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Sichtweisen von Sozialer Arbeit

auf benachteiligte jugendliche Migranten

Bachelorarbeit zur Abschlussprüfung an der Hochschule Darmstadt,

Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Soziale Arbeit

Vorgelegt von

Tabea Christina Geiger

Matrikel-Nr. 719870

Erstreferentin: Prof. Dr. Susanne Spindler

Zweitreferent: Prof. Dr. Achim Schröder

Inhaltsverzeichnis

Einleitung .................................................................................................................... 1

1.Thematische Annäherung ....................................................................................... 3

1.1 Migranten und der Begriff des Migrationshintergrunds ........................................ 3

1.2 Von Chancenungleichheit und sozialer Benachteiligung...................................... 5

2. Der Forschungsverlauf ........................................................................................... 7

2.1 Qualitative Sozialforschung ................................................................................. 8

2.2 Datenerhebung ................................................................................................... 9

2.2.1 Der Interviewleitfaden ................................................................................. 10

2.2.2 Beschreibung des Forschungsfeldes .......................................................... 12

2.3 Die Datenauswertung ........................................................................................ 14

3. Lebenssituation der Jugendlichen ...................................................................... 15

3.1 Schule und Bildung ........................................................................................... 15

3.2 Sprache ............................................................................................................. 19

3.3 Arbeitsmarkt ...................................................................................................... 20

3.4 Der Wohnort ...................................................................................................... 21

3.4.1 Segregation ................................................................................................ 23

3.4.2 Das soziale Umfeld: Freizeit, Peergroup und Clique ................................... 25

4.Gesellschaftliche Zuschreibungen ....................................................................... 28

4.1 Stigmatisierung ................................................................................................. 28

4.2. Ethnisierung ..................................................................................................... 29

4.3. Die Verbindung von Jugendkriminalität und Kriminalisierung ........................... 30

4.3.1 Kriminalisierung .......................................................................................... 30

4.3.2 Erklärungsansätze zu Jugendkriminalität und -gewalt ................................. 32

4.4 Rolle der Medien ............................................................................................... 35

5.Soziale Arbeit mit MigrantInnen............................................................................ 36

5.1 Mögliche Barrieren ............................................................................................ 36

5.2 Konzepte und Handlungsansätze ...................................................................... 39

5.3 Integration und Teilhabe .................................................................................... 43

6. Reflexion des Forschungsprozesses und Ausblick ........................................... 45

Fazit ........................................................................................................................... 48

Literaturverzeichnis ..................................................................................................... 52

Abbildungsverzeichnis ................................................................................................ 57

Anhang ....................................................................................................................... 58

1

Einleitung

Im Zusammenhang mit Migration werden aktuell in Deutschland

unterschiedliche Inhalte diskutiert. Hierbei geht es häufig um Themen wie

Integration von MigrantInnen, sowie um religiöse und kulturelle Überzeugungen,

gesellschaftliche Benachteiligung und Vorurteile.

Speziell junge Menschen mit Migrationshintergrund rücken mit ihrem Verhalten

und den Bedingungen ihres Aufwachsens in das Blickfeld der Aufmerksamkeit.

Die Sichtweisen von MitarbeiterInnen aus dem Bereich der Sozialen Arbeit,

welche mit den beschriebenen Jugendlichen arbeiten, werden in den erwähnten

Öffentlichkeitsdebatten nicht ausreichend mit einbezogen. Da gerade

professionelle HelferInnen in den Bereichen Schule und Jugendhilfe die

Jugendlichen in der Sozialisation und Integration unterstützen, wäre ein

Augenmerk auf deren persönliche Sicht- und Handlungsweisen sinnvoll (vgl.

Leiprecht 2012, o.S.).

Die vorliegende empirische Arbeit möchte daher das Augenmerk auf

pädagogische Fachkräfte und deren Vorstellungen über die Zielgruppe richten.

Die SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen arbeiten dabei in

unterschiedlichen Bereichen der Sozialen Arbeit mit den Jugendlichen

zusammen.

Das Erkenntnisinteresse basiert hierbei auf der grundlegenden Fragestellung,

welche Sichtweisen auf jugendliche MigrantInnen bestehen. Einerseits wird

untersucht, worin die Fachkräfte Gründe für Benachteiligung von jungen

MigrantInnen sehen. Andererseits soll der Fokus darauf gerichtet werden, wie

sich die Arbeit mit dieser Zielgruppe gestaltet. Dabei wäre zunächst zu

vermuten, dass der gesellschaftliche Umgang mit dem Thema Migration sowohl

die Sichtweisen von VertreterInnen der Sozialen Arbeit, als auch deren

Handlungsweisen beeinflusst. Weiterhin könnte angenommen werden, dass

dadurch auch Konzepte oder Ansätze zum Tragen kommen, die speziell auf die

Arbeit mit MigrantInnen ausgerichtet sind, beziehungsweise kulturbezogene

Komponenten enthalten. Diesen und ähnlichen Hypothesen soll im Verlauf

dieser Arbeit nachgegangen werden.

2

Um theoretisch in das Thema der Arbeit einzuführen, werden zunächst die

relevanten Begrifflichkeiten ‚MigrantIn‘ bzw. ‚Migrationshintergrund‘ näher

definiert. Ebenso wird anschließend erläutert, was im Kontext dieser Arbeit

unter dem Begriff Benachteiligung verstanden wird.

Das zweite Kapitel beschreibt darauf aufbauend den Forschungsverlauf. Hier

wird zunächst die qualitative Forschung skizziert, um anschließend die

Beschreibung der Datenerhebung anzuführen. Das Erhebungsverfahren des

problemzentrierten Interviews, als Methode der qualitativen Sozialforschung,

wird darauf folgend kurz vorgestellt, um nachfolgend auf die Erstellung des

Interviewleitfadens einzugehen. Anschließend erfolgt die Beschreibung des

Forschungsfeldes. Der letzte Punkt dieses Kapitels stellt das verwendete

Auswertungsverfahren, die qualitative Inhaltsanalyse, vor und benennt die

daraus entwickelten Themenkategorien. Diese Kategorien bilden die Grundlage

für die weiteren thematischen Schwerpunkte dieser Arbeit.

Die folgenden Kapitel enthalten schließlich die Ergebnisse der

Interviewauswertungen. Hier werden die Sichtweisen der befragten Fachkräfte

dargestellt oder fließen mit ein. Die gewonnen Erkenntnisse aus den Interviews

werden mit theoretischen Ansätzen und Fakten verknüpft. Diese ermöglichen

einen übergeordneten Zusammenhang und ergänzen die Forschung.

Kapitel drei beschreibt zunächst die Lebenssituation der Jugendlichen. Es

werden die Aspekte von Schule und Bildung, Sprache, Arbeitsmarkt und

Wohnort, bezogen auf die Lebenswelt der Jugendlichen, behandelt. Darin

werden Faktoren und Zusammenhänge herausgearbeitet, die sich aus Sicht der

Fachkräfte benachteiligend auf das Leben und Aufwachsen von jungen

MigrantInnen auswirken können.

Das vierte Kapitel fokussiert den gesellschaftlichen Umgang mit MigrantInnen in

Deutschland und damit verbunden die Prozesse der ‚Ethnisierung‘ und der

‚Kriminalisierung‘. Damit zusammenhängend werden Erklärungsansätze zum

Thema Jugendkriminalität und –gewalt skizziert. Denn gerade unter dem

Gesichtspunkt der Kriminalität werden Migrantenjugendliche im öffentlichen

Diskurs vielfach thematisiert. Zusätzlich wird die Rolle der Medien in diesem

Prozess erklärt, die keinen geringen Einflussfaktor auf bestimmte Vorstellungen

darstellt.

3

Im fünften Kapitel geht es um die konkrete Arbeit mit MigrantInnen. Hier werden

zunächst mögliche Barrieren beleuchtet, die unter Umständen den Zugang zu

einer erfolgreichen Zusammenarbeit zwischen Fachkräften und Zielgruppe

erschweren können. Daran anknüpfend werden bestehende Konzepte und

Handlungsansätze migrationsbezogener Arbeit kritisch erörtert. In diesem

Kapitel fließen Haltungen und Umgangsweisen ein, die in der Praxis Sozialer

Arbeit zum Tragen kommen und von der Verfasserin dieser Arbeit als wichtig

erachtet werden. Im letzten Punkt wird die Bedeutung von Integration in Form

von Teilhabe diskutiert, da dies eine wesentliche Aufgabe der Sozialen Arbeit

ausmacht.

Das sechste Kapitel stellt eine Reflexion dar, in der das Vorgehen im

Forschungsprozess rückblickend kritisch betrachtet wird. Außerdem wird ein

Ausblick auf weitere mögliche Entwicklungen und Schritte gegeben, die aus den

Erkenntnissen der Arbeit resultieren.

Abschließend werden die Ergebnisse in einem Fazit zusammengefasst und

daraus die Konsequenz für eine übergeordnete Perspektive von Sozialer Arbeit,

auch in Bezug auf die öffentliche Diskussion, gezogen.

1.Thematische Annäherung

Um eine Vorstellung zu bekommen, was der Begriff des ‚Migranten‘ impliziert,

warum auch der Begriff des ‚Migrationshintergrunds‘ häufige Verwendung

erfährt und was unter dem Terminus ‚benachteiligt‘ im Rahmen dieser Arbeit

verstanden wird, ist es notwendig, diese Begriffe zunächst näher zu bestimmen.

1.1 Migranten und der Begriff des Migrationshintergrunds

Abgeleitet von dem Begriff der ‚Migration‘ wird ein Migrant als eine wandernde

Person bezeichnet (vgl. Treibel 2008, S.298). Mit dem Begriff MigrantIn wird

somit ein Mensch beschrieben, der aus seinem Heimatland auswandert und in

ein neues Land einwandert. Folglich besitzt dieser Mensch eine eigene

„Migrationsgeschichte“ (ebd.).

Unabhängig von der tatsächlichen Staatsbürgerschaft fasst die Umschreibung

‚Menschen mit Migrationshintergrund‘ die heterogene Gruppe der MigrantInnen

und ihre Nachkommen zusammen (vgl. ebd.).

4

Dieser Begriff ist in Deutschland seit einigen Jahren allgemein gebräuchlich und

bietet eine weitgefasste Definition (vgl. Treibel 2008, S.298).

Der Begriff des ‚Migrationshintergrunds‘ schließt im rechtlichen Sinne neben

Ausländern auch Aussiedler sowie Staatsbürger, die durch eine Einbürgerung

die deutsche Nationalität erhalten haben, ein. So zählt das statistische

Bundesamt zu den Menschen mit Migrationshintergrund „alle nach 1949 auf

das heutige Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Zugewanderten, sowie alle

in Deutschland geborenen Ausländer und alle in Deutschland als Deutsche

Geborenen mit zumindest einem zugewanderten oder als Ausländer in

Deutschland geborenen Elternteil“ (Statistisches Bundesamt 2011, S.6).

Nach dieser Definition gehören demnach nicht nur Personen zu dieser Gruppe,

die selbst migriert sind, sondern auch diejenigen, die einen Elternteil haben, der

eingewandert ist, beziehungsweise nicht die deutsche Staatsangehörigkeit

besitzt.

Seit dem Jahr 2000 und dem neuen Staatsbürgerschaftsgesetz ‚lus Soli‘ (lat.

‚Recht des Bodens‘) können in Deutschland geborene Kinder die deutsche

Staatsangehörigkeit erhalten, wenn ein Elternteil mindestens seit acht Jahren

legal in Deutschland lebt und weitere festgelegte Voraussetzungen erfüllt

werden. Demnach gehören also auch die Kinder ausländischer Eltern, welche

mit einer deutschen und einer ausländischen Staatsangehörigkeit geboren

wurden, zur Gruppe der Personen mit Migrationshintergrund (vgl. Statistisches

Bundesamt 2011, S.399; Razum/Spallek 2009, o.S.).

Insgesamt haben, nach Angaben des statistischen Bundesamtes, 15,7

Millionen Menschen in Deutschland einen Migrationshintergrund. Diese Zahl

entspricht einem Anteil von 19,3 Prozent, also gut einem Fünftel der deutschen

Bevölkerung (vgl. Statistisches Bundesamt 2011, S.6f).

Anhand der verschiedenen Definitionen zeigt sich bereits an dieser Stelle, wie

komplex die Begrifflichkeit der Migration ist. Zudem stellen ‚die MigrantInnen‘

alles andere als eine einheitliche Gruppe dar. Sie unterscheiden sich allein

aufgrund ihrer Herkunft stark voneinander (vgl. BAMF 2009, S.20).

5

So haben MigrantInnen in Deutschland ihre Wurzeln beispielsweise in der

früheren Sowjetunion und der Türkei –das Herkunftsland der größten

MigrantInnengruppe in Deutschland-, aber auch in Süd- und Osteuropa, im

ehemaligen Jugoslawien oder in asiatischen und afrikanischen Ländern (vgl.

BAMF 2009, S.20).

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich primär mit den Sichtweisen

pädagogischer MitarbeiterInnen auf die Jugendlichen mit Migrationshintergrund.

Diese Jugendlichen müssen nicht notwendigerweise eine eigene

Migrationserfahrung haben, stammen aber aus einer Familie mit einer

Migrationsgeschichte. Ein derartiger Migrationshintergrund trifft auf

schätzungsweise 30 Prozent der in Deutschland aufwachsenden Jugendlichen

zu (vgl. Butterwegge 2009, S.92).

Bundesweit beträgt der Anteil der unter 25-jährigen Jugendlichen mit

Migrationshintergrund mehr als ein Viertel, also etwa 6 Millionen. Davon sind

zwei Drittel in Deutschland geboren (vgl. Deimann 2009, S.139).

Im folgenden Verlauf der Arbeit werden die Begriffe ‚junge MigrantInnen‘,

‚Migrantenjugendliche‘ und ‚Jugendliche mit Migrationshintergrund‘ synonym

verwendet.

1.2 Von Chancenungleichheit und sozialer Benachteiligung

Innerhalb einer Gesellschaft ist davon auszugehen, dass bestimmte

Bevölkerungsgruppen bessere Lebenschancen haben als andere. Als

Lebenschancen werden an dieser Stelle Möglichkeiten, bestimmte Ziele im

Leben zu verwirklichen, die von einer Gesellschaft generell als erstrebenswert

angesehen und hoch bewertet werden, verstanden. Hierzu zählen

beispielsweise eine gute Ausbildung oder ein sicherer Arbeitsplatz. Es geht also

um die Chance an bestimmten, möglichst günstigen Lebensbedingungen Anteil

zu haben, beziehungsweise ungünstige zu umgehen (vgl. Meyer 2004, S.25).

Unterschiede in Bezug auf die beschriebenen Chancen bestehen, da die

Lebensbedingungen oder die Ressourcenausstattung von Menschen innerhalb

einer Gesellschaft ungleich verteilt sind (vgl. Hradil 2012, o.S.).

6

Diese Unterschiede sind unter anderem durch die ungleiche Verteilung von

Ressourcen innerhalb der Bevölkerung, wie zum Beispiel Arbeitsstellen,

Lebensbedingungen sowie Wohnverhältnisse, zu erklären. Somit ist von

‚Verteilungsungleichheit‘ die Rede. Dazu divergieren die Möglichkeiten

zwischen bestimmten Bevölkerungsgruppen, an vorteilhafte Positionen

innerhalb solcher Verteilungen zu gelangen. Dies bringt der Begriff

‚Chancenungleichheit‘ zum Ausdruck (vgl. Hradil 2012, o.S.).

Chancenungleichheiten bestehen insbesondere zwischen: Bildungs- und

Berufsgruppen, Altersgruppen, den Geschlechtern und auch ethnischen

Gruppierungen. Bestimmende Faktoren wie Bildungsgrade, Berufe, Familien-

und Lebensformen sind für die Einzelnen mehr oder weniger frei wählbar. Das

Geschlecht, soziale Herkunft oder die ethnische Zugehörigkeit sind hingegen in

der Regel unveränderlich. Der formale Bildungsgrad, die Erwerbstätigkeit, die

berufliche Stellung und das Einkommen machen in modernen Gesellschaften

die wichtigsten Dimensionen sozialer Ungleichheit aus. Dabei scheint der

erreichte Bildungsgrad der Menschen heute das größte Ausmaß sozialer

Ungleichheit darzustellen (vgl. ebd.).

Nach Pierre Bourdieu ergibt sich die Konstellation sozialer Ungleichheit in einer

Gesellschaft aus Ansammlungs- und Verteilungskämpfen um ökonomisches,

soziales und kulturelles Kapital. Ökonomisches Kapital kann mit Geldbesitz

gleichgesetzt werden (vgl. Lessenich 2011, S.1430f.).

Soziales Kapital meint die Anzahl sozialer Beziehungen, die ein Mensch besitzt

und die ihm im Laufe seines Lebens Vorteile verschaffen können. Unter

kulturellem Kapital versteht Bourdieu das Maß an kulturellem Wissen und

Güter, die ein Mensch sich angeeignet hat, beziehungsweise besitzt. Neben

dem Erwerb bestimmter Werte und Verhaltensweisen einer

Gesellschaftsgruppe, beinhaltet kulturelles Kapital auch die Bildung einer

Person. Dies bedeutet also, dass der individuelle Erfolg einer Person durch

gesellschaftliche Mechanismen gefördert, aber auch beschränkt werden kann

(vgl. ebd.).

Es kann angenommen werden, dass die jeweiligen Ressourcen der

Herkunftsfamilie entscheidenden Einfluss auf die Lebensqualität von

Jugendlichen haben (vgl. Szydlik 2007, S.81).

7

So entscheidet das Vorhandensein von ökonomischem Kapital zunächst über

den Wohnort der Familie, sowohl über die Wohnform (Haus oder Wohnung) als

auch über die Wohngegend. Weiterhin beeinflusst es die jeweilige Ausstattung

der Wohnung (Größe, Garten, Möbel etc.). Das ökonomische Kapital führt

anschließend zu einer Form der sozialen Anerkennung, die es Kindern und

Jugendlichen in sozialen Kontexten einfacher macht, sozial integriert zu

werden, beispielsweise durch das Vorhandensein begehrter Kleidung, Tiere,

Taschengeld etc. (vgl. Szydlik 2007, S.81).

Weiterhin hat das ökonomische Kapital auch einen hohen Einfluss auf das

Vorhandensein von sozialem Kapital. Eine gut situierte Wohngegend, der

berufliche Status der Eltern und deren Freunde und Bekannte aus dem gleichen

Milieu führen dazu, dass auch das Kind bereits in die gleichen sozialen Kreise

integriert wird. Kulturelles Kapital ist eng an ökonomisches Kapital geknüpft, da

finanzielle Ressourcen notwendig sind, um sich kulturelles Kapital, zum Beispiel

Bücher oder Instrumente aneignen zu können (vgl. ebd.).

Verschiedenen Studien zufolge existieren in verschiedenen Bereichen des

sozialen und gesellschaftlichen Lebens, insbesondere im Bildungsbereich,

häufig erschwerte Zugänge für junge MigrantInnen. Diese erschwerten oder

auch verhinderten Zugänge werden als soziale Benachteiligung dieser

Zielgruppe verstanden.

Im dritten Kapitel dieser Arbeit wird, neben den Bereichen Bildung und Arbeit,

daher auch die soziale Herkunft fokussiert. An dieser Stelle wird näher

betrachtet, inwiefern sich diese Faktoren negativ auf die Lebenssituation der

Jugendlichen auswirken können.

Vor den Ergebnissen der empirischen Untersuchung wird zunächst der Verlauf

sowie das Forschungsfeld vorgestellt.

2. Der Forschungsverlauf

Das Interesse dieser Arbeit ist es, eine Vorstellung davon zu bekommen,

welche Sichtweisen bei SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen aus

unterschiedlichen Arbeitsfeldern gegenüber jugendlichen MigrantInnen

bestehen. Mögliche Fragestellungen sind beispielsweise: Worin sehen die

Fachkräfte mögliche Gründe für Benachteiligung?

8

Wie gestaltet sich ihre Arbeit mit dieser Zielgruppe? Und inwieweit beeinflusst

der gesellschaftliche Rahmen die eigene Einstellung?

Im Folgenden werden zunächst die für die Forschung verwendeten Methoden

näher erläutert. Anschließend werden die Datenaufbereitung und die Art der

Datenauswertung beschrieben.

2.1 Qualitative Sozialforschung

Forschungsmethoden sind einzelne Verfahren und Techniken, mit deren Hilfe

ein Erkenntnisgewinn erreicht werden soll. Durch das Verwenden

unterschiedlicher Methoden sollen nachvollziehbare und rationale Erkenntnisse

über verschiedene Zusammenhänge, Abläufe und Ursachen der Wirklichkeit

aufgestellt werden. Dies geschieht mit Hilfe von Theorien und Hypothesen (vgl.

Raithel 2008, S.7).

Qualitative Forschung will die besonderen Eigenschaften und Merkmale eines

sozialen Feldes, mit Hilfe verschiedener Methoden, so genau und differenziert

wie möglich erfassen. Sie möchte verstehen, was in ihrem jeweiligen

Objektbereich passiert, ohne die Informationen messbar zu machen. Im Fokus

steht die Sicht des Handelnden, welcher Gegenstand der Untersuchung ist (vgl.

ebd.).

Da es in der Arbeit darum geht, individuelle Einstellungen und Erfahrungen der

befragten Fachkräfte zu entdecken und zu analysieren, bietet es sich an

qualitativ zu forschen.

Im Vergleich zum quantitativen Ansatz zeichnet sich die qualitative Methode

durch eine sehr viel größere Offenheit und Flexibilität aus. So besteht die

Möglichkeit, während des Interviews auf die Befragten einzugehen. Dabei

beantworten die InterviewpartnerInnen die Fragen aus ihrer eigenen

Wirklichkeitsperspektive. Sie sind selbst die ExpertInnen für ihre eigenen

Bedeutungsgehalte (vgl. Lamnek 2005, S.348; Mayring 2002, S.66). Auf diese

Weise erhält man durch ein qualitatives Interview individuelle Sichtweisen,

Empfindungen und Handlungsmuster der Befragten.

Mittlerweile existiert eine Vielzahl qualitativer Interviewtechniken, die ganz

unterschiedliche Bezeichnungen tragen, wie etwa: Exploration, Offenes

Interview, Tiefeninterview, Fokussiertes Interview, Narratives Interview und

Problemzentriertes Interview (vgl. Mayring 2002, S.66f.).

9

Sie ähneln sich in der Offenheit der Frageformulierungen und der Auswertung,

unterscheiden sich allerdings im Grad ihrer Strukturiertheit (vgl. Mayring 2002,

S.66f.).

2.2 Datenerhebung

Für die Fragestellung der Untersuchung, die Sichtweisen von

sozialpädagogischen Fachkräften zu erfahren und zudem den

gesellschaftlichen Einfluss zu beleuchten, bietet sich das Erhebungsverfahren

des problemzentrierten Interviews an.

Unter dieser, von Andreas Witzel geprägten, Bezeichnung, sollen alle offenen

und halbstrukturierten Befragungsformen zusammengefasst werden. Das

problemzentrierte Interview lässt die Befragten so frei wie möglich zu Wort

kommen, sodass es einem offenen Gespräch ähnelt. Dennoch ist es auf eine

bestimmte Problemstellung gerichtet, die vom Interviewer eingebracht wird und

auf die er durch eigene Intervention im Interviewprozess immer wieder

zurückgelangt. Die Problemstellung ist von der interviewenden Person zuvor

analysiert worden. Es wurden bestimmte Aspekte erarbeitet, die in einem

Interviewleitfaden zusammengestellt sind und die im Verlauf des Interviews

angesprochen werden (vgl. Mayring 2002, S.67).

Das problemzentrierte Interview kennzeichnet drei Grundgedanken. Diese

gestalten den gesamten Prozess der Forschung und beziehen sich

aufeinander:

1. Zentrales Kriterium ist die Problemzentrierung. Diese bedeutet, dass an

gesellschaftlichen Problemstellungen angesetzt wird, deren wesentliche

Aspekte bereits vor der Interviewphase erarbeitet wurden.

2. Ein weiteres wichtiges Prinzip ist die Gegenstandsorientierung im Verfahren.

Dies beinhaltet eine unvoreingenommene Herangehensweise an das

Untersuchungsfeld, um offen für dessen Besonderheiten zu bleiben.

3. Die Prozessorientierung beschreibt schließlich eine ständige Reflexion im

Prozess der Erhebungs- und Auswertungsphase, um offen für neue

Erkenntnisse zu bleiben (vgl. Witzel 1996, S.53ff.). Aufgrund dieser

Grundgedanken wurden im Rahmen des Interviews oder anschließend an

einigen Stellen Nachfragen gestellt.

10

Nach Witzels Konzeption des qualitativen Interviews beinhaltet die

Datenerhebung einen vorgeschalteten Kurzfragebogen, den Leitfaden, die

Tonbandaufzeichnung und ein Interviewprotokoll (vgl. Schmidt-Grunert 1999,

S.42f.). Der Kurzfragebogen, der zur Erfassung der sozio-demografischen

Daten (wie Alter, Beruf und Familienstand) dient, war für den Interviewverlauf

und die Auswertung der Gesprächsdaten nicht relevant und wurde daher nicht

verwendet. Der Aspekt der Berufserfahrung im jeweiligen Arbeitsfeld wurde von

den Befragten im Verlauf des Gesprächs selbst thematisiert.

Nach den Interviews wurde jeweils ein Postskriptum verfasst. In diesen

Interviewprotokollen werden durch die Aufzeichnung nicht erfasste Eindrücke

schriftlich festgehalten, wie beispielsweise die Situation der Kontaktaufnahme,

eigene Zweifel beim Nachfragen, Anmerkungen zur Dynamik des Gesprächs,

zur Atmosphäre, nonverbale Reaktionen und Einflüsse der

Rahmenbedingungen. Diese Informationen sind in den Auswertungsprozess mit

eingeflossen (vgl. Schmidt-Grunert 1999, S.42f.).

2.2.1 Der Interviewleitfaden

Der Erstellung des Leitfadens ist die Beschäftigung mit verschiedenen, das

Thema betreffenden theoretischen Bezügen aus wissenschaftlicher Literatur

vorausgegangen. Die zentralen Aspekte für den Interviewleitfaden wurden aus

der genannten zentralen Fragestellung heraus zusammengestellt.

Auf die Reihenfolge der Fragen und die genaue Formulierung wurde während

der Interviews nicht geachtet. Die Fragen wurden so gestellt, dass sie in den

Gesprächsfluss passen und den InterviewpartnerInnen verständlich sind. Es

war lediglich wichtig, die Themen des Leitfadens während des Interviews mit

den GesprächspartnerInnen zu bearbeiten. Die Fragen sind offen formuliert,

was den GesprächspartnerInnen ermöglicht, ihre persönlichen Denkweisen frei

zum Ausdruck zu bringen und auch selbst Schwerpunkte zu setzen, die sie für

relevant erachten.

Auf Seiten des Interviewers dient der Leitfaden als Orientierungsrahmen und ist

für eine gewisse Vergleichbarkeit der Aussagen sinnvoll. Über die

Leitfadenfragen hinaus wurden auch spontan im Interviewprozess Nachfragen

und Ad-hoc-Fragen gestellt, um den Gesprächsfaden zu erhalten bzw. wenn es

für die Themenstellung von Bedeutung ist (vgl. Mayring 2002, S.70).

11

Der Leitfaden wurde auf Realisierbarkeit mit der Erstreferentin abgesprochen

und gestaltet sich wie folgt:

1.) Inwieweit sind Ihrer Meinung nach Jugendliche mit Migrationshintergrund

benachteiligt und worin sehen Sie die Ursachen dafür?

Was verstehen sie unter einer gelungenen Integration, im Hinblick auf die

Lebenssituation der Jugendlichen?

2.) Können Sie beschreiben, was Ihre Arbeit mit der Zielgruppe kennzeichnet?

Gibt es ein bestimmtes Konzept/einen Ansatz, der im Leitbild Ihrer

Einrichtung verankert ist? Können Sie dies erklären?

Halten Sie dies für notwendig? Wenn ja, warum?

Können Sie eine persönliche Erfahrung damit beschreiben?

3.) Bestehen Barrieren bzw. Schwierigkeiten in der Arbeit mit jugendlichen

MigrantInnen?

Was sind Ihre persönlichen Erfahrungen dabei?

Gibt oder gab es Situationen, in denen Sie sich selbst unsicher gefühlt

haben, bezüglich Handlungs- und Umgangsweisen?

4.) Steht die Soziale Arbeit unter dem Einfluss gesellschaftlicher Sichtweisen in

Bezug auf diese Zielgruppe?

Durch bestimmte Vorstellungen und Zuschreibungen durch Medien und

Politik?

Können Sie ein Beispiel dafür geben, wie Sie das selbst in Ihrer

beruflichen Praxis erleben?

5.) Gibt es noch Ergänzungen und Wünsche Ihrerseits oder Bereiche, die Sie

für wichtig halten und die nicht angesprochen wurden?

12

2.2.2 Beschreibung des Forschungsfeldes

Für die Forschung wurden drei unterschiedliche Arbeitsfelder ausgewählt: Ein

internationales Jugendzentrum, die Abteilung der Jugendgerichtshilfe und die

Gemeinwesenarbeit in einer Stadtrandsiedlung. Alle drei Einrichtungen

befinden sich in einer Großstadt in Hessen.

Durch die Wahl verschiedener Einrichtungen ist es möglich, ein breiteres

Spektrum an Informationen und Zusammenhängen zu erhalten, die das Thema

betreffen und die sich gegenseitig ergänzen. Kriterium für die Auswahl war,

dass der Arbeitsbereich Jugendliche als Zielgruppe miteinschließt, die zudem in

unterschiedlicher Form von sozialer Benachteiligung betroffen sind.

Arbeitsschwerpunkte und Zielgruppen der jeweiligen Einrichtung

Durch die unterschiedlichen Felder gestaltet sich die Arbeit mit den

Jugendlichen sehr unterschiedlich. Das Jugendzentrum arbeitet in Form von

Bildungs-, Beratungs- und Freizeitangeboten mit Jugendlichen ab zehn Jahren.

Zur Zielgruppe zählen vor allem Kinder und Jugendliche mit

Migrationshintergrund, AsylbewerberInnen und sozial benachteiligte Kinder und

Jugendliche. Die Angebote sind nicht speziell nur auf MigrantInnen ausgerichtet

und die AdressatInnen sind, beispielsweise in Schulklassen und Sozialtrainings,

sehr gemischt (vgl. Interview 1, Z.17-23; Z.375-397 u.a.).

In einem Gespräch zur Vorbereitung des Interviews konnte eruiert werden, dass

die Jugendgerichtshilfe Jugendliche und Heranwachsende zwischen 14 und 21

Jahren berät und betreut, gegen die ein Strafverfahren eingeleitet wurde.

Neben Beratungsgesprächen im Amt, Begleitung in der Gerichtsverhandlung

und Haftbesuchen, gibt es auch ambulante Angebote wie Soziale

Gruppenarbeit und Anti-Gewaltseminare.

Im Unterschied zu diesen Arbeitsfeldern, die hauptsächlich mit Jugendlichen

arbeiten, ist die Gemeinwesenarbeit weniger zielgruppenspezifisch. Als

AdressatInnen lassen sich hier besonders Menschen in benachteiligten

Lebenssituationen beschreiben. Für die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit

wurden die MitarbeiterInnen jedoch nach Projekten gefragt, die sich speziell mit

den betroffenen Jugendlichen beschäftigen (vgl. Interview 3, Z.188-209, Z.236-

243).

13

Interviewdurchführung und erste Eindrücke

Zunächst wurden die MitarbeiterInnen der verschiedenen Einrichtungen

schriftlich angefragt, ob sie zu einem Interview im Rahmen einer Bachelorarbeit

bereit wären. Hierbei wurde das Thema kurz skizziert. Nachdem von allen

Seiten eine positive Rückmeldung kam, wurden telefonisch Termine für ein

Gespräch vereinbart. Hierbei kam noch einmal zur Sprache, um was es in der

Arbeit geht. Außerdem wurde gefragt, ob die GesprächspartnerInnen mit einer

Aufzeichnung der Interviews einverstanden wären, was bei allen der Fall war.

Die Anonymisierung der Daten wurde ebenfalls zugesichert. Alle Gespräche

fanden im jeweiligen Büro am Arbeitsplatz der Befragten statt.

Das erste Interview mit der Sozialpädagogin des Jugendzentrums dauerte über

eine Stunde. Die Gesprächsatmosphäre war von Beginn an angenehm und

entspannt.

Bei der Jugendgerichtshilfe gab es eine kleine Änderung. Die

Gesprächspartnerin, die sich für das Interview bereit erklärt hatte, musste

kurzfristig zu einem Außentermin und so übernahm ein Kollege das Interview.

Anfangs wirkte er etwas angespannt und ungehalten. Dies änderte sich aber im

Laufe des Gesprächs deutlich und die Atmosphäre wurde entspannter.

Beim dritten Interview mit der Sozialpädagogin der Gemeinwesenarbeit gab es

zu Beginn eine Irritation. Obwohl im Voraus das Thema der Arbeit und um was

es sich ungefähr handele, benannt worden war, war sie im Gespräch sichtlich

überrascht, dass es um jugendliche MigrantInnen geht. Sie erklärte, dass in der

Siedlung, in der sie hauptsächlich arbeitet, wenige MigrantInnen wohnen,

sondern vor allem deutsche Sinti-Familien. Im direkt angrenzenden Wohngebiet

leben allerdings viele Migrantenfamilien. Dieses gehört jedoch gar nicht zum

Zuständigkeitsbereich und dort findet keine Gemeinwesenarbeit statt. Auch

wenn es folglich in diesem Gespräch nicht primär um die Zielgruppe dieser

Arbeit ging, konnten viele relevante Gesichtspunkte in Bezug auf die

Rahmenbedingungen vom Leben in einem benachteiligten Umfeld und eigene

Handlungskonzepte miteinfließen. Dadurch bildet es eine passende Ergänzung

zu den anderen Interviews.

Sowohl das zweite als auch das dritte Interview dauerten ungefähr eine halbe

Stunde. Im Anschluss an das letzte Interview wurde das Gespräch noch

persönlich weiterführend zum Thema und darüber hinaus fortgesetzt.

14

2.3 Die Datenauswertung

Alle Interviews wurden mit Hilfe eines Aufnahmegerätes aufgezeichnet. Dies

dient als Grundlage zur Transkription, der Verschriftung des Gesprächs. Für die

Transkription existieren bestimmte Richtlinien, mit denen beispielsweise auch

nonverbale Äußerungen dargestellt werden können. In der vorliegenden Arbeit

wurde nach Richtlinien von Lamnek transkribiert (siehe Anhang).

Dies erfolgte in vereinfachter Form, was für die Auswertung als ausreichend

und sinnvoll erschien. Auf diese Weise entstanden die im Anhang aufgeführten

Transkripte, welche die Grundlage für die Auswertung bilden.

Für die Auswertung der gewonnen Daten existieren in der qualitativen

Sozialforschung unterschiedliche Methoden. Für die durchgeführten Interviews

empfiehlt sich das Analyseverfahren der qualitativen Inhaltsanalyse, die von

Philipp Mayring mitbegründet wurde. Mit dieser Technik soll das Material

schrittweise analysiert werden. Es wird in Einheiten zerlegt und nacheinander

bearbeitet.

Orientiert wurde sich an der zusammenfassenden Inhaltsanalyse. Ziel ist es,

das Material so zu reduzieren, dass die wesentlichen Inhalte erhalten bleiben,

gleichzeitig aber überschaubar werden. Hierfür wird das Material paraphrasiert,

das heißt es werden weniger relevante und bedeutungsgleiche Paraphrasen

gestrichen und ähnliche zusammengefasst (vgl. Mayring 2002, S.115). Dadurch

wird ein Kategoriensystem entwickelt. Diese Kategorien werden in einem

Wechselverhältnis zwischen der Fragestellung und dem konkreten Material

entwickelt, ständig überprüft und überarbeitet (vgl. Mayring 2002, S.114f.;

Mayring 2010, S.59).

Im Auswertungsprozess entstanden die folgenden Kategorien:

- ‚Lebenssituation der Jugendlichen‘ mit den Unterkategorien ‚Schule und

Bildung‘, ‚Sprache‘, ‚Arbeitsmarkt‘ und ‚Wohnort‘.

- ‚Gesellschaftliche Sichtweisen‘ mit den Unterkategorien ‚Kriminalität und

Kriminalisierung‘ und die ‚Rolle der Medien‘

- ‚Soziale Arbeit mit MigrantInnen‘ mit den Unterkategorien ‚Mögliche Barrieren‘,

‚Konzepte und Handlungsansätze‘ und ‚Integration und Teilhabe‘.

15

In den folgenden Kapiteln werden die in den Interviews erhobenen Daten

anhand der gebildeten Kategorien ausgewertet. Theoretische Bezüge werden

damit in Zusammenhang gebracht. Daher sind die ausgewerteten Kategorien

nicht vollständig deckungsgleich mit der nachfolgenden Gliederung.

3. Lebenssituation der Jugendlichen

Anhand der Betrachtung unterschiedlicher Bereiche der Lebenswelt von jungen

Menschen wird analysiert, wie bestimmte Faktoren sich nachteilig für die

Zielgruppe junger MigrantInnen in Deutschland gestalten können.

3.1 Schule und Bildung

In den Interviews wurde das Thema Bildung in Zusammenhang mit den

Ursachen von Benachteiligung erwähnt. Die Undurchlässigkeit des

Bildungssystems und die damit verbundenen schlechteren Bildungs-, Aufstiegs-

und Zukunftschancen werden mitunter als eine der Hauptursachen für die

Benachteiligung von MigrantInnen gesehen (vgl. Interview 1, Z.34-36.; Interview

2, Z.13-16).

Bildungsbenachteiligung lässt sich nicht, wie häufig angeführt, allein auf Defizite

von jungen MigrantInnen, wie etwa Sprachprobleme und Lernschwierigkeiten

zurückführen. Einflussfaktoren bilden unter anderem die frühe Selektion nach

Schulformen, länderspezifische Strukturen von Schulangeboten und bestimmte

Mechanismen von institutioneller Diskriminierung im Schul- und

Ausbildungssystem (vgl. Butterwegge 2009, S.101).

Nach Dubet/Lapeyronnie ist die Rolle der Schule durch ein Paradox

gekennzeichnet: Einerseits gilt sie als wichtigste Institution, die den am meisten

benachteiligten Gruppen die Möglichkeit zur Integration bietet. Andererseits hat

sie sich zu einem „Auslese- und Ausgrenzungsapparat“ (Dubet/Lapeyronnie

1994, S.32) entwickelt, der Ungerechtigkeit verstärkt (vgl. ebd.).

Selektion und Undurchlässigkeit des Schulsystems schränken somit die

Situation und Entwicklungsmöglichkeiten der Jugendlichen deutlich ein.

„Aber die Chancen dann aus ner Förderschule dann wieder rauszukommen und

mehr als nen Hauptschulabschluss zu erreichen, das geht ja wirklich gegen

Null“ (Interview 2, Z.54-56).

16

Durch das bestehende System werden SchülerInnen häufig auf einem

bestimmten Niveau gehalten und höhere Schulformen werden ihnen nicht

zugetraut. Sind sie erst einmal auf einer bestimmten ‚Schiene‘, ist ein hoher

Aufwand nötig, den eigenen Bildungsweg positiv zu beeinflussen (vgl. Interview

2, 47-53).

Zudem spielen auch das Wissen und die Kenntnis über verschiedene Formen

und Zugänge des Bildungssystems eine entscheidende Rolle. Dies hängt

letztendlich auch mit dem Bildungsniveau der Eltern zusammen. Wenn die

verschiedenen Bildungswege wie Abendrealschule oder Fachgymnasium bei

den Eltern nicht bekannt sind, werden sie ihr Kind auch nicht bei diesen

Schulformen beraten oder unterstützen können.

Wenn keine Kenntnis darüber besteht, wie das deutsche Schulsystem

aufgebaut ist und wie es funktioniert, da es von den Eltern selbst vielleicht gar

nicht durchlaufen wurde, müssen zunächst Wege gefunden werden, um an

Informationen zu gelangen. Folglich erschwert fehlendes Wissen die Zugänge

und kann zu weiterer Benachteiligung führen.

Neben der Wahl der Schulform kann auch fehlendes Wissen der Familien über

Studien- und Ausbildungsförderung, zum Beispiel in Form von BAföG oder

Bildungskrediten dazu führen, dass aus finanziellen Gründen ein Bildungsweg

nicht eingeschlagen wird (vgl. Interview 1, Z.53-60; Z.82-91).

Die Gründe für eine Benachteiligung in schulischer Hinsicht können weiterhin

durch die Kapitaltheorie nach Bourdieu untermauert werden (siehe Kapitel 1.2).

Allerdings ist es wichtig, die Gruppe der jugendlichen MigrantInnen und ihre

Bildungssituation nicht vorrangig als problembelastet und defizitär

wahrzunehmen, wie es sehr oft im öffentlichen Diskurs geschieht. Auch sich

verallgemeinernd auf ‚die MigrantInnen‘ zu beziehen, gestaltet sich als kritisch.

Zwischen den Jugendlichen mit verschiedener Herkunft lassen sich deutliche

Unterschiede feststellen, wie das folgende Schaubild verdeutlicht (vgl.

Arnold/Maier 2010, S.15f.).

17

Abbildung 1: Schulabschlüsse im Vergleich (nach Arnold/Maier 2010: S. 16)

Hieraus wird ersichtlich, dass Jugendliche türkischer Herkunft im Vergleich zu

anderen Migrantengruppen, hier im Vergleich zu jungen Spätaussiedlern,

schlechtere Schulabschlüsse erwerben. Trotzdem machen 18 Prozent der 20

bis 29 Jährigen das Abitur.

Deutlich höhere Abschlüsse erreichen die in Deutschland geborenen und

aufgewachsenen Jugendlichen mit türkischen Wurzeln als die in der Türkei

aufgewachsenen Gleichaltrigen (vgl. Arnold/Maier 2010, S.16).

Es ist zu berücksichtigen, dass es genauso auch erfolgreiche Bildungs- und

Berufslaufbahnen gibt: „Dieser Überbegriff ‚jugendliche Migranten‘ erfasst ja

dann auch gar nicht in ihrer Gesamtheit alle Menschen. Da gibt’s denk ich mir

aus bestimmten Ländern Migranten, die wunderbar, ich sag mal integriert sind,

in der Zwischenzeit. Die dritte, vierte Generation, die Abitur macht“ (Interview 3,

Z.15-18).

Oft werden diese erfolgreichen Bildungsverläufe allerdings noch als positive

Ausnahme und nicht als Normalität angeführt. „Wobei es natürlich Ausnahmen

gibt, ne. Wir haben ja auch Leute, die es schaffen über große Anstrengungen

auch letztendlich zu studieren. Aber die Mehrzahl derer, mit der wir es zu tun

haben, die einen Migrationshintergrund haben, sind eindeutig benachteiligt“

(Interview 2, Z.56-59).

18

Trotz der erschwerten Zugangsmöglichkeiten zur Bildung verfügen

MigrantInnen der dritten und vierten Generation im Durchschnitt über eine

bessere Bildung als ihre Eltern und Großeltern.

Nach Angaben des statistischen Bundesamtes, wächst zudem der Anteil der

Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die den mittleren Schulabschluss oder

das Abitur schaffen (vgl. Arnold/Maier 2010, S. 15f.).

Er ist jedoch im Vergleich zum Anteil der deutschen Jugendlichen nach wie vor

niedriger. Viele der jungen MigrantInnen, hier etwa 31 Prozent, besuchen nach

wie vor die Hauptschule. Bei den deutschen Jugendlichen ohne

Migrationshintergrund ist der Anteil mit etwa 19 Prozent deutlich geringer (vgl.

Abbildung 1).

Auch wenn der Anteil der Schulabgänger ohne Abschluss insgesamt sinkt, sind

es dennoch mehr als doppelt so viele MigrantInnen wie deutsche SchülerInnen.

Die Ursache für dieses schlechtere Abschneiden liegt, Analysen zufolge, nicht

zuletzt an der sozialen Herkunft (vgl. BBMFI 2010, S.9f.). So konstatiert

Strohmeier, ähnlich wie Bourdieu, dass Einkommensarmut und Bildungsarmut

zusammenhängen (vgl. Strohmeier/Alic 2006, S.12).

Natürlich gilt dieser Zusammenhang nicht nur für Migrantenfamilien, sondern

ebenso für Familien ohne Migrationshintergrund.

Dennoch lässt sich feststellen, dass Migrantenfamilien in hohem Ausmaß davon

betroffen sind. Besonders bei Kindern und Jugendlichen besteht ein stark

erhöhtes Armutsrisiko. Beispielhaft soll hier der Sozialbericht 2007 von

Nordrhein-Westfalen genannt werden: Dort tragen knapp 43 Prozent der unter

18-jährigen MigrantInnen ein Armutsrisiko, bei der Vergleichsgruppe ohne

Migrationshintergrund sind es knapp 15 Prozent. Unmittelbar damit hängt

zusammen, dass Eltern mit Migrationshintergrund oft Geringverdiener sind und

häufig keinen in Deutschland anerkannten beruflichen Ausbildungsabschluss

haben (vgl. Deimann 2009, S.144).

Dass ein Zusammenhang zwischen schlechten Bildungschancen, niedriger

Schichtzugehörigkeit und Migrationshintergrund besteht, wurde durch die

Ergebnisse der PISA-Studie demonstriert. Diese Faktoren führen zusammen zu

einer unstrittigen Benachteiligung von Migrantenjugendlichen im Bildungssektor

(Spindler 2006, S.165).

19

3.2 Sprache

Ein weiterer Punkt, der eng mit der Bildungsbenachteiligung in Verbindung

steht, ist die Sprache. Dieser Aspekt wird von zwei der befragten

SozialpädagogInnen eingebracht.

Sprachbarrieren, speziell bei MigrantInnen, die noch nicht lange in Deutschland

leben, spielen auch eine Rolle in Bezug auf Benachteiligung in der Schule und

auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Interview 1, Z.40-42; Interview 2, Z.17f).

Eine gute Alternative zum übrigen Bildungssystem, das bestimmte Zugänge

verweigert, bildet die EIBE-Klasse, in der die Mitarbeiterin des Jugendzentrums

tätig ist. Es handelt sich hierbei um einen Lehrgang zur Eingliederung in die

Berufs- und Arbeitswelt an einer berufsbildenden Schule, an welcher der

Hauptschulabschluss absolviert werden kann. Es gibt eine Klasse für

SprachanfängerInnen, die nach Deutschland immigriert oder als AsylantInnen

gekommen sind (vgl. Interview 1, Z.17-34).

Aufgrund von Sprache bestehen oft auch große Unsicherheiten im Umgang mit

Behörden und beim Ausfüllen von Formularen. Hier wirkt sich unter Umständen

auch die mangelnde Sprachkenntnis der Eltern von Jugendlichen aus, die

schon länger in Deutschland leben. Wenn diese keine Unterstützung geben

können, müssen sich die Jugendlichen an bestimmte Anlaufstellen wenden (vgl.

Interview 1, Z.72-78). Im Vergleich zur Elterngeneration sind die

Sprachkompetenzen der Jugendlichen jedoch deutlich besser (vgl. DGB

Bundesvorstand 2010, S.8).

Sicherlich ist es wichtig, die Sprache der Mehrheitsgesellschaft zu erlernen und

gut zu beherrschen, gerade im Hinblick auf die persönliche Schul- und

Berufslaufbahn, aber auch auf die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Dies

sollte auch ohne Frage ermöglicht und gefördert werden.

Beachtet werden muss allerdings auch, dass oft nur die einseitige Forderung

der Mehrheitsgesellschaft besteht, gutes Deutsch zu sprechen und die

Mehrsprachigkeit vieler Jugendlichen gar nicht als Bereicherung gesehen wird:

„Dass nur gefordert wird, die müssen ein gutes Deutsch sprechen, aber gar

nicht gesehen wird, dass sie auch noch ein gutes Türkisch sprechen oder

überhaupt Türkisch sprechen. Also diese Mehrsprachigkeit wird in der Form

auch gar nicht geschätzt“ (Interview 1, Z.247-250).

20

Zwei- und Mehrsprachigkeit, die viele junge MigrantInnen mitbringen, sollte

daher als eine Kenntnis und Ressource mehr wertgeschätzt werden und

erhalten bleiben.

An dieser Stelle ist die Unterstützung von pädagogischer Seite gefragt,

Jugendlichen diese Ressourcen aufzuzeigen.

Laut Erfahrung der Sozialpädagogin des Jugendzentrums sind sich

beispielsweise manche Jugendliche mit türkischem Migrationshintergrund gar

nicht darüber bewusst, dass die türkische Sprache, die sie teilweise fließend

beherrschen, auch eine Sprachkenntnis ist (vgl. Interview 1, Z.260-265).

Gerade bei der Arbeitsplatzsuche kann diese zusätzliche Sprachkompetenz

einen Vorteil darstellen.

3.3 Arbeitsmarkt

Doch auch beim Übergang in eine Ausbildung und anschließend auf den

Arbeitsmarkt haben Jugendliche mit Migrationshintergrund in Deutschland oft

schlechtere Chancen, als Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Ursachen

hierfür sind einerseits die schon erwähnt durchschnittlich niedrigeren

Schulabschlüsse aufgrund der Chancenungleichheit im deutschen

Bildungssystem und die angespannte Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Es

lässt sich jedoch nicht abstreiten, dass auch der Migrationshintergrund damit im

Zusammenhang steht.

Selbst bei gleichen Schulnoten und Schulabschlüssen haben jugendliche

MigrantInnen geringere Chancen auf einen Ausbildungsplatz, auch wenn sie in

Deutschland geboren sind (vgl. DGB Bundesvorstand 2010, S.10).

Gerade bei höher Qualifizierten mit gleichem Bildungsgrad wird dies deutlich:

90 Prozent der hochqualifizierten Männer ohne Migrationshintergrund zwischen

20 und 29 Jahren hatten im Jahr 2007 einen Arbeitsplatz, aber nur 81 Prozent

derjenigen mit Migrationshintergrund.

Jugendliche MigrantInnen können demnach neben direkter auch indirekter

Diskriminierung, in Form von derartiger Benachteiligung, ausgesetzt sein (vgl.

Ottersbach 2009, S.65; DGB Bundesvorstand 2010, S.10).

21

Aufgrund besserer Perspektiven im Ausland, gehen manche junge Erwachsene

in das Herkunftsland ihrer Eltern, auch wenn sie selbst es vielleicht nur aus dem

Urlaub kennen.

„[…] hab ich ganz viele junge, hier in Deutschland aufgewachsene Frauen und

Männer kennengelernt, die nach ihrem Studium in die Türkei gegangen sind,

weil sie da Topangebote bekommen haben. Ja mit ihrem Studium, mit ihrem

kulturellen und sprachlichen Hintergrund und diese Möglichkeiten, die ihnen

dort geboten wurden, diese Chancen hätten sie hier nie gehabt und nie geboten

bekommen. Und das find ich eigentlich ne traurige Sache“ (Interview 1, Z.230-

236).

Neben den erworbenen schulischen Qualifikationen, ist demnach auch der

Migrationshintergrund ein entscheidender Faktor beim Einstieg in das

Berufsleben. Die Chancen auf dem hiesigen Arbeitsmarkt werden nicht nur

durch unterschiedliche Qualifikationen bestimmt, sondern Diskriminierung und

Vorurteile beeinflussen die Chancengleichheit.

Diese Sichtweise wird auch von Ergebnissen aus einem Pilotprojekt

untermauert: Anonymisieren junge Menschen mit Migrationshintergrund ihre

Bewerbungsunterlagen, zeigt sich eine deutliche Verbesserung von

Jobchancen, besonders für MigrantInnen. Gerade der Name spielt bei

Bewerbungen keine unbedeutende Rolle. Beim anonymisierten Verfahren, wo

lediglich die Qualifikation ersichtlich ist, ist davon auszugehen, dass sich die

Chance auf einen Arbeitsplatz erhöhen kann (vgl. Siems 2012, o.S.).

Nachdem die Bereiche der Bildung und Arbeit betrachtet worden sind, soll nun

das Wohnumfeld der Jugendlichen und dessen Einfluss auf das Aufwachsen

der jungen Menschen in den Blick genommen werden.

3.4 Der Wohnort

„Ich tendiere schon eher auch dazu zu sagen, es [die Benachteiligung, Anm.

der Verf.] hat auch was mit Schicht zu tun und es hat natürlich auch was […] mit

dem Milieu zu tun, in dem man aufwächst und in dem man sozialisiert wird. Und

in dem Leute sozusagen auch konzentriert werden“ (Interview 3, Z.29-33).

22

Nach Ottersbach und Zitzmann sind Jugendliche und MigrantInnen erst von

Exklusionsprozessen wie Arbeitslosigkeit, Armut und Ausgrenzung betroffen,

wenn sie in einem bestimmten Milieu beziehungsweise in einem bestimmten

Stadtteil aufwachsen. Solche Sozialräume lassen sich oft in Randbezirken von

Städten finden. Sie sind wirtschaftlich, sozial und auch kulturell von der

restlichen Stadt separiert und haben keinen guten Ruf, das heißt sie sind

marginalisiert. Man spricht von ‚Sozialen Brennpunkten‘, neuerdings auch eher

von ‚marginalisierten Quartieren‘ und es existieren noch viele weitere

Bezeichnungen (vgl. Ottersbach/Zitzmann 2009, S.9).

Kennzeichen marginalisierter Quartiere sind unter anderem die wirtschaftliche

Schwäche, die eine hohe Arbeitslosenzahl und Sozialhilfedichte beinhaltet,

wenige kulturelle Einrichtungen, eine Häufung sozialer Probleme, eine

eindimensionale Sozialstruktur – wie ein hoher MigrantInnenanteil oder ein

hoher Anteil von HauptschülerInnen-, sowie ein schlechtes bzw. negatives

Stadtteilimage.

Nicht in jedem Quartier haben die einzelnen Aspekte das gleiche Ausmaß. Aber

gerade der letztgenannte Punkt, das Image des Wohnortes, ist

ausschlaggebend dafür, wie die Bewohner außerhalb des Quartiers

wahrgenommen werden (vgl. Ottersbach 2009, S.58f.).

So kann ein bestimmter Wohnort weitere Benachteiligungen mit sich bringen,

wenn er beispielsweise den Erfolg bei der Ausbildungs- und Stellensuche

schmälert: „Die Adresse A-Siedlung öffnet nicht gerade den Weg zur Deutschen

Bank“ (Interview 3, Z.83f.).

Das negative Image des Wohngebiets wird einerseits von außen aufgesetzt und

andererseits von Bewohnern des Stadtteils teilweise reproduziert. Das

bedeutet, dass negative Sichtweisen übernommen werden und sich dies

beispielsweise in einer abgrenzenden Haltung gegenüber bestimmten Gruppen

wie Migranten im Quartier äußert (vgl. Ottersbach 2004, S.69).

Die Jugendlichen selbst haben ein bestimmtes Bild von ihrem Umfeld, das sie

prägt. Dieses Bild kann sich negativ, aber auch positiv konstruieren.

„Wir hatten ne Zeit lang viele Jugendliche im Café unten aus K-Stadtteil, die

auch so ein bisschen in Anführungsstrichen ‚Ghettoleben‘, diesen Stolz drauf

haben […]“ (Interview 1, Z.101-103).

23

„Und ich musste letztens halt einfach schmunzeln, weil der [ein Jugendlicher,

Anm. d. Verf.] halt mit großem Stolz dieses K-Stadtteil Ghettoleben hervorhebt

[…] Also das wird auch so bisschen verherrlicht. […] Ich bin auch in K-Stadtteil

groß geworden, ja und auch in dieser Gegend. Und habe das nie als schlimmes

Ghetto empfunden […] Klar gibt es dort auch immer noch Handlungsbedarf und

das ist ein Stadtteil, der seine Schwierigkeiten hat. Aber ich würd‘s jetzt nicht so

sehen, wie das teilweise Jugendliche darstellen“ (Interview 1, Z.113-124).

Zum einen kann es also sein, dass die Jugendlichen ihr Stadtviertel selbst gar

nicht so negativ sehen, wie dies von der Bevölkerung außerhalb des Wohnortes

wahrgenommen wird. Andererseits kann das Quartier, wenn diesem schon der

Ruf eines ‚Ghettos‘ zugeschrieben wurde, auch idealisiert werden. Die

Jugendlichen identifizieren sich mit dem entsprechenden Image und bringen

dies beispielsweise in der Subkultur des Hip Hop zum Ausdruck.

Didier Lapeyronnie beschreibt die Situation in französischen Städten und stellt

fest: Wenn soziale Probleme und ein hoher MigrantInnenteil in einem

Stadtviertel zusammenkommen, gilt es aus der Perspektive der umliegenden

Viertel und der übrigen Stadtbevölkerung als Ghetto (vgl. Dubet/Lapeyronnie

1994, S.78). Dies kann auch auf deutsche Städte übertragen werden, ohne an

dieser Stelle einen Vergleich zu ‚Ghettos‘ in anderen Ländern ziehen zu wollen.

Der Begriff an sich wird auch im deutschen Raum im alltäglichen

Sprachgebrauch für manche Wohnorte verwendet.

In solchen Stadtvierteln wie von Lapeyronnie beschrieben, konzentrieren sich

bestimmte Gruppen von Menschen, die häufig mehrfachen Problemlagen

ausgesetzt sind. Man sagt auch, ein bestimmtes Quartier sei ‚segregiert‘.

3.4.1 Segregation

Segregation bezeichnet die räumliche Konzentration der Einwohner mit

bestimmten Merkmalen in bestimmten Teilen der Stadt (vgl. Strohmeier/Alic

2006, S.13). Die Stadtforschung unterscheidet hierbei soziale Segregation – die

räumliche Trennung von Arm und Reich, demografische Segregation – die

räumliche Trennung von Familienhaushalten und anderen Haushaltsformen und

ethnische Segregation – die räumliche Trennung von Einwanderern und

‚Einheimischen‘ (vgl. Strohmeier/Alic 2006, S.13).

24

Nach Klaus Strohmeier hängen die drei Dimensionen von Segregation

zusammen. Daraus ergibt sich: Wo die meisten Kinder in der Stadt leben, leben

die meisten MigrantInnen und die meisten Armen (vgl. Strohmeier/Alic 2006,

S.13).

Gewöhnlich wird nur die Segregation der ‚under class‘ als Problem angesehen,

weil sich hier die Problemlagen der Benachteiligten konzentrieren.

Ethnische Segregation erscheint immer als Effekt von freiwilligen und

unfreiwilligen Entscheidungen. Zum einen haben MigrantInnen in bestimmten

Wohnanlagen große Zugangsschwierigkeiten, sei es aus finanziellen Gründen

oder aufgrund von Diskriminierungsbarrieren des Wohnungsmarktes

beziehungsweise von Vermietern. Letzteres spielt überhaupt bei der

Entstehung von Segregation, auch ethnischen Gruppen, die entscheidende

Rolle. Zum anderen suchen mehrere MigrantInnen auch die Nähe zu

Landsleuten oder familiären Netzwerken, was sich unter „symbolischer

Identifikation“ (Strohmeier/Alic 2006, S.18) verorten lässt (vgl. ebd.;

Krummacher 2007, S.111).

Nicht jede soziale Segregation muss gleich ein soziales Problem darstellen.

Auch die räumliche Segregation von MigrantInnen ist nicht gleich

problematisch. Gebiete in denen viele Bewohner einer bestimmten Nationalität

leben, können auch einen Schutzraum bieten. Häußermann führt an, dass eine

gute Integration ‚nach innen‘, auch eine Integration in die Mehrheitsgesellschaft

ermöglichen kann. Entscheidend dabei ist, ob die Bewohner freiwillig oder

unfreiwillig in diesem Quartier leben. Wenn sie keine Wahl haben, kann die

‚ethnische Kolonie‘ eine erzwungene Isolation bedeuten (vgl. Häußermann

2001, S.42).

Wenn allerdings nur nach ethnischer Herkunft unterschieden wird, besteht die

Gefahr zu pauschalisieren und Stereotypen von ‚den Türken‘ oder den

‚Spätaussiedlern‘ zu bilden. Deshalb ist es hilfreich, einen Bezug zum jeweiligen

Milieu herzustellen, aus dem ein Jugendlicher stammt.

Die Zuordnung zu einem bestimmten Milieu umreißt den Lebensstil, die

Wertorientierung und damit die gesellschaftliche Identität des jungen Menschen

(vgl. Arnold/Maier 2010, S.11ff.).

25

Die Sinusstudie zum Thema ‚Was junge Migranten bewegt. Lebenswelten von

Jugendlichen und jungen Menschen mit Migrationshintergrund‘ zeigt, dass

Menschen des gleichen Milieus mit unterschiedlichen Migrationserfahrungen

oder –hintergründen mehr miteinander verbindet als mit dem Rest ihrer

Migrantengruppe aus anderen Milieus.

Normen und Werte unterscheiden sich zum Beispiel dahingehend, ob jemand

aus einer stark an der Heimatkultur orientierten Gruppe oder aus einer

statusorientierten Gruppe von MigrantInnen stammt. Mit diesem Hintergrund

hängt dann unter anderem auch zusammen, wie gehoben die Bildung und das

Einkommen einer Person sind (vgl. Arnold/Maier 2010, S.11-13).

Nach den Rahmenbedingungen für die Lebenssituation der Jugendlichen, soll

nun das soziale Umfeld betrachtet werden.

3.4.2 Das soziale Umfeld: Freizeit, Peergroup und Clique

„[…] vielleicht in B-Stadtviertel oder K-Stadtteil oder E-Stadtviertel, wo jetzt nicht

nur das Finanzielle und die Sprache, sondern auch die Wohngegend vielleicht

Einfluss auf meine Entwicklung haben. Weil ich vielleicht auch andere Sachen

vorgelebt bekomme, mit anderen Sachen in Kontakt komme“ (Interview 1, Z.97-

101).

Das Umfeld, in dem man aufwächst, beeinflusst die eigene Entwicklung und

Sozialisation entscheidend. Zu welchen Personen und Gruppen besteht

Kontakt? Von welchen Werten und Normen wird man geprägt?

Es ist anzunehmen, dass beispielsweise Jugendliche in einem Sozialraum mit

vielen SozialhilfeempfängerInnen und von Armut betroffenen Menschen andere

Erfahrungen machen, als in einem Viertel in dem überwiegend Familien der

Mittelschicht leben.

Geringe finanzielle Mittel wirken sich auf die Freizeitgestaltung und den Zugang

zu kulturellen Angeboten aus. Wenn es am Wohnort wenige Möglichkeiten gibt

und es gleichzeitig an Geld fehlt, an Angeboten und Vereinen außerhalb des

Viertels teilzuhaben und diese erst überhaupt zu erreichen, ist die Auswahl sehr

beschränkt.1 Jugendzentren findet man dagegen in fast jedem Stadtteil vor (vgl.

Interview 1, Z. 396-413).

1 Vgl. auch Ausführungen zu Bourdieu unter Kapitel 1.2

26

Sie werden entsprechend genutzt, besonders von Jugendlichen, die wenig

andere Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten haben. Sind diese allerdings

vorhanden, ist ein Jugendzentrum weniger relevant. Häufig zählen überwiegend

Jugendliche mit Migrationshintergrund zum Besucherpublikum. Welche

Nationalitäten vertreten sind, ist sicherlich auch vom jeweiligen Stadtteil

abhängig (vgl. Interview 1, Z. 396-413).

Jugendliche, die in benachteiligten Vierteln leben, verfügen meist über enge

soziale Netzwerke, die nicht über den Stadtteil hinausreichen. Diese Netzwerke

sind vom sozialen Milieu, aus dem sie kommen, geprägt (vgl. Ottersbach 2009,

S.64). Hier spielt die Peergroup, die Gruppe der Gleichaltrigen eine wichtige

Rolle. Sie ist wichtig für den Sozialisationsprozess der Jugendlichen und kann

unter Umständen auch als Familienersatz fungieren. In der Übergangszeit von

der Schule zur Arbeitswelt, der Loslösung von der Familie, der Neuorientierung

und der Suche nach Identität nimmt die Bedeutung der Peergroup generell zu

(vgl. Schröder/Leonhardt 2011, S.156f.; S.180).

In Bezug auf die Wahrnehmung von Freizeitangeboten und Konsumverhalten

wird davon ausgegangen, dass es keinen Unterschied zwischen jugendlichen

MigrantInnen und deutschen Gleichaltrigen aus einem ähnlichen Umfeld gibt.

Jedoch verbringen Migrantenjugendliche ihre Freizeit oft unter sich, das heißt

unter Landsleuten (vgl. Leiprecht 2001, S.101f.; Steinmetz 1987, S.53).

„[…] was wir auch immer wieder beobachten in den Problemstadtteilen, das

sind, ich sag mal jetzt die Russlanddeutschen bleiben unter sich und daneben

gibt’s die Gruppe der marokkanischen Jugendlichen und daneben gibt’s ne

andere Gruppe der türkischen Jugendlichen. Da findet vielleicht

zwischeneinander noch ein bisschen Austausch statt. Aber dass diese drei

Gruppen jetzt nen sehr ausgeprägten Kontakt zu in Deutschland geborenen

Jugendlichen ohne Migrationshintergrund haben, das ist selten“ (Interview 2,

Z.72-78).

27

Für die Zugehörigkeit zu einer jugendlichen Clique kann Herkunft

ausschlaggebend sein; beispielsweise stammen alle Mitglieder aus dem

gleichen Stadtteil und haben einen türkischen Migrationshintergrund. Dies kann

von Jugendlichen in homogenen Cliquen als identitätsstiftend erlebt werden.

Allerdings muss dies nicht zwangsläufig Bedingung sein, was Cliquen mit

Jugendlichen unterschiedlicher Herkunft zeigen (vgl. Spindler 2006, S.250ff.).

Genauso wenig sollte daraus schlussgefolgert werden, dass sich

Migrantenjugendliche zwangsläufig allein aufgrund ihrer ethnischen Herkunft

einer Gruppe Jugendlicher desselben Hintergrunds anschließen.

Einerseits erfolgt die Bildung von Freundesgruppen jugendlicher MigrantInnen

oft an anderen Orten als denen, die von Deutschen genutzt werden. So

entstehen diese beispielsweise öfter in öffentlichen Räumen wie auf Spiel- und

Sportplätzen oder auch um Jugendzentren herum.

Zudem beeinflusst die Wahrnehmung der Freundesgruppe durch die

Öffentlichkeit und deren negative Zuschreibungen wie beispielsweise

‚gefährliche Gruppe von Ausländerjugendlichen, die Ärger machen‘, dass sich

die betroffenen Jugendlichen zusammenschließen, während sich andere

Jugendliche, beispielsweise ohne Migrationshintergrund, eher von diesen

Gruppen abgrenzen (vgl. Tekin 2003, S.171).

In diesem gesellschaftlichen Rahmen wird die Zugehörigkeit zur Clique für die

Jugendlichen noch wichtiger. Denn dieser Rahmen wird bestimmt „durch ihren

sozialen Status als Angehörige der Unterschicht und durch ihren Status als

Angehörige einer ethnischen Minderheit“ (Tekin 2003, S.171). Diese zweifache

Rahmung zwingt die Jugendlichen in ein doppeltes Konfliktfeld und bewirkt,

dass sie sich verstärkt an dieser Gruppe orientieren, mit der sie sich auch

identifizieren (vgl.ebd.).

Die beschriebenen Bereiche wirken sich in unterschiedlicher Form auf die

Lebenssituation von jungen MigrantInnen aus und können auch entsprechend

Benachteiligungen mit sich bringen. Einzelne Faktoren hängen meist

zusammen. Insbesondere der Wohnort und das soziale Umfeld sind eng

miteinander verwoben und lassen sich nicht losgelöst voneinander betrachten.

28

Die Ursachen und Gründe für Benachteiligungen lassen sich jedoch schwer

verallgemeinern und müssen individuell für einzelne Jugendlichen gesehen

werden.

4.Gesellschaftliche Zuschreibungen

Im nächsten Schritt wird die gerade erwähnte gesellschaftliche Wahrnehmung

beschrieben. Es wird dargestellt, wie bestimmte Vorstellungen für die Haltung

gegenüber und den Umgang mit Jugendlichen MigrantInnen verantwortlich sind

und welche Auswirkungen diese haben.

4.1 Stigmatisierung

„[…] du vermittelst ein Bild in der Gesellschaft und dementsprechend trittst du

den Jugendlichen gegenüber und das find ich schade, weil es einfach nicht die

Realität ist. […] Und einerseits brandmarkst du die Jugendlichen ja damit“

(Interview 1, Z.623-629).

In der öffentlichen Wahrnehmung herrschen nach wie vor bestimmte

eindimensionale Denkweisen zum Thema Jugendliche und Migration vor. Durch

die Pluralisierung von Lebenswelten in der modernen Gesellschaft wird dieser

Themenkomplex inzwischen ausdifferenzierter behandelt.

Dennoch werden jugendliche MigrantInnen oft problemzentriert

wahrgenommen, wie sich erneut durch die Thematisierung von so genannten

Parallelgesellschaften und Integrationsschwierigkeiten in der dritten und vierten

Generation zeigt (vgl. Geisen/Riegel 2007, S.15). Damit erfolgt gleichzeitig auch

eine Stigmatisierung.

Der Begriff ‚Stigmatisierung‘ beschreibt den Prozess, in dem einer Person

negativ bewertete Merkmale und Eigenschaften, wie ‚asozial‘ oder ‚gefährlich‘

von der Gesellschaft zugeschrieben werden. Dadurch wird sie, verbal oder

nonverbal, diskriminiert (vgl. Peuckert 2003, S.318).

Das wirkt sich auch auf die Interaktion der Mitmenschen mit dem

Stigmatisierten aus. Er wird abgewertet und hat keine Chance, sich mit seinen

Fähigkeiten zu beweisen, da er auf das negative Merkmal reduziert und alles

was er tut, im negativen Licht dessen beurteilt wird.

29

4.2. Ethnisierung

Wolf-Dietrich Bukow definiert den Begriff der Ethnisierung wie folgt:

„ ‚Ethnisierung‘ ist ein sozialer Ausschließungsmechanismus, der Minderheiten

schafft, diese (fast immer negativ) etikettiert und Privilegien einer dominanten

Mehrheit zementiert“ (Bukow 1996 zit. in: Butterwegge 2007, S.72).

In Teilen der deutschen Gesellschaft besteht eine Tendenz, Handlungen,

Verhaltensweisen und Probleme von MigrantInnen als ‚typisch‘ für die jeweilige

Herkunft oder Kultur zu interpretieren.

In diesen Prozessen der Ethnisierung werden Problemlagen als Folgen

kultureller Differenz oder ethnischer Besonderheit gesehen. Oft werden die

Ursachen in der familiären Erziehung und somit der Prägung durch die

Herkunftskultur vermutet. Das Augenmerk richtet sich gezielt auf die anderen

Traditionen, Lebensweisen, Normen und Werte und auf eine gesamte ethnische

Gruppe bezogen. So können dann beispielsweise auch schlechte

Schulleistungen von Migrantenjugendlichen einer ethnisierenden Deutung

unterliegen.

Dabei werden die eigentlichen Gründe, wie zum Beispiel Armut und soziale

Herkunft mehr oder weniger ausgeblendet. Anstatt die Lebensumstände, die

strukturellen Voraussetzungen und die Motive der Betroffenen entsprechend zu

analysieren, wird ein simpler Weg der Zuschreibung und Stigmatisierung

gewählt (vgl. Ritter 2011, S.44).

So entsteht ein „ethnisches Alltagswissen“ (Bukow et al. 2001 zit. in:

Spindler/Tekin 2003, S.239), das sich auf kulturellen Stereotypisierungen

gründet. Dadurch werden MigrantInnen von der Mehrheitsgesellschaft als

‚anders‘, auch als Problemfälle oder als mit Defiziten behaftet, wahrgenommen.

So werden ethnischen Minderheiten Bedeutungen zugeschrieben, weshalb sie

als solche überhaupt hervortreten (vgl. Tekin 2003, S.50; Spindler/Tekin 2003,

S.239).

Speziell von jugendlichen MigrantInnen werden in der Öffentlichkeit immer

wieder negative Bilder konstruiert. Die Jugendlichen werden mit gefährlichen

Cliquen, Gewalt, Kriminalität und auch Drogen in Verbindung gebracht. Im

Fokus stehen die Defizite der jugendlichen Lebenswelten (vgl. Geisen/Riegel

2007, S.15f.).

30

Diese Bilder verleihen den Jugendlichen demnach ein negatives Image und

können stigmatisierend wirken.

Bestimmte Gruppen wie männliche Jugendliche aus der Türkei, dem Kosovo

oder Albanien und junge Aussiedler, werden besonders aufmerksam betrachtet.

In Bezug auf weibliche und männliche Migrantenjugendliche, besonders mit

muslimischem Hintergrund, werden meist zwei unterschiedliche Bilder geformt:

Zum einen das Bild der Mädchen, die durch männliche Familienmitglieder

unterdrückt und in ihren Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt werden. Zum

anderen das Bild der problematischen Jungen, weil sie – von patriarchalen

Familienverhältnissen geprägt – auffällig und gewalttätig sind. Diese

Vorstellungen werden dabei verallgemeinernd auf den Großteil der

Angehörigen dieser Gruppe übertragen (vgl. Ottersbach/Zitzmann 2009, S.9;

Geisen/Riegel 2007, S.15f.).

4.3. Die Verbindung von Jugendkriminalität und Kriminalisierung

Im folgenden Kapitel soll nun dargestellt werden was passiert, wenn neben dem

Prozess der Ethnisierung noch eine Kriminalisierung der jungen Menschen

stattfindet.

4.3.1 Kriminalisierung

„[…] dieses Thema Jugendkriminalität, da schwingt dann natürlich auch immer

gleich die Frage rein, ob die Täter einen Migrationshintergrund haben oder

nicht“ (Interview 2, Z. 263-265).

In der öffentlichen Betrachtung von Jugendkriminalität wird die Situation der

Jugendlichen besonders prekär, wenn die begangene Tat von jungen

MigrantInnen verübt wurde. Kriminelle Delikte, aber auch insbesondere

Gewalttaten, werden oft mit kultureller Differenz in Zusammenhang gebracht.

Die Folge davon ist, dass ethnische Jugendgewalt schnell dramatisiert wird (vgl.

Liell 2007, S.269).

Noch nicht lange liegt die Debatte um den ehemaligen hessischen

Ministerpräsidenten Roland Koch und dessen Forderungen, kriminelle

Jugendliche härter zu bestrafen und straffällige AusländerInnen schneller

abzuschieben, zurück (vgl. Netzwerk Migration in Europa e.V. 2008, S.2).

31

Das Thema Jugendkriminalität und –gewalt, mit der Komponente ‚Migration‘,

wird immer wieder politisch genutzt und auch teilweise instrumentalisiert, um

gerade in Zeiten von Wahlkämpfen Aufmerksamkeit zu erregen (vgl. Interview

2, Z. 265-275).

In diesem Kontext wird gelegentlich die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) zur

Erfassung von Straftaten angeführt um aufzuzeigen, dass nichtdeutsche

Jugendliche häufiger straffällig werden als deutsche Jugendliche. Anhand der

PKS können Aussagen darüber getroffen werden, inwieweit sich Gewalttaten

und andere kriminelle Delikte zwischen deutschen und nichtdeutschen

Personen2 unterscheiden (vgl. BMI 2011, S.35).

In der Betrachtung der Zahlen zeigt sich, dass der Anteil der Tatverdächtigen

bei nichtdeutschen jungen Erwachsenen bis 25 Jahren über dem der deutschen

Personen liegt. Bei Kindern und Jugendlichen dagegen ist der Anteil der

nichtdeutschen Tatverdächtigen dagegen geringer, als der von deutschen

Jugendlichen (vgl. ebd.).

In diesem Kontext muss die Begrenztheit der Aussagekraft der PKS durch

verschiedene Faktoren beachtet werden. Genannt werden soll hier besonders

der Einfluss des Anzeigeverhaltens der Bevölkerung und die polizeiliche

Kontrollintensität, die sich in verschiedenen (Wohn-)Gegenden stark

unterscheiden kann (vgl. BMI 2011, S.3).

Um die Ursachen von Jugendkriminalität und -gewalt zu erklären, existieren

zahlreiche theoretische Ansätze. Manche Erklärungsversuche weisen dabei

speziell auf mögliche Ursachen bei jugendlichen MigrantInnen.

An dieser Stelle wird auf eine umfassende Erläuterung verschiedener Theorien

verzichtet, um den Umfang dieser Arbeit nicht zu überschreiten. Nachfolgend

sollen allerdings die unterschiedlichen Deutungsmuster skizziert werden, um

die Bandbreite möglicher Erklärungsansätze darzustellen.

2 In der PKS wird lediglich nach deutsch und nichtdeutsch unterschieden. Zu den nichtdeutschen

Tatverdächtigen werden zum Beispiel auch Illegale und Touristen/Durchreisende gezählt. Ein eventueller Migrationshintergrund wird bei den deutschen Tatverdächtigen nicht berücksichtigt (vgl. BMI 2011, S.3; S.36).

32

4.3.2 Erklärungsansätze zu Jugendkriminalität und -gewalt

Zunächst fallen bestimmte Jugendliche in der Öffentlichkeit mehr auf als

andere, da sie mit ihrem Verhalten von bestimmten Wert- und

Normvorstellungen, die in der Mehrheitsgesellschaft vorherrschen, abweichen.

Im Milieu der Jugendlichen können diese Verhaltensweisen stattdessen als

Norm gelten, da ihr Umfeld einen anderen Umgang damit vorgibt. Diese, aus

Sicht der Gesellschaft, devianten Verhaltensweisen lösen soziale Reaktionen

aus, die darauf zielen, die Betroffenen zu bestrafen, zu isolieren oder zu

bessern (vgl. Peuckert 2010, S.108).

Die Anomietheorie nach Merton, stellt einen Bezug zu sozioökonomischen

Benachteiligungen her. Demnach würden Jugendliche häufiger zu

abweichendem Verhalten und Kriminalität tendieren, wenn ihnen nur wenige

Ressourcen zur Verfügung stehen (vgl. Naplava 2010, S.233).

Hiermit vergleichbar ist auch der Desintegrationsansatz von Wilhelm Heitmeyer,

der oft benutzt wird, um die Gewalt junger Migranten zu erklären.

Desintegration meint an dieser Stelle das gleichzeitige Ablaufen verschiedener

Prozesse der Auflösung; beispielsweise die Auflösung verlässlicher

Familienformen und eines gemeinsamen Verständnisses von Werten und

Normen, besonders von Traditionen. Diese Auflösungsprozesse werden als

Verlust wahrgenommen. Nach Heitmeyer verarbeiten Menschen diese

Bedingungen auf verschiedene Weise und das könne zu Handlungen führen,

die Gewalt beinhalten. Er betont, dass gerade Jugendliche in Gruppen, auch in

Cliquen von Migrantenjugendlichen und anderer Peergroups, die eigenen

Erfahrungen in Gewalt ausdrückten. Dabei besteht allerdings die Gefahr,

wiederum Stereotype zu erzeugen und dadurch individuelle Gründe für

kriminelles Handeln oder Gewalttaten nicht zu beachten (vgl. Naplava 2010,

S.233; Spindler 2006, S.96ff.).

Zudem existieren weitere Ansätze, bei denen die Kulturdifferenz als

Ausgangspunkt genommen wird. Diese implizieren auch grundlegend andere

Wertvorstellungen: „[…] Weil bei denen das Wertesystem ein ganz anderes ist“

(Interview 2, Z. 148-158).

33

„Fakt ist, sie verstoßen hier gegen Gesetze und das geht nicht. Wenn sie sich

hier aufhalten, müssen sie diese Gesetze achten. Aber ähm, es ist natürlich

klar, dass ein türkischer oder marokkanischer Jugendlicher ganz empfindlich

reagieren wird, wenn man seine Familie beleidigt. Was sehr oftmals der

Hintergrund von Körperverletzungsdelikten auch ist. Während dem des

deutschen Jugendlichen, ja den wird’s auch stören, aber der wird nicht so

drastisch reagieren. Also da stoßen einfach zwei Welten aufeinander und ich

denk mal man muss dann schon hingucken […] also muss versuchen

nachzuvollziehen, warum diese Tat begangen wurde und kann das nicht alles

über einen Kamm scheren ja“ (Interview 2, Z. 148-158).

Sicherlich sollte die Herkunftskultur und damit verbundene Werte, wie

beispielsweise der Stellenwert der Familie, nicht außen vor gelassen, sondern

auch in die Zusammenarbeit mit einbezogen werden. Es stellt sich jedoch die

Frage, in wie weit andere Normen und Werte auf bestimmte Handlungsweisen

übertragen werden und dabei eventuell andere Gründe übersehen werden.

Gerade aus diesem Grund ist es notwendig, im pädagogischen Handeln

gleichzeitig den Einfluss der jeweiligen Kultur zu beachten, aber nicht darauf

fixiert zu sein.

Ansonsten könnte davon ausgegangen werden, dass sich die

Gewaltbereitschaft von männlichen Migrantenjugendlichen, aufgrund von einem

traditionellen Konzept von Männlichkeit und der patriarchalen Kultur, in der

mehr Gewalt in den Familien stattfindet, erhöht (vgl. Naplava 2010, S.233;

Spindler 2006, S.96ff.). Derartige Interpretationen sind jedoch kritisch

betrachten, da sie dazu neigen, klischeehaft zu verallgemeinern und zur

Stigmatisierung beitragen (vgl. ebd.).

Dagegen fokussiert der Labeling Approach, auch Etikettierungsansatz genannt,

von Fritz Sack, einen anderen Ausgangspunkt. Die Frage ist bei diesem, in

welchen Sozialbeziehungen, Interaktionen und Bedingungen die Jugendlichen

gewalttätig handeln. Wie wird die Gewalt von gesellschaftlichen Vorurteilen und

dem Suchen von Sündenböcken beeinflusst und wie sehen die Sanktionen aus

(vgl. Spindler 2006, S.103)?

34

Bei diesem Ansatz rücken somit auch die Vertreter der Kontrollinstanzen, deren

Erwartungen oder Alltagstheorien und die daraus resultierenden

Stigmatisierungen der Jugendlichen, in das Blickfeld.

Es geht somit darum, Kriminalität als soziale Erscheinung zu verstehen, die

nicht bestimmte Eigenschaften von Personen darstellt, sondern deren soziale

Beziehungen und gesellschaftlichen Bedingungen (vgl. Gransee/Stammermann

1992, S.24ff.).

Gesellschaftliche Zuschreibungsprozesse sind also nach diesem Ansatz für

abweichendes Verhalten von entscheidender Bedeutung. Auf diese

Zuschreibungen, sie seien kriminell oder gewalttätig, können die Jugendlichen

unterschiedliche Reaktionen zeigen. Wenn schon bestimmte Vorstellungen

existieren und festgefahren sind, ist es schwierig, aus der zugeschriebenen

Rolle wieder herauszukommen. So tendieren manche von ihnen dazu, dieses

Stigma anzunehmen und sich damit zu arrangieren: „Klar gibt es welche, die

sind stolz dann zu sagen, ‚Yeah, wir sind Gangster‘. Was bleibt ihnen auch

anderes übrig. Die kriegen den Stempel ab und entweder tragen sie es mit

dementsprechender Haltung. Dann sagen sie, wenn ich eh den Stempel hab,

dann verhalt ich mich auch so. Dann entsprech ich dem Bild, was jeder von mir

erwartet“ (Interview 1, Z.629-634).

Mit Hilfe der gerade skizzierten Labeling-Theorie könnte aufgezeigt werden,

dass die Stigmatisierung der ‚primären Abweichung‘, also die abweichenden

Verhaltensweisen der Jugendlichen aufgrund der ökonomischen und sozialen

Ungleichheit, eine ‚sekundäre Abweichung‘ provozieren kann. Dies bedeutet,

dass die gesellschaftliche Rollenzuschreibung entweder zu Resignation oder zu

Gewalt und Kriminalität führen kann. Dadurch wird das Stigma aufrechterhalten

und kann noch verstärkt werden (vgl. Ottersbach 2009, S.56f.).

Entscheidende Einflussfaktoren, die für bestimmte Vorstellungen und

Sichtweisen in weiten Teilen der Bevölkerung verantwortlich sind, bilden Politik

und Medien. Speziell auf letzteren Punkt soll nachfolgend näher eingegangen

werden.

35

4.4 Rolle der Medien

„Und was ich da im Freundeskreis hör, was wirklich mit Vorurteilen der

schlimmsten Art beladen ist, wo ich sage, woher habt ihr denn die Info und sie

sagen ‚Ahja, das kriegst du doch in den Medien mit‘. Ja eben, das kriegst du in

den Medien mit“ (Interview 1, Z.354-357).

Der Zusammenhang von Medien und vorherrschenden Sichtweisen über

Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund wurde im Gespräch

thematisiert (vgl. Interview 1, Z. 591-594). Viele Menschen kommen nicht selbst

mit Kriminalität und Gewalt in Berührung und haben trotzdem genaue

Vorstellungen davon, wie die Realität aussieht. Denn allem Anschein nach ist

die tägliche Berichterstattung davon in hohem Maß gefärbt Die Angst vor

Kriminalität beruht somit weniger auf eigenen Erfahrungen im Bekanntenkreis,

sondern wird von außen geprägt (vgl. Ronneberger 1998, S.31).

Diese Vorstellungen haben Einfluss auf den alltäglichen Umgang mit den

betroffenen Personengruppen, wie beispielsweise Jugendlichen. Sichtbar wird

dies schon an kleinen Alltagsbegegnungen: Aus Angst vor einer

unangenehmen oder gar gefährlichen Situation, trauen sich manche Menschen

sogar nicht, ein junges Mädchen, dass mehrere Plätze in der Bahn belegt,

darauf hinzuweisen, dass sie sich ebenfalls gerne setzen würden (vgl. Interview

1, Z.598-621).

Gerade Massenmedien berichten über Geschehnisse, bestimmte Personen –

auch bestimmte Personengruppen wie junge MigrantInnen- und beeinflussen

dadurch die Sichtweisen der Gesellschaft (vgl. Spindler 2003, S.71; Spindler

2006, S.86). Auf den Titelseiten der Medien erscheinen Schlagzeilen über ‚die

hohe Ausländerkriminalität‘ oder die ‚hohe Gewaltbereitschaft von

Jugendlichen‘. Berichte über ethnische Minderheiten handeln nicht selten von

Straftaten wie Raub, (Asyl-)Betrug oder auch Mord und Todschlag (vgl.

Butterwegge 2007, S.72). Hierbei sollte nicht aus dem Blick gelassen werden,

dass die Medien auch aus wirtschaftlichem Interesse operieren, da sie hohe

Auflagen beziehungsweise Einschaltquoten erreichen wollen. Daher besteht

auch ein grundlegendes Interesse an einer von Krisen und Konflikten geprägten

Berichterstattung, sowie an der Dramatisierung von Geschehnissen oder an

Verletzungen von Normen (vgl. Leenen/Grosch 2009, S.216f.).

36

Gerade auffällige Besonderheiten und mitreißende Geschichten sind

interessant und keine normalen Alltagsberichte. Männliche

Migrantenjugendliche sind als gefährliche Straftäter oder als klischeehafte

Machos in den Berichten gefragt, aber nicht als unauffällige BürgerInnen (vgl.

Leenen/Grosch 2009, S.216f.).

So tragen die Medien in besonderer Form zu einer negativen öffentlichen

Sichtweise auf jugendliche Migranten bei und damit zu deren Stigmatisierung.

Gleichzeitig beeinflussen sie dadurch auch direkt und indirekt die

Lebenssituation der jungen Menschen (vgl. Spindler 2006, S.90ff.).

5. Soziale Arbeit mit MigrantInnen

Nachdem nun unterschiedliche, die Lebenswelt der Jugendlichen betreffenden

Aspekte betrachtet wurden und anschließend dargelegt wurde, welche

Vorstellungen und Annahmen in Teilen der Gesellschaft über die Zielgruppe

bestehen, soll nun der Fokus gezielt darauf gerichtet werden, was sich daraus

an Konsequenzen für die Soziale Arbeit ergibt. Wie gestaltet sich die tägliche

Arbeit? Existieren Faktoren, die eine Zusammenarbeit erschweren? Gibt es

bestimmte Handlungsansätze? Welche Bedeutung kommt der Integrationsfrage

zu?

5.1 Mögliche Barrieren

Stefan Gaitanides spricht von einer Unterrepräsentation von MigrantInnen im

präventiven Bereich von sozialen Diensten, in den „Endstationen der Sozialen

Arbeit“ (Gaitanides 2006, S.225), wie Inobhutnahmen, Jugendgerichtshilfen und

Drogennotdiensten dagegen von einer Überrepräsentation (vgl. ebd.).

Trotz hoher Belastungen scheint es für viele Menschen mit Migrationserfahrung

Gründe zu geben, vorsorgende Maßnahmen weniger in Anspruch zu nehmen.

Gleichzeitig scheint es auf Seiten der Einrichtungen und ihrer pädagogischen

Fachkräfte Schwachstellen bei der Interaktion mit MigrantInnen zu geben.

Gaitanides hat im Laufe verschiedener Forschungen mehrere Möglichkeiten für

Zugangsbarrieren auf beiden Seiten zusammengestellt (vgl. ebd.).

37

So nennt er auf Seiten der potentiellen Nutzer unter anderem

Informationsdefizite und sprachliche Verständigungsschwierigkeiten als ein

Hindernis. Unter dem Punkt 3.2 wurde dieser Aspekt bereits angesprochen.

Des Weiteren könnte auf Seiten von MigrantInnen davon ausgegangen werden,

es bestünden ihnen gegenüber Vorurteile und ein Mangel an Akzeptanz

bezüglich ihrer Denk- und Handlungsweisen. Auch bestimmte Arbeitsweisen

und Beratungsansätze der Fachkräfte spielen möglicherweise eine Rolle. Hier

könnten geringe Erwartungen hinsichtlich einer lebenspraktischen Hilfe

bestehen, bzw. von Inkompetenz oder mangelndem Engagement der

BeraterInnen ausgegangen werden, wenn sich die Vorstellungen von Hilfe

unterscheiden. Schließlich kann auch eine generelle Angst vor Behörden und

Institutionen, einschließlich der Angst vor ausländerrechtlichen Folgen, den

Zugang erschweren (vgl. Gaitanides 2006, S.225).

Wichtig bei der Frage nach möglichen Barrieren ist, dass keine Fixierung auf

Zugangsprobleme von MigrantInnen stattfindet, sondern auch auf mögliche

ausgrenzende Einstellungen und Verhaltensmuster der Fachkräfte und des

institutionellen Rahmens geachtet wird. Denn „Nicht-Inanspruchnahme oder

geringerer Erfolg der Hilfeleistung sind immer auch das Ergebnis eines

Interaktionsprozesses“ (ebd., S.226).

Auf Seiten der MitarbeiterInnen kann es unter anderem vorkommen, dass

kulturelle Unterschiede überbetont und verallgemeinert und damit die

Individualität der KlientInnen verkannt wird. Möglich ist auch, dass

Kompetenzverlustängste bestehen und dadurch, mehr oder weniger bewusst,

eine Zusammenarbeit abgewehrt wird. Das kann auf der Annahme gründen,

dass im Umgang mit Migranten die erworbenen Qualifikationen entwertet

werden und dass die erlernten Methoden nicht funktionieren (vgl. ebd.).

In den durchgeführten Interviews wurden keine konkreten Barrieren oder

Schwierigkeiten in der Zusammenarbeit thematisiert.

38

Im Gespräch mit dem Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe wurde allerdings

folgender Punkt angeführt: „Wo’s manchmal vielleicht ein bisschen

problematisch wird ist, wenn unsre Kolleginnen auf ´ne Familie treffen, die also

noch sehr äh hierarchisch strukturiert ist, ähm männerdominiert ja. Und dann

sitzt auf einmal ne Sozialpädagogin da und will sagen was richtig und falsch ist.

Aber ich mein das sind ja auch keine Berufsanfängerinnen und von daher. Aber

das mag gelegentlich ein Problem sein. […] Es existiert eigentlich weniger

gegenüber den Klienten direkt, als wenn die mit ihren Familien kommen und da

sitzt dann das Familienoberhaupt, der eindeutig das Sagen hat und äh dann ist

halt schon die Frage, wie ernst nimmt er das, was die Kollegin sagt“ (Interview

2, Z.186-201).

Hier wird eine mögliche Problemsituation angedeutet. Es wird eine

Migrantenfamilie aus einem traditionellen Milieu skizziert, bei welcher unter

Umständen Vorbehalte seitens des Vaters gegenüber weiblichen Fachkräften

bestehen, da eine bestimmte Vorstellung von Geschlechterrollen vorhanden ist.

So könnte sich während der Beratungssituation die Zusammenarbeit mit dem

Jugendlichen in Anwesenheit von Familienmitgliedern schwieriger gestalten.

Im Umgang mit unterschiedlichen KlientInnen wird allerdings auch immer

wieder auf Erfahrungswissen zurückgegriffen, da man bestimmte Muster in

verschiedenen Familien, beispielsweise türkischer oder marokkanischer

Herkunft, erneut antrifft (vgl. Interview, Z.215-217).

Hier ist zum einen wichtig, ein Verständnis vom jeweiligen kulturellen

Hintergrund zu haben, jedoch nicht jedes Verhaltensmuster unreflektiert darauf

zu übertragen.

In den Gesprächen wurde zur Sprache gebracht, dass es notwendig ist, sich

immer wieder auf neue Situationen und auf unterschiedliche Arten von

Personen offen einzulassen.

„Wenn es jetzt darum geht, Zugänge zu Jugendlichen zu bekommen, spielt es

keine Rolle was derjenige oder du bist. Sondern wie sind die Personen, die

aufeinander treffen, und daraus erschließen sich vielleicht Barrieren oder

Schwierigkeiten“ (Interview 1, Z.434-440).

39

„Aber wenn du natürlich nicht weißt, mit was für ´nem Publikum du arbeitest und

die dementsprechende Offenheit nicht mitbringst, kann das durchaus zu

Konflikten oder auch Schwierigkeiten führen“ (Interview 1, Z.434-440).

Es wird angedeutet, dass weniger Schwierigkeiten oder Zugangsprobleme

aufgrund kultureller Unterschiede existieren, die sich erschwerend auf die Arbeit

mit den Jugendlichen auswirken. Stattdessen spielt der generelle

zwischenmenschliche Umgang und die persönliche Einstellung und

Herangehensweise der Fachkräfte eine entscheidende Rolle.

5.2 Konzepte und Handlungsansätze

Wenn von Handlungsansätzen in Bezug auf die Arbeit mit MigrantInnen die

Rede ist, fallen schnell Schlagworte wie ‚interkulturelle Kompetenz‘,

‚interkulturelle Öffnung‘, ‚kulturelle Vielfalt und Differenz‘ oder

‚Migrationssensibilität‘. Teilweise könnte der Eindruck gewonnen werden, dass

die Vielzahl an Begrifflichkeiten immer unübersichtlicher wird. Gleichzeitig stellt

sich mehr denn je die Frage, was die Begriffe eigentlich implizieren und was

das für die Praxis der Arbeit bedeutet.

Die Reaktionen der Sozialen Arbeit sind von den wechselnden Formen der

Migration und den damit verbundenen Problemlagen bestimmt. Seit den 1950er

Jahren sind Konzepte, je nach Phasen der Migration und den politischen

Reaktionen, immer wieder verändert und weiterentwickelt worden. Ein

bedeutsamer Paradigmenwechsel hat Ende der 80er Jahre von der

sogenannten Ausländersozialarbeit zur interkulturellen Sozialen Arbeit

stattgefunden (vgl. Hamburger 2006, S.179; Yildiz 2011, S.32).

Eine grundlegende These dafür besagt, dass multikulturelles Zusammenleben

in einem Einwanderungsland wie Deutschland gesamtgesellschaftliche

Lernprozesse auslöst. Auf Seiten der MigrantInnen und auf Seiten der

deutschen Gesellschaft sollen in der Interaktion sowohl das eigene als auch

das fremde Handeln wahrgenommen und persönliche Standpunkte hinterfragt

werden. Dies schließt einen einseitigen Lern- und Veränderungsprozess auf

Seiten der Migrierten aus. Im Zuge dessen gewinnen auch landeskundliche,

fremdsprachliche und sozialkommunikative Fähigkeiten –oder kurz:

interkulturelle Kompetenzen- für Fachkräfte immer mehr an Bedeutung (vgl.

Yildiz 2011, S.38f.).

40

Dazu gehören besonders Interaktionsfähigkeiten durch das Aneignen von

Empathie, Toleranz, Offenheit, Kooperations-und Konfliktfähigkeit sowie

Selbstreflexion. Kulturelle Vielfalt soll nicht nur toleriert, sondern auch als

Bereicherung angesehen und genutzt werden (vgl. Yildiz 2011, S.38f.).

Inzwischen gibt es erweiterte Konzepte und kritische Weiterentwicklungen

innerhalb der interkulturellen Sozialen Arbeit. Von verschiedenen Seiten wird

am interkulturellen Ansatz unter anderem kritisiert, dass einerseits eine

Überladung mit vielen unterschiedlichen Gesichtspunkten vorherrscht und

andererseits die Differenzen und die Kulturfrage zu stark betont werden.

Hamburger spricht davon, dass „die einfachere Lösung, dass helfende

Interaktionen durch Freundlichkeit und persönliches Interesse am Wohlergehen

des Anderen hinreichend gesichert in Gang kommen können, […] hinter einem

Dickicht von abstrakten Kulturalisierungen unter[gehen]“ (Hamburger 2006,

S.182).

Es ist von „Reflexiver Interkulturalität“ (Hamburger 1999 zit. in Nick 2006,

S.242) die Rede. Soziale Arbeit in der Migrationsgesellschaft soll nicht

unreflektiert hinsichtlich kultureller Deutungen und Zuschreibungen stattfinden.

In dem Zusammenhang ist es notwendig, die eigene gesellschaftliche und

kulturelle Prägung miteinzubeziehen (vgl. Nick 2006, S.242; Yildiz 2011, S.40f.).

„[…] dadurch, dass Soziale Arbeit von, ich sag mal Menschen ausgeübt wird,

die natürlich dem Einfluss von allen möglichen Faktoren auch ausgesetzt sind,

steht natürlich Soziale Arbeit immer in direktem Einfluss auch von

gesellschaftlichen Meinungen. Ich denk, professionell ist dann zu gucken, was

ist das was ich da gerade denke. Also ist das tatsächlich fachlich oder ist das

gerade meine eigene, also sind das meine eigenen Vorurteile“ (Interview 3, Z.

95-101).

Wichtig ist an dieser Stelle sowohl die eigene Reflexion der Arbeit, sowie der

kollegiale Austausch. Es erfordert ein genaues Hinschauen, um

unterschiedliche Dimensionen von Problemlagen zu erkennen und

nachvollziehen zu können (vgl. u.a. Interview 1, Z.506-514; 536-543; Interview

2, Z.237-241; 367-371).

41

Eigene und bestehende Handlungsweisen der Einrichtung müssen immer

wieder neu durchleuchtet und konfrontiert werden. Das Prinzip der Offenheit

und ein authentisches Interesse an seinem Gegenüber als Schlüssel für eine

erfolgreiche Interaktion zwischen pädagogischen Fachkräften und den

Jugendlichen, werden mehrfach thematisiert. Um nicht voreiligen, falschen

Interpretationen und Stereotypisierungen zu unterliegen, ist bei

nichtverständlichen Aussagen und Handlungen der jugendlichen KlientInnen

oder fehlender Kenntnis auf Seiten der SozialpädagogInnen über bestimmte,

vielleicht kulturelle Zusammenhänge, genaues Nachfragen angebracht (vgl. u.a.

Interview 1, Z.506-514; 536-543; Interview 2, Z.237-241; 367-371).

Die persönliche Sichtweise und die Haltung der Fachkräfte spielen eine

wichtige Rolle. Dazu zählt Respekt, zum Beispiel auch vor (kulturell)

unverständlichen Handlungsweisen, Empathiefähigkeit, die mit Authentizität

korrespondiert, sowie das Bemühen um eine unvoreingenommene

Herangehensweise. Auch Konfliktfähigkeit stellt eine wichtige Fähigkeit dar, die

bestehende Probleme nicht aus Angst vor Missverständnissen oder Verletzung

kultureller Besonderheiten tabuisiert (vgl. Freise 2011, S.194ff.).

In vielen Situationen wird auf das eigene Erfahrungswissen aus langjähriger

Arbeit zurückgegriffen. „Wir haben ja seit 25 Jahren mit Migrantenjugendlichen

zu tun. Also man eignet sich im Laufe der Zeit doch so einen gewissen Fundus,

so ein Backgroundwissen an“ (Interview 2, Z.158-160).

Gleichzeitig braucht es hier allerdings das Bewusstsein, dass kein Mensch frei

von bestimmten Vorstellungen und ‚Schubladendenken‘ ist, gerade auch bei

langer Praxiserfahrung. Durch das Eingestehen von bestehenden Denkweisen

kann verhindert werden, dass verdeckte klischeehafte Zuschreibungen und

damit auch unterschwellige Ausgrenzungspraktiken, welche das Gegenüber als

‚anders‘ oder als ‚nichtdeutsch‘ definieren, die Zusammenarbeit erschweren

(vgl. Interview 2, Z.338f.; Gaitanides 2006, S.228; Melter 2009, S.108).

Ebenso bestehen immer auch mehr oder weniger Sympathien gegenüber

unterschiedlichen Klienten, die Einfluss auf Handlungsweisen haben können.

Deshalb ist hier auch ein reflektierter Umgang damit erforderlich (vgl. Interview

1, Z.448-456).

42

Wie Auernheimer anmerkt, ist es eine „Gratwanderung zwischen Ethnisierung

und Differenzblindheit“ (Auernheimer 2006, S.198).

Pädagogische Fachkräfte können Gefahr laufen, ihr Klientel entweder durch

Stereotypisierung oder aber durch Blindheit und Nichtbeachtung von

bedeutenden kulturellen Besonderheiten zu verärgern (vgl. Auernheimer 2006,

S.198).

Daher ist die Reflexion eigener Fremdbilder und die Sensibilisierung für die

Situation und die Reaktionen von Personen, die eventuell

Diskriminierungserfahrungen gemacht haben, in der Praxis Sozialer Arbeit

notwendig. SozialpädagogInnen und SozialarbeiterInnen sollten sich darüber

bewusst werden oder bewusst sein, dass benachteiligende und teilweise

rassistische Strukturen und Traditionen ihr eigenes Denken, und somit ihre

Sichtweisen nicht unbeeinflusst lassen. Dies meint jedoch nicht, ständig mit

einem Schuldgefühl zu handeln (vgl. ebd., S.200).

Die Herausforderung besteht darin, eine bestimmte Ambivalenz nicht auflösen

zu können. Dies drückt sich in einem Zitat von Pat Parker aus: „Wenn Du mit

mir sprichst, vergiss, dass ich eine Schwarze bin. Und vergiss nie, dass ich eine

Schwarze bin“ (zit. in: Gemende et al. 2007, S.17).

Eine ‚migrationssensible Haltung‘ und damit auch eine Rücksichtnahme auf

bestimmte kulturelle Besonderheiten sollten wie selbstverständlich in einer

Arbeitsweise enthalten sein, die am einzelnen Jugendlichen und seiner

Lebenswelt orientiert stattfindet und dessen Interessen vertritt.

Diese Achtung des kulturellen Hintergrunds kann ganz praktische

Auswirkungen haben, indem beispielsweise auf das Essensangebot geachtet

beziehungsweise erfragt wird, welche Gewohnheiten bestehen (vgl. Interview 2,

Z.225-231).

43

5.3 Integration und Teilhabe

Immer wieder wird die Integration von MigrantInnen in die deutsche

Gesellschaft sehr kontrovers diskutiert. Gerade in der Sozialen Arbeit mit ihrer

Aufgabe der sozialen Integration von Menschen in die Gesellschaft ist dies ein

Dauerthema. Es existieren verschiedene Konzepte darüber, was Integration

beinhaltet, wie sie gestaltet werden soll und welche Ziele dieser Prozess

konkret verfolgt.

Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu überschreiten, können die

unterschiedlichen Dimensionen und Formen von Integration an dieser Stelle

nicht diskutiert werden. Der Integrationsprozess von Menschen mit

Migrationshintergrund soll hier primär als Möglichkeit zur Teilhabe am

gesellschaftlichen Leben betrachtet werden. Gleichzeitig impliziert Integration in

diesem Sinn keine völlige Anpassung an die Mehrheitsgesellschaft und somit

keine Aufgabe der eigenen kulturellen Identität: „Und ob der dabei in die

Moschee geht oder in die Synagoge, das ist dann relativ unwichtig. Also ich

denk man muss schon gucken, dass man Räume lässt, in denen die Menschen

auch noch die sein können und dürfen, die sie sind. Und trotzdem die

Möglichkeit haben, an dem was die Gesamtgesellschaft für wichtig erachtet,

auch teilhaben zu können“ (Interview 3, Z. 71-75).

Im Hinblick auf die Beteiligung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben,

müssen die Voraussetzungen in den verschiedenen gesellschaftlichen

Bereichen, wie etwa Bildung, Arbeit, Politik oder Freizeit betrachtet werden (vgl.

Geisen/Riegel 2009, S.9).

Ein wichtiger Faktor ist der Zugang zum Bildungs- und Ausbildungsbereich.

Doch wie schon unter 3.1 und 3.3 erörtert wurde, sind junge MigrantInnen

gerade hier Benachteiligungen ausgesetzt und werden zudem mit

Zuschreibungserfahrungen konfrontiert.

Ihre Zugänge soziale und gesellschaftliche Teilhabe zu erlangen, sind also

eingeschränkt. Es ist eine widersprüchliche Situation: Jugendlichen mit

Migrationshintergrund werden Zugänge verwehrt und sie werden häufig als

‚anders‘ betrachtet und ausgegrenzt. Gleichzeitig werden aber auch

Integrationsanforderungen gestellt (vgl. Geisen/Riegel 2009, S.8).

44

Sicherlich kann eine Gesellschaft den Anspruch haben, dass Menschen

bestimmte Kenntnisse erwerben und sich fördern lassen, beispielsweise beim

Erlernen der Sprache. Dies ist auch wichtig und unumgänglich, um am

gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Die Frage ist aber, inwieweit das von

der Seite der Mehrheitsgesellschaft ermöglicht wird und welche Chancen sie

dazu überhaupt gibt (vgl. Geisen/Riegel 2009, S.9f.; Interview 1, Z.155-163;

Interview 2, Z.65-71).

Gerade bei den Zugängen zu Bildung, Arbeitsmarkt, aber auch freier

Wohnungswahl besteht hier nach wie vor großer Verbesserungsbedarf.

Integration kann keine einseitige Angelegenheit sein. Sie ist immer auch von

der Anerkennung und Aufgeschlossenheit der Mehrheitsgesellschaft abhängig.

Wenn über eine mangelnde Integrationsbereitschaft von jugendlichen

MigrantInnen diskutiert wird, muss gleichzeitig berücksichtigt werden, dass

Teile der Gesellschaft dieser Teilhabe mit einer ablehnenden Haltung

gegenüberstehen (vgl. Geisen/Riegel 2009, S.9f.; Interview 1, Z.155-163;

Interview 2, Z.65-71).

Die Integration von jugendlichen MigrantInnen in die Gesellschaft hat zum einen

also die soziale und gesellschaftliche Teilhabe als Voraussetzung, zum anderen

erschließt sich durch Integration wiederum Teilhabe an verschiedenen

gesellschaftlichen Lebensbereichen (vgl. Geisen/Riegel 2009 S.9f.).

In der aktuellen Debatte geht es auch immer mehr in Richtung ‚Inklusion‘:

„[…] Vielfalt, dass jeder sozusagen so sein darf wie er ist. Und trotzdem an den

wichtigsten Dingen des Lebens partizipiert“ (Interview 3, Z.59-61).

Wenn Inklusion sich auf Menschen bezieht, die in irgendeiner Form

benachteiligt sind, sei es aufgrund von Herkunft, Behinderung, Alter oder

anderen Gründen, ist Soziale Arbeit auch immer an diesem Prozess beteiligt,

arbeitet demnach inklusiv.

Da dies momentan ein wichtiges gesellschaftliches Thema ist, muss sich

Soziale Arbeit verstärkt damit auseinandersetzen und Position beziehen (vgl.

Interview 1, Z.289-301; Interview 3, Z.56-59).

45

6. Reflexion des Forschungsprozesses und Ausblick

Im Hinblick auf die gewonnen Erkenntnisse der empirischen Untersuchung,

erwies sich die Kombination aus problemzentriertem Interview und dem

Auswertungsverfahren der qualitativen Inhaltsanalyse als sinnvoll.

Da sich für das vorliegende Forschungsmodell die Auswertungsmethode relativ

aufwendig gestaltet, sollte bei einer ähnlichen Arbeit zukünftig in Erwägung

gezogen werden, die Methode besser anzupassen, indem beispielsweise

einzelne Verfahrensschritte reduziert werden.

Der selbst konzipierte Leitfaden ermöglichte eine gute Orientierung während

des Interviews. Das Gespräch konnte dabei in Richtung der Fragestellung

weitgehend gelenkt werden, ohne dabei zu viele Vorgaben über den genauen

Verlauf des Interviews zu geben. Durch diese offene Form der

Gesprächsführung fielen die Antworten der Befragten sehr umfangreich aus

und es ließen sich anschließend die jeweiligen subjektiven Vorstellungen und

Sichtweisen gut herausfiltern.

Durch spezifisches Nachfragen während des Interviews wurde versucht,

genauere Informationen zu einzelnen Gesichtspunkten zu erhalten, auf welche

ansonsten nicht näher eingegangen worden wäre. Für eine vergleichbare Arbeit

würde es sich zukünftig anbieten, die Frage zu Kennzeichen der Arbeit mit der

vorliegenden Zielgruppe und bestehenden Handlungsansätzen präziser zu

stellen und an weiteren Stellen im Gespräch genauer nachzuhaken.

An dieser Stelle könnte beispielsweise auch in Erfahrung gebracht werden, ob

das Team multiethnisch zusammengesetzt ist und wie sich dies auf die

Arbeitsweise der MitarbeiterInnen auswirkt.

In Bezug auf Konzepte und Handlungsansätze wurden keine Konzepte oder

Methoden genannt, die sich speziell auf die Arbeit mit jugendlichen

MigrantInnen beziehen.

Bestehende Konzeptionen sind auf die generelle Arbeit mit Jugendlichen als

Zielgruppe ausgerichtet und implizieren beispielsweise Beziehungsarbeit (bei

der Jugendgerichtshilfe).

Von den drei befragten Fachkräften erwähnte die Sozialarbeiterin des

Jugendzentrums ihren eigenen, türkischen Migrationshintergrund.

46

Auf die Frage nach möglichen Barrieren oder Schwierigkeiten in der Arbeit mit

der Zielgruppe, reagierte sie sichtlich verblüfft und verneinte dies umgehend.

Anschließend kam sie auf die eigene Haltung zu sprechen, die im Umgang mit

dem Klientel unter anderem Respekt, Offenheit und Authentizität erfordert.Sie

merkte an, dass gerade zwischenmenschliche Sympathien und Antipathien eine

erfolgreiche Zusammenarbeit erschweren oder sogar verhindern können, wenn

diese unreflektiert bestehen bleiben. Der Mitarbeiter der Jugendgerichtshilfe

sprach als Einziger kulturell bedingt andere Norm- und Wertvorstellungen an;

sowohl als eine mögliche Ursache von Benachteiligung, als auch einer

möglichen Schwierigkeit in der Zusammenarbeit mit den Familien der

jugendlichen KlientInnen.

In allen Gesprächen wurde die Haltung, also die (innere) Einstellung der

Fachkräfte gegenüber dem jeweiligen Klientel, als Kompetenz thematisiert. Es

ist davon auszugehen, dass diese Haltungskompetenz, die unter anderem

Fähigkeiten wie Respekt, Empathie, Konfliktfähigkeit und

Unvoreingenommenheit beinhaltet, einen bedeutenden Stellenwert in der

interkulturellen Arbeit mit Menschen mit und ohne Migrationshintergrund hat

(vgl. Freise 2011, S.193).

Die Auswahl der drei Einrichtungen mit unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten

ermöglicht einen interessanten Überblick über die Arbeit mit jungen

MigrantInnen unter verschiedenen Gesichtspunkten. Die verschiedenen

Kontexte und somit auch differenzierte Kernpunkte der Arbeit tragen zu einer

übergeordneten Perspektive im Rahmen von Sozialer Arbeit bei. Eine ähnliche

Schwerpunktsetzung wäre somit auch in ähnlichen Forschungsarbeiten

denkbar.

Mögliche Erweiterung des Forschungsprozesses

Die einzelnen Arbeitsfelder könnten in einem weiterführenden Schritt explizit

miteinander verglichen werden, um zu weiteren Erkenntnissen zu gelangen.

Denkbar wäre beispielsweise, genauer zu untersuchen, inwiefern der

vorgegebene Rahmen der jeweiligen Einrichtung Einfluss auf die Arbeitsweisen

der MitarbeiterInnen hat.

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Interessant wäre außerdem, weitere Arbeitsbereiche wie Beratungsstellen oder

Schulsozialarbeit miteinzubeziehen. Im Rahmen einer weiterführenden

Forschungsarbeit könnte ebenso der Fokus auf ein bestimmtes Arbeitsfeld

gelegt und beispielsweise verschiedene Jugendzentren untersucht und

miteinander verglichen werden.

Die Bedeutung unterschiedlicher Herkunftsfamilien und ihre Rolle für die

Sozialisation der Jugendlichen wurden im Kontext dieser Arbeit ausgeklammert.

Ebenso wurde während der Untersuchung der Aspekt von Gender nicht

berücksichtigt, um den Rahmen der Arbeit nicht zu überschreiten.

So könnte ein weiteres Forschungsinteresse dahingehend konkretisiert werden,

dass speziell die Arbeit mit männlichen beziehungsweise weiblichen

Jugendlichen mit Migrationshintergrund betrachtet wird. Auch die Betrachtung

einer bestimmten Herkunftsgruppe, wie Jugendliche mit russischem oder

marokkanischem Hintergrund wäre denkbar.

48

Fazit

Ziel der empirischen Untersuchung war es herauszufinden, welche Sichtweisen

über junge MigrantInnen bei pädagogischen Fachkräften vorherrschen.

Genauer untersucht werden sollte, worin sie Gründe für Benachteiligung dieser

Zielgruppe sehen, wie sich die Arbeit mit ihnen gestaltet und welchen Einfluss

gesellschaftliche Vorstellungen haben.

Zunächst wurde verdeutlicht, dass die Gruppe der MigrantInnen alles andere

als homogen ist und daher nicht als homogene Gruppe zusammengefasst und

in eine ‚Kulturschublade‘ gesteckt werden kann. Folglich gestaltet es sich

schwierig, verallgemeinernde Ursachen für Chancenungleichheit und soziale

Benachteiligung festzuschreiben.

Aus der Analyse der Lebenssituation der Jugendlichen konnte herausgearbeitet

werden, dass Zusammenhänge zwischen sozialer Herkunft und schlechten

Bildungs-, Arbeits- und Zukunftschancen bestehen. Davon sind MigrantInnen

überdurchschnittlich häufig betroffen.

Des Weiteren ließ sich feststellen, dass in weiten Teilen der Öffentlichkeit

bestimmte Ansichten und Vorurteile über junge MigrantInnen existieren, die

stigmatisierend und diskriminierend für die Betroffenen wirken können. Damit

einhergehend werden häufig die kulturelle Differenz und ethnische

Besonderheiten ins Zentrum der Betrachtung gerückt. Diese dienen teilweise

als Erklärungsansätze im Bereich der Jugendkriminalität und –gewalt. Gerade

straffällig gewordene Jugendliche mit Migrationshintergrund wird eine große

öffentliche Aufmerksamkeit zuteil. Mediale Darstellungen über betroffene

Personen und Gruppen beeinflussen diese nicht zuletzt. Auch in

wiederkehrenden politischen Debatten findet ein umstrittener Umgang mit dem

Thema Jugendkriminalität und Migration statt.

Soziale Arbeit steht immer auch unter dem Einfluss gesellschaftlicher

Denkweisen über die Zielgruppe. Die Arbeit kann durch einen überbetonten

Blick auf kulturelle Hintergründe und Unterschiede erschwert werden.

49

Barrieren können nicht nur auf Seiten von KlientInnen mit

Migrationshintergrund, sondern ebenso auf Seiten der pädagogischen

Fachkräfte ohne Migrationshintergrund bestehen.

Konkrete Barrieren und Schwierigkeiten in der Arbeit mit Jugendlichen aufgrund

des Migrationshintergrunds wurden von den befragten MitarbeiterInnen nicht

genannt. Auch wurden keine speziellen Konzepte oder Handlungsansätze in

Bezug auf die Arbeit mit der Zielgruppe thematisiert.

Dennoch ist davon auszugehen, dass die Vielfalt an verschiedenen KlientInnen

eine Herausforderung für die Soziale Arbeit in der Einwanderungsgesellschaft

darstellt. Durch neue gesellschaftliche Entwicklungen und Veränderungen

werden neue Sichtweisen auf Verschiedenheit und Vielfalt, sowie Perspektiven

für den Umgang damit benötigt. Die persönliche Sichtweise und die Haltung der

Fachkräfte spielen hierbei eine wichtige Rolle.

Die persönliche Einstellung und die genannten Fähigkeiten, wie Offenheit,

Empathie- und Konfliktfähigkeit, beschränken sich natürlich nicht nur auf die

Begegnung und die Interaktion mit MigrantInnen. Gerade bei der Vielzahl an

Lebensentwürfen, unterschiedlichen Milieus und kulturellen Hintergründen, die

sich in einer Einwanderungsgesellschaft wie in Deutschland noch vielfältiger

gestalten, stellen diese Fähigkeiten allerdings eine wichtige Arbeitsgrundlage

dar. Ob von ‚interkultureller Kompetenz‘ oder ähnlichen Begrifflichkeiten die

Rede sein muss, sei dahingestellt. Gerade weil es keine eindeutige Definition

dieses Begriffs gibt und er oftmals inflationär benutzt wird, gestaltet es sich

schwierig, seine Bedeutung für die Praxis Sozialer Arbeit zu erfassen. Es ist

davon auszugehen, dass in weiten Teilen der deutschen Öffentlichkeit

‚interkulturell‘ ausschließlich auf andere Nationalitäten bezogen wird und nicht –

wie in manchen Definitionen angedacht- ebenso die ‚deutsche‘ Kultur impliziert.

Wird von einem lebensweltorientierten Handlungsansatz ausgegangen, sollte

dieser ohne weiteres eine Sensibilität für Migration und Kultur beinhalten.

Das eigene pädagogische Handeln dabei genauer zu betrachten und individuell

nach Ursachen, Erklärungen und Lösungen für bestimmte Probleme oder

Handlungsweisen zu forschen, stellt dabei eine Notwendigkeit dar.

50

In der empirischen Untersuchung zeichnet sich eine gewisse Einstimmigkeit

darüber ab, dass in der Arbeit mit Jugendlichen das Ziel besteht alle gleich zu

behandeln und keinen Fokus auf die Herkunft, sondern auf den jeweiligen

Jugendlichen mit seinen Besonderheiten zu richten. Unter dem Druck in der

täglichen Arbeit professionell agieren zu wollen, ist es allerdings denkbar, dass

gerade dann Tendenzen bestehen, klischeehafte und kulturelle Zuschreibungen

zu benutzen. Die eigenen Denkweisen, die –auch unbewusst- immer vom

eigenen kulturellen Hintergrund geprägt sind und bestimmte Vorurteile

implizieren, haben Einfluss auf die Gestaltung der Arbeit mit dem Klientel.

In der Interaktion mit der Zielgruppe braucht es daher ein Bewusstsein der

MitarbeiterInnen sozialpädagogischer Einrichtungen für die eigenen (kulturellen)

Prägungen und verinnerlichten Vorstellungen und Sichtweisen, sowie eine

reflektierte Auseinandersetzung damit. In diesem Kontext sollte auch unbedingt

Supervision stattfinden.

Durch das Wegkommen von einer ‚kulturellen Fixierung’ kann soziale und

gesellschaftliche Teilhabe für (jugendliche) MigrantInnen erleichtert werden.

Denn Integration ist auch immer von der Aufgeschlossenheit der

Mehrheitsgesellschaft abhängig.

Seit dem Jahr 2005 und dem neuen Zuwanderungsgesetz ist Deutschland von

staatlicher Seite offiziell als Einwanderungsland anerkannt. Dies bedeutet für

die Soziale Arbeit weiterhin zu reagieren, neue Wege und Handlungsansätze im

Rahmen der Migrationsgesellschaft zu gehen und Konzepte und Ansätze in der

Fachwelt zu diskutieren. Es ist davon auszugehen und zu hoffen, dass dies in

den nächsten Jahren weiterhin stattfinden wird.

Im Rahmen des Studiums der Sozialen Arbeit, in der eigenen Position als

angehender Berufsanfänger, aber auch für pädagogische Fachkräfte mit langer

Berufserfahrung, ist die Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex

Migration und persönliche Sichtweisen bedeutsam. Denn die Arbeit mit

MigrantInnen ist nicht auf einen bestimmten Bereich beschränkt, sondern findet

sich prinzipiell in allen Arbeitsfeldern wieder. Daher stellt sie neben der

51

Orientierung an der jeweiligen Zielgruppe eine wichtige Querschnittsaufgabe

Sozialer Arbeit dar.

52

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57

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Schulabschlüsse im Vergleich (S.17)

nach Arnold/Maier 2010, S.16.

58

Anhang

Transkriptionsregeln

Zeichen im Transkript Erklärung

<Name> Anonymisierung

(30s) Besonders lange Pause ab ca. 1 Sekunde mit Angabe der genauen Dauer

[Telefon klingelt] vom Interview unabhängige Ereignisse

((lacht)) nonverbales Verhalten

A: Text Text [Textüberschneidung. B: Textüberschneidung] Text Text.

Kennzeichnung von besonders deutlichen Überschneidungen bei gleichzeitigem Sprechen

Mhm Bejahung

BEISPIEL Betonung

[…] Teil nicht transkribiert, da nicht relevant

59

Transkript zu Interview 1

Leitgedanke: Welche Sichtweisen gegenüber benachteiligten jugendlichen

Migranten bestehen bei SozialpädagogInnen unterschiedlicher Einrichtungen?

5

Abkürzungen: I= Interviewerin, B1= Befragte 1

I: Jetzt würde mich erst mal interessieren: Inwieweit sind Ihrer Meinung nach

viele Jugendliche mit Migrationshintergrund benachteiligt und worin sehen Sie 10

die Ursache dafür? 00:00:27-2

B1: Huh ((lacht)) 00:00:29-8

I: Erstmal überlegen ((lacht)) 00:00:29-6 15

B1: Ja. Also mit den Jugendlichen, mit denen WIR arbeiten ist ähm (2s) und

das ist auch in unterschiedlichem Rahmen in Form von Bildungsangeboten, wie

jetzt mit EIBE-Schulklassen. Das ist ein Lehrgang zur Eingliederung in die

Berufs- und Arbeitswelt, also der findet an ner berufsbildenden Schule statt und 20

da haben die Schüler und Schülerinnen die Möglichkeit ihren

Hauptschulabschluss zu absolvieren, den sie aus welchen Gründen auch

immer in der Schule zuvor nicht geschafft haben. 00:01:14-0

I: Ja 00:01:15-2 25

B1: Ähm (1s) da würd ich jetzt in diesem Rahmen. Andrerseits, es kommt

immer drauf an, wie lang sind die Jugendlichen hier. Wir haben da jetzt

unterschiedliche Schüler auch in den Klassen. Also wir haben eine Klasse nur

mit Sprachanfängern, das heißt die sind nach Deutschland geflüchtet, 30

immigriert und als Asylanten hier in Deutschland, da ist natürlich klar erst mal

die Sprache die Schwierigkeit dass sie überhaupt Zugänge bekommen oder so

ja, weils einfach diese Sprachbarriere gibt und da find ich diese Möglichkeit in

dieser EIBE-Klasse Fuß zu fassen überhaupt ne gute Chance, weil sie

60

anderswo in kein Bildungssystem, also in keine Schule aufgenommen werden 35

würden und auch keine großen Ansprüche haben ja. 00:02:19-1

I: Mhm 00:02:19-1

B1: Also es ist natürlich erstens Mal die Sprache, dann vielleicht auch bei 40

Schülern die länger da sind auch die Sprache der Eltern, also die

Sprachkenntnisse der Eltern. Hm ich find es schwer zu verallgemeinern ja. Also

ich denk mir es gibt immer unterschiedliche Gründe, das ist einmal die Sprache

der Jugendlichen selbst, der Eltern, dann auch was für finanzielle Mittel zur

Verfügung stehen der Familie. Aber das ist ja nicht nur bei Migranten so, das ist 45

ja bei allen Menschen so, also je nach Einkommen und Möglichkeiten zum

Bildungssystem oder zu kulturellen Zugängen und ähm entscheidet ja auch so

bisschen die Entwicklung, ja. Und kann ich mein Kind in nem Verein anmelden,

in nem Fußballverein oder eben nicht als Beispiel jetzt, hab ich dafür die

Finanzen, kann ich mir das leisten oder ja diese ganze Vereinsgemeinschaft; 50

Tennis, zum Reiten, freiwillige Feuerwehr, keine Ahnung ja also ((lacht)) sind da

Voraussetzungen und auch überhaupt das Wissen um die Zugänge da. Hängt

ja meistens mit Geld zusammen, dann aber auch das Wissen der Eltern, hängt

wiederum auch wieder davon ab wie lange sind sie hier, wie sehr kennen sie

das Bildungssystem hier. Dementsprechend, wie stark können sie ihr Kind auch 55

in diesem Bildungssystem unterstützen und wissen welche Wege sind zu

gehen. Also, wenns dann mit der Hauptschule nicht geklappt hat, was passiert

danach oder mit der Realschule ja, wenns nicht aufs Gymnasium kann, weiß

ich, dass es sowas wie Fachabitur gibt oder Abendrealschule und also

überhaupt diese Informationen über das Bildungssystem. Und ich glaub einfach 60

in vielen Sachen, das bekomm ich so in Form von der Bürgerberatung mit, die

hier gerade gegenüber ist. So Unsicherheiten in Formalitäten, also wenn ich

mich an meinen eigenen Bafög-Antrag erinnere, wo ich AUCH teilweise

gedacht hab, ohje, also ich bin der Sprache mächtig ((lacht)) aber trotzdem fällt

es mir schwer. Und bei meinem ersten Bafög-Antrag hab ich mir auch Hilfe 65

geholt, weil ich nicht wusste was wollen die genau und das verunsichert ja auch

also dieses, ja und ich denk das geht auch vielen Deutschen so ((lacht))

00:05:09-9

61

I: Ja 00:05:10-2 70

B1: Und wenn ich mir dann denk, dass das eben nicht meine Muttersprache ist

und irgendwie, obs jetzt nen Widerspruch schreiben ist oder diese ganze

Behördensprache oder Amtssprache verunsichert und da möcht man dann

auch nicht gern so viel mit zu tun haben ((lacht)) und weiß auch nicht damit 75

umzugehen. Und wenns dann da gewisse Einrichtungen oder Anlaufstellen

nicht geben würde, machts auch schwierig oder hat auch bestimmte

Konsequenzen ja. 00:05:57-3

I: Ja 00:05:57-3 80

B1: Wenn ich meinen Bafög-Antrag nicht ausgefüllt hätte, wenn ich mich der

Situation nicht gestellt hätte, hätte ich das Geld halt einfach nicht gekriegt. Das

hätte für mich bedeutet, ich hätte nicht studieren können ja. Und letztens saß

ich da mit nem Jugendlichen, den ich früher aus den Cafézeiten kannte, der so 85

Schritt für Schritt seinen Weg gegangen ist, erst Hauptschule, dann Realschule,

jetzt Fachabitur und jetzt will er studieren. Jetzt saß er letztens da mit mir mit

nem Bafög-Antrag und ich kam wieder in dieses "Oh Gott" und jetzt hab ich mir

gedacht, ich hab schon einige ausgefüllt. Wie muss es dem armen Kerl gehen

ja. Und das sind einfach so Sachen wo ich mir denk, das macht auch den einen 90

oder anderen Zugang schwierig einfach ja. 00:06:52-4

I: Ja 00:06:52-4

B1: Ja wie gesagt, ich finds immer sehr schwierig zu pauschalisieren oder von 95

wo komm ich auch ja. Also aus welchem Stadtteil oder leb ich, bin ich

aufgewachsen. Was weiß ich, vielleicht in B-Stadtviertel oder K-Stadtteil oder E-

Stadtviertel, wo jetzt nicht nur das Finanzielle und die Sprache, sondern auch

die Wohngegend vielleicht Einfluss auf meine Entwicklung haben. Weil ich

vielleicht auch andere Sachen vorgelebt bekomme, mit anderen Sachen in 100

Kontakt komme. Also ich seh da teilweise auch nen Unterschied. Wir hatten ne

Zeit lang viele Jugendliche im Café unten aus K-Stadtteil, die auch so ein

62

bisschen in Anführungsstrichen GHETTOLEBEN, diesen Stolz drauf haben, wo

ich gegenwärtig nen Jugendlichen hab, der hier aus dem M-Stadtviertel kommt

oder der vielleicht trotzdem sich mit Leidenschaft den ein oder anderen 105

Gangsterfilm anguckt oder auch Vorbilder drin sieht oder so was, aber nen

anderen Bezug dazu hat 00:08:13-4

I: Ja 00:08:13-4

110

B1: Also es gibt einen Jugendlichen, den wir früher hier im Café hatten, der

rappt jetzt so ein bisschen und kommt gerade wohl so in der Szene, sodass er

auch schon den einen oder anderen Auftritt da hat, also bekannt wird ja. Und

ich musste letztens halt einfach schmunzeln, weil der halt mit großem Stolz

dieses K-Stadtteil Ghettoleben hervorhebt, was ja seinem Rapper Image 115

entsprechen muss. Aber wo ich auch so, also das wird auch so bisschen

verherrlicht. Ich mein ich bin auch in K-Stadtteil groß geworden, ja und auch in

dieser Gegend, und habe das nie als schlimmes Ghetto empfunden oder wie

mans halt in amerikanischen Filmen mit den brennenden Mülltonnen, wo man

sagt 'Ohh, hier kommt man nicht mehr raus' oder sowas und so hab ich das nie 120

empfunden. Und das seh ich auch heute als Erwachsener nicht so und klar gibt

es dort auch immer noch Handlungsbedarf und das ist ein Stadtteil, der seine

Schwierigkeiten hat. Aber ich würds jetzt nicht so sehen, wie das teilweise

Jugendliche darstellen. 00:09:41-0

125

I: Mhm 00:09:41-0

B1: Aber es ist in ihrem Kopf ja ein festgefahrenes Bild. 00:09:46-8

I: Von den Jugendlichen? 00:09:47-1 130

B1: Ja, also egal ob das jetzt verherrlicht wird oder positiv gesehen wird oder

eben negativ. Aber es ist ja schon ein Bild, was sie von ihrem eigenen Leben

haben und ihrer eigenen Umgebung, ihrem eigenen Umfeld. Und das prägt ja

auch, dieses Bild, wo ich mir denk naja (2s) Ich sehs halt für mich persönlich 135

jeder so, jeder hat die Möglichkeit was zu tun aus seinem Leben ja. Wie geh

63

ichs halt an. Und klar kann auch jeder, wenn er weiß wo er seine Unterstützung

bekommt, Hilfe in Anspruch nehmen und gucken wie er seinen Weg gehen

kann. Also daher denk ich, das Thema Umfeld spielt halt auch einfach ne Rolle,

wo komm ich her und wie werd ich dort geprägt und was krieg ich da eben mit. 140

Das sind so die Hauptpfeiler, würd ich sagen. 00:10:49-2

I: Ja 00:10:49-2

B1: Also Umfeld, Sprache einfach der verschiedenen Generationen, 145

Bildungsmöglichkeiten, Wissen übers Bildungssystem und eben auch die

finanziellen Möglichkeiten oder Ressourcen, die zur Verfügung stehen.

00:11:07-9

I: Ja (1s). Und wenn es jetzt um diese benachteiligenden Aspekte geht, oder 150

auch Ausschließungsprozesse. Im Umkehrschluss oder was bedeutet es dann,

wenn man von einer gelungenen Integration spricht? Oder was verstehen sie

darunter, "gelungene Integration"? 00:11:24-7

B1: Hm ja. Also erstmal, Integration für mich, schon mal vorne weg, das ist nicht 155

ne einseitige Straße, ja. Klar gibt es bestimmte Voraussetzungen für jemanden,

der hierher immigriert gewünscht werden oder wo ich auch sag, das ist für mich

notwendig. Also wenn ich mir vorstelle in ein anderes Land zu gehen ist für

mich die Sprache natürlich das A und O und hängt mit vielem eben zusammen

und das die gefördert werden muss ist klar. Dass eine Gesellschaft vielleicht 160

auch den Anspruch an diese Menschen hat, dass die sich fördern lassen oder

dass diese Sprache eben erlernt werden soll find ich auch selbstverständlich.

Aber es ist immer die Frage wie, ja. 00:12:36-1

I: Hm 00:12:36-1 165

B1: Und wie ermögliche ich das jemandem, welche Chancen gebe ich

jemandem dazu. Wenn ich mir jetzt überleg als Beispiel, dass im Rahmen

dieser ganzen Integrationsdeutschkurse, die ja an sich ne schöne Sache sind,

ja ((lacht)), auch ein netter Gedanke so ((lacht)). Aber dass man dann heute 170

64

darüber diskutiert in der Politik, ob ein Asylbewerber, der jetzt schon vielleicht

jahrelang in einem Asylbewerberheim lebt, auch Anspruch auf einen

Integrationskurs hat oder man sich JETZT überlegt in der Politik, dass es doch

auch wichtig wär, dass die das lernen. Da frag ich mich, ja was habt ihr denn

die letzten Jahrzehnte über gedacht, also wie könnt ihr jetzt erst auf so ne Idee 175

kommen oder denken dass das jetzt ne Bombenerleuchtung ist, das wär für

mich was Selbstverständliches. Gerade für Menschen, die so stark auf

finanzielle Unterstützung des Staates angewiesen sind und auch gar keine

anderen Perspektiven haben, weil sie eben nicht arbeiten dürfen ja. Da wär es

doch als Gesellschaft oder auch als Staat irgendwie selbstverständlich zu 180

gucken, wie hol ich diese Menschen aus dieser Abhängigkeit raus (1s) In die

sie sich nicht selber reingesetzt haben, die sie auch nicht wünschen. Wie schaff

ich das eben die da rauszubekommen, eben dass sie selbständig werden, dass

sie die Sprache sprechen, somit arbeiten können, auf eigenen Füßen stehen ja.

Da ist die Sprache einfach das A und O. Und sich jetzt hinzustellen und zu 185

überlegen ob das ne gute Idee wär, also da schüttel ich den Kopf. Was ist das

überhaupt für ne Frage, das müsste selbstverständlich sein, ja. Also ist doch

egal ob jemand freiwillig hierher kommen will oder eben im Rahmen von nem

Asylverfahren, weil er Kriegsflüchtling ist hierher kommt, die Ansprüche sind

doch dieselben. 00:15:51-3 190

I: Mhm 00:15:51-3

B1: Die sprechen beide kein Deutsch, um hier Fuß zu fassen, wär die Sprache

natürlich wichtig. Und das sind so Sachen, die ich einfach nicht verstehe. Wie 195

so Gedanken überhaupt zustande kommen können oder wie das in den

Rahmen von Integration einfach heute noch diskutiert werden kann ja. Es

müsste Standard sein und einfach Zugänge geben, die eben barrierenlos sind,

im Sinne dass sie eben nichts kosten oder nur nen geringen Beitrag, weil du

förderst die Menschen ja langfristig. Wenn die Deutsch sprechen, haben die 200

eben die Möglichkeit zu arbeiten und sind eben dann irgendwann mal nicht

mehr finanziell abhängig vom Staat. Und das müsste ja eigentlich im Interesse

des Staates liegen denk ich mir, oder auch der Gesellschaft. 00:16:26-8

65

I:Ja 00:16:26-8 205

B1: Und dann find ichs auch einfach, so die Vorurteile die damit verbunden

sind, gerade bei Asylbewerbern. So ja, die sitzen den ganzen Tag nur rum und

kassieren nur Geld.. Die wollen das nicht, die würden auch lieber arbeiten

gehen. Aber das bei vielen Menschen, wo diese Vorurteile bestehen, noch nicht 210

mal das Wissen da ist, dass die nicht arbeiten gehen DÜRFEN. Und selbst

wenn sie im Rahmen von eigenem Engagement ne Stelle finden würden, wo

jemand sagen würde, ich nehm dich, dann müssten die das beim Arbeitsamt

beantragen, ne Arbeitsgenehmigung. Und da wird erst mal geprüft, obs nen

Deutschen gibt, der dafür in Frage kommt, ein EU-Bürger gibt oder ein Nicht-215

EU-Bürger und wenn die ganze Kette nicht in Frage kommt, dann würde er den

Job bekommen. Also kannst du dir bei der heutigen Situation ((lacht))

überlegen, wie oft dass der Fall ist. 00:17:19-3

I: Hm 00:17:21-0 220

B1: Und ich nehm jetzt das Extrembeispiel Asylbewerber ganz bewusst, weil ich

finde, gerade an den Extremen sieht man auch wie ne gewisse

gesellschaftliche Haltung dazu da ist. Weil es sind eben auch nicht immer die

ganzen Migranten, die schon seit 30 Jahren da sind und kein Deutsch sprechen 225

ne. Ich denk mir das ist die Minderheit. Aber an den wirds ja viel so in den

Medien oder sowas festgemacht. Also dass DIE Gastarbeiter, die mal

gekommen sind, weiß nicht obs die überhaupt in der Form noch gibt. Und bei

bestimmten Sachen (2s) also ich hab ne türkische Mutter und in meinem letzten

Türkeiurlaub hab ich ganz viele junge, hier in Deutschland aufgewachsene 230

Frauen und Männer kennengelernt, die nach ihrem Studium in die Türkei

gegangen sind, weil sie da Topangebote bekommen haben. Ja mit ihrem

Studium, mit ihrem kulturellen und sprachlichen Hintergrund und diese

Möglichkeiten, die ihnen dort geboten wurden, diese Chancen hätten sie hier

nie gehabt und nie geboten bekommen. Und das find ich eigentlich ne traurige 235

Sache. Und das sind eigentlich Jugendliche oder junge Menschen, die in die

Fremde gehen, weil sie sind hier geboren. Da sind vielleicht schon die Eltern,

also das sind Türkischdeutsche oder Deutschtürken der dritten Generation, die

66

hier leben und die die Türkei auch nur aus ihrem Urlaub kennen und paarmal

dort gewesen sind. Der Vorteil ist natürlich, dass sie die Sprache noch 240

sprechen, auch nicht alle perfekt, aber sie sprechen die. Und sie kriegen dort

andere oder bessere Perspektiven, wie hier auf dem Arbeitsmarkt. 00:19:38-9

I: Mhm 00:19:38-9

245

B1: Und so Sachen, dass gerade im Rahmen von diesem Integrationsding die

Sprache auch nur einseitig gesehen wird. Dass nur gefordert wird, die müssen

ein gutes Deutsch sprechen, aber gar nicht gesehen wird, dass sie auch noch

ein gutes Türkisch sprechen oder überhaupt türkisch sprechen. Also diese

Mehrsprachigkeit wird in der Form auch gar nicht geschätzt. Außer in Städten 250

wie Berlin ((lacht)) oder Frankfurt, gerade im sozialen Bereich. Ne Freundin von

mir wohnt jetzt in Berlin, sucht ne Stelle als Sozialpädagoge, wo es überall heißt

"Können Sie türkisch sprechen?" Da denk ich mir, das kanns ja auch nicht sein,

dass nur in diesem Rahmen das gebraucht wird oder das auch anerkannt wird

und in dem Sinne dann gefordert wird. Oder gerade wenn jetzt jemand im 255

wirtschaftlichen Bereich arbeitet, als Beispiel mal Merck, Telekom, also die

müssten doch dankbar sein, wenn jemand mehrsprachig ist. Und gerade in dem

Bereich oder gerade auch in der Beziehung Deutschland-Türkei ist die türkische

Sprache doch gerade ne Sprache, die eine Bereicherung ist. Aber es wird eben

immer nur einseitig gesehen. Und das wird nicht nur einseitig von der 260

Gesellschaft gesehen, sondern auch von den Jugendlichen. Also wenn ich hier

Jugendliche hab, wo wir Bewerbungen schreiben und da stehen

Sprachkenntnisse, dann "Ahja Deutsch, Englisch". Und ich dann "Ja was ist mit

deinem Türkisch?" Auf die Idee zu kommen, dass mit anzuführen, also dass

das ne Kenntnis ist, da müssen die erstmal drauf gebracht werden. 00:22:02-3 265

[...]

I: Ja 00:25:33-6

270

B1: Ja und dass das eben nicht wertgeschätzt wird mit der Sprache, sondern

eben Integration auch auf die Sprache immer nur einseitig aufs Deutsche

67

bezogen wird, find ich schade. 00:25:44-9

I: Ja (1s). Jetzt haben Sie auch die gesellschaftlichen Denkweisen, Sichtweisen 275

angesprochen, was da so besteht an Vorstellungen etc. Würden Sie sagen,

dass die Soziale Arbeit aber auch unter diesem Einfluss steht, der von der

Gesellschaft vorgegeben wird, in Bezug auf Sichtweisen auf diese Zielgruppe?

00:26:13-2

280

B1: Ähm. Ich bin immer selber auch bei so Interviews, inwieweit ist das meine

persönliche Meinung und wieweit ist es auch, dass ich so die Meinung meines

Arbeitgebers vertrete. Und ich denk mir als Verein bei dem ich arbeite, also wir

haben ne Satzung, wo wir ne bestimmte Haltung vertreten und es gibt in vielen

Bereichen auch immer wieder wo wir in verschiedenen Fachkreisen, in 285

verschiedenen Gremien, in internen Arbeitskreisen immer wieder schauen, was

für ne Haltung, wie stehen wir dazu. Und das auch reflektieren und auch

gucken wo entwickelt sich was oder wie ist unsere Haltung dazu. Auch wenn

die vielleicht ne andere ist (2s). Also jetzt mal ein kleines Beispiel zum Thema

Inklusion. Ist ja jetzt im Moment in der Gesellschaft ein großes Wort. Es ist, wo 290

wir jetzt mittlerweile auch sagen (1s) Inklusion ist ja nicht nur auf Menschen mit

Behinderung bezogen, sondern auf Menschen mit Benachteiligung. Und

inklusiv arbeiten tun wir seit Jahren in Bereichen, was Benachteiligung angeht.

Da das jetzt einfach ein Begriff ist, mit dem sich in der Gesellschaft viel

auseinandergesetzt wird, im sozialen Bereich, in der Arbeit, also langsam auch 295

im Alltag, im Schulsystem, haben wir jetzt auch gedacht, wir müssten uns damit

intensiver auseinandersetzen. Wir haben zum Beispiel jetzt in einem kleinen

internen Arbeitskreis uns mit der Thematik befasst und gesagt, innerhalb dieses

Arbeitskreises wollen wir jetzt nen Fachtag für den Verein veranstalten, wo alle

Mitarbeiter ne Einführung zu der Thematik bekommen, dass wir so ne 300

einheitliche Haltung dazu bekommen. 00:28:43-3

I: Mhm 00:28:47-6

B1: Und so gibts dann bestimmte Sachen wo wir sagen ‚Wie stehen WIR als 305

Verein dazu?‘ Und das kann dann vielleicht mit gesellschaftlichen Sichtweisen

68

übereinstimmen oder aber auch sagen, wir haben da ne abweichende Haltung

dazu oder ne eigene einfach, die daran angrenzt oder eben auch nicht ((lacht))

oder wo wir sagen, da gehören eben auch noch andere Punkte dazu oder das

ist für uns in der Arbeit als Verein wichtig, wo wir unsere Prioritäten setzen. 310

00:29:30-5

I: Ja 00:29:30-5

B1: Und da geben wir uns sozusagen unseren Rahmen, unsere Haltung und 315

klar wird die bestimmt auch von der Gesellschaft mal vorgegeben oder

angestoßen oder gibt Inputs. Wo man dann einfach überdenkt, wie ist unsere

Haltung dazu. Aber es ist nicht so, dass wir von der Politik oder so irgendwas

vorgeworfen bekommen und dass dann einfach blind übernehmen. Klar ist man

dann in bestimmten Bereichen auch abhängig, wenns jetzt um Förderprojekte 320

geht, da gibts ja bestimmte Ansprüche, die ein Geldgeber hat, die dann

natürlich auch erfüllt werden müssen, ist ja klar. Aber wir bewerben uns dann

eben auch nur auf die, die für uns passend sind, aber es erschwert natürlich

auch die Arbeit, weil man natürlich dann auch gucken muss, wo passts eben

und wie finanziert man sich. 00:30:37-6 325

I: Hm 00:30:38-2

B1: Bei so kleinen Sachen irgendwie (1s). Es wurde jahrzehntelang

Mädchenarbeit gefördert und gefördert. In dem Rahmen wurden aber 330

Jungenprojekte wenig finanziert. Aber der Bedarf ist mittlerweile so stark,

Jungenprojekte zu finanzieren, dass die damals immer so an Fördermitteln ein

bisschen hinten runtergefallen sind. Das ist jetzt bei der Gesellschaft auch

angekommen ((lacht)), dass es jetzt wieder Projekte gibt, wo JUNGS gefördert

werden. Vorher gabs aber wenig Projekte, dementsprechend wenig Geld. Ja, 335

da hat die Gesellschaft ja auch ihre Highlights sag ich mal, wo sie gerade

investiert. Ob das eben Inklusionsumstellungen sind oder

Integrationssprachkurse, was weiß ich, gibts ja auch immer bestimmte Bereiche

wo man sagt, ok da setzt man jetzt sein Augenmerk. In der alltäglichen Arbeit

sieht man aber manchmal auch, dass der Bedarf manchmal woanders liegt 340

69

oder auch erweitert ist. Dass das auch wichtig ist, aber es gibt auch noch

anderen Handlungsbedarf ja. 00:32:47-8

[…]

345

B1: Und ja (2s) was vielleicht auch noch ein Punkt ist von so Vorstellungen der

Gesellschaft. Wenn ich mir mittlerweile Nachrichten über Jugendliche angucke,

da krieg ich so nen Hals. Wie gewalttätig die ganze Jugend geworden ist, was

einfach nicht der Realität entspricht. Und deshalb guck ichs mir schon gar nicht

mehr an. Oder wenn Freunde von mir im Privaten erzählen, wie schlimm die 350

Jugendlichen geworden sind ja (2s) Aufgrund meiner Arbeit, ich arbeite mit

Jugendlichen, ich mach Anti-Aggressions-Training, also ich bin auch in

Präventionsgeschichten drin, wo ich schon auch ein bisschen Einblick über

gewalttätige Jugendliche hab. Und was ich da im Freundeskreis hör, was

wirklich mit Vorurteilen der schlimmsten Art beladen ist, wo ich sage, woher 355

habt ihr denn die Info und sie sagen 'Ahja, das kriegst du doch in den Medien

mit'. Ja eben, das kriegst du in den Medien mit. Und seit fünf Jahren hacken die

auf der Jugend rum, wie faul sie ist, wie dumm und wie gewalttätig sie ist. Und

das find ich einfach ein trauriges Bild, ja. Es ist nicht alles auf die ganze Jugend

umsetzbar. Und wenn ich das dann im Bekanntenkreis hör und die haben 360

wirklich noch die Dreistheit MIR das zu erzählen, da denk ich mir ‚Hey Leute,

wann hast du denn das letzte Mal Kontakt gehabt mit nem Jugendlichen‘. Ich

bin da täglich mit denen zusammen und die sind auch nicht mehr in ne

Schlägerei verwickelt als der ein oder andere von uns früher oder in unsrem

Bekanntenkreis was mitgekriegt hat (1s) und das sind so Sichtweisen im 365

Privaten, wo ich mir dann denk, da ((lacht)) naja (3s)

I: Ja. Jetzt haben sie auch schon ein paar Bereiche angesprochen, wie sie

arbeiten, zum Beispiel das Anti-Aggressions-Training, EIBE-Klassen. Können

Sie beschreiben, was ihre Arbeit mit dieser Zielgruppe jugendliche Migranten 370

genau kennzeichnet? 00:41:15-0

B1: Ich will jetzt auch nicht sagen, dass die ganzen Gewaltpräventionsprojekte

nur für Migranten wären oder so ((lacht)). Ne also ich würd sagen, wir haben ne

70

lange Zeit (1s) also als ich hier angefangen hab, war mein Schwerpunkt in der 375

Offenen Jugendarbeit gewesen, also dieses typische Café mit Billard und

Kicker, kleineren Essens-und Getränkeversorgungen etc.. Da wir aber das Café

jetzt seit zwei oder drei Jahren geschlossen haben, haben wir natürlich

trotzdem andere Projekte am Laufen, also wir sind auch viel in

Schulkooperationen drin und machen da Präventionsgeschichten. 380

Entschuldigung ((steht auf)) [Telefon klingelt, kurze Unterbrechung] 00:42:05

I: Macht nichts. 00:42:06-1

B1: Ja (2s) Also viel Schulkooperation in Form von Sozialkompetenztrainings, in 385

Form von Sozialtrainings oder auch als Kompetenzfeststellungen, aber auch

zum Thema Mobbing und den Geschichten. Aber wir machen auch, also ich

habe zusammen mit meinem Kollegen die Weiterbildung gemacht zum

Antiaggressionstrainer, wo wir dann jetzt in kleiner Form mit der

Jugendgerichtshilfe zusammen so ein Antigewaltseminar für ein Wochenende. 390

Also es ist nicht der Standard eines Antiaggressionstrainings, aber es ist ein

kleines Paket sozusagen davon. Wo wir mit Mädels am Wochenende arbeiten,

so zehn Stunden. Und ja es ist sehr gemischt, also wenn du mit Schulklassen

arbeitest ist es eh ein sehr gemischtes Publikum, da ist alles an Nationalitäten

vertreten. Also da könnte man nicht sagen, dass wir speziell nur mit Migranten 395

arbeiten. In den Cafézeiten sah es anders aus. Also da hatten wir hier, wenn du

da mal zwei drei deutsche Jugendliche hattest, war das schon viel. Aber das

hat ja auch seine Gründe warum das so ist. Du findest in wenig Jugendzentren,

in Cafébereichen deutsche Jugendliche. 00:43:49-4

400

I: Was sind denn die Gründe dafür? 00:43:51-5

B1: Also entweder ist es dann ein Jugendzentrum, wo ein deutsches

Stammpublikum vertreten ist, also was einfach deutsche Besucher dominiert ist

ja. Weil das jetzt aber zum Beispiel ein bestimmtes Stadtgebiet ist. In K-Stadtteil 405

oder E-Stadtviertel wirst du einfach ein bestimmtes Publikum in den

Jugendzentren haben. Wenn du in nem Jugendzentrum in der A-Siedlung bist,

wirst du auch ne bestimmte Zielgruppe haben, von bestimmten Nationalitäten.

71

Und jetzt hier im M-Stadtviertel (1s) da wirds halt auch Eltern geben, die ihrem

Kind tatsächlich nen Verein oder andere Freizeitbeschäftigungen bieten 410

können, dass ein Jugendzentrum einfach nicht relevant ist. Und wenn ich diese

Möglichkeiten nicht hab, ist ein Jugendzentrum schon mal einfach interessanter

für die Zielgruppe, ja 00:45:22-5

I: Mhm (1s) Gibt es den auch Barrieren oder Schwierigkeiten in der Arbeit mit 415

der Zielgruppe? 00:46:31-7

B1: Inwiefern? ((irritiert)) 00:46:31-7

I: Vielleicht Situationen in denen man sich schon unsicher gefühlt hat wie man 420

handeln soll oder wie man mit irgendwas umgeht? 00:46:34-6

B1: Nö ((lacht)) Nö (2s). Also klar gabs als ich angefangen hab zu arbeiten und

ich so mit Ende 20 im Jugendcafé stand irgendwie als Frau unter den ganzen

Jungs hab ich mir am Anfang schon gedacht wie machst du das oder wenn mal 425

was passiert, wenns ne Schlägerei geben sollte. Also ich bin jetzt seit zehn

Jahren hier und hab in meinen ganzen, fast 12 Jahren sogar, zwei Schlägereien

miterlebt, also wo ich sag es ist fast nicht nennenswert ((lacht)). Und das waren

so Befürchtungen, wie reagierst du da. Aber ich glaub die hättest du in jedem

anderen Jugendzentrum, egal mit welchem Publikum, auch gehabt. 00:47:32-7 430

I: Ja 00:47:32.7

B1: Ja und bei bestimmten Sachen denk ich mir auch immer, wie bist du als

Person. Wenn es jetzt darum geht Zugänge zu Jugendlichen zu bekommen, 435

spielt es keine Rolle was derjenige oder du bist. Sondern WIE sind die

Personen, die aufeinander treffen und daraus erschließen sich vielleicht

Barrieren oder Schwierigkeiten. Aber (2s) wenn du natürlich nicht (4s) weißt, mit

was für nem Publikum du arbeitest und die dementsprechende Offenheit nicht

mitbringst, kann das durchaus zu Konflikten oder auch Schwierigkeiten führen. 440

00:48:26-5

72

I: Hm 00:48:26-5

B1: Aber so wurde ich einerseits nie erzogen und andererseits weiß ich ja 445

worauf ich mich in meiner Arbeit eingelassen hab und das ja auch mit Freude.

Von daher denk ich mir gibt es jetzt nichts an Schwierigkeiten oder Zugängen,

die jetzt speziell was mit Migrationshintergrund zu tun haben. Wenn dann was

mit menschlichen allgemein, weil man sich nicht sympathisch ist oder und mit

dem einen kannst du halt besser als mit dem andern. Das heißt jetzt natürlich 450

nicht, dass ich im Rahmen meiner betreuenden EIBE-Maßnahme den andern

dann zur Seite schiebe und nichts mehr mit dem zu tun hab oder den nicht

weiter förder oder unterstütze, sondern einerseits gehts ja um meine

professionelle Haltung und meine Arbeit und andererseits aber auch um

Sympathien. Und auch jemand, den ich persönlich nicht sympathisch finde, mit 455

dem muss ich ja trotzdem arbeiten. 00:49:40-6

I: Ja 00:49:40-6

B1: Wo es dann in meiner Professionalität liegt, dass eben einerseits ihm das 460

nicht deutlich zu machen, dass ich privat nichts mit ihm zu tun haben würde

((lacht)). Aber das liegt ja eben in der Kunst eines Sozialpädagogen, wie geh

ich damit um. Und natürlich, es sind einfach Sympathien da und jeder der sagt,

dass es nicht so ist, der lügt. Aber wie gesagt, es ist eben die Frage, wie gehst

du damit um und wie weit bist du immer noch offen zu denen. 00:50:40-5 465

I: Also spielt Offenheit eine wichtige Rolle? Auch um Schubladen denken zu

vermeiden? 00:50:40-5

B1: Auf jeden Fall, genau. Und sich das auch einzugestehen, dass es so ist. 470

Also ich weiß aus meiner eigenen Schulzeit, da hatte ich ne Lehrerin und wir

konnten überhaupt gar nicht miteinander. Wir konnten uns gegenseitig nicht

leiden, aber es hat sich auf meine Noten ausgewirkt, ist ja klar ((lacht)).. Und

sich dann einfach einzugestehen, es gibt so was wie Sympathien, dass man

jemanden mag und jemanden nicht. Und wenn du dir dessen bewusst wirst, 475

dass es so was gibt, kannst du dir auch drüber bewusst werden, wo du

73

aufpassen musst. Wo musst du an dir selber arbeiten, wo musst du auch

ehrlich zu dir sein und wo musst du dir auch eingestehen, dass der eben jetzt

einen abgekriegt hat, weil er eben nicht dein Liebling ist. Und wenn du in so ne

Falle getreten bist, wie gehst du anschließend damit um (1s) nur weil ich 480

erwachsen bin, seh ich mich trotzdem noch in der Lage, mich auch für

Fehlverhalten zu entschuldigen oder es wieder gut zu machen. 00:53:43-5

I: Ja 00:53:43-5

485

B1: Und auch das ist ne Sache, was ich in einer traurigen Erfahrung mit

Jugendlichen gemerkt habe, dass die das nicht kennen. Also ich war mal in der

Situation dass ich echt schlechte Laune hatte, gesundheitlich bedingt irgendwie.

Und dann bin ich in ne EIBE-Klasse gekommen und hab wirklich meine

schlechte Laune an denen ausgelassen. Hab die zusammengeschissen, hatte 490

null Toleranz gehabt und war nur am Nörgeln. Abends hab ich mir dann

gedacht, was hast du da eigentlich gemacht, voll das schlechte Gewissen

gehabt und bin mir dessen bewusst geworden, hab darüber nachgedacht und

hab gedacht, das musst du ansprechen nächstes Mal. Hab das dann auch

angesprochen und gesagt dass ich nicht einfach nur so schimpfen möchte und 495

schon gar nicht nur, weil ich schlechte Laune hab, die an euch auslassen und

es tut mir leid. Und dann hat ein Jugendlicher zum andern gemeint, 'ey merkst

du eigentlich was gerade passiert? Die entschuldigt sich bei uns! Wann hat sich

das letzte Mal ne Erwachsene bei dir entschuldigt. Die entschuldigt sich gerade

bei uns!' Und das hat mich gerührt, also da musste ich mit Tränen kämpfen. 500

Weil ich kann nicht da sitzen und mit denen Sozialtrainings machen, wenn ich

denen das nicht vorlebe ja. 00:56:21-3

I: Ja 00:56:26-5

505

B1: Und ich glaub in der Beziehung von der Gruppe und mir war das ein großer

Gewinn gewesen. Also wo ich einerseits viel gelernt hab und die aber auch

andererseits was für sich da rausnehmen konnten. Und es war eben auch für

mich da wichtig dieses Reflektieren. Also immer mal wieder zu gucken, was

mach ich, warum mach ich das so, könnt ichs anders machen und dann aber 510

74

auch zu sagen, ok das hast du jetzt nicht so.. hättest du anders machen können

und dann eben WIE machst dus anders. Und das ist einfach wichtig und das ist

auch so dieses, um nochmal auf diese Frage was so Zugänge angeht, ist das

Wichtigste, dass du authentisch bist. Dass du DU bist. Und das merken die

Jugendlichen ganz schnell. Also wenn es Menschenkenner gibt, dann sind es 515

Jugendliche ((lacht)) und ich glaub dass das mit einer der größten Punkte ist

(2s)ja (5s) 00:58:23-7

I: Mhm ja (5s) Haben Sie jetzt gerade noch Ergänzungen oder Wünsche

ihrerseits, was jetzt gar nicht angesprochen wurde, ein Bereich oder so, was 520

aber ihrer Meinung nach noch dazugehört? 00:58:34-2

B1: Hm (8s). Also wenn ich mir so meine EIBE-Klasse, mit der ich arbeite (2s)

was ja so meistens im Schulischen auch als das schwierige Klientel gesehen

wird, würd ich mir schon wünschen, dass einfach mehr Sozialpädagogen, mehr 525

Pädagogen, Lehrer mit ner größeren Offenheit auf eine solche Zielgruppe

zugehen. Weil ich finde, mit der Klassenlehrerin, mit der ich zusammenarbeite.

Wir arbeiten ziemlich lange und ziemlich gut miteinander und ergänzen uns

auch gut als Team würde ich so behaupten. Wir seufzen dann manchmal

schon, boah ist das anstrengend, aber dann im nächsten Satz sagen wir dann 530

auch, aber wie langweilig wärs, wenns nicht so wär. Wenn immer alles super

läuft 01:00:07-4

I: Mhm 01:00:07-4

535

B1: Wo ich mir denke, einfach ne Offenheit wünsche wirklich hinzugucken. Wer

ist mein Gegenüber, mit wem arbeite ich (2s) und wenn sie nervig sind, sich

auch mal zu überlegen warum sind sie so. Also ich will jetzt nicht so alles mit

der Erziehung und mit der Kindheit entschuldigen oder so, aber Menschen sind

einfach nun mal so wie sie sind, weil sie in irgendner Form geprägt sind. Das 540

heißt nicht, dass ich alles entschuldige und sag mach mal weiter so. Aber

derjenige ist so wie er ist, weil er geprägt wird von irgendwas und von

irgendwem und von irgendwo (1s) und da hingucken zu wollen. 01:01:16-3

75

I: Ja 01:01:16-3 545

B1: Nehm ich als Beispiel mal wieder ein Extrem. Wenn ich nen Asylbewerber

mir gegenübersitzen hab und der sitzt dann in der Schule und dann sagt zu mir

ein Lehrer, 'ei man, der ist so unmotiviert und der hängt da immer da wie ein

Sack Mehl und der könnt mal so ein bisschen in die Puschen kommen..', wo ich 550

mir denk, versuch dich doch mal ein bisschen in diesen Menschen

reinzuversetzen, was der vielleicht gerade in den letzten zwei Jahren, was der

durchgemacht hat. Der hat in seinem Leben ganz andere Themen, die für ihn

lebensnotwendig sind. Natürlich ist die Schule wichtig. Aber der kommt

vielleicht gerade aus nem Gebiet, wo er vielleicht gerade um sein Überleben 555

gekämpft hat. Ist es denn dann wirklich so wichtig, dass der wie ein

Energiezäpfchen jetzt in der Klasse sitzt und kann man nicht sagen, es ist erst

mal gut, dass er überhaupt da ist? Oder auch mal sagen, dass er vielleicht ein

bisschen Zeit hat, bis er sich an euch gewöhnt hat und mal ein bisschen aus

sich rauskommt. So Geschichten (2s) wen hab ich da sitzen und was bringt der 560

für ne Geschichte mit? Und wieweit kann ich etwas dafür tun, dass er sich

entweder öffnet, dass er vielleicht aktiv wird (3s) Also wirklich nochmal nen

anderen Blick und auch über dem Ganzen vielleicht ein wenig auch einen

herzlicheren Blick ((sehr leise werdend)) 01:03:17-1

565

I: Ja 01:03:18-7

B1: Ja das fänd ich schön (4s) Und wie gesagt, ich will das nochmal klarstellen.

Ich mein das nicht in diesem für alles Mitleid und Entschuldigung zu haben, mir

ist wichtig, dass das so nicht verstanden wird. Gerade in dieser EIBE-Klasse mit 570

diesen Asylbewerbern, da gibt es Lebensgeschichten wo ich DANKBAR dafür

bin, als Frau hier in Deutschland großgeworden zu sein und die Möglichkeiten,

die ich hab, einfach zu schätzen weiß, ja. Wenn ich seh, ich hab nen Schüler da

in der Klasse, der ist von seinem 14. bis zu seinem 18. Lebensjahr ist der auf

der Flucht gewesen, bis der hier angekommen ist, und wir uns immer überlegt 575

haben, ey der sieht immer so aus, als ob er mit seinen Gedanken woanders ist.

Jo klar ist der mit seinen Gedanken woanders. Den haben wir jetzt das zweite

Jahr in der Klasse und sehen JETZT ist er angekommen. Jetzt ist er da, in

76

allem, im Unterricht. Und dieses Verständnis dafür zu haben oder auch dieses

Bewusstsein, wo kommt das her, warum ist er eben da noch nicht da gewesen. 580

01:04:37-0

I: Hm 01:04:37-0

B1: Und ich denk mir, wär der in ner anderen Klasse mit anderen Menschen 585

oder auch mit ner anderen Klassenlehrerin, 'ja aus dem wird eh nichts', der wär

abgehakt gewesen. Und da einfach nochmal zu sagen, was gibts für

Möglichkeiten, wie setzt man sich für so nen Menschen ein oder wie fördert

man denjenigen und was zeigt man ihm für Wege auf (2s) mit Geduld. Einfach

jetzt nochmal so ein Extrem, aber das kannst du ja aber auf jeden Menschen 590

übertragen. Ob mit oder ohne Migrationshintergrund, find ich gerade bei

Jugendlichen wichtig. Weil du wirst geprägt in den Medien und in der

Gesellschaft von nem Bild über Jugendliche, was nicht realistisch ist und

dementsprechend verhältst du dich ja auch so. 01:05:30-4

595

I: Ja, vielleicht auch unbewusst 01:05:30-4

B1: Ja genau. Also ich bin letztens in die Straßenbahn gestiegen und dann saß

ein junges Mädchen da, auf so nem Vierersitz und die hatte die Füße auf dem

Sitz gegenüber ausgestreckt. Die ganze Bahn war voll und diese vier Plätze, bis 600

auf den Platz wo das Mädchen gesessen hat, waren leer. Und manche haben

nebendran gestanden. Und dann bin ich hin und hab dem Mädchen ganz

freundlich gesagt ‚ja Entschuldigung, kannst du bitte deine Füße runtertun, ich

würd mich hier gerne hinsetzen‘. Und sie so ‚kein Thema‘. Hat die Füße

runtergelegt, hat mich da hinsitzen lassen und mit ganz normaler Mimik. Auch 605

nicht böse oder irgendwas. Dann hab ich mich hingesetzt und zack, waren die

Plätze neben mir auch belegt, ja. Und ne etwas ältere Frau, 'ohh, sind Sie aber

mutig. Man weiß ja nicht heutzutage bei der Jugend.' Dann hab ich gemeint, 'ja

entschuldigen Sie bitte, aber wenn SIE mit so einer Angst, bzw. dieser jungen

Dame hier so viel Macht geben, klar warum soll sie irgendwas ändern. Aber SIE 610

geben ihr diese Macht in Form von Angst, in Form von 'oh, nicht dass die mich

auch am Bahnhof zusammenschlägt und ich sterb irgendwo und man lässt mich

77

da liegen und ich bin tot.' Aber durch die geprägten Bilder in den Medien hat die

Frau Angst gehabt und aus dieser Angst heraus hat die dem Mädchen so viel

Macht gegeben, dass sie sich nicht getraut hat, sie darauf aufmerksam zu 615

machen, dass sie sich eigentlich gerne setzen würde. Und nicht nur auf dem

Platz, wo ihre Füße lagen, sondern die Plätze daneben waren auch frei. Wär sie

patzig geworden, hätt ich immer noch überlegen können, wie ich reagier. Die

wär nicht sofort aufgesprungen und hätte mir ein Messer in den Hals gerammt

oder so was. Dann hat die Frau mich so verblüfft angeschaut und dann hat sie 620

gemeint, 'ja eigentlich haben sie ja Recht'. Und das ist so was, du bist geprägt

durch die Medien (3s) wie jetzt vor zwei Tagen ist doch wieder was passiert.

Wie das ausgeschlachtet wird (2s) also du vermittelst ein Bild in der

Gesellschaft und dementsprechend trittst du den Jugendlichen gegenüber und

das find ich schade, weil es einfach nicht die Realität ist. 01:08:56-5 625

I: Mhm 01:08:56-5

B1: Und einerseits brandmarkst du die Jugendlichen ja damit. Klar gibt es

welche, die sind stolz dann zu sagen, 'Yeah, wir sind die Gangster'. Was bleibt 630

ihnen auch anderes übrig. Die kriegen den Stempel ab und entweder tragen sie

es mit dementsprechender Haltung. Dann sagen sie, wenn ich eh den Stempel

hab, dann verhalt ich mich auch so. Dann entsprech ich dem Bild, was jeder

von mir erwartet. Warum soll ich immer dagegen ankämpfen. Ist ja auch

Energie, die verschwendet ist. Wenn ich mich immer wieder rechtfertigen muss, 635

'ich bin ja gar nicht so gewalttätig', aber jeder denkt das von mir, dann kann ichs

auch sein. Und das ist ja dann auch der Teufelskreis (2s) Eigentlich sind sie es

nicht, aber du gibst ihnen den Stempel und manche sagen, 'ok wenn ich ihn

schon hab, dann nutz ich ihn auch für mich'. 01:12:17-8

640

I: Ja 01:12:17-8

B1: Ja (2s) Und daher einerseits nicht von den Medien so beeinflussen lassen

und das auch einfach ein bisschen reflektierter sehen. Und dann einfach

gucken, wenn ich heute so was in den Nachrichten mitkriege, wie geh ich mit 645

dem Nächsten, dem ich auf der Straße begegne, um. Und ich denk mir als

78

Sozialpädagoge sollte man da ja reflektierter sein, als Nicht-Pädagoge, aber

vielleicht auch dann trotzdem mal darüber Gedanken machen und auch andere

darauf aufmerksam machen. Die eben nicht aus diesem Arbeitsfeld kommen.

01:12:59-8 650

I: Ja, kann ja was bewirken. 01:12:59-8

B1: Ja genau ((lacht)) 01:13:00-6

655

I: Ja ((lacht)) vielen Dank. 01:13:01-4

B1: Ja bitte, ich hoffe ich konnte dir ein bisschen weiterhelfen. 01:13:01-4

660

79

Transkript zu Interview 2

Leitgedanke: Welche Sichtweisen gegenüber benachteiligten jugendlichen

Migranten bestehen bei SozialpädagogInnen unterschiedlicher Einrichtungen?

5

Abkürzungen: I= Interviewerin, B2= Befragter 2

I: Inwieweit sind Ihrer Meinung nach viele Jugendliche mit

Migrationshintergrund überhaupt benachteiligt und wo sehen Sie die Ursachen 10

dafür? 00:00:26-6

B2: Also ich denk die Benachteiligung bei Migranten beginnt mit der

schlechteren Bildung die sie genießen, die schlechteren Aufstiegschancen, die

Undurchlässigkeit der Bildungssysteme. Da seh ich zunächst mal die 15

Hauptursache und natürlich wenn die relativ kurzfristig erst in Deutschland sind,

liegt das in allererster Linie zunächst mal an den mangelnden

Sprachkenntnissen (1s). Und dann natürlich was dazu beiträgt, der Wechsel

von Kulturkreisen ist bestimmt nichts was der, wie sagt man, Entwicklung eines

Jugendlichen förderlich ist. Also der muss sich ja erstmal vollkommen neu 20

orientieren, ne andere Werteskala für sich mal registrieren, die sich ja ganz

eindeutig von den Herkunftsländern oftmals unterscheidet. Diese Phase der

Neuorientierung was Werte und gesellschaftliche Normen anbetrifft, die

Sprachprobleme und dann, die ich schon angesprochen hab, hier

vorherrschenden undurchlässigen Bildungssysteme tragen halt schon dazu bei, 25

dass es eindeutig zu einer Benachteiligung dieses Personenkreises kommt.

Wenns um Zukunftschancen, wenns um berufliche Aufstiegsmöglichkeiten geht

(2s) 00:02:00-7

I: Mhm (5s) 00:02:00-7 30

B2: Wenn Ihnen das zu ungenau ist, müssen Sie nachfragen ((lacht)) 00:02:06-

2

80

I: ((lacht)) Nein genau, das ist ganz frei 00:02:06-9 35

B2: Ja (6s) 00:02:13-9

I: Was verstehen Sie denn unter einer gelungen Integration, jetzt im Blick auf

die Lebenssituation der Jugendlichen? 00:02:20-2 40

B2: Also ist ja jetzt die Frage, man muss ja unterscheiden zwischen Integration

und Assimilation. Also von Assimilation halt ich überhaupt nichts. Ich denke

schon, dass dieser Personenkreis, der aus anderen Ländern hierher kommt,

auch seine kulturellen Eigenheiten durchaus behalten darf. Wünschenswert ist 45

natürlich, dass die Jugendlichen hier entsprechende Startchancen haben. Das

ist für mich das Wesentliche, was Integration anbetrifft. Also das heißt, was ich

gesagt hab, man müsste dieses Bildungssystem irgendwie durchlässiger

gestalten, dass die nicht einmal in der Schiene sind und dann nie wieder

rauskommen. Weil sie zu Beginn der schulischen Karriere unter massiven 50

Sprachproblemen gelitten haben, werden sie dann später auf diesem Niveau

gehalten, obwohl sie zwischenzeitlich vielleicht die deutsche Sprache

ausreichend oder sogar sehr gut erlernt haben. Aber die Chancen dann aus ner

Förderschule dann wieder rauszukommen und mehr als nen

Hauptschulabschluss zu erreichen (2s) Das geht ja wirklich gegen Null, ne (3s) 55

Wobei es natürlich Ausnahmen gibt, ne. Wir haben ja auch Leute, die es

schaffen über große Anstrengungen auch letztendlich zu studieren. Aber die

Mehrzahl derer, mit der wir es zu tun haben, die einen Migrationshintergrund

haben, sind eindeutig benachteiligt (4s). 00:03:53-5

60

I: Ja (1s) Also darf die Integration, in Anführungsstrichen, nicht nur von der

einen Seite abverlangt werden, sondern muss auch von der Gegenseite

gegeben sein? 00:04:01-5

B2: Richtig. Es darf vor allem, wenn man unter Integration versteht, dass die 65

hier ich sag mal nur FUNKTIONIEREN, aber keinen Kontakt zur

Ursprungsbevölkerung haben und aufbauen können, dann wirds halt schwierig

von ner gelungenen Integration zu sprechen. Also so lang breite

81

Bevölkerungsschichten in Deutschland nem Menschen, der einen

Migrationshintergrund hat, ablehnend gegenüberstehen, kann meiner Meinung 70

nach Integration, ne gelungene Integration, nur schwer erreicht werden. Also

das ist das, was wir auch immer wieder beobachten in den Problemstadtteilen,

das sind, ich sag mal jetzt die Russlanddeutschen bleiben unter sich und

daneben gibts die Gruppe der marokkanischen Jugendlichen und daneben

gibts ne andere Gruppe der türkischen Jugendlichen. Da findet vielleicht 75

zwischeneinander noch ein bisschen Austausch statt. Aber dass diese drei

Gruppen jetzt nen sehr ausgeprägten Kontakt zu in Deutschland geborenen

Jugendlichen ohne Migrationshintergrund haben, das ist selten. 00:05:23-7

I: Hm (2s) ja (3s) Also Sie haben hier ja auch mit jugendlichen Adressaten zu 80

tun, die einen Migrationshintergrund haben. Können Sie beschreiben, was die

Arbeit mit dieser Zielgruppe kennzeichnet? Oder ist sie überhaupt besonders

gekennzeichnet? 00:05:33-7

B2: Also ich muss erstmal sagen zur Menge der Auffälligkeiten, wenn ich die 85

begangenen Straftaten, beziehungsweise die Verfahren, die gegen Jugendliche

mit Migrationshintergrund anhängig sind, in Relation setze zu der Anzahl der

Jugendlichen - jetzt sag ich mal aus der Türkei kommen - und wie viel

Verfahren gegen Jugendliche aus der Türkei sich richten. Dann sind die

Verfahren gegen diese Migrantengruppen prozentual gesehen niedriger als der 90

Anteil der Verfahren, die sich gegen, ich sag mal gegen Deutsche richten.

00:06:15-6

I: Ja. 00:06:15-6

95

B2: Also das die jetzt wahnsinnig überbordend auffällig werden, das kann ich

nicht sagen. Wir haben in der Vergangenheit das auch mal nach Nationalitäten

ausgewertet, aber wir sind mittlerweile, was die Statistik angeht so ein Stück

zurückgeworfen worden, weil wir ein neues Statistiksystem bekommen haben,

was für den Bereich Jugendgerichtshilfe nur in leeren Bausteinen vorsahen. Wir 100

mussten das, ja in mühevoller Eigenarbeit erstellen und mussten das auch

entwickeln. Und wir haben jetzt seit fünf Jahren, also gerade speziell auf

82

Migranten nicht mehr ausgewertet. Aber wir wissen natürlich aus der

alltäglichen Arbeit was passiert. Ich kanns vielleicht nicht genau in

Prozentzahlen fassen aber (2s). Also ja, was kennzeichnet die Arbeit mit denen 105

(3s) 00:07:14-5

I: Vielleicht auch so in die Richtung obs einen bestimmten Ansatz gibt oder ein

Konzept, was vielleicht auch im Leitbild verankert ist [B2: Also]

oder 00:07:21-2 110

B2: Von unsrer Konzeption her, wir sind einige der wenigen

Jugendgerichtshilfen, die sich mal hingesetzt haben, haben sich die Mühe

gemacht ne Konzeption für die Arbeit zu schreiben. Also Jugendgerichtshilfe

wird ja wahrgenommen, grade wie die Städte Lust haben. Die einen machens in 115

spezialisierter Form wie Darmstadt, andere lassens irgendwie im Sozialdienst

aufgeben. Mit der Folge dass Jugendgerichtshilfe dort überhaupt nicht mehr

wahrgenommen wird, weil ein Sozialarbeiter, der sich um ein Kind kümmern

muss, dass jetzt sag ich mal vernachlässigt wird. Der wird natürlich sich eher

um dieses Kind kümmern, als sich in ne Jugendgerichtsverhandlung zu setzen, 120

ja. Und ähm, jetzt hab ich den Faden veloren, was die Ausgangsfrage war

((lacht)) 00:08:03-6

I: Achso ((lacht)) 00:08:03-6

125

B2: Ich hab wieder zu weit ausgeholt. ((lacht))

I: ((lacht)) Also was die Arbeit kennzeichnet und [B2: Achso.]

obs da 00:08:09-6

130

B2: Also wir haben keine spezielle Konzeption, die sich jetzt auf die Arbeit mit

Migranten richtet. Also für uns ist jeder der hier reinkommt und der die Hilfe der

Jugendgerichtshilfe in Anspruch nimmt erstmal ein Jugendlicher, vollkommen

egal wo er herkommt, was er für ne Abstammung hat, was er für ne Nationalität

hat. Und es spielt auch keine Rolle was er an Straftaten begangen hat. Also 135

erst tritt hier mal ein Mensch in den Raum um den wir uns kümmern und für den

83

wir als Beistand in diesen Verfahren tätig sein wollen. Wir merken natürlich, da

wir nicht nur dieses Gerichtsgängertum hier haben, sondern auch, ich sag mal

ambulante Angebote, die verhindern sollen dass die Leute im Freiheitsentzug

landen. Da merken wir halt schon, dass wenn man ne Soziale Gruppenarbeit 140

mit acht Teilnehmern durchführt und hat da fünf Migranten drin, ähm (2s) dann

muss man sich schon auf diese Situation einstellen, ja. 00:09:15-3

I: Mhm 00:09:15-3

145

B2: Auf den Background den die mitbringen. Dann kann ich Dinge, die für einen

in Deutschland geborenen Jugendlichen gelten, auch Werte und Normen nicht

einfach zu 100 Prozent zu übertragen. Weil bei denen das Wertesystem ein

ganz anderes ist. Fakt ist, sie verstoßen hier gegen Gesetze und das geht nicht.

Wenn sie sich hier aufhalten, müssen sie diese Gesetze achten. Aber ähm (2s) 150

es ist natürlich klar, dass ein türkischer oder marokkanischer Jugendlicher ganz

empfindlich reagieren wird, wenn man seine Familie beleidigt. Was sehr oftmals

der Hintergrund von Körperverletzungsdelikten auch ist, während dem des

deutschen Jugendlichen, ja den wirds auch stören, aber der wird nicht so

drastisch reagieren. Also da stoßen einfach zwei Welten aufeinander und ich 155

denk mal man muss dann schon hingucken undundund muss sagen, also muss

versuchen nachzuvollziehen, warum diese Tat so begangen wurde und kann

das nicht alles über einen Kamm scheren ja 00:10:27-0

I: Ja. Brauch es irgendwie ein bestimmtes Wissen, Hintergrundwissen, oder ist 160

das [B2: Ja also]

einfach..

00:10:30-2

B2: Wir haben in der Abteilung jetzt, wir sind vier Sozialpädagogen, also zwei 165

Frauen zwei Männer. Drei dieser vier sind seit 25 Jahren Jugendgerichtshelfer.

Wir haben ja seit 25 Jahren mit Migrantenjugendlichen zu tun. Also man eignet

sich im Laufe der Zeit doch so einen gewissen Fundus, so ein

Backgroundwissen an. Man führt mit den Leuten ja auch intensive Gespräche

und man hinterfragt ja auch. Und aufgrund dessen, was man von denen 170

84

mitgeteilt bekommt, entwickelt man natürlich auch ein Gespür was geht, was

geht nicht oder wie muss man was werten (2s). Also diese Informationen

kriegen wir aus erster Hand, also die ziehen wir uns nicht aus irgendwelcher

Literatur raus sondern (1s) auch dieses Backgroundwissen haben wir von den

Klienten erworben. 00:11:22-8 175

I: Mhm 00:11:22-8

B2: Und ich denk das ist authentischer, als wenn ich das in irgendner

Fachliteratur nachles, die sich mit den Problemen von Migrantenjugendlichen 180

beschäftigt. Das ist auch wichtig, aber so direkt aus der Lebenswelt der

Betroffenen was mitzubekommen, das hat doch schon mehr Gehalt. 00:11:47-3

I: Mhm 00:11:47-3

185

B2: Also wir beziehen das ein in unsre Arbeit. Wos manchmal vielleicht ein

bisschen problematisch wird ist, wenn unsre Kolleginnen auf ne Familie treffen,

die also noch sehr äh hierarchisch strukturiert ist ähm (1s) männerdominiert ja.

Und dann sitzt auf einmal ne Sozialpädagogin da und will sagen was richtig und

falsch ist. Aber ich mein das sind ja auch keine Berufsanfängerinnen und von 190

daher. Aber das mag gelegentlich ein Problem sein, schade dass die Kollegin

jetzt nicht da is (3s) 00:12:29-8

I: Hm (3s) Ja das wär ja zum Beispiel ein Punkt, wo vielleicht Schwierigkeiten in

der Zusammenarbeit auftreten könnten. Gibt es sonst Barrieren oder 195

Schwierigkeiten in der Arbeit, die vorkommen? 00:12:34-9

B2: Also es existiert eigentlich weniger gegenüber den Klienten direkt als wenn

die mit ihren Familien kommen und da sitzt dann das Familienoberhaupt, der

eindeutig das Sagen hat und äh dann ist halt schon die Frage, wie ernst nimmt 200

er das, was die Kollegin sagt. Aber das es jetzt zu direkten Problemen

gekommen wäre oder dass jemand dann hingeht und sagt, er lehnt jetzt die

Unterstützung durch die Jugendgerichtshelferin ab und besteht drauf, dass

einer der Männer dieses Verfahren übernimmt, das (1s) also das würd ich auch

85

ablehnen. Da erwarte ich dann schon, dass man sich an die Gepflogenheiten in 205

diesem Land auch ein Stück weit annähert und wir haben ja ganz bewusst

diese Konstellation, dass wir paritätisch besetzt sind und vom Geschlecht

00:13:30-3

I: Mhm ja. Also gab es vielleicht dann auch mal Situationen, wo ne bestimmte 210

Unsicherheit besteht, bezüglich Handlungs- und Umgangsweisen? 00:13:46-8

B2: Ah ich denk man trifft ständig auf neue Personen, die auch immer ganz

unterschiedlich gestrickt sind, man muss sich auf jede Situation neu einstellen.

Vieles kommt einem altbekannt vor, weils halt so ein durchgängiges Muster ist 215

was dann in äh in türkischen Familien anzutreffen ist, was in marokkanischen

anzutreffen ist. Immer speziell auf diese kulturellen Hintergründe abgestimmt.

Es gibt sicherlich mal Situationen wo man schluckt und man überlegt was

macht man mit der Information jetzt ähm, aber dann muss man halt schauen

wie man damit umgeht ja, dann (1s) aber jetzt dass sich die Arbeit mit 220

Migrantenfamilien wesentlich anders gestaltet als mit Deutschen kann ich jetzt

nicht sagen. 00:14:36-0

I: Ja (3s) 00:14:34-3

B2: Wie gesagt, diese Rücksichtnahme auf diesen kulturellen Hintergrund das 225

hat ganz praktische Auswirkungen wenn wir in der Sozialen Gruppenarbeit

Wochenendmaßnahmen haben wo wir also wegfahren, dann ist es natürlich ne

Frage was wir da zu Essen anbieten. Ich käm natürlich nicht auf die Idee ähm

da nur Schweinefleisch anzubieten ja ((lacht)) wenn ich weiß, da hab ich drei

Türken und zwei Marokkaner die ich mitnehm. Also dann ist es für uns 230

selbstverständlich, dass wir das vorher abfragen. Es gibt welche, denen macht

das überhaupt nichts aus Schweinefleisch zu essen, die ham das auch

mittlerweile. hmm klar. 00:15:31-3

I: Mhm 00:15:31-3 235

B2: Also wie gesagt, es ist von Situation zu Situation verschieden, man muss

sich drauf einstellen, man muss auch nachfragen wenn man sich unsicher ist,

86

das halt ich für ganz wichtig. Auch das man offen nachfragt und nicht ja (1s)

irgendwas was geäußert wird schluckt und dann nicht damit umgehen kann, 240

sondern man hat ja die Möglichkeit miteinander zu reden. 00:15:42-8

I: Ja 00:15:42-8

B2: Man kann ja auch erklären, dass man vonvonvon ihrer Herkunft, von ihrer 245

ähm wie sie aufgewachsen sind, dass man eigentlich wenig Ahnung hat und

auch mal Interesse bekunden um mehr zu erfahren ja. Um gesellschaftliche

Hintergründe mitzubekommen, also ich denk das gehört für mich zu so nem

Ansatz von Jugendgerichtshilfe dazu, dass ich mich mit den Eigenheiten, die

jeder einzelne Klient mitbringt, auch auseinandersetze. Das gilt für Deutsche 250

auch, da haben wir auch ganz unterschiedliche Strickmuster ja. 00:16:19-1

I: Ja (3s) Sie haben vorhin ja auch angesprochen mit dieser Kriminalstatistik

und wie das auch schon ausgewertet wurde. Jetzt gibts ja gerade in der

Gesellschaft bestimmte Vorstellungen oder Sichtweisen, auch in Bezug auf die 255

Zielgruppe, was auch in den Medien mitspielt. Die auch bestimmte Bilder

prägen. Würden Sie sagen, steht die Soziale Arbeit unter dem Einfluss auch

dieser gesellschaftlichen Sichtweisen in Bezug auf jugendliche Migranten?

00:16:48-6

260

B2: Gut, für DIE Sozialarbeit kann ich nicht sprechen. Ich kann nur für mein

Arbeitsfeld sprechen und auch da nur für meine Abteilung in der ich arbeite ähm

(3s)Also unsere Sichtweise ist, dass dieses Thema Jugendkriminalität, und da

schwingt dann natürlich auch immer gleich die Frage rein, ob die Täter ein

Migrationshintergrund haben oder nicht. Das wird ja in allererster Linie benutzt 265

um in Zeiten von Wahlkämpfen Stimmung zu machen. Also ich kann ja wirklich

die Uhr danach stellen, wenn in Hessen Landtagswahlkampf ist, kommt das in

Hessen auf den Tisch und wenn Bundestagswahlkampf ist, was ja nächstes

Jahr ansteht, wird es garantiert auch wieder aufgefrischt. Weil Politik wohl der

Meinung ist, dass man damit gut als Rattenfänger auftreten kann. 00:17:38-3 270

I: Hm 00:17:38-3

87

B2: Wenn ich‘s mal ganz drastisch sagen soll, es kotzt mich an wie man da

versucht, so ne Sache zu instrumentalisieren, ne. Jugendkriminalität ist ein 275

Phänomen was es immer gab, was es immer geben wird. Es ist ne Phase, ne

Entwicklungsphase wo man Grenzen austestet. Das tun manche auch ganz

heftig, aber also das ist heute nicht schlimmer als es früher war. Wenn ich die

Zahlen, die absoluten Zahlen, miteinander vergleiche, haben wir in den letzten

Jahren sogar einen Rückgang zu verzeichnen. 00:18:17-3 280

I: Ja 00:18:17-3

B2: Was mich ein Stück weit verwundert, weil die na gut, sagen wir mal auf

Deutschland begrenzt, wir haben ja noch ne Phase wo wir ein wirtschaftliches 285

Wachstum haben. Wo mittlerweile auch auf dem Arbeitsmarkt, zumindestens

wenn man den statistischen Zahlen glaubt, eine Beruhigung eingetreten ist. Ich

mein das ist Augenwischerei weil die Leute in Minijobs landen ähm, das ist

herrlich die Leute an der Nase rumgeführt. Ähm ja also dieses Thema wird

immer in diesen Zeiten aufgegriffen, die Diskussionen die geführt werden halte 290

ich für ineffektiv, weil es geht wirklich nur um Wahlkampf, es geht nicht um

tatsächliche Lösungen und den Versuch, jetzt die Lebenssituation von

bestimmten Gruppen innerhalb der jugendlichen Straftäter zu verbessern,

sondern es geht nur um Stimmenfang. Deswegen beteilige ich mich ungern an

solchen Diskussionen oder reagier in der Art und Weise, wie ich jetzt hier 295

reagier. Und ich bin in den letzten Jahren auch dazu gekommen zu versuchen,

das Thema Jugendkriminalität nen Stück weit aus der Presse rauszuhalten.

Klar könnten wir hingehen und könnten sagen wir machen jetzt ne Artikelserie

über die D-Tageszeitung, stellen unsere ambulanten Angebote vor und

betreiben so ein bisschen Werbung in eigener Sache. Aber ich weiß doch, dass 300

das als Bumerang zurückkommt (3s) 00:19:54-9

I: Hm 00:19:54-9

B2: Also ich seh das so, es ist ne Pflichtaufgabe des Jugendamtes, wir nehmen 305

die wahr, wir nehmen die spezialisiert und qualifiziert war. Wir machen unsere

88

Arbeit aber ich mach sie lieber MIT den Jugendlichen im Verborgenen, als dass

ich meine Arbeit so in den Fokus rücke und dadurch wieder Gefahr lauf, dass

irgendjemand der gerade Langeweile hat meint, er müsste jetzt zu dem Thema

noch nen Leserbrief und dann kommt noch ein Leserbrief und auf einmal 310

bauscht sich irgendsowas auf, ja. 00:20:23-7

I: Ja 00:20:24-8

B2: Klar ist jede Straftat die begangen hat ne Straftat zu viel, gerade wenn sie 315

dann im Gewaltbereich passiert aber (3s) 00:20:35-5

I: Ja. Und gerade die bekommen aber wahrscheinlich die Aufmerksamkeit?

00:20:35-5

320

B2: Die kriegen die Aufmerksamkeit, ja. Wobei wenn man dann anschaut wie

sanktionierend gewirkt wird seitens der Gerichte, da werden Eigentumsdelikte

schwerer bestraft als Körperverletzungsdelikte. Also das ist so ne Perversion

des Denkens in diesem Land (2s) dass die Unantastbarkeit einer Person

weniger wert ist als irgendne Sache die zerstört oder gestohlen wird, die auch 325

ersetzbar ist. Also ich nehm das oft so war und denk ja, da hat jemand fünfmal

beim Karstadt was geklaut und der Wert ist unter zehn Euro gewesen

insgesamt. Und der kriegt genauso viel Arbeitsstunden wie einer der einem das

Nasenbein bricht. Und dann mach ich schon nen gewaltigen Unterschied..

Eigentlich müsste eine Gewalttat wesentlich stärker sanktioniert werden als ein 330

Eigentumsdelikt und ich beobachte eigentlich, dass es anders ist. 00:22:22-3

I: Hm (2s) ja (3s) Vorhin haben Sie auch erwähnt, dass man im Gespräch mit

den Jugendlichen vieles klären, beziehungsweise manche Dinge einfach

nachfragen kann. Lässt sich durch diese Offenheit auch eine Art 335

Schubladendenken bei sich selbst vermeiden? 00:22:49-4

B2: Ja also ich denk da sind wir alle nicht davor gefeit und jeder hat irgendwo

seine Leiche im Keller. Aber sagen wir mal so, wir haben bei uns in die

Konzeption reingeschrieben, wir versuchen das auch ein Stück weit so zu 340

89

leben, dass wir sagen Jugendgerichtshilfe ist nicht Verwaltung von

Jugendkriminalität, sondern ist auch Beziehungsarbeit. Und für mich gehört zu

ner Beziehungsarbeit dazu, dass ich da ein Stück von meiner Person einbringe

und auch sage, was ich von bestimmten Dingen halte und das auch offen tu.

Dass ich auch im gesamten Verfahren immer offen bin und nicht 345

irgendjemandem ausmale, ihm wird schon nicht viel passieren, wenn ich das

Gegenteil eigentlich weiß. Also dass ich auch jemanden darauf hinweise, wenn

er Auflagen vom Gericht bekommt, dass er die einzuhalten hat weil wenn ers

nicht tut, wird das und das und das passieren. Wir haben ja auch ne

Überwachungsfunktion, wir sind ja auch daran gehalten, dem Gericht zu sagen, 350

der hält sich nicht an seine Auflagen und das kann gravierende Folgen haben.

Aber dieses offene miteinander Umgehen und die Spielregeln erklären und

auch sagen, wir handeln konsequent anders als andere Sozialarbeiter, die die

vielleicht im Jugendzentrum oder sonst wo kennengelernt haben (1s) Wo man

ja immer als Sozialarbeiter auch so ein Stück weit der gute Kamerad sein mag 355

00:24:13-0

I: Mhm 00:24:13-0

B2: Die Linie fahrn wir nicht. Also hier wird erstmal mit Offenheit agiert, aber 360

auch mit Konsequenzen. Die Rückmeldung die wir bekommen, ich bin in 25

Jahren genauso wenig einmal bedroht worden wie meine Kollegen. Auch

wenns für Leute am Schluss da geendet hat, wovor wir immer die Leute

gewarnt haben, nämlich dass wir auch nichts anderes mehr sagen konnten, als

dass es keine erzieherischen Hilfestellungen, Maßnahmen, ambulante 365

Angebote mehr gibt, sondern dass es letztendlich nur hilft, dass jemand zwei

Jahre in den Jugendknast geht. Und ich denk, das ist zum einen die Offenheit

was die Konsequenz anbetrifft, dass wir mit offenen Karten spielen, dass wir

versuchen die Personen ernst zu nehmen. Wenn man die Personen ernst

nehmen, müssen wir halt auch nachfragen. Dann müssen wir auch ein Stück 370

weit dran interessiert sein, was der einzelne für nen Background hat. 00:25:08-

1

I: Mhm 00:25:09-2

90

375

B2: Und müssen auch versuchen zu verstehen, warum der so handelt. Nicht um

es zu entschuldigen, sondern um es vielleicht erklären zu können und dass das

Ganze dann vielleicht auch ein bisschen relativiert wird. 00:25:38-5

I: Ja (2s) Hm an dieser Stelle würde ich gerne ganz kurz nochmal auf das 380

Konzept Ihrer Abteilung zurückkommen. Können Sie einfach nochmal

skizzieren, was darin festgehalten ist? 00:25:38-5

B2: Gut der Überbegriff ist halt Jugendgerichtshilfe ist keine Verwaltung von

Jugendkriminalität, sondern das ist ein Stück weit Beziehungsarbeit und aus 385

diesem Begriff Beziehungsarbeit leiten wir das ab, was ich gerade gesagt hab.

Ich kann Beziehungsarbeit nur leisten, wenn beide Seiten gewillt sind ein Stück

von sich preis zu geben. Ich werd als Sozialarbeiter logischerweise mein

Privates nicht nach außen kehren im Umgang mit Klienten, aber er hat ein

Recht drauf mir, soweit das dienstliche Belange betrifft, alles zu erfahren. Und 390

auch schonungslos zu erfahren. Er soll ja auch ein stückweit dran gewöhnt

werden, was für Spielregeln gelten und da hilft halt nur Offenheit. Aber dann

halt auch auf der Kehrseite der Versuch IHN zu verstehen (3s) Das soll keine

Einbahnstraße sein was hier abläuft zwischen Klient und Sozialarbeiter. Das

mündet dann halt auch in diesen ambulanten Angeboten, was wir dort machen. 395

Dass wir halt in der sozialen Gruppenarbeit mit denen erlebnispädagogische

Wochenenden machen, wo es sonnenklar ist, dass nicht nur die Jungs abends

spülen gehen, sondern auch die Herren Sozialarbeiter mal das schmutzige

Geschirr mal abräumen und dass wir uns die Zelte nicht aufbauen lassen,

sondern dass wir das alle zusammen aufbauen. Dass wir ZUSAMMEN Boot 400

fahren und dass es nicht so ist, dass die Sozialarbeiter in einem sitzen die es

eh können und die Jungs fallen ständig ins Wasser, sondern dann nehmen wir

uns halt nen Jungen dazu und wenn wir reinfallen, dann haben wir beide im

Wasser gelegen. Sowas schmiedet zusammen ((lacht)) 00:27:25-7

405

I: Ja ((lacht)) (4s) Gibt es jetzt von Ihrer Seite gerade noch Ergänzungen oder

Wünsche, irgendein Bereich der jetzt nicht angesprochen wurde, den Sie aber

als wichtig empfinden, was da noch reingehört? 00:27:37-4

91

B2: Hm schwierig (3s) da hab ich jetzt gerade so nichts greifbar (3s)00:27:50-0 410

I: Ja (2s) 00:27:50-0

B2: Also ich mein, das war natürlich jetzt, ich sag mal so beschrieben wie der

Idealfall laufen sollte. Aber da wo viel gearbeitet wird, läuft auch manches Mal 415

etwas anders. Also ich hab das jetzt ziemlich idealistisch und ideal geschildert.

Wir versuchen das anzustreben. Es ist auch mal ein Fall dabei, wo es nicht

klappt, wo die Chemie nicht stimmt zwischen Sozialarbeiter und Jugendlichem,

da müssen wir halt schauen, ob wir den Sozialarbeiter austauschen, den

Jugendlichen können wir nicht austauschen (1s) Ja es ist ein Bemühen, 420

orientiert an unseren Grundsätzen zu arbeiten und dem Thema Rechnung zu

tragen. 00:28:33-7

I: Mhm ja. 00:28:31-4

425

B2: Also ansonsten klingt das wieder so, ja wir sind die perfekten Sozialarbeiter.

Wir tragen ja auch hier unsere internen Konflikte aus 00:28:40-3

I: Ja 00:28:40-3

430

B2: Also es soll keiner glauben dass es zwischen Sozialarbeitern keine

Konflikte gibt und äh ja ((lacht)) Aber sonst hab ich spontan keine Idee was ich

da noch sagen könnte. 00:28:56-0

I: Mhm ja okay (2s) 00:28:57-0 435

B2: Das wars schon? 00:29:00-5

I: Das wars schon, ja. Vielen Dank dafür. 00:29:01-3

440

B2: Prima. Ja ich hoff, dass Sie davon was gebrauchen können.

92

Transkript zu Interview 3

Leitgedanke: Welche Sichtweisen gegenüber benachteiligten jugendlichen

Migranten bestehen bei SozialpädagogInnen unterschiedlicher Einrichtungen?

5

Abkürzungen: I= Interviewerin, B3= Befragte 3

I: Inwieweit sind Ihrer Meinung nach jugendliche Migranten benachteiligt und wo

sehen Sie die Ursachen dafür? 00:00:17-9 10

B3: Hm (3s) Also so ganz allgemein gesprochen (3s) Das Problem ist ja, dass

wir jetzt hier im Stadtteil gar nicht so viele jugendliche Migranten haben und ich

denke tendenziell letztlich ist es oftmals ne Frage von Schicht und Bildung. Also

ich denk so dieser Überbegriff ‚jugendliche Migranten‘ erfasst ja dann auch gar 15

nicht in ihrer Gesamtheit alle Menschen. Da gibts denk ich mir aus bestimmten

Ländern Migranten, die wunderbar, ich sag mal integriert sind, in der

Zwischenzeit. Die dritte, vierte Generation, die Abitur macht, und wo die Eltern

sich ein Einfamilienhaus irgendwo gekauft haben ((lacht)) Und dann gibts eben,

ich sag mal die Gruppe von Migranten, die dann oft auch mal negativ in der 20

Presse auftauchen mit den entsprechend negativen Politikern wie der Sarrazin.

In Neu-Kölln zum Beispiel sag ich mal, die dann ganz andere Probleme haben.

Das wird ja dann auch so immer diskutiert, was ist es jetzt. Hat es was mit der

Migration zu tun, hat es was damit zu tun, dass es Ausländer sind, hat es was

mit der Schicht zu tun, wo die Leute herkommen. 00:01:35-1 25

I: Mhm 00:01:35-1

B3: Und ich tendiere denk ich mir (2s) also ich tendiere schon eher auch dazu

zu sagen, es hat AUCH was mit Schicht zu tun und es hat natürlich AUCH was 30

letztendlich dann irgendwann mit dem Milieu zu tun, in dem man aufwächst und

in dem man sozialisiert wird. Und in dem Leute sozusagen auch konzentriert

werden. Und hier in D-Stadt hat man das ja ein Stück weit am ehesten noch in

K-Stadtteil und in E-Stadtviertel. Wobei jetzt hier in der W-Siedlung hier auch

93

Migranten wohnen, also leben. Gezielt hier für die A-Siedlung kann man das 35

nicht sagen, wobei hier ja viele Sinti-Familien wohnen oder so genannte

jenische, also so Wanderfamilien, die letztendlich ja auch ausgegrenzt und

stigmatisiert wurden. 00:02:26-7

I: Mhm 00:02:25-3 40

B3: Die auch nicht, ich sag mal in Anführungszeichen als "Deutsche"

empfunden worden, obwohl die Sinti-Familien deutsche Sinti-Familien sind, die

über Jahrhunderte schon hier in Deutschland leben, nur eben halt nicht so, wie

man es gerne hätte (3s) und ja (4s) 00:02:47-5 45

I: Ja (3s) Jetzt haben Sie auch das "Integriert"-Sein angesprochen. Was

verstehen Sie denn unter einer gelungenen Integration in Anführungsstrichen,

jetzt so auf die Lebenssituation der Jugendlichen? 00:03:02-4

50

B3: Ne gelungene Integration? Du liebes bisschen ((lacht)) Das ist ja auch

immer ganz schwierig [I: Ja] ((lacht)) 00:03:05-0

I: ((lacht)) 00:03:05-0

55

B3: Da gibts ja dann auch im Moment ganz unterschiedliche Theorien von (2s)

also muss es überhaupt Integration sein. Ich denk der Begriff "Integration" ist ja

in sich auch schon immer sehr kontrovers diskutiert und es geht im Moment ja

auch alles in diese Richtung Inklusion (1s) Vielfalt, dass jeder sozusagen so

sein darf wie er ist. Und trotzdem an den wichtigsten Dingen des Lebens 60

partizipiert. Also ich denke ne gelungene Integration wär für mich, wenn jemand

Grundvoraussetzungen erwirbt, hier in Deutschland, um, sag ich mal, an den

Dingen die in einer Gesellschaft und zum Leben wichtig sind, teilhaben kann.

Also sprich, entsprechende Bildung, um ja am Leben teilnehmen zu können und

arbeiten zu können, was eben nach wie vor und egal wie man es bewertet, ein 65

wichtiger Faktor hier bei uns ist. Der ja auch wiederum Wohlstand verspricht

und damit dann wieder Teilhabe. Ja so (1s) 00:04:10-2

94

I: Ja 00:04:10-2

70

B3: Und ob der dabei in die Moschee geht oder in die Synagoge, das ist dann

relativ unwichtig. Also ich denk man muss schon gucken, dass man Räume

lässt, in denen die Menschen auch noch die sein können und dürfen, die sie

sind. Und trotzdem die Möglichkeit haben, an dem was die Gesamtgesellschaft

für wichtig erachtet, auch teilhaben zu können. Dazu gehört zum Beispiel auch 75

Sachen wie freie Wohnungswahl. Also das bestimmte Gruppen nicht in

irgendwelchen Räumen, Wohnräumen, konzentriert werden. 00:04:50-9

I: Mhm 00:04:49-1

80

B3: Und da dann unter Umständen auch aus bestimmten

Benachteiligungssituationen nicht mehr rauskommen (3s) Zum Beispiel wie hier

in der A-Siedlung. Die Adresse A-Siedlung öffnet nicht gerade den Weg zur

Deutschen Bank ((lacht)), um das jetzt mal so ein bisschen provokant zu sagen.

Und das hat ja nichts damit zu tun, dass die Jugendlichen hier dümmer sind 85

oder weniger Intelligenz hätten, also ja (6s) 00:05:14-7

I: Mhm. Ja jetzt gibts ja eben auch in der Gesellschaft, wie schon

angesprochen, Zuschreibungen, Stigmatisierungen, wenn man vielleicht aus

nem bestimmten Wohniertel kommt. Oder was da auch noch alles mit reinspielt. 90

Denken Sie, inwiefern steht die Soziale Arbeit unter diesem Einfluss von

gesellschaftlichen Sicht- und Umgangsweisen, jetzt in Bezug auf diese

Zielgruppe benachteiligte Jugendliche? 00:05:44-1

B3: Hm (4s) Also ich denk dadurch, dass Soziale Arbeit von, ich sag mal 95

Menschen ausgeübt wird, die natürlich dem Einfluss von allen möglichen

Faktoren auch ausgesetzt sind (1s) steht natürlich Soziale Arbeit immer in

direktem Einfluss auch von gesellschaftlichen Meinungen. Ich denk,

professionell ist dann zu gucken, was ist das was ich da gerade denke. Also ist

das tatsächlich fachlich oder ist das gerade meine eigene, also sind das meine 100

eigenen Vorurteile. Also ich denk wichtig für MICH in der Sozialen Arbeit als

Sozialarbeiter, ist immer das selbstreflexive Moment, das austauschende

95

Moment, dass man einfach mit Kollegen sozusagen auch in Kontakt steht. Um

immer wieder zu überprüfen, ist das jetzt Käse, was ich da gerade fabriziere

oder hat das irgendwie Sinn und eben halt den theoretischen Hintergrund zu 105

haben. 00:06:55-3

I: Ja 00:06:53-5

B3: Also sozusagen in der wissenschaftlich-theoretischen Fachdiskussion 110

einfach zu sehen, bin ich da gerade irgendwie am Puls dieser Diskussion oder

denk ich da komplett dran vorbei (2s) Und ich denk was viel stärker ist, in der

Sozialen Arbeit sozusagen, immer in diesem Kontext steht von staatlichem

Erfüllungsauftrag. Weil der steht letztlich ja oft dahinter. Also wenn ich

Gemeinwesenarbeit ausübe, gibts auf der einen Seite mein Finanzieren, 115

nämlich die Stadt zu nem großen Teil. D-Stadt hat natürlich, ich sag mal als

Stadt, ne gewisse Erwartung an das was sie für Soziale Arbeit hält, was ich zu

erfüllen hab. Ich hab aber unter Umständen ne ganz andere Auffassung davon,

was ich für richtig halte ((lacht)) 00:07:45-4

120

I: Ja 00:07:45-4

B3: Und was mein Auftrag ist und da muss man glaub ich immer ganz genau

gucken (2s) ja auf welcher Seite steht man. Manchmal kann man auf gar keiner

Seite stehen, sondern steht in der Mitte und wo (1s) werden da unter

Umständen meine Klienten auch noch entsprechend gut, in Anführungszeichen, 125

versorgt. 00:08:09-2

I: Mhm 00:08:09-2

B3: Oder wie kann ich mit diesem Doppelauftrag umgehen (3s) 00:08:13-6 130

I: Ja (3s) Haben Sie da vielleicht ein Beispiel für? 00:08:23-7

B3: Mhm. Also ich sag mal so, Gemeinwesenarbeit hat ja schon immer den

Auftrag, Leute zu beteiligen. Das ist ja eine so dieser Kardinalsaufgaben von 135

Gemeinwesenarbeit. Und da Gemeinwesenarbeit sich sehr häufig ja auch in

96

Quartieren aufhält mit Menschen, die sag ich mal, nicht so gute

Zugangschancen haben oder die vielleicht auch nicht genau wissen, aus

Erfahrung der politischen Bildung, wie man sich korrekt in irgendwelchen

Gremien aufhält und äußert, versuchen wir auf niedrigschwellige Art einfach zu 140

gucken, wie kann man die Menschen beteiligen an den Dingen, die sie

betreffen. Und gucken auch, was sind für Bedarfe im Quartier. Und das kann

durchaus auch mal ne politische Komponente haben und das kann auch

durchaus mal sein, dass das entgegen der offiziellen Stoßrichtung geht.

00:09:14-4 145

I: Mhm 00:09:14-7

B3: Also ich kann ein kleines Beispiel nennen. Hier in der Siedlung gabs nen

kleinen Aufstand über die Situation, dass die Horte mittel- bis langfristig 150

geschlossen werden sollen. Also auch den Hort hier in der Siedlung, den die

Leute für die Leute ganz wichtig für sich und ihre Kinder erachten. Wo sie über

Jahrzehnte und Generationen selber ja auch schon durchgelaufen sind. Kita,

Hort und ähm (2s) dann gesagt haben, wir finden es aber wichtig, dass gerade

für unsere Kinder hier in der Siedlung ein Hort da ist und die nicht in die 155

Grundschulbetreuung gehen. Insbesondere Kinder, die tendenziell in der

Grundschule schon Probleme oftmals bekommen. Nicht wirklich mit ihrer

Bildung, aber mit ihrem Verhalten. Die dann auch noch in die Betreuung in die

Schule zu schicken, ob das wirklich so ne gute Idee ist (2s). Und das haben sie

an Gemeinwesenarbeit herangetragen und ich seh es durchaus als meine 160

Aufgabe, Menschen darin zu unterstützen sich in ihrem Protest auch zu

artikulieren. Was wir dann auch gemacht haben. Was dann dazu geführt hat,

dass die Stadt relativ empört war und gesagt hat, 'Wie könnt ihr, ihr wisst doch,

wir planen gerade die Grundschulbetreuung, die können doch dahin gehen.

Das hättet ihr doch sagen müssen den Leuten.' Und wo ich sage, ne, das ist 165

nicht meine Aufgabe hier städtische Positionen zu vertreten. Meine Aufgabe

wäre es im weiterführenden Prozess zu sagen, ‘Hier Stadt, wir haben ne

Bewohnerversammlung einmal im Vierteljahr und das ist ein toller Ort, kommt

und erklärt den Leuten, warum das in der Zukunft nicht anders sein wird und

warum ein Hort unter Umständen in der Zukunft nicht mehr existiert und ihr die 170

97

Grundschulbetreuung bevorzugt. Und ich geb euch den Raum und ich versuch

zu vermitteln zwischen Bewohnern und Stadt dann in einem NÄCHSTEN

Schritt. Aber es ist nicht meine Aufgabe, städtische Positionen zu vertreten‘.

Und das sieht die Stadt unter Umständen auch anders, weil sie sagt, 'Wieso, wir

bezahlen Gemeinwesenarbeit in dem Quartier, wir möchten hier gefälligst auch, 175

dass da in unserem Sinne agiert wird.' 00:11:24-6

I: Ja 00:11:24-6

B3: Das ist so ein Beispiel für dieses Spannungsverhältnis in dem man steht. 180

Und ich denke, dass haben viele an vielen Orten und ist jetzt nicht unbedingt

spezifisch in der Gemeinwesenarbeit. 00:11:34-4

I: Mhm (3s) ja (3s) Jetzt haben Sie im Bereich der Gemeinwesenarbeit nicht

speziell nur jugendliche Adressaten. Lässt sich trotzdem dazu etwas sagen, wie 185

sich die Arbeit mit dieser Gruppe gestaltet? 00:11:56-2

B3: Also Gemeinwesenarbeit richtet sich natürlich an alle, aber es ist nicht so

sehr zielgruppenspezifisch. Also ich hab natürlich auch Projekte, die ich mit

Jugendlichen durchführe, das haben wir jetzt gehabt. Da haben wir ne 190

Beteiligung an der Spielplatz- und auch Raumsituation gemacht mit Mädchen,

mit Teenagermädchen. 00:12:21-4

I: So ne Art Sozialraumanalyse? 00:12:21-8 00:12:20-8

195

B3: Genau, das war so ne kleine Sozialraumanalyse. Also es ging schon

konkret darum, dass die Mädchen immer gesagt haben, für uns gibt‘s hier keine

öffentlichen Orte. Also es gibt im öffentlichen Raum keine Orte für uns. Das

einzige was ist, ist der Bolzplatz sozusagen. Und dann haben wir halt gesagt

ok, nachdem das also die Spielplatzplanerin auch bemerkt hat und gesagt hat, 200

wo gehen eigentlich die Mädchen hier hin in der Siedlung. Da hab ich gesagt ok

gut, dann gucken wir einfach mal, was sagen die Mädchen denn dazu und wie

sieht das aus. Und dann haben wir unter drei Aspekten so ne Nadelmethode

gemacht. Weils so kalt war, wollten sie nicht raus, sonst hätten wir auch ne

98

Stadtteilbegehung machen können ((lacht)) also so ne Siedlungsbegehung. 205

Und das war schon super, weil die haben wirklich 20 Minuten ganz konzentriert

gearbeitet an dem Plan. Haben ganz genau auch benannt, wo gehen sie hin,

wo gehen sie nicht hin, was brauchen sie und wo soll das stehen. Und das war

ganz gut. Also da gabs zum Beispiel ne Aktion mit Jugendlichen. 00:13:31-9

210

I: Ja, aha 00:13:37-2

B3: Also so Einzelaktionen, das kann schon immer mal vorkommen. Oder klar

sind bei Bewohnerversammlungen die Jugendlichen natürlich auch eingeladen.

Von Kindern über Jugendliche können alle kommen und irgendwie ihre 215

Meinung sagen oder sich beteiligen. Wir wollen jetzt auch für einen neu

gegründeten Bewohnerarbeitskreis auch eine Wahl machen, also ne

Bewohnerwahl. Und dann haben wir alle beschlossen, wir möchten dass ab 16

gewählt wird. Also das heißt im Prinzip, es können sich jetzt auch Jugendliche

sich hier als Bewohnervertreter aufstellen lassen. 00:14:27-5 220

I: Hm 00:14:25-8

B3: Ja genau, das sind so Prozesse, die dann auch mit Jugendlichen

stattfinden. 00:14:43-6 225

I: Mhm (5s) Hm, gibt es denn ein bestimmtes Konzept für die Arbeit, einen

Ansatz in der Arbeit mit bestimmten Zielgruppen? 00:15:33-8

B3: Hm also da muss ich gerade mal überlegen (4s). Also 230

Gemeinwesenarbeitskonzepte, also die, da kannst du im Prinzip sozusagen

ganz Darmstadt mit vollpflastern ((lacht)) 00:15:27-0

I: Ok ((lacht)) 00:15:27-2 00:15:26-5

235

B3: Also es gibt einfach ganz viel. Aber also es ist ein Stück weit Zielgruppe

EHER im Sinne von benachteiligten Menschen oder Menschen in

benachteiligten Lebenssituationen. Das ist oft Zielgruppe von

99

Gemeinwesenarbeit, wobei auch nicht ausschließlich. Aber oft findet man

Gemeinwesenarbeit tatsächlich in Bereichen, in denen Menschen in 240

benachteiligten Lebenssituationen leben. Und in diesem Sinne, ob groß oder

klein, alt oder jung, Migrant oder Nicht-Migrant, Frau oder Mann, ist sozusagen

dieses die Zielgruppe, auf die sich unsere Arbeit auch richtet. 00:16:30-8

I: Ja 00:16:30-8 245

B3: Und ein Leitziel von Gemeinwesenarbeit ist wie gesagt immer auch die

Beteiligung der Menschen an den Dingen, die sie betreffen. Also sprich, ihr

komplettes Lebensumfeld. Das kann Wohnen sein. Gemeinwesenarbeit hat ja

ursprünglich mal sozusagen mit, ich sag mal engagierten Bewohnern aus 250

vornehmlich Obdachlosensiedlungen, so ein Stück weit so wie hier auch (3s).

Heute sind es unter Umständen ganz andere Themen, weil in der Regel

Sanierungen einfach auch stattgefunden haben. Das kann unter Umständen

auch Bildung bedeuten oder eben halt Betreuungs- und Hortsituationen, was ja

auch wiederum was mit der Situation von Alleinerziehenden zu tun hat, was mit 255

der Situation von Frauen zu tun hat. 00:18:03-5

I: Mhm 00:18:08-3

B3: Frauen sind sowieso in der Regel der Motor von Stadtteilentwicklung, weil 260

die in der Regel ganz oft diejenigen sind, die sich engagieren. Weil die

diejenigen sind, die in der Siedlung die meiste Zeit verbringen oft mit ihren

Kindern (3s) Und das ist auch heute noch so ein Thema. Frauen sind auch hier

und heute noch diejenigen, die am ehesten anzusprechen sind. Und die auch

am ehesten kommen und ihre Bedürfnisse und Bedarfe artikulieren (4s) 265

00:19:09-6

I: Mhm ja (5s) Und in der Zusammenarbeit mit den Siedlungsbewohnern, mit

den Jugendlichen oder eben Adressaten dieser Arbeit allgemein, gibt es da

auch bestimmte Barrieren oder Schwierigkeiten? 00:20:10-2 270

B3: Schwierigkeiten (2s) Also was ganz am Anfang ein bisschen war, als ich

100

hier anfing vor zwei Jahren (1s) Hier gibts ja Gemeinwesenarbeit noch nicht so

lang. In der R-Straße gibts die schon fast 40 Jahre und hier erst zwei. Also die

A-Siedlung hatte da so ein bisschen geblockt über Jahrzehnte hinweg auch. 275

Und als ich kam hat die Bewohnervertreterin hier zu mir gesagt, 'Naja, du weißt

schon, dass wir hier keine Gemeinwesenarbeit WOLLEN'. Also es war erstmal

so ein Stück Vorurteile abzubauen oder das Urteil vielleicht so ein bisschen zu

korrigieren. 'Gemeinwesenarbeit wollen wir nicht', weil eigentlich letztendlich

auch ganz klar war, dass kein Mensch weiß, was Gemeinwesenarbeit eigentlich 280

ist. Es war halt nur klar, man wills nicht ((lacht)) 00:21:12-3

I: Mhm 00:21:10-8

B3: Vor zwei, drei Jahren hat ja die Stadt mit den Sanierungen hier auch von 285

den Gebäuden begonnen. Also das Gemeinschaftshaus ist ja saniert worden,

Kindertagesstätte komplett neu mit Krippenplätzen gebaut worden,

Jugendzentrum wird jetzt noch erneuert. Also die Stadt hat gesagt, wir möchten

aber, dass hier Gemeinwesenarbeit reinkommt, die an der Entwicklung dieser

Siedlung hier mitarbeitet. Und wir denken eben, dass Gemeinwesenarbeit das 290

Instrument ist, mit dem Stadtteil- oder Siedlungsentwicklung vorangetrieben

werden kann. Insofern wars halt einfach so, dass ich da war. Und ja, da galts

auch erstmal Vorurteile auch abzubauen. Aber ich hab das Gefühl, dass das

sich in der Zwischenzeit ganz gut etabliert hat. Also das diese Vorbehalte in der

Form so jetzt an sich nicht mehr sind. 00:22:27-0 295

I: Ja 00:22:27-1

B3: Und dass man natürlich immer mal persönlich mit dem einen oder anderen

besser kann oder natürlich auch Erwartungen geweckt werden, vielleicht bei 300

Menschen, die sich dann beteiligen in irgendwelchen Themen. Oder dass sie

vielleicht das Gefühl haben, sie sind da nicht richtig vertreten worden oder sie

konnten ihre Meinungen nicht richtig sagen. Das hatte vielleicht auch etwas mit

mir zu tun, auch wie ich agiert habe. Ist halt immer schwierig, es lassen sich

nicht immer alle Erwartungen erfüllen. Aber (3s) tendenziell wüsst ich jetzt 305

erstmal keine größeren Schwierigkeiten oder Barrieren. 00:23:54-0

101

[...]

I: Gibt es denn noch Ergänzungen oder Wünsche Ihrerseits, was jetzt noch 310

nicht angesprochen wurde oder wo Sie denken, das sollte vielleicht noch

erwähnt werden. 00:25:51-4

B3: Hm, so spontan (4s) Also so ganz allgemein bezogen auf

Gemeinwesenarbeit, würde ich mir wünschen, dass das besser finanziert 315

würde. Weil das ist ja ein Bereich so in der Sozialen Arbeit, der zwar im

Moment so in unterschiedlichen Ausprägungen in aller Munde ist. Jeder schreit

nach Stadtteilentwicklung und Gemeinwesenarbeit und Stadtteilarbeit. Es wird

ja oft auch so ganz synonym so ganz unscharf benutzt und die Stadt will ja

auch Gemeinwesenarbeit und will ihre Siedlungen und Quartiere entwickeln. 320

Aber es wird halt echt kaum Geld dafür gegeben. Das ist glaub der Bereich in

der Sozialen Arbeit, der am schlechtesten rückfinanziert ist. Und das täte

wirklich, also ich sag mal ich arbeite hier offiziell mit ner halben Stelle in der

Gemeinwesenarbeit. Und das ist halt echt nicht viel. Das heißt, wir haben

nahezu,also auch eigentlich überhaupt keine Ressourcen für Projekte, für 325

Aktivitäten. Das muss immer so billig wie möglich gemacht werden. 00:28:01-6

I: Mhm 00:28:01-6

B3: Also ich würde mir wünschen, dass der Wert dieser Arbeit, auch allgemein 330

der Sozialen Arbeit, besser erkannt würde und besser finanziert würde und

dass er besser bezahlt würde. Ich mein, man leistet wirklich ne riesen Arbeit,

die gesellschaftsrelevant ist und bezahlt schlechter als ein Facharbeiter

((lacht)). Ja gut (2s) das ist so das, was ich mir so allgemein gesprochen

wünschen würde. 00:28:56-0 335

I: Ja (5s) okay (3s) Dann vielen Dank an dieser Stelle.

340

Erklärung

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig erstellt und keine

anderen als die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe.

Soweit ich auf fremde Materialien, Texte oder Gedankengänge zurückgegriffen

habe, enthalten meine Ausführungen vollständige und eindeutige Verweise auf

die Urheber und Quellen.

Alle weiteren Inhalte der vorgelegten Arbeit stammen von mir im

urheberrechtlichen Sinn, soweit keine Verweise und Zitate erfolgen.

Mir ist bekannt, dass ein Täuschungsversuch vorliegt, wenn die vorstehende

Erklärung sich als unrichtig erweist.

_____________________ ______________________ Ort, Datum Unterschrift

StudentIn

HauptreferentIn

Ich stimme der Aufnahme dieser Bachelorarbeit in die Bibliothek des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften und Soziale Arbeit zu.

zu

nicht zu

(bitte ankreuzen)

zu

nicht zu (bitte ankreuzen)

Nach Ablauf der Aufbewahrungsfrist

(3 Jahre) soll diese Bachelorarbeit

ausleihbar in die Bibliothek eingestellt

werden.

Ja

Nein (bitte ankreuzen)

__________________________

Unterschrift StudentIn

_______________________________

Unterschrift HauptreferentIn