anbietet. Dabei spre-chen die in Tabelle 1 aufgeführten Hauptkriteri-en für den Einsatz des LMS Moodle.

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Tab. 1: Kriterien für den Einsatz des LMS Moodle

Der permanente Rollentausch kann im LMSsehr differenziert abgebildet werden, da es dieVergabe von Rechten abhängig vom Kontext(z.B. im Kontext Kursraum oder im Kontext Ak-tivität) und die Definition eigener Rollen zu-lässt. Mit dieser flexiblen Rollenfunktionalitätkann der Kompetenzentwicklung der Lernen-den Rechnung getragen werden, indem suk-zessive mehr Berechtigungen zugewiesen wer-den (vom Novizen bis zum Experten). Die Ad-ministration der Rechte selbst obliegt in derRegel dem technischen Support bzw. dem Lern-designer.

Die Gruppenfunktionalität innerhalb einesKursraums in Moodle ermöglicht virtuelle Grup-penarbeit. So kann für alle Aktivitäten unter-schieden werden, ob Beiträge für alle Lerneroder nur eine bestimmte Gruppe sichtbar sind.Die Lernenden können sich selbst über die Funk-tion »Group Picker« den Gruppen zuordnen.

Das LMS wurde über Anpassungsprogram-mierungen an das Content-Management-System,das bereits beim Bildungsdienstleister (etzStuttgart) implementiert ist, angebunden. Soist es möglich, dass bereits vorhandener Con-tent komfortabel in das Kursgeschehen des SOL2.0 eingebunden werden kann.

Für die kollaborative Erarbeitung vonFachtexten wurde eine Wiki-Komponente (Media-wiki) eingebunden.

Die hauptsächlich asynchronen Kommuni-kationstools im LMS werden durch ein virtuellesKlassenzimmer (VC) für die synchrone Kommu-nikation in den Distance-Learning-Phasen er-gänzt. Die stärker moderatorengesteuerte VC-Software für die Gesamtgruppe wird durch ein-fache Meetingtools wie beispielsweise Skypeoder Mikogo ergänzt, die den kollaborativen As-pekt berücksichtigen und sich für die Arbeit inkleinen Gruppen anbieten.

Die Lerner können im LMS individuell Toolsfür ihren Lernprozess nutzen und sich so ihre ei-gene Lernlandschaft gestalten ( je nach Medien-kompetenz und der damit verbundenen Be-rechtigungsstufe). Die Vorstrukturierung derTools auf der Lernplattform ist als ein Angebotzu verstehen. In welchem Maße die Lerner die-ses Angebot nutzen bzw. auf die eigenen Bedar-fe anpassen, ist ihnen freigestellt. Mit zuneh-mender Medienkompetenz können die Lernen-den auch eigene Tools zur Anwendung bringen– sofern die technische Basis wartungsfähigbleibt.

Kriterium NutzenOpen Source Kostenbegrenzung

Offene Architektur Anpassbarkeit, z.B. Verbindung zu anderen Tools über Single-Sign-on (SSO), Zugriff auf vorhandene Contents

Offenes Rollenkonzept Flexible Rollenmodifikation, Administration von Lernphasen und Aktivitäten

Große Auswahl an zusätzlich verfügbaren Modulen

Flexible Gestaltung von Lernszenarien

Online-Kursräume mit didaktisch sinnvoll anzuordnenden Arbeitsmaterialien und Lernaktivitäten

Flexible Gestaltung von Lernszenarien

Forum, Chat, Messenger Viele »Wege« der Kommunikation

Web-2.0-Module Austausch von Erfahrungswissen

Komponenten mit Bewertungs- oder Kommentierungsfunktion

Hoher »kollaborativer Wert« der Funktionalitäten

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Starthilfe SOL 2.0Eigenverantwortliches Lernen entwickelt sichimmer individuell und in einem langfristigen,mehrstufigen Prozess [Ott et al. 2008]. Die Ler-ner wachsen in selbstgesteuerte Lernprozessehinein, indem sie Schritt für Schritt an die Selbst-organisation des Lernens herangeführt werdenund ihnen zunehmend mehr Verantwortungfür ihre Lernprozesse übertragen wird. Auch kol-laborative Arbeitsformen sind zunächst zu ent-wickeln und einzuüben. In SOL 2.0 kommt eineweitere Herausforderung hinzu: die »schritt-weise Online-Sozialisation« zumindest der Ler-ner, die nicht zur »Generation Y« gehören. Wirdanhand selbsterstellter Inhalte gelernt (UserGenerated Content), geht es auch darum, die»Autorenkompetenz« und »Qualitätskompe-tenz« zu fördern.

Besonders die Startpräsenz des SOL 2.0 fo-kussiert diese wichtigen Zielsetzungen. Nebender Förderung eines offenen Gruppenklimas, derSchaffung von Klarheit über das Lernkonzept, derFormulierung der Erwartungen an den Kurs undan die Gruppe und der Definition erster Lernzielestehen hier die notwendigen SOL-2.0-Kompeten-zen im Mittelpunkt – das Einüben der neuenLern- und Arbeitsmethoden im SOL 2.0 und dieEntwicklung der verschiedenen Kompetenzenwerden damit zum eigenen Lernziel im Kurs.

SOL-WorkpapersDas Konzept sieht vor, für die Onlinephasen me-thodische, organisatorische und technische Ar-beitshilfen (SOL-Workpapers) für das selbstorga-nisierte, kollaborative Lernen und die Content-Generierung bereitzustellen. Die Arbeitshilfenbieten den Lernern eine Orientierung für dienächsten Arbeitsschritte, sichern Lernprozessund -ergebnisse in den Distanzphasen und stel-len somit gleichzeitig wesentliche Instrumenteder Qualitätssicherung und Standardisierungder Prozesse dar. Die Arbeitshilfen werden übereine Bibliothek auf der Plattform zur Verfügunggestellt, um die Lerner individuell darin zu

unterstützen, die Autonomie des selbstorgani-sierten Lernens zu erreichen:

! Technische Workpapers: Zur Nutzung dertechnischen Tools werden kurze Technik-checks bereitgestellt, die die jeweils wesentli-chen technischen Funktionalitäten erklärenund den Lernern dabei helfen, aus den ange-botenen Möglichkeiten das Tool zu wählen,das für den geplanten Lernschritt sinnvoll er-scheint.

! Methodische Workpapers: Zur Unterstützungder methodischen Gestaltung des Lernenswird eine Auswahl an Methodenkarten zurVerfügung gestellt, die den Stufen Analyse –Planung – Durchführung und Auswertungzugewiesen sind.

! Organisatorische Workpapers: Um die Pro-zesse der Selbstorganisation und Kollaborati-on zu unterstützen (bspw. die Durchführungeines Onlinemeetings von der Terminpla-nung bis zur Dokumentation), werden orga-nisatorische Quick Checks bereitgestellt.

! Neben den technischen, methodisch-didakti-schen und organisatorischen SOL-Workpapersunterstützen modulspezifische Arbeitshilfenbei der Erarbeitung der Themen und der Ent-wicklung und Bearbeitung der Projekte.

Von Provider Generated Content (PGC) zu User Generated Content (UGC)Für die Anfangsphase des Lehrgangs zum Be-rufspädagogen steht eine »Grundausstattung«an Content (v.a. Grundlagentexte im Wiki) zurVerfügung, die durch die Lerner je nach Fort-schritt der Autorenkompetenz bewertet, kom-mentiert, ergänzt und aktualisiert wird. So wirdaus den vom Bildungsdienstleister bereitge-stellten Inhalten (Provider Generated Content)sukzessive User Generated Content.

Vom unterstützten zum autonomen Lernen Die Ressourcen und Vorstrukturen, die zu Be-ginn vom Bildungsanbieter bereitgestellt wer-den, erfahren im Verlauf des Kurses Anpassun-

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gen – je nach den Bedarfen der Lerngruppe –,sodass Schritt für Schritt ein auf die Lerngruppeabgestimmtes Lernszenario entsteht. So wirdbeispielsweise aus einem groben »Kollaborati-onsrahmen« (Terminierung der Präsenzphasenbeim Bildungsanbieter) innerhalb des Kursesein gruppenspezifischer Kollaborationsfahr-plan, in dem Termine sowie Rollen oder Verant-wortungen festgelegt sind.

SOL 2.0 im Blended LearningZur Vorbereitung von SOL-2.0-Kursen wird emp-fohlen, seitens des Bildungsanbieters eine gro-be Planung zu erarbeiten, die die Verfügbarkeitder Räumlichkeiten und des Lerndesigners fürdie Präsenzen und die Onlinemeetings geradein der Anfangsphase sicherstellt. Die Erfahrungzeigt, dass der Kursstart in jedem Fall als Prä-senzveranstaltung erfolgen sollte. Der weitereKursverlauf kann sich dann im flexiblen Wech-sel von Präsenz- und Onlinephasen vollziehen.Neu im Ansatz SOL 2. 0 ist, dass die Lerner mitzunehmender Medienkompetenz insbesonde-re die Onlinephasen eigenverantwortlich ge-stalten. Dies umfasst:

! asynchrones Selbstlernen auf der Plattform,! Kollaboration via Online-Tutorium,! Kleingruppenkollaboration via Gruppenchat,

Skype-Konferenz etc.

4 SOL 2.0 konkret: Videobasierte Fallanalyse

Das Konzept des SOL 2.0 wird im Folgenden amBeispiel der kollaborativen Videofallarbeit ge-zeigt (vgl. Abb. 1). Im Mittelpunkt der Fallarbeitsteht die Arbeit mit Videos zu authentischen(fach-)didaktischen Schlüsselsituationen ausder Praxis der Aus- und Weiterbildung, die di-daktisch aufbereitet und in die computerunter-stützte Lernumgebung integriert werden. DieLerner analysieren die realen Situationen, doku-mentieren ihre Beobachtungen, arbeiten andiesen Fällen auf der Grundlage ihres eigenendidaktischen Fachwissens und werten ihrenAnalyseprozess aus. Das Konzept der medien-basierten Fallarbeit setzt sich zum Ziel, den Auf-bau von Deutungskompetenz bei pädagogischVerantwortlichen gezielt zu fördern und ihnendadurch eine wesentlich erweiterte Handlungs-

Phase II: Vollständige Analyse und

individuelle Kommentierung des Falls

Phase III: Auseinandersetzung mit dem

Fall in Kleingruppen

Phase V: Auswertung der Fallmethode/

Sicherung der Lernergebnisse im Plenum

Phase I: Einführungseinheit zur Fallarbeit Präsenz

Präsenz

Online

(4 MON)

Phase IV: Zusammenfassung/

Auswertung des Falls im Plenum

Flashvideo

Glossar

Ressourcen

Chat

Forum

Virtual

Classroom

Methodische Vorgehensweise Lernform

Lern-

designer

Lern-

designer

Abb. 1: Implementierung SOL-2.0-Kernelemente in der videobasierten Fallanalyse

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kompetenz zu ermöglichen. Die Methode derkollaborativen Videofallarbeit ist für das SOL 2.0deshalb so wertvoll, da sie an das Erfahrungs-wissen anschließt und dieses expliziert und fle-xible Möglichkeiten der Verknüpfung von Prä-senz- und Distanzphasen, von Selbstlernen undkollaborativer (Klein-)Gruppenarbeit bietet.

Im Rahmen der Startpräsenz erarbeiten dieLerner gemeinsam mit dem Lerndesigner dieMethodik der Fallarbeit und die Nutzung derbereitgestellten Tools auf der Lernplattform. Fürdie darauf folgende Lernphase wird aus derGruppe ein Kollaborationsmanager bestimmt.Dieser übernimmt die Moderation der Klein-gruppenfindung und der ersten Terminierun-gen für die Erarbeitung der Videoanalyse. DieTermine für die gemeinsamen Aktivitäten wer-den verbindlich in den gemeinsamen Kalendereingetragen. Zunächst kommentieren die Ler-ner in Einzelarbeit das vorliegende Video. Umdie im Video festgehaltene Situation besser ein-ordnen zu können, erhalten sie ergänzende Ma-terialien, die sie bei der Analyse unterstützen(Beschreibung zum Fallsetting im Video, Kom-mentare des Lernbegleiters und einiger Kurs-teilnehmer aus dem Fall). Am Ende fassen dieLerner ihre Ergebnisse zusammen und bereitendamit die Kleingruppenarbeit im Chat vor, inder dann die Ergebnisse intensiv diskutiert wer-den. Die zusammenfassenden Beiträge werdenim Forum gepostet, um sie der Gesamtgruppezur Vorbereitung des Online-Tutoriums zur Ver-fügung zu stellen. Im Rahmen eines Online-Tu-toriums für die Gesamtgruppe werden die Bei-träge aus den Kleingruppen zusammengetra-gen und im Plenum diskutiert, der gesamte Fallwird ausgewertet. In der folgenden Präsenzver-anstaltung wird die Methodik der Fallarbeit imPlenum insgesamt ausgewertet und die Lerner-gebnisse der Gruppe gesichert.

Während der Phasen II-IV der Fallarbeit or-ganisieren die Lerner ihren Lernprozess voll-ständig selbst. Zur Verfügung stehen hier ver-schiedene Workpapers zur Unterstützung derProzesse:

! Technische Workpapers: Umgang mit demGlossar als Werkzeug für die Videoanalyse,Quick Checks zum Chat und Forum

! Organisatorische Workpapers: Checkliste fürdie Kleingruppenarbeit, Checkliste zur Vorbe-reitung eines Onlinemeetings

! Methodische Workpapers: Leitfragen für dieAuswertung der Fallarbeit, Moderatoren-check für das Onlinemeeting

5 Erfahrungen aus der PraxisEine Evaluation des Blended-Learning-LehrgangsGeprüfter Berufspädagoge ergab nach demersten Kursjahr, dass die Teilnehmer eine deutli-che Weiterentwicklung in Bezug auf SOL-2.0-spezifische Kompetenzen wahrnehmen. SowohlLerndesigner als auch Teilnehmer selbst berich-ten, dass sie am meisten bei der eigenständigenAuswahl von Lern- und Arbeitstechniken gelernthaben. Ebenso sind sich Lerndesigner und Lernereinig: Durch den permanent bewusst durchlau-fenen Lernprozess setzen sich Lerner verstärktkursüberdauernde Ziele und neue Prioritäten fürihre zukünftige fachliche Entwicklung.

Die aktivsten Lerner der Gruppe füllen dieAufgaben und Funktionen des Kollaborations-managers nach einiger Zeit sogar ohne formaleRollenübernahme aus. Es kommt zu einer konti-nuierlichen und rollierenden Verantwortungdurch die Kursteilnehmer. Die explizite Rollen-übergabe in die Hände eines Lerners bringt ei-nen weiteren Vorteil: Im Interview mit dem Kol-laborationsmanager bestätigte er, er habe sichdurch diese Funktion sehr in die Rolle des Lern-designers versetzt gefühlt. Er habe lernen kön-nen, wie man eine Lerngruppe organisiert, Lern-aufgaben konstruiert, Lerngruppen steuert undletztlich auch evaluiert. Auch wenn der Ar-beitsalltag eine Zusammenarbeit in dieser Formkaum zulasse, könne er die gemachten Erfah-rungen sehr gut transferieren. Er werde in Zu-kunft wichtige Impulse setzen und sei über-zeugt, mehr Initiative zu zeigen und Kollegenetwas anzubieten, das ihnen hilft.

Page 13: SELBSTORGANISIERTES LERNEN 2.0 Ein neues Lernkonzept für ... · SOL 2.0 konkret dargestellt. Die technologische Unterstützung durch Web-2.0-Tools ist dabei von zentraler Bedeutung

Selbstorganisiertes Lernen 2.0

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Die Lerndesigner fühlten sich in ihrer neuenRolle im Vergleich zu klassischen Weiterbil-dungskursen in folgender Weise herausgefor-dert: Es stelle eine gänzlich neue Anforderungdar, sich stärker als bisher in den Lerner hinein-zuversetzen und ihn zu begleiten, anstatt ihn zusteuern. In ihrer neuen Rolle sei es noch wichti-ger, nicht nur ab und zu, sondern durchgängigauch die Selbstlernphasen zu begleiten.

Vergleichend zu klassischer Weiterbildunglässt sich zum Pilotprojekt Geprüfter Berufspä-dagoge weiterhin feststellen, dass die eingesetz-te Lernplattform wesentlich stärker und aktivergenutzt wird. Üblicherweise wird sie von Teilneh-mern vornehmlich genutzt, um bereitgestellteDokumente herunterzuladen. Der konkrete Kurszeigt, dass es zur Selbstverständlichkeit werdenkann, eigene Projektvorhaben und -dokumenta-tionen, ausgearbeitete Referate etc. dort denMitlernern zur Verfügung zu stellen. Darüber hi-naus findet auch das Forum aktive Nutzung. AlleTeilnehmer sind am kontinuierlichen Austauschzwischen den Präsenzen beteiligt.

Im Pilotkurs zum staatlich geprüften Be-rufspädagogen gelingt es, dass Lerner unmittel-bar Neues anwenden und sich gegenseitig inihren Aufgabenstellungen unterstützen. ImKursverlauf zeigen sie mehr und mehr Eigenini-tiative und übernehmen mehr Eigenverantwor-tung. Für die Übertragung dieses Konzepts aufandere Bereiche, also beispielsweise Anwen-dung von SOL 2.0 als arbeitsprozessintegriertesLernen in Unternehmen, werden die vorgestell-ten Kernelemente an die konkreten Rahmenbe-dingungen anzupassen und entsprechend zudimensionieren sein. Entscheidender Erfolgs-faktor bei der Umsetzung ist, so sind sich alleBeteiligten einig, dass Selbstorganisation, Zu-sammenarbeit und Erstellung von Dokumentenzum gelebten Selbstverständnis aller Beteilig-ten wird. Sind diese Organisations-, Arbeits-und Austauschformen verinnerlicht, können diePotenziale hin zu mehr Eigeninitiative und Ei-genverantwortung auch im Arbeitsalltag er-schlossen werden.

6 Literatur[BMBF 2010] Bundesministerium für Bildung und

Forschung (BMBF) – Referat Digitale Medien undInformationsinfrastruktur: Kompetenzen in ei-ner digital geprägten Kultur. Medienbildung fürdie Persönlichkeitsentwicklung, für die gesell-schaftliche Teilhabe und für die Entwicklungvon Ausbildungs- und Erwerbsfähigkeit. W. Ber-telsmann Verlag (wbv), Bielefeld, 2010.

[Häfele & Maier-Häfele 2010] Häfele, H.; Maier-Häfele, K.: 101 e-Learning Seminarmethoden:Methoden und Strategien für die Online- undBlended-Learning-Seminarpraxis. managerSemi-nare Verlags GmbH, Bonn, 2010.

[Knowles 1975] Knowles, M.: Self-directed learning:A guide for learners and teachers. AssociationPress, New York, 1975.

[Mason & Rennie 2010] Mason, R.; Rennie, F.: Evol-ving Technologies. In: Rudestam, K.; Schoen-holtz-Read, J. (eds.): Handbook of Online-Lear-ning. Sage Publications, Inc., Thousands Oaks,CA, 2010, pp. 91-128.

[OECD 2007] Organisation for Economic Co-opera-tion and Development (OECD): ParticipativeWeb and User-Created Content: Web 2.0, Wikisand Social Networking. OECD, 2007.

[Ott et al. 2008] Ott, B.; Rebbe, T.; Schulte, S.: Eigen-verantwortliches Lernen in der Berufsschule.Die berufsbildende Schule – Zeitschrift des Bun-desverbandes der Lehrerinnen und Lehrer anberuflichen Schulen 60 (2008), 7/8, S. 225-230.

[Schlick et al. 2010] Schlick, C.; Bruder, R.; Luczak, H.:Gruppen- und Teamarbeit. In: Schlick, C. et al.(Hrsg.): Arbeitswirtschaft. Springer-Verlag, Ber-lin, Heidelberg, 2010, S. 495-574.

Anna HobergFraunhofer IAO Competence Center Business Performance ManagementNobelstr. 1270569 [email protected]

Petra GohlkeElektro Technologie Zentrum (etz)Krefelder Str. 1270376 [email protected]