stellungnahme zur mitteilung der europäischen kommission „der

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1. Vorsitzender: Hartmut Röhl 1. stellv. Vors.: Bernhard Strauch Geschäftsführer: 2. stellv. Vors.: Fabian Roberg Hans Jürgen Wahlen Schatzmeister: Michael Katschmanowski Marita Kloster Stellungnahme zur Mitteilung der Europäischen Kommission „Der künftige wettbewerbsrechtliche Rahmen für den KfzSektor“ [KOM (2009) 388 vom 22. Juli 2009] sowie deren Begleitdokumenten vom 22.7.2009 Ratingen, den 25. September 2009 GESAMTVERBAND AUTOTEILE-HANDEL E.V. GESAMTVERBAND AUTOTEILE-HANDEL E.V.

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Page 1: Stellungnahme zur Mitteilung der Europäischen Kommission „Der

1. Vorsitzender: Hartmut Röhl 1. stellv. Vors.: Bernhard Strauch Geschäftsführer: 2. stellv. Vors.: Fabian Roberg Hans Jürgen Wahlen Schatzmeister: Michael Katschmanowski Marita Kloster

Stellungnahme

zur Mitteilung der Europäischen Kommission

„Der künftige wettbewerbsrechtliche Rahmen für den

Kfz‐Sektor“ [KOM (2009) 388 vom 22. Juli 2009]

sowie deren Begleitdokumenten vom 22.7.2009

Ratingen, den 25. September 2009

GESAMTVERBANDAUTOTEILE-HANDEL E.V.

GESAMTVERBANDAUTOTEILE-HANDEL E.V.

Page 2: Stellungnahme zur Mitteilung der Europäischen Kommission „Der

Inhalt

Seite

1 Grundsätzliche Anmerkungen zum Folgenabschätzungsbericht 2

2 Spezielle Problemfelder und Fragestellungen 8

2.1 Bezugsfreiheit der Vertragswerkstätten 8

2.2 Teilevertrieb durch den Teilehersteller, dual branding 8

2.3 Verfügbarkeit von Ersatzteilen des Fahrzeugherstellers (OEM) 10

2.4 Zugang zu technischen Informationen 11

2.5 Missbrauch von Garantiebedingungen, „unentgeltlicher“ Kundendienst 16

2.6 Bedingungen in Verbindung mit Finanzierung, Kauf, Leasing 19

2.7 Ersatzteilbegriffe 20

Anhang 1 21

Anhang 2 30

Anhang 3 33

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Der Gesamtverband Autoteile‐Handel e.V. (GVA) ist der Branchenverband und die politische

Interessenvertretung des freien Kfz‐Teile‐Großhandels in Deutschland. Darüber hinaus spricht er

auch für die rund 2.000 Einzelhändler von Kfz‐Ersatzteilen. Im GVA sind derzeit 150

Handelsunternehmen mit über 1.000 Betriebsstellen und 130 Kfz‐Teilehersteller organisiert.

Der Gesamtmarkt für Pkw‐ und Nutzfahrzeug‐Teile hatte 2008 in Deutschland ein Volumen von rund

22,5 Mrd. Euro. Auf der Reparaturebene verfügt der freie Kfz‐Service‐Markt über einen Anteil von

etwa 35 bis 40 Prozent. Die im GVA organisierten Handelsunternehmen repräsentieren rund 80

Prozent des Umsatzes des freien Kfz‐Teile‐Großhandels – einer rein mittelständisch strukturierten

Branche. Schwerpunkte der Verbandsarbeit sind die Sicherung und der Ausbau des freien Kfz‐

Service‐Marktes als echte Reparaturalternative für den Verbraucher sowie die Wahrung der

Chancengleichheit gegenüber der Automobilindustrie im Ersatzteile‐Handel. Ansprechpartner: Gesamtverband Autoteile‐Handel e.V. Marita Kloster Gothaer Straße 17 40880 Ratingen

Telefon: +49 (0) 21 02 770 77‐0 Telefax: +49 (0)2102 770 77‐17

E‐Mail: [email protected] Internet: www.gva.de

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GVA‐Stellungnahme zum Impact Assessment Report der EU‐Kommission vom 22.7.2009

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1 Grundsätzliche Anmerkungen zum Folgenabschätzungs‐bericht

Der Folgenabschätzungsbericht fußt auf den seit In‐Kraft‐Treten der „Kfz‐GVO“ (EG) Nr. 1400/2002 gewonnenen Erkenntnissen über die Marktentwicklungen auf den Märkten für Neufahrzeugvertrieb und den Anschlussmärkten (Aftersales, Aftermarket). Die Kommission unterscheidet grundlegend zwischen den Märkten für „Instandsetzungs‐ und Wartungsdienstleistungen“ und „Ersatzteilhandel“ einerseits und dem „Verkauf von Neufahrzeugen“ andererseits. Die getrennte Analyse der Wettbewerbsbedingungen auf diesen Märkten führt zu der Feststellung, dass die Märkte für Neufahrzeugvertrieb von einem starken Wettbewerb geprägt sind, während auf den Anschlussmärkten Schranken für einen wirksamen Wettbewerb bestehen, so dass hierdurch letztlich auch Verbraucherinteressen beeinträchtigt werden können.1 Die künftigen Regelungen für den Kfz‐Sektor sollen einerseits die Verwaltungsverfahren vereinfachen und die Befolgungskosten für die betroffenen Unternehmen verringern, müssen aber andererseits eine wirksame Überwachung des Marktes gewährleisten, indem die Wettbewerbsbehörden in die Lage versetzt werden, ihre Ressourcen effizient(er) einzusetzen, „… so dass eine wirksamere Durchsetzung erreicht und die Abschreckungswirkung von Artikel 81 erhöht wird und die wettbewerbspolitischen Ergebnisse verbessert werden. …“2 Dem ist zuzustimmen, und der GVA zeigt in seiner Stellungnahme auf, dass klare Regeln und ergänzende Erläuterungen notwendig sind, um diese angestrebten Effizienzgewinne auf Seiten der Überwachungsbehörden und der betroffenen Unternehmen zu erreichen. Die vorliegende Stellungnahme bezieht sich auf den Anschlussmarkt und hier schwerpunktmäßig auf den Markt für Ersatzteile. Häufig sind die auf dem Anschlussmarkt tätigen autorisierten Werkstätten (Vertragswerkstätten) gleichzeitig Händler von Neufahrzeugen. Deshalb scheint folgender Appell angebracht: Vereinbarungen in Bezug auf den Primärmarkt dürfen die Freiheit der Betriebe in ihrer Eigenschaft als Werkstatt nicht beeinträchtigen. Deshalb appellieren wir an den Verordnungsgeber, die Position der „autorisierten Partner“ gegenüber den Automobilherstellern zu stärken und ihre unternehmerische Freiheit und Unabhängigkeit auch im Rahmen künftiger Regelungen zu garantieren. Die GVA‐Stellungnahme konzentriert sich vor allem auf den Markt für Kfz‐Ersatzteile, der in den wettbewerbsorientierten Analysen als eigenständiger Markt unseres Erachtens intensiver betrachtet werden sollte, denn auf diesem Markt stehen die unabhängigen Teilegroßhändler und die Automobilhersteller in unmittelbarem Wettbewerb. Auf diese spezielle Situation, die den Ersatzteilmarkt ganz wesentlichen vom Neufahrzeugmarkt unterscheidet, werden wir an anderer Stelle zurückkommen. Es besteht kein Zweifel, dass die Kommission sich intensiv mit der Branche beschäftigt, für die sie künftige wettbewerbliche Regeln prüft. Dennoch bitten wir um Beachtung unserer – kurzgefassten – 1 Vgl. Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen, Begleitdokument zur Mitteilung der Kommission „Der

künftige wettbewerbsrechtliche Rahmen für den Kfz‐Sektor, Zusammenfassung der Folgenabschätzung“, SEK(2009)1053 vom 22.7.2009, RZ 4.

2 Mitteilung der Kommission „Der künftige wettbewerbsrechtliche Rahmen für den Kfz‐Sektor“, KOM(2009)388, RZ 8.

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GVA‐Stellungnahme zum Impact Assessment Report der EU‐Kommission vom 22.7.2009

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Beschreibung des Ersatzteilmarktes, womit wir für die speziellen Merkmale dieses Marktes und die Wettbewerbsbedingungen, die dort herrschen, sensibilisieren möchten. Die folgende Abbildung zeigt am Beispiel des Marktes für Pkw‐Ersatzteile in vereinfachter Form, wie die Distribution der Kfz‐Ersatzteile derzeit strukturiert ist. Auf der Produktionsebene befinden sich die Hersteller von Ersatzteilen. Die weitaus meisten Ersatz‐teile (ca. 80 %) werden von Teileherstellern produziert, nur etwa 20 % werden von den Automobil‐herstellern hergestellt. Dies ist ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen dem Neufahrzeugmarkt und dem Ersatzteilmarkt: Auf der Produktionsebene treten – anders als auf dem Neufahrzeugmarkt – nicht nur die Automobilhersteller auf, sondern auch die Teilehersteller (, die oftmals gleichzeitig Zulieferer der Automobilhersteller für deren Fahrzeugproduktion sind). Die Automobilhersteller bieten ihren Vertragspartnern (i.d.R. autorisierte Servicebetriebe/Vertrags‐werkstätten) die selbst gefertigten Ersatzteile unter ihrer eigenen Marke an. Damit sie ihren Vertragspartnern die volle Palette der für die entsprechende Fahrzeugmarke vorgesehenen Ersatz‐teile zur Verfügung stellen können, produzieren die entsprechenden Teilehersteller diese Teile mit dem (zusätzlichen) Markenzeichen des auftraggebenden Automobilherstellers, verpacken sie ggf. in markenspezifischen Kartons und stellen sie dem Automobilhersteller für dessen Vertrieb zur Verfü‐gung. Die Teilehersteller vertreiben ihre Ersatzteile aber auch unter eigenem Namen (ausschließlich mit eigenem Markenzeichen) und verschaffen sich durch diesen zweiten Vertriebsweg etwas mehr Unabhängigkeit von den Automobilherstellern. Auf der Vertriebsebene existiert eine deutliche Trennung zwischen freiem/unabhängigem Teilehan‐del und den Automobilherstellern: Die Automobilhersteller bündeln das eigene und zugekaufte Er‐satzteilangebot für ihre Fahrzeugmarke(n) und beliefern damit ausschließlich ihre autorisierten Part‐ner (selektiver Vertrieb), während der Teilehandel das Ersatzteilangebot vieler Teilehersteller bündelt

EU Markt für Pkw-ErsatzteileProduktion Teilehersteller Fahrzeugher-

steller (AH)

Etikettierung/Verpackung

Vertrieb Freie Teilegroßhändler Automobilhersteller als Großhändler

ReparaturFreie Werkstätten/Pannendienst Händler & autorisierte Servicebetriebe

Verbraucher260 Millionen Autofahrer

z.B.

z.B.

EU Markt für Pkw-ErsatzteileProduktion Teilehersteller Fahrzeugher-

steller (AH)

Etikettierung/Verpackung

Vertrieb Freie Teilegroßhändler Automobilhersteller als Großhändler

ReparaturFreie Werkstätten/Pannendienst Händler & autorisierte Servicebetriebe

Verbraucher260 Millionen Autofahrer

z.B.

z.B.

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und dabei auch konkurrierende Ersatzteilangebote – etwa unterschiedlicher Qualität3 und/oder unterschiedlicher Preise – zusammenstellt. Das Angebot des freien Teilehandels richtet sich an alle, die auf der Reparaturebene tätig sind, insbesondere unabhängige Werkstätten und Vertragswerk‐stätten. Das Angebot des freien Teilehandels umfasst grundsätzlich Ersatzteile für alle Fahrzeuge, nicht jedoch die eingangs erwähnten von den Automobilherstellern selbst hergestellten Teile und die Teile, die zwar von Teileherstellern produziert, aber dennoch „captive“ sind.4 Unabhängige Teilehändler konkurrieren auf der Vertriebsebene einerseits mit dem Vertrieb der Automobilher‐steller (jeweils bezogen auf die Ersatzteile ihrer Fahrzeugmarke), andererseits aber auch unterein‐ander. Dieser Wettbewerb sorgt bislang dafür, dass monopolistische Angebots‐ und Preisstrukturen sich nicht in größerem Maße entwickeln konnten. Auf der Reparaturebene konkurrieren die freien Werkstätten und die Vertragswerkstätten um die Gunst der Autofahrer (bzw. im kommerziellen Bereich z.B. der „Flottenmanager“). Dabei kommt ihnen der Wettbewerb auf der vorgelagerten Handelsstufe zugute: Sie können weitgehend von wett‐bewerbskontrollierten Ersatzteilpreisen profitieren und erzielte Einkaufsvorteile an ihre Kunden weitergeben.5 Von dieser Situation können Vertragswerkstätten mehr profitieren als ihre unabhängigen Wettbewerber: Sie können aus einem breiten Ersatzteilangebot verschiedener Lieferanten (nämlich ihrer Vertragsmarke sowie alternativ dem Angebot der Teilehersteller im freien Teilehandel) auswählen und erhalten die „captive parts“ ihrer Vertragsmarke vom Automobil‐hersteller. Unabhängige Werkstätten genießen diesen Vorteil nicht: Sie können diese Ersatzteile nicht vom Automobilhersteller beziehen, sondern müssen als Versorgungsquelle i.d.R. auf den Kollegen der Vertragswerkstatt zurückgreifen. Der freie Teilehandel hat traditionell gegenüber den freien Werkstätten die Aufgabe übernommen, ihnen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die sie im Wettbewerb gegenüber den Vertragswerkstätten stärken. Dazu gehören ganz wesentlich Instrumente, welche die Identifikation benötigter Ersatzteile unterstützen (Ersatzteilkataloge mit einem Ersatzteilangebot für alle Fahrzeugmarken), und weitere technische Informationen, die etwa für Diagnose‐ und Reparaturprozesse benötigt werden.6 Die Rolle des „Problemlösers“ ist aus Gründen, die insbesondere in Kapitel 2.4 dargelegt werden, zunehmend schwieriger wahrzunehmen mit der Konsequenz, dass dem „freien“ Markt immer mehr Freiheit verloren geht. Auf der Verbraucherebene sollen die Kunden frei wählen können, wie, wo und womit sie ihr Fahr‐zeug reparieren lassen. Die Automobilhersteller haben zahlreiche Instrumente entwickelt, die ihre Vertragspartner in die Lage versetzen sollen, den Kunden spezielle Services anzubieten und sie an sich zu binden.7

3 Darunter ist jedoch keinesfalls zu verstehen, dass Ersatzteile etwa notwendige gesetzliche Anforderungen

nicht erfüllten. Die angebotenen Ersatzteile können eine bessere Qualität als die von den Automobilherstel‐lern angebotenen aufweisen; sie können dieselbe Qualität haben – zumal wenn sie von demselben Teileher‐steller produziert wurden; sie können aber auch in dem Sinne eine abweichende Qualität haben, dass sie etwa nicht so lange haltbar sind wie konkurrierende Teile (Beispiel: Ein Schalldämpfer für ein 10 Jahre altes Auto muss natürlich alle gesetzlichen Vorschriften bzgl. der Emissionen etc. erfüllen; sofern der Verbraucher das Auto aber nicht noch 10 Jahre lang fahren will, reicht es ggf. aus, eine Qualität zu verwenden, bei der der Schalldämpfer vielleicht nach 5 Jahren zu rosten beginnt.).

4 Vgl. dazu Kapitel 2.3 „Verfügbarkeit von Ersatzteilen des Fahrzeugherstellers“ 5 Vgl. z.B. www.adac.de/teilepreise (Anhang 1) 6 Selbstverständlich übernimmt der Teilegroßhandel weitere Funktionen, etwa die (Weiter‐)Qualifizierung, die

laufende Beratung und Finanzierung. 7 Vgl. dazu insbesondere Kapitel 2.4 „Zugang zu technischen Informationen““ und Kapitel 2.5 „Missbrauch von

Garantiebedingungen, „unentgeltlicher“ Kundendienst“, aber auch Kapitel 2.6.

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GVA‐Stellungnahme zum Impact Assessment Report der EU‐Kommission vom 22.7.2009

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Zweck der vorstehenden Ausführungen ist, deutlich zu machen, dass nicht erst auf der Reparaturebene wirksamer Wettbewerb ermöglicht werden muss, sondern dass bereits auf den vorgelagerten Vertriebsstufen eine faire Wettbewerbssituation in der Weise vorliegen muss, dass zwischen den konkurrierenden Vertriebswegen [freie Anbieter (Teilehandel) versus gebundene Anbieter (Automobilhersteller)] „Waffengleichheit“ herrscht. Soweit der gebundene Vertriebsweg auf dieser Stufe über exklusives Wissen8 aus dem Primärmarkt (des Neufahrzeugverkaufs) verfügt und dieses Wissen auf der Reparaturebene einsetzen kann, um Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, kann nicht von fairem Wettbewerb gesprochen werden. Unzulänglichkeiten der vorgelagerten Vertriebsstufe lösen sich downstream nicht auf, sondern verstärken sich – zum Schaden der Werkstätten und der Verbraucher. Deshalb begrüßen wir, dass die Kommission in ihrem Folgenabschätzungsbericht ALLE Wettbewerber in ihre sektorspezifische politische Zielsetzung einbezieht. Die sektorspezifischen politischen Ziele der Kommission9 behalten weiterhin ihre Gültigkeit.10 In Bezug auf die Anschlussmärkte sind das insbesondere:

- Ungehinderter Zugang zu technischen Informationen sowie zu Originalersatzteilen bzw. qualitativ gleichwertigen Ersatzteilen für alle Wettbewerber;

- Verbot von Beschränkungen, durch die Ersatzteileherstellern der Zugang zum Anschlussmarkt verwehrt wird.

Die Kommission untersucht und bewertet in ihrem Folgenabschätzungsbericht vier unterschiedliche Optionen11 . Im Ergebnis werden die Optionen 3 und 4 als vorzugswürdig betrachtet, nämlich die Anwendung der allgemeinen Regeln des Vertriebskartellrechts in Kombination mit sektorspezifischen Leitlinien, oder eine sektorspezifische Gruppenfreistellungsverordnung mit Schwerpunkt auf dem Sekundärmarkt für Service und Ersatzteile. Die Kommission schließt auch eine Kombination beider Instrumente für sektorspezifische Bestimmungen (Leitlinien und sektorspezifische GVO) nicht aus.12 Die Kommission beabsichtigt, die auf den Primärmarkt bezogenen Bestimmungen der derzeitigen Verordnung um drei Jahre zu verlängern und erst dann eine Angleichung an die allgemeinen Wett‐

8 Z.B. über die in einem konkreten Fahrzeug verbauten Komponenten, die für das Ersatzteilgeschäft relevant

sind (Stichwort „Rohdaten“, vgl. Kapitel 2.4 „Zugang zu technischen Informationen“). 9 Vgl. Commission Staff Working Document Accompanying the Communication from the Commission „The

Future Competition Law Framework applicable to the motor vehicle sector“ [SEC(2009)1052], Technical Annex 1.

10 Vgl. Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen, Begleitdokument zur Mitteilung der Kommission „Der künf‐tige wettbewerbsrechtliche Rahmen für den Kfz‐Sektor, Zusammenfassung der Folgenabschätzung“, SEK (2009)1053 vom 22.7.2009, RZ 6.

11 Option 1 = Fortsetzung des Status quo; Option 2 = Anwendung allgemeiner Regeln für vertikale Beschränkun‐gen (die derzeit in Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 festgelegt sind; Option 3 = wie Option 2, jedoch mit zusätzlichen sektorspezifischen Leitlinien; Option 4 = „Aftermarket‐GVO“, die auf Option 2 basiert, die für den Anschlussmarkt relevanten Kernbestimmungen enthält (und ggf. durch Leitlinien ergänzt wird).

12 „Sofern nicht ausdrücklich anders definiert, bezeichnet der Begriff „sektorspezifische Bestimmungen“ in dieser Mitteilung durchweg entweder zusätzliche Leitlinien im Sinne von Option 3 oder eine zusätzliche sek‐torspezifische Gruppenfreistellung im Sinne von Option 4 oder eine Kombination beider Instrumente.“ (aus: Mitteilung der Kommission „Der künftige wettbewerbsrechtliche Rahmen für den Kfz‐Sektor“, KOM(2009)388, FN 4.).

Vgl. ebenda, RZ 6.

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bewerbsregeln für vertikale Vereinbarungen vorzunehmen.13 Die künftigen Regeln für den Anschluss‐markt sollen dagegen die derzeitige Verordnung ohne eine derartige „Übergangsfrist“ ablösen. Was die Märkte für Ersatzteile und Kundendienst betrifft, stimmen wir mit der Feststellung der Kommission überein, dass hier wettbewerbliche Hindernisse bestehen, die durch den künftigen rechtlichen Rahmen verstärkt adressiert werden sollten. Deshalb bedauern wir, dass die Kommission zwar eine Kombination beider Instrumente „sektorspezifischer Bestimmungen“ ausdrücklich nicht ausschließt (vgl. Fußnote 12), diese Kombination aber nicht in die abschließende Bewertung der Optionen einbezieht. Die Kombination einer sektorspezifischen Verordnung, die zumindest die be‐stehenden Problemfelder in den Service‐ und Ersatzteilmärkten behandelt, mit klarstellenden Leit‐ linien und die konsequente behördliche Durchsetzung des Kartellrechts sind unseres Erachtens erfor‐derlich, um einen funktionierenden Wettbewerb in den Ersatzteil‐ und Servicemärkten zu gewähr‐leisten. Die Vertragsnetze der Hersteller haben auf den Märkten für Teilevertrieb und Service generell hohe Marktanteile. In der Regel überschreiten diese die Marktanteilsschwelle von 30% deutlich, so dass die Kfz‐Hersteller beispielsweise bei Vereinbarungen über den Ersatzteilhandel generell nicht in den Genuss der Vorteile der allgemeinen Gruppenfreistellung kommen mit der Folge, dass unmittelbar Artikel 81 EG‐Vertrag auf Vereinbarungen mit wettbewerbswidriger Wirkung anwendbar ist. Ange‐sichts der Unsicherheit, die mit einem solchen Ansatz einhergehen könnte, ist die Ankündigung der Kommission ausdrücklich zu begrüßen, in „sektorspezifischen Bestimmungen“ zu präzisieren, „… unter welchen Umständen die den genannten Beschränkungen zugrunde liegenden Vereinbarun‐gen in den Anwendungsbereich von Artikel 81 fallen und Durchsetzungsmaßnahmen auslösen würden.“14 Im Gegensatz zum Primärmarkt ist der Anschlussmarkt geprägt durch eine Vielzahl kleiner und mittelständischer Unternehmen (KMU), die meist nicht in der Lage sind, aufwändige und kostspielige Untersuchungen darüber anstellen zu lassen, ob bestimmte Vereinbarungen zulässig sind oder nicht. Dies unterstreicht auch der Wirtschafts‐ und Währungsausschuss der Kommission, der in einer Stel‐lungnahme zurecht darauf hinweist, „… that the high degree of complexity of the Regulation makes it difficult for SMEs in particular to understand.“15 Aber auch den „Marktbeherrschern“ helfen klare Hinweise auf nicht akzeptable Vereinbarungen, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit, die Verordnung korrekt zu befolgen, erhöht wird. In Bezug auf die „Marktbeherrscher“ scheint außerdem folgende Information angebracht: Der Ge‐samtverband Autoteile‐Handel (GVA) verfolgt im Interesse seiner Mitglieder Wettbewerbsverstöße der Automobilhersteller. Häufig wird dabei zur Verdeutlichung verwiesen auf Verstöße gegen schwarze Klauseln der aktuellen Kfz‐GVO und/oder bestimmte Klarstellungen im Leitfaden zur GVO. Nicht wenige Automobilhersteller machen den Fortbestand ihrer Unterlassungsverpflichtungen da‐von abhängig, dass die EU‐Kommission auch künftig an ihrer im Zusammenhang mit der Kfz‐GVO (EG) Nr. 1400/2002 dokumentierten Rechtsauffassung festhält. Im Prinzip ist die Kfz‐GVO seit vielen

13 Vgl. Pressemitteilung der Kommission IP/09/1168 vom 22.7.2009. 14 Mitteilung der Kommission „Der künftige wettbewerbsrechtliche Rahmen für den Kfz‐Sektor“,

KOM(2009)388, RZ 40. Die Kommission geht in der zugehörigen Fußnote 11 auch darauf ein, dass bestimmte Vereinbarungen gegen Artikel 82 EG‐Vertrag verstoßen können, wie das EuGH‐Urteil in der Rechtssache 238/87 Volvo (AB) / Veng, Slg. gezeigt habe.

15 In: Commission Staff Working Document Accompanying the Communication from the Commission „The Future Competition Law Framework applicable to the motor vehicle sector“ [SEC(2009)1052], RZ 23.

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Jahren „die Bibel“ der Branche, die insbesondere KMU eine Orientierung im komplexen Geflecht zulässiger oder eben nicht zulässiger Vertriebsvereinbarungen bietet. Diese Unternehmen sind nicht in der Lage, aufwändige juristische Recherchen und Gutachten beizubringen, um ihre Rechte gegenüber den Automobilherstellern geltend zu machen. Sie benötigen auch künftig ein klares, verständliches Regelwerk. Im Ergebnis benötigen also die Marktbeteiligten klare Regelungen im Text einer Verordnung, die in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar Anwendung findet, und zwar auch dann, wenn die Marktanteile jenseits der Schwellen für die Gruppenfreistellung liegen. Wenn nämlich Kernbeschränkungen klar‐stellen, was schon unterhalb der Marktanteilsschwelle für die Gruppenfreistellung nicht zulässig ist, kann es keinen Zweifel daran geben, dass entsprechende Verhaltensweisen bei Überschreiten der Marktanteilsschwelle erst recht nicht zulässig sind. Die Kommission beabsichtigt bei Option 4, den Artikel 4(2) der aktuellen Kfz‐GVO in die neue „Mini‐GVO“ zu übernehmen, wohl wissend, dass diese auf Vereinbarungen im Aftersales‐Bereich wegen der hohen Marktanteile der Herstellernetze nicht direkt anwendbar ist. Die Tatsache, dass sie es dennoch tut, unterstreicht den Zweck, den sie damit verfolgt, nämlich „…the carrying over of Article 4(2) would have the advantage of improving visibi‐lity.“16 Leider hat die Kommission sich in ihrem Folgenabschätzungsbericht hinsichtlich der Gestaltungsmög‐lichkeiten einer sektorspezifischen Aftersales‐GVO („Mini‐GVO“) beschränkt, indem sie beispiels‐weise eine wortgleiche Fortführung von Erwägungsgrund 26 voraussetzt, ohne eine Veränderung des aktuellen Wortlauts auch nur in Betracht zu ziehen. Es ist aus unserer Sicht nicht nachvollziehbar, wieso die Kommission – obwohl sie als Verordnungsgeber durchaus frei ist, einzelne Bestimmungen in einer künftigen Verordnung gegenüber der auslaufenden Verordnung zu verändern17 – von einer Veränderung des Wortlauts absieht, und anschließend genau dies – die wortgleiche Übernahme von Erwägungsgrund 26 –als Nachteil der Option 4 in deren Bewertung einfließen lässt.18 Wir regen daher an, im weiteren Verlauf des Verfahrens von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Die Erfahrung zeigt außerdem, dass Verordnungs‐ und Gesetzestexte häufig Spielraum für unterschiedliche Auslegungen lassen und Auseinandersetzungen zwischen den Marktbeteiligten auslösen können bzw. Unklarheit über die Zulässigkeit nicht explizit in der Verordnung formulierter Verhaltensweisen besteht. Deshalb benötigen die Marktbeteiligten ebenso wie Behörden und Gerichte eine Hilfestellung in Form von Leitlinien. Dies dient dem eindeutigen Verständnis der Betroffenen und trägt zur einheitlichen Anwendung des Kartellrechts in Europa bei. Je klarer die wettbewerblichen Problemfelder identifiziert und „beim Namen genannt“ werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmen vor kartellrechtlich relevanten Verstößen bewahrt werden bzw. „sehenden Auges“ riskieren, bei Verstößen mit hohen Strafen belegt zu wer‐den. Die EU‐Kommission legt Wert auf ebenso konsequente wie wirksame, aber auch effiziente Durchset‐zung der künftigen Regeln. Die Kombination von sektorspezifischer Aftersales‐GVO mit zusätzlichen Leitlinien schafft ein Instrument, welches allen Betroffenen von vornherein Klarheit verschafft. Etwaige Verstöße gegen die Wettbewerbsregeln sind einfacher zu identifizieren und können

16 In: Commission Staff Working Document Accompanying the Communication from the Commission „The

Future Competition Law Framework applicable to the motor vehicle sector“ [SEC(2009)1052], RZ 156. 17 Dies zeigt auch der aktuelle Entwurf für eine Nachfolgerin zur Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 („Schirm‐

GVO“). 18 Vgl. Commission Staff Working Document Accompanying the Communication from the Commission „The

Future Competition Law Framework applicable to the motor vehicle sector“ [SEC(2009)1052], RZ 156.

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schneller abgestellt werden, was funktionierenden Wettbewerb auf den betroffenen Märkten sichert und letztlich dem Verbraucher dient.

2 Spezielle Problemfelder und Fragestellungen

2.1 Bezugsfreiheit der Vertragswerkstätten Werkstätten, die auch zum Vertriebssystem eines OEM19 gehören, sollten durch diese vertragliche Bindung nicht in ihrer Freiheit eingeschränkt sein, in eine Vertragsbeziehung zu einem Ersatzteil‐großhändler (einem unabhängigen Teilelieferanten) zu treten, um sich dort mit Ersatzteilen – auch mit solchen, die mit den Ersatzteilen des Automobilherstellers konkurrieren – zu versorgen. Daher sollte in Zukunft die grundsätzliche Freiheit der Vertragswerkstätten gewährleistet bleiben, Ersatz‐teile bei unterschiedlichen Anbietern ihrer Wahl zu erwerben. Die einzige Ausnahme von diesem Grundsatz darf nur in den Fällen zulässig sein, in denen mangelhafte Ersatzteile des Automobilher‐stellers von diesem auf seine Kosten zu ersetzen sind.20 Da die von der Kommission favorisierten Optionen 3 und 4 auf den Vorschriften der Nachfolge‐Ver‐ordnung von (EG) Nr. 2790/1999 basieren, wäre mit Blick auf das Überschreiten der maßgeblichen Marktanteilsschwelle von 30% klarzustellen, inwiefern ein OEM überhaupt Mindestbezugsmengen oder qualitative Vorgaben einfordern kann. Dabei sollten die aktuell freigestellten Grenzen nicht erhöht, sondern der Wettbewerb um die Versorgung von Vertragswerkstätten gefördert werden.21 Der Markt für Kfz‐Ersatzteile unterscheidet sich erheblich vom Markt für Neufahrzeugvertrieb: Auf dem Ersatzteilmarkt konkurrieren die unabhängigen Teilegroßhändler direkt mit den Automobil‐herstellern um die Belieferung der Werkstattkunden – unabhängige Werkstätten und Vertragswerk‐stätten. Dabei beziehen die Automobilhersteller den weitaus größten Teil „ihrer“ Ersatzteile von den Teileherstellern, die ihrerseits eben auch den unabhängigen Teilehandel beliefern. Die Automobil‐hersteller sind demnach auf dem Ersatzteilmarkt – jedenfalls in Bezug auf rund 80 % der von ihnen angebotenen Ersatzteile – auf derselben Distributionsstufe wie der freie Teilegroßhandel als Teile‐großhändler tätig.

2.2 Teilevertrieb durch den Teilehersteller, dual branding Eine funktionierende Ersatzteilversorgung zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass die richtigen Ersatzteile schnell und vollständig bereitgestellt werden. Wettbewerb auf diesem Markt setzt voraus, dass sowohl konkurrierende Ersatzteile angeboten werden können, als auch konkurrierende Ver‐triebswege (nämlich OEM und IAM22) für Original‐Ersatzteile bestehen. Beide Aspekte haben unmittelbare Auswirkungen auf die Möglichkeit der Verbraucher, zwischen verschiedenen Werk‐stattnetzen wählen zu können.

19 OEM = Fahrzeughersteller 20 Zu den Praktiken, die in diesem Zusammenhang nicht zulässig sein sollten, vgl. Kapitel 2.5 und 2.6. 21 Vgl. hierzu auch unsere Stellungnahme zum Evaluierungsbericht (2008), Seite 16. 22 IAM = Independent Aftermarket

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Daher sollte ein Teilehersteller nicht in seiner Freiheit beschränkt werden, seine Produkte außer an den Automobilhersteller, auch als Ersatzteile an den Kfz‐Aftermarket – und zwar an unabhängige Werkstätten und an gebundene Werkstätten (Vertragswerkstätten) – zu liefern. Dieses Ziel kann am besten erreicht werden durch eine entsprechende Kernbeschränkung, wie sie sich auch in der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 findet, wonach eine Freistellung nicht gilt für „… zwischen einem Lieferanten von Original‐Ersatzteilen oder qualitativ gleichwertigen Ersatzteilen, Instandsetzungsgeräten, Diagnose‐ oder Ausrüstungsgegenständen und einem Kraftfahrzeugherstel‐ler vereinbarte Beschränkungen, welche die Möglichkeit des Lieferanten einschränken, diese Waren an zugelassene oder unabhängige Händler, zugelassene oder unabhängige Werkstätten oder an Endverbraucher zu verkaufen“. Diese Kernbeschränkung stellt nämlich – anders als die Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 – klar, dass derartige Lieferbeschränkungen der Teilehersteller grundsätzlich nicht zulässig sein sollen, und dass die Lieferung von Werkzeugen, Diagnosegeräten und anderen Ausrüstungsgegenständen, die für Reparaturen benötigt werden, nicht beschränkt werden dürfen. Es ist zu begrüßen, dass der Folgenabschätzungsbericht im Gegensatz zum Evaluierungsbericht klar‐stellt, dass die in der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 enthaltene Kernbeschränkung über Ersatzteil‐lieferungen weniger geeignet wäre als Option 4, die auch künftig eine Kernbeschränkung vorsieht. „The main disadvantage of Option 2 compared to the baseline scenario would be, that the removal of such provision could be wrongly interpreted as a signal that competition authorities would no longer pursue this type of agreements. This could lead to a serious incertitude in the market and risks of errors by firms in their self assessment.”23 Und bei der Bewertung von Option 3: “Given the complexity of defining the relevant market in the highly differentiated spar parts supply sector, such an exercise might entail some risks of error for all firms concerned…”24 Auch wenn die Automobilher‐steller im Markt für Ersatzteile wahrscheinlich regelmäßig die Marktanteilsschwelle von 30 % über‐schreiten, ist die Kernbeschränkung wichtig, um eine falsche Interpretation von vornherein auszu‐schließen und ein deutliches Signal zu setzen, dass derartige Beschränkungen unzulässig wären. Zusätzlich sollte in Leitlinien verdeutlicht werden, dass auch mittelbare Beschränkungen des Zulie‐ferers nicht mit dem Kartellrecht vereinbar sind. Hier sind insbesondere Vereinbarungen zwischen Fahrzeugherstellern und Zulieferern zu nennen, nach denen dem Fahrzeughersteller stets die geistigen Schutzrechte oder das Eigentum an Produktionsmitteln zustehen. Zulieferer im Kfz‐Bereich sind i.d.R. keine verlängerte Werkbank, sondern spezialisierte Unternehmen mit eigenem Know‐how. Entsprechend unterfallen Vereinbarungen mit diesen regelmäßig nicht der Zulieferbekanntmachung von 1978, sondern der Anwendung von Art. 81 (1) EG. Daher läge es an der Kommission und den nationalen Kartellbehörden, die Unzulässigkeit bestimmter Vereinbarungen betreffend geistige Schutzrechte oder das Eigentum von Werkzeugen und der damit verbundenen Pflicht zur ausschließlichen Belieferung des Fahrzeugherstellers deutlicher herauszustellen, und damit für die Zukunft die generelle Verfügbarkeit von Ersatzteilen auch außerhalb des Vertriebssystems des jeweiligen Fahrzeugherstellers zu verbessern. Weiterhin befürworten wir den Erhalt einer Kernbeschränkung betreffend die Möglichkeit eines Zulieferers, sein Markenzeichen auch auf Lieferungen in die Erstausrüstung anzubringen (dual bran‐ding). Der tatsächliche (Teile‐)Hersteller soll erkennbar werden, um der Werkstatt die Möglichkeit zu

23 Aus: Commission Staff Working Document Accompanying the Communication from the Commission „The

Future Competition Law Framework applicable to the motor vehicle sector“ [SEC(2009)1052], RZ 164. 24 Aus: Commission Staff Working Document Accompanying the Communication from the Commission „The

Future Competition Law Framework applicable to the motor vehicle sector“ [SEC(2009)1052], RZ 165.

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geben, das benötigte Produkt von diesem zu erwerben. In diesen Fällen ist genau genommen der Teilehersteller der Originalteile‐Hersteller, dessen Originalteil für den Kunden Automobilindustrie (zusätzlich) mit dessen Markenzeichen versehen wird. Wegen der sensiblen Beziehungen zwischen Teileindustrie und Automobilherstellern darf die Frage, ob das Markenzeichen aufgebracht werden darf, nicht Gegenstand von Verhandlungen oder sogar Diskriminierungen zwischen diesen ungleichen Partnern sein. Der Wettbewerb kann von einer Beibehaltung der entsprechenden Kernbeschränkung nur profitieren.

2.3 Verfügbarkeit von Ersatzteilen des Fahrzeugherstellers (OEM)

Zahlreiche Ersatzteile sind nur vom Fahrzeughersteller und über seine autorisierten Vertriebspartner erhältlich (so genannte Captive Parts).25 Es liegt jedoch im Interesse der Verbraucher, vom Wettbe‐werb zwischen unterschiedlichen Netzen zu profitieren, und zwar sowohl in räumlicher (Werkstatt in der Nähe) als auch in ökonomischer Hinsicht. Die Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 behandelt in Art. 4 Abs. 1 lit. i) die Möglichkeit einer Vertragswerkstatt, Teile an eine freie Werkstatt zu verkaufen. Diesen Vertriebsweg offen zu halten erscheint als Minimalziel einer künftigen Regelung, wobei eigentlich nicht einzusehen ist, weshalb die freie Werkstatt auf diese Weise ihren lokalen Wettbewerber stärken sollte. Deshalb sollten sowohl Vertragswerkstätten als auch freie Werkstätten die Möglichkeit haben, Originalersatzteile der Automobilhersteller über den unabhängigen Teilegroßhandel zu beziehen, der über die entsprechende Logistik verfügt, um diese benötigten Ersatzteile – ggf. zusammen mit ande‐ren Ersatzteilen aus seinem Sortiment – ohne Verzögerung zum „Point of Service“ zu schaffen, damit dort alle benötigten Teile vorhanden sind, um die Reparatur im Sinne des Kunden zügig zu erledigen. Bei Anwendung der Marktanteilsschwelle von 30 % wären Vereinbarungen über den Ersatzteilhandel nicht freigestellt, da der Anteil der Automobilhersteller auf diesen Märkten fast immer deutlich über 30 % liegt. Insofern wäre – wenn kein Nachweis für kompensierte Effizienzgewinne geführt werden kann – unmittelbar Artikel 81 auf derartige Vereinbarungen mit wettbewerbswidriger Wirkung an‐wendbar.26 Der Folgenabschätzungsbericht thematisiert den Zugang einer freien Werkstatt zu den Original‐ersatzteilen der Automobilhersteller. Die Wettbewerbsfähigkeit der Werkstätten ist aber nur dort zu gewährleisten, wo auch die vorgelagerte Handelsstufe Zugang zu den benötigten Teilen erhält. Die Vertragswerkstatt, die eigentlich Wettbewerber der unabhängigen Werkstatt ist, fungiert beim Ver‐trieb dieser Ersatzteile bisher künstlich als „vorgelagerte Handelsstufe“ – ohne dass ein konkurrie‐

25 In unserer Stellungnahme zum Evaluierungsbericht haben wir auf Seite 12 die Ausführungen begrüßt, in

denen die Kommission die Einführung einer sog. Reparaturklausel in das Geschmacksmusterrecht befürwortet. Abnehmer von Karosserieteilen und anderen sichtbaren Komponenten sollen zwischen mehreren Anbietern solcher Teile wählen können. Bis zu einer Einigung über eine Reform des Geschmacksmusterrechts sollte die Freiheit des Wettbewerbs im Ersatzteilmarkt mit den Mitteln des Kartellrechts gewährleistet werden.

26 Vgl. Mitteilung der Kommission „Der künftige wettbewerbsrechtliche Rahmen für den Kfz‐Sektor“, KOM(2009)388, RZ 39, sowie diese Stellungnahme auf Seite 6.

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render Vertriebskanal etwa in Form des unabhängigen Teilehandels besteht.27 Solange unabhängige Werkstätten auf ihre Wettbewerber als Lieferanten der „Captive Parts“ angewiesen sind, können sie diese Teile nicht zu gleichen oder günstigeren Preisen als die Vertragswerkstätten beziehen und dementsprechend die Kostenvorteile auch nicht an ihre Kunden weitergeben. Deshalb wäre es hilf‐reich, wenn die Kommission sich zu diesem Problemfeld im obigen Sinne äußerte. Dabei ist ein weiterer Aspekt zu beachten: Wenn sich ein Fahrzeug zur Reparatur in einer Werkstatt befindet, muss es schnell instand gesetzt werden, denn der Kunde will nicht längere Mobilitätseinschränkungen hinnehmen. Stellt eine freie Werkstatt dabei fest, dass sie zur Reparatur auch „Captive Parts“ des jeweiligen Automobilherstellers benötigt, die sie nur bei einem Vertragsbetrieb erwerben kann, wird sie erfahrungsgemäß auch die anderen benötigten Teile dort kaufen, damit alle für die Reparatur erforderlichen Teile gleichzeitig vor Ort sind. Im Zusammenhang mit dem Zugang zu Ersatzteilen des OEM ist auch zu klären, inwiefern Art. 81, 82 EG zu Einschränkungen der Möglichkeiten des OEM führen, ein qualitativ‐selektives Vertriebssystem für Ersatzteile zu gestalten. Unseres Erachtens kommt dem Interesse des OEM am Schutz seiner Marke hier nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Im Vordergrund steht vielmehr die flächendeckende und kostengünstige Versorgung der Verbraucher mit passenden Ersatzteilen. Schließlich wäre – für den Fall, dass künftig Option 3 angewendet werden soll, eine inhaltliche Klar‐stellung der Kommission angebracht: Art. 4 lit. c) der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 enthält nämlich eine Bestimmung, welche den Vertrieb an „Endverbraucher“ schützt. Unseres Erachtens ist eine freie Werkstatt als Endverbraucher im Sinne der Vorschrift anzusehen, da sie das Produkt für den Fahr‐zeughalter erwirbt und verbaut. Da die Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 in Art. 4 lit. e) jedoch den Begriff „Reparaturwerkstatt“ zusätzlich zum Begriff „Endverbraucher“ nennt, könnte der Eindruck entstehen, Reparaturwerkstätten seien etwas anderes als Endverbraucher.

2.4 Zugang zu technischen Informationen Zugang zu technischen Informationen und Standardisierung technischer Informationen sind für unabhängige Marktbeteiligte überlebenswichtig, und damit Voraussetzung für funktionierenden Wettbewerb. Die Notwendigkeit des Zugangs aller direkt oder indirekt mit der Wartung oder Instandsetzung von Kraftfahrzeugen befassten unabhängigen Marktbeteiligten zu technischen Informationen, Werkzeugen und Schulungen, ebenso wie die Notwendigkeit, die Informationen „in verwendbarer Form“, also zielgruppengerecht, bereitzustellen, wurde im Folgenabschätzungsbericht auch für eine künftige Regelung bestätigt. Zwar kann die EU‐Kommission Fahrzeughersteller nur auf Basis von Art. 81 oder 82 zur Bereitstellung der Informationen verpflichten; der Verstoß eines Automobilherstellers gegen eine diesbezügliche Kernbeschränkung der Kfz‐GVO (EG) Nr. 1400/2002 gibt den Anspruchstellern aber keine Rechte, sondern führt dazu, dass der Fahrzeughersteller die Freistellung seiner Vertriebsvereinbarungen verlieren kann.28 Jedoch soll ein Fahrzeughersteller auch in Zukunft nicht von einer Gruppenfreistellung profitieren, wenn er unabhängigen Marktbeteiligten technische Informationen nicht hinreichend zur Verfügung stellt. Ansonsten würden nämlich die für den Wettbewerb nachteiligen Wirkungen der Vertriebsver‐

27 Siehe Abbildung auf Seite 3, dort Reparaturebene: Pfeil von Vertragshändler/autorisiertem Servicebetrieb zu

freier Werkstatt. 28 Vgl. Commission Staff Working Document Accompanying the Communication from the Commission „The

Future Competition Law Framework applicable to the motor vehicle sector“ [SEC(2009)1052], RZ 150.

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einbarungen, die der Fahrzeughersteller mit seinen autorisierten Partnern geschlossen hat, so ver‐stärkt, dass diese im Ergebnis mit dem europäischen Kartellrecht nicht mehr vereinbar wären. Inso‐fern ist die Weigerung, technische Informationen einem unabhängigen Marktbeteiligten zur Verfü‐gung zu stellen, auch ein Verstoß gegen Art. 81 EG.29 Dies gilt umso mehr, wenn mehrere Fahrzeug‐lieferanten den Zugang zu technischen Informationen in ähnlicher Weise begrenzen und so ein Netz von Wettbewerbsbeschränkungen die Marktchancen der unabhängigen Marktbeteiligten vereitelt.30 Die Europäische Kommission hat in ihren Entscheidungen vom 13. September 2007, in denen Ver‐pflichtungszusagen mehrerer Fahrzeuglieferanten für bindend erklärt wurden, das Risiko einer Marktverschließung betont, welches zu erheblichen Nachteilen für Verbraucher führen würde31 und ausgeführt, dass in der Folge der Verlust von Alternativen im Ersatzteilgeschäft, höhere Preise für Werkstattdienstleistungen, weniger Auswahl bei der Werkstattsuche und mögliche Sicherheitsrisiken drohen könnten. Diese Entscheidungen befassen sich jedoch ausschließlich mit der Frage, wie der Fahrzeuglieferant interessierten Werkstätten technische Informationen unmittelbar zur Verfügung stellt. Die Frage nach der Verfügbarkeit technischer Informationen für andere unabhängige Marktbe‐teiligte, die in Art. 4 Abs. 2 Kfz‐GVO ausdrücklich genannt werden, wird nicht behandelt. Schließlich sind die Verpflichtungserklärungen der vier Fahrzeuglieferanten bis zum Auslaufen der derzeitigen Kfz‐GVO – also bis 31.5.2010 – bindend. Daraus zieht eine große deutsche Anwalts‐kanzlei, die in einer Auseinandersetzung den Automobilhersteller Subaru vertritt, den Schluss: „wie Ihnen bekannt sein duerfte, haben DaimlerChrysler, Fiat, Toyota und Opel sich im Einvernehmen mit der EU‐Kommission ausdruecklich nur verpflichtet, Zugang zu technischen Informationen bis zum 31. Mai 2010 zu gewaehren. Insofern geht unser Anbebot ueber die Anforderungen der EU‐Kommission hinaus, da in jedem Fall eine sechsmonatige Kuendigungsfrist eingeraeumt wird, auch ueber den 31. Mai 2010 hinaus.“32 Eine derartige Äußerung ruft geradezu nach einer eindeutig formulierten Kernbeschränkung im künftigen Regelwerk für den Kfz‐Aftermarket! In ihrer Entscheidung bezüglich DaimlerChrysler definierte die Kommission sieben Kategorien techni‐scher Informationen; die fünfte Kategorie bezieht sich auf Ersatzteilinformationen:

„… (5) spare parts information, including parts catalogues with codes and descriptions, and vehicle identification methods (that is to say, data relating to a specific vehicle which enable a repairer to identify the individual codes for the parts fitted during vehicle assembly, and to identify the corresponding codes for compatible original replacement parts for that specific vehicle);…”

Die beschriebenen Ersatzteilinformationen in Verbindung mit den entsprechenden Fahrzeugen be‐sitzt nur der Fahrzeughersteller. Es liegt auf der Hand, dass eine unabhängige Werkstatt nicht in der Lage ist, aufgrund der Informa‐ tionen über alle in einem konkret zu identifizierenden Fahrzeug verbauten Teile, die als Ersatzteile jeweils mit der Artikelnummer des Automobilherstellers (so genannte Original‐Ersatzteilnummer oder kurz: OE‐Nr.) versehen sind, korrespondierende Ersatzteilnummern alternativer Anbieter zu ermitteln. Die Werkstatt benötigt die Information anlässlich einer konkreten Fahrzeugreparatur, vor‐

29 Kommission, Entscheidung vom 13.09.2007, COMP/E‐2/39.140 – DaimlerChrysler, Tz. 25, sowie gleich

lautende Entscheidungen vom selben Datum gegen Fiat, General Motors und Toyota. 30 Kommission, ebenda., Tz. 38. 31 Kommission, ebenda., Tz. 40. 32 E‐Mail, gesendet an Gegenanwälte und Gegner: Tue Sep 22 09:33:55 2009

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her kann sie weder das Fahrzeug eindeutig identifizieren noch weiß sie ohne Diagnose, welche Ersatzteile ggf. benötigt werden. Erst recht kann sie nicht ermitteln, welche Ersatzteilnummern kompatibler Ersatzteile anderer Anbieter in Frage kommen. Diese Zuordnung kann nur der originäre Hersteller der Ersatzteile oder einer seiner Wettbewerber vornehmen, soweit diese ihrerseits über die Informationen verfügen, die die Kommission präzi‐sierte.33 Die Zuordnung des eigenen Ersatzteilangebots zu den entsprechenden Originalersatzteilen der Automobilhersteller bildet das Kerngeschäft des freien Teilehandels, der wiederum darauf ange‐wiesen ist, dass seine Teilelieferanten ihrerseits diese Informationen vollständig, korrekt und vor allem zeitnah erzeugen. Gelingt es nicht, ein attraktives alternatives Ersatzteilangebot zusammenzu‐stellen, bleibt der Automobilhersteller der jeweiligen Marke als einziger Anbieter auf dem Markt für Ersatzteile übrig – es kommt zum Monopol. Der Zugang zu den technischen Informationen, die die Grundlage für die Zuordnung von Wettbe‐werbsteilen bieten, ist der „Lebensnerv“ des unabhängigen Teilehandels. Der Begriff der technischen Informationen ist weit gefasst, und die Ausprägung der Information hängt maßgeblich davon ab, wer sie wofür benötigt. Der Leitfaden zur GVO, den die EU‐Kommission kurz nach Inkrafttreten der GVO 1400/2002 veröffentlichte, widmet sich in Frage 93 den speziellen Belangen des unabhängigen Kfz‐Teile‐Großhandels:

Mit anderen Worten: Freie Teilegroßhändler haben spezielle Anforderungen an die Form der techni‐schen Informationen, die von dem Bedarf der Reparaturbetriebe abweichen. Die Informationen wer‐den „für ihre eigenen Zwecke“ benötigt, der in der Erstellung eines markenübergreifenden Kfz‐

33 Im Gegensatz zum Markt für Neufahrzeuge, auf dem es Wettbewerb um (komplette) Fahrzeuge gibt, ist der

Ersatzteilmarkt dadurch gekennzeichnet, dass es nicht nur Wettbewerb zwischen den Anbietern von Ersatzteilen für unterschiedliche Fahrzeugfabrikate gibt, sondern auch Wettbewerb zwischen Anbietern von Ersatzteilen für ein bestimmtes Fahrzeug. So gibt es beispielsweise mindestens drei Anbieter von Ölfiltern für einen Golf V. Vgl. auch Abb. auf Seite 3 (Produktionsebene).

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Ersatzteilangebots inklusive der jeweiligen Verwendungsmöglichkeit besteht.34 Dazu gehören unbe‐dingt Informationen zur eindeutigen Fahrzeug‐ und Ersatzteildefinition. Eine derartige Verwendung unterscheidet sich von einer Verwendung durch eine Werkstatt, die eine einzelne Abfrage bezogen auf ein bestimmtes Fahrzeug für eine anstehende Reparatur tätigt. Anders als bei deren Daten‐ recherche im Einzelfall werden für die Erstellung und Herausgabe einer herstellerübergreifenden Ersatzteil‐Datenbank die gesamten Ersatzteil‐relevanten Informationen benötigt, um ein vollständiges Angebot zusammenstellen zu können. Es geht dabei im Vergleich zur Situation der Werkstätten nicht um andere Daten, sondern um eine andere Form der Verfügbarkeit, welche den Zweck der Verarbeitung und Weitergabe berücksichtigt. Insofern ist wesentlich, dass die Daten (die einzeln auch den Werkstätten zur Verfügung stehen) in verwendbarer Form zur Verfügung gestellt werden (also in einer Weise, welche die Nutzung der Da‐ten etwa als Grundlage für eine markenübergreifende Ersatzteil‐Datenbank gestattet). Dabei kommt der Zuordnung einzelner Ersatzteile zu den Fahrzeugen, zu denen sie passen, eine be‐sondere Bedeutung zu.35 Die Verwendungsfähigkeit der technischen Informationen für die Publisher (oder auch den Teilehandel und andere unabhängige Marktbeteiligte) setzt also voraus, dass die Re‐lationen zwischen dem einzelnen Fahrzeug (das über seine VIN36 identifiziert wird) und den passenden Ersatzteilen (die in den Systemen der Fahrzeuglieferanten regelmäßig über die OE‐Nummer identifiziert werden) vom Fahrzeuglieferanten zur Verfügung gestellt werden. Ohne diese Rohdaten wären die technischen Informationen für viele der in der Kfz‐GVO genannten unabhängigen Marktbeteiligten nicht verwendungsfähig. Die Kommission stellt im Folgenabschätzungsbericht37 selbst fest, dass sich für unabhängige Reparaturbetriebe der Zugang zu technischen Informationen verbessert hat, nachdem sie die ent‐sprechenden Durchsetzungsmaßnahmen eingeleitet hatte.38 Jedoch muss an dieser Stelle deutlich darauf hingewiesen werden, dass weder die gegenwärtigen Erläuterungen der EU‐Kommission in Frage 93 des GVO‐Leitfadens noch die Präzisierung der Kom‐mission im Zusammenhang mit den oben zitierten vier Entscheidungen der Kommission dazu beige‐tragen haben, dass die Automobilhersteller die Informationen, die für die wettbewerbsgerechte Erzeugung alternativer Ersatzteilangebote notwendig sind, bereitstellen. Mit anderen Worten: Technische Informationen werden nur denjenigen (Werkstätten) zur Verfügung gestellt, die zur Kundenzielgruppe gehören, nicht aber potenziellen Wettbewerbern. Dabei verfügen die Automobilhersteller mit den Informationen, welche „OE‐Nummern“ mit welchen „VIN“ verknüpft sind, über ein exklusives Wissen, welches ihnen die Möglichkeit gibt, Wettbewerb auf dem Markt für Kfz‐Ersatzteile zum eigenen Vorteil einzuschränken bzw. sogar ganz auszuschalten. (Dazu detailliert in Fußnote 39.) 34 Ohne den Verwendungshinweis, also die Information, welche Ersatzteile in welches Fahrzeug passen, ist das

Ersatzteilangebot sinn‐ und wertlos. 35 Sowohl die Fahrzeugvielfalt, als auch deren Komplexität hat rasant zugenommen. Die Modellzyklen werden

immer kürzer; Sondermodelle und Facelifts kommen hinzu. Die eindeutige Identifikation eines Fahrzeugs wird damit ebenfalls komplizierter. Sie wird unmöglich, wenn die verfügbaren Informationen die für die sichere Ersatzteilzuordnung notwendige Differenzierung der Fahrzeuge nicht mehr bieten.

36 VIN = Vehicle Identification Number 37 Vgl. RZ 11 in Commission Staff Working Document Accompanying the Communication from the Commission

„The Future Competition Law Framework applicable to the motor vehicle sector“ [SEC(2009)1052]. 38 Die Verpflichtungserklärungen der Fahrzeughersteller enden mit Auslaufen der gegenwärtigen Kfz‐GVO

1400/2002/EG.

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Mit großer Sorge beobachtet der GVA die auf diesem „Herrschaftswissen“ basierenden integrierten Ersatzteilinformations‐ und Ordersysteme der Automobilhersteller, die allen Werkstätten eine eindeutige Identifikation der passenden Ersatzteile des jeweiligen Automobilherstellers erlauben.39 Für unabhängige Marktbeteiligte ist der Zugang zu technischen Informationen der Schlüssel zur Wettbewerbsfähigkeit. Dies gilt nicht nur für freie Werkstätten, auf die die Kommission in ihrem Fol‐genabschätzungsbericht ihr Hauptaugenmerk gelegt hat, sondern auch für mittelbar mit Reparatur und Wartung befasste Unternehmen. Art. 4 Abs. 2 der Kfz‐GVO sieht daher eine spezielle Regelung vor, um den Zugang zu solchen technischen Informationen für alle unabhängigen Marktteilnehmer zu erleichtern. Eine derartige Regelung ist auch zukünftig erforderlich, und die Kommission wird ein‐dringlich gebeten, Klarstellungen vorzunehmen, um Missverständnisse bzw. Fehlinterpretationen zu vermeiden, denn ein Fahrzeuglieferant, der unabhängigen Marktbeteiligten technische Informa‐tionen nicht zur Verfügung stellt, verdient den Vorteil der Gruppenfreistellung nicht. Die für den Wettbewerb nachteiligen Wirkungen der Vertriebsvereinbarungen des Fahrzeuglieferanten würden so verstärkt, dass diese im Ergebnis mit dem Kartellrecht nicht mehr vereinbar wären. Dies sollte im Wortlaut einer künftigen Verordnung und begleitender Leitlinien zum Ausdruck kom‐men. Eine klare Aussage dazu ist auch angesichts der derzeitigen Diskussionen im Zusammenhang mit der Euro 5‐/6‐Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und ihrer „Durchführungs‐Verordnung“ (EG) Nr. 692/2008 notwendig: Im Rahmen des Komitologieverfahrens hat die EU‐Kommission u.a. einen Vorschlag zur Spezifikation für die Umsetzung des Bereichs „Wartungs‐ und Reparaturinformationen“ aus Art. 6 der Euro 5/6‐Verordnung vorgelegt, wonach die Kfz‐Hersteller unabhängigen Marktbeteiligten (z.B. Ersatzteilherstellern, ‐händlern, Publishern) ihre Informationen über die zu bestimmten Fahrzeugen gehörenden Ersatzteile in einer Form zugänglich machen müssen, die eine elektronische Verarbeitung dieser Informationen durch unabhängige Marktbeteiligte ermöglicht (so genannte „Rohdaten“). Die Automobilhersteller wehren sich gegen diese Klarstellung der Kommission, indem sie deren Formulierungsvorschlag bewusst fehl interpretieren, um den Eindruck zu erwecken, es ginge bei diesen Informationen etwa um Konstruktionsdaten oder um geistiges Eigentum. Außerdem 39 Unabhängige Teileanbieter sind zunehmend weniger in der Lage, einem Fahrzeug ein bestimmtes Ersatzteil

eindeutig zuzuordnen. Neben dem Problem der eindeutigen Fahrzeugidentifikation ist die Verwendung bestimmter Ersatzteile häufig von bestimmten Kriterien abhängig, die durch bestimmte Merkmale des Fahrzeugs (Ausstattungs‐/Leistungsmerkmale) bestimmt werden. Bestellt eine Werkstatt ein Ersatzteil für ein bestimmtes Fahrzeug, bei dem der Teilelieferant keine eindeutige Zuordnung ermitteln kann, liefert er häufig mehrere Ersatzteile „zur Auswahl“ und nimmt die Teile, die für die Reparatur nicht verwendet wurden, zurück. Dadurch entsteht dem Lieferanten und dem Reparaturbetrieb ein zusätzlicher Aufwand, der im Vergleich zu den komfortablen Informationssystemen der Automobilhersteller zunehmend zum Wettbewerbsnachteil wird. Die Automobilhersteller verfügen über die Information, welche der von ihnen selbst angebotenen Ersatzteile in einem durch eine VIN identifizierten Fahrzeug verbaut werden. Sie ordnen ihre Ersatzteilnummern („OE‐Nummern“) den VIN zu und sind damit in der Lage, den Werkstattkunden ihr elektronisches Katalogsystem/Teileidentifikationssystem – incl. einer integrierten Bestellmöglichkeit – zur Verfügung zu stellen. Die Internettechnologie ermöglicht den Automobilherstellern, ihre Ersatzteil‐Ordersysteme unmittelbar jeder Werkstatt zur Verfügung zu stellen. Automobilhersteller öffnen ihre Kataloge für die freien Werkstätten. Auch unabhängige Werkstätten haben damit im Prinzip weder ein Identifikations‐ noch ein Beschaffungsproblem, sofern sie bereit sind, ihren Ersatzteilbedarf beim Automobilhersteller zu decken. Beispiele: www.parts.renault.com, www.etosinfo.com („ETOS, das Ersatzteile Order System für Volkswagen, Seat, Skoda und Audi Original Teile, ermöglicht Ihnen eine schnelle und effiziente Arbeitsweise“), www.service‐and‐parts.net (für Mercedes‐Benz und Smart), insbesondere aber: www.partslink24.com, „... dem Originalteile‐Order‐Service für unabhängige Werkstätten und autorisierte Händler in der Automobilbranche“ … mit „vollständige[n] Originalteilekataloge[n] der teilnehmenden Automobilhersteller Alfa Romeo, Audi, Fiat, Ford, Lancia, Opel, Porsche, Seat, Skoda und Volkswagen.“

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beklagen sie einen unzumutbar hohen Aufwand für die Bereitstellung der Informationen, wobei sich auch dieses Argument im Hinblick auf das Angebot der Automobilhersteller unter www.partslink24.com leicht widerlegen lässt, denn soweit es um die Verwendung der Daten für ihre eigenen Zwecke geht, sind die Automobilhersteller offensichtlich ohne weiteres in der Lage, die Informationen in der benötigten Form bereitzustellen.40 Wenn die Kommission in ihrem Folgenabschätzungsbericht darauf hinweist, dass der Fahrzeug‐bestand nach und nach Gegenstand der Euro 5/6‐Verordnung (EG) Nr. 715/2007 wird, und daher nach und nach die Bereitstellung der technischen Informationen nach Maßgabe dieser Verordnung erfolgen soll41, so ist das angesichts der skizzierten „Diskussionen“ um Kernelemente dieser technischen Informationen aus gegenwärtiger Sicht nicht ausreichend: Die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 gilt nur für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge, die nach dieser Verordnung neu typgenehmigt (homologiert) werden; sie gilt nicht für schwere Nutzfahrzeuge und nicht für die vielen Millionen Fahrzeuge, die bereits zugelassen sind. Zwar scheint es wirksam zu sein, die Nichteinhaltung der verordneten Auflagen mit dem Entzug der Typgenehmigung sanktionieren zu können; jedoch dürfte eine klare Regelung, die dazu beiträgt, derartig massive wirtschaftliche Konsequenzen für den jeweiligen Automobilhersteller zu vermeiden, auch aus Sicht der Automobilhersteller vorzuziehen sein.

2.5 Missbrauch von Garantiebedingungen, „unentgeltlicher“ Kundendienst

Wir begrüßen die Ausführungen der Kommission zu den wettbewerbsfeindlichen Auswirkungen ein‐schränkender Garantien. Die Analyse mündete bereits im Evaluierungsbericht von 2008 in der Erkenntnis, dass auch Garantiebedingungen Ursache dafür sind, dass die Anzahl der freien Werkstätten rückläufig ist gegenüber der Anzahl der zugelassenen Werkstätten:

“The fact that a car is under a manufacturer's warranty for the first few years of its life is another reason why consumers tend to turn to the authorised repair networks during this period. Repairs carried out under warranty are obviously captive to the vehicle manufac‐turers' authorised networks, in that the manufacturer pays for this category of work, and is therefore able to specify that only authorised repairers may carry it out. Standard warranty periods have been increased since the block exemption was adopted, and many brands now offer a three year warranty. Often, the vehicle manufacturer offers a corrosion warranty that goes beyond three years. In addition, authorised dealers increasingly give consumers buying a car the possibility of buying an extended warranty and/or a servicing package. These extras have the effect that certain defined categories of repair are captive even after the standard warranty has expired. This captivity also has an overspill effect into areas not covered by the warranty or free ser‐vicing package for two main reasons. Firstly, consumers have a natural preference for a one‐stop‐shop, and if it is necessary to carry out a repair under warranty, they are also likely to have other work, such as minor collision damage, carried out in the authorised repair shop

40 Vgl. zu diesem Themenkomplex diverse Positionspapiere bzw. Schreiben von AFCAR, die der Kommission

(insbesondere GD Unternehmen) vorliegen. 41 Vgl. Commission Staff Working Document Accompanying the Communication from the Commission „The

Future Competition Law Framework applicable to the motor vehicle sector“ [SEC(2009)1052], RZ 152.

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even if it would be cheaper to take the vehicle elsewhere. Secondly, consumers may be afraid that if they have repairs or servicing done in an independent repair shop during the warranty period, this may invalidate the warranty.” 42

Inzwischen haben sich die Laufzeiten der Garantiezusagen weiter verlängert. Richtigerweise konstatiert die Kommission daher im Juli 2009:

„However, the increasing use of extended warranties with durations of five years and longer can also have a negative effect on consumers when they are granted on condition that the ordinary maintenance works during the warranty period (but not covered by the warranty) are carried out by a member of the authorised network.”43

Betroffene Garantienehmer lassen ihr Fahrzeug innerhalb der Garantiezeit in der Regel ausschließlich durch Vertragswerkstätten warten und instandsetzen, um sich nicht dem Risiko eines Garantiever‐lustes auszusetzen. Der Erhalt des Garantieanspruchs ist für den Käufer eines Fahrzeugs wesentlich, weil der Anspruch durch die Zahlung des Fahrzeugpreises mitfinanziert wurde (gelegentlich auch als „all inclusive“ bezeichnet). Diesen Vorteil hat der Verbraucher mitbezahlt und möchte ihn nicht ver‐lieren, denn die Garantie stellt den Käufer für einen definierten Zeitraum von bestimmten Risiken frei und erhöht den Wert des Fahrzeugs, sollte es zu einem Weiterverkauf kommen. Ihr kommt daher eine erhebliche Sogwirkung zu, was sich auf den Service‐ und Teilemarkt nachhaltig auswirkt. Erst nach Ablauf der Garantiezeit wird der Fahrzeugkäufer überhaupt in Erwägung ziehen, eine freie Werkstatt aufzusuchen oder einen günstigen Versicherungsvertrag abzuschließen, der eine Unfall‐ reparatur in einer herstellerungebundenen Werkstatt vorsieht. Befördert wird derartiges Verhalten nicht zuletzt auch durch „Verbraucheraufklärung“, wie zum Beispiel wiederholt in den Ratgeber‐Rubriken der auflagenstarken Zeitschrift „AutoBild“:

„Anders als bei der gesetzlichen Gewährleistung ist die Neuwagengarantie eine freiwillige Leistung des Herstellers. Deshalb darf er sie an Bedingungen knüpfen: Reparaturen oder regelmäßige Inspektionen in einer Vertragswerkstatt gehören dazu. Aber auch die Ver‐wendung von Original‐Ersatzteilen oder der Originalzustand seit Auslieferung. Wer gegen diese Regeln verstößt, verliert den Anspruch, die Garantie ist futsch. Nach Ende der Ga‐rantie gewähren viele Hersteller noch Kulanz. … Doch Vorsicht: Kulanz wird nur gewährt, wenn der Kunde weiterhin treu zu Marke und Werkstatt steht. Es gilt der Grundsatz: Wer einmal fremdgeht, bekommt nichts mehr.“44

„Freie Werkstätten sollten Sie während der Garantie‐Zeit besser meiden, da Sie sonst eventuell gegen die Garantiebedingungen – meist im Kleingedruckten versteckt – verstos‐sen. Ähnliches gilt für die gesetzlich vorgeschriebene zweijährige Gewährleistung. …“45

42 Staff working document No. 2 : “Evolution of the motor vehicle markets since Regulation 1400/2002 entered

into force”, Seite 28. (Anlage zu: Bericht der Kommission zur Bewertung der Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 über Vertrieb, Instandsetzung und Wartung von Kraftfahrzeugen, Mai 2008)

43 Commission Staff Working Document Accompanying the Communication from the Commission „The Future Competition Law Framework applicable to the motor vehicle sector“ [SEC(2009)1052], RZ 153.

44 AutoBild Nr. 7, 13.2.2009. Die Definition wurde fast wortgleich in der AutoBild‐Ausgabe vom 14.8.2009 wiederholt. (Auflage AutoBild: ca. 550.000 Exemplare)

45 AutoBild Nr. 33, 14.8.2009

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Die Möglichkeit zum Wettbewerb zwischen Vertragswerkstätten und freien Werkstätten bei der Durchführung von Wartungs‐ und Reparaturarbeiten hängt ganz wesentlich von den Garantiebedin‐gungen der Fahrzeughersteller ab, aber auch davon, was den Autofahrern als Garantiebedingungen vermittelt wird, sei es durch Presseartikel (wie oben dargestellt) oder/und durch Stempel in den Serviceheften ihrer Fahrzeuge. Im Ergebnis erhält der Fahrzeughalter jeweils den Eindruck, dass er Nachteile erleidet, wenn er sein Fahrzeug in einer Werkstatt warten oder instandsetzen lässt, die nicht zum Vertriebssystem des jeweiligen Fahrzeugherstellers gehört oder wenn bei den Arbeiten Teile verwendet werden, die nicht das Markenzeichen des Fahrzeugherstellers tragen. Er erhält den Eindruck, dass ein produktionsbedingter Mangel am Auto nur dann kostenfrei beseitigt wird, wenn Inspektionen oder Reparaturen ausschließlich in Vertragswerkstätten vorgenommen wurden. Ent‐sprechend schreckt der Verbraucher letztlich vor der Entscheidung für eine Mehrmarken‐Fachwerkstatt zurück und beschränkt sich auf die Vertragswerkstatt. Trotz der Ausführungen der EU‐Kommission in ihrem Leitfaden zur Kfz‐GVO46 verwendet eine Viel‐zahl von Fahrzeugherstellern noch immer wettbewerbswidrige Garantieklauseln. Solche Klauseln haben eine marktverschließende Wirkung, die sich zu Lasten des unabhängigen Teilevertriebskanals47 sowie auch der Dienstleistungen freier Werkstattbetriebe und damit zu Lasten des Verbrauchers auswirkt. Dürfte ein Automobilhersteller es zur Voraussetzung für eine Gewährleistungsübernahme oder Garantiezusage machen, dass ein Fahrzeug ausschließlich mit Teilen seiner Marke bzw. nur in einer Vertragswerkstatt repariert oder gewartet wurde, so würde dies den Wettbewerb im Teile‐ bzw. Servicemarkt beschränken. Um diese Nachteile zu beseitigen, ist es erforderlich, eine entspre‐chende Regelung als Kernbeschränkung oder zumindest als besondere Voraussetzung in eine künf‐tige Verordnung einzufügen. Der Wettbewerb wird nicht nur durch Garantiebedingungen beeinflusst, die der Fahrzeuglieferant bei der Auslieferung von Neufahrzeugen durchgehend verwendet. Auch sog. „Anschlussgarantien“ werden regelmäßig mit Einschränkungen bei der Werkstattwahl versehen. Diese scheinbar selbstän‐digen Garantieverträge werden im Rahmen des Neufahrzeug‐ oder Gebrauchtwagenhandels häufig ohne Mehrpreis (oder zu einem symbolischen Preis, der den Wert der Garantie deutlich unterschrei‐tet) dazugegeben, um den Kunden an die Vertragswerkstätten zu binden.48 Die beschriebenen Bedingungen führen zur Verschließung des jeweiligen Marktes (Werkstattmarkt und Ersatzteilmarkt). Abzustellen ist hierfür nicht auf den einzelnen Vertrag, sondern auf das ge‐samte Vertragsnetz49 eines Herstellers. Der Markt der Instandsetzungs‐ und Wartungsdienstleistun‐gen ist markenspezifisch abzugrenzen, ebenso wie dies die Kommission auch für den Teilemarkt vor‐schlägt.50 Diesen Markt verschließt der Fahrzeughersteller den konkurrierenden Ersatzteillieferanten sowie den freien Werkstätten, indem er die Werkstattkunden durch Garantiebedingungen an sein eigenes Vertriebsnetz für Ersatzteile und Service bindet. Folge dieser markenspezifischen Abgrenzung ist, dass eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung schon dann vorliegt, wenn lediglich ein Hersteller entsprechende marktverschließende Bedingungen verwendet.

46 Antworten zu Fragen 37 und 99 des Leitfadens zur Kfz‐GVO. 47 Über diesen Vertriebsweg werden sowohl Vertragswerkstätten als auch unabhängige Werkstätten mit

Ersatzteilen der Teilehersteller beliefert, die diese konkurrierend zum Ersatzteilangebot der Automobil‐hersteller anbieten, vgl. auch Abbildung auf Seite 3.

48 Beispiele dafür und für Neufahrzeuggarantien finden sich in Anhang 2. 49 Ständige Rechtsprechung seit EuGH, Slg. 1991, I‐977; Emmerich, in: Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbs‐

recht EG, 4. Aufl. 2007, Art. 81 Abs. 1 EGV, Rn. 190 f. 50 Siehe Leitfaden zur Kfz‐GVO, S. 84 und Fußnote 187.

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Sogar bei den Gerichten herrscht Unklarheit darüber, wie entsprechende Garantiebedingungen zu würdigen sind. Bekanntes Beispiel ist das Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom 12.12.2007, worin eine Klausel, wonach der Hersteller die Leistung aus der Garantie von der regelmäßigen War‐tung in seinen Vertragswerkstätten abhängig gemacht hatte, als nicht unangemessen im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB bewertet wurde.51 Eine kartellrechtliche Erörterung dieser Frage wurde aber in diesem Verfahren gar nicht vorgenommen! Trotzdem beruft sich ein Automobilhersteller auf dieses Urteil, um Kritik an seinen Garantiebedingungen abzuwehren.52 Ähnliche Unsicherheiten wurden bei der gleichen Frage in Zusammenhang mit Gebrauchtwagen deutlich. Während das OLG Karlsruhe53 eine ähnliche Klausel ebenfalls für wirksam hielt, hielt das AG Reutlingen54 den Ausschluss der Garantie nur dann für wirksam, wenn die Inspektionsarbeiten ursächlich für den später eintretenden Garantiefall waren. Das LG Kiel55 schließlich erklärte die angegriffene Klausel gem. § 307 BGB für unwirksam, nachdem es sich mit dem vorgenannten Urteil des BGH auseinandergesetzt hatte. Die unterschiedliche Behandlung der gleichen Rechtsfrage durch mehrere Gerichte zeigt, wie sehr auch hier entsprechende Klarstellungen erforderlich sind. Auch in Auseinandersetzungen, die noch nicht die Gerichte beschäftigen, wird deutlich, dass dringend eine Klarstellung erforderlich ist. So lässt FIAT in Bezug auf seine beanstandeten Garantiebedingungen im Zusammenhang mit der geplanten weiteren Vorgehensweise antworten: „Selbstverständlich werden dann die sich aus der GVO und sonstigen Rechtsnormen ergebenden Grundsätze aus dem Gesichtspunkt der Herstellergarantie berücksichtigt werden. Darin ist dann auch einbezogen die von Ihnen gesondert angegriffene Mobilitätsgarantie, die aber mit den von Ihnen angegriffenen Bedingungen, wie oben schon an anderer Stelle ausgeführt, nicht praktiziert wird. In diesem Zusammenhang wird auch zu berücksichtigen sein die Tatsache, dass die EU‐Kommission, wie Ihnen bekannt, unmittelbar vor der Veröffentlichung von Leitlinien betreffend den Aftersales‐Markt steht im Zusammenhang mit dem Auslauf der derzeitigen GVO und der Schirm‐GVO. Sicherlich macht es Sinn, die Vorgaben aus diesen Leitlinien dann auch sogleich bei der geplanten kompletten Umstellung auf eine Herstellergarantie zu berücksichtigen.“ (E‐Mail vom 15.9.2009) Daher sollte eine neue konturschärfere Kernbeschränkung, ergänzt um Leitlinien zu diesem Thema, in eine künftige Verordnung eingefügt werden, wonach die Freistellung für vertikale Vereinbarungen ausgeschlossen ist, wenn das Bestehen von Garantieansprüchen an die Wartung oder Inspektion in Vertragswerkstätten oder die Verwendung von Ersatzteilen aus dem Angebot des Fahrzeuglieferan‐ten geknüpft wird.

2.6 Bedingungen in Verbindung mit Finanzierung, Kauf, Leasing

Unter ökonomischen Gesichtspunkten bieten Leasing und Miete Alternativen zum Fahrzeugkauf, welche die Mobilitätsanforderungen zum Nutzen der Verbraucher erfüllen. Dabei soll der Kunde wählen können, auf welche Weise er den Besitz des Fahrzeugs finanziert. Steigende Neuwagenpreise und abnehmende Kaufkraft verstärken die Nachfrage nach „günstigen Bezugsmöglichkeiten“. Die Wahlfreiheit besteht jedoch meist nicht mehr bei Wartung und Reparatur, denn in vielen Fällen sind Automobilhersteller selbst Inhaber der Finanzierungs‐ bzw. Leasinggesellschaften bzw. die Ge‐

51 BGH, Urteil vom 12.12.2007, Az. VIII ZR 187/06. 52 Siehe Anhang 3. 53 OLG Karlsruhe, Urteil vom 11.04.2006, Az. 13 U 111/05. 54 AG Reutlingen, Urteil vom 21.02.2006, Az. 8 C 731/05. 55 LG Kiel, Urteil vom 15.07.2008, Az. 12 O 25/08.

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sellschaften sind verbundene Unternehmen der Automobilhersteller. Soweit durch derartige Kon‐struktionen dem Kunden Bedingungen auferlegt werden, die ihn faktisch zwingen, Wartungs‐ und Reparaturarbeiten in Werkstätten durchführen zu lassen, die zum Vertriebsnetz des Fahrzeugherstellers gehören oder für Wartungen und Reparaturen ausschließlich Produkte mit der Marke des Fahrzeugherstellers einzusetzen, ist ein Wettbewerb mit unabhängigen Servicebetrieben oder Teileanbietern faktisch nicht möglich. Der künftige rechtliche Rahmen für den Vertrieb von Ersatzteilen sowie Wartungs‐ und Instandset‐zungsdienstleistungen sollte effektiven Wettbewerb beim Service und bei der Teileversorgung ge‐währleisten, auch für finanzierte, geleaste oder längerfristig gemietete Fahrzeuge – unabhängig davon, ob der Nutzer ein Unternehmer oder ein Verbraucher ist.

2.7 Ersatzteilbegriffe Die Definition der Begriffe „Originalersatzteil“ und „qualitativ gleichwertiges Ersatzteil“ in der Kfz‐GVO 1400/2002 hat dazu beigetragen, Unsicherheiten bei autorisierten Werkstätten bezüglich des Bezugs von Originalersatzteilen oder qualitativ gleichwertigen Ersatzteilen im freien Teilehandel aus‐zuräumen und damit die Absatzchancen von Teileherstellern und ‐Großhändlern bei dieser Ziel‐gruppe verbessert. Unter Wettbewerbs‐Gesichtspunkten scheint es auch künftig angebracht, die Verwendung des Begriffs „Originalersatzteil“ am Ersatzteil und nicht an dessen Vertriebsweg festzumachen.