studien zur biochemischen bedeutung der pufferungskapazität

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Studien. zur biochemischen Bedeutung der Pufferungskapazit&t. Von Hans Moser. Aus der physiologisch-chemischen Anstalt der Universit~it Basel. (Mit 7 Figuren. I. Wenn man mit G u s t a v Ki r c h h o f f 1) die Aufgabe der Naturwissen- schaften in der vollst~tndigen und einfachsten Beschreibung der Prozesse und ZustSmde der Natur erblickt, so bedeutet es ffir jede Disziplin einen groBen Fortschritt, wenn sie yon der qualitativen Beschreibung zu der quantitativen Messung tibergeht: ein MaBstab gewS~hrt eine exakte Definition der zu messenden Gr6fie, die damit immer und tiber- all reproduziert werden kann. In diesem Sinne war es yon jeher das Bestreben jeder naturwissenschaftlichen Methodik, mSglichst viele Begriffe in exaktem Marl auszudracken; darum war es auch ein grot3er Fortschritt, als es zu Beginn des Jahrhunderts gelang, die bisher so ver- schwommenen, anderseits aber auch wichtigen und h~ufig gebrauchten Begriffe ,,neutral", ,,sauer", ,,alkalisch" messend darzustellen. Praktisch erwies bald die neue Methodik ihre grot3e Bedeutung; besonders in den biologischen Wissenschaften ftihrte sie zu neuen Frage- stellungen und neuen Erkenntnissen. Sehr fruchtbar war die Einffihrung des neuen Begriffes der Pufferung, der weiter unten genau definiert werden soll; hier wollen wir darunter einfaeh den Widerstand eines gegebenen Systems gegen eine Anderung seiner Wasserstoffionenkon- zentration, seiner ,,Reaktion" im frtiheren Sinne verstehen. Es war n~imiich eines der iiberraschendsten Ergebnisse der physi- kalisch-chemischen Durchforschung der LebensvorgSmge, als man er- kannte, dab die tierischen Fliissigkeiten, wie Blur, Serum, Galle, Milch, Harn, ihre Reaktion mit aul3erordentlicher Genauigkeit innehalten. Diese Feststellung zwang zur Revision mancher 5.1teren Auffassung; *) Vorrede zu Vorlesungen fiber Mechanik 41876).

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Studien. zur biochemischen Bedeutung der Pufferungskapazit&t.

Von H a n s Moser. Aus der physiologisch-chemischen Anstalt der Universit~it Basel.

(Mit 7 Figuren.

I.

Wenn man mit G u s t a v Ki r c h h o f f 1) die Aufgabe der Naturwissen-

schaften in der vollst~tndigen und einfachsten Beschreibung der Prozesse und ZustSmde der Natur erblickt, so bedeutet es ffir jede Disziplin

einen groBen Fortschritt, wenn sie yon der qualitativen Beschreibung zu der quantitativen Messung tibergeht: ein MaBstab gewS~hrt eine exakte Definition der zu messenden Gr6fie, die damit immer und tiber-

all reproduziert werden kann. In diesem Sinne war es yon jeher das Bestreben jeder naturwissenschaftlichen Methodik, mSglichst viele

Begriffe in exaktem Marl auszudracken; darum war es auch ein grot3er Fortschritt, als es zu Beginn des Jahrhunderts gelang, die bisher so ver- schwommenen, anderseits aber auch wichtigen und h~ufig gebrauchten

Begriffe ,,neutral", ,,sauer", ,,alkalisch" messend darzustellen. Praktisch erwies bald die neue Methodik ihre grot3e Bedeutung;

besonders in den biologischen Wissenschaften ftihrte sie zu neuen Frage-

stellungen und neuen Erkenntnissen. Sehr fruchtbar war die Einffihrung des neuen Begriffes der P u f f e r u n g , der weiter unten genau definiert

werden soll; hier wollen wir darunter einfaeh den Widerstand eines gegebenen Systems gegen eine Anderung seiner Wasserstoffionenkon- zentration, seiner ,,Reaktion" im frtiheren Sinne verstehen.

Es war n~imiich eines der iiberraschendsten Ergebnisse der physi- kalisch-chemischen Durchforschung der LebensvorgSmge, als man er- kannte, dab die tierischen Fliissigkeiten, wie Blur, Serum, Galle, Milch, Harn, ihre Reaktion mit aul3erordentlicher Genauigkeit innehalten.

Diese Feststellung zwang zur Revision mancher 5.1teren Auffassung;

*) Vorrede zu Vorlesungen fiber Mechanik 41876).

7 0 IKOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1 - - 4

so hatte die experimentelle Medizin die bedrohlichen Erscheinungen, die bei endogener oder exogener SS.urezufuhr zum Blute auftreten, als A z i d o s i s bezeichnet und eben mit dieser l~bers~iuerung zu erkl&ren versucht. Als man dann mit exakten Methoden die AziditS~t mal3, stellte sich heraus, dab normales und pathologisches Blut nicht oder kaum mel3bar verschieden waren. SpS.tere Forschung crgab erst, dab die Krankheitssympt0me mit e i n e m V e r b r a u c h der P u f f e r r e s e r v e bzw. Alkalireserve des Blutes zu erklS~ren sind, speziell der Verschiebung des VerhS.ltnisses yon freier KohlensSmre zu Bikarbonat [H2COa]: [NaHCO?,], mit deren Hilfe der Organismus die Blutazidit~tt reguliert.

Bekanntlich bedient sich der Organismus ffir seinen Stoff- und Energieumsatz in weitestem Mat3e der F e r m e n t e als organischer Katalysatoren. Einen Schritt weiter bedeutete hier die Erkenntnis, daft alle Fermente bei einer bestimmten Wasserstoffionenkonzentration ( = h) ihr Wi'rkungsoptimum haben und daft ihre wirksame Kraft selbst bei kleinen Reaktionsverschiebungen meist sehr stark abnimmt. Nachdem ferner in gleicher Weise der kolloide Zustand, Teilchengr6t3e usw. unter anderem eine Funktion der h sind, nachdem die Unter- suchungen yon lVIichaelis') aus neuerer Zeit es sehr wahrscheinlich gemacht haben, dab auch die Permeabilit/it yon Eiweil3membranen durch die h reguliert wird, nachdem schliefilich neueste Arbeiten 2) die Bedeutung der h ftir die Entstehung der Schmerzempfindung bei Gewebs- entztindungen gelehrt haben, erscheint die beinahe ~ingstliche Ftirsorge, mit der der Organismus durctl Eiweil3-, Phosphat-, Karbonatpuffer die jeweils optimalen Wasserstoffionenkonzentrationen sich sichert, durchaus verstSmdlich.

Wenn die Azidosis sich so als eine Vergiftung des Organismus aus Mangel an Puffersubstanz erklS~rt, so ist, wie ich vor einiger Zeit nach- wiesa), ebenso eine SchS.digung m6glich durch einen Ube r schu t3 an Puffern. Setzt man n&mlich zu einem G&rgemisch, bestehexld aus Here und Glukose, im Reihenversuch steigende Mengen sekundS.ren Natrium- phosphats, so finder man bei geringen Phosphatmengen eine deutliche F6rderung der GS.rung durch das Phosphation als Koenzym, bei stSx- kerer Konzentration aber bald starke Hemmung bis zur vSlligen Unter- bindung der O~rung. Ich konnte zeigen, dab als Ursache hierf~ir nur die Vergiftung der Hefezelle durch zu groBe Puffermengen in Betracht kommt.

1) Naturwiss. 14, 33 (1926). ~) v. Gaza u. Brands, Klin. Wochenschr. 5, 1123 (1926). 3] Helv. Chim. Acta 9, 414 (1926).

MOSER, STUD1EN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZIT,~T ~1

Es liegt sehr nahe, aus diesen beiden Tatsachen den Schlut3 zu ziehen, dab auch die Pufferung bei den Lebewesen reguliert ist, d .h. dab ftir jeden Lebensvorgang, ftir jede fltissige Phase im lebenden Organismus eine ganz bestimmte P u f f e r k a p a z i t i ~ i t n6tig ist, daft jedes Mehr oder Minder eine Hemmung der Funktionsttichtigkeit, einen pathologischen Zustand bedeutet. Es erscheint erstaunlich, dab die biologische Forschung sich diesen Fragen bisher in recht geringem Marie zugewandt hat und dab die zum Teil schon bekannten lginzeltatsachen unter diesem Gesichtspunkte noch kaum betraehtet worden sind.

Der Begriff der Pufferungskapazit~tt ist, wie wir unten sehen werden, eine Funktion der W a s s e r s t o f f i o n e n k o n z e n t r a t i o n , ihre Definition also abhS.nglg yon der Theorie der letzterenl), die 'wir ats bekannt voraussetzen.

II.

Die erste theoretische Betrachtung und der erste Versuch einer quanti tat iven Darstellung der Pufferwirkung s tammt yon K o p p e l und Spiro2). Sie verstehen unter ,,der GrOfie der Moderation (ist iden- tisch mit Pufferung P) den Quotienten aus einerseits dem Plus an Sgure bzw. Alkali, welches die L6sung far eine bestimmte Reaktions- verschiebung mehr braucht als eine pufferfreie L6sung, und anderseits der entsprechenden Anderung des Wasserstoffionenexponenten, wobei die Reaktionsverschiebung selbst sehr klein sein soll".

zt (S-- S o) P =

A p~

Das gesamte Pn-Intervall, in dem die Differenz S - - So > 0 ist, wo also eine Pufferung vorhanden ist, nennen die Autoren ,,Modera- tionsbreite". Wichtig ist ferner noch ihre Definition der Pufferwirkung (Moderation). Sie verstehen darunter ,,die Eigenschaft yon L6sungen, ftir eine best immte Reaktionsverschiebung grOfiere S~ture- bzw. Alkali- mengen zu ben6tigen, als eine L6sung yon nur starken Elektrolyten bei gleicher Wasserstoffionenkonzentration erfordern wtirde". Damit ist. der grundlegende Gedanke ausgesprochen, dab die Pufferung eine Funktion der h ist. Ftir die tibrigen wichtigen Ergebnisse jener Unter- suchungen mtissen wir auf die Originalarbeit verweisen.

Acht Jahre spgter hat v a n S l y k e eine andere Darstellung des

1) Vgl. fiir das folgende insbesondere L. Michaelis , Die Wasserstoff- .ionenkonzentration (2. Aufl.).

2) Biochem. Zeitschr. tt5, 409 (1914).

7 9 ' KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1 - - 4

Problems gegeben. 1) Dieser Forscher - - u n d unabhS~ngig yon ihm auch M i c h a e l i s 2) - - drt~ckt die Pufferung (~) aus in dem Ansatz

dB dPi-i

d. h. ,,z~ ist der Differentialquotient der Erh6hung der Menge yon zu- gesetzter Base B, ausgedrttckt in fi~quivalenten fiir ein Liter und der dabei stattfindenden fimderung yon PH; eine LSsung hat also eine Pufferkapazit~t von 1, wenn ein Liter der Fltissigkeit bei Zusatz eines fi~quivalentes S/~ure oder Lauge ihren p~ um 1 verS~ndert3).

Der Ansatz von K Q p p e l und S p i r o befriedigt deshalb nicht ganz, weil als Bezugssystem ein starker Elektrolyt gewS.hlt ist. Naeh der AktivitS.tstheorie ist ja die Dissoziation als solehe immer gleich und nur der Aktivit~tsfaktor variiert. Daher werden, auch wenn die Vorstellungsweise keine wesentlich andere ist, bei der VerS.nderlichkeit yon f~ die Berechnungen untibersichtlich und kompliziert.

Diesen Nachteil vermeidet v a n S l y k e , daftir nimmt er abet in seiner rein formalen Definition andere Nachteile in Kauf. Insbeson- dere ergibt sich in extrem sauren und alkalischen Gebieten, PH < 3 und > 11, eine Pufferung yon Wasser mit starken Elektrolyten, ein Ergebnis, das mit der tiblichen Bedeutung des Begriffes Pufferung schwer in Einklang zu bringen ist.

Aueh die Arbeit v a n S l y k e s stellt damjt keine endgtiltige LOsung dieser Frage dar. Weiter entwickelt wurde sie erst ganz neuerdings im hiesigen Inst{tut durch Fr. L e u t h a r d t 4 ) . Er benutzt als Bezugssystem eine ,,ideale, nicht gepufferte LSsung", in der die Konzentration an freien H- oder OH-Ionen der SSmren oder Basenmengen, die man zu- gesetzt hat, /iquivalent ist; ist sie geringer, so spricht er yon Pufferung. Obiger Forderung entspricht streng kein LSsungsmittel; Wasser kommt ihr aber gegentiber starken Elektrolyten in verdfinnter L6sung sehr nahe. Daraus ergibt sich als Ausdruck der Pufferung P

p d 7 1, dh

wobei 7 die zugesetzte S~uremenge ausdrtickt, gemessen in Mol. Im Maflsystem yon S o e r e n s e n ergibt sich ffir die Pufferung ~:

d~ ~- dp H -I- 10--P in 10.

1) Journ. of biolog. Chem. 52, 523 (19"22). ~) Die Wasserstoffionenkonzentration (2. Aufl.), 89tt. 3~ Zitiert nach Kol thoff , Der Gebrauch yon Farbindikatoren ("2.Aufl.), 23f~. 4) Kolloidchem. Beih. (siehe die vorhergehende Abhandlung).

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSI~APAZITNT 73

Besonders wicht ig ist s e ine Fests te l lung, dab die Ex t r emwer t e

der Pufferung in b~iden Sys temen im al lgemeinen n icht zusammen-

fallen werden. Aus Grtinden der l~lbersichtli2hkeit empf iehl t sich vor

a l l e m d a s S o e r e n s e n s c h e System. Mit d e n A n s ~ t z e n v o n L e u t h a r d t

is t eine gl~ickliche Vereinigung der Vorztige der K o p p e l - S p i r o s c h e n

und v a n S l y k e s c h e n Arbei ten gegeben, w/ihrend ihre Nachtei le aus-

gesehal te t erscheinen; wir werdcn im folgenden 5fters auf sie zuriick-

greifen.

Aus dem Begriff Pufferung wird wei terhin der der P u f f e r n n g s -

k a p a z i t / i t C abgelei tet , der an sich ident isch ist mi t der Moderat ions-

brei te yon K o p p e l - S p i r o . Die Pufferungskap~zitS.t ist die Zahl der

SS.ure- (bzw. Basen-) ,~quivalente, die man einem Sys tem pro Volumen-

e inhei t zusetzen muB, bis seine Pufferung den Wer t Null erreicht , d. h.

bis sie so klein wird, dab man sie p rak t i sch vernachl~issigen kann.

C h = Cpu = [ S - - So] h =oo"

Graphiseh is t die Puf fe rungskapaz i t~ t eines bes t immten Punktes der

Pufferungskurve die F1/iche, die v o n d e r Ordinate des Punktes , der

Pufferungskurve und ihren beiden A s y m p t o t e n begrenzt wird.

Was d ie AbhS~ngigkeit der Pufferungskapazi t / i t yon der Konzent ra-

t ion der Puffer l6sungen anlangt , so mag es an dieser Stelle gentigen,

auf die Ta tsache hinzuweisen, dab ein solcher Einflufl definitionsgemS/3

bei n icht zu grogen Konzentrat ionsSonderungen kaum i n Be t rach t

kommt . Da sich aber der Akt iv i t~ t skoef f iz ien t 5.ndert, so kann auch die

h bei Konzent ra t ions / inderungen der Puffersubs tanzen n icht s t reng

kons t an t bleiben. Auf die theoret ische Able i tung brauche ieh an dieser

Stelle n icht einzugehen, da cties in einer anderen Arbe i t aus dem hie-

sigen Ins t i t u t geschieht. Exper imente l l ha t M i c h a e l i s ~) derar t ige

]~nderungen naehgewiesen; auch ich konnte ein gleiches ftir noch

hShere Konzen t ra t ionen best/i t igen. 2)

Die S t a n d a r d m e t h o d e , die den meisten der folgenden Messungen zu- grunde liegt, ist die e l e k t r o m e t r i s c h e , wie sie insbesondere dureh die Arbeiten yon L. M i e h a e l i s ausgebaut wurde3). Diese grundlegende Methodik hat dureh das Ztisammenarbeiten yon vielen Forschern inzwischen manche geibesserung erfahren und ist auch manchen speziellen Zwecken angepagt worden. So bedienten wir uns mit Vorteil eines empfindliehen Prfizisionsvolt- meters an Stelle des iriiheren Kapillar-Etektrometers als Nullinstrument. Ferner haben wir bei einem Tei| der Versuche die StSpsel-Rheostaten der alten An- ordnung ersetzt dutch das yon M i s l o w i t z e r angegebene Potentiometer4), das

1) Biochem. Zeitschr. 119, 307 (1921). ~) Helv. Chim. Acta a. a. O. a) Vgl. z. B. L. M ic h a e 1 i s, Praktikum der physikalischen Chemie (3. Aufl.)

und in Abderhaldens Handb. d. biol. Arbeitsmethoden. 4) Bioehem. Zeitschr. 159, 68 (1925).

74: IKOLLOIDCHEMISCHE BEIPIEFTE BAND XXV, HEFT 1--4

alle Mel3widerstS.nde in slch vereinigt. Bei unseren vorbere i tenden Unter- suchungen fanden wir gut f ibereinst immende Wer te der beiden Anordnungen; nach 1/ingerem Gebrauch ergaben sich allerdings einige Fehler, so dal]. wir zur Methode von M i c h a e l i s zur/ickkehrten. Da sich unsere Untersuchungen besonders auf das saure Gebiet erstreckten, war die Anwendung der Chinhydron- elektrode sehr bequem, zumal die Er fahrungen vieler Autoren ihre Brauch- barkeit festgestellt hatten. Ebenfalls M i s l o w i t z e r verdanken wit die Angabe eines neuen ElektrodengefS.Bes hierfiirl), das sich bei unseren Versuchen in weitestem Ausmal3e bewS.hrt hat.

Als Ers te haben H a b e r und R ug ~) sich mit dem C h i n h y d r o n e ingehend besch/iftigt und die Konstanz seines Potentials nachgewiesen. Erst viel spS.ter gelang es B i i l m a n n 3 ) , sp/iter gemeinsam mit Lurid4), die Theorie und die rechnerische Grundlage der Chinhydronelektrode auszuarbeiten. Heute ist sie fur fast alle Messungen im sauren Gebiet, sei es fiir biologische~), sei es fiir physikal isch-chemische Untersuchungen6), ein geradezu unentbehrl iches Werk- zeug geworden, das aber, worauf wir doch hinweisen wollen, mit groI~er Vor- sicht gebraucht werden mul3, wenn es sich um Flfissigkeiten handelt, deren Bestandteile man nicht genau kennt. Denn seine beiden Komponenten sind sehr reaktionsf~ihige K6rper, deren Konzentration sich dutch sekund/ire Reaktion mit der Untersuchungsfl i issigkeit leicht /indern kann.

Chinhydron, eine 5.quimolekulare Addit ionsvei 'bindung yon Chinon und Hydrochinon, zerf511t in wiisseriger L6sung in seine beiden Komponenten. Die freien H-Ionen der Untersuchungsfli issigkeit reagieren nun teilweise mit einem entsprechenden Tell des Chinons unter Bildung von Hydrochinon; dabei geben die H- Ionen ihre freie Ladung ab und laden eine in die LSsung eintauchende Plat inelektrode positiv auf. Die GrS~3e dieses Potentials steht mit der h der

0 O H

H@ ~ @| I,.~l+H@=l,jl+ II I O O H

LSsung in einem best immten VerhS.ltnis, genau, wie bei der Wasserstoffelektrode. Dieses Einzelpotential wird dann in der iiblichen Weise gemessen mit einer be- kannten Vergleichselektrode. Wi t benutzten zu diesem Zwecke die yon M i c h a e l i s angegebene ,,ges~ittigte Kalomelelektrode" unter Zwischenschaltung yon ge- sS.ttigter Kaliumchloridl6sung und Kaliumchlorid-Agar-Heber oder mit Vorliebe wegen der leichten Herstellung in dem yon M i s l o w i t z e r angegebenen Doppel- elektrodengefS.fl , ,Standard-Azetatl6sung" y o n p ~ 4,62 mit Chinhydron.

Ffir die Anwendung des Chinhydrons ist es noch yon besonderer Bedeu- tung, die G r e n z e n seiner B r a u c h b a r k e i t zu kennen. ZunS~chst haben schon viele Untersucher festgestellt, daft keine b rauchbaren Werte resultieren, wenn der p~-Wer t fiber 9,0 steigt, also im alkalischen Gebie t Da bei unseren Untersuchungen aber immer das saure Gebiet im Vordergruncle des Interesses stand - - Verdauung und Azidose sind vorwiegend Probleme der S/iuerung - - , be-

1) Biochem. Zeitschr. 159, 72 (1925). ~) Zeitschr. L physik. Chem. 47, 294 (1904). 3) Ann. d. Chim. 15, 109 (1921), ref. in Chem. Zentralbl. 1921, III, 1009. 4) Ann. d. Chim. 16, 321 (1921), ref. in Chem. Zentralbl. 1922, I, 603. 5) VgL z. B. Biochem. Zeitschr. 156, 63 (1925). ~) Vgl. z. B. Zeitschr. f. physik. Chem. 110, 65 (1924).

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DEN PUFFERUNGSKAPAZIT,3,T 75

deutete das keine StSrung fiir uns, zumal wir ja immer mit stark gepufferten Systemen arbeiteten, bei denen man bis PH 9,2 gute ~vVerte bekommt ' ) .

Der yon S o e r e n s e n ~) festgestellte , , S a l z f e h l e r " des Chinhydrons tritt erst bei erhebl ichen Konzentrat ionen an Neutralsalzen in Erscheinung. Da er auch dann noch gering ist, und da wir bei allen Versuchen mit relativ gleichen Salzkonzentrationen, zudem meist auch mit s tarken Puffern arbeiteten, so konnten wir ihn im allgemeinen vernachl/issigen.

Wicht iger ist der von K o l t h o f f ' ) festgestellte , , E i w e i g f e h l e r " . Dieser Autor fand n~imlich bei eiweiflhaltigen Flfissigkeiten bei PI-I > 6 z. T. recht betr/ ichtliche Abweichungen gegeniiber der Wasserstoffelektrode nach der sauren Seite hin, insbesondere auch kein konstantes Potential. Diese Erfahrungen k6nnen wir best/itigen. Doch ist nach K o l t h o f f der Fehler abhtingig von der Art und der Konzentration des Eiweiflk6rpers, z. B. fiir Milch so gering, dal~ er die Methode fiir Untersuehungen yon Molkereiprodukten empfiehlt. Da wir immer in recht verdi innten L6sungen arbeiteten, so glaubten wir uns im all- gemeinen auch fiber diese Fehlerquelle hinwegsetzen zu k6nnen. Allerdings multten wir beobachten, dafl da s Potential sich hie streng konstant hielt; nach Vorversuchen und in Ubere ins t immung mit den Erfahrungen von S c h / i f e r und S c h m i d t a) wS.hlten wir daher den Wert , den das Potential drei Minuten nach Zugabe des Chinhydrons zeigte, als den richtigen. M e i s t blieb dieser Wert fiber eine Viertelstunde konstant , um dann langsam nach der sauren Seite zu sich zu verschieben. Von anderer Seite ist auch die Brauchbarkei t der Chinhydronelektrode fiir Blutserum nachgewiesen worden. G l e n n , C u l l e n und B i i l m a n n konnten zeigen4), dag S a l z - u n d Eiweigfehler vernachl/issigt werden k6nnen, selbst bei der schwach alkalischen Reaktion nat iven Serums.

Fiir unsere Titrationsversuche, besonders im alkalischen Gebiet, benutzten wir eine eigene Form des.Elektrodengef/i l les, die , , o f f e n e W a s s e r s t o f f - e l e k t r o d e " . Ein Glasgef/ig yon der Form eines Becherglases von etwa 20 ccm Inhalt hat einen nach aul3en gewSlbten Boden, an dessen Mitte m6g- lichst fief die iibliche platinierte Platinelektrode mit Ablei tung befestigt i s t Dicht daneben endigt eine Kapillare zum Einlei ten des in fiblicher Weise sorg- f~iltig gereinigten Wasserstoffs aus einer B o m b e Der Wasserstoff durchperlt die ganze Untersuchungsflfissigkeit von unten her und dient so einerseits zur mechanischen Durchmischung der Fliissigkeit, anderseits zur Erzeugung eines konstanten, wenn auch sehr kleinen Wasserstoffpartialdrucks in dem nach oben offenen Elektrodengef/ig. Vor und nach der Titrat ion wurde bei gle ichem Wasser- stoffstrom die Elektrode mittels eines Puffergemisches von bekanntem PI-I (Azetat, Phosphat) geeicht und die Wer te der Titration nur dann als b rauchbar angenom- men, wenn beide Werte unter Berficksichtigung der Tempera tur um wenigstens 0,02 pl t-Einhei ten i ibereinst immten Grundlegend wichtig dabei ist, dal3 w/ihrend der ganzen Dauer des Versuches der Gasstrom streng konstant bleibt, ~eil sonst mit einem ver/inderten Wasserstoffpart ialdruck sich erhebl ich f a l s c h e Werte ergeben. - - Gegen das, besonders im stark alkalischen Gebiet off sehr st6rende Schiiumen der Fliissigkeit wurde von Zeit zu Zeit ein Tropfen Amyl- alkohol zugegeben. Im sauren Gebiet konnte natfirlich die Methode im all- gemeinen nicht angewandt werden, weil der dadurch bedingte Verlust an Kohlendioxyd PH und Pufferung verS.ndert.

1) K o l t h o f f , Zeitschr. L physiol. Chem. 144, 259 (1925). -") Ref. in Chem. Zentralbl. 1922, I, 602. 3) Biochem. Zeitschr. 1511, 63 (19"25). 4) Journ. of biolog. Chem. 64, 727 (1925).

76 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, I-lEFT 1 - - 1

Aul~er nach diesen Methoden wurden bei den dazu geeigneten Unter- suchungsfliissigkeiten Kontrollbestimmungen gemacht naeh der I n d i k a to r en- Me thode . Neben der yon Michae l i s angegebenen 1) Nitrophenol-Methode erwies sich das Doppelkeil-Kolorimeter nach B j e r r u m - A r r h e n i u s als sehr ge- eignet fiir eiweiB- und salzarme L6sungen. Natiirlich kann es wegen der mit allen kolorimetrischen Methoden verbundenen individuellen Ablesungsfehler die elek- trometrische Methode niemals ersetzen, zumal such sein Anwendungsbereich erheblich begrenzter ist.

I I I .

Der in den 80 er Jahren des vergangenen Jahrhunder t s haupts~tchlich auf Grund der Untersuchungen von N a u n y n , S c h m i e d e b e r g und deren Sehfilern in St ragburg aufgestellte Begriff der A z i d o s e hat sich

in der Folgezeit als heuristisches Prinzip yon seltener Fruchtbarkei t bew~thrt, ha t aber anderseits dureh die Erkenntnisse der letzten Jahre

manche Einschr~nkung erfahren mfissen. N a u n y n und M i n k o w s k i hat ten gefunden, dag bei Diabetes

gewisse SS~uren im Harn auftreten, Azetessigs~ure und /9-Oxybutter- s~ture. Diesen Symptomkomplex nannten sie Azidosis; zugleich konnten sie feststellen, dab die Gefahr for den Organismus weniger bedingt ist

durch die spezifische Giftwirkung der Anionen als vielmehr durch die Sat/erung, die damals an der Verminderung des Alkaligehaltes des Blutes in der Art gemessen wurde, dab man die im Blute an Alkali gebundene Menge Kohlendioxyd gasanalytisch bestimmte. Man sah

es als das eigentliche Wesen der SS~urevergiftung an, dab die alkalische Reaktion des Blutes abnahm, die man damals auf Grund yon Lackmus- versuchen ftir sicher hielt, ohne dab exakte Messungen vorlagen.

Um so fiberraschender waren dann zwei spS~tere Befunde. M i c h a -

e l l s und D a v i d o f f 2) fanden bei Coma diabeticum im Blute ein Pn yon 7,12; bei Diabetes ohne Azeton p~{ = 7,66. Diese Werte liegen sehr

dicht bei den ftir normales Blut gefundenen Werten (PH = 7,20 bis 7,40) ; bei den gerade ftir Blutmessungen besonders grol3en Schwierigkeiten

wird man auf die an sich sehr geringen Differeilzen kein allzu grot3es

Gewicht legen di]rfen. Jedenfalls ist kein Wert ,,sauer", d. h. PH % 7,0. Diese Befunde sind oft bestS~tigt worden. Wir wissen heute, dab such bei schwersten FMlen yon endogener oder exogener Azidose die Reaktion des Blutes entweder ganz , ,normal" sein kann oder doeh nur um ver- schwindend kleine BetrS~ge auBerhalb der normalen Schwankungs-

breite liegt. Teleologisch i~fit sich dies leicht erkl~ren: die besonders im letzten

J a h r z e h n t gef6rderte Fermentforschung hat uns gezeigt, dal3 alle ffir

1) Praktikum der physi k. Chemie. 2) Biochem. Zeitschr. 46, 143 (1912).

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZIT~,T 77

das Leben wichtigen chemischen Prozesse fermentativer Natur sind, und daft sie in erster Linie yon der Wasserstoffionenkonzentratio11 ab- h~ngig sind, so daft oft schon kleinste Reaktionsverschiebungen eiaen ProzeB zum Stillstand bringen oder doch weitgehend hemmen kSnnen. Einer solchen Gefahr muB der Organismus begegnen kSnnen.

Die experimentelle Forschung gewtihrte uns einen Einblick in sein au'fs feinste ausgebildetes System yon P u f f e r n , dureh deren Zusammen- wirken der gewtinschte Effek. t, ngmlich Konstanz der H-Ionenkonzeu- tration, selbst bei grSbsten Insulten erzielt wird.

Rein p h y s i k a l i s c h wirken in diesem Sinne die A u s s c h e i d u n g s - o r g a n e : Lunge, Haut, Nieren, Darm, auch die Leber. Automatisch werden sie in erhOhte selektive Tgtigkeit gesetzt, wenn es dem Orga- nismus darauf ankommt, irgendwelche Stoffe, die das Gleichgewicht stOren kSnnten, beschleunigt zu enffernen.

Wenn auch die Versuche L S f f l e r s und seiner Mitarbeiterl), diesen Nachweis far die D a r m w a n d zu ftihren, nicht ganz zwingend erscheinen, so dtirfte doch kein Zweifel dartiber bestehen, dab der Darm, das haupt- s~ichlichste Resorptionsorgan und damit ein wichtiger Regulator des Gesamt-Ionenhaushaltes des Organismus, auch fiir die H- und O H- Ionen eine wichtige Rolle spielt.

DaB Anreicherung des Blutes an Kohlensgure zu einer stgrkeren Erregung des A t e m z e n t r u m s (Hyperpnoe) ftihrt, ist schon lange beobachtet worden. Der Organismus sucht eben durch vermehrte Ab- gabe yon Kohlendioxyd das gestOrte Sgure-Basen-Gleichgewieht wieder- herzustellen. Auch kennt man schon lange den anregenden EinfluB der Azidose auf die Atmung. W i n t e r s t e i n 2) hat nun gezeigt, dab Infusion yon fixen S~iuren die Lungenventilation in gleicher Weise steigert, wahrend die Laugen hemmend wirken, und hat die Theorie aufgestellt und begrtindet, dab die h des Blutes der Regulator der Atmung sei. Damit ist umgekehrt auch gesagt, dab die Atmung auf die h des Blutes regulierenden Einflufi hat.

Bei der Schwierigkeit, die in der Gewinnung des Untersuchungs- materials liegt, erscheint die Diirftigkeit der Angaben tiber den S c hwe i B erklgrlich. Immerhin ist festgestellt, dab der SchweiI~ betr/~chtliche Pufferwirkung zeigt a) und dab er beim Menschen normalerweise schwach

') Klin. Wochenschr. 5, 179 (1926); Biochem. Zeitschr. 166, 116 41925). ~) Biochem. Zeitschr. 70, 45 (1915), vgl. insbesondere Naturwissenschaften

11, 625 (1923). a) S h a r l i t a. S c h e e r , Arch. of Derm. and Syph. 7, 592 (1923), res in

Oppenheimers Handb. d. Biochem. 5, 391L (1925).

78 KOLLOIDCHEM1SCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1 - - 4

sauer [PH 5,6--6,2]1), dagegen bei Pflanzenfressern stets alkalisch, bei Pferden stark alkalisch e) reagiert. Da die organischen Pflanzens~uren im Organismus alle zu Alkal ikarbonat verbrannt werden, ist der Pflanzen-

fresserorganismus immer besonders reich an basischen Einheiten, yon denen er sich regulierend auf diesem Wege - - wie tibrigens auch

durch den H a m a) - - befreit. Doch tri t t nattirlich die Regulation durch die Hau t an Bedeutung for den Organismus weft zurtick hinter den

andern Mechanismen, besonders den Lungen und Nieren. Aus den Ergebnissen der physikalischen und chemischen H a r n -

untersuchung auf die Physiologie und Pathologie des Stoffwechsels

zu schliel3en, ist ein uraltes, meist in hohem Marie fruchtbares Bestreben. Doch ist unsere Problemstellung verhgltnismS~fiig neu und daher s tammen

auch die Befunde, die sich in diesen Zusammenhang einpassen, aus den letzten Jahren. Als Erste haben wohl H e n d e r s o n und S p i r o 4) die groBe Bedeutung der normal sauren Reaktion des Harns und ihrer grofien

Schwankungsbrei te - - normal zwischen PH 5,9. und 7,0, extrem yon 4,2 bis 8,8 - - for die Stiuren-Basen-Regulation im Organismus klar er- kannt. Da, wie man heute weil3, das Ammoniakion ein sehr starkes

Gift ftir den Organismus bedeutet, wird es schon in der Leber fast quan- t i tat iv mit Kohlens~iure zu dem neutralen Harnst0ff synthetisiert, und damit ha t der normale Organismus viel mehr saure Endprodukte des Stoffwechsels zu eliminieren ais alkalische. Dadurch, dab er nun einen

sauren Harn ausscheidet, kann er sich grofie Mengen Alkali einsparen. Die Autoren haben z. B. berechnet, dab die Phosphorsgure, die im Blur

zu 85 Proz. als Salz vom Typus M2HPO 4 kursiert, im H a m fast aus- schliefilich (zu 99,5 Proz.) als MH2PO 4 vorliegt, dab damit nahezu die Hglfte des Alkalis wiedergewonnen wird. Ahnlich verhalten sich die an- deren SS~uren; nur die starke Schwefels/ture entftihrt die ganze Menge Alkali, die zu ihrer Neutralisation n6tig ist, aus dem KOrper; ihre Kon-

zentration im Harn ist aber sehr gering. Harns~iure verbraucht nut ein Viertel, fi-OxybuttersS~ure nur zwei Drittel, Kohlens~ture tiberhaupt keines.

Eine Anzahl yon Einzelbeobachtungen hat die Wichtigkeit der

Harnregulat ion noch klarer hervortreten lassen. So der interessante Fall der S a u e r s t o f f - M a n g e l - H y p e r p n o e . Wenn ngmlich bei nor-

i) Ta lbe r t , Amer. Journ. of Physiol. 61, 493 (1922). 2) Smith, Journ. of Physiol. 11, 497 (1890). Neuerdings hat K o r k i s c h

(Pfliigers Arch. 218, 539 i1926]) im Pferdeschweil] pH.Werte yon 7,82 bis 9,01 gefunden.

a) Vgk z. B. Pfliigers Arch. 20~, 468 (1924). 4) Biochem. Zeitschr. 15, 105 (1908).

MOSER, STUD1EN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZIT~i,T 79

maler CO2-Spannhng im Blute die Atmung wegen Sauerstoffmangels

in der Aurienluft verst~rkt wird, mug die damit ebenfalls erh6hte Abgabe yon CO. zu einer Alkalosis des Organismus ftihren und einer Vcrminderung der h. Diese wird nun kompensiert durch eine Aus-

scheidung yon Bikarbonat in den Harn, der vortibergehend alkalisch wird. 1)

B o r a k land '~) auf t i tr imetrischem .Wege, dab ein L;berschufi an sauren Mineralsalzen in der Nahrung bei Hunden zu einem h6heren

AziditS~tswerte f~ihrt und umgekehr t mehr basische Bestaadteile den H a m alkalischer machen. Diese Feststellungen sind allerdings nicht so sehlagend, wie die oben angeftihrten Versuche yon W i n t e r s t e i n , weil ja bekanntl ich nur Minuten vergehen, bis peroral eingeftihrte Phar-

maka im H a m erscheinen (Methylenblau !) ; es handelt sich also bier nicht um die gleiehe, teleologisch so sch6n begrtindete kompensatorische

Regulation wie bei der Lunge, sondern um eine einfache Ausschwemmung der das Gleichgewieht st6renden Ionen. Das Ergebnis ist aber in beiden F~llen das gleiche: Aufrechterhal tung des SS~uren-Basen-Gleiehgewichtes.

Von Wichtigkeit sind hier auch Beobachtungen yon Vei la) : starke

MuskeltS.tigkeit, die das Blut mit MilchsS.ure anreichert, ftihrt nicht nur zu verst~trkter Atmung, sondern auch zu stS~rker saurem Harn. Ebenso sinkt das Pa des Harns wS~hrend des Schlafes. Auch hier ergibt unser Prinzip leicht eine ErklS.rung: das Atemzen t rum ist beim Schlaf

unterempfindlich, die gebildete KohlensS.ure wird nicht in dem Marie veratmet, wie am Tage. Seinen Uberschuri an sauren Einheiten ent- fernt also der Organismus durch den Harn.

So ist die Niere durch ihre vielseitige F~higkeit der Ausscheidung

und Einsparung yon sauren bzw. basischen Einheiten ein wichtiges Regulationsorgan ; die Bedeutung ihres Antagonisten, der Le b er, t r i t t dahinter zur~ick und ist noeh nicht gen/igend erforscht. Sic ist, wie schon

oben erwS.hnt, der Ort der Harnstoffbi ldung und greift dadurch in den Regulat ionsmechanismus mit ein, dab sie unter UmstSmden auch das Ammoniak zur S~urebindung zur Verftigung stellen kann. (Es ist alter-

dings noch strittig, ob die Leber wirklich Ammoniak einsparen kann oder ob nieht erst - - was wahrscheinlicher ist - - die Niere wieder neuerdings Ammoniak bildet:) Jedenfalls spielt das N H~ als Neu-

tralisator yon S~.uren im Harn eine Rolle, besonders beim SS.ugling4).

~) H6ber , Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe, 6. Aufl. (1926), 372.

-~) Biochem. Zeitschr. 185, 480 (1923). 3) Klin. Wochenschr. 1, 2176 (1922). a) Vgl. Spiro , Ergebn. d. Physiol. 24, 511 (1925).

S0 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1--4

Neuere Untersuchungen, besonders yon P a r n a s und seinen Schti- lern 1) haben gezeigt, dab der Gehalt des Blutes an prSoformiertem

Ammoniak sehr gering ist, etwa 0,03 mg NH 3 in 100 ccm Blur, dab aber das Blut eine noeh unbekannte A m m o n i a k - M u t t e r s u b s t a n z ent- h~ilt (nieht Harnstoff!), aus der in v i t ro sich sehr schnell Ammoniak

bilden k a n n bis zu etwa 2,5 mg. Diese Ammoniakmuttersubstanz scheint unter Umst~nden aueh Ammoniak zur Neutralisation yon SS.uren zur Verftigung stellen zu k6nnen. So hat man gefunden, daft bei Azidose endogener und exogener Natur der Ammoniakgehalt im Ham ver- mehrt ist. 2) Wenn im Blute (und damit auch im Harn) bei patholo-

gischen ZustS.nden die~ fltichtigen FettsS.uren auftreten, so ist kom- pensatorisch aueh immer die Ammoniakmenge vermehrt; anderseits erhSht eine vermehrte perorale Zuftihrung yon Ammoniak nur die

Harnstoffmenge im Harn, das ja bekanntlich auf das S~iuren-Basen- Gleichgewicht keinen Einflufi hat. Der Gehalt des Blutes an Ammoniak- muttersubstanz ist weitgehend konstant3); nur bei intraven6ser Zufuhr

yon verhiiltnism~it3ig groflen Mengen S~iure im Tierversuch entsteht aus der labilen Ammoniakmuttersubstanz Ammoniak (Steigerung bis 5000 Proz.). Damit ist aueh die Leber als em den Ammoniakstoffwechsel regulierendes Organ zugleich auch yon EinfluB auf die h des Organismus.

Auger diesen physikalisch wirkenden Regulationsmechanismen besitzt der Organismus noch' eine zweite Klasse yon Pufferungssystemen in den organischen Fltissigkeiten. Diese enthalten Substanzen, die man als (chemische) P u f f e r , R e g u l a t o r e n oder M o d e r a t o r e n be-

zeichnet. Wenn wir im folgenden yon Puffern schlechthin reden, so beziehen wir uns immer auf derartige Systeme. Die Begriffe Pufferung und Pufferungskapazitiit sind oben schon beleuchtet worden. Hier wollen

wir nur noeh einen grundlegenden Unterschied zwischen jener physi- kalischen ReguIation und dieser chemischen Pufferung hervorheben. W~ihrend jene sozusagen die grobe Arbeit leistet, radikaler vorgeht,

dadurch, dab sie das st6rende Moment aus dem Organismus entfernt, daf~r aber immer eine gewisse Zeit braueht, unter Umst~nden auct~ tiber das Ziel hinausschiefien kann, z. B. bei der fJberventilation der Lungen, gibt uns die chemische Pufferung gewissermafien die Fein- einstellung der h, wirkt sofort, ist aber auch leichter zu erseh6pfen.

So ergSmzen sich beide Systeme in sehSnster Weise.

1) Biochem. Zeitschr. 152, 1 (1924); 155, 24~7 (1925); 159, 298 (1925). 3, Walter im Arch. f. exp. Path. u. Pharm. 7, 148 (1877) und insbesondere

Hasselbalch in Biochem. Zeitschr. 74, 18 (1910). 8) A d l e r s b e r g u. T a u b e n h a u s , Arch. f. exp. Patb. u. Pharm. 118,1

(1926).

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNO DER PUFFERUNOSKAPAZIT.~T ~1

Eine Mittelstellung zwischen acn chemischen und den physikalischen Regulationsapparaten nimmt das System H~imoglob in-Oxyh~imo- g lobin ein. Dieses ist eine st~irkere S~iure als j enes; dieses finder sich im kohlensgurearmen arteriellen, jenes im kohlens~iurereichen, ven6sen Blur. Dadurch werc~en die Schwa.nkungen der h des Blutes, die durch den wechselnden COfGehal t des Blutes bedingt sind (ira Mittel zwischen 7,45 PH und 7,31), so weitgehend kompensiert, dab sich arterielles und ven6ses Blut im Mittel nur um 0,02 P~I unterscheiden.1)

Nachdem so die Lehre von der Pufferung des Organismus und der Konstanz seiner h aufs beste begrttndet erschien, muflterl in den letzten Jahren doch manche E i n s c h r ~ i n k u n g e n gemacht werden. Schon 1922 hatte S p i ro ~) in einem anschaulichen Versuchsmodell die M6g- lichkeit bewiesen, dab die h zweier koexistierender fltissiger Phasen verschieden sein kanrl in Abhgngigkeit yon dem Wassergehalt bzw.

dem Verhgltnis Dispergens Dispersum der beiden Phasen. Damit war zugleich ge-

zeigt, dab aueh innerhalb einer einzelnen Zelle je naeh dem Quellungs- grad an einzelnen Stellen verschiedene h mSglich sind. Dies wurde auch bald nachgewiesen. Insbesondere hat sich M. S c h m i d t m a n n a) in eingehender Weise experimenteli mit dieser Frage beschgftigt. Auf kolorimetrischem Wege hat sie mikroskopisch eine Reihe yon ptt-Be- stim.mungen in Geweben, Gewebeteilen, Zellen und Zellteilen aus- geftihrt, deren Einzelheiten hier nicht interessieren, wohl abet die Tat- sache, dab sie deutliche, oft recht erhebliche Azidit~ttsunterschiede feststellen konnte, z. B. zwischen Zellplasma und Zellkern, Fasern und GewebsftOssigkeilc, den einzelnen Zellschichten usw. Auch T s c h o p p hat im hiesigen Institut ganz erstaunlich groBe Unterschiede der h zwischen Eiklar und Eigelb im Hiihnerei gefunden. Schon frtiher haben S c h a d e , N e u k i r c h und "Halper t 4) aus klinischen Gesichtspunkten heraus den Unterschied der Aziditgt yon Gewebsaft und Blut betont und die stark sauren Werte yon Abszet3eiter (PH bis 5,96) festgestellt. Ganz neuerdings haben S a u e r b r u c h und H e r r m a n n s d o r f e r a) die MSglichkeit einer Ersch6pfung der Pufferreserve gezeigt und damit die M6glichkeit der Erzeugung lokaler Azidosen in interessanter Weise zu therapeutischen Zwecken benutzt. Denken wit nun noch an die igngst

1) H a s s e l b a l c h , Biochem. Zeitschr. 78, 131 (1917); ferner H o l 1 6 u. Wei l~ , Biochem. Zeitschr. 145, 10 (1924).

") Klin. Wochenschr. 1, 1199 (1922). a) Zeitschr. f. ges. exper. Medizin 45, 714 (1925). *) Zeitschr. f. ges. exper. Medizin 24, 11 (1921). s) Miinchener reed. Wochenschr. (1926), 47.

6

8~ KOLLOIDCHEMISCHIZ BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1--4,

bekannten Unterschiede der Reaktion im Verdauungsrohr (Speichel schwach sauer his neutral, Magen stark sauer, DiJnndarm schwS~cher sauer, Dickdarm alkalisch), so ergibt sich aus alledem, dab man nicht

mehr yon einer best immten h des Organismus sprechen kann . Von sehr

stark sauren Werten [P~t 0,8--0,97 des Magensaftes] l) bis zu s tark alkalischen Werten [PH 8,2--8 ,4 des Darmsekretes] 2) linden sich alle ObergS.nge. Dies erscheint auch erforderlich, well die einzelnen fer- menta t iven Prozesse ja ganz individuelle, yon der h abh~tngige Optima

haben, da, man wird sogar annehmen mtissen, dab im Blute 6rtlich ver- schiedene h auftreten k6nnen, und was wir messen, ist nur die Resul tante aus diesen vielen Einzelwerten. Werm sich i rgendwo im Organismus

ein chemischer Prozeg abspielt, so mug zungchst mindestens diejenige h hergestellt werden, die n6tig ist, um ihn einzuleiten: es mut3 also die M6glichkeit der willktirlichen Verschiebung der h gegeben sein;

dann k6nnen aber als Folge dieses Prozesses Produkte auftreten, die das SS.uren-Basen-Gleichgewicht verschieben k/Snnten; es mug also weiterhin die M6glichkeit vorhanden sein, diese Verschiebung ab-

zupuffern. Diese elastische AnpassungsfS~higkeit des Organismus kann annS.hernd

gemessen werden durch die P u f f e r u n g s k a p a z i t ~ t seiner verschiedenen

Flfissigkeiten.

IV.

Als Modell der Pufferungskapazitt i t untersuchten wir S e r u m . Vom Blur ist oben gezeigt, dab es seine h mit auBerordentlicher Kon- stanz beibehglt; dasjenige was sich gndert, ist ja gerade die Pufferungs-

kapazit~tt. Zudem sind die Untersuchungen yon Blut heute mit der- artigen Schwierigkeiten und Fehlerquellen behaftet, dab die Werte

ftir unsere Zwecke zu unsicher werden. Die folgende Tabelle gibt das Ergebnis einer Untersuchung yon

Pferdeserum wieder, das die Kurve 1 (Fig. 1) graphiseh darstellt. Zur Gewinnung dieser und der meisten folgenden Werte ist noch einiges

zu bemerken. Es wurde in Reihenversuchen so vorgegangen, dag jeweils, wie die Tabel!e zelgt, gleiche Volumina Untersuehungsfliissigkeit und S/iure bzw. Lauge verschiedener Konzentration gemischt wurden. Man mug also wohl beachten, dafa alle untersuchten biologischen Fliissigkeiten auf das doppelte Volumen verdiinnt sind. Natiirlich wird dadurch die Pufferungskapazit/it herab- gesetzt. Experimentell lgl~t sich eine Verdiinnung nicht umgehen; ihren Ein- flul~ rechnerisch zu verfolgen, scheint noch nicht mSglich. Da aber immer die gleiche Verdiinnung angewandt wurde, ergeben sich vergleichbare Werte

') R o s e m a n n in Pfliigers Arch. 169, 188 (1917'. ~) A u e r b a c h u. Pick in Arbeiten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamt 43,

155 (1913).

MOSER, STUDIEN ZUR B1OCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNOSKAPAZIT~T 83

und schliel31ich diirfte die Verr ingerung der Pufferungskapazitiit nach den Aus- fi ihrungen im theoret ischen Teil nu t einen kleinen Bruchteil bedeuten, der wohl innerhalb der nati ir l ichen Schwankungsbrei te der Wer te an sich liegt. Die angegebenen Werte der Konzentration an Siiure bzw. Lauge beziehen sich immer auf das Gesamtvolumen der Gemische.

T a b e l l e 1.

Ko.nzen-] t ra tmn m PH

n/lO00 H C

1. 5 ccm Pferdeserum + 5 ccm Wasser 2. 5 . . . . + 2,5 ,, n /100 HC1 + 2,5 ccm Wasser 3. 5 . . . . + 5 ,, n /100 ,, 4. 5 . . . . + 1 ,, n / 1 0 ,, + 4 . . . . 5. 5 . . . . + 2 ,, n / l O ,, + 3 . . . . 6. 5 . . . . + 3 ,, n / l O ,, + 2 . . . . 7. 5 . . . . - i -4 ,, n / 1 0 ,, - i-1 . . . . 8. 5 . . . . + 5 ,, n / 1 0 ,, 9. 5 . . . . + 0 , 6 ,, n / 1 ,, + 4 , 4 , ,,

10 5 . . . . + 0 , 7 ,, n / 1 ,, + 4 , 3 . . . . 11. 5 . . . . + 0 , 8 ,, n / 1 ,, + 4 , 2 . . . . 12. 5 . . . . + 0 , 9 ,, n / 1 ,, + 4 , 1 . , ,, 13. 5 . . . . + 1 ,, n / 1 ,, + 4 . . . .

2,5 5

10 20 30 40 50 60 70 80 90

100

I 7 ,57 7,16 6,83 6,28 5,27 4,33 3,73 3,23 2:57 2,13 1,84

�9 1,70 1,62

Die W e r t e s ind m i t de r C h i n h y d r o n - D o p p e l e l e k t r o d e g e g e n t i b e r S t a n -

d a r d a z e t a t (Pi4 = 4,62) als B e z u g s e l e k t r o d e g e w o n n e n . T = 20 ~

Es ze ig t s ich das t e l eo log i sch b e s o n d e r s i n t e r e s s a n t e E r g e b n i s ---

wie t i b r i g e n s bei den m e i s t e n b i o l o g i s c h e n F l i i s s i g k e i t e n - - , d a b die

P u f f e r u n g , d . h . die R e s i s t e n z g e g e n t i b e r p ~ t - V e r s c h i e b u n g e n u m so gr6fier

wird , je w e i t e r m a n s ich y o r e N e u t r a l p u n k t e n f f e r n t . A n s ich g e h S r t

dieses Se rum" zu den , , s t a r k g e p u f f e r t e n F l f i s s i g k e i t e n " . S c h o n f r t ihe re

U n t e r s u c h u n g e n 1) h a b e n j a gezeigt , d a b S e r u m g e r a d e z w i s c h e n PH 2

u n d PH 5 b e s o n d e r s s t a r k P u f f e r e i g e n s c h a f t e n bes i t z t .

E i n e n g a n z a n d e r e n T y p u s z e i g t e in d i a l y s i e r t e s P f e r d e s e r u m

( a n d e r e r H e r k u n f t ) in T a b e l l e 2. Es w a r 12 T a g e l ang i m P e r g a m e n t -

s c h l a u e h zun~tchs t gegen L e i t u n g s w a s s e r , d a n n gegen des t i l l i e r t e s W a s s e r

d i a l y s i e r t w o r d e n u n d w u r d e d 'ann so l ange u n t e r To luo l i m E i s s c h r a n k

a u f b e w a h r t , b is k e i n e E u g l o b u l i n e m e h r aus f ie len . Diese w u r d e n

d u r c h Z e n t r i f u g i e r e n u n d F i l t r i e r e n e n t f e r n t . Das S e r u m k o n n t e als

p r a k t i s c h fre i y o n S a l z e n u n d E u g l o b u l i n e n b e z e i c h n e t w e r d e n ; die

Tr~tger de r P u f f e r u n g s ind also n u r die P s e u d o g l o b u l i n e u n d A l b u m i n e

in n o r m a l e r K o n z e n t r a t i o n (die V e r d / i n n u n g d u r c h die D i a l y s e wa r un -

e rheb l i ch ) .

1) M o n d u. N e t t e r , Pfliigers Arch. 207, 515 (1925).

6*

84 K, OLLOIDCf-IEMISCHE B E I H E F T E BAND XXV, H E F T 1 - - 4

T a b e l l e 2.

Konzen- Trii- tration in PH bung

n/1000 H C

1. 10 2. 5 3 . 5 4. 5 5. 5 6. 5 7. 5 8. 5 9. 5

10. 5 11. 5 12. 5 13. 5 14. 5 15. 5 16. 5 17. 5 18. 5 19. 5 20. 5 21. 5 22. 5 23. 5

ccm Serum . . . . -t- 5 ccm Wasser . . . . q- 2,5 ecm n/100 HC1 + 2,5 ccm Wasser

71

77

'7

~7

,, + 5 ,, n /100 ,, ,, + 0,75 ,, n /10 ,, + 4,25 . . . . , + 1,0 ,, n /10 ,, + 4 , 0 . . . . ,, + 1,5 ,, n /10 ,, + 3 , 5 . . . .

,, q- 2,0 ,, n /10 ,, q- 3,0 . . . .

, , q - 2 , 5 , , n/10 , , + 2 , 5 . . . .

, , + 3,0 ,, n /10 , , - 1 - 2,0 . . . .

,, + 3 , 5 ,, n /10 ,, + 1 , 5 . . . .

, , + 4 , 0 , , n/10 ,, q -1 ,0 . . . .

,, + 4 , 5 , , n/10 , , + 0 , 5 . . . .

,, + 5 ,, n /10 , ,

,, + 0 , 6 , , n/1 ,, + 4 , 4 . . . .

,, + 0 , 7 ,, n /1 ,, q -4 ,3 . . . .

,, + 0 , 8 , , n / 1 , , + 4 , 2 . . . .

,, q-0 ,9 ,, n /1 ,, + 4 , 1 . . . .

, , + 1 , , n/1 ,, + . 4 . . . . ,, + 2 ,, n / I ,, ~ - 3 . . . . ,, + 3 ,, n /1 ,, § . . . . ,, + 4 ,, n /1 ,, + 1 . . . . ,, + 5 ,, n /1 ,,

- - 6,90 - - 6,81 2,5 5,44 + 5 4,53 + 7,5 3.76

10 3,42 15 2,89 20 2,52 25 2,27 30 212 35 2,00 40 1,91 45 1,85 50 1,79 60 1,72 70 1,66 80 1,65 90 1,64

100 1,63 200 1,49 + 300 137 + 400 1,31 + + 500 1,25 + + +

T = 21,5 ~ ( C h i n h y d r o n - D o p p e l e l e k t r o d e ; S t a n d a r d a z e t a t . )

W i r l i nden e inen sehr e rheb l i chen R i i ckgang der Puf fe rung durch

die Dia lyse ; es r e s u l d e r t - - v o r a l l em durch "den Ver lus t der Eug lobu -

line, wie ana loge Ver suche bei Milch e rgaben (siehe spS~ter!) - - e ine

s ehwach gepuf fe r t e Fl t iss igkei t , die e rs t in e x t r e m s a u r e m Milieu (PH < 1,7)

die g le ichen P u f f e r w e r t e erreich% wie das no rma le Pferl; teserum (vgl.

auch die K u r v e 2 in Fig. 1). A u f die verhSAtnismOA3ig s t a rk saure Aus-

g a n g s r e a k t i o n d i i r f te kein allzu grot3es Gewich t zu legen sein, da sie

bei de r s c h w a c h e n Pu f f e rung ge rade in diesem Geb ie t und der woehen-

l angen V o r b e h a n d l u n g wohl auf sekund~tre Grt inde, v ie l le ich t e infacn

s t a rke K o h l e n s ~ u r e b i n d u n g zur t i ckzuf t ih ren ist.

I m AnschluB an diese U n t e r s u c h u n g e n v e r s u c h t e n wir eine speziel le

F r a g e ihrer LSsung en tgegenzuf t ih ren . Es ist b e k a n n t , dab in ve rd t inn-

t en Seren du rch E in l e i t en von K o h l e n d i o x y d die Eug lobu l ine ausgef~illt

w e r d e n kSnnen ; g ib t m a n nun H a r n s t o f f dazu, so Risen sie sich ~vieder.

E ine ErkHirung dieser E r s c h e i n u n g schien pr inz ip ie l l auf zwei W e g e n

m s g l i c h : e n t w e d e r e rhSh t H a r n s t o f f die SSmrepufferung des Serums ,

ode r er ver~inder t so den Dispersi t~i tsgrad der Eiweit3kSrper, dab sie

in , , L S s u n g " g e h a l t e n werden kSnnen . Wir u n t e r s u c h t e n daher den Ein-

flufi yon H a r n s t o f f auf die P u f f e r u n g s k u r v e . In d e m gle ichen Pfe rde-

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSI'KAPAZIT.;%T ~5

serum, das zu Tabelte 1 benu tz t wurde, wurden 20 g Harnstoff in 80 g Serum

gel6st. Das Ergebnis der T i t r a t i on zeigen Tabelle 3 und Kurve 3, Fig. 1.

T a b e l l e 3.

1. 5 ccm Harnstoff-Seium + 5 ccm Wasser 2. 5 . . . . + 2,5 ccm n/100 HC1 + 2,5 ccm Wasser 3 . 5 . . . . + 5 ,, n/100 ,, 4. 5 . . . . + 1 ,, n / l O ,, + 4 . . . . 5. 5 . . . . + 2 ,, n/lO ,, + 3 . . . . 6. 5 . . . . + 3 ,, n/lO ,, + 2 . . . . 7. 5 . . . . + 4 ,, n/lO ,, + 1 . . . . 8. 5 . . . . + 5 ,, n/10 ,, 9. 5 . . . . +0 ,6 ,, n /1 ,, + 4 , 4 . . . .

10. 5 . . . . +0 ,7 ,, n/1 ,, +4 ,3 . . . . 11. 5 . . . . + 0,8 ,, n/1 ,, + 4 , 2 . . . .

12. 5 . . . . + 0 , 9 ,, n/1 ,, + 4 , 1 . . . . 13. 5 . . . . + 1 ,, n/1 , , + 4 . . . .

T = 18 ~

Konzen- tration in PH

n/1000 HC1

2,5 5

10 20 30 40 50 60 70 80 90

100

Es ergibt sich im Vergleich mit Tabelle 1 zun~chst bei schwachen

Azidit~tsgraden eine verschwindend kleine Verschiebung nach der

alkalischen Seite, die sich wohl durch Spuren yon Ammoniak , die sich

im Harnstoff befanden, oder durch die schwache BasizitS~t des Harn-

stoffes selbst zwanglos "erklSmen. Dann verlaufen beide K u r v e n inner-

halb der Fehlergrenzen streng parallel, um schliefilich yon etwa P~I 2,5 ab

immer stSmker zu divergieren und zwar in dem Sinne, dab durch den

Harnstoffzusatz die Pufferung vergr6fiert wird.

Das Kurvenb i ld steht in sch6nster Obere ins t immung mit der Theorie :

nach K o p p e l - S p i r o liegt das Puf fe rungsmaximum einer SSmre bei

einer h, die numerisch gleich dem Werte ihrer Dissoziationskonstante

ist l) ; analoges gilt nattirl ich auch ftir Basen, nu r ist hier oh zu setzen.

Die Dissoziat ionskonstante yon Harnstoff wird zu 1,5" 10 -14 bei 25 0

angegeben2), das Puf fe rungsmaximum wtirde also etwa bei PI~ = 0,1

liegen. Da aber dieses Gebiet weit un te rha lb dem liegt, was man durch

Einlei ten yon Kohlendioxyd in ungepufferte Systeme - - geschweige

denn in so s tark gepufferte wie Serum - - erreichen kann, so ergibt sich

irn Sinne der oben diskut ier ten beiden M6glichkeiten, dab dieser Einflufi

des Harnstoffes auf die Globuline durch eine DispersitS~tsverS~nderung

und nicht durch eine Vergr6Berung der Pufferung zu deuten ist. Damit

erfahren auch 5Atere Arbei ten von S p i r o a) tiber die I-temmung bzw.

i) a. a. O.

9) Michae l i s , Die Wasserstoffionenkonzentration (2. Aufl.), 34. a) Zeitschr. f. physiol. Chem. 80, 182 (1900).

7,80 7,28 6,80 6,22 5,18 4,31 3,75 3,32 2,66 2,36 2,18 2,07 1,95

86 I'(OLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1--4

Verhinderung der Hitzekoaguladon yon EiweiBRJsungen dutch Harn-

stoff eine neue Beleuchtung. Das Ph~inomen ist aber in die Reihe der kolloidchemischen Probleme gertickt; da ein weiteres Verfolgen dieser

Frage nicht in den Rahmen dieser Arbeit passen wtirde, konnten wir uns mit diesem Ergebnis beseheiden.

Dutch das freundliche Entgegenkommen von Herrn Professor L a b h a r d t , Leiter des Frauenspitats, h i e r - dem aueh an dieser Stette

herzlich gedankt sei - - , konnten wit auch normales menschliches S c h w a n g e r n s e r u m und eklamptisches Serum vergleichenden Unter- suchungen unterwerfen. Es ist bier nicht der Ort, auf die vielen, zum

Tell sich stark widersprechenden Theorien der E k l a m p s i e einzugehen. Es erscheint t iberhaupt fraglich, ob man den Symptomenkomplex je- mals auf eine einzige Ursache wird zurtickftihren kSnnen auger der sehr

allgemein gefaBten, dab er aufzufassen ist ,,als eine fehlerhafte Reaktion des mtitterl'ichen Organismus auf die vom Ei an ihn gerichteten An- sprtiche ''1) ( F r e u n d ) . Man wird zungchst versuehen miissen, die Symp-

tome mSglichst scharf t~erauszuarbeiten. Am einfachsten kann man wohl den Stand unseres heutigen Wissens beztiglich des Blutes auf die Formel bringen, dab bei normaler Schwangerschaft eine kompensierte

Azidosis~)a) 4) besteht, d. h. eine Verminderung von Zghler und Nenner des S/iuren

Bruches Base~ = k, so dab das pa des Blutes bei verringerter Puffer-

kapazi tg t kons tant bleibt, wghrend die Eklampsie eine schwere un-

kompensierte Azidosis bedeuteta)~). Das konnte auch in einer Arbeit aus dem hiesigen Ins t i tu t bestgtigt werden 6) durch Messung der Alkali- reserve nach v a n S l y k e . Wenn diese Erfahrungen richtig sind, so muff-

ten aueh unsere Messungen der Pufferkapazit~it Untersehiede zeigen. Wir konnten zwei verschiedene Eklampsiesera jeweils doppelt unter- suchen; die Werte iiegen innerhalb der Fehlergrenzen so nahe beiein- ander, dab wir uns hier mit je einer Tabelle von jedem untersuchten Serum begntigen k6nnen.

T - - 17 ~ Werte aus Reihenversuchen mit Chinhydron und Stan- dardazetat .

1) Zitiert nach O p p e n h e i m e r s Handb. d. Biochem. (2. Aug.), VII, 130. ") Vgl. die Zusammenstellung in O p p e n h e i m e r s Handb. d. Biochem.

(2. Aug.), VII, 122. a) H a s s e l b a l c h u. Gammel to f t in Biochem. Zeitschr. 68, 206 (1915). 4) B o c k e l m a n n u. R o t h e r , Zeitschr. f. d. ges. exp. Medizin 88,

161 (1923). ~) B o c k e l m a n n u. R o t h e r , Zeitschr. L d. ges. exp. Medizin 40, 12

(1924 ~. 6) Wieser in Zeitschr. f. Geburtshilfe u. Gyn~kologie 88, 1 (1924).

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZIT,~T 87

T a b e l l e 4.

Kon- I I zentrat lon Ptt

in n/1000

1. 5ccm Eklamps ie -Serum + 5 ccm n / 1 0 0 N a O H 2 5 . . . . . . . . + 2 , 5 ,, n/100 ., + 2 , 5 c c m W a s s e r 3 5 . . . . ,, ,, + 5 . . . . 4. 5 . . . . . . . . + 2 , 5 ,, n / 100HC +2 ,5 . . . . 5 . 5 . . . . . . . . + 5 ,, n/100 ,, 6. 5 . . . . . . . . + 0 , 7 5 ,, n /10 ,, + 4 , 2 5 . . . . 7. 5 , . . . . . . . + 1 , 0 ,, n /10 ,, + 4 , 0 . . . . 8. 5 . . . . . . . . + 1 , 5 ,, n /10 ,, + 3 , 5 . . . . 9. 5 . . . . . . . . + 2 , 0 . , n/10 ,, + 3 , 0 . . . .

10. 5 . . . . . . . . + 3 , 0 ,, n/10 ,, + 2 , 0 . . . . 11. 5 . . . . . ,, ,, + 4 , 0 ,, n/10 ,, + 1 , 0 . . . . 12. 5 , . . . . . . . + 5 , 0 ,, n /10 ,, 13. 5 . . . . . . . . + 0 , 6 ,, n/1 ,, + 4 , 4 . . . . 14. 5 . . . . . . . . + 0 , 7 ,, n/1 ,, + 4 , 3 . . . . 15. 5 . . . . . . . . + 0 , 8 ,, n/1 , , + 4 , 2 . . . .

16. 5 . . . . . . . . + 0 , 9 ,, n /1 ,, + 4 , 1 . . . . 17. 5 . . . . . . . . + 1 , 0 ,, n /1 ,, + 4 , 0 ,, ,,

5 8,95 " 2,5 8,56

, 7,90 5 7,17

6,59 638 5,84

15 5,00 20 4,46 30 3,85 40 3,31 50 2,79 60 2,21 70 2,00 80 1,85 90 1,78

100 1,72

V o n d e m g l e i c h e n S e r u m b e s t i m m t e n w i r d a s K o h l e n s S . u r e b i n d u n g s -

v e r m 6 g e n n a c h v a n S l y k O ) . W i r f a n d e n i m M i t t e l y o n d r e i B e s t i m -

m u n g e n 26,2 c c m COe, a u f 0 ~ u n d 760 m m H g r e d u z i e r t , d i e als Bi-

k a r b o n a t y o n 100 c c m S e r u m g e b u n d e n s ind , a l so s t a r k e - - u n k o m p e n -

s i e r t e - - A z i d o s i s in b e s t e r { 3 b e r e i n s t i m m u n g m i t d e n W e r t e n v o n

W i e s e r (29,0 u n d 26,0)3).

Die W e r t e der Tabel le 5 im sauren Gebiet (Nr. 1--13) s ind durch for t laufende Ti t ra t ion in e inem Becherglas mit Ch inhydron gewonnen worden gegeni iber S tandardaze ta t als Bezugselektrode. D a nach K o 1 t h o I f s) de r , ,Eiweiftfehler" des Chinhydrons , de r nach e igenen Ver suchen an s ich mit t ier Dauer der F. inwirkung wiichst, u m so kle iner wird, je saurer die Unter- suchungsf l i iss igkei t ist, so g laub ten wit, d iese Feh le rque l le vernachl~issigen zu d/irfen. Bei de r a lkal ischen Ti t ra t ion (Nr. 14--25) konn ten wir unbedenk l ich zur M e thode des , , s t r 6 m e n d e n Wassers tof fs" gre.ifen, weil sehon die Aus- gangswer te so s tark alkalisch waren, dag e ine merkl iche Beeinf lussung de r PI-I durch Ver jagen yon Koh lend ioxyd n ich t zu bef i i rehten war. Nach d e m yon H e n d e r s o n - S p i r o g e g e b e n e n Schema 4) s ind ja bei p ~ 8 nur noch e twa 3 Proz. de r v o r h a n d e n e n Kohlens~iure in F o r m yon Siiure da und der ganze Res t ist als Bikarbona t gebunden .

Dadurch , dab wit i m m e r das gle iche Volumen , das wir an Titrations- fliissigkeit zusetzten, auch an Se rum zugaben, e r re ich ten wir, daft e in durch die s te igende Verd i innung bed ing te r Feh le r ausgeschal te t wurde, wit also immer mi t e inem aufs Doppe l t e verd i innten Serum arbe i te ten und t ro tzdem fiir die ganze Un te r suchungsbre i t e mit 10 ccm Fliissigkeit auskamen.

a) Me thod ik nach M a n d e l - S t e u d e l , Minimet r i sche M e t h o d e n der Blut- un tersuchung.

2) W i e s e r in Zeitschr. f. Geburtshi l fe u. Gyn/ikologie 88, 1 (1924). ~) a. a. O. 4) Biochem. Zeitschr. 15, 105 (1908).

-~8 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1--4 .

I ~ ~ ~ ~ ~ ~ , ~

§ 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 § 2 4 7 2 4 7 II

�9

+ § 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7

+ § 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7

~ M d ~ 4 4 4 4 4 4 4 4 4 d g ~ 4 4 4 ~ 4 4 4 4 4

MOSER, STUDI:EN ZUR B1OCHE~r BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZIT.~T 89

Das Resultat der Untersuchung ist eine tiber das ganze Gebiet recht deutliche sehw~ichere Pufferung des eklamptischen Serums gegentiber

d e m normalen (vgl. Fig. 1, Kurven 4 und 5!). Damit erkl~ren sich leicht die gr6f~ere Reaktionsbreite des Eklampsieserums und die azidotischen Symptome.

Es dtirfte tiberhaupt am Platze sein, den vieldeutigen und nach unserep heutigen Ansehauuungen oft geradezu unrichtigen Begriff der Azi- dosis durch den genaueren , , V e r m i n d e r u n g der P u f f e r u n g s - k a p a z i t i i t " z'u ersetzen, l)

Die stark alkalischen Ausgangswerte der Titration erfordern noch eine Erklirung. Wenn die h an sich schon durch anscheinend unwichtige Einzelheiten der Vorbehandlung beeinflufit werden kann2), so kommt dazu, daf~ wir bier an den Grenzen unserer beiden Methoden stehen, wo ihre Fehler verhil tnismifi ig grofi sind: Chinhydron und strOmender Wasserstoff sind hier nicht ganz zuverl~i'ssig, wie wir oben sahen. Die Methode der Wahl mtit3te ,,die stehende Wasserstoffblase"a/ sein, deren Anwendung sich aber ftir uns verbot, well sie zuviel Material.erfordert und ihrerseits auch wieder oft versagt. Wir mSchten also auf die Aus- gangswerte kein allzu groBes Gewicht legen, etwas anderes erscheint uns wichtiger: ceteris paribus mug ein stark gepuffertes Serum alkalischere Werte ergeben als ein schwach gepuffertes. Wenn wir nimlich annehmen,

daft in dem Bruch H~CO.~ bei starker Pufferung Zihler und Nenner NaHCO 3

grofl sind, bei schwacher beide klein, so wird, wenn beide Sera ihre Kohlen- sS.ure an die Luft abgegeben haben, im ersten Falle mehr.Bikarbonat zurtickbleiben als im zweiten und damit wird der pH-Wert grSt3er. Die gefundenen Werte bestS~tigen diese Erwartung (vgl. Tabelle 5, Zeile 1!).

Ahnlich wie bei der Eklampsie gestaltet sich das rachitische B!ut- bild. Die Forschung sieht in der R a e h i t i s eine StoffwechselstSrung bzw. -verlangsamung, kenntlich, wie neuere Untersuchungen zeigten, durch die Verminderung des wichtigsten zelloxydationsfSrdernden Katalysators, des Phosphations. W~ihrend der normale wachsende Organismus ziemlich streng seinen anorganischen Phosphatspiegel bei 5 mg in 100 ccm Serum aufrechterhS.it, haben alle Forscher bei Raehitis eine deutliche Hypophosphat~imie s (im Mittel etwa 3 mg

1) Es liegen ja aueh die oben angefiihrten Werte, die Michael is ffir ,,azidotisches" Blut fand, zu b e i den Seiten der normalen Schwankungsbreite des Blutes, d. h. bei klinischer ,,Azidosis" wurde u. U. experimenteU im Blute eine ,,Alkalosis" festgestellt (PI-I 7,66 statt normal 7,20--7,40).

~) H6ber , Physikalische Chemie der Zelle und der Gewebe (6. Aufl. 1926), 356.

s) Michael is , Praktikum der physikalischen Chemie.

90 KOLLOIDCHEMISCHE BEIttEFTE BAND XXV, HEFT 1--4

Proz.). ,,Die Gewebsatmung, mithin der Gesamtstoffwechsel, gehen zurfick und wir erhalten eine azidotische Stoffwechselrichtung. Ander-

seits vers tgrkt die Azidose die Phosphatverluste des 0rganismus" - - weil er die Azidose durch Ausscheidung saurer Einheiten im Harn zu tiberwinden sucht - - , ,,so dab dadurch ein ,eirculus vitiosus' entstehen kann"l . )

Nachgewiesen wurde bisher bei florider Rachitis erniedrigte Alkali- reserve im Blur und erh~hte Sgureausscheidung im Harn2), die bei fortschreitender Heilung zur Norm zurfickkehrt. Wir suchten an Seren, die wir der Freundlichkeit des Herrn Dr. H o t t i n g e r , A'ssistenzarzt am

0,2

O, Va

0.12 OA1 0,10

O,~

0,06

,g

hiesigen Kinderspital, verdanken, den Einflug der Rachitis auf die PufferungskapazitS~t des Blutserums zu studieren.

Serum 1 der Tabetle 6 ist ein Misehserum yon ftinf Frt ihgeburten, vier davon mit beginnender Rachitis

1 Pfcrde.scnum 2 dJb/gsieN:/:~qde.senum 3 Pfizndesenum+Hopnsfoff /4 Ek/omps~enum 5 nonmolcs,~chwongen~choff~enum 6 Rach#73,se.rum 7 ideo/e,n/ch/'gcpu,q~& Ldsung

0,03 0,02

Fig. 1. Titrationskurven der Blutsera.

1) Vgl. hierzu das Obersichtsreferat yon Gy 6rgy in Ergebn. d. ges. Medizin 8, 41.

~) G y 6 r g y in Zeitschr. f. d. ges. exp. Medizin 88, 9 (192a),

14'

.0.07 0,02 0.03 O`04" O.O5 O.O6 O.O7 O.O8 O.O# O,10 0,11 0,12

0,1S

,0,2~

MOSER~ S TUDIE N Z U R BIOCHEM. B E D E U T U N G DER PUFFERUNGSI<APAZIT.~T 91

N ~

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9 ~ KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1 - 4~

leichten bis schwersten Grades - - Alter 1--3 Monate; sgmtliche unter 2500 g;

Serum 2 s tammt y o n einem drei Monate alten Kind mit Rachitis in Ausheilung; Gewicht etwa 4000 g;

Serum 3 yon einem normalen~ vier M0nate alter/ Kind yon 4700 g; S e r u m 4: drei Monate alt, g200 g, deutlieh floride Rachitis; Serum' 5: drei Monate alt, 4600 g, otme Rachitis. Es ergibt sich bei Vergleiehung der Sera 1- -3 mit grol3er Dedtlichkeit

ein Anstieg der Pufferung yon I fiber 2 zu 3; Sera 4 und 5 zeigen keine so deutlichen Ausscht~tge: diese beiden koanten erst mehrere Tage naeh der Blutentnahr~e untersucht werden und waren deutlich hgmolysiert. Immerhin ergibt sich auch hier eine gleichsinnige Verschiebung.

Wenn es gestattet ist, diese verhS]tnismgfiig wenigen Fglle zu verallgemeinern, so. dfirfen wir sagen, dab es damit gelungen ist, auf direktem Wege den Riickgang'der Serumpufferung bei der Rachitis nachzuweisen, die man bisher auf Umwegen aus theoredschen Erw~tgun- gen, Harnuntersuchungen und Bestimmungen des KohlensSmrebindungs- verm6gens im Blute geschlossen hat. Besonders bemerkenswert scheint es zu sein, dab das Serum bei der Ausheilung sich so sch6n in den Zu- sammenhang einftigt, vielleicht ergibt sich daraus, wenn mehr Material vorliegt, ein Weg, die fortschreitende Heilung messend zu verfolgen.

In Fig. 2 sind die PufferungskapazitS.ten der wichtigsten unter-

-,7

p,, ,tp~, g 4 t' -I g " ~ ~

7 2 ,3 q

q r~ 1,r 1# .... 1~

n~m~/e.sn~r~m~e's~k/~rnp/l~chea5chw~r~9~,zsch~fAsse~um5du~qh.n~s.se~um~ ""%"~q"

Fig. 2, PufferungskaDazit~,ten der Blutsera.

./,z

',.....

NIOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZITAT, 93

suchten Sera nach der Formel von Leuthardt dargestellt~ Die Unter- schiede treten hier noch deutlicher hervor, als in Fig: 1. Eine ganz be- sonders geringe PufferungSkapazit~t zeigt das Rachitikerserum (Tabelle 6,

Ps 1); dagegen normales S~iuglings- (Tabelle 6, PI-I 3) und normales Sehwangersehaftsserum (Tabelle 5, Spalte 2)zeigen fast die gleichen, grSi3ten Werte. Gegentiber dem normalen list das eklamptische Serum (Tabelle 5, Spalte 1 bzw. Tabelle 4) erheblich schw~ieher gepuffert, was besonders im sauren Teil sehr deutlich ist.

V~

Die physiologisch-chemische Forschung der letzten Jahrzehnte hat durch grot3es Material uns einen Einblick in die Frage gestattet,, wie bei den verschiedenen Organismen die verschiedenen Niihrstoffe im Laufe der Verdauung aufgespalten (und zum Tell aueh wieder synthetisiert) werden zu v e r s c h i e d e n e n E n d p r o d u k t e n des S t o f f w e c h s e l s . Abgesehen yon den klassischen Fiillen der Hippurs~iure, die schon frtiher im Harn yon Pferden und anderen Pflanzenfressern gefunden wurde und im Harne des Mensehen fehlt, und der Harns~ure, die bei V6geln die Stelle des Harnstoffes des Menschen vertritt, sind auch sonst viele Unterschiede festgestellt worden. So wird der Hundeharn im Gegensatz zum Menschenharn charakterisiert dutch Ammoniak, die Kynurens~iure

COH /~/% CH

N die aus dem 1-Tryptophan entsteht, und die Urocanins~ure

~ N H - - CH

~ N - - C . C H = C H . C O O H Harns~ure-N

aus dem Histidin. W~thrend beim Menschen der Quotient Gesamt-N

1 : 1 0 0 betr~gt, erreicht beim Hund das VerhSltnis Allantoin-N den Gesamt-N

Wert 1 : 10. Besonders interessant ist aber die w i l l k t i r l i c h e B e e i n f l u s s u n g

des S t o f f w e c h s e l s d u r c h e i n s e i t i g e ErnS .h rung . Diese Frage ist insbesondere yon W i e c h o w s k i und seinen Schalern eingehend stu- diert und zu einer Theorie der Mineralwasserwirkung ausgebaut wordenl). Ausgangspunkt zu ihren Untersuchungen und denen vieler anderer Forscher war das Studium der Ver~nderungen, die durch einseitige Hafer- bzw. GrtinfutterernS~hrung im Blut- und Harnbild bei Kanin- chen verursacht werden.

1) Vgl. z. B. Prager med. Wochenschr. 89, 24 (1914).

9~ KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1 ~ 4

Die Analysen haben ergeben, dab im Hafer eine vorwiegend saure und im Grfinkohl eine basische Nahrung dem Organismus zugeftihrt wird. In der Asche des Hafers sind 60 Proz. Anionen und 40 Proz. Kat- ionen, wS.hrend das Grtinfutter nur 40 Proz. Anionen und 60 Proz. Kat- ionen enth~lt [auf Aquivalente berechnet], i) Auch die prozentische Zusammensetzung der Kationen ergibt recht erhebliche Unterschiede, wie folgende Tabelle nach Luithlen i) zeigt.

T a b e l I e 7.

H a l e r G r i i n f u t t e r

11,61 Proz. Aquivalente Na 13,00 Proz. A_quivalente Na 15,58 . . . . Ca 41,43 . . . . Ca 42,17 . . . . . Mg 20,09 . . . . Mg 30,64 . . . . K 25,48 . . . . K

S t r a n s k y 2) land in 100 g gesiebtem Haler 0,0185 g Purin - - N , in 100 g frischen Mohrrtiben dagegen nur 0,00178 g Purin - - N.

Sehr tiefgreifend sind nun die Unterschiede, die man bei derartig einseitiger Kost in der prozentischen Zusammensetzung bzw. der Bilanz des Organismus land. Die einzelnen Kationen kannen sich nach den Untersuchungen yon Lu i t h 1 e n i m VerhSJtnis ihrer Aquivalentgewichte vertreten; es kann damit zu einer VerSmderung des Kationengleich- gewichtes, aufierdem aber auch zu einer A_nderung der Gesamtbasen- bilanz kommen.

Kaninchen sind bei Haferf~tterung im Basen~quivalentgleich- gewieht (d. h. Zufuhr und Ausscheidung der Kationen halten sich die Wage); sie werden aber reicher an Na und Mg, 5.rmer an 'Ca und K. Haferverftitterung mit SalzsSmrezufuhr ftihrt zu einem Verlust an Basen, einer Demineralisation des Organismus=. Grtinfutter ergibt eine positive Basenbilanz (Mineralisation) und zugleich einen Ge- winn an Ca, Mg und K neben einem Verlust an Na. Aber diese Tiere gedeihen schlecht und gehen schlieftlich an einer StSrung des Basen~ gleichgewichtes dutch zu viel Alkali zugrunde.

Im hiesigen Insti tut hat T s c h o p p 3) bei reiner Haferfiitterung einen Anstieg des Cholesterinspiegels im Blur (Plasma und Erytrozythen) um je rund 30 Proz. gegentiber einem nur mit Griinfutter (Gras, Kohl

1) Lui th len , Arch. f exp. Path. u. Pharm. 68, 209 (1912). 2) Biochem. Zeitschr. 188, 434 (1922). a) Diss. Basel 1925.

MOSER, STUD1EN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZIT2~T 95

usw.) geftitterten Kaninchen festgestellt. Im Harn fand J e n n y 1) eine

erhebliche Verschiebung des Quotienten K :Ca; beim Grtinfuttertier

treffen auf 100 Atome K 26,9 Ca, beim Hafertier nur 20,6 Ca. Es er- schien nun von Interesse, nachzupriifen, wie weit gleiche Unterschiede in der ErnS.hrung im SS.ure-Basenhaushalt sich auspr~gen. Bei der mehr sauren Natur des Hafers und der basischen des Grfinfutters mfiBte man eine entsprechende Umst immung unter Umst~nden nachweisen

k6nnen. Auch praktisch ist die Frage yon einiger Wichtigkeit. Wenn wir

hier ganz absehen yon den di~tetisch so wichtigen Problemen der De- mineralisation und der Transmineralisation, so haben wir oben schon

hingewiesen auI die interessanten Befunde W i e c h o w s k i s und seine Theorie der Mineratwasser-Therapie. L u i t h l e n ~) konnte feststelIen, dab durch Hafer- bzw. Grtinfutterern~hrung die Zusammensetzung der

H a u t ge~tndert werden kann und damit auch ihre ReaktionsfS.higkeit gegen Entzfindungsreize. Schliet31ich sei auch hier nochmals der Untersuchungen yon S a u e r b r u c h und H e r r m a n n s d o r f e r a) ge-

dacht, die mit Erfolg saure NS~hrgemische zur Therapie der Tuberkulose benutzten.

Wir ern~Lhrten yon zwei etwa gleich schweren Kaninchen gteichen Wurfes das eine zehn Tage lang nur mit Haferk6rnern, das andere mit Grfinfutter; Wasser stand reichlich zur Verftigung. Dann wurde das

Blur den mit Urethan narkotisierten Tieren aus der Halsvene entnommen und das Serum in fiblicher Weise untersucht.

Die Werte sind wieder bei der sauren Titrat ion mit Chinhydron, bei der

alkalischen mit strOmendem Wasserstoff gewonnen. Das , ,Haferserum" zeigt zunS~chst einen recht starken alkalischen Weft ; eine Abnahme der Pufferreserve gegentiber dem Grfinfuttertier zeigt sich in den Werten

Nr. 4 und 5. Von P~I etwa 4,5 ab aber verschieben sich die Verh~tltnisse und wir finden bis zum Ende der sauren Titration bei Haferft i t terung eine st~rkere Pufferung. Im alkalischen Gebiet zeigt nur der Wert Nr. 17 noch den Rtickgang an und nun liegen die Werte mit Ausnahme yon Nr. 18 so dieht beieinander, dab wir von p~ 10ab IdentitS.t annehmen k6nnen (vgl. auch Fig. 3, Kurve I und ,9!). Es l~fit sich also durch die

Nahrung eine Umst immung des Serums und in noch viel h6herem Marie des Harnes erzeugen. Der Gehalt beider nicht nur an H-Ionen~ sondern

auch besonders an Puffersubstanzen ist also durch die Nahrung be-

1) Nach Mitteilung yon Herrn Prof. Spiro. 9) Archiv f. exp. Path. u. Pharm. 69, 365 (1912). 3) a. a. O,

9 6 KOLLOIDCHEMISCFIE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1--J~

II ~.-: o

I / ~ I / ~ 0 ~ - ~ I j 0 " ~ , ~

H

~ § 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 .-

+ § 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSI'(APAZIT,~.T 97

L ' ~

~D ~ + + § 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7

E ~< + + + + § 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7

CrQ II + § 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 + + § 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7

I . ~ . k ~ . l .-a- ~ -~ . l . -~ l - .~

O ~

- I I

~L'.-~3,.~c~ ~,~ ~ c ~ ' ~ c~ ~-~ ~ - c~ 5.c~ c.~ oo ~ ~ . ~ ~ . - ~ ~-~ L~ ' ~ ~ C,~ ~ C~ C~ ~ Oo Oo

0 "

9 8 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1 - 4

e in f lu f iba r . 1) D a m i t i s t die e x p e r i m e n t e l l e U n t e r I a g e zu den k l i n i s c h e n

B e f u n d e n H e r r m a n n s d o r f e r s gegeben .

N o c h a n s c h a u l i c h e r w e r d e n die VerhSAtnisse d u r c h die H a r n a n a l y s e n .

V o n d e n g l e i c h e n T i e r e n w u r d e d e r m i t To luo t k o n s e r v i e r t e H a m u n t e r -

s u c h t . T a b e l l e 9 u n d K u r v e n 3 u n d 4: (Fig. 3) ze igen das E r g e b n i s .

S e h r auff~illig i s t die s t a r k e V e r t t n d e r u n g d u r c h A m m o n i a k b i l d u n g :

o b w o h l das A u s g a n g s - p t t n u r g e r i n g v e r s c h o b e n ist, e r g i b t s ich e ine be-

t r ~ c h t l i c h e A b n a h m e dcr P u f f e r u n g s k a p a z i t ~ t i m s a u r e n u n d im a lka-

l i s chen Geb ie t . (Tabe l l e 9, p •3 ! ) .

Ansch l i e t3end lassen wi r n o c h e in ige T i t r a t i o n s e r g e b n i s s e m i t K a n i n -

c h e n h a r n fo lgen ; die D i s k u s s i o n de r E r g e b n i s s e e r fo lg t d a n n g e m e i n s a m .

D i e T a b e l l e 10 ze ig t zwei K a n i n c h e n h a r n e I w i e d e r n a c h G r i i n f u t t e r u n d

H a f e r f u t t e r , d ie a b e r a b s i c h t l i c h o h n e K o n s e r v i e r u n g s m i t t e I au fge -

f a n g e n s ind , so d a b die a m m o n i a k a l i s c h e Z e r s e t z u n g das E r g e b n i s

v e r s c h i e b t .

T a b e l l e 10.

1. 10 2. 5 3. 5 4. 5 5. 5 6. 5 7. 5 8. 5 9. 5

10. 5 11. 5 12. 5 13. 5 14. 5 15. 5 16, 5 17. 5 18. 5 19. 5

Konz. Griin- in futter Hafer

n/1000 PH 1 PH 2

ccm Harn . . . . + 5 ccm Wasser . . . . + 2 , 5 c c m n / 1 0 0 H C 1 + 2 5 c c m W a s s e r . . . . + 5 ,, n /100 ,, . . . . + 0 , 7 5 ,, n / l O ,, +4 ,25 . . . . . . . . + 1 , 0 ,, n / l O ,, + 4 , 0 0 . . . . . . . . + 1,5 ,, n / l O ,, -t- 3,5 . . . . . . . . + 2 . 0 ,, n / 1 0 ,, + 3 , 0 . . . . . . . . + 2 . 5 ,, n / l O ,, + 2 , 5 . . . . . . . . + 3 , 0 ,, n / l O ,, + 2 , 0 . . . . . . . . + 3 , 5 ,, n / l O ,, + 1,5 ,, ,, . . . . + 4 . 0 ,, n / 1 0 ,, + 1 , 0 . . . . . . . . +4 .5 ,, n / 1 0 , , + 0 , 5 . . . .

. . . . + 5 , 0 ,, n / ] O ,,

. . . . + 0 , 6 ,, n i l ,, + 4 , 4 . . . .

. . . . + 0 , 7 ,, n / 1 ,, + 4 , 3 . . . . . . . . + 0 , 8 ,, n / 1 ,, + 4 , 2 . . . . . . . . + 0 , 9 ,, n / 1 ,, + 4 , 1 . . . . . . . . + 1 , 0 ,, n / z ,, + 4 , 0 . . . .

2,5 5,0 7,5

10 15 20 25 30 35

ii 45 50 60 70 80 90

9,37 8,90 8,84 8,54 8,11 7,90 7,60 7,29 7,05 6,81 6,69 6,59 6,37 6,26 5,88 5,13 4,53 3,46 2,70

9,56 9,49 9,42

9,34 9,24 9,13 9,00 8,84 8,71 8,48 8,26 8,06 7,54 7,20 7,01 6,77 6,64

T = 220; R e i h e n u n t e r s u c h u n g e n m i t C h i n h y d r o n .

Von den g l e i chen H a r n e n b e s t i m m t e n w i r die D i c h t e n u n d d e n

G e h a l t a n T r o c k e n s u b s t a n z bei 110 ~

~) Entsprechend der aul3erordentlich grogen FS.higkeit des Organismus, die h konstant zu halten, sind die Unterschiede natiirlich nur sehr gering. Anderseits ist auf die nachweisbaren Differenzen ein um so gr61]eres Gewicht zu legen.

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZITJkT 99

T a b e l l e 11.

Dichte Trockensubstanz

Grtinfutterharn . . . . . 1,0198 3,68 Proz. Haferharn . . . . . . 1,0275 6,08 ,,

D a r a n schl ieBen sich an ein H a r n yon K a n i n c h e n bei r e ine r M i l c h -

n a h r u n g (P~fl) u n d ein H a r n n a c h Zu fuh r y o n S a u r e (Sa lzsgure in

Milch) per os (Pa 2):

T a b e l l e 12.

NOn- zentration PI l l PH 2 in n/1000

1. 5 ccm Ham 2. 5 . . . . 3 5 . . . . 4. 5 . . . . 5 . 5 . . . . 6 . 5 . . . . 7 . 5 . . . . 8. 5 ,, . 9 5 . . . .

10. 5 . . . . 11. 5 . . . . 12. 5 . . . . 13. 5 . . . . 14. 5 , ,, 15. 5 . . . . 16. 5 . . . . 17. 5 . . . . 18. 5 . . . .

q- 5 ccm Wasser q-2,5 ,, n/100 HC1 + 5 ,, n/100 ,, + 1 ,, n/10 ,, + 4 . . . .

+ 2 ,, n/10 ,, + 3 . . . . + 3 ,, n/10 ,, + 2 . . . . + 4 ,, n/10 ,, + 1 . . . . + 5 ,, n/10 ,, + 0,6 ,, n/1 ,, + 4,4 . . . . + 0,7 ,, n/1 ,, -c 4,3 ,, ,, + 0,8 ,, n/1 ,, q- 4,2 . . . .

+ 0,9 ,, n/1 ,, q- 4,1 . . . . ~- 1,0 ,, ~l/1 ,, + 4,0 ,, , -k 2,5 ,, n/100 NaOH q- 2,5 . . . . q- 1,0 ,, n/10 ,, q- 4,0 . . . . + 2.0 ,, n/10 ,, + 3,0 . . . . + 3,0 , , n/10 ,, + 2,0 . . . .

+ 4 , 0 , , n/10 ,, + 1 , 0 , , ,,

+ 2,5 ccm Wasser 2,5

20 30 40 50 60 70 80 90

100

1~ '5

20 30 40

8,75 8,65 8.57 t,2, ?,31 %6! ;,2( i,4! L,0t ~,9! 1,5( 1,21 1,0 ~,

5,76 5,30 4,89 4,10 2,97 2,47 2,23 2,11 1,95 1,88 1,76 1,69

6,23 6,96 7,52 8,33 9,18

C h i n h y d r o n - R e i h e n u n t e r s u c h u n g e n ; T 1 : 18 o; T2 : 18~

Aus den v o r s t e h e n d e n T a b e l l e n u n d den e n t s p r e c h e n d e n K u r v e n

in Fig. 3 l~tfit s ich fo lgendes e n t n e h m e n : die U n t e r s c h i e d e der b e i d e n

Sera s ind so ger ing, dab sie im K u r v e n b i l d f a s t n i c h t h e r v o r t r e t e n . U m

so d e u t l i c h e r s ind die V e r s c h i e b u n g e n in den H a r n k u r v e n . In O b e r -

e i n s t i m m u n g m i t den f r t iher y o n K o p p e l - S p i r o v e r 6 f f e n t l i c h t e n

K u r v e n ze ig t s ich auch hier, dab die H a r n k u r v e n im a l l g e m e i n e n m e h r e r e

W e n d e p u n k t e bes i t zen , d . h . d a b sich die e inze lnen P u f f e r u n g s o p t i m a

schgr fe r ausp rggen , im G e g e n s a t z zu den oben g e z e i g t e n S e r u m k u r v e n

u n d den sp~tter f o l g e n d e n M i l c h k u r v e n . Man k a n n d a r a u s schl ieBen,

dab diese U n t e r s c h i e d e d u r c h die E iwe i f ik6 rpe r b e d i n g t sind, die an s ich

n i c h t s t a r k pu f fe rn , a b e t daf t i r ausg le i chend , , , n i v e l l i e r e n d " , t iber das

ganze T i t r a t i o n s g e b i e t wi rken .

Sehr s t a r k s c h e i d e n sich G r t i n f u t t e r - u n d H a f e r h a r n . An sich ist

7"

1.00 N~OLILOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1--4

der Harn, entsprechend seiner gr6t3eren Gefrierpunktserniedrigung, auch st~irker gepuffert im Vergleich zum Serum. Aber der Haferharn folgt, mit Ausnahme eines kleinen Pufferungsoptimums bei Pn 10, ziemlich streng der Serumkurve, wS.hrend der Grtinfutterharn eine weir stSxkere Pufferung zeigt, und sich nur bei extrem sauren (Pn < 2) und alkalischen Werten (Pn > 12) den andererl Kurven parallel legt. Auch die Ausgangswerte differieren erheblich; entsprechend den Erwartungen ist der Haferharn welt saurer als der Grtinfutterharn (P~I 8,12 und Pit 8,83). Auf die betr/tchtliche Verschiebung, die trotz hester Auf-

n-HE~

o.151- i

O. 12, ~t oS 0,10 ,

o, o8 o, oz ,, ~ 0,06 0,05 ""~i O,,Oq ". ~'v, 0,03 ~, o. o~ \ ~. - - .~. . . .~ \ ,%. o,o~ \ "'--.,,.. - " " ~ ; ~ "-._"~. ~,

5- "~...{ 8 ; ' "~

Fig. 3. Titrationskurven der Kaninchen-Sera und -Harne,

I GpJnfu/+ep-Scpum 2 Hcrrr 30rgnf'ut~/~Hopn q Hopcp- ,,

,, H~flcnhopn 7 PIilckhopn 8 5~urchopn

1#

-'-1.0.01 .0,02 o, o3 .o, oq .o, o5 .o,o~ .o,o~ .o, o8 .o, oo .o,7o O, l l .o,12

.o,15

n- tr

0 ,20

MOSEIR, STUDIEN ZUR BIOCHP2M. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSI~APAZIT~T 10i

bewahrung durch die ammoniakalische G~irung hervorgerufen wurde, ist oben schon hingewiesen worden. Hier und bei den beiden Harnen in Tabelle 10 zeigen sich die grogen Fehler, die dadurch bedingt sind. Es ist also unbedingt erforderlich, den Harn sofort zu untersuchen, well sonst die Verhtiltnisse nicht nur getrtibt erscheinen, sondern gerade ins Gegenteil verwandelt sind. Aus dem Haferharn, der zungchst saurer ist, hat sich viel mehr Ammoniak gebildet, so daft er jetzt viel stS~rker gepuffert ist als der Grtinfutterharn, obwohl beide Harne gleich alt und gleich behandelt waren. Der Milchharn zeigt ein breites Optimum zwischen P~I 3 und 6; man kann daraus auf die Anwesenheit einer S~ture mit der Dissoziationskonstante yon etwa 10 - 4 bis 10 -~ schlieBen (Butter- sSmre ?).

Besonders charakteristisch sind schliet31ich noch die Ergebnisse des SS.ureharns: das Ausgangs-p~ ist, wie zu erwarten, stark nach der sauren Seite verschoben. Auffallend ist nun die auBerordentlich geringe Pufferung auf der sauren Seite und zugleich die sehr starke im alka- lischen Gebiet. Teleologisch ist diese Erscheinung recht einleuchtend: der Organismus sucht sich m6glichst rasch yon der zugeftihrten starkea S/~ure zu befreien. Er scheidet daher nur die (nicht puffernde) starke Siiure aus und hS~lt seine tibrigen sauren Einheite~l zurtick. Die S~iure wird durch schwache Basen (Ammoniak) so weir wie n6tig neutralisiert; dadurch entsteht im alkalischen Gebiet die starke Pufferung, die leider nicht weiter verfolgt werden konnte. Auch die Puffersubstanzen, die im Harn vorkommen, stellen also einen Vorrat dar, der nicht un- ersch6pflich ist.

VI.

Die bisher gewonnenen Anschauungen k6nnen uns nun auch dazu dienen, einige andere Fragen des Stoffwechsels zu beleuchten. So wie nS~mlich f{ir die Funktionen des K6rpers die Pufferungskapazittiten seiner Bestandteile uild damit seiner Exkrete yon grofier Bedeutung sind, so spielen anderseits ftir die Leichtigkeit der Verdauung die Puffer- kapazitS~ten der zugefiihrten N~hrstoffe eine (vielleicht die wich- tigste) Rolle. An einem einfachen Modell, der Hefe, konnte ich dies ja schon frtiher nachweisen. 1) Erheblich komplizierter aber liegen die Verhgltnisse bei der menschlichen Vcrdauung, wie wir sie an Hand des Prototyps der Nahrungsmittel, der Milch, studiert haben.

Mi lch ist ja zugleich ein Sekret des KOrpers; da liegt es nahe, anzunehmen, daft sie ebenso zur Regelung des Gleichgewichtes im mtitterlichen Organismus herangezogen werden kann, wie wir das oben

1) Helv~ Chim. Acta, a. a. O.

1 0 2 KOLLOIDCHEMISCHE BE[HEFTE BAND XXV, HEFT 1 - 4

bei den andern Sekreten gesehen haben. Von diesbeziiglichen Ver- suchen ist uns bisher nur einer bekannt geworden, l) zudem nur im Re- ferat. Verft i t terung yon Milch-, Butter-, Essig- und Phosphors~iure an

Kiihe blieb ohne Einflu!3 auf das pK der Milch und die Gesamtazidit~it. Das erseheint bei der - - wie wir spS~ter sehen werden - - sehr starken Pufferung der Kuhmilch nicht verwunderlich. Dagegen ergab der {)ber-

gang yon der Winter- zur Sommerkost bei gleichbleibendem PH einen R~ickgang der ti trierbaren Azidit~tt, d .h . mit unseren Begriffen eine

verminderte Pufferung zwischen p~ etwa 7 und 9. Doch miit3ten durch weitere Versuche erst noch die Verh~ltnisse ktarer herausgearbeitet

werden. Wichtiger fiir unsern Zusammenhang sind vergleichende Unter-

suchungen von K u h - u n d F r a u e n m i l c h . Seit die ehemische A n a - lyse uns gezeigt hat, daft beide Mileharten aus den gleichen Bestandteilen

z u s a m m e n g e s e t z t sind, die zudem auch noch der Menge nach nieht

allzuviel auseinanderliegen, ha t man sieh immer wieder bem/iht, die physiologisehe Minderwertigkeit der Kuhmilch fiir den SSmgling zu er-

kl~ren - - wobei immer die gerade im Vordergrund des Interesses stehen- den Gebiete der Wissenschaft herangezogen wurden - - , und auf Grund dieser Erkl~rung eine bessere S~uglingsnahrung darzustellen. Die folgende

Anatysentabelle ist n~ch Werten yon J. K S n i g zusammengestellt . 2)

T a b e l l e 13.

Trockensubstanz Wasser . . . . . . Fe t t . . . . . . . Eiweil3 . . . . . . Milchzucker . . . . . Asche . . . . . . .

Spezifisches Gewicht .

Frauenmilch Kuhmilch (Mittelwert aus Mittelwert aus Ziegenmilch 173 Analysen) 705 Analysen)

Proz. Proz. Proz.

12,42 87,85

3,74 2,01 6,37 0,30

1,0298

12,73 87,27

3,68 3,39 4,94 0,72

1,0313

12,48 87,52

3,79 3,18 4,62 0,79

1,0303

Ebenso ergeben die Aschenanalysena), bei etwas schwankenden Werten der einzelnen Forscher, ein im ganzen ~thnliches Bild.

~) Eli D u c o m b e in Journ. of Dairy Science, 7, 86, ref. in Ber. tiber die ges. Physiol. 80, 202 (1925).

') Chemie der menschIichen Nahrungs- und Genu~lmitte]. 3) Entnommen aus Tabul. Biolog. II, 554--55.

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DEI::t PUFFERUNGSt<.APAZIT/~.T 1 0 5

] ~ 2 0 . . . . . . Na~ 0 . . . . . . CaO . . . . . . MgO . . . . . . P, O~ . . . . . . C1 . . . . . .

Frauenmilch I (Durchschnltt I Kuhmilch Ziegenmilch

aus 10 Analysen) I Proz. der ] Proz. der Proz. der

Milchasche ] Milchasche Milchasche __ i

29,07 10,36 20,65

~,71 :22,23

16,79

25,92 11,92 24,68

3,12 21,57 16,38

? ?

20,77--30 ,82 2 ,75 - - 3,70

34,12--39,54: ?

Wir sehen, daft die Zahlen sehr nahe beieinanderliegen. Die Frauen-

milch hat nur zwei Drittel soviel Eiweifi wie die Kuhmilch, daftir um ein Drittel mehr Milchzucker. Die Mineralbestandteile sind vermindert ,

aber prozentual gleich; erstaualich ist der sehr hohe Phosphatgehal t der Ziegenmilch. Jedenfalls reichen aber alle die Verschiebungen kaum aus, um die physiologischen Unterschiede rein chemisch zu erklS~ren.

Von den unzS~hligen anderea ErklSrungsversuchen und den Metho-

den der Herstellung einer ,,k~nstlichen Frauenmilch" seien nur einige erw/~hnt. Die meisten haben bei dem experimentum crucis der Praxis nicht das gehalten, was erwartet oder verheifien war. Die etwas stS~rker saure Kuhmilch wurde mit Alkali auf den gleichen AziditS.tsgrad wie

Frauenmilch gebracht ; der geringere Fet tgehal t sollte durch Zusatz yon Sahne oder Milchzucker ausgeglichen werden, 1) der Bakterien- gehalt wurde durch , ,Pasteurisieren" bekS~mpft. Die etwas grSbere

Kasein Art der Gerinnung des Kuhmilchkaseins, das VerhS~ltnis Albumin' das

in beiden Milchartea verschieden ist, wurden zur ErklS~rung angefiihrt [das Laktalbumin wird als Schutzkolloid des Kaseins betrachtet und das VerhS~ltnis beider soll mal3gebend sein fiir die Ver- daulichkeit2)]; kalorimetrische Untersuchungen a) konnten die grofie

Kluft nicht tiberbrCicken. Wichtiger erscheinen noch einige neuere Befunde mit Hilfe der Mikromethodik4), insbesondere der Nachweis, daft Frauenmilch viel mehr (um 75 Proz.) Tryp tophan enth~lt als Kuh-

milch und ZiegenmilchS), und die Feststellung, dab Frauenmilch ein

1) Vgl. Soxleth , Miinchener med. Wochenschr. (1893). -~) T a d o k o r o u. a., Journ. of Biochem. 1, 433 (1922), hier nach Ber. fiber

die ges. Physiol. 22, 16 (1924). a) Schlol3mann, Zeitschr. f. physiol. Chem. 37, 337 (1903). ~) Z. B. Zeitschr. f. physiol. Chem. 150, 133 (1925); Journ. of biolog.

Chem. 39, 47 (1919). 5) Biochem. Zeitschr. 164, 135 (1925).

104 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1 - - 4

l ipolyt isches F e r m e n t enthSJt, Kuhmi lch aber nicht . I) Auch im Gehal t

an den sogenannten akzessorischen N~ihrstoffen ( , ,Vi tamine") scheinen

Unterschiede zugunsten der Frauenmi lch vorzul iegen.

Aber die Tatsache, daft immer wieder nach neuen ErklS~runge~a

gesucht wurde und wird, zeigt deutl ich, dab unbeschade t der Richt ig-

kei t aller frfiheren Fes ts te l lungen die bisherigen Wege doch n ich t aus-

reiehen. Diese Liicke scheint die phys ikal i sch-chemische Be t rach tungs-

weise ausgleiehen zu k6nnen in Verb indung mi t der in den letzten J ah ren

so s ta rk entwickel ten F e r m e n t l e h r e .

Wir wissen heute, dab die Verdaunng ein vorwiegend f e rmen ta t i ve r

Vorgang ist. S o e r e n s e n 2) und M i c h a e l i s , dann viele andere Forscher

haben naehgewiesen, dab die Fe rmen twi rkung fas t nur yon der h ab-

h~ngt, ebenso wie die Dissoziat ion des Fe rmen t s und des Subs t ra ts ,

der Quel lungszustand und die Zerst6rung des Fe rments F u n k t i o n e n

der h sind. W e n n wir uns die wicht igeren Fe rmen te und ihre Op t ima

zusammenstel len, zugleich mi t der Reak t ion des zugehSrigen Sekretes,

so erhal ten wir folgendes Schema:

T a b e l l e 14.

S e k r e t PH F e r m e n t PH-Optimum

Speichel . . . . . Magensaft . . . .

Pankreassaff

Galle a) Blasengalle . b) Lebergalle .

Diinndarmsaft.

6,633 ) 0,80-- 0,975 )

7,3-8,8 ~)

' 5,33--7,47 s) 7,41--8,15 s) 8,2-8,4 ~)

Ptyalin . . . . . Pepsin . . . . . Lab . . . . . , Magenlipase . . . Trypsin . . . . Pankreaslipase

etwa 6,74) .

1,46) 6 ,0- 646)

4,56) 9,7 [?]6) 8,0 6 )

Lipase . . . . . 8,56) Laktase . . . . 4,49) Maltase . . . . . 6 1 - - 6 8 6) Erepsin . . . . . 7,8 10)

1) Mi i l l e r , Zeitschr. f. Kinderheilk. 88, 705 (1924). 2) Biochem. Zeitschr. 21, 131 und 201 (1909); 22, 352 (1909). ~) S c h w a r z u. H e r r m a n n , Pfliigers Arch. ~02, 475 (1921). 4) H a m m a r s t e n , Lehrb. d. physiol. Chem., X, 358. 5) R o s e m a n n , Pfliigers Arch. 169, 188 (1917). 6) Nach Oppenheimers Handb. d. Biochem. (2. Aufl.), I, 792. ~) A u e r b a c h u. P i c k , Arbelten aus dem Kaiserl. Gesundheitsamte 43,

155 (1913). 8) O k a d a , Journ. of Physiology 50, 114 (1915/16). 9) W i l l s t i i t t e r , Zeitschr. f. physiol. Chem. 117, 172 (1921).

,6) W a l d s c h m i d t - L e i t z u. SchS.ffner, Zeitschr. f. physiol. Chem. 151. 31 (1926).

MOSER, STUDIEN zuR BIOCHEh4. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZITAT 105

Die Angaben sind zum Tell schon recht alt und infolgedessen nicht alle gleich zuverlS~ssig bzw. vergleichbar ; auch s tammen z. B. die Angaben ftir Magensaft vom Hund, die fiber Laktase vom Emulsin der Mandeln. Dann mug berficksichtigt werden, dab die Optima weitgehend yon Begleitstoffen abh~ngig sind, so dab z. B. die fiber die Lipasen sicher einer Korrektur bedfirfen. Aber immerhin zeigt die Tabelle 14, dab die zugeffihrte Nahrung im Verdauungsrohr sehr weitgehenden AziditS~ts- schwankungen ausgesetzt werden mug. Je grsBer die Pufferungs- kapazit~t einer Nahrung ist, je mehr H-bzw. OH-Ionen aufgewendet werden mfissen, um die optimale Konzentration zu erzielen, um so ,,schwerer verdaulich" ist sic, um so mehr Sekret muB der Organismus aufwenden, damit die Fermentt~itigkeit einsetzen kann. Und oft wird er dieses Ziel gar nicht erreichen; dann geht die Nahrung unverdaut verloren, ruft unter UmstS~nden noch DarmstSrungen hervor. Mit dieser Auffassung ist in bestem Einklang eine Untersuchung yon S c h w a r z und D a n z i g e r l ) , aus der sich ergibt, dab die Verweildauer im Magen der Pufferungskapazit~it direkt proportional ist; Wasser z .B. fliel3t sehr schnell ab, Milch viel langsamer.

Dies alles gilt besonders ftir den S~ugling, dessen Sekretionsdrfisen noch nicht so intensiv arbeiten, und bei dem auch die Regulationen noch nicht so exakt funktionieren wie die des Erwachsenen. Vielfache Untersuchungen haben ergeben, dab der Mageninhalt des Sguglings um pt{5 herum schwankt, 2) also erheblich schwticher sauer ist als beim Erwachsenen. Ebenso reagiert der Dfinndarminhalt neutral oder schwach sauer, a) hie ausgesprochen alkalisch. Wenn diese Feststellungen auch mit groBen Fehlerquellen behaftet sind,' so liegen die Unterschiede doch welt aut3erhalb derselben. Es scheint also sicher zu sein, dab der SSmgling die ftir die Verdauung jeweils optimale h viel schwerer herstellen kann als ein Erwachsener, ganz abgesehen davon, dab eine Pepsinverdauung fiberhaupt unm0glich zu sein scheint.

Unter diesen UmstSmden gewinnt die P u f f e r u n g s k a p a z i t s ~ t der S g u g l i n g s n a h r u n g eine groBe Bedeutung: je geringer sie ist, um so geeigneter mull die Nahrung sein. Die folgenden Tabellen stellen normale Frauenmilch, normale Kuhmilch und normale Ziegenmilch einander gegentiber. Es ergibt sich handgreiflich, welche grofien Vor- ztige die Frauenmilch den beiden andern gegenfiber besitzt.

1) Pfliigers Arch. 202, 478 (1922). ~) Oppenheimers Handb. f. Biochem. (2. Aufl.), V, 121. s) Oppenheimers Handb. f. Biochem (2. Aufl.), V, 163.

106 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1 - -4

T a b e l l e 15.

%= K u h milch

I~/looo1 pH

- - 6,58 6,62

2 2,5 6'[~-8 5 6,17 6 7,5 5,94

5,76 5,39 4,98 4,55

Zie- Frau- gen- en-

m i l c h milch

6,54 7,10 6,61 7,14 6,32 - -

- - 6,25

576 5,26_

4,23 5,64 3,50 5,26 2,83 4,83 2,36 4,31 - -

2,09 2,05 2,02 1,97 1,89

1. 10 ccm Milch 2. 5 . . . . + 5 c c m W a s s e r 3. 5 . . . . + 2 c c m n / 1 0 0 H C l + 3 c c m W a s s e r 4. 5 .... +2,5 ,, n/lO0 ,, +2,5 .... 5. 5 ,, ,, + 5 ,, n / 1 0 0 ,, 6. 5 . . . . + 0 6 . , n / 1 0 ,, + 4 , 4 . . . . 7. 5 ,, ,, + 0 , 7 5 , n / 1 0 ,, + 4,25 . . . . 8. 5 . . . . + 1 . , , n / 1 0 , + 4 . . . . 9 5 ,, ,, + 1 , 5 . , n / 1 0 ,, + 3 , 5 . . . .

10. 5 . . . . + 2 , 0 ,, n / 1 0 ,, + 3 , 0 . . . . 11. 5 ,, ,, + 2 , 5 ,, n / l O ,, + 2 , 5 . . . . 12 5 . . . . + 3 , 0 ,, n / l O ,. + 2.0 . . . . 13. 5 . . . . + 3 , 5 ,, n / 1 0 ,, + 1 , 5 . . . . 14. 5 . . . . + 4 , 0 ,, n / 1 0 , , + 1 , 0 . . . . 15. 5 . . . . + 4 , 5 ,, n / 1 0 ,, + 0 , 5 . . . . 16. 5 . . . . + 5 , 0 ,. ~l/10 ,, 17. 5 . . . . + 0 , 6 ,, n / 1 ,, + 4 , 4 . . . . 18. 5 . . . . + 0 , 7 ,, n / 1 ,, + 4 , 3 . . . . 19. 5 . . . . + 0 , 8 ,, n / 1 ,. + 4 , 2 . . . . 20. 5 . . . . + 0 , 9 ,, n / 1 ,, + 4 , 1 . . . . 21. 5 . . . . + 1 , 0 ,, n / 1 ,, + 4 , 0 . . . . 22. 5 . . . . + 2 , 0 ,, n / 1 ,, + 3 , 0 . . . . 23. 5 . . . . + 3 , 0 ,. n / 1 ,, + 2 , 0 . . . .

10 15 20 25 30 35 40 45 50

4,12 13,73 3,75 3,08 3,37 2,52 3,04 2,29 2,65 2,O3

1 ,80 1,62 1,54 1;5o 1,43 1,16 1,04

60 70 80 90

100 200 300

2,15 1,81 1,69 1,62 1,55 1,21 1,12

1,84 1,79 1,79 1,78 1,75

24. 5 . . . . + 4 , 0 ,, n / 1 ,, + 1 , 0 . . . . 400 1.07 i0,96 - - 25. 5 . . . . + 5 , 0 ,, n / 1 ,, 500 1,04 i0,85 R e i h e n u n t e r s u c h u n g e n m i t C h i n h y d r o n ; T 1 = 19,5 o; T.~ = 9,1, 5 o; Ta = 22 o.

L e i d e r w a r die F r a u e n m i l c h de r T a b . 17, b is sie zu r U n t e r s u c h u n g

k a m , l e i c h t a n g e s g u e r t , t r o t z A u f b e w a h r u n g i m E i s s c h r a n k m i t Thym01.

( A u c h d iese schne l le S a u e r u n g i s t ein H i n w e i s au f ih re ge r inge Puffe-

rungskapaz i t~ . t . )

S~tmt l iche T i t r a t i o n s e r g e b n i s s e , , n i t A u s n a h m e de r a lka l i s chen ,

s i nd in m e h r f a c h e n R e i h e n a n v e r s c h i e d e n e n P r o b e n Milch w i e d e r h o l t

w o r d e n ; be i aller, d u r c h die jewei l s e t w a s v e r s c h i e d e n e Z u s a m m e n s e t z u n g

( b e s o n d e r s F e t t g e h a l t ! ) b e d i n g t e n S e h w a n k u n g s b r e i t e i s t doch de r

K u r v e n t y p u s i m m e r de r gqeiche, wie er in Fig. 4 d a r g e s t e l l t ist .

Es l a s sen s ich n u n d a r a u s e in ige w i c h t i g e Schlf isse z iehen . Z u n g c h s t

die T a t s a c h e , d a b y o n d e n u n t e r s u c h t e n M i l c h a r t e n K u h m i l c h d i e

w e i t a u s g r S f i t e , F r a u e n m i l c h e i n e v i e l g e r i n g e r e P u f f e -

r u n g s k a p a z i t ~ t t b e s i t z t , w g h r e n d die Z i e g e n m i l c h i n d e r M i t r e

s t e h t , s ich a b e t d e m T y p u s de r K u h m i l c h n g h e r t . F a r K u h m i l c h u n d

F r a u e n m i l c h is t dies s c h o n f r f ihe r in ~thnl icher Weise v o n A r o n geze ig t

w o r d e n , 1) wie wi r n a c h A b s c h l u B u n s e r e r U n t e r s u c h u n g e n f e s t s t e l l t en ,

o h n e daft a b e r de r F o r s c h e r se ine E r g e b n i s s e in B e z i e h u n g zu r F e r m e n t -

t ~ t i g k e i t im V e r d a u u n g s r o h r b r a c h t e .

1) Jahrb. f. Kinderheilk. 79, 288 (1914).

MOSER, STUDIEN Z U R BIOCHEM. B E D E U T U N G DEI~ PUFFERUNGSI~APAZITAT 1 0 ~

~ 2 2 ~ 2 2 2 2 X 2 X 2 ~ X ~ m

+ + - F + + + + + + + + + §

=

+ + + + t + + + + + § 2 4 7

o

B" Z ~ X ~ X ~ X X 2 X 2 ~ X

+ + + + + + + 5 + +

g

e

c~ ~ o

O o

o ~

2

§ 2 4 7 2 4 7 2 4 7 2 4 7

+ + + § 2 4 7 2 4 7

. . . . . . . ~ . . . . N

N + + + + + + + +

N

x x x = x x x 0

or" c~

1 0 8 KOLLOIDCHEM1SCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1--4,

Wenn wir die Kurven mit den in Tabelle 14 zusammengestellten Daten verbinden, so ergibt sich folgendes: der Verdauung dureh eehtes P e p s i n setzt die Frauenmilch noch grS13eren Widerstand entgegen, als Kuh- und besonders als Ziegenmilch. Bei einer 0,1n HC1 ergibt Frauenmilch ein PK von 1,75 gegentiber 1,55 bzw. 1,43; hier ist die Frauenmilch stS~rker gepuffert als die beiden andern. Fassen wir diese Erscheinung teleologisch, so kommen wit zum gleichen Resultat wie viele andere Untersuchungen, dab ngmlich eine peptische Verdauung im Sguglingsmagen nicht erfolgen kann.

Anders liegen die Verh~iltnisse ftir die M a g e n l i p a s e , deren PH-Optimum oben zu 4,5 angegeben wurde. Um diesen Azidit~ttsgrad zu erreichen, muB nach den Kurven der Magen bei Frauenmilch ein 0,006 normales, dagegen bei Ziegenmilch ein 0,023 und bei Kuhmilch ein 0,025 normales Salzsguregemisch herstellen, also die vierfache Menge aufwenden. Ahnliche Bedingungen bestehen fiir die Verdauung des Milchzuckers dutch die L a k t a s e . Nach den Untersuchungen yon W e i n l a n d 1) finder sich ja dieses Ferment im Dtinndarm aller jungen S~iugetiere und verschwindet nach Sistierung der Milchnahrung. Bei dem sehr hohen Milchzuckergehalt der Frauenmilch kommt sicher der Laktaseverdauung eine grof3e Bedeutung zu.

Die Eiweifiverdauung erfolgt im kindlichen Organismus wohl aus- schlieBlich auf t r y p t i s c h e m Wege. Auch hier gelten dann die gleichen Feststellungen: um das PH Yon 4,5 auf 9,7 zu verschieben, mtiBte der Organismus nach den Kurven bei Kuhmileh ein 0 ,041n-NaOH-Ge- misch herstellen, bei Frauenmilch dagegen nur ein 0,020 n. DaB bei reiner KuhmilchernS~hrung dieses Ziel oft nicht erreicht wird, beweisen die in solchen Ftillen hS~ufig aufgefundenen Kaseinklumpen im Sguglingsstuhl. 2)

Noch ein weiterer Punkt dtirfte yon Wichtigkeit sein. Der i so- e l e k t r i s c h e P u n k t d e s K a s e i n s l i e g t b e i p H = 4 , 6 . Wi r sahenoben , wieviel grSBer die Arbeit bei Kuhmilch ist, um dieses p~ zu erreichen, als bei Frauenmilch. Erst bier wird nun das in der Milch an das Kasein gebundene Kalzium frei dialysabel, a) d.h. resorbierbar; also wird ein mit Frauenmilch ern~ihrter S~tugling mehr von diesem, ftir den Aufbau des Organismus so wichtigen Ion aufnehmen kSnnen, als ein mit Kuh- milch ern~ihrter, obwohl die Frauenmilch an sich weniger Kalzium enthS~lt ~/ls die Kuhmilch. 4)

1) Zeitschr. L Biolog. 38, 16 und 607 (1899); 40, 386 (1900). 2) Vgl. hierzu Poulsen in Jahrb. f. Kinderheilk. 79, 77 (1914). a) Vgl. Z o t t e r m a n n in Acta paediatr. 5, 180 (1925); ref. in Ber. tiber die

ges. Physiol. 36, 27 (1926). 4) Vgl. Tabelle 13.

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGStK.APAZIT.Zi.T 109

o,2

n -/40

0,15

Diese leichtere Verschiebbarkeit des P~t yon Frauenmilch im Vero gleich zu Kuhmilch dtirfte wohl der ausschlaggebende Faktor ftir ihre leichtere Verdaulichkeit sein. Ftir die Verdauung durch Magenlipase, Laktase und Trypsin besitzt also die Frauenmilch erhebliche Vorztige gegentiber der Kuhmilch, ist also ftir den SS, ugling geeigneter. Beim Erwachsenen spielt die Laktaseverdauung gar keine Rolle mehr; die peptische tritt in den Vordergrund, und Kuhmilch ist auch peptisch leichter zu verdauen als Frauenmilch. Erstaunlich sind die verhSAtnis- m~il3ig viel geringeren Unterschiede im alkalischen Gebiet. Die im Volk

oft behaupteten Vorziige der Ziegenmilch gegentiber der

I / l Kuhmilch werden in geringem Mat3e besttitigt, wenn auch die Unterschiede so klein sind, dab sie keine bedeutende Rolle spielen k6nnen. Keinesfalls aber k6nnen hierdurch die Be- denken entkrSoftet werden, die yon klinischer Seite gegen

p'i/1 die ErnS, hrung mit Ziegenmilch ge~iut3ert werden.

0.!0 0,09

O.OC

O,03 0,02 0.01

I KuhmlYch "~ 2 ~le, genmi/ch

~.. ,.9 Fr'ouenmi/ch % /4 ]~plk,mffc~

"~ 5 sour~ MHc~ 0. 8 ",q 6 MJTchm/q~Tc~,sdur'e /

~ , ~ , "~, 7 * hTNepk NI 8 �9 AcJdo/ *

. ; X

~ , 5 6

0,O3

O.Oq

0,06 o.o7 a 0 8

.o.Og _0,10 _0,ii

0,~

Fig II Titrationskurven der Milcharten. 02/)

110 KOLLOIDCHEMISCHE BE, IHEFTE BAND XXV, HEFT 1--4

D u r c h das f r e u n d l i c h e E n t g e g e n k ' o m m e n 1) von H e r r n W e n d -

n a g e l , D i r e k t o r des Zoo log i schen Ga r t ens in Basel, k o n n t e ich noch e inen

we i t e r en M i l c h t y p u s in d e n Kre i s m e i n e r U n t e r s u c h u n g e n e inbez iehen .

Tabel le 18 ze ig t das E r g e b n i s der T i t r a t i o n y o n Milch eines i n d i s c h e n

T a p i r s , g e w o n n e n e inen M o n a t nach der N i e d e r k u n f t . WSohrend a u e h

bier w iede r im a lka l i scben Geb ie t k a u m U n t e r s e h i e d e f e s t z u s t e l l e n

s ind gegenf iber den a n d e r n Mi lchar ten , f i n d e n wir im sau ren G~biet e ine

ganz e x t r e m s t a rke P u f f e r u n g , die we i t f iber das h i n a u s g e h t , was m a n

sons t bei o r g a n i s c h e n F l i i s s igke i t en g e w o h n t ist. D a d u r c h wi rd der

Sehlufi n a h e g e l e g t (wie a u c h schon d u r c h die aIka l i sche A u s g a n g s -

reak t ion) , dab die Milch v o r w i e g e n d auf a l k a l i s e h e m W e g e v e r d a u t

wi rd .

T a b e l l e 18.

1. 2 ccmMiIch 2. 2 . . . . + 2 ccmWasser 3. 2,2 . . . . + 2 ,, , q- 0,2 n/10 HC1 4. 2,4 ,, ,, + 2 . . . . -}-0,4n/10 ,, 5. 3,0 . . . . + 2 . . . . + 1,0 n/10 ,, 6. 4,0 ,, , q- 2 . . . . q- 2 ,0n/10 ,, 7 .4 .1 . . . . + 2 . . . . + 2 , 0 n / 1 0 ,, q - 0 1 n V ' l H C l 8. 4,2 . . . . + 2 . . . . - t -2 ,0n/10 ,, + 0 2 n / 1 ,, 9. 43 . . . . + 2 . . . . q -2 ,0n /10 ,, + 0 , 3 n / 1 ,,

10. 4,4 . . . . + 2 . . . . + 2 , 0 n / 1 0 ,, + 0 , 4 n / 1 ,, Ii. 4,5 . . . . + 2 . . . . +2,0n/lO ,, ~ -0 ,5n /1 ,, 12. 4,6 . . . . q-2 . . . . + 2 , 0 n / 1 0 ,, + 0 , 6 ~ / 1 ,, 13. 4,7 . . . . + 2 . . . . -F2 .0n /10 ,, + 0 , 7 n / 1 ,, 14. 4,8 . . . . + 2 . . . . + 2 , 0 n / 1 0 ,, + 0 , 8 n / 1 ,, 15 4 , 9 . , ,, + 2 . . . . + 2 , 0 n / 1 0 ,, + 0 , 9 n / 1 ,, 16. 5,0 . . . . q- 2 . . . . --}- 2 ,0n/10 ,, q - l , 0 n / 1 ,, 17. 2,2 ,, ,, + 2 . . . . + 0 , 2 n / 1 0 N a O H 18:2,4 , ,, + 2 . . . . + 0 , 4 n / 1 0 ,, 19. 3,0 . . . . + 2 . . . . + 1 ,0n/10 ,, 20. 4,0 . . . . + 2 . . . . +2 ,0 n/10 ,, 21. 41 , ,, + 2 . . . . + 2 , 0 n / 1 0 ,, + 0 , 1 n / I N a C H 22. 42 ,, ,, + 2 . . . . + 2 , 0 n / 1 0 ,, + 0 , 2 n / 1 ,, 23- 4,3 . . . . + 2 . . . . + 2 , 0 n / 1 0 ,, + 0 , 3 n / 1 ,, 24. 4,4 . . . . + 2 . . . . q- 2 ,0n/10 ,, + 0 , 4 n / 1 ,, 25. 4,5 . . . . ~-2 . . . . ~ -2 ,0n /10 ,, q -0 ,5 n / 1 ,, 26. 4,6 . . . . + 2 . . . . + 2 , 0 n / 1 0 ,, + 0 , 6 n / 1 ,, 27. 4,7 . . . . + 2 . . . . + 2 , 0 n / 1 0 ,, -{- 0 ,7n /1 ,, 28. 4,8 . . . . q-2 . . . . + 2 0 n / 1 0 ,, + 0 , 8 n / 1 ,,

T = 18 ~

J Konz.

nd000 -- 7,36

7,34 -4,5 6,79

8,3 6,49 16,7 5,89 25,0 5,54 36,6 5,11 47,6 4,69 58,2 4,29 68,2 3,74 77,8 3,41 87,0 2,84

{95,7 2,35 104,2 2,07 112,3 1,90 120,0 1,80

4.5 8,33 8,3 8,99

16,7 9,99 25,0 10,53 36 6 11,04 47,6 11,36 58,2 11,57 68,2 11,72 77,8 11,85 87,0 11,98 95,7 12,07

104,2 ]12,13

i) wofiir ihm auch an dieser Stelle bestens gedankt sei! - - Auch Herrn Prof. K r e i s bin ich fiir manchen Rat und vielfache Untersttitzung zu herzlichem Dank verpflichtet,

MOSEIR, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSK, APAZIT,~T 111

�9 ? ~ . ~ . ~ . ~ . ~ . ~ . ' ~ . ~ . ~ . ~ . ~ . ~ . ~ . ~ . ~ . ~ . ~ . ~

E E

+ + + + + + + + + + + + + + § 2 4 7

+ + + + + + + + + § 2 4 7 2 4 7 2 4 7

iI

~++++++++ +++++§ ~. ~ ~ ~ ~

112 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1 - - 4

Wir versuchten nun, uns einige Klarheit dartiber zu verschaffen, wie sich die puffernden Eigenschaften auf die einzelnen Bestandteile der Milcharten verteilen. Zu diesem Zwecke unterwarfen wir sie der im hiesigen Insti tut tiblicheia Ultrafiltration durch Filterkerzen mit Kollo- diumazetat, deren theoretische und praktische Bedeutung in letzter Zeit A u g s b e r g e r beleuchtet hat. 1) Geringe Thymolzus~tze und Eiskiihlung sollten ein Sauerwerden m6glichst verhindern. Die Titrationsergebnisse der so erhaltenen kolloidfreiea Filtrate sind ia Tabelle 19 zusammengestellt.

Alle Werte sind durch fortlaufende Titration gewonnen; im sauren Gebiet mit Chinhydron, im alkalischen mit strSmendem Wasserstoff. Da bei der Titration des Frauenmilch-Ultrafiltrats keine genau normalen LOsungen zur Verftigung standen, ist die hier angegebene Konzentration auf Grund des , ,Faktors" berechnet. Eine leichte SS~uerung konnte zum Teil nicht ganz verhindert werden. Aus der Tabellc und noch deutlicher aus den Kurven der Fig. 5 geht Iolgendes hervor:

Alle U l t r a f i l t r a t e zeigen einen deutlichen Rtickgang des Puffe- rungsvermSgens, wS.hrend der Filtrationsrtickstand stSxker puffert als normale Milch. Im alkalischen Gebiet ist die Abnahme kleiner als im sauren. Am geringsten ist sie bei der Frauenmilch entsprechend ihrem verhS.ltnism~f3ig niedrigen Kolloidgehalt. Auffallend ist, dab die Tapirmilch, die in Fig. ~ die bei weitem stS.rkste Pufferung zeigte, hier zum Teil hinter der Kuhmilch zurtickbleibt. Man kann daraus schlieBen, dab sie verh~ltnismS~Big mehr Kolloide und weniger Salze enthS~lt als die Kuhmi~lch; darauf deuten schon die Unterschiede in den Dichten bin; w~Lhrend ftir Kuhmilch 1,0298--1,0312 angegeben wird, 2) fanden wir bei der Tapirmilch den sehr hohen Wert 1,0395. Zusammen- fassend lXt3t sich sagen, dab bei den verschiedenen Milcharten ein individuell verschieden grot3er Anteil, im Durchschnitt wohl die HS.Ifte der Pufferungskapazit~t, auf die Eiweit3- und Fetffraktion zurfick- zuftihren ist.

In Tabelle 20 sind zwei S e r a y o n K u h m i l c h nebeneinander dargestellt, die in folgender Weise gewonnen waren: Serum 1 s tammt yon einer frischen Kuhmilch, die auf 100 ccm mit 2 ccm einer 10pro- zentigen Labpulveraufschwemmung eine Stunde im Brutschrank gestanden hatte und dann yon dem ausgef~llten Kasein abzentrifugiert war; Serum 2 ist die gleiche Milch, die nach 40sttindigem Stehen im Brutschran k (o hne Lab !) durch Zentrifugieren yon dem durch s p o n t a n e S ~ u e r u n g ausgefS.11ten Kasein abgetrennt wurde.

1) Ergebn. d. Physiol. 24, 618 (1925). ~) Sommerfelds Handb. d. Milchk. (1909), 145.

MOSER, STUDIEN ZUR B1OCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZIT/xT l l 3

T a b e l l e 20.

Kon- zentra-

I t ion i n/1000

i. 5 ccm Milchserum 2. 5 . . . . + 5 ccm W a s s e r 3. 5 . . . . § 5 , , n/100 H C1 4. 5 . . . . + 1 ,, n /10 ,, + 4 ccm Wasse r 5. 5 ,, ., + 1,5 ,, n/10 ,, + 3,5 . . . . 6. 5 . . . . + %0 ,, n /10 ,, + 3,0 . . . . 7. 5 . . . . + 2,5 ,, n /10 ,, + 2,5 . . . . 8. 5 . . . . + 3,0 ,, n/10 ,, + 2,0 . . . . 9 5 . . . . -5 3,5 ,, n /10 ,, -5 1,5 . . . .

10. 5 . . . . -5 4,0 ,, n /10 ,, -5 1,0 . . . . 11. 5 . . . . -5 4,5 ,, n /10 ,, + 0,5 . . . . 12. 5 . . . . -5 5 ,, n /10 ,, 13. 5 . . . . -5 0,6 ,, n/1 ,, -5 4,4 . . . . 14. 5 ,, ,, -5 0,7 ,, n/1 ,, -5 4,3 . . . . 15. 5 . . . . -5 0,8 ,, n /1 ,, + 4,2 . . . . 16. 5 . . . . -5 0,9 ,, n/1 ,, -5 4,1 . . . . 17. 5 . . . . " -5 1 , 0 ,, n/1 ,, -5 4,0 , ,, 18. 5 . . . . -5 2,0 ,, n/1 ,, -5 3,0 . . . . 19.2,2 ccm Serum-5 2 c c m W asse r -5 0,2 ccm n/10 Na 0 H 20.9,4 . . . . -52 . . . . +0 ,4 ,, n /10 ,, 21.3,0 . . . . -52 . . . . + 1 , 0 ,, n /10 ,, 22.4,0 . . . . -52 . . . . -52,0 ,, n /10 ,, 23.4,2 . . . . + 2 . . . . +2 ,0 ,, n /10 ,, + 0 , 2 n / 1 N a O H 24.4,4 . . . . + 2 . . . . + 2 , 0 ,, n /10 ,, -50 ,4n/1 ,, 25.4,6 . . . . -52 ,, - 5 2 0 ,, n /10 ,, + 0 , 6 n / 1 ,, 26.4,8 . . . . -52 . . . . + 2 , 0 ,, n / i 0 ,, + 0 , 8 n / 1 ,,

lO 15 20 25 30 35 40 45 50 60 70 80 90

100 200

4,5 8,3

16,7 25,0 47,6 68,2 87,0

104,2

T 1 ---- 1 8 ~ T 2 ( sauer ) = 19 ~ ( a lka l i s ch ) = 18 ~

Lab-] Sautes

Serum

PH PH

6,68 3,86 6,74 3,93 5,49 3,77 4,62 3,58 - - 3,45

3,36 3,29 2,75 3,13 2,42 2,99 2,16j 2,83

00] 2,68 1 90[ -

1 83 ] 2,22 1 74] 1,86 1 68] - 1 611 1,62 156] - 1 52 1,51 1 35 - -

4,05 "4,18

- - 4,51 4 , 9 8

7,68 10,71 11,89 12,24

l m s a u r e n G e b i e t R e i h e n u n t e r s u c h u n g e n m i t C h i n h y d r o n , i m a l k a -

l i s c h e n f 6 r t l a u f e n d e T i t r a t i o n m i t s t r 6 m e n d e m W a s s e r s t o f f . D a s L a b -

s e r u m u n t e r s c h e i d e t s i c h y o n d e m U l t r a f i l t r a t d a d u r c h , daf t es z w a r

w e n i g e r C a - S a l z e en th~ i l t , 1) da f f i r a b e r d a s Mo l kene i we i I3 ( A l b u m o s e n ) ,

d a s L a k t o g l o b u l i n u n d d a s L a k t a [ b u m i n . S e h r e r s t a u n l i c h is t , dat3

d i e s e n f a s t g a r k e i n e p u f f e r n d e E i g e n s c h a f t z u k o m m t . A l l e r d i n g s i s t

d i e K o n z e n t r a t i o n d i e s e r b i o l o g i s c h so w i c h t i g e n , v i t a m i n r e i c h e n K 6 r p e r

a u c h r e c h t g e r i n g . D ie K u r v e d e s L a b s e r u m s f o l g t so g e n a u d e r d e s

U l t r a f i l t r a t s , dai~ sie in l~ig. 5 d e r U b e r s i c h t l i c h k e i t h a l b e r n u r i m s t a r k

s a u r e n Tei l , v o n 0 , 0 4 5 n - H C 1 ab , e i n g e z e i c h n e t i s t ; h i e r f i n d e n s i c h z w a r

a u c h n o c h r e c h t g e r i n g e U n t e r s c h i e d e , d ie a b e r d o c h e r h e b l i c h f ibe r d i e

F e h l e r g r e n z e h i n a u s g e h e n . D i e s e r P u f f e r u n g d e r A l b u m i n - u n d Glo-

b u l i n f r a k t i o n d e r M i l c h i m e x t r e m s a u r e n G e b i e t (PH <: 1,75) s i n d w i r

s c h o n be i d e m V e r g l e i c h d e r K u h - u n d F r a u e n m i l c h b e g e g n e t : n a c h d e n

1) Vgl. S p i r o , Hofmeis te rs Beitri ige 8, 365 (1906).

114 I<OLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1--4

von K S n i g angegebenen Zahlen enthglt die Frauenmilch etwa 2,4mal mehr Albumin und Globulin als die Kuhmilch, und entsprechend ist die Frauenmilch in diesem Gebiet auch deutlich stgrker puffernd als die

Kuhmilch. Nach M i c h a e l i s 1) liegt der isoelektrische Punk t des Serum- albumins bei h = 2 �9 10"5; wenn wir den gleichen Wer t auch ftir Lakt- albumin mnehmen, so ist nach den yon K o p p e l - S p i r o gegebenen

AusfiJhrungen, wenn bei h = 2- 10 5, bzw. PH = 4,70 ein Minimum der Pufferung liegt, for pu = 1,8 ein Maximum zu erwarten. Jedenfalls ist aber dieser Befund ein Hinweis auf die 5fters angezweifelte Indivi-

r n-HCt I

o, rs | 0. ~z/ } 0z31 O j 2

011 0.10 0,09 0,08 OOZ 0O6 O,O5 LTOLt O, O3 O,02 0,,01

dualitS.t des Laktalbumins (bzw. Globulins) gegentiber dem Kasein.

I Kuhrn#cl~-d/lrof%t1~/" 2. Top1>rnJd~ - ,3 r r r o u e n m T / c h . *

q U-f. -,qEcss/-ond'~ .5 Lob - .Set,urn ~ yon Kuhm#d~

" - . 6~

%

Fig. 5. Tltrationskurven von Milchfraktionen.

~) Biochem. Zeitschr. 88, 456 (1911).

1#

0,01 0,02. 0,03 O,O#

! 0,05 O,06 0,07

"~ 0,08 D 0,09 \~ 0,70 �9 8,11

0,15 0/3

I OJ# O, v5

I n.-INoOH

I O,20

MOSF-.R, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZIT~T 115

Das S e r u m d e r s p o n t a n g e s ~ i u e r t e n M i l c h fo lg t im sauren

Geb ie t zun / i chs t d e m L a b s e r u m , ze igt aber d a n n zwisehen PH 3 u n d 4 , 5

ein ganz ausgepr~igtes M a x i m u m der Puf fe rung , das genau der Lage der

Milchs/~ure en t sp r i ch t , die ihr M a x i m u m bei Pg 3,86 haben wtirde. A u c h

im a lka l i schen Geb ie te b l e i b t dieses S e r u m s t l i rker gepu f f e r t als d a s

U l t r a f i l t r a t ; e rs t bei PH = 12 g e h t die P u f f e r u n g e rheb l i ch zurf ick. Diese

Z u n a h m e der P u f f e r u n g e r sche in t verst /~ndlich, w e n n m a n sich vo r

Augen h/~lt, daft bei der m i l c h s a u r e n G~irung die s chwache Milchs~iure

e n t s t e h t u n d d a m i t zu den s c h o a v o r h a n d e n e n ein neuer P u f f e r f a k t o r

h i n z u k o m m t . Gleiches mfiBte auch fiir r e i n e M i l c h gel ten , dai3 n/ im-

l ich b e i d e r S / ~ u e r u n g d i e P u f f e r u n g s k a p a z i t / ~ t z u n i m m t .

W i t h a b e n diesbezf igl iche Ve r suche anges te l l t , fiber deren E r g e b n i s

Tabe l le 21 be r i ch te t . Zwei P r 0 b e n Milch w u r d e n v e r s c h i e d e n lange

Zei t (Probe 2 = 6 5 Stur tden lang) im B r u t s c h r a n k belassen, das ver-

d u n s t e t e W a s s e r erg~tnzt u n d d a n n das d u r c h Schf i t t e ln m S g l i c h s t

h o m o g e n v e r t e i l t e Gemiseh in t ib l icher Weise e l e k t r o m e t r i s c h mi t t e l s

C h i n h y d r o n un t e r such t . Bei der zwe i t en Re ihe w u r d e n jewei ls 5 g Milch

abgewogen , wei l ein Abrnessen m i t de r P i p e t t e u n m 6 g l i c h war . Z u m

Verg le ich is t in Spa l t e 3 das T i t r a t i o n s e r g e b n i s y o n f r i scher K u h m i l c h

aus Tabe l l e 15 wiederhol t .

T a b e l l e 21.

1. 10 ccm Milch 2. 5 . . . . + 5 ccmWasser 3. 5 . . . . + 2,5 ,, n/1OOHCI+ 2,5 ccm Wasser 4. 5 . . . . + 5 , n/100 ,, 5 5 . . . . + 0,75, xl/10 ,, ~ 4,25 . . . . 6. 5 . . . . -~1,0, , n /10 ,, + 4 , 0 . . . . 7. 5 . . . . + 1 , 5 , , 11/10 ,, +3 ,5 . . . . 8. 5 . . . . 4- 2,0,, n / lO ,, + 3 , 0 . . . . 9. 5 . . . . + 2 , 5 , n /10 ,, +2 ,5 . . . .

10. 5 . . . . 4-3,0, , n /10 , +2,0 . . . . 11. 5 . . . . q-3,5, , n /10 ,, ~-1,5 . . . . 12 5 . . . . + 4 , 0 , , n /10 ,, +1 ,0 . . . . 13. 5 . . . . + 4 , 5 , , n /10 ,, + 0 , 5 . . . . 14 5 . . . . 4 5 , 0 , , n/10 15. 5 . . . . + 0 , 6 , , n /1 ,, +4 ,4 . . . . 16. 5 . . . . + 0 , 7 , , n /1 ,, +4 ,3 . . . . 17. 5 . . . . -{- 0,8 ,, ~/1 ,, + 4,2 . . . . 18 5 . . . . 4- 0,9,, n /1 ,, +4 ,1 . . . . 19. 5 . . . . + 1 , 0 , , n /1 ,, +4 ,0 . . . . 20. 5 . . . . + 2 , 0 , , n / I ,, ~:3,0 . . . . 21. 5 . . . . + 3 , 0 , , n /1 ,, 4-2,0 . . . . 22 5 . . . . + 4 , 0 , , n /1 ,, +1 ,0 . . . . 23. 5 . . . . + 5 , 0 ,, n /1

T 1 = 21~

Konz, I in p i l l

n/1000 - - 4,75

4,93 2 , 5 4,62

4,48 4,33

5 7,5

10 15 20 25 30 35 40 45 50 60 70 80 90

100 200 300 400 500

T~ = 18~ T:~ = 19,5 ~

PH2

3,72 3,72 3,68 3,65 3,60

4,17 3,55 3,93 3,42 3,69 3,28 3,47 3,17 3 28 3,05 3,10 2,99 2,87 2,89 2.60 2;37 2;1 1,99 2,12 1,82 1,95 1,70 1,81 1,65 1,69 1,62 1,60 1,40 -- 1,22 1,18 --- 1,16

8 ~

PH 3

6,58 6,62 6,38 6;17 5,94 5,76 5,39 4,98 4,55 4,12 3,75 3,37 3,04 2,65 2,15 1,81 1,69 1,62 1,55 1,21 1,12 1,07 1,04

: 1 1 6 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1- -4

~ + + + + + + ~ + § 2 4 7

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFISRUNGSKAPAZIT.~T 117

Tabelle 22 zeigt eine reine M i l c h , d i e m i t 1 P r o z e n t r e i n e r

' M i l c h s ~ u r e v e r s e t z t i s t , in laufender T i t r a t ion mi t s t rSmendem

Wassers toff untersucht .

Die Tabel len und die in Fig. 4 e ingezeichneten Kurven 5 und 6

bes ta t igen zunS.chst die volks t t iml iche Anschauung, dab saure Milch

, ,schwer ve rdau l i ch" ist. Denn, um das Pep s inop t imum von Pi~ 1,4 zu

erreichen, muB der Organismu s e i n e e twa gerade so hohe Salzs~ture-

konzen t ra t ion aufwenden, wie bei na t iver Milch,. obwohl hier das Aus-

gangs-p~ 3,72 is t und dor t 6,62. Dagegen ist das T r y p s i n o p t i m u m hier

erst bei ciner e twa dre imal so groflen Konzen t ra t ion an Lauge erreicht .

Ja , im sauren Gebiet bei PrI < 2 t r i t t sogar der pa radoxe Fal l t in , dab

teilweise die gesS~uerte Milch eine geringere Wassers to f f ionenkonzen-

t r a t ion bes i tz t als die na t ive bei gleicher Sa lzsgurekonzent ra t ion .

Die ganze Erscheinung wird h inre ichend durch die Pufferungseigenschaf t

der Milchsgure erklS~rt. Auf die prakt isch-di~t tet ische Bedeu tung dieser

Fes t s te l lung werden wir wei ter un ten eingehen. Hier mSgen zunS.chst

noch zwei Ti t ra t ionsergebnisse P la tz l inden, wo M i l c h m i t M i l c h -

s / i u r e ve rmisch t t i t r i e r t wurde. Die erste Spa l t e gibt reine Milch an,

die zweite die gleiche, nach 24st t indiger Dialyse im Pergamentschlauch.

T a b e l l e 23.

i o n - [ zentra- ! tmn m [nJlO00

1.10 ccm Milch 2. 5 . . . . -4- 5 ccm Wasser 3. 5 . . . . -4- 0,31 ccm n/10 Milchsiiure + 4,69 ccm Wasser 4. 5 . . . . + 0,625 ,, n/10 ,, -4- 4,375 . . . . 5. 5 . . . . +1,25 ,, n/10 ,, +3,75 . . . . 6. 5 . . . . -4- 2,5 ,, n/10 ,, -4- 2,5 . . . . 7. 5 . . . . -4- 3,0 ,, n/lO ,, -4- 2,0 . . . . 8. 5 . . . . -4- 4,0 ,, n/10 ,, -4- 1,0 . . . . 9. 5 . . . . -4-5,0 ,, n/10 ,,

T = 19 ~

6,25 12,5 25,0 30,0 40,0 50,0

PHI I Pn 2

6,68 6,50 6,80 6,61 6,54 6,37 6,34 6,07 6,04 5,64 5,28 4,71 4,99 4,34 4,41 .4,03 4,22 3,83

Auch diese Tabel le l~13t wie die Kurve 7 in Fig. 4 erkennen, wie

die Milchs/~ure die Pufferung erh6ht, besonders bei den le tz ten Wer ten ,

wo wir uns ihrem Opt imum n/~hern. Spal te 2 zeigt den recht erheb-

l ichen Rtickgang, den die Dialyse bedingt .

AnschlieBend folgt noch eine weitere Versuchsreihe, die ftir die

folgenden Be t r ach tungen von Wich t igke i t ist. Unter dem Namen

A c i d o l k o m m t ein B e t a i n - H y d r o c h l o r i d in den Handel , ein schSn

kr is ta l l i s ier ter KSrper, der in w~sseriger LSsung SalzsSmre abspa l te t .

118 Ir BEIHEFTE BAND X X V , HEFT 1 - - 4

Es w u r d e zunS~chst (Tabel le 24, Spa l te 1) die K u r v e yon Acido l mi t

W a s s e r a u f g e n o m m e n , dann v o n Acido l m i t W a s s e r u n d 50 Proz. K u h -

mi lch (Spa l te 2); vgl. auch die K u r v e 8 in Fig. 4: u a d Fig. 6.

T a b e l l e 24,.

Konzen- tration /

in n/10001 P I l l PH2 Acidol

1. 2 ccm Milch . . . . . . . . . . . . 2. 0 2 ccm 1 prozentige AcidoI-LSsung + 3,8 ccm

Wasser bzw. 2 ccm Milch + 1,8 ccm H~O 3, 0.4 ecru 1 prozentige Acidol-LSsung + 3,6 ccm

Wasser bzw. 1,6 + 2,0 cm Milch . . . . . 4. 0 8 ccm 1 prozentige Acidol-L6sung + 3,2 ccm

H~O bzw. 1.2 + 2 ccm Milch . . . . . . 5. 1,0 ccm 1 prozemige Acidol-LSsung + 3.0 ccm

H~O bzw. i 0 + 2 ccm Milch . . . . . . 6. 1,2 ccm 1 prozentige Acidol-LSsung + 2 8 ccm

H~O bzw. 0,8 + 2 ccm Milch . . . . . . 7. 1,4 ccm 1 prozentige Acidol-LSsung + 2,6 ccm

H,O bzw. 0 6 + 2 ccm Milch . . . . . . 8. 1,8 ccm 1 prozentige Acidol.LSsung + 2,2 ccm

H~O bzw. 0,2 + 2 ccm Milch . . . . . . 9. 2,0 ccm 1 prozentige Acidol-L6sung + 2,0 ccra

H~O bzw. Milch . . . . . . . . . . . 10. 03 ccm 10prozentige L6sung + 3 7 ccm H O

bzw. 1,7 + 2 ccm Milch . . . . . . . . 11. 0,4 ccm 10prozentige LSsung + 3 6 ccm H,O

bzw. 1,6 + 2 ccm Milch . . . . . . . .

T = 19 ~

~ t o,0~

o,

n-~tidol

Fig. 6. Acidol und Wasser.

u

I

- - -- 6,72

3,3 2,75 6,38

6,5 2,55 6,19

13,0 2,38 5,71

16 3 2 29 5,40

19,6 - - 5,22

22,8 2.23 4,85

293 - - 4,45

326 2 20 4,20

48,9 2,15 2,86

65,2 2,02 2,48

Aus der Fig. 6 e rg ib t sich ffir

das B e t a i n - H y d r o c h l o r i d ein Puffe-

r u n g s o p t i m u m bei e twa PH = 2,30,

in ' g u t e r 1 ) b e r e i n s t i m m u n g m i t dem

O p t i m u m , das K o p p e l - S p i r o ftir

G lykoko l l zu 2,40 b e s t i m m t e n .

Das ist ein Hinwei s darauf , daft

Be ta in und Glykoko l l konst i -

t u t ione l l w e i t g e h e n d 5~hnlich sind.

Da ftir das Glykoko l l b e k a n n t l i c h

eine Re ihe y o n S t r u k t u r f o r m e l n dis-

k u t i e r t werden , is t diese T a t s a c h e

deswegen y o n Interesse , well sic m i t

der b ipo l a r en F o r m e l des Glyko-

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZITJ~T 119

kolls, wie sie neuerdings besonders von P f e i f f e r vertreten wird, in bester Ubereinstimmung steht. Entsprechend verhAlt sich auch die Milch-Acidol-Kurve, die zunS.chst der Milch-Satzs~ure-Kurve analog verl~uft, bis sie yon PH 2,8 ab eine stS.rkere Pufferung zeigt. Bis zu diesem Punkt aber gelingt es mit AcidoI in gleicher Weise wie mit SalzsS.ure die Wasserstoffionenkonzentration zu verschieben.

In diesem Zusammenhang m6chten wir auch darauf hinweisen, dab die meisten der unzulS.ssigen Konservierungsmittel der Milch, wie Benzoes~ture, BorsS.ure, Natriumkarbonat und SalizylsS~ure 1) als schwache Elektrolyte eine ErhShung der PufferungskapazitS.t bedingen, deren Maxima je nach ihren Dissoziationskonstanten verschieden ge- lagert sind. Sie kSnnen also durch Vergleich der Pufferungskurven verfS.lschter und normaler Kuhmilch in sehr einfacher Weise nach- gewiesen werden , auch dann, wenn das Ausgangs-p~ I innerhalb der nor- malen Breite liegt. _Ahnliches gilt ftir Verf~tlschung durch Wasser- zusatz, durch d ie eine Abnahme der PufferungskapazitS~t bedingt ist.

;4

3 ~pirmlT~ ~ Ii q KuKuhmlTch re~l" 7%M/Ic~sdupe Zl i \ \

PufferungskapazitS.ten" der Milcharten. \ ~

Fig. 7 stellt die nach der Formel yon L e u t h a r d t (vgl. Teil 2) bestimmten PufferungskapazitS.ten der wichtigsten untersuchten Milch- arten dar. Eine ErlS.uterung ertibrigt sich nach dem oben Gesagten ;

a) Vgl. hierzu Reil3 u. Sommerfe ld in Sommerfelds Handb. d. Milchk. (1909), 286 ft.

~120 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1 - - 4

die hohe Pufferungskapazitiit der Milchs/iuremilch und die der Kuh- und Tapirmilch im sauren Gebiet treten besonders deutlich hervor.

VII.

Nachdem wir so die Pufferungskapazit~t der Nahrungsmittel als wichtigen Faktor ftir die Verdauliehkeit erkannt haben - - wobei nattir- lich nicht tibersehen werden darf, dab auch andere Eigenscha.ften, z. B. sicher der Dispersitiitsg[ad, eine erhebliche Rolle spielen 1) - - ,

nachdem wit insbesondere die physiologisehen Unterschiede zwisehen Frauen- und Kuhmilch bei der Siiuglingserniihrung auf die Pufferungs- kapazit~it zurtickgeftihrt haben, nachdem wit sehliei31ich den Einfluf3

yon verschiedenen Zuslitzen und Eingriffen auf die Pufferungskurve der Kuhmilch untersucht haben, erhebt sich die Frage, ob wir auf Grunddieser Befunde inderLage sind, die K u h m i l c h der F r a u e n - m i l c h p h y s i o l o g i s c h ~ihnlieher zu m a c h e n , d .h . dem S~iug- ling die Verdauungsarbeit der Kuhmilch zu erleichtern. Zugleieh ergibt

sich daraus der Versuch~ die mit derartigen NS.hrgemischen bisher empirisch gewonnenen Resultate der Klinik unter solchen Gesichts- punkten einheitlich zusammenzufassen.

Festhalten mtissen wit zuniichst, daI3 fiir die echte peptische Ver-

dauung beim S~ugling kein Beweis vorliegt --- wenn sich auch Pepsin im Mageninhalt Neugeborener hat naehweisen lassen - - , es mtiBte ja dann auch nach unseren obigen Ausftihrungen Kuhmilch geeigneter sein als Frauenmilch. Also spitzt sieh unser Problem zu auf die Frage,

wie man am besten dem Siiuglingsmagen die Aufgabe erleichtert, Kuh- milch oder ein yon ihr abgeleitetes N~ihrgemisch auf das PH von etwa 4,5 (Optimum der Magenlipase) zu bringen. Nachdrticklich mScbten

wir auch hier auf die Laktaseverdauung hinweisen, deren Optimum ebenfalls bei PH = zl,61iegt; E n d e r l e n , F r e u d e n b e r g und v. Red- w i t z haben ja die saute Reaktion im oberen Dtinndarmabschnitt end-

gtiltig bewiesen. 2) Wir haben oben gesehen, dab die Arbeit, um dieses P~I zu erreichen, bei nativer Kuhmilch viel gr6t3er ist als bei Frauenmilch, d. h. die aufgewandte S~iuremenge mul3 mehr als 4mal so grol3 sein.

Es ergeben sieh nun grunds~tziich verschiedene MSglichkeiten: I-lerabsetzung der Pufferungskapazit~it der Kuhmilch dutch Verdtinnen

mit Wasser (das ist zwar nur eine scheinbare Erleichterung, well ja nun

1) Vgl. z. B. Wo. Ostwald, Die Welt dev vernachl~issigten Dimensionen J (7 Aufl.), 192: Von allen Milcharten sind in Frauenrmlch Fett und Kasein am feinsten dispergiert.

*) Zeitschr. f. d. ges. experim. Medizin 32, 41 (1923).

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZIT.~T ] ~1

entsprechend grSBere Volumina zu verdauen sind, abet doch yon Be- deutung, weil so die Verdauungsarbeit sich auf eine gr6fiere Zeit er-

skrecken kann); teilweise Enffernung der puffernden Substanzen und schliel31ich Verschiebung des p~ durch Ans/~uerung. Alle drei Wege ist die Praxis schon gegangen.

Aus der fiberreichen, zum Teil oft recht widerspruchsvolten Literatur der letzten Jahre fiber kfinstliche S~uglingsern~hrung ~) l~it3t sich folgen- des herausschSAen :

D i e ZweckmSA3igkeit einer V e r d f i n n u n g tier Kuhmilch ist schon

lange allgemein bekannt. Es wird ja auch n iemandmehr einem Neu- geborenen reine Kuhmilch zur Nahrung geben, sondern nur eine mit Wasser oder Itaferschleim verdfinnte, also in der Pufferungskapazit~tt herabgesetzte. Ihre exakte Best~tigung findet diese Ubung in den Be-

obachtungen von H o f m a n n und Rosenbaum2) , die feststellen konn- ten, dab Frauennfilch keine Magensaftsekretion bei S~uglingen hervor- ruft I im Gegensatz zu Kuhmilch und anderen, an Eiweifl konzentrier- teren NS~hrgemischen, die alle durch Magensaft verdfinnt werden. Die

schwach puffernden Fette und Kohlehydrate ergeben in keiner Form beim S~ugling eine Magensaftsekretion, die Eiweit3k6rper nur dann, wenn ihre Konzentration die der Frauenmilch fibersteigt.

Unbestritten ist ferner die gfinstige Wirkung der B u t t e r m i l c h

in ihren verschiedenen Variationen. Nach Vogt ist Buttermilch mit E i n b r e n n e (Kleinschmidt) der Frauenmilch klinisch gleichwertig.

Das erscheint auch yon unserem Standpunkt aus durchaus verstSmdlich. Stellt sie doch bei ihrer sauren Reaktion (p~ = 4,6), ihrer Fettarmut, ihrem etwas verminderten Eiweit3gehalt und ihrer Verdfinnung 15mgst nicht die Ansprfiche an den Verdauungsapparat wie reine Milch. Mit

der Milchs~ure kommt allerdings ein neues Puffersystem hinzu, doch ist ihre Konzentration ja recht gering, zudem bedeutet die ,,Einbrenne" wieder eine Verdfinnung. In der Buttermilch mit Einbrenne sehen

wir also eine Vereinigung der drei oben angeffihrten MSglichkeiten: Verdfinnung, Entfernung puffernder Substanzen und S~uerung, filer- dings zum Teil wieder kompensiert durch die neu entstandene Milchs~ure-

1) Vgl. hierzu die Ubersichtsreferate: H. V ogt, Saure Milchmischungen in der S/iuglingsern~ibrung. Monatsschr. i Kinderheilk. (1925); Fr. Mfiller, 0ber die Wirkung kfinstlich anges/iuerter Milch auf Verdauung und Stoftwechsel des S/iuglings, Zeitschr. L Kinderheilk. 38, 705 (1924); E. Schiff u. K. Mosse, Saure Milchmischungen in der Ern~ihrungstherapie der S~iuglinge, Beih. z. Jahrb. f. Kinderheilk. 8 (1924).

~) Jahrb. f. Kinderheilk. 96, 164 (1921), 97, 46 (1922); hier nach Ber. fiber die ges. Physiol. 11, 211 (1922), 18, 88 (199,2).

1 2 9 . KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1 - - 4

pufferung. Dieser Abnahme der Pufferungskapazit~t steht zudem noch der geringere Gehalt an sauer zu verdauenden Niihrstoffen gegeniiber.

Ahnliche Erfahrungen berichtet V o g t tiber die S a u e r m i l c h m i t E i n b r e n n e , for die auch die PufferungsverhS~ltnisse 5~hnlich l iegen dtirften.

Eine andere Frage, die aber hier nicht zur Debatte steht, ist die, wie welt dem MilchsS~ureanion als solchem eine spezifische Wirkung zukommt. Jedenfalls scheint es stS, rker bakterizid zu sein als das Chorion, was ja auch ftir die ErnS.hrung von einiger Bedeutung sein kann dureh eine gtinstige Beeinflussung der Darmflora und eine Hem-

m u n g abnormer Bakterienwucherungen in Magen und Dfanndarm. Ein weiterer Gesichtspunkt, der unseres Wissens noch nicht bertick-

sichtigt worden ist, kann vielleicht auch eine Rolle spielen. Schon einige Male haben wir oben darauf hingewiesen, dab der Quotient

Albumin+Globulin bei Frauenmilch viel gr6Ber ist als bei Kuhmilch. Kasein

Nun ist ja auch der Butterungsprozefi mit einem gewissen Verlust an Kasein verbunden, w~hrend die Albumin- und Globulinfraktion wohl unverS~ndert bleibt; damit werden beide Verh~iltnisse ~hnlicher und damit erseheint es m/3glieh, dab insbesondere aueh die PufferungsverhSJtnisse sich dem Typus der Frauenmilch n~thern; indessen sind die Verschie- bungen nicht grog genug, um allein ftir eine ErklS.rung ausreichen zu k6nnen.

Aueh bei der klinisch recht gtinstig beurteilten K a l k w a s s e r - B u t t e r m i l c h (Marfan), einer Buttermileh, die mit gleichen Teilen Kalkwasser alkalisch gemacht ist, sehen wir einen Verdtinnungseffekt. Dadureh ist ein Rfickgang der Puffer ungskapazit~Lt bedingt; da man Kalziumhydroxyd zu den starken Elektrolyten rechnen muff, wird kein neues Pufferungssystem zugeftigt. Da der Gehalt des Kalkwassers an Ca (OH)2 auch ein sehr geringer ist (etwa 0,09,--normal) und zudem sicher der gr/Sfite Teil dureh die Karbonate der Milch zu CaCOa gef~llt wird, so wird nur eine recht geringe p~i-Verschiebung die Folge sein. Allerdings sind die Verh~iltnisse dadurch komplizierter, dab nach neueren Untersuehungen Kalzium yon Kasein komplex im Anion ge- bunden werden kannl), ftir unseren Zusammenhang ist dies aber nieht yon Belang.

Schliet?lich steht noch die M6glichkeit often, dureh S i i u r e z u s a t z direkt die h der Milch zu verschieben. Es sind daftir bisher Milch-

1) Greenbe rg u. Schmidt , Journ. of general Physiol. 8, 271 (1926); hier nach Ber. fiber die ges. Physiol. 85, 770 (1926).

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSKAPAZIT~,,T 123

sS.ure und Sa lzs~iure gebraucht worden, die beide Vorziige und Nach- teile besitzen. Salzs~ture erscheint zun~chst als die physiologische S~ture, weil ja der Magen auch damit arbeitet. Die Gefahr einer (Sber- dosierung liegt hier aber recht nahe und damit eng verbunden die einer Demineralisation des Organismus, weil sie ja nicht zerstSrt werden kann und daher mit Hilfe von Kationen ausgeschieden werden mug. Wir-haben oben gesehen, dab die MSglichkeit ei.ner Ersch6pfung des Alkalivorrates des Organismus durch einseitige Ern~ihrung gegeben ist und welche bedrohlichen ZustS.nde daraus entstehen k6nnen. Jeden- falls bedeutet jede SalzsS.urezufuhr einen Kationverlust.

Da Kuhmilch im sehwach alkalischen Gebiet die gleiche oder sogar eine etwas geringere PufferungskapazitS~t zeigt wie Frauenmilch, so kann man die Mehrbeanspruchung an die alkalischen Pankreas- und Darmsekrete bei mit HC1 angesS.uerter Kuhmilch noch als physiologisch bezeichnen, dagegen erfolgt durch die Milchs~iure eine erhebliche Ver- mehrung der Pufferungskapazit~it der Milch; dies ergibt dann beson- ders ftir die alkalische Darmverdauung eine Belastung, weil z. B. ftir die Verschiebung yon pK 4,5 bis PH 7 ein verh~iltnism~it3ig grot3er Auf- wand an alkalischen Einheiten erforderlich ist. Etwa vom Neutralpunkt ab, wo die Pufferwirkung der MilchsS.ure ersch0pft ist, verlaufen dann die Kurven yon Milchs~uremilch und normaler Milch parallel (vgl. Fig. 4, Kurve 6, ferner Tabellen 21 und 22). Alkali steht aber allge- mein dem Organismus in viel reichlicherem Mafle zur Verftigung als saure Einheiten, daher mSchten wir diesem Nachteil nicht allzuviel Gewicht beilegen. Aul3erdem scheidet ja die Milchs~ure, die als orga- nische S~ture im KSrper verbrannt wird, im Fortgang der Verdauung immer mehr aus.

Dabei wird das Kation, das zun~ichst fiir die Neutralisation in �9 Anspruch genommen ist, wiedergewonnen, wS~hrend das Verbrennungs-

produkt, Kohlendioxyd, durch die Lungen veratmet wird. Schematisch kann man sich diesen Prozefi folgendermaBen vorstellen:

CH 3 " C H O H ' C O O N a + 3 0 2 = 2 C Q + N a H C O z + 2 H ~ O .

Wenn nun auch kein Zweifel dartiber besteht, dab die peroral z'u- geftihrte Milchs~iure leicht der Verbrennung anheimf~illt, so zeigen doch bisher unverSffentlichte Versuche yon Herrn Dr. J u n g , dab diese nicht quanti tat iv ist; jedenfalls aber kommen ftir die Harnausscheidung nur kleinste Mengen in Betracht. Selbst wenn diese Spuren nach dem Schema yon H e n d e r s o n - S p i r o 1) zu 90 Proz. neutralisiert werden

1) Biochem. Zeitschr. 15, 110 (1908).

124 KOLLOIDCHEMISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1 - -4

mtissen, so handelt es sich doch um Alkaliverluste, die ftir die Gesamt- bilanz keine Rolle mehr spielen k6nnen.

Ganz anders verhS~lt sich die Sa lzsSmre . Um eine auf die H/~lfte verdtinnte Kuhmilch auf Pit 4,5 zu bringen, mtissen wir sie nach Fig. 4 an H C1 etwa 0,025 - - normal machen, d.h. ein Liter Milch muff mit 1 Liter 0,05 - - normaler HCI gemischt werden. Diese Menge entspricht etwa einem halben Liter normalen Magensaftes des Erwachsenen und ent- sprechend noch viel mehr beim S~ugling. D a v i d s o h n fand t) bei S/iuglingen nur etwa 0,00036 Proz. HC1 im Mageninhalt; es mtit3ten also noch viel grSt3ere QuantitS.ten geliefert werden, woran nattirlich nicht zu denken ist. Die zugeftihrte H C1 gelangt als N a C1 zur Ausschei- dung. Es ist bekannt, und Tabelle 12 gibt ein derartiges Versuchs- protokoll bei einem Kaninchen, dab auch bei starker peroraler S~iure- zufuhr die Verschiebung des PH im Harn nach der sauren Seite hin be- grenzt ist (selbst wenn wir beriicksichtigen, daft beim Menschen noch st~trker saure Werte festgestellt sind; Pit 5, was etwa dem Grenzwert entsprieht, wtirde eine etwa 0,00001 - - n o r m a l e HC1 ergeben). Die mit 1 Liter Kuhmilch, die dureh HC1 auf PH 4,5 gebracht ist, zugeftihrte S~iuremenge erfordert also 1 Liter 0,05 - - normale Lauge zur Neutrali- sation,-in Natr ium ausgedrtickt etwa 1,15 g. Es werden also dem KSrper recht betriichtliehe Mengen Kationen entftihrt.

Wir kSnnen dahin zusammenfassen, dab eine A n s ~ i u e r u n g der als Sguglingsnahrung verwendeten Kuhmilch V o r t e i l e v e r s p r i c h t , im allgemeinen diirften die der M i l c h s g u r e gegeniiber Salzsiiure iiber- wiegen. Es erscheint aber dann notwendig, die Milch auf das Lipase- und Laktase-Optimum yon pK 4,5 mSgliehst genau einzustellen, weil durch die vermehrte Pufferungskapazit~it dem Organismus eine Ver- schiebung, z. B. yon P~I 5 auf 4,5 groBe Schwierigkeiten bereiten wtirde; in solchen FS.11en erseheint eine Verdtinnung reeht angebracht.

Soll aber die dadurch unter UmstSmden bedingte Erschwerung der atkalischen Darmverdauung oder die Verdtinnung nach MSglichkeit ver- mieden werden, oder wird auf die peptische Verdauung Weft gelegt, dann k~tme Ans~iuerung mit Sa;lzsS.ure, etwa bis PI~ ~---5,0 in Betraeht. Aus praktischen Grtinden hat Herr Prof. S p i r 0 das A c i d o l hierftir vorgeschlagen, das sich in Form yon Tabletten leicht dosieren l~it3t und in dem Betain eine zum mindesten vollkommen unsch~idliehe Kom- ponente besitzt. Meine elektrometrisehen Messungen haben seine Brauch- barkeit ftir unsere Zwecke bestiitigt. (Vgl. Fig. 4, Kurve 8, und Tabelle 24.)

Bei den komplizierten Verhliltnissen, die sich durch die verschie-

1) Zeitschr. f. Kinderheilk. 4, 208 (1912).

MOSER, STUDIEN ZUR BIOCHEM. BEDEUTUNG DER PUFFERUNGSI<APAZIT~.T 125

denen S~iurezus~itze ergeben, steht zu erwarten, dab die k l i n i s c h e B e o b a c h t u n g auch kein einheitliches Bild zeigt. Wenn die Ver- dauung allein berticksichtigt wird, zeitigt der Salzs~iurezusatz meist gtinstige Folgen. Da die Magensaftmenge dem PH der zugeftihrten Nahrung direkt proportional zu sein scheintl), ist ganz allgemein saure Kost reizloser als neutrale und alkalische. Die Ans~iuerung bedeutet also ftir den S~iugling eine Funktionserleichterung. Nach den Unter- suehungen yon M a r r i o t t , Mt i l l e r und F a b e r wird bei Kuhmilch- nahrung etwa dreimal so viel HC1 im Magen sezerniert als bei Frauen- milch; diese Menge kann durch S~iurezusatz weitgehend vermindert werden. ") Wichtig ist bier auch die Feststellung yon S c h e e r , Mii l ler und Sa lomon3) , dab die Magensaftsekretion bei nativer wie bei mit Milchs~ure anges~tuerter Milch gleich grot3 zu sein scheint, dagegen bei SalzsSmremilch geringer, ebenso die, dab bei Salzs~iurezusatz die Menge des gespaltenen Fetts im Magen immer gesteigert gefunden wurde. Jedenfalls wird die ,,Magenzuckerkurve", die ein Matt fiir die Sekretions- leistung des Magens abgibt, durch den Milchs~iurezusatz nicht beein- fluBt. 4)

Doch kSnnen alle diese Beobachtungen nieht unsere grunds~tz- lichen Bedenken gegen den Salzs~urezusatz entkr~ften, zumal sieh ja auch viele Stimmen f~ir die gtinstige Wirkung der Milchs~ure ausge- sprochen haben. 5)

Zusammenfassung.

Die bisherigen Versuche, den Pufferungsvorgang darzustellen,

werden diskutiert und die Vorztige einer Methode erl/~utert, die auf der

Grundlage der Untersuchungen yon Koppel-Spiro und van Slyke

in der hiesigen Anstalt von Leuthardt ausgearbeitet wurde.

Die gebHiuchlichen Methoden nnd eine eigene Form der Wasser-

stoffelektrode, die zu fortlaufender Titration kleiner Fliissigkeitsmengen

geeigaet ist, werden beschrieben.

Die Methoden, die der Organismus zur Regelung des S/iuren-

Basen-Gleichgewichtes anwendet, und die daraus sich ergebende Be- deutung der PufferungskapaziS~t werden gesehildert.

Die Pufferungen versehiedener Serumsysteme werden bestimmt.

1) F. Mfiller a. a. O.; vgl. dagegen Hofm ann u. R o s e n b a u m a. a O. ~) Nach Gy6rgy, Die Bedeutung der physikalischen Chemie ffir die

P~idiatrie, Jahresber. fiber die ges. Kinderheilk. (1923), 10. 8) Jahrb. f. Kinderheilk. 106, 86 (1924). 4) Schiff u. Mosse a, a. O. s) Vgl. insbesondere Vogt a. a. O.

1 5 6 I4,OLLOIDCHE~clISCHE BEIHEFTE BAND XXV, HEFT 1--4:

Die Aufl6sung ausgefS~llter Euglobuline in Harnstoff wird als ein kolloid- chemischer, nicht als ein ionaler Vorgang festgestellt.

Eklamptisches Serum zeigt gegentiber normalem menschlichen Schwangerschaftsserum eii{e verminderte PufferungskapazitS~t.

Auch bei den untersuchten Rachitiker-Seren konnte .ein Rtick- gang der Pufferung festgestellt werden; die Abnahme ist ein MaB ftir die Schwere bzw. die Heiltendenz der einzelnen Fglle.

Der EinfluB yon einseitiger Haler- bzw. Grianfutternahrung auf das SS.uren-Basen-Gleichgewicht yon Kaninchen-Serum und -Harn wird untersucht. Auch das Serum zeigt erkennbare Untcrschiede; dieselben sind im Harn sehr deutlich.

Der EinfluB yon Milch- und Sgurenahrung auf dea Harn und der Einflug der ammoniakalischen Zersetzung auf seine Pufferungskurve wird dargestellt.

Die Bedeutung der Pufferungskapazitgt der zugeftihrten Nahrungs- mittel for die Verdauung wird behandelt und an dem Beispiel der Milch messend verfolgt.

Die Milcharten zeigen erhebliche, far ihre Verwertung als Nahrungs- mittel sehr bedeutungsvolle Unterschiede: Kuhmilch hat eine sehr groBe, Ziegenmilch eine etwas geringere, Frauenmilch eine sehr ge- ringe PufferungskapazitS.t. Damit erkl~ren sich auch die physiologisch so wichtigen Unterschiede der SS.uglingsernghrung mit Kuh- und Frauenmilch.

Es werden die Pufferungen verschiedener Milchfraktionen und -prS.parate bestimmt. (Ultrafiltrate, saures Milchserum, dialysierte Milch, Labserum, spontan ges~uerte Milch.)

Die Ansguerung yon Kuhmilch zur S/iuglingsernghrung verspricht physikalisch-chemisch Vorteile, die mit den klinischen Erfahrungen sich decken. Milch- und SalzsS.ure haben spezifische Vorztige und Nach- teile, die yon Fall zu Fall, je nach dem erstrebten Ziele gegeneinander abgewogen werden mtissen. Im allgemeinen dtirften aber die Vorzttge der Milchsaure tiberwiegen.