spiegel franzoesischekinder

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Druckerman, 43, ist freie Journalistin, die lang für das „Wall Street Journal“ arbei- tete. Seit vielen Jahren lebt sie mit ihrem englischen Ehemann und drei Kindern in Paris. In ihrem jüngsten Buch beschreibt sie die Eigenheiten des französischen Erziehungsstils*. SPIEGEL: Frau Druckerman, Sie sagen, Ihr Buch hätten Sie geschrieben, weil Ihre kleine Tochter im Restaurant mit Essen um sich geworfen hatte. Was war da los? Druckerman: Wir waren im Sommerurlaub in Westfrankreich, die Kleine war andert- halb. Weil wir in einem Hotel wohnten, aßen wir mittags und abends auswärts. Bald merkten wir: Es ist die Hölle. Unsere Tochter schmiss mit Sachen um sich, krabbelte aus dem Hochstuhl … SPIEGEL: So ist das eben mit kleinen Kin- dern beim Essen. Druckerman: Das dachte ich auch. Aber es war nur mit unserem Kind so. Alle ande- ren Kinder, die französischen nämlich, sa- ßen brav auf ihrem Stuhl. Sie hielten gan- ze Drei-Gänge-Menüs durch. Am Tisch dieser Familien herrschte ein freundlicher, entspannter Ton. Da habe ich mir gesagt: Das will ich auch. Ich will lernen, wie man seine Kinder so erzieht. SPIEGEL: Sind französische Kinder wirklich braver? Druckerman: Ja: Die Atmosphäre in den Familien ist ruhiger, beherrschter. Viele kleine Beobachtungen setzten sich zu die- sem Eindruck zusammen. SPIEGEL: Was für Eindrücke waren das? Druckerman: In der Krippe zum Beispiel sitzen Zweijährige am Tisch und essen Salat, Hauptspeise, Käse und Obst. Wie geht das? Oder die Tobsuchtsanfälle. Ich habe hier in der Öffentlichkeit nie Tob- suchtsanfälle kleiner Kinder gesehen. Nur die meiner eigenen. Warum? SPIEGEL: Vielleicht haben Sie eben ein be- sonders temperamentvolles Kind? * Pamela Druckerman: „Warum französische Kinder kei- ne Nervensägen sind – Erziehungsgeheimnisse aus Paris“. Mosaik Verlag, München; 352 Seiten; 17,99 Euro. Das Gespräch führte die Redakteurin Kerstin Kullmann. Druckerman: So habe ich es mir anfangs auch erklärt. Dass es in dem Kind selbst steckt, wie gut es isst, wie gut es schläft, wie geduldig es warten kann. SPIEGEL: Aber inzwischen hat sich Ihre Meinung geändert? Druckerman: Ja. Die Franzosen, so stellte ich fest, gehen davon aus, dass das richtige Verhalten durch Erziehung zu vermitteln ist. Für mich war das eine Verschiebung der Wahrnehmung. Ich verwendete die nächsten drei Jahre darauf, die Besonder- heiten der französischen Erziehung zu er- forschen. Ich habe systematisch Freunde und Bekannte befragt: „Wie bringt ihr die Kinder ins Bett? Wie macht ihr es beim Essen?“ Und ich habe mich mit Kinder- ärzten, Psychologen, Erziehungsexperten getroffen. Nach und nach habe ich dabei Muster erkannt. SPIEGEL: Eine Studie, die Sie in Ihrem Buch zitieren, zeigt, dass Mütter in Co- lumbus, Ohio, die Elternschaft als doppelt so anstrengend erleben wie Mütter in Rennes, Frankreich … Druckerman: … ja, Vater oder Mutter zu sein ist anscheinend für Amerikaner zur Belastung geworden. Studien zufolge werden amerikanische Paare mit Kindern unglücklicher. Diese Erkenntnis fällt in eine Zeit, in der sich ein neuer Standard in der Erziehung etabliert hat: der behü- tende, intensive Erziehungsstil. SPIEGEL: Sie sprechen von „Helikopter- Eltern“, die ihre Kinder mit ihrer Fürsor- ge umkreisen wie Hubschrauber. Druckerman: Das Phänomen ist etwa 20 Jahre alt, die erste Generation dieser Kin- der wird gerade erwachsen. Jetzt startet die Debatte darüber: War das gut? Haben wir es mit unserer Sorge übertrieben? Für die Eltern lässt sich jedenfalls sagen: Die- se Art zu erziehen ist kein Spaß. SPIEGEL: Auch in Deutschland gilt vieler- orts: Je mehr eine Mutter entbehrt, desto besser sorgt sie für ihre Kinder. Druckerman: In Frankreich fände man die- sen Gedanken absurd. Das Kind muss doch im Umkehrschluss annehmen, das Glück seiner Mutter hänge allein von ihm selbst ab. Das erzeugt zu viel Druck auf beiden Seiten. Hier herrscht die Meinung: Eine unglückliche Mutter kann keine glücklichen Kinder erziehen. SPIEGEL: Vielen Deutschen erscheint der Erziehungsstil der Franzosen als autoritär. Druckerman: Das erlebe ich anders. Ein- fühlungsvermögen ist den Franzosen wichtig. Immer im Gespräch mit dem Kind zu bleiben, seine Gefühle zu ver- stehen, seine Erfahrungen zu begleiten. SPIEGEL: Das werden deutsche und ame- rikanische Eltern kaum anders sehen. Druckerman: Aber die Franzosen vergessen darüber nicht, wo ihre eigenen Grenzen liegen. Nur weil man dem Kind zuhört, muss man nicht tun, was es sagt. Wenn ein französisches Kind sagt: „Ich weiß, wir essen gleich zu Abend, aber ich will Wissenschaft 13/2013 124 SPIEGEL-GESPRÄCH „Klare Grenzen und viel Freiraum“ Französische Kinder essen bei Tisch drei Gänge und lassen Erwachsene ausreden. Wie klappt das? Die amerikanische Autorin Pamela Druckerman hat nach Antworten gesucht. LAURA STEVENS / BULLS PRESS

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  • Druckerman, 43, ist freie Journalistin, dielang fr das Wall Street Journal arbei-tete. Seit vielen Jahren lebt sie mit ihremenglischen Ehemann und drei Kindern inParis. In ihrem jngsten Buch beschreibtsie die Eigenheiten des franzsischen Erziehungsstils*.

    SPIEGEL: Frau Druckerman, Sie sagen, IhrBuch htten Sie geschrieben, weil Ihrekleine Tochter im Restaurant mit Essenum sich geworfen hatte. Was war da los? Druckerman: Wir waren im Sommerurlaubin Westfrankreich, die Kleine war andert-halb. Weil wir in einem Hotel wohnten,aen wir mittags und abends auswrts.Bald merkten wir: Es ist die Hlle. UnsereTochter schmiss mit Sachen um sich,krabbelte aus dem Hochstuhl SPIEGEL: So ist das eben mit kleinen Kin-dern beim Essen. Druckerman: Das dachte ich auch. Aber eswar nur mit unserem Kind so. Alle ande-ren Kinder, die franzsischen nmlich, sa-en brav auf ihrem Stuhl. Sie hielten gan-ze Drei-Gnge-Mens durch. Am Tischdieser Familien herrschte ein freundlicher,entspannter Ton. Da habe ich mir gesagt:Das will ich auch. Ich will lernen, wieman seine Kinder so erzieht. SPIEGEL: Sind franzsische Kinder wirklichbraver? Druckerman: Ja: Die Atmosphre in denFamilien ist ruhiger, beherrschter. Vielekleine Beobachtungen setzten sich zu die-sem Eindruck zusammen. SPIEGEL: Was fr Eindrcke waren das? Druckerman: In der Krippe zum Beispielsitzen Zweijhrige am Tisch und essenSalat, Hauptspeise, Kse und Obst. Wiegeht das? Oder die Tobsuchtsanflle. Ichhabe hier in der ffentlichkeit nie Tob-suchtsanflle kleiner Kinder gesehen.Nur die meiner eigenen. Warum?SPIEGEL: Vielleicht haben Sie eben ein be-sonders temperamentvolles Kind?

    * Pamela Druckerman: Warum franzsische Kinder kei-ne Nervensgen sind Erziehungsgeheimnisse aus Paris.Mosaik Verlag, Mnchen; 352 Seiten; 17,99 Euro.Das Gesprch fhrte die Redakteurin Kerstin Kullmann.

    Druckerman: So habe ich es mir anfangsauch erklrt. Dass es in dem Kind selbststeckt, wie gut es isst, wie gut es schlft,wie geduldig es warten kann. SPIEGEL: Aber inzwischen hat sich IhreMeinung gendert?Druckerman: Ja. Die Franzosen, so stellteich fest, gehen davon aus, dass das richtigeVerhalten durch Erziehung zu vermittelnist. Fr mich war das eine Verschiebungder Wahrnehmung. Ich verwendete dienchsten drei Jahre darauf, die Besonder-heiten der franzsischen Erziehung zu er-forschen. Ich habe systematisch Freundeund Bekannte befragt: Wie bringt ihr dieKinder ins Bett? Wie macht ihr es beimEssen? Und ich habe mich mit Kinder-rzten, Psychologen, Erziehungsexpertengetroffen. Nach und nach habe ich dabeiMuster erkannt. SPIEGEL: Eine Studie, die Sie in IhremBuch zitieren, zeigt, dass Mtter in Co-lumbus, Ohio, die Elternschaft als doppeltso anstrengend erleben wie Mtter inRennes, Frankreich Druckerman: ja, Vater oder Mutter zusein ist anscheinend fr Amerikaner zurBelastung geworden. Studien zufolgewerden amerikanische Paare mit Kindernunglcklicher. Diese Erkenntnis fllt ineine Zeit, in der sich ein neuer Standardin der Erziehung etabliert hat: der beh-tende, intensive Erziehungsstil. SPIEGEL: Sie sprechen von Helikopter- Eltern, die ihre Kinder mit ihrer Frsor-ge umkreisen wie Hubschrauber. Druckerman: Das Phnomen ist etwa 20Jahre alt, die erste Generation dieser Kin-der wird gerade erwachsen. Jetzt startetdie Debatte darber: War das gut? Habenwir es mit unserer Sorge bertrieben? Frdie Eltern lsst sich jedenfalls sagen: Die-se Art zu erziehen ist kein Spa. SPIEGEL: Auch in Deutschland gilt vieler-orts: Je mehr eine Mutter entbehrt, destobesser sorgt sie fr ihre Kinder. Druckerman: In Frankreich fnde man die-sen Gedanken absurd. Das Kind mussdoch im Umkehrschluss annehmen, dasGlck seiner Mutter hnge allein von ihm

    selbst ab. Das erzeugt zu viel Druck aufbeiden Seiten. Hier herrscht die Meinung:Eine unglckliche Mutter kann keineglcklichen Kinder erziehen. SPIEGEL: Vielen Deutschen erscheint derErziehungsstil der Franzosen als autoritr. Druckerman: Das erlebe ich anders. Ein-fhlungsvermgen ist den Franzosenwichtig. Immer im Gesprch mit demKind zu bleiben, seine Gefhle zu ver-stehen, seine Erfahrungen zu begleiten. SPIEGEL: Das werden deutsche und ame-rikanische Eltern kaum anders sehen. Druckerman: Aber die Franzosen vergessendarber nicht, wo ihre eigenen Grenzenliegen. Nur weil man dem Kind zuhrt,muss man nicht tun, was es sagt. Wennein franzsisches Kind sagt: Ich wei,wir essen gleich zu Abend, aber ich will

    Wissenschaft

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    S P I E G E L - G E S P R C H

    Klare Grenzen und viel Freiraum

    Franzsische Kinder essen bei Tisch drei Gnge und lassenErwachsene ausreden. Wie klappt das? Die amerikanischeAutorin Pamela Druckerman hat nach Antworten gesucht.

    LAURA STE

    VENS / BULLS PRESS

  • trotzdem ein Pain au Chocolat, dannantworten die Eltern: Ich verstehe, dassdich das rgert, aber nein, das geht nicht.Punkt. Keine weitere Diskussion.SPIEGEL: Also doch autoritr. Druckerman: Der Ton macht die Musik.Wichtig ist, dass die Eltern zuhren. Diefranzsische Kinderrztin und Psycho-analytikerin Franoise Dolto hat in denSiebzigern den Erziehungsstil der Fran-zosen revolutioniert. Sie sagte: Hrt denKindern zu. Nehmt ihre Wnsche ernst.Schon Babys seien in der Lage, zu kom-munizieren und ihre Eltern zu verstehen.Dolto hat fr die Emanzipation der Kin-der gesorgt. Das beweist auch ein feinerUnterschied in der Sprache. Schimpfteine Mutter mit ihrem Sohn, sagt sie sel-ten: Schlag deinen kleinen Bruder

    nicht. Sondern: Du hast nicht dasRecht, ihn zu schlagen. Sie behandeltihre Kinder als eigenstndige Subjektemit Rechten und Pflichten. SPIEGEL: Welche Rechte zum Beispiel? Druckerman: Ein magisches Rezept fran-zsischer Erziehung ist fr mich der ca-dre, der Rahmen. Das heit, man gibtden Kindern klare Grenzen, aber inner-halb dieser Grenzen haben sie ihren Frei-raum. Ein Beispiel: Es ist Zeit fr die Kin-der, ins Bett zu gehen. Sie mssen in ih-rem Zimmer bleiben. Aber dort knnensie noch ein Weilchen machen, was siewollen. Das bedeutet: auen ein festerRahmen, aber innen Freiheit. Beim Essenist es hnlich. Eine Regel vieler Elternlautet: Du musst von allem probieren.Aber du musst es nicht aufessen.

    SPIEGEL: Haben Sie die franzsischen Erzie hungsrezepte mittlerweile an Ihrendrei Kindern erprobt?Druckerman: Zunchst einmal habe ichmich lange dagegen gewehrt. Es fing schondamit an, dass die Franzsinnen kaumoder nur kurze Zeit stillen.SPIEGEL: Was hatten Sie dagegen?Druckerman: Wir Amerikaner behandelndas Stillen oft wie etwas Heiliges. Nichtzu stillen ist in etwa so schlimm, wie seinKind nicht zu lieben. In Paris dagegensieht man kaum Frauen, die ihr Kind inder ffentlichkeit stillen. Und viele rzte raten, frh das Flschchen zu geben.SPIEGEL: Da leisteten Sie Widerstand. Druckerman: Genau. Es gibt vieles, wofrFrankreich berhmt ist: das Essen, der

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    Eine unglckliche Mutter kann keine glcklichen Kinder erziehen.Pamela Druckerman

  • Wein, die Mode. Aber Erziehung? Davonhatte ich nie gehrt. Es hat gedauert, bises klick gemacht hat. Mein Schlssel -moment war das Essen mit meiner Toch-ter im Restaurant. SPIEGEL: Wie klappt es also, dass die Kin-der so gut essen? Druckerman: Die wichtigste Regel ist sim-pel: Bei Tisch sollten Kinder Hunger ha-ben. Es gibt kaum Snacks zwischendurch.Und das Erste, was sie bei Tisch sehen,ist eine Vorspeise aus Gemse. Also sindsie hungrig und sehen Gemse. Irgend-wann kapituliert da jedes Kind. SPIEGEL: Meist gibt es in Frankreich dreiGnge zu essen. Uns Deutschen erscheintdas ziemlich aufwendig Druckerman: aber wichtig. Wobei es aufdie Reihenfolge ankommt. Serviert manNudeln mit Brokkoli, essen die Kindernur Nudeln. Also trgt man nacheinanderauf. Den Brokkoli als Vorspeise, unddann erst kommt das Hauptgericht. SPIEGEL: Und das klappt? Druckerman: Ja, wenn man konsequentbleibt. Die Gemsevorspeise ist bei unsinzwischen ein fait accompli. Eine Broschre, die die Regierung hier zumThema Kinder und Essen verteilt, rt,viel mit den Kindern ber das Essen zusprechen. Nicht nur: Schmeckt es?Man kann fragen: Findest du das knusprig? Woran erinnert dich dieser Ge-schmack? Man kann Geschmacksspielespielen: verschiedene Apfelsorten anbie-ten und das Kind herausfinden lassen,welche die seste und welche die sau-erste ist. SPIEGEL: Sie waren als Gast in der com-mission menus von Paris. Dort werdendie Mens fr die Krippen zusammen -gestellt. Was haben Sie erlebt?

    Druckerman: Erst einmal dachte ich, diemachen Witze. Da fielen Stze wie:Nein, nein, Tomaten hatten wir schonletzten Monat. Lasst euch was andereseinfallen! Ich habe an diesem Tag dieNamen von mindestens 25 verschiedenenGemsesorten gehrt. Erst als jemandfragte: Sie essen den Spinat nicht, wassollen wir machen?, habe ich gemerkt:Es geht wirklich um Kinder. SPIEGEL: Und was kocht man da so? Druckerman: Ein Menvorschlag fr Kitaslautete: Blaukrautsalat und fromageblanc, dann Seelachs in Dillsauce mitBiokartoffeln langlaise. Der Ksegangwar ein Coulommiers, ein briehnlicherWeichkse. Zum Dessert: Bio-Bratapfel.Eine Ernhrungsberaterin empfahl Suppeaus grnem Salat. Man koche sie abernur mit Kartoffeln, damit der Eigenge-schmack des Salats gut herauskomme. Ichdachte: Ehrlich? Der Eigengeschmack desSalats? So weit gehen die da. SPIEGEL: Sie schreiben, das hufigste Wortfranzsischer Eltern laute: Attends! Warte! Wie erzieht man Kinder zur Geduld?Druckerman: Man bt sie. Endlos. Ein Bei-spiel: Wir unterhalten uns, ein Kindkommt, es unterbricht unser Gesprch,ich sage: Warte, ich unterhalte mich ge-rade. Das Kind unterbricht wieder, ichsage das Gleiche. Noch mal und noch malund noch mal. Man mchte meinen, dassei selbstverstndlich. Ist es aber in vielenFamilien nicht. Eine Studie rechnetekrzlich vor, dass amerikanische Elternalle zwei Minuten von ihren Kindern un-terbrochen werden.SPIEGEL: Viele Eltern struben sich gegenden Gedanken, dass ihre Kinder nur stillund artig sein sollen.

    Druckerman: Es geht nicht um Artigkeit,es geht um Respekt. Andersherum giltgenauso: Man unterbricht sein Kind nichtohne Not, zum Beispiel, wenn es spielt. SPIEGEL: In Ihrem Buch schildern Sie einberhmtes Experiment des PsychologenWalter Mischel. Er stellte kleine Kindervor die Wahl: einen Marshmallow, derangeboten wird, gleich zu essen; oder einwenig zu warten und dafr noch einenzweiten zu bekommen. Mischel traf dieKinder ber Jahre immer wieder. Es zeig-te sich: Diejenigen, die gewartet hatten,konnten sich besser konzentrieren undkamen in der Schule besser zurecht. Undnoch mehr: Als Erwachsene waren sie so-zial kompetenter, beruflich erfolgreicherund resistenter gegen Frust. Druckerman: Interessant war, dass die Kin-der, die warten konnten, nicht nur da -saen und ins Leere blickten. Sie be-schftigten sich. Sangen ein Liedchen,betrachteten ihre Zehen. Warten zu kn-nen, das muss man ben. Wir amerika-nischen bermtter haben Angst, unsereKinder zu frustrieren. Die Franzosendenken: Ein Kind, das Frust nicht aus-halten kann, wird auf lange Sicht un-glcklich.SPIEGEL: Sie schreiben auch darber, dasskleine Kinder in Frankreich mehr imHaushalt helfen. Druckerman: Ich kenne eine Zweijhrige,die zum Essen die Bltter fr den Salatzupft. Das fnfjhrige Nachbarsmdchenmischt jeden Abend die Salatsauce. DieAnsicht der Eltern ist: In der Kche hel-fen, das verleiht den Kindern Selbst -bewusstsein. Das ist etwas ganz anderes,als seine Kinder nur zu bedienen. SPIEGEL: Was wrde die Amerikanerin inIhnen stattdessen gern tun? Die Kinderins Zimmer schicken, ein Lernspiel ma-chen lassen?Druckerman: Wahrscheinlich. Der Fokusamerikanischer Eltern liegt weniger aufAutonomie. Sie sind sehr auf Sicherheitund Kontrolle bedacht, leiten ihre Kinderbeim Spiel eher an, als sie zu ermuntern,etwas allein zu machen. Dabei zeigenStudien, dass Kinder, die im Haushaltmithelfen, lernen, ein aktiver Teil der Familie zu sein. Das frdert wesentlicheEigenschaften wie die Empathie. SPIEGEL: Sehen Sie dennoch auch Vorteilein der amerikanischen Art zu erziehen? Druckerman: Etwas mehr Zuversicht undOptimismus wrde den Franzosen nichtschaden. Viele Kindergeschichten zumBeispiel enden traurig. SPIEGEL: Zum Abschluss verraten Sie unsjetzt noch, wie es die commission me-nus geschafft hat, den Kindern Spinatschmackhaft zu machen! Druckerman: Oh, ganz einfach. Die Ant-wort lautete: Macht Sauce barnaisedran!SPIEGEL: Frau Druckerman, wir dankenIhnen fr dieses Gesprch.

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    EMMANUEL FR

    ADIN / W

    ALL STR

    EET JO

    URNAL

    Mutter Druckerman, Kinder: Bei Tisch sollten sie Hunger haben