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Sucht im Alter
Martin Beutel
Kraichtal-Kliniken
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Kraichtal-Kliniken
Therapiezentrum Münzesheim
3
Haus Kraichtalblick
Kraichtal-Kliniken
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Themen
1. Epidemiologie
2. Kompetenz und Selbständigkeit im Alter
3. Folgeschäden
4. Therapie und Motivation
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Alkoholkonsum im Alter
Mittlerer Pro-Kopf-Konsum
Altersgruppe 60 – 69 Jahre
Männer Frauen
30 g / d 11 g / d
Junge 1990
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Alkoholkonsum im Alter
regelmäßiger Alkoholkonsum
Altersgruppe über 70 Jahre
Männer Frauen
80 % 60 %
Beresford 1993
7
Sucht im Alter wird unterschätzt
Riskanter Alkoholkonsum
Altersgruppe über 60 Jahre
Männer Frauen
10-20 % 5-10 %
Mundle 1995, 1996
8
Sucht im Alter wird unterschätzt
Alkoholabhängigkeit
Altersgruppe über 60 Jahre
Männer Frauen
2-3 % bis 1 %
John 1996
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Medikamente
• Schlafmittel
• Beruhigungsmittel
• Schmerzmittel
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Berliner Altersstudie BASE
• 0,5% der über 69-jährigen sind medikamentenabhängig (Wetterling 2002)
• Befragungen unterschätzen das Problem
• In der Schweiz nehmen Frauen– Alter 70 – 74 zu 18,2%
– Alter über 74 zu 22,6%
täglich Schmerz-, Schlaf- oder Beruhigungsmittel (2002)
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Hauptproblem: Benzodiazepine
z.B.: Adumbran, Bromazanil, Dalmadorm, Diazepam, Faustan, Flunitrazepam, Lendormin, Lexotanil, Noctamid, Normoc, Oxacepam, Planum, Radenorm, Remestan, Rohypnol, Tavor, Musaril
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Illegale Drogen
Derzeit noch kein Problem, aber:
• Verändertes Konsumverhalten
• Substitution
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Sucht im Heim
• Beim Eintritt in ein Altersheim sind 19,3% der Männer und 3,8% der Frauen alkoholkrank (Krebs-Roubicek)
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Diakonisches Werk Deutschland
• Suchtprobleme bei Betreuten sind ein Problem: 72% ambulant, 80% stationär
• Konzept für Suchtprobleme: 17% ambulant, 22% stationär
• Defizite in der Versorgung:75%
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Anteil älterer Menschen (über 65) an der Bevölkerung
in Deutschland
• 2006: 32 von 100
• 2050: 60 – 64 von 100
Zum Vergleich: in der Welt
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Altersverteilung in Deutschland
www.dija.de
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Sucht im Alter nimmt zu
• Durch die demographische Entwicklung
• Durch geändertes Konsumverhalten
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Themen
1. Epidemiologie
2. Kompetenz und Selbständigkeit im Alter
3. Folgeschäden
4. Therapie und Motivation
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Ein Ziel, das jeder anstrebt, aber niemand erreichen will
o Wer möchte alt werden?
o Wer möchte alt sein?
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Lebenserwartung
Heutiges Alter 60 F 23,7 M 19,5
Heutiges Alter 80 F 8,37 M 6,91
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Kompetenz und Selbständigkeit im höheren Lebensalter
• Wahrnehmungs- und Kognitionskompetenz(z.B. Wahrnehmungsgeschwindigkeit)
• Alltagskompetenz(z.B. aktive Lebenserwartung)
• Bewältigungskompetenz(z.B. Problem- und Krisenlösungsstrategien)
• Umweltkompetenz(z.B. räumlich-dingliche Umwelt)
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Kompetenz und Selbständigkeit im höheren Lebensalter
• Wird gefördert durch eine stimulierende, komplexe Umgebung
• Vorteilhaft: Bildung, sozioökonomischer Status
• Wird behindert durch Alkoholkonsum
• Und durch ungünstige Coping-Strategien
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Klassifikation von älteren Alkoholikern
• Early-onset (Beginn ca. 25-35 Jahre)
• Late-onset (Beginn über 50 Jahre)
• Rezidiv (nach Abstinenz)
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Themen
1. Epidemiologie
2. Kompetenz und Selbständigkeit im Alter
3. Folgeschäden
4. Therapie und Motivation
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Veränderung des Alkohol-Stoffwechsels im Alter
• Resorption (verminderte Resorptionsgeschwindigkeit im GI-Trakt)
• Verteilung(relative Abnahme des Körperwassers)
• Elimination(geringere ADH-Aktivität, weniger Cytochrom-P-450)
• Sensibilität(Gehirn, Leber)
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Alkoholfolgeschäden im Alter
• Entzugssyndrom
• Leberzirrhose
• Krebs
• Psychische Störungen (v.a. Depression)
• Demenz
• Soziale Folgeschäden
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Alkoholfolgeschäden im Alter
1-Jahres-Mortalität der alkoholischen Leberzirrhose
Unter 60 Jahren Über 60 Jahren
7 % 50 %
Dunne 1994
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Themen
1. Epidemiologie
2. Kompetenz und Selbständigkeit im Alter
3. Folgeschäden
4. Therapie und Motivation
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Sucht im Alter kann erfolgreich behandelt werden
Ältere Patienten/innen der Gruppen
Late-onset und Rezidiv-Alkoholiker haben eine bessere Prognose als jüngere Alkoholiker/innen
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Maßnahmen
• Minimal Gefährdete: Wissensvermittlung und Präventionevtl. schriftlich (Fink et al. 2001)
• Riskante Konsumenten: Empfehlung oder Kurzintervention
• Missbrauch oder Abhängigkeit: Einleitung einer formalen Behandlung
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Wie kommen ältere Menschen in die Fachklinik?
• Angehörige (Kinder)
• Ärzte im Krankenhaus (v.a. Psychiatrie)
• Beratungsstellen
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Gründe zur Therapie
• Verlust der Alltagskompetenz
• Verlust von Selbstachtung und Würde
• Konkrete Gefährdungen
• Sorge der Kinder
• Verlust der sozialen Kontakte
• Körperliche Folgeschäden
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Gründe gegen die Therapie
• Schuld- und Schamgefühle
• Vorurteile gegenüber Sucht, Suchtkranken und Suchtkliniken
• Vorurteile von Ärzten und med. Personal
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Hindernisse auf dem Weg zur Abstinenz
• Einstellung der Ärzte („ein Gläschen schadet nichts“)
• Fatalismus der Umwelt („die paar Jahre kann er ja noch trinken“)
• Alkohol in der Volksmedizin
• Alkohol in Medikamenten (Geriatrika)
• Gesundheitsprobleme im Alter
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Kostenträger
• Ältere Menschen haben einen Rechtsanspruch auf Kostenübernahme gegenüber ihrer Krankenkasse.
• Die Kostenübernahme geht eher einfacher, da kein Ablehnungsbescheid der Rentenversicherung erforderlich ist.
• Die Dauer der Kostenzusagen ist sehr unterschiedlich, ggf. Verlängerungsantrag.
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Behandlung älterer Menschen in der Fachklinik
• Altershomogene Gruppen oder Integration mit Jüngeren
• Ressourcen entdecken und stärken
• Zeit strukturieren
• Lebensorientierung / Bilanz
• Auseinandersetzung mit Kriegstrauma
• Zukunftsorientierung
• Wiedereingliederung nach Hause aktiv vorbereiten
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Behandlung älterer Menschen in der Fachklinik
• Einzel- und Gruppentherapie
• Beschäftigungstherapie / Kreativtherapie
• Soziotherapie
• Bewegungstherapie / Sport
• Entspannungstraining
• Angehörigentherapie
• Information
• Medizinische Behandlung
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Altersverteilung Patienten in den Kraichtal-Kliniken
0
5
10
15
20
25
30
35
40
unter
20
20 -
29
30 -
39
40 -
49
50 -
59
60 -
69
70 -
79
über
80
Münzesheim
Kraichtalblick
%
alle Pat. 1/97-6/00, n = 1668
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Vergleich mit SEDOS
0
5
10
15
20
25
30
35
40
unter
20
20-29 30-39 40-49 50-59 ab 60
Münzesheim
SEDOS Männer
Kraichtalblick
SEDOS Frauen
%
Kliniken: alle Pat. 1/97-6/00, n = 1668
SEDOS 98: Fachklinik Alkohol, Sucht 45 S2 1999 S. 72 n=9052
40
Erfahrung mit älteren Alkoholikern
• Eher Rückfall nach Abstinenz
• Ende der Berufstätigkeit
• Fügen sich eher unauffällig in die Patientengemeinschaft ein
• Erfahrung, im Vergleich mit Jüngeren leistungsfähig zu sein
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Erfahrungen mit älteren Alkoholikerinnen
• Patientinnen in höherem Alter
• Late-onset-Alkoholikerinnen
• Belastendes Lebensereignis
• Sehr starke Schuld- und Schamgefühle
• Integration in die Patientinnengemeinschaft
• Bedürfnis, mitzuarbeiten
• Durch Auseinandersetzung mit Jüngeren werden Interessen geweckt
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Übergang nach Hause
• Der Übergang nach Hause muss bei älteren Menschen besonders gründlich vorbereitet werden.
• Der Übergang nach Hause muss praktisch und vor Ort eingeübt werden.
• Angebote für ambulante Unterstützung, Zeitstrukturierung und Beschäftigung müssen eruiert und trainiert werden.
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Sucht im Alter
• Sucht im Alter ist häufiger, als man denkt
• Das Problem wird in den nächsten Jahren erheblich zunehmen
• Sucht im Alter zerstört Lebensqualität und Lebenserwartung
• Es gibt erfolgreiche Behandlung
• Vorurteile müssen abgebaut werden