sicherheitsaspekte beim testen von lithium-ionen...
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Sicherheitsaspekte beim Testen von
Lithium-Ionen Batterien
René Groiß und Andreas Jossen
BaSyTec GmbH
89129 Öllingen, Rosenweg 7
[email protected], www.basytec.de
Lithium-Ionen Batterien werden aufgrund Ihrer hohen spezifischen Energie in immer mehr
Anwendungen eingesetzt. Dies gilt nicht nur für kleine mobile Anwendungen, sondern auch
für große Systeme, wie Elektrofahrzeuge oder große stationäre Speicher. Mit zunehmender
Speichergröße steigt aber auch die potentielle Gefahr in kritischen Situationen.
Immer wieder werden Vorfälle in Prüflaboren bekannt, die auf technisches, aber auch auf
menschliches Versagen zurückzuführen sind.
Der Beitrag beschreibt einerseits die prinzipiellen Gefahren beim Betrieb und beim Testen
von Lithium-Ionen Batterien und bewertet diese für unterschiedliche Zell- und
Batteriegrößen. Andererseits werden Konzepte vorgestellt und diskutiert, die in einem
Fehlerfall die Prüfeinrichtung und auch das Personal vor Schäden schützen soll.
Einführung Lithium-Ionen Batterien haben sich in den letzten Jahren im Bereich mobiler Systeme mit
einem Energieinhalt von wenigen 100 mWh bis zu etwa 100 Wh sehr erfolgreich
durchgesetzt. Die typischen Batteriegrößen liegen im Bereich von 3.6V bis 36V bei
Kapazitäten von bis zu 10 Ah. Besonders größere Speichersysteme werden durch serien-
parallel Schaltungen aus Standardzellen der Baugröße 18650 oder 26650 aufgebaut.
Zunehmend kommen auch coffee-bag Zellen zum Einsatz.
Immer größere Anwendungen, wie auch Elektrofahrzeuge, benötigen jedoch deutlich größere
Speichersysteme, die einerseits einen wesentlich höheren Energieinhalt haben und
andererseits auch in der Lage sind, große Leistungen abzugeben. Diese Speicher werden heute
teilweise auch noch mit kleinen Standardzellen aufgebaut, es zeichnet sich aber ein klarer
Trend zur Verwendung größerer Zellen ab. Zellen mit Kapazitäten von 50Ah und mehr
werden hierfür verwendet. Ein Kleinfahrzeug benötigt einen Speicher ab etwa 16 kWh, was
etwa 100 Zellen mit je 50 Ah entspricht. Kommen in den Anwendungen nur ausgereifte
Speichersysteme mit einem aufwändigem Batteriemanagement- und Sicherheitssystem zum
Einsatz, so müssen im Prüffeld Zellen und Systeme im Prototypenstadium getestet werden.
Einerseits sind hier unter Umständen batterieseitig keine Sicherheitssysteme vorhanden und
andererseits besteht bei Prototypen prinzipiell ein höheres Sicherheitsrisiko. Ein weiterer nicht
zu vernachlässigender Risikofaktor besteht durch den flexiblen Betrieb, der ein häufiges
Ändern des Versuchsaufbaus mit sich bringt.
Die folgenden Abbildungen zeigen Fehlerfälle von Lithium-Ionen Batterien in
unterschiedlichen Anwendungen.
Abbildung 1: Akkufehler in eines 1 Jahr alter Laptop brennt am 12. November 2009.
Abbildung 2: Batteriebrand einer PHEV Batterie mit LiFePO4 Zellen [2]
Gefahrenpotentiale von Batterien Die Gefahrenmomente von Lithium-Ionen Batterien lassen sich wie folgt gliedern:
Gefahr durch elektrische Spannung
Gefahr durch elektrischen Strom
Gefahr durch austretende Inhaltsstoffe
Gefahr durch Feuer und/oder Explosion
Um Gefahrenmomente von Batterien zu klassifizieren, wurden so genannte Gefahrenstufen
(Hazard Levels) definiert. Diese beinhalten nur Fehler der Zellen/Batterien und beinhalten
nicht die elektrische Sicherheit. Die folgende Tabelle zeigt die von EUCAR vorgeschlagene
Definition.
Table 1: Gefahrenstufen bei Batteriefehlern nach EUCAR
Beispiel für einen Hazard Level 6 (Rupture) eines HEV Batteriemodus
Gefahr durch elektrische Spannung
Fahrzeugbatterien haben heute Nennspannungen im Bereich von etwa 100V bis zu 800V.
Diese Spannungen können beim Berühren zu einem tödlichen elektrischen Schlag führen.
Daher sind Sicherheitsmaßnahmen, wie Berührschutz und die Einhaltung eines
Isolationswiderstandes erforderlich. Für den Betrieb im Fahrzeug sind Anforderungen gemäß
ECE-R 100 einzuhalten.
Im Prüffeld sind diese Vorschriften bei Spannungen oberhalb von 60V ebenfalls einzuhalten
und Arbeiten am elektrischen Stromkreis sind nur von geschulten Mitarbeitern zulässig.
Beim Versuchsaufbau müssen Berührschutzmaßnahmen vorhanden sein und entsprechend
gekennzeichnet werden.
reje
ct
accep
t
Gefahr durch elektrischen Strom
Die Gefahr durch den elektrischen Strom besteht einerseits durch Bildung von Lichtbögen
(Leitungsunterbrechung) und andererseits durch Überlastung, bzw. Kurzschluss. Alle
Fehlerfälle führen schnell zu lokalen Überhitzungen und zum Brand. Hiervon sind besonders
die gesamte leistungsführende Verkabelung, inklusive Steckverbinder und Zellverbinder
betroffen.
Bei einem Strom von 200A führt bereits ein Übergangswiderstand von 1 m zu einer
Verlustleistung von 40W. Derartige Leistungen führen mindestens zu einer beschleunigten
Alterung des Prüflings, können aber auch zur Überhitzung und zum thermischen Durchgehen
des Prüflings führen. Besonders kritisch dabei ist, dass der Übergangswiderstand durch die
Erwärmung mechanisch zusätzlich belastet wird und so im Laufe der Zeit weiter zunimmt.
Isolierscheiben aus ungeeigneten Materialien können weich werden und so zu einem weiteren
Anstieg der Verluste führen.
Ein weiteres Problem im Prüffeld sind Kurzschlüsse beim Hantieren mit den Speichern.
Gefahr durch austretende Inhaltsstoffe
Lithium-Ionen Zellen sind gasdicht verschlossen, so dass im regulären Betrieb keine
Inhaltstoffe austreten können. Wird das Gehäuse mechanisch beschädigt so können
Inhaltsstoffe gasförmig oder in flüssiger Form austreten. Eine Beschädigung des Gehäuses
kann durch einen Fertigungsfehler, durch mechanische Beschädigung (Crash, unsachgemäße
Behandlung) oder durch Überdruck in der Zelle erfolgen. Überdruck entsteht in der Regel
durch Überhitzung der Zelle, was die Folge einer Überlastung, eines Kurzschlusses oder einer
Überladung sein kann.
In flüssiger Form kann der Elektrolyt austreten. Diese besteht aus einer Mischung von
linearen (DMC) und zyklischen (EC, PC) Carbonaten und dem Leitsalz LiPF6.
Die Lösungsmittel sind brennbar und stark reizend. Insbesondere DMC ist leicht flüchtig und
kann mit Luft explosive Gemische bilden.
Das Leitsalz bildet in Verbindung mit Feuchtigkeit Flusssäure. Diese ist hoch giftig und reizt
die Atemwege.
Gasförmig treten hauptsächlich verdampfter Elektrolyt (Explosionsgefahr) und
Zersetzungsprodukte des Elektrolyten wie Methan, Ethan, Propan und Butan und Aldehyde
aus.
Bedingt durch das verwendete Leitsalz (LiPF6), kann auch das hochgiftige Phosphin
entstehen. Die bisher nachgewiesenen Mengen sind allerdings sehr gering.
Gefahr durch Feuer und/oder Explosion
Die in Lithium-Ionen Batterien eingesetzten Materialien sind zum Teil brennbar und leicht
entzündbar. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht.
Tabelle 1: Wichtige sicherheitsrelevante Stoffgrößen von Li-Zellen
Substanz Abkürz
ung
Siedepunkt
[ °C ]
Flammpunkt
[ °C ]
Zündtemperatur
[ °C ]
Explosions-
grenze [ % ]
Heizwert
Wh/kg
(berechnet)
Dimethylcarbonat DMC 90 16 465 10 - 25 ca. 3700
Ethylencarbonat EC 250 150 465 3 - 16 ca. 3100
Propylencarbonat PC 240 135 510 > 2 ca. 4100
Polyelthylen PE -- -- -- -- 12200
Graphit C -- -- ca. 600 -- 9100
Die Massenanteile (in Gramm pro Ah Kapazität) für eine Hochenergiezelle mit Coffee-Bag
Gehäuse ist in folgender Abbildung dargestellt.
Abbildung 3: Massen der Zellkomponenten in Gramm pro Ah Zellkapazität für eine Coffee-bag Zelle
Hieraus ergibt sich ohne Berücksichtigung des Kathodenmaterials pro Ah Zellkapazität der in
folgender Tabelle dargestellte Brennwert.
7,93
5,423,31
4,32
1,69
1,16
0,74
0,35
Kathodenmat.
Anodenmat.
Elektrolyt
Cu-Ableiter
Al-Ableiter
Separator
Gehäuse
Collector/Isolatoren/Kleber
Tabelle 2: Energieinhalte unterschiedlicher Komponenten.
Komponente Masse / g Heizwert in Wh/kg Heizwert in Wh
Elektrolyt 3.3 3600 11.9
Graphit (ca. 80% der
Anodenmasse)
4.3 9100 39.1
Separator (PE) 1.1 12200 13.4
Summe 64,4
Demzufolge enthält eine Li-Ionen Batterie etwa das gut 10-fache der elektrisch gespeicherten
Energie in Form von thermischer Energie.
Hinzu kommt, dass einige der eingesetzten Kathodenmaterialien bei hohen Temperaturen
spontan zerfallen und dabei Wärme und Sauerstoff abgeben:
WärmeOMOOLiMMOLi 24223,0 24310
Da diese Reaktion exotherm ist und zudem Sauerstoff abgibt, der dann zur Beschleunigung
der anderen Reaktionsabläufe beiträgt, kann es zu einem sehr schnellen thermischen
Durchgehen der Zelle kommen.
Das thermisch Durchgehen wird durch zu hohe Zelltemperaturen ausgelöst die auf folgende
Ursachen zurückzuführen sind:
Äußere Erwärmung zu stark (Feuer, defekter Klimaschrank ..)
Äußerer Kurzschluss
Innerer Kurzschluss durch Zellfehler oder Crash
Überladung der Zelle
Überentladung der Zelle
Risiken beim Umgang mit Li-Ionen Batterien im Prüffeld Da Lithium-Ionen Batterien bei falscher Behandlung potentiell gefährlich sind sind beim
Umgang mit diesen Batterien entsprechende Sicherheitsmaßnahmen zu treffen. Es ist
selbstverständlich, dass Prüflinge auf nicht brennbaren und nicht elektrisch leitfähigen
Arbeitsflächen in fixierter Form betrieben werden sollten.
Fehler beim Prüfen selbst können entweder auf technische Defekte an der Prüfeinrichtung, auf
menschliche Fehler oder auf Zellfehler zurückzuführen sein.
Technische Fehler in der Prüfeinrichtung
Batterieprüfgeräte sind programmierbare Strom-Spannungsquellen die zum Laden und
Entladen dienen. Ein Hardware- oder Softwarefehler in diesen Geräten kann daher zu
unerlaubten Betriebsparameter führen. Aber auch sehr einfache Fehler, wie ein abgefallenes
Sensekabel können zu einem Fehlerfall führen.
Menschliche Fehler
Prüfsysteme sind heute frei programmierbar, d.h. es können beliebige Prüfabläufe innerhalb
der Grenzen der Prüfgeräte durchgeführt werden. Hierdurch besteht aber auch die
Möglichkeit Prüfparameter einzugeben, die zum Durchgehen der angeschlossenen Zelle
führen. Hier gibt es zwar Grenzwerte für Ströme und Spannungen, jedoch sind diese ebenfalls
einstellbar. Diese Fehler lassen sich als Programmierfehler zusammenfassen.
Eine weitere Fehlerquelle besteht beim Anschließen des Prüflings. Hier besteht die Gefahr,
dass eine Senseleitung vergessen wird oder dass die Senseleitungen unterschiedlicher
Prüfkanäle verwechselt werden.
Zell- und Modulfehler
Lassen sich technische Defekte im Prüfsystem und menschliche Fehler mit geeigneten
Vorrichtungen noch großteils erkennen, so sind Zellfehler quasi nicht durch äußere
Messungen vorab detektierbar. Tritt ein Zellfehler auf, wie z.B. ein Kurzschluss, so ist ein
Durchgehen der Zelle und ein Brand mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu
vermeiden.
Sicherheitskonzepte zur Vermeidung von Unfällen beim Testen von Batterien
Aufbau eines Batterieprüfstandes
Ein Batterieprüfstand besteht in der Regel aus folgenden Komponenten:
1. Prüfling
also die Batterie oder Zelle
2. Prüfraum
Das ist der Raum in dem der Prüfling während der Messung gelagert ist. Das
Spektrum reicht hier von „auf dem Tisch“ über einfache Behältnisse (Kiste, Eimer)
über Klima/Temperaturkammern (im folgenden werden beide als Klimakammer
bezeichnet) bis hin zu speziellen Kombinationen aus Klimakammern, Containern und
speziell ausgerüsteten Räumen. Der Prüfraum kann auch die Aufgabe der
Klimatisierung des Prüflings übernehmen.
3. Batterietestsystem
Dieses hat die Aufgabe den Prüfling elektrisch zu belasten, das Prüfprogramm
automatisiert abzuarbeiten und die gewünschten Meßdaten zu sammeln.
Oft ist der Leitstand (in der Regel ein PC) an dem das System bedient wird getrennt
vom eigentlichen Testsystem. Zum Schutz des Testsystems kann dieses in einem
getrennten Raum vom Prüfling aufgestellt sein; eine große räumliche Entfernung wirkt
sich jedoch negativ auf die Performance aus.
4. Verkabelung zwischen Prüfling und Testsystem
5. Optional weitere Sicherheitseinrichtungen:
a. Redundante Überwachungseinrichtungen
i. Als separate Einheit
ii. Als Teil des Testsystems
iii. Als Teil der Klimakammer
b. Sicherheits-Steuerung, z. B. für Zugangskontrolle, Türverriegelung,
Aktivierung der Löscheinrichtung, Überwachungsfunktionen
i. Als separate Einheit
ii. Als Teil des Testsystems
iii. Als Teil der Klimakammer
Ziel des Sicherheitskonzepts
Die schwierigste Aufgabe bei der Konzeption eines Sicherheitskonzepts ist die Balance
zwischen Kosten und Nutzen der getroffenen Sicherheitsmaßnahmen festzulegen.
Eindeutig ist dies was Personenschäden betrifft: Personenschäden sind in jedem Fall zu
vermeiden.
Ansonsten spielt die Verantwortung der beteiligten Personen und deren Verteilung eine große
Rolle.
Maßgebliche Punkte hierbei sind:
1. Investitionskosten der Sicherheitsmaßnahme
2. Betriebskosten der Sicherheitsmaßnahme
3. Durch die Umsetzung der Maßnahme verursachte Verzögerung im Testbeginn
4. Durch die Sicherheitsmaßnahme hervorgerufene Verzögerung des Testablaufs
5. Durch die Sicherheitsmaßnahme verhinderte Prüfungen
6. Durch die Sicherheitsmaßnahme hervorgerufene Beschleunigung des Testablaufs
7. Durch die Sicherheitsmaßnahme verhinderter Schaden
In der Praxis findet man oft eine personelle Trennung der Verantwortung zwischen den
a. Nutznießern der Tests
b. Sicherheitsverantwortlichen
c. Kostenverantwortlichen
Da die Kosten jedoch in der Regel den Nutznießern aufgeschlagen werden haben diese oft
wenig Möglichkeit sich gegen explodierende Kosten durch übertriebene
Sicherheitsmaßnahmen zur Wehr zu setzen mit der Folge daß Projekte nicht oder nur
überteuert durchgeführt werden können. In der Praxis haben wir hier schon eine Verteuerung
des Prüfstandes um bis zu einem Faktor 20 gesehen! Mittelfristig ist dies in jedem Fall ein
Wettbewerbsnachteil für das Unternehmen.
Über die komplette Betriebsdauer eines Prüfstandes ist für jede Maßnahme abzuschätzen:
1. Gesamtkosten der Maßnahme K
2. Anzahl der Schadensereignisse (bzw. deren Wahrscheinlichkeit innerhalb der
Betriebszeit) W
3. Reduktion der Kosten des Schadens durch die Maßnahme k
4. Erhöhung der Kosten des Schadens durch die Maßnahme e
5. Reduktion der Häufigkeit bzw. der Wahrscheinlichkeit des Schadens durch die
Maßnahme w
Da sich durch eine Maßnahme der Wert eines Prüfstands meist erhöht kann sich dadurch auch
der Schaden erhöhen wodurch Punkt 4 zustande kommt.
Der durch die Maßnahme erzielte Gewinn G ergibt sich dann zu
𝐺 = 𝑘 − 𝑒 ∗ 𝑊 − 𝑤 − 𝐾
Eine Maßnahme macht dann keinen Sinn wenn durch sie kein Gewinn erzielt wird – wobei
jeder verhinderte Personenschaden als unendlicher Gewinn zu zählen ist. Dies ist
insbesondere dann der Fall wenn durch die Maßnahme die Kosten eines Schadens erhöht
werden – dies kommt nur den Herstellern von Sicherheitstechnik zugute.
Sicherheitsanalyse
Ziel der Sicherheitsanalyse ist es, Bedrohungen zu erkennen, deren
Eintrittswahrscheinlichkeit und Schadenspotential einzuschätzen und daraus das Risiko
abzuschätzen sowie geeignete Gegenmaßnahmen festzulegen.
Formell geschieht dies oft durch eine sogenannte FMEA (Failure Mode and Effects
Analysis). Dabei wird
1. Das System (in dem Fall der Prüfstand) beschrieben
2. Das System strukturiert
3. Funktionsblöcke definiert
4. Daraus Gefahren
a. Identifiziert
b. Bewertet
c. Wahrscheinlichkeit analysiert
d. Ursachen analysiert
e. Folgen analysiert
f. Maßnahmen zur Vermeidung definiert
g. Maßnahmen zur frühzeitigen Erkennung definiert
h. Maßnahmen zur Schadensbegrenzung definiert
Die FMEA findet man oft auch in Form einer Matrix da Maßnahmen sowohl verschiedene
Gefahren eindämmen können als auch eine Gefahr durch verschiedene Maßnahmen
eingedämmt werden kann.
Maßnahmen zur Vermeidung von Ereignissen
Allgemein:
Eindeutige Kennzeichnung der Anschlüsse
zur Vermeidung der Verwechslung innerhalb eines Prüflings (z. B. + und -) als auch
untereinander
Steckverbinder
o Eindeutig gekennzeichnet
o Möglichst alle zusammengehörigen Signale gebündelt
o „Heiße“ Signale immer berührsicher (bedeutet in der Regel daß Buchsen
batterieseitig eingesetzt werden)
o Zusätzlich vorsehen um Installation an der Batterie außerhalb beengter
Prüfkammern durchführen zu können
o Für die beabsichtigten Temperaturen geeignet
Batterien
o Mit den Anschlüssen auf geeignetem Träger fest befestigen
Anschlüsse an der Batterie
o Fest anklemmen (keine Krokodilklemmen!)
o Mit geeigneten Haltern / Anschlüssen
o Mit möglichst flexiblem Kabel um möglichst wenig Kräfte auf die Batterie
wirken zu lassen und um zu vermeiden daß die Batterie durch das Kabel
bewegt werden kann
o Für die beabsichtigten Temperaturen geeignet
o Sicherung im Stromzweig falls Nenn-Ausgangsstrom des Testsystems grob
vom möglichen Maximalstrom der Batterie abweicht
o Sense-Anschlüsse redundant ausführen (und z. B. 2. Anschluß auf die
redundante Grenzwertüberwachung wie den BaSyTec BSD führen)
Keine nichtisolierten spannungsführende Teile
Arbeiten
o Nur durch geschultes Personal (Batterieverständnis notwendig!)
o Klare Regeln und Anweisungen
o Nicht unter Zeitdruck
o Mit isoliertem und geeignetem Werkzeug durchführen
o An einem geeigneten Arbeitsplatz
Kabel
o Für die beabsichtigten Temperaturen geeignet
o Möglichst flexibel
Am Batterietestsystem:
Sorgfältige Programmierung der Prüfabläufe
Vorab-Simulation zur Kontrolle der Prüfprogramme
Genaue Beobachtung des Programmablaufs speziell bei der ersten Benutzung
Benutzung von Grenzwerten innerhalb der Prüfabläufe:
o Obere Spannungsgrenze
o Untere Spannungsgrenze
o Maximaltemperatur
o Minimaltemperatur
o Maximalstrom
o Minimalstrom
Um Fühlerbruch/Kurzschluss feststellen zu können sollte für jeden Wert möglichst
sowohl eine obere als auch eine untere Grenze definiert werden!
Benutzung von Grenzwerten aus der Batteriedatenbank
Benutzen einer zum Batterietestsystem redundanten Grenzwertüberwachung (wie z. B.
des BaSyTec BSD)
Sicherheitskritische Funktionen werden nicht auf einem PC ausgeführt
Software-Watchdog der Testsystemsfirmware, mehrstufig
Hardware-Watchdog des Leistungsteils
Sichtkontakt vom Bediener zum Prüfling, zumindest jedoch zur Prüfkammer : Der
Bediener muß sehen was er bedient und kontrollieren können ob dort alles
ordnungsgemäß ist!
An der Klimakammer:
Sicherheits-Temperaturbegrenzer als redundantes System zur Vermeidung
unzulässiger Prüfraumtemperaturen
Maßnahmen zur Schadensbegrenzung
Da beim Testen einer Batterie nie ausgeschlossen werden kann daß diese „hochgeht“ ist
dieser Fall auf jeden Fall zu berücksichtigen.
Passive Maßnahmen
Räumliche Trennung Dies ist oft leichter gesagt als getan und hängt stark von den örtlichen Gegebenheiten ab.
Kann man für den/die Prüfstände ein eigenes kleines Gebäude (Container, Fertiggarage) mit
ausreichend Abstand (die Versicherungen definieren hier 20m damit die Gebäude
brandtechnisch unabhängig sind) zu Nachbargebäuden aufstellen oder müssen die Tests
zwingend in einem Hochhaus mitten in der Stadt durchgeführt werden?
Kapselung des Prüflings Dies kann je nach Größe / Energieinhalt durch
Kleine Kiste (z.B. Geldkassette)
Klimakammer
Container
Brandgeschützter Raum
erfolgen.
Es versteht sich von selbst daß der Prüfling in einer nicht brennbaren Umgebung auf einer
nicht leitfähigen Unterlage untergebracht werden sollte.
Dabei ist die maximal aus dem Prüfling freiwerdende Energie und Gasmenge zu
berücksichtigen. Die Gasmenge kann dabei kurzzeitig durch Temperatureffekte auf etwa das
vierfache Volumen expandieren. Dabei sollte sowohl der mittlere Gasfluß als auch Spitzen
durch Explosion einer Zelle (=Bersten des Gehäuses) berücksichtigt werden.
Beispiele:
Tabelle 3: Energieinhalte verschiedener Prüflinge.
Prüfling El.
Energie
Ges. Energie Ges. Gas Peak Gas
18650 Zelle 2.2Ah 8,7Wh 100Wh
360kJ
11l 44l
Powertool-Pack aus 20
Stk 18650
174Wh 1740Wh
6264kJ
220l 44l
Coffee-Bag Zelle 40Ah 160Wh 1600Wh
5760kJ
200l
Hybrid-Batterie 1kWh 1kWh 10kWh
36MJ
1250l 150
Fahrzeug-Batterie
20kWh
20kWh 200kWh
720MJ
12500 300
Um die abstrakte Zahl der Energie beurteilen zu können, das reicht zum Schmelzen von
Tabelle 4: „Schmelzenergieinhalt“ verschiedener Prüflinge.
Prüfling Eisen Aluminium Quarzsand
18650 Zelle 2.2Ah 380g 390g 100g
Powertool-Pack aus 20 Stk
18650
6.6kg 6.7kg 1.8kg
Coffee-Bag Zelle 40Ah 6kg 6.2kg 1.6kg
Hybrid-Batterie 1kWh 38kg 39kg 10.2kg
Fahrzeug-Batterie 20kWh 76kg 78kg 21kg
Das bedeutet daß die Einhausung in der Lage sein muß diese Energie aufzunehmen oder
weiterzuleiten.
Man sieht deutlich daß ein dünnes Blech wie es üblicherweise zur Herstellung von
Klimakammern genutzt wird dazu nicht einmal bei einer kleinen 18650 Zelle in der Lage ist.
Da die Umhausung nicht wegschmelzen sollte ist mindestens mit den doppelten Mengen zu
rechnen. Bei Verwendung von Sand (als Sandbett oder als Löschsand) sollte dieser nicht in
Verbindung mit Aluminium eingesetzt werden da es mit seiner geringen Schmelztemperatur
von nur 660° (Eisen 1535°C, Stähle ähnlich, Quarzsand 1860°C) vorzeitig schmelzen würde.
Geeignet ist entweder eine solide Grundplatte aus Stahl (allerdings mit dem Problem der
Leitfähigkeit) oder ein „festes“ Sandbett wie Keramik oder Stein.
Wird als Umhausung eine Klimakammer eingesetzt ist diese in der Regel nicht in der Lage
allzu hohen Innendruck auszuhalten, mehr als etwa 20mBar dürfen hier nicht überschritten
werden (was bereits einer Kraft von 50kg auf eine 50cm*50cm große Fläche entspricht!).
Dieser Druck wird erreicht wenn 2% zum Rauminhalt der Kammer hinzukommen, das sind
3.6l bei einer 180l Kammer – das ist nicht einmal für eine einzelne 18650-Zelle ausreichend.
Daher muß auf jeden Fall die Möglichkeit eines Druckausgleichs geschaffen werden, incl.
sicherer Ableitung der entstehenden Gase.
Dabei gibt es folgende Möglichkeiten:
1. Einbau einer Berstscheibe
Die Firma Vötsch z. B. bietet Kammern in verstärkter Ausführung (bis 80mBar) in
Verbindung mit einer thermisch isolierten Berstscheibe an die bei Druckerhöhung bricht und
die Gase aus der Kammer entweichen läßt. Die „kleinen“ Vötsch-Kammern (180l und 340l)
sind hierbei bis zu 1400l Gasfluß je Sekunde spezifiziert so daß dies selbst für eine
Hybridbatterie noch ausreicht.
Außerhalb der Kammer ist dann ein Absaugstutzen vorzusehen. Zwischen diesem
Absaugstutzen und dem Abgang der Kammer darf keine direkte Verbindung bestehen da die
Absaugung nicht in der Lage sein wird den bei einer Explosion kurzzeitig entstehenden
Gasfluß aufzunehmen.
2. Einbau einer Überdruckklappe
Das Prinzip ist das selbe wie bei der Berstscheibe nur daß eine reversible Klappe aufschwenkt
wenn sich in der Kammer ein Druck aufbaut.
3. Abluftstutzen
Wie oben, allerdings mit deutlich geringerem Querschnitt (z. B. NW80) und ohne Verschluß.
Ist mit max. 200l/s für eine 18650-Zelle oder einen Pack aus solchen noch ausreichend,
zumindest bei Hazard Level 0-6.
4. Entlastung über die Kammertüre
Die Kammerverriegelung wird derart ausgeführt daß diese öffnet wenn sich in der Kammer
ein zu hoher Druck aufbaut.
Diese Variante wird nicht empfohlen da ein vor der Kammer stehender Mensch verletzt
werden kann. Auf jeden Fall ist eine Fangeinrichtung anzubringen die verhindert daß die Türe
ganz aufschlagen kann.
Zugangskontrolle Dies bezieht sich auf 2 Bereiche:
1. Nicht berechtigte Personen dürfen nicht in den Gefahrenbereich
Dies kann z. B. durch Chipkartensysteme oder Schlüssel erfolgen. Nur eingewiesene und
berechtigte Personen oder Personen in Begleitung eingewiesener oder berechtigter Personen
dürfen in den Gefahrenbereich. Zu beachten ist daß sich dies auch auf den Leitstand (soweit
getrennt) beziehen muß.
2. Der Gefahrenbereich wird abgeriegelt solange eine Prüfung läuft
Dies beinhaltet:
a. Die Tür der Einhausung (z. B. Klimakammer) kann nicht geöffnet werden
solange eine Prüfung läuft
b. Es kann keine Prüfung gestartet werden solange die Tür der Einhausung
geöffnet ist
Beide Kriterien können z. B. durch die Kombination eines BaSyTec Batterietestsystems mit
einer Vötsch Klimakammer (jeweils mit den entsprechenden Optionen) gewährleistet werden.
Je nach Größe der Prüflinge muß sich dies selbstverständlich auch auf die Container- bzw.
Raumtüre beziehen.
Permanent-Inertisierung des Prüfraums Dies kann mit Stickstoff oder auch mit Edelgasen erfolgen, auch hier ist bei der Kombination
Vötsch/BaSyTec die Verriegelung (keine Prüfung ohne Inertisierung / Prüfung wird
abgebrochen wenn Inertisierung nicht mehr gewährleistet ist) mit einem zusätzlichen O2-
Sensor gewährleistbar.
Durch die Inertisierung wird dem Prüfling Sauerstoff entzogen so daß die maximale
Energieabgabe im Fehlerfall auf die Reaktion des Lithiums, ev. auch der pos. Elektrode
begrenzt werden kann (der Elektrolyt und die negative Elektrode können ohne Sauerstoff
nicht verbrennen), dadurch kann die Energieabgabe auf etwa das 3-fache der elektrischen
Energie begrenzt werden. Zudem wird die Wahrscheinlichkeit einer explosionsartigen
Verbrennung sowie die entstehende Gasmenge verringert.
Aktive Maßnahmen
Brandmeldesystem Dies kann mit verschiedenen Sensoren arbeiten:
1. CO Sensor
2. Temperatursensor
3. Ionensensor
4. Optischer Sensor
Das Brandmeldesystem alleine verhindert jedoch nichts, es muß je nach Bedarf mit
zusätzlichen Maßnahmen gekoppelt werden:
1. Alarmierung
a. Der Prüfstandsbetreiber
b. Der Feuerwehr
2. Automatische Löscheinrichtung
3. Evakuierung
Löscheinrichtung 1. Mit Gas (N2 oder CO2)
Bei einer typischen Spülmenge von 90m3/h und angenommenen 100°C Temperaturerhöhung
lassen sich etwa 200kJ je Minute abführen – etwa der halbe Energieinhalt einer 18650-Zelle.
Eine solche Einrichtung ist daher eher zur Spülung der Kammer geeignet als eine echte
Löscheinrichtung.
2. Mit Wasser
Durch seinen hohen Energieinhalt (4.2kJ/kg K) kann der Energieinhalt einer 18650-Zelle (bei
80° Temperaturerhöhung) mit einem l Wasser aufgenommen werden, unter Berücksichtigung
der Verdampfungswärme (2256kJ/kg) etwa die 8-fache Menge.
Allerdings ist Wasser nicht ganz unkritisch:
a. Durch seine Leitfähigkeit macht es Probleme mit der elektrischen Sicherheit
b. In Verbindung mit Lithium kann Knallgas entstehen welches zur Explosion
führt
c. In Verbindung mit dem Leitsalz entsteht hochgiftige Flußsäure
Daher wird Wasser in der Regel nicht empfohlen.
3. Mit Sand
Dies kann durch ein Reservoir über dem Prüfling erfolgen welches im Brandfall auf den
Prüfling entleert wird. Da der Sand relativ inert ist und eine hohe Wärmekapazität hat wird
dadurch die beste Löschwirkung erzielt.
Prüfstand mit Sicherheitstechnik
In folgender Abbildung wird das Blockschaltbild eines Batterieprüfstands mit
Sicherheitstechnik gezeigt:
Abbildung 4: Batterieprüfstand mit Sicherheitseinrichtungen (Vötsch/BaSyTec)
Schlussbetrachtung
Bei der Festlegung der Sicherheitsmaßnahmen sind sowohl die Prüflinge (Energieinhalt,
Bauart, Prototyp oder Serienstand mit Schutzschaltung) als auch die lokalen räumlichen und
personellen Gegebenheiten maßgeblich.
Die Sicherheitsmaßnahmen sind so auszulegen daß Personenschäden in jedem Fall vermieden
werden. Da grundsätzlich nicht verhindert werden kann daß eine Batterie „hochgeht“ ist
dieser Fall immer zu berücksichtigen.
Neben Berücksichtigung der anerkannten Regeln der Technik (wie z. B. eindeutige
Markierung, geeignetes Werkzeug und Komponenten, …) sollte auch immer eine
Sicherheitsanalyse durchgeführt werden und deren Ergebnisse niedergelegt werden.
Die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen sollten bereits bei der ersten Konzeption eines
Teststands berücksichtigt werden um spätere Überraschungen zu vermeiden. Auch bei einer
Auslagerung der Aufgaben sollten die Verantwortlichen den Überblick behalten um die
Balance zwischen Kosten und Nutzen wahren zu können.
Literatur [1] Online Bericht: http://consumerist.com/2009/12/dell-mini-9-mysteriously-ablaze-pics.html
[2] Garrett P. Beauregard: REPORT OF INVESTIGATION:HYBRIDS PLUS PLUG IN HYBRID ELECTRIC
VEHICLE, Prepared for: National Rural Electric Cooperative Association, Inc. and U.S. Department
of Energy, Idaho National Laboratory by etec.
Online : http://88.80.16.63/leak/toyota-prius-a123-car-fire-investigation-report-2008.pdf
[3] Daniel H. Doughty, Li Ion Battery Abuse Tolerance Testing - An Overview, Sandia National
Laboratories, Präsentation auf der AQMD 12 Juli 2006
online: http://www.aqmd.gov/tao/ConferencesWorkshops/PHEV_Forum-07-12-06/5-DanielDoughty-
Sandia.pdf
[4] de.wikipedia.org, “Sicherheitsanalyse”
[5] de.wikipedia.org, “FMEA”