suger von saint-denis (untersuchungen zu seinen schriften ordinatio - de consecratione - de...

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III. Der heilige Dionysius als Konkurrent anderer Heiliger Die bisherigen Beobachtungen führen zu der Feststellung, dass Suger mit seinen Schriften, die die Abtei Saint-Denis betreffen, den Rang des Märtyrerbischofs Diony- sius als des Patrons für das gesamte Reich festigen will. Neben der Kennzeichnung als Märtyrer sind die Begriffe patronus und apostolus besonders hervorzuheben. Suger verwendet damit Schlüsselbegriffe, die zu der Frage Anlass geben, wie Suger sich zu anderen großen Heiligen des Reichs verhält. F. Graus 1 weist auf die früh entwickelte Tendenz zur "politischen" Bedeutung des Heiligenkults hin; die enge Verbindung zwischen Herrschern, einzelnen Heiligen und denjenigen Zentren, an denen der jeweilige Heilige bestattet war, dokumentiert E. Ewig in zahlreichen Arbeiten 2 . J. Ehlers, der an der Entwicklung der Dionysius- Legende "das stufenweise deutlicher ausformulierte Bestreben [..], St-Denis als zentra- len Ort der Monarchie erscheinen zu lassen", beobachtet, betont die lange vor Suger schon bestehende Verbindung der französischen Könige zur Abtei Saint-Denis und ih- rem Patron 3 , die sich neben der frühen Nutzung als Grablege der Könige z.B. darin zeigt, dass Chlothar II (gest.629) das Dionysiuskloster neben St-Medardus zu Soissons, St-Anianus zu Orléans und St-Martin zu Tours unter die vier praecipua loca sanctorum seines Reiches gezählt hatte 4 . Um Sugers Beitrag zur Vertiefung dieser Beziehung zu beurteilen, soll in diesem Kapitel sein Verhältnis zu anderen Stätten in den Blick ge- nommen werden, die eine besondere Bedeutung für das Reich beanspruchten. Bis zur Zeit König Dagoberts I. war Martin von Tours der vornehmste Patron mero- wingischer Herrscher gewesen 5 ; dagegen hatte die Bedeutung des hl. Medardus, der zur Zeit Chlothars I. einen bedeutenden Rang als Königsheiliger hatte und dessen Ab- tei auch mit den späten Karolingern noch in enger Verbindung stand 6 , allmählich nachgelassen. Seit der hl. Remigius König Chlodwig getauft hatte, war sein Ruhm als Frankenapostel gestiegen, und die Stadt Reims war als Krönungsort der Könige eta- bliert. Sugers Schriften haben daher auch die Aufgabe, das Profil der Abtei Saint-Denis im Blick auf die Verbindung zum König wie zum Reich, zugleich jedoch auf Tours und Reims als die Zentren der beiden anderen wichtigen Heiligen des Reichs, Martin und Remigius, zu schärfen. Das soll in diesem Kapitel gezeigt werden. 1 F. Graus, Lebendige Vergangenheit. Überlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter. Köln - Wien 1975, bes. p. 148-158 2 E. Ewig, Spätantikes und fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften (1952-1973), hg. v. H. Atsma, 2 Bde., Zürich - München 1976 u. 1979, über politische und sakrale Zentren der merowingischen Königsländer z.B. E. Ewig, Descriptio Franciae, in: Spätantikes und fränki- sches Gallien, Bd.I, p.274-322 3 J. Ehlers, Politik und Heiligenverehrung in Frankreich, in: J. Petersohn (Hg.), Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter. Vorträge und Forschungen, herausgegeben vom Kon- stanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, XLII. Sigmaringen 1994, p. 149-175 4 Ehlers, loc.cit., p.l50s. 5 Ehlers, loc. cit. p.151 6 R. Kaiser Untersuchungen zur Geschichte der Civitas und Diözese Soissons in römischer und merowingischer Zeit. Bonn 1973 (Rheinisches Archiv, Veröffentlichungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn, 89), p.249,253 Brought to you by | St. Petersburg State University Authenticated | 93.180.53.211 Download Date | 12/16/13 12:24 AM

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Page 1: Suger von Saint-Denis (Untersuchungen zu seinen Schriften Ordinatio - De consecratione - De administratione) || III. Der heilige Dionysius als Konkurrent anderer Heiliger

III. Der heilige Dionysius als Konkurrent anderer Heiliger

Die bisherigen Beobachtungen führen zu der Feststellung, dass Suger mit seinen Schriften, die die Abtei Saint-Denis betreffen, den Rang des Märtyrerbischofs Diony-sius als des Patrons für das gesamte Reich festigen wi l l . Neben der Kennzeichnung als Märtyrer sind die Begriffe patronus und apostolus besonders hervorzuheben. Suger verwendet damit Schlüsselbegriffe, die zu der Frage Anlass geben, wie Suger sich zu anderen großen Heil igen des Reichs verhält. F. Graus1 weist auf die früh entwickelte Tendenz zur "politischen" Bedeutung des Heil igenkults hin; die enge Verbindung zwischen Herrschern, einzelnen Heil igen und denjenigen Zentren, an denen der jeweilige Heilige bestattet war, dokumentiert E. Ewig in zahlreichen Arbeiten2 . J . Ehlers, der an der Entwicklung der Dionysius-Legende "das stufenweise deutlicher ausformulierte Bestreben [..], St-Denis als zentra-len Ort der Monarchie erscheinen zu lassen", beobachtet, betont die lange vor Suger schon bestehende Verbindung der französischen Könige zur Abtei Saint-Denis und ih-rem Patron3 , die sich neben der frühen Nutzung als Grablege der Könige z.B. darin zeigt, dass Chlothar II (gest.629) das Dionysiuskloster neben St-Medardus zu Soissons, St-Anianus zu Orléans und St-Martin zu Tours unter die vier praecipua loca sanctorum seines Reiches gezählt hatte4. U m Sugers Beitrag zur Vertiefung dieser Beziehung zu beurteilen, soll in diesem Kapitel sein Verhältnis zu anderen Stätten in den Blick ge-nommen werden, die eine besondere Bedeutung für das Reich beanspruchten. Bis zur Zeit König Dagoberts I. war Martin von Tours der vornehmste Patron mero-wingischer Herrscher gewesen5; dagegen hatte die Bedeutung des hl. Medardus, der zur Zeit Chlothars I. einen bedeutenden Rang als Königsheiliger hatte und dessen Ab-tei auch mit den späten Karolingern noch in enger Verbindung stand6, al lmählich nachgelassen. Seit der hl. Remigius König Chlodwig getauft hatte, war sein Ruhm als Frankenapostel gestiegen, und die Stadt Reims war als Krönungsort der Könige eta-bliert. Sugers Schriften haben daher auch die Aufgabe, das Profil der Abtei Saint-Denis im Blick auf die Verbindung zum König wie zum Reich, zugleich jedoch auf Tours und Reims als die Zentren der beiden anderen wichtigen Heiligen des Reichs, Mart in und Remigius, zu schärfen. Das soll in diesem Kapitel gezeigt werden.

1 F. Graus, Lebendige Vergangenheit. Überlieferung im Mittelalter und in den Vorstellungen vom Mittelalter. Köln - Wien 1975, bes. p. 148-158 2 E. Ewig, Spätantikes und fränkisches Gallien. Gesammelte Schriften (1952-1973), hg. v. H. Atsma, 2 Bde., Zürich - München 1976 u. 1979, über politische und sakrale Zentren der merowingischen Königsländer z.B. E. Ewig, Descriptio Franciae, in: Spätantikes und fränki-sches Gallien, Bd.I, p.274-322 3 J. Ehlers, Politik und Heiligenverehrung in Frankreich, in: J. Petersohn (Hg.), Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter. Vorträge und Forschungen, herausgegeben vom Kon-stanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, XLII. Sigmaringen 1994, p. 149-175 4 Ehlers, loc.cit., p.l50s. 5 Ehlers, loc. cit. p.151 6 R. Kaiser Untersuchungen zur Geschichte der Civitas und Diözese Soissons in römischer und merowingischer Zeit. Bonn 1973 (Rheinisches Archiv, Veröffentlichungen des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität Bonn, 89), p.249,253

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80 III. Der heilige Dionysius als Konkurrent anderer Heiliger

Betrachtet man Sugers Schriften unter dieser Perspektive, ist auch ein Vergleich mit den Werken Ademars von Chabannes aufschlussreich, dessen umstrittenes Bemühen um die "Verbindung eines herausragenden Heiligen mit der herrschaftlichen Zentrale"7 Sugers Ausführungen gut hundert Jahre vorausgeht und ein zu seiner Zeit durchaus übliches Verfahren zur Promotion eines Ortsheiligen darstellt. Uberein-stimmungen und signifikante Unterschiede sollen hier besprochen werden.

1. Martin, der Patron des Frankenreichs - Saint-Denis und Tours

Mit der Wahl des Begriffs patronus unterstreicht Suger die Bedeutung, die der heilige Dionysius für das Reich hat8. Im Jahre 1124 hatte sich König Ludwig VI. vor seinem Zug gegen Kaiser Heinrich V. nach Saint-Denis zu seinem specialis patronus und singu-laris post deum regni protector begeben, dort das Banner des Vexin aufgenommen und ein gewaltiges Heer versammeln können; dadurch wurde Kaiser Heinrich zum Ab-bruch seines Feldzuges veranlasst. Spätestens seit diesem Ereignis war der Heilige ein Garant für den Schutz und die Einheit des Reiches9.

Diese Aufgaben verbanden sich ebenso wie der Titel patronus im Merowingerreich mit dem Namen des heiligen Martin10, dessen Mantel {cappa) als Reichsreliquie hoch verehrt wurde und dessen Grab in Tours das Ziel vieler Pilger war. Auch Suger ver-ehrte den Heiligen und pilgerte kurz vor seinem Tod nach Tours11; die Frage, wie-weit die dortige Martinskirche Sugers architektonische Vorstellungen beeinflusste, soll hier nicht behandelt werden, doch werden wir sehen, dass in der Verwendung des Schlüsselbegriffs patronus ein bedeutungsvoller Bezug auf den großen fränkischen Reichsheiligen vorliegt, zu dessen Kult sich Saint-Denis in respektvoller Konkurrenz befand12.

Martin war, um 336 als Sohn eines römischen Militärtribunen in Pannonien geboren, zunächst Soldat, empfing mit 18 Jahren die Taufe und verließ zwei Jahre später den Militärdienst, um sich zu Hilarius von Poitiers zu begeben und ein asketisches Leben

7 Ehlers, loc.cit., p.162 8 Die Kennzeichnung Martins als specialis /peculiaris patronus weist u.a. O. Guilot, Les saints des peuples et des nations dans l'occident des VIe-Xe s. Un aperçu d'ensemble illustré par les cas des Francs en Gaule. In: Santi e demoni nell'alto medioevo occidentale (secoli V-XI), 7-13 aprile 1988 (Settimane di studio del Centro Italiano di studi sull'alto medioevo, XXXI,1), Spo-leto 1989, p.205-251, nach. 9 s. hierzu mit zahlreichen Literaturangaben G. Annas, Abt Suger von Saint-Denis. Eine hi-storisch-biographische Skizze, in: Speer/Binding (2000), hier p.97ss.; kritisch zu Identifizie-rung des Vexin-Banners mit der Oriflamme: O.Bouzy, Les armes symboles d'un pouvoir poli-tique: L'épée du sacre, la sainte lance, l'Oriflamme, aux Ville - Xlle siècles, in: Francia 22/1 (1995) p.45-57 10 E. Ewig, Der Martinskult im Frühmittelalter, in: E. Ewig; Spätantikes und fränkisches Gal-lien. Gesammelte Schriften (1952-1973),hg.v. H. Atsma, München 1979 (Beihefte der Fran-cia,3/2) p.371-392; bes. p.376ss; D. von der Nahmer, Art. Martin von Tours, LexMA VI, (1993) 344-345 11 L. Grant, Abbot Suger of Saint-Denis. Church and State in Early Twelfth-Century France, London - New York 1998, p.260 12 Ewig, op. cit.,p.379

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1. Martin, der Patron des Frankenreiches 81

zu führen. Nach seiner Rückkehr zu seinen Eltern wurde er von den Arianern aus seiner Heimatstadt Sabaria vertrieben und lebte eremitisch an verschiedenen Orten, ehe er zu Hilarius nach Poitiers zurückkehren konnte. 371 wurde Martin Bischof von Tours, behielt jedoch das asketische Leben bei, zunächst in einer Zelle an der Kathe-drale, später in einer von ihm gegründeten Kolonie (Marmoutiers) an der Loire in der Nähe von Tours. Viele Wunder und missionarische Erfolge machten ihn schon zu Lebzeiten weit bekannt. Paulinus von Nola und Sulpicius Severus schätzten ihn hoch; Sulpicius Severus, der die erste Vita des Heiligen13 verfasste, ließ an seinem Sitz Primu-liacum eine Taufkapelle mit Bildern aus dem Leben des Heiligen ausgestalten, zu de-nen Paulinus von Nola die tituli beitrug14. Uber die Lage und Anlage dieser villa mit Namen Primuliacum ist nur wenig bekannt15; F. Prinz bezeichnet die Stätte als das "bedeutendste Zentrum der Schüler Martins - neben seinen Klostergründungen Ligugé und Marmoutiers" und ist über-zeugt, "daß hier, im südwestlichen Gallien, das geistige Zentrum war, von dem aus die Propagierung von Martins Kult einsetzte"16. In einem Brief stellte Paulinus von Nola seinem Freund Sulpicius Severus eine Reihe von tituli zur Ausstattung der Taufkapelle vor. Diesen Brief des Paulinus, der ihm in einem Codex der Klosterbibliothek zugäng-lich war17, hat Suger mit hoher Wahrscheinlichkeit gekannt. Die Parallelen stellen da-bei kein Zeugnis für einen ausdrücklichen Bezug auf die Person des hl. Martin dar, sondern bestehen in Vorstellungen und Formulierungen, die Suger einem respektvoll rezipierten Text entnimmt, um sie in eigene Zusammenhänge zu integrieren. Paulinus hatte die Verse ursprünglich für die von ihm erweiterte Basilika des hl. Felix in Nola gedichtet; die vergleichbare Situation motiviert Suger offenbar zur Übernahme einiger Wendungen aus Texten18, die ihm aus der Bibliothek seiner eigenen Abtei wie aus dem Kontext der Martinsverehrung bekannt waren. So scheint das Distichon, mit dem Paulinus die geglückte Verbindung zweier Kirchenräume und das "neue Licht" be

13 Sulpicius Severus, Vita sancii Martini, ed., trad., comm. J.Fontaine (Sulpice Sevère, Vie de saint Martin), Paris 1967 (SC 133) 14 von der Nahmer, op.cit. 15 verschiedene Lokalisierungsvorschläge bespricht J. Leclercq, Art.Primuliac, Dictionnaire d'Archéologie Chrétienne et de Liturgie 14, Paris 1948, col. 1781-1798; über die Taufkapelle spricht Paulinus von Nola in Brief 32 (CSEL 29); dort finden sich auch die tituli. 16 F. Prinz, Frühes Mönchtum im Frankenreich, München - Wien 1965, p.24 17 London, B.L.,Harley 4831; zur Provenienz aus Saint-Denis cf. Nebbiai-dalia Guarda, p.83-85 18 vgl. den Nachweis bei Linscheid-Burdich, Beobachtungen, in: Speer/Binding (2000), p. 115,127,143; ferner Paul.Nol., ep.32,6 (p.281.6) ut dum casta pio referuntur muñera Christi -adm 200,902 spiritibus quorum referuntur vota piorum-, Paul.Nol., ep.32,6 (p.281.26) haecpecca-torum bonus accipe vota rogantum - adm 175,785 suscipe vota tui, iudex districte, Sugeri; Paul.Nol., ep.32,8 (p.283,24) apostolis et martyribus, quorum venerandus cinis si [..] subiciatur altaribus - cons 88,548 ut sacratissimos ciñeres veneremur, adm 200,900 sanctorum ciñeres ubi ce-licus excubat ordo (bezogen auf den Altar, wo die Heiligen beigesetzt sind); Paul.Nol. ep.32,8 (p.284,1) pignora sanctorum divinae gloria mensae velat.. - cons 95,578 super antiquum altare pi-gnoribus sanctorum repositis.

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82 III. Der heilige Dionysius als Konkurrent anderer Heil iger

schreibt", reflektiert zu sein in Sugers zweiter Weiheinschrift20 , und ein Nachhall der Verse über die Zusammengehörigkeit von Altem und Neuem Testament21 ist in einem der tituli Sugers für die Fenstermedaillons zu entdecken22. Die Wahl des elegischen Di-stichons unterstreicht die formale Orientierung an einem frühen Zeugnis der Martins-verehrung. Ob Suger damit rechnete, dass die Verse in ihrer Eigenschaft als als vorge-schlagene Inschriften für Primuliacum identifiziert wurden, ist hier nicht zu entschei-den; es kommt nur darauf an, dass er selbst sich an Texten orientiert, die aus dem Umkre i s der frühen Martinsverehrung stammen. Die Verehrung Martins setzte sogleich nach seinem Tod (397) ein und nahm durch Wunder an seinem Grab noch zu. Sulpicius Severus beschreibt in einem Brief die gro-ße Antei lnahme der Menschen bei Martins Begräbnis23. Eine spät bezeugte Uberliefe-rung berichtet über eine zunächst provisorische Bestattung an einer Stelle, an der eine kleine Kapelle entstand24; im fünften Jahrhundert errichtete Bischof Brictius von Tours über den Gebeinen des Heiligen eine kleine Basilika25, wo auch er selbst und sein Nachfolger Eustachius bestattet wurden. Einen entscheidenden Aufschwung nahm die Verehrung des Heiligen mit dem Epis-kopat des Perpetuus von Tours (458-488), der in der Effizienz, mit der er den Kult seines Heil igen förderte, wahrscheinlich ein Vorbild für Suger war. Perpetuus trug Mart in in den Festkalender des Bistums ein26, und er baute eine neue Basilika mit Mar-tinspatrozinium. Er beauftragte Paulinus von Périgueux mit einer metrischen Vita sancii Martini27. Diese Vita umfasst sechs Bücher; die drei ersten bieten eine Verspara-phrase der Vita des Sulpicius Severus, Buch drei bis fünf orientieren sich an Sulpicius' Martinsdialogen, und das sechste Buch ist gestaltet nach einer von Perpetuus erstellten Sammlung von Wundern am Grab des Heiligen. Unter diesen Mirakeln findet sich ei-nes, das die Beschaffung von Säulen schildert28; seine nicht leicht verständliche Sprache

19 Paulinus Nolanus, ep. 32,15,Ss.:Adtonitis nova lux oculis aperitur, et uno /Limine consistent geminas simul adspicit aulas. 20 adm 180,818ss Pars nova posterior dum iungitur anteriori, / aula micat medio clarificata suo. / Claret enim claris quod clare concopulatur, / et quodperfundit lux nova, claret opus [..] 21 Paulinus Nolanus, ep.32,5: Aula duplex tectis ut ecclesia testamentis,/ una sed ambobus gratta fontis adest./Lex antiqua novam firmai, veterem nova complet; / in veteri spes est, in novitate fi-des./ Sed vetus atque novum coniungit gratia Christi [..] - Die Verbindung der Bauteile spiegelt die Zusammengehörigkeit der beiden Testamente; damit bezeichnet Paulinus von Nola in spi-ritueller Überhöhung die Kohärenz, die Suger in seinen Äußerungen über den Bau immer wieder beschwört, cf. cons 20,136ss., adm 183,837 22 adm 273,1206s.: Lege data Moysi iuvat illam gratia Christi./ gratia vivificat, littera mortificat. 23 Sulpicius Severus, ep. 3,18s,20,21 (SC 133, p.342ss) 24 cf. C.Lelong, La basilique Saint-Martin de Tours. Chambray 1986, p.13 25 Gregor von Tours, Historia Francorum X,31 (R.. Buchner: Gregor von Tours. Zehn Bü-cher Geschichten. Bd.2 Darmstadt 1977 [ = Freiherr vom Stein-Gedächtnisausgabe 2/2] p.402); E. Ewig Der Martinskult im Friihmittelalter (wie Anm.3), p.371s., nimmt an, diese Kirche sei "anscheinend noch nicht Martin, sondern den Apostelfürsten Petrus und Paulus geweiht [ge-wesen], unter deren Schutz Martin selbst einst die Klosterkirche von Marmoutier und auch wohl einige seiner Landkirchen gestellt hatte". 26 Festtag am 11 .November, dem Tag der Bestattung 27 Paulini Petricordiae Carmina (CSEL 16, Poetae Christiani minores, pars 1) 28 Lib.VI 265ss (CSEL 16,p. 149s.)

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1. Martin, der Patron des Frankenreiches 83

hat bereits bei Gregor von Tours zu einem Missverständnis geführt29 und dürfte auch

Suger von einem wörtlichen Zitat abgeschreckt haben, während das Säulenmotiv

selbst ein Detail darstellt, das ebenso wie Sugers Säulenmirakel in De consecratione ge-

eignet ist, den von Gott und seinem Heiligen selbst begünstigten Rang der Ausstat-

tung hervorzuheben30.

Ferner stattete Bischof Perpetuus die neu erbaute Martinsbasilika mit Inschriften in

Prosa wie in metrischer Form aus31, die in zahlreichen Handschriften weite Verbrei-

tung fanden. Sie bilden gemeinsam mit einigen Inschriften für die Zelle in Marmou-

tiers die Sylloge epigraphica Turonensis de sancto Martino. F. J. Gilardi legte 1983 eine

Neuedition mit ausführlichem Kommentar vor32. Darin weist er die Theorie der

"multiplen Autorenschaft" zurück und trägt die Ansicht vor, die Versinschriften seien

- mit Ausnahme einer einzigen, von Sidonius Apollinaris verfaßten - sämtlich Werke

des Paulinus von Périgueux, während die Prosainschriften sowie die Anlage der

Sammlung auf Bischof Perpetuus selbst zurückgingen. Ahnlich wie Pietri kommt auch

Gilardi zu dem Befund, dass Bischof Perpetuus damit eine Ar t Pilgerführer habe anle-

gen wollen33; mit Hilfe der Inschriften werde der Besucher beim Durchschreiten der

Kirche geleitet; er gelange so "von irdischen Realitäten zu himmlischen Gewisshei-

ten."34

Α . Speer hat in seinem einleitenden Essay zur Edition "die Anordnung der Einrich-

tungsggenstände, der ornamenta und thesauri sowie der Verse und tituli, als ein Ver-

25 Gregor von Tours, De virtutibus sancii Martini 1,2 (MGH SS rer.Mer.I,587s.) 30 Suger, cons 23,160-31,190; vergleichbar ist auch die große Beteiligung zahlreicher Helfer. Der hohe Aufwand, der zur Beschaffung von Säulen erforderlich war, wird in vielen mittelal-terlichen Bauberichten erkennbar, s. Binding/Linscheid-Burdich; Kap.VII.3, p.245-259; die auftretenden Schwierigkeiten sind für die Autoren dieser Berichte häufig ein Anlaß, das Wir-ken eines Heiligen zu preisen. Darauf werden wir in einem eigenen Kapitel zurückkommen. 31 L. Pietri, Les Tituli de la basilique Saint-Martin édifié à Tours par l'évêque Perpetuus (3e quart du Ve siècle), in: Mélanges d'histoire ancienne offerts à Will iam Seston (Publications de la Sorbonne, Série "Études",tome 9), Paris 1974, p.419-431; zur handschriftlichen Uberliefe-rung s. F. J . Gilardi (1983) p. 149-170 32 F.J.Gilardi, The Sylloge epigraphica de S.Martino. Diss.Washington, D.C. 1983 33 Die Inschriften sind in den Handschriften mit Uberschriften zu ihrer Lokalisierung verse-hen, die Gilardi mit l a bis 21a kennzeichnet; nur Nr.7 hat keinen derartigen Zusatz. In unse-rem Zusammenhang sind nur diejenigen Uberschriften von Interesse, die sich auf die Mar-tinsbasilika beziehen: 5a Incipiunt versus basilicae. Item primi in turre a parte orientisi 6a Item a parte alia; 8a Item in introitu a parte occidentis super ostium histórica pietà viduae; 9a Item super ostium a parte Ltgens; 10a Item; 1 l a Item; 12a Item super arcum absidae in altare; 13a Item circa tumulum ab uno latere; 14a Item in alio latere·, 15a Item desuper; 16a Item in absida; 17a Item; 18a Item in memoria sanctorum martyrum; 19a Item versus ibi; 20a Extra ingressus ad fontes; 21a Item solemnitates ipsius basilicae. 34 Pietri, loc.cit.,p.428: „Chacune d'elle illustre une étape sur le chemin que suivaient les pieux visiteurs depuis l'entrée de la basilique jusqu'à l'abside, le lieu le plus sacré de l'édifice où repo-sait le corps de Martin, constituant comme le remarquait une sorte de guide du pèlerin. Mais un guide, il faut l'ajouter, destiné aussi à faire progresser d'étape en étape le visiteur suivant un itinéraire spirituel scendant qui doit le mener, sous la conduite de Martin, des réalités terre-stres aux certitudes célestes"; cf. Gilardi, op.cit., p.40-53

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weissystem" bezeichnet, "mit dessen Hilfe Suger den Leser durch seine Kirche leitet"35. Vergleicht man speziell die Abfolge der in De administratione mitgeteilten Inschriften mit dem durch die metrischen Inschriften der Sylloge vorgegebenen Weg, ergeben sich einige Ubereinstimmungen: der Gang durch die Kirche beginnt mit der Weihein-schrift, gefolgt von den Versen für das Portal, es folgen die Verse auf der Tafel vor dem Heiligengrab, auf den Schreinen und auf dem Hauptaltar; in ähnlicher Weise schreitet der Leser der Sylloge allmählich über die verschiedenen Eingänge in die Kir-che hinein und bis zur Apsis, zur memoria sanctorum martyrum . Auch inhaltlich be-stehen Ähnlichkeiten zwischen Sugers Inschriften und denen der Sylloge: Martinus gewährt Einlass ins Heiligtum, Dionysius öffnet die Paradiespforten36; die Kirche stellt eine sichere Zuflucht dar37; die Inschrift Nr. 11 über dem Portal an der Loire-Seite könnte in Sugers Türversen rezipiert sein38. Eine der Inschriften hatte Sidonius Apollinaris im Auftrag des Bischofs Perpetuus ge-dichtet, wie er in einem Brief mitteilt39; sie enthält einige Motive, die auch Suger ver-wendet; so wird die Motivation für den Neubau auf das Missverhältnis zwischen dem kleinen, unbedeutenden Vorgängerbau und der Erhabenheit des Heiligen zurückge-führt40, die Kirche wird in vergleichende Beziehung zu Salomos Tempelbau gesetzt41. In seiner entschiedenen und erfolgreichen Förderung des Martinskultes, in seiner Lei-stung als Bauherr der neuen Basilika und in der Anlage der Inschriftensammlung hat

35 A.Speer, Abt Sugers Schriften zur fränkischen Königsabtei Saint-Denis, in: Speer/Binding(2000), p.60 36 Sylloge 5.4 Martinus reserat quas venerare fores • adm 197,881 magne Dionysi, portas apen pa-radisi 37 Sylloge 5.5 haec tuta est turris trepidis, obiecta superbis - adm 200,906s. hic locus egregium veni-entibus extat asilum,/hic fuga tuta reis, subiacet ultor eis 38 Sylloge 11.1 Quisque solo adclinis mersisti in pulvere vultum / Humidaque illisae pressisti lu-mina terrae, /Attollens oculos trepido miracula visu / Concipe et eximio causam committepatro-no; 11.9 Martini si quaeris opem, trans astra resurgens, / Tange polum, angelicum scrutatus in aethere coetum,-vg\. adm 174,775ss Portarum quisquís attollere queris honorem ; adm 174,782 Et demersa prius hac visa luce resurgit,·, neben den Ubereinstimmungen im Wortmaterial ist der gemeinsame Bezug auf ein Portal hervorzuheben, ferner die Blickrichtung auf das ewige Leben, die in der Sylloge durch die Wendungen trans astra resurgens und angelicus coetus, bei Suger durch die Zielangabe ad verum lumen, ubi Christus ianua vera vermittelt wird. 39 Sidonius Apollinaris, ep.IV,18.4, MGH AA VII,p.69: basilicam sanctipontificis confessorisque Martini Perpetuus episcopus, dignissimus tanto praedecessore successor, multum priore quae fuit hactenus capaciorem novavit.[..~\ huius meparietibus inscribere supradictus sacerdos hoc epigramma compellit [..] 40 Sylloge, Nr.l6,3ss [Martini corpus] texerat hic primum plebeio machina cultu,/ quae confessori non erat aequa suo,/nec desistebat cives onerare pudore / gloria magna viri, gratia parva loci·, cf. cons 15, 108ss; 46, 272ss 41 Sylloge, Nr. 16.13 Quae Salomoniaco potis est confligere tempio, / Séptima qua mundo fabrica mira fuit; cf. cons 18, 133s non plus Salomonianas opes templo quam nostras buie operi sufficere posse; Gold und Edelsteine schließlich nennt Suger auch in den Inschriften für die kostbaren Altargeräte, adm 282,1250 Dum libare Deo gemmis debemus et auro; adm 285,1262 includi gemmis lapis iste meretur et auro, cf. Sylloge, Nr. 16,15 nam gemmis, auro, argento si splenduit il-lud

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1. Martin, der Patron des Frankenreiches 85

Bischof Perpetuus Maßstäbe gesetzt, an denen sich Suger orientiert, wenn er die Ver-ehrung des hl. Dionysius fördert. Gregor von Tours trug mit seinem bedeutenden Geschichtswerk erheblich zur weite-ren Intensivierung des Martinskultes bei. M. Heinzelmann verfolgt Gregors Stilisie-rung des ersten katholischen Frankenkönigs Chlodwig, die ihren spirituellen Höhe-punkt in der Auseinandersetzung mit dem arianischen Westgotenreich findet: Chlodwigs Sieg in der Schlacht bei Vouillé im Jahre 507 habe die "sakrale Allianz" zwischen dem König und seinem Heiligen besiegelt42. Der Zusammenhang zwischen einem wichtigen militärischen Erfolg und der anerkannten Schutzfunktion des Heili-gen wiederholt sich, wie erwähnt, 1124 in Saint-Denis. In der zweiten Hälfte des sechsten Jahrhunderts hatte Venantius Fortunatus eine vier Bücher umfassende metrische Vita sancii Martini verfasst43, deren Inhalt im Wesentli-chen auf Sulpicius Severus und Paulinus von Perigueux zurückgeht; einige sprachliche und motivische Parallelen machen es wahrscheinlich, dass Suger sie kannte; so klingt die Wendung mente hebes, die Venantius Fortunatus mehrfach verwendet, in Sugers Inschrift für die goldene Tür nach44. Sugers Schilderung des Wunders an der Stummen45 erinnert an eine ganz ähnliche Perikope aus dem vierten Buch der Mar-tinsvita: in beiden Berichten geht es um ein von Geburt an stummes Mädchen von 12 Jahren, das plötzlich geheilt wird und, als es angesprochen wird, in bisher ungeübter Weise antwortet46. Auch Formulierungen einiger Epigramme des Venantius Fortuna

42 M. Heinzelmann: Gregor von Tours. Die ideologische Grundlegung fränkischer Grund-herrschaft. In: Die Franken. Wegbereiter Europas. Mainz 1996 Bd. 1 (p.381-388) p.386 45 Vita sancii Martini. Venantius Fortunatus, Opera poetica. MGH AA IV, 1 44 Vita s.Martini 1,26 ast ego sensus inops, Italae quoque portio linguae,/faece gravis, sermone le-vis, ratione pigrescens, mente hebes, arte carens, usu rudis, ore nec expers - so charakterisiert sich Venantius Fortunatus im Bescheidenheitsopos als ungeeigneten Autor des Heiligenlobs; die hier gewählten Formulierungen vermitteln eben jenes Bild geistiger und spiritueller Trägheit, zu deren Uberwindung Sugers Türinschrift einladen will: adm 174,782 mens bebes ad verum per materialia surgit / et demersa prius bac visa luce resurgit - das Partizip demersa verdeutlicht den Zustand der schuldbeladenen Seele und reflektiert die Vorstellung der Schwere, die Ven-antius Fortunatus mit der Wendung faece gravis vermittelt; cf. Vita s.Martini 1,492 mente he-bes, ore putris, lacerus pede, voce refractus: hier geht es um den Leprakranken, den Martin vor den Toren von Paris heilt - der Erfolg der Heilung wird wenige Verse später beschrieben mit den Worten: mersa figura redit-, die Wiederherstellung des heilen Zustandes wird - wie später in Sugers Türversen - im Bild des Auftauchens erfaßt. Ausführlich zu Sugers Versen für die Tür s. oben 1.2. Weitere Parallelen: Vita s. Martini 1,57s. chlamydis partitur amictum / et fer-vente fide membris algentibus offert - adm 248,1107 quibus ille fidei fervore excitus responsum reddidi; Vita s. Martini 1,307 praesidiis, Martine, tuis delabimur astris - adm 197,882 Suggeri-umque piis protege praesidiis 45adm 118,533-123,552 46 Vita s. Martini 4,28ss Carnutis interea genitam pater anxius aegram / ex utero mutam proferí sacro ore medendam,/sex geminos graviter hebetem sine voce per annos; v.37ss: \Martinus\ atque tenens digito linguam miserando puellae / ipse patris nomen geniale requirit alumnam. / mox re-soluta movet faucis lyra tinnile plectrum / atque insueta canit camerati concha palati /[..]/ re-sponditque patris nomen pia filia dulce. - adm 118,536 cum quadam puella iam duodenne que numquam fuerat locuta illuc devenit; 120,543s [gloriosa regina = virgo Maria] que cum earn no-mine proprio [..] pie satis advocasset [..] lingua inusitata 'Domina' respondit. Wir werden zwar

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86 III. Der heilige Dionysius als Konkurrent anderer Heiliger

tus klingen in Sugers Versinschriften an 47, diese Tatsache verleiht den bisher beobach-teten Ubereinstimmungen zusätzliches Gewicht. Bis zu Dagobert I. war Martin der Hauptpatron der Merowinger48. In den 30er Jahren des siebten Jahrhunderts ließ König Dagobert I. die Gräber Martins und Brictius' mit Goldschmiedearbeiten ausschmücken; mit der Ausführung beauftragte er den Hof-goldschmied Eligius49. Suger legt Wert auf die Feststellung, dass sich auch unter den ornamenta ecclesiae zu Saint-Denis Werke des heiligen Goldschmieds und Bischofs Eli-gius befinden50, deren Kostbarkeit durch den bekannten Urheber gesteigert wird. Zu-gleich dokumentiert er damit die weit zurück reichende Tradition der Kostbarkeiten. E. Ewig beschreibt das Einsetzen einer neuen "Hochflut des Martinskults" unter den Karolingern, während zugleich die Abtei Saint-Denis als Grablege Karl Martells und Pippins sowie als Empfängerin von Urkunden wie von Schenkungen an Bedeutung gewann". C. Brühl beobachtet anhand der urkundlichen Uberlieferung die Häufigkeit der Herrscherbesuche in der Abtei Saint-Martin zur Karolingerzeit und bemerkt, dass besonders Karl der Kahle wiederholt in Tours war: neben Saint-Denis habe er Saint-Martin am häufigsten aufgesucht52. Die beiden Abteien standen also früh in einem Konkurrenzverhältnis.

Seit Karl der Große seinen gelehrten Ratgeber Alkuin als Abt von Saint-Martin einge-setzt hatte (796-804), war die Abtei mit ihrem Skriptorium zu einem der großen Zen-tren der Karolingischen Renaissance geworden53. Hier entstanden auch zwei berühm-te Bibelhandschriften, die Grandval-Bibel und die Vivian-Bibel54, deren Illustrationen zur Apokalypse als Vorlage für eine Szene in Sugers "anagogischem Fenster" disku-

einer vergleichbaren Heilung in der Vita sancii Odilonis des Mönchs Iotsald von Cluny be-gegnen (Kap.V.3), doch stimmt mit der Heilungsgeschichte in der Martinsvita das Alter des Mädchens und der Hinweis auf ihre seit der Geburt bestehende Sprachlosigkeit überein. 47 s. den Nachweis bei Linscheid-Burdich, Beobachtungen; ferner Ven. Fort, carmi,4,5s. extu-lit hanc Faustus devoto corde sacerdos,/reddidit et domino prospera dona suo - adm 173,771 deque tuo tibi participans, martyr Dionysi; carm.ò,7.3s. caelorum portae, lati duo lumina mundi,/ ore tonat Paulus, fulgorai arce Petrus - adm 174,777s. clarificet mentes, ut eantper lumina vera / ad verum lumen..; 48 Erst unter Dagobert I. erhielt er "einen meteorhaft aufsteigenden Rivalen: den Pariser Mär-tyrer Dionysius." (E. Ewig, loc.cit. p.379) 49 Vita Eligii 1.32 (MGH SS rer.Mer. IV,688): Hic idem vir beatus [..] multa sanctorum auro ar-gentoque et gemmis fabricavit sepulcra [..] sedpraecipue beati Martini Turonus civitate, Dagoberte rege impensas prebente, miro opificio ex auro et gemmis contexuit sepulcrum necnon et tumbam S.Briccionis et aliam ubi corpus beati Martini dudum iacuerat urbane composuit; cf. E.Ewig; Der Martinskult im Frühmittelalter, p.379; cf. C.Lelong, op.cit. p.25 50 adm 222, 1008 illam ammirabilem sancti Eligii cum minoribus crucem-, adm 278,1230ss. Quod videlicet vas tarn pro preciosi lapidis qualitate quam integra sui quantitate mirificum inclusorio sancti Eligii opere constat ornatum, quod omnium aurificum iudicio preciosissimum estimatur. 51 E: Ewig, wie vor. 52 C. Brühl, Palatium und Civitas. Studien zur Profantopographie spätantiker Civitates vom 3.bis zum 13.Jahrhundert, Bd. I: Gallien. Köln - Wien 1975 p.lOls. 53 B. Chevalier, Art. Tours, LexMA VIII (1997), 922-925 54 cf. W.Koehler, die karolingischen Miniaturen 1,2, Berlin 1933, p.109-212; F. Mütherich/J. Gaehde, Karolingische Buchmalerei, München 1976, p. 14; 73ss., 114ss

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1. Martin, der Patron des Frankenreiches 87

tiert worden sind55: beide Handschriften enthalten die ungewöhnliche Darstellung ei-nes Lammes und eines Löwen beim gemeinsamen Entsiegeln des Buches, wie sie auch auf dem Fenster in Saint-Denis erscheint und von Suger mit einem deutenden titulus verbunden wird56. Möglicherweise hat Suger das Motiv bei einem Besuch in Tours kennengelernt. Hildebert von Lavardin, seit 1125 bis zu seinem Tode 1132 Erzbischof von Tours, hinterließ verschiedene Werke geistlichen Inhalts in metrischer Form, die Suger in seinen Versinschriften zitiert57. Es ist nicht auszuschließen, daß Hildeberts Rang als hoher kirchlicher Würdenträger in Tours zu Sugers Kenntnis seiner Werke beigetra-gen hat. Die Kirche, die die Gebeine des hl. Martin barg, zog viele Pilger an. Seit dem 9.Jahrhundert hatte die Stadt Tours mehrfach unter Angriffen der Normannen zu lei-den; zwar konnte die Martinsreliquie jeweils in Sicherheit gebracht werden, doch wurde die Kirche mehrfach beschädigt und 903 zerstört. Erst nach umfangreichen Be-festigungsarbeiten konnten die Gebeine des Heiligen 919 in die wiederhergestellte Kirche überführt werden. Der hohe Rang ihrer Ausstattung ist dem Sermo IV - De combustione basilicae beati Martini - Odos von Cluny (gest.942) zu entnehmen5 8 ; ver-schiedenfarbiger Marmor, Mosaikarbeiten und eine metallene Dachdeckung bezeugen einen hohen Standard59. Hier wird auch der große Andrang der Pilger beschrieben, den selbst die bereits großzügige Anlage kaum fassen kann 60. Nach einem großen Brand 994 oder 997 entschloss sich der Thesaurar Herveus zu einem Neubau, der je-doch Ende des 11. Jahrhunderts wieder einem Brand zum Opfer fiel. U m 1139 zieht der Pilgerführer von Santiago de Compostela einen Vergleich zwischen Saint-Martin

55 Grandval-Bibel, London,British Museum, Add.10546; Vivian-Bibel, Paris, B.N.lat.l; cf. Κ. Hoffmann, Sugers "Anagogisches Fenster" in St.Denis, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch 30 (1968) (p55-88)p. 71; C. Davis-Weyer, "aperit quod ipse signaverat testamentum". Lamm und Löwe im Apokalypsebild der Grandval-Bibel, in: K. Bierbrauer (ed.), Studien zur mittelalter-lichen Kunst: 800-1250. Fs. f. F.Mütherich zum 70. Geburtstag, München 1985, p.67-74 56 adm 268,1189ss: Item in eadem, ubi solvunt librum leo et agnus: Qui Deus est magnus, librum leo solvit et agnus /. Agnus sive leo, fit caro iuncta Deo. Zum Fenstermedaillon cf. Grodecki, Études I (1976), panneau c3, p. 197; ferner Grodecki, Études III (1995), p.68ss.; zur Deutung des Distichons cf. Linscheid-Burdich, Beobachtungen, p,139s. 57 Nachweise bei Linscheid-Burdich, Beobachtungen, p.l30ss 58 Odo von Cluny, Sermo IV. De combustione basilicae beati Martini, PL 133,729-747, bes. 730-733 59 PL 133,731 A: Multo enim decentius nunc, quam ante illam combustionem fuerit, compta reni-tebat, longe tarnen inferius quam priscis temporibus, quia nunc [tunc] et crustulis marmoreis intus obducta erat. Nam interdum Protonisso marmore paries rubicundus, nunc Pario Candidus, nunc quoque prasino viridis et satis pulchmm schema praeferebat, et /oris aureolis sapphirinis, atque mu-sivis fulgebat lapillis. Sed et tectum stanneis tabulis erat opertum. 60 PL 733 A In arcuatis vero porticibus voluerunt eam prisci constructores architectan; quoniam domus ilia, quamvis latissima sit, turbis tarnen sese imprimentibus tantum solet esse angusta, ut antipodia chori et angi posticulas quamvis nolentes subruant. Quam devotam violentiam, credo, gratam habet domnus ipse Martinus, ad exemplum videlicet Domini sui, quem turbae comprime-bant. Nunc tarnen et histriatis parietibus, et vitreis sapphiro subomatis, quin et bracteolis aureis de-cusata non parum intuentes oblectabat.

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88 III. Der heilige Dionysius als Konkurrent anderer Heiliger

und Santiago, aus dem wiederum der neuerlich erlangte hohe Rang der Ausstattung zu ersehen ist61. Tours als das Zentrum der Martinsverehrung stellte eine in mehrfacher Hinsicht vor-bildhafte Größe dar, auf die Suger mit Respekt, aber auch mit der Absicht, nicht da-hinter zurückzubleiben, Bezug nahm. So zeigt sich, dass er verschiedene wichtige Tex-te zum Lob des hl. Martin kannte und ihnen Anregungen entnahm. Diese Übernahme betrifft sprachliche Details und einzelne Motive, die er aus ihrem jeweiligen Zusam-menhang isoliert. Insofern die rezipierten Texte Zeugnisse des Martinskultes sind, er-weist sich indessen die Übernahme nicht nur als gelehrtes Zitat, sondern verweist auch indirekt auf den Respekt vor dem großen Heiligen, den Suger selbst verehrte, dessen Ruhm als Reichspatron er jedoch nun dem hl. Dionysius sichern möchte. Wenn Suger jedoch immer wieder die Kennzeichnung martyr (bzw. martyres) ver-wendet, akzentuiert er damit gerade den Bereich, in dem sein Klosterpatron sich vor dem hl. Martinus auszeichnet. Der anerkannt besondere Rang von Heiligen, die zu-gleich Blutzeugen waren, hatte Sulpicius Severus bewogen, für Martin ein unblutiges M a r t y r i u m zu beanspruchen : Sed quamquam ista non pertulerit, inplevit tarnen sine cruore martyrium''2. Sugers Heiliger dagegen ist als "echter" Märtyrer bekannt; mit der wiederholten Verwendung des Wortes martyr hebt Suger diesen wichtigen Vorzug immer wieder hervor. Der Bau der Martinsbasilika und ihre kostbare Ausstattung entsprechen dem hohen Rang des Heiligen; Sugers Bemühen um seine Abteikirche ist motiviert durch die Ab-sicht, den Rang seines Heiligen auch in seiner Kirche sichtbar zu dokumentieren.

2. Der heilige Remigius - Saint-Denis und Reims

Die Häufigkeit, mit der Martin und Dionysius in Urkunden wie in erzählenden Quel-len als specialis / pecularis patronus noster gekennzeichnet werden, lässt die Vorrang-stellung dieser beiden Heiligen erkennen. Neben ihnen genossen auch Hilarius und Remigius besondere Verehrung; während der Kult des Hilarius jedoch bereits im 9. Jahrhundert stark zugunsten des hl. Martin in den Hintergrund trat63, nahm die Be-deutung des hl. Remigius und seiner Bischofsstadt zu. Im Jahre 744 war der Metropo-litanbischof von Reims zum Erzbischof erhoben worden; die Vornahme der Königs-

61 J. Vielliard, Le guide du pèlerin de Saint-Jacques de Compostelle, Macon 3.éd., 1963 p.60s.Item in eadem via super Ligerum beati Martini episcopi et confessons corpus dignum visitan-dum est. .. Sarcophagum namque quo sacratissima eius gleba iuxta urbem Turonicam requiescit, argento et auro immenso, lapidtbusque fulget, et crebris miraculis elucet. Super quem ingens basili-ca veneranda sub eius honore ad similitudinem scilicet ecclesiae beati Iacobi miro opere fabricatur..; cf.C. Lelong, op.cit.,p.30 62 Sulpicius Severus, ep. 2,12 (SC 133,p.330); cf. ep.2,8s. (p.328.) : Est enim ille consertus aposto-lis ac prophetis, et, quodpace sanctorum omnium dixerim, in ilio iustorum grege nulli secundus; ut spero, credo et confido, in Ulis potissimum qui stolas suas in sanguine laverunt adgregatus agnum ducem ab omni integer labe comitatur. Nam licet ei ratio temporis non potuerit praestare martyri-um, gloria tamen martyris non carebit, quia voto atque virtute et potuit esse martyr et voluit. 63 O. Guilot, Les saints des peuples et des nations dans l'occident des VIe-Xe s. Un aperçu d'ensemble illustré par les cas des Francs en Gaule, in: Santi e demoni , Spoleto 1989, ρ.205-251

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2. Der heilige Remigius 89

weihe war der wichtigste Amtsakt der Reimser Erzbischöfe64. Als etablierter Krö-nungsort war Reims mit den französischen Königen eng verbunden65. Wir sahen bereits, dass Suger sich bemüht, seinem Klosterpatron den Rang des Reichs-patrons endgültig zu sichern. Saint-Denis befand sich damit notwendigerweise in Konkurrenz zu Reims. Einen Aspekt dieses Konkurrenzverhältnisses greift Suger, wie oben gezeigt, in der Kennzeichnung seines Heiligen als apostolus auf66. Diesen Beina-men hatte der hl. Remigius schon frühzeitig erhalten, weil er im Jahre 498 König Chlodwig getauft hatte67 - danach empfingen dreitausend Untertanen des Königs sowie seine Schwestern die Taufe. Hinkmar, Erzbischof von Reims 845-882, berichtet in sei-ner Vita des Heiligen über das Ereignis68 und schildert dabei ausführlich den denk-würdigen Vorfall, der für die sakrale Dignität von Saint-Remi bestimmend wurde: der große Andrang des Volkes bei der Taufe des Königs hinderte den damit beauftragten Kleriker, dem Bischof Remigius das für den Taufritus notwendige Chrisam anzurei-chen; auf das Gebet des hl. Remigius erschien eine weiße Taube, die eine Ampulle mit dem heiligen Salböl im Schnabel trug und, nachdem Remigius diese entgegengenom-men hatte, verschwand. Die Herkunft des Salböls unmittelbar aus dem Himmel machte es zu einem besonderen Heiltum.

Nach seinem Tod um 530 wurde Remigius in der kleinen Christophorus-Kirche bei-gesetzt, an deren Stelle die Kirche Saint-Remi entstand69 und gegen Ende des

64 M. Bur, Art. Reims, LexMA VII (1995), 657-663 65 Die Geschichte des Remigiuskultes und der Abtei Saint-Remi sowie deren Konkurrenzposi-tion gegenüber Saint-Denis behandelt unter kunsthistorischer Fragestellung M. Kramp in seiner Arbeit: M. Kramp, Kirche, Kunst und Königsbild. Zum Zusammenhang von Politik und Kirchenbau im capetingischen Frankreich des 12. Jahrhunderts am Beispiel der drei Ab-teien Saint-Denis, Saint-Germain-des-Prés und Saint-Remi/Reims, Weimar 1995, bes. Teil III, p.249-368 66 cons 7,49; cons 88,546; s.dazu II.2 67 R. Hamann-Mac Lean, Die Reimser Denkmale des französischen Königtums im 12. Jahr-hundert. Saint-Remi als Grabkirche im frühen und hohen Mittelalter, in: H. Beumann (Hg.), Beiträge zur Bildung der französischen Nation im Früh- und Hochmittelalter, Sigmaringen 1983 (Nationes. Historische und philologische Untersuchungen zur Entstehung der europäi-schen Nationen im Mittelalter, Bd.4) p. (93-260) 94; A. Poensgen, Geschichtskonstruktionen des frühen Mittelalters zur Legitimierung kirchlicher Ansprüche in Metz, Reims und Trier. (Diss.Marburg 1971) Marburg 1973, p.9: "Seit der Karolingerzeit bedienen sich einzelne Kir-chen augenfälliger als vorher der Literatur als eines politischen Instrumentes. Daß etwa die Hagiographie so eindeutig in den Dienst kirchenpolitischer Ziele gestellt wird, wie es in Hil-duins Passio Dionysii Areopagitae oder in Hinkmars Vita Remigli geschieht, ist eine gegen-über der Merowingerzeit neue Erscheinung." 68 Hinkmar von Reims, Vita Remigli episcopi Remensis,cap.15 (MGH SS rer.Mer.III, 296s.) 69 - bereits Gregor von Tours berichtet darüber, cf. Nachweis bei Hamann-Mac Le-an, op.cit.,p. 104; Hinkmar begründet in cap.24 der Vita mit einer Wundergeschichte, daß Re-migius auf eigenen Wunsch zunächst in der kleinen Christophoruskirche beigesetzt wurde, die jedoch, als sich dort mehrere Wunder ereigneten, vergrößert und erhöht wurde (cap.25,p.321: cum multa et stupenda miracula in eadem aecclesia per merita eius Domini gratia fierent, ampliata et exaltata est ipsa ecclesia.). Suger beschreibt in ähnlichen Worten, wie unter seinem Abbatiat das kleine Kloster Notre-Dame-des-Champs entstand: adm 132,379ss His igi-

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90 III. Der heilige Dionysius als Konkurrent anderer Heiliger

8 .Jahrhunderts in eine Benediktinerabtei umgewandelt wurde. Die dortigen Mönche hüteten die Ampulle mit dem heiligen Ol, das zur Salbung der Könige bei der Kö-nigsweihe verwendet wurde70. Hinkmar hatte nach seinem Amtsantritt als Erzbischof einen Erweiterungsbau unter-nommen und 852 in dessen Krypta die Reliquien des hl. Remigius in einem neu ange-fertigten Silberschrein überführt71. Die Größe des Schreins und die Position auf einem Marmorsarg begreift Hamann-Mac Lean als Neuerungen, die Suger in seiner Anord-nung der Heiligenschreine "zu Ende gedacht" habe72. 1005 wurde Airard Abt von Saint-Remi und beschloß die Erneuerung der Kirche. Uber den Bau der Kirche73, ihre Weihe und die Synode des Jahres 1049 berichtet der Mönch Anselm von Saint-Remi in seiner Historia dedicationis ecclesiae sancii Remigli"1. Suger hat diesen Text offensichtlich gekannt75; ein Vergleich von De consecratione mit der Reimser Historia dedicationis wird zeigen, dass Suger in der Absicht, Saint-Remi zu überbieten, darauf Bezug nimmt.

tur et aliis miraculorum et prodigiorum signis prefatum locum insignem divina dispositione ob amorem Dei Genitricis honorare et exaltare amplectentes edißcatum iri instanter incepimus [..]. 70 A. Poensgen, op.cit.,p.87: "Durch den Vollzug der Salbung mit diesem wunderbaren von Remigius benutzten Ol trat der Reimser Erzbischof sinnfälliger denn je in die legendäre Rolle des Frankenapostels ein und waltete jedesmal als ein Novus Remigius. Für die Könige konnte die Salbung mit dem himmlischen Chrisma eine Verbindung zu Chlodwig herstellen [..]. Es läßt sich überhaupt keine Situation vorstellen, in der der Gedanke, das als Reliquie verehrte Himmelsöl praktisch zuverwenden, plausibler gewesen wäre als 987 [bei der Königsweihe Hugos].Für die spätere Zeit ist die Salbung der französischen Könige mit Chlodwigs angebli-chem Tauföl gesichert. Ausdrücklich bezeugt ist sie erstmals für Ludwig VII. 1131." 71 Hierzu und zur früheren Baugeschichte: A. Prache, Saint-Remi de Reims. L'oeuvre de Pier-re de Celle et sa place dans l'architecture gothique, Genf 1978, p.7-17 72 Hamann-Mac Lean, op. cit., p. 123s. 73 G. Binding, Sapiens architectus, ρ 271s. 74 Anselmus monachus s.Remigli Remensis, Historia dedicationis ecclesiae sancii Remigli, PL 142,1415 C-1440 C, in dieser Untersuchung zitiert als Historia dedicationis; über Anselm cf. W. Wattenbach /R. Holtzmann / F.J. Schmale: Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelal-ter. II (Darmstadt η 1967) S.777; L. Falkenstein, Art. Anselm von St-Remi, Lex MA I (1980),689; RepFont II 369.Zu Anselms Bericht s. auch F.G. Hirschmann, Stadtplanung, Bau-projekte und Großbaustellen im 10. und. 11. Jahrhundert. Vergleichende Studien zu den Ka-thedralstädten westlich des Rheins, Stuttgart 1998 (Monographien zur Geschichte des Mittel-alters, 43), p.l87ss. 75 M. Kramp, Kirche, Kunst und Königsbild, Weimar 1995, p.274 nt.318, nimmt an, dass Su-ger Anselms Bericht kannte, und verweist auf Parallelen in der Beschreibung des Massenan-drangs, ohne indessen auf Einzelheiten einzugehen; er vermutet, Suger habe, "als er seinen Neubau der Abteikirche mit der Notwendigkeit legitimierte, die alte Basilika sei zu klein ge-worden", [..] "sich sogar bewußt an die Vorgänge um den Neubau der mit Saint-Denis kon-kurrierenden Institution angelehnt" - es wird jedoch zu zeigen sein, dass Suger den Andrang in einer spezifisch anderen Weise beschreibt. Kramp gelangt zu der Feststellung: "Wichtig ist in unserem Zusammenhang, daß von einer Beteiligung des französischen Königtums an dieser weithin sichtbaren inszenierten Aufwertung des hl. Remigius nun wirklich keine Rede sein kann"; vielmehr habe "Remigius als Symbol der Bekehrung der Franken bzw. einer richtig verstandenen christlichen Politik der Mächtigen des Königreiches im Sinne des Reformpapstes

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2. Der heilige Remigius 91

Im zweiten Kapitel skizziert Anselm die Geschichte der Kirche und schildert ihren erneuerungsbedürftigen Zustand76. Die Initiative des Abtes Airard führt er teils auf den schlechten Zustand der Kirche, teils auf das Beispiel anderer Abte zurück. Suger hingegen begründet seine Erneuerungsarbeiten mit dem schon seit seiner Jugend ge-hegten Wunsch, der drangvollen Enge abzuhelfen, sowie mit seiner Absicht, den Hei-ligen einen prominenteren Platz zu geben77. Er formuliert damit ein Motiv von höhe-rem ideellem Gewicht. Anselm berichtet über die Anwerbung von Handwerkern, weist jedoch gleich auf die Probleme bei der Durchführung hin: der Bau ist zu groß und zu aufwendig konzipiert78. Nach Airards Tod im Jahre 1031 wird Thierry Abt; dieser wendet sich der von Airard hinterlassenen Baustelle zu und sieht sich zu einem Planwechsel veran-lasst79. Anselm schildert nun, wie mit breiter Unterstützung der Bau Fortschritte macht, wobei Säulen aus dem Vorgängerbau verwendet werden80, und berichtet über den Abbruch der alten Kirche bei Erreichen eines angemessenen Bauzustandes der neuen; dabei beschreibt er auch eine "crypta" über den Gebeinen des hl.Remigius81 -Hamann-Mac Lean deutet diese als gewölbten Uberbau82. Die Fertigstellung und die

dienen" sollen. Kramp trifft diese Feststellung jedoch isoliert, ohne Sugers Intentionen von denen Anselms abzusetzen. 76 Historia dedicationis col.1417 A [..] Basilica igitur gloriosi confessoris Christi Remigii corpore insignita, quae usque ad haec moderna perduravit tempora, Remensium quondam archiepiscopo-rum studio inchoata, et venerahilis memoriae Hincmaro eorum successore consummata, anno in-carnati Verbi octingentesimo quinquagesimo secundo ab ipso est dedicata. Quae quidem non adeo operosi aedificii solidata est munitione [..]; unde intra centum quinquaginta et duos annos tanta est attrita vetustate, ut iam ad casum propinquans reparationem sui videretur exigere. 77 Historia dedicationis col.1417 B: Qui Airardus cum sagaci intenderei animo plures Domini g re-gis pastores sua aetate per Gallias enituisse qui ecclesias suas ex vetustate in potiorem statum studu-erant reformare, deliberavit et ipse operam adhibere eius quae sibi commissa erat renovatione. 78 Historia dedicationis col.1417 Β Quapropter viris qui architecturae periti ferebantur ascitis, fu-turi templi fabricam ex quadris lapidibus erigere coepit a fundamentis, multo quidem operosiorem Ulis quam praenotatum est in Gallico regno renovatas et ambitiosiorem, ideoque sibi et illius aevi hominibus inconsummabilem. [..] 79 Historia dedicationis col. 1419 A: Qui cum plurima ecclesiasticae utilitati profutura decemeret disponere, deliberavit reparationi ecclesiae suae, quam suus praedecessor incoeperat, manum perfec-tionis imponere. Verum quia grave nimis et inexplebilis sibi illud erat incoeptum, deliberatio quo-que sua, si id intenderei implere, videbatur non habitura ejfectum. Quocirca eorum qui inter se commisses prudentiores habebantur, et seniorum Remensis provinciae Consilio usus, difficulter ag-gressus est inchoatum diruere opus: quo pene diruto, et fundamentis quibusdam relictis, quae archi-tectis visa sunt necessaria fore futuris aedificiis, divinam domum coepit faciliori quidem structura, sed non indecentiore construere, ut aspectum adhibentibus facile est cernere. 80 Historia dedicationis col. 1419 Β Nonnulli etiam de ecclesiastica familia suum auxilium prompta impenderunt benevolentia, suisque plaustris et bobus, tantis incoeptis competentia advexerunt one-ra; sicque fundamentis in quibus locis non erant locatis, et columnis ex diruto priori aedificio com-petenter dispositis, arcus super eas diligenter voluti consurgere, et basilicae fabrica inter manus arti-ficum coepit clarescere. 81 Historia dedicationis col. 1419 C: Supra sepulcrum vero beati Remigii crypta constructa est, licet parva, ideoque toto corpori suo incongrua, pulchre tamen columnis et arcubus fulta. 82 Hamann-Mac Lean, op. cit. p. 143

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92 III. Der heilige Dionysius als Konkurrent anderer Heiliger

erhoffte Weihe durch den Papst erlebt Thierry indessen nicht mehr, denn er stirbt nach einer Amtszeit von 11 Jahren und acht Monaten. Anselm erwähnt seinen Tod in Verbindung mit dem Motiv des verschiebenden Aufsparens für einen Späteren: Suger verwendet dieses Motiv in positiver Umwendung, wenn er über seine Möglichkeit spricht, sein Vorhaben auszuführen83. Auch hier wird seine Absicht der Überbietung erkennbar: während die göttliche Vorsehung die Vollendung und Weihe für Thierrys Nachfolger reserviert, ist Suger selbst der auserwählte Vollender. Thierrys Nachfolger Herimar geht entschlossen an die Fertigstellung; der Text berich-tet über die Arbeit an den "Kreuzarmen" und über den Neubau der sogenannten "Krypta" - der Neubau erfolgt, weil sie im Verhältnis zum übrigen Bau zu klein ist -, ferner über die Beschaffung von Balken aus der Gegend von Orbais. Die Entschlos-senheit des Vorgehens, die Wahl der Bezeichnung "Kreuzarme", die Absicht, ein zu kleines Gebäude zu erweitern, und die Beschaffung von Holz finden sich auch bei Su-ger84, doch schildert er die Baugeschichte nicht als wechselvollen Prozeß, sondern als wohlüberlegte Abfolge von Schritten, die unter göttlichem Beistand erfolgen. Ubereinstimmungen finden sich in den vorbereitenden Überlegungen für die Weihe-feierlichkeiten85. Während in Reims jedoch die Teilnahme des Papstes und eine Syn-ode86 vorgesehen sind, bleibt in Saint-Denis die Handlung auf die jeweilige Weihe -zunächst die des Westwerks, dann die der Choranlage - konzentriert, und bei der Weihe des Chores hat der König eine herausgehobene Stellung: die Festlegung des

83 Historia dedicationis col. 1419 D: Quod licet ex affectupiae voluntatis processerà, divina tarnen dispositio hoc differens eius successori peragendum reservavit; cf. adm 176,795ss tanto Deo sane-tisque martyribus obnoxii, quanto nostris temporibus tarn diu differendo agenda reservavit. Die Sorge, der Tod könne die Ausführung seiner Pläne vereiteln, ist auch Suger nicht fremd: cons 54,325s de peragendo solliciti, varietatem temporum, diminutionem personarum et mei ipsius de-fectum pertimescentes.. 84 Historia dedicationis, 1420 B: [..] non diu passus est interruptum pendere memorabile coeptum sui antecessoris, sed primo quidem dexteram basilicae crucetn, maxima ex parte iam inchoatam, et sinistram nihil adhuc praeter fundamenta habentem cum cocleis, quibus ad superiora esset ascen-sus, fecit aedificari. Crypta autem quae super beati Remigli sepulcrum constructa fuerat, quia, ut superius relatum est, prae parvitate sui alterius operis incongrua videbatur, dirui et aliam eminen-tiorem fecit restituì. Deinde trabibus de saltu iuxta Orbacis monasterium sito advectis, fastigia ei-usdem consequuntur templi, sicque decentissima domus tota apparuit in partibus suis; vgl. Sugers Zielstrebigkeit: cons 14, 105 quod [..] maturus corrigi affettuose appetebam; 16, 121 laborare strenue Deo cooperante incepimus; 42,233 Tantis itaque et tam manifestis tantorum operum inter-signis constanter animati ad prefati perfectionem edificii instanter properantes; cons 15 Kleinheit der Kirche und die Absicht, sie zu erweitern ; cons 34 ff. Beschaffung der Balken von außer-halb; Bezeichnung der Kreuzarme: adm 182,827s. et cruces collatérales ecclesie ad formam prioris et posterioris operis coniungendi attolli et accumulari decertavimus. 85 Historia dedicationis cap.7,1420 C: Quapropter idem abbas Herimarus cum quibusque sapienti-bus Remensis provinciae prudenti coepit tractare Consilio quatenus eamdem apostolica faciens con-secran benedictione. cons 42 [..] ad prefati perfectionem edificii instanter properantes, quomodo et quibus personis et quod valde sollempniter Deo omnipotenti consecraretur deliberantes [..]. 86 Uber die am 1. Oktober 1049 erfolgte Translation der Reliquien, die Weihe der Kirche Saint-Remi durch Papst Leo IX. am nächsten Tag und das vom 3. Bis zum 5. Oktober dau-ernde Konzil s. M. Bur, Art. Reims, LexMA VII (1995), 657-663.

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2. Der heilige Remigius 93

Termins erfolgt mit seiner Gunst, und seine Ankunft in Begleitung seiner Gemahlin wird gesondert erwähnt, nachdem "viele von diesen Bischöfen" eingetroffen sind87. Wichtig ist ferner, dass Suger in De consecratione drei Feierlichkeiten beschreibt - die Weihe des Westwerks und die des neuen Chores, dazwischen die Grundsteinlegung für den Chor - und dabei jeweils die teilnehmenden Würdenträger hervorhebt. Anselm berichtet weiter, dass nach diversen Schwierigkeiten der neue Papst Leo nach Reims kommt, wo auch die Synode stattfinden soll (vgl. cap.8, 1422 Β). In seiner Be-gleitung befinden sich mehrere Erzbischöfe. Eine große Schar aus Mönchen und Kle-rus versammelt sich. Auch Suger legt Wert auf die illustre Schar der Gäste88, die in seinem Bericht jedoch allein um der Kirchweihe willen erscheinen. Die nun folgende Darstellung in der Historia dedications widmet sich den Ereignissen mehrerer Tage. Der Besuch des Papstes ist an sich schon ein Anlass für besondere Fei-erlichkeiten zu seinem Empfang, es folgen die Vorbereitungen auf die Weihe, die ent-sprechenden Umgänge mit den Reliquien, die Weihe selbst und die Synode. Letztere kann für unseren Zusammenhang vernachlässigt werden. Auf die Ankunft des Papstes folgt die Beschreibung einer Prozession mit Evangeliar, Weihwasser und Weihrauch sowie der Angabe der liturgischen Gesänge und der ein-zelnen Altäre. Diese Prozession erfolgt anlässlich des Papstbesuchs zwei Tage vor der Kirchweihe und steht nicht primär im Zusammenhang mit den bevorstehenden Feier-lichkeiten, sondern würdigt die Anwesenheit des Papstes89. Suger versäumt es nicht, bei allen drei Gelegenheiten in De consecratione auch Prozessionen zu schildern, wobei

87 Historia dedicationis cap. 8, col. 1422 Β; cons 74,459 Urgebat deinceps nove fieri consecrationem ecclesie tam operis laboriosa consummatio quam nostra, que ad hoc diu anhelaverat, suspensa devo-tio. 75,461s. Et quoniam tam ipsam quam sanctorum dominorum nostrorum [..] translationem fieri celeberrimam optando affectaremus, regie maiestatis serenissimi regis Francorum Ludovici placido favore [..] diem agendi [..] assignavimus. 77,473ss Quorum [episcoporum] cum multos et diversos [..] excepissemnus, ipse dominus rex Ludovicus et regina coniunx eius Aanor et mater eius et regni optimates perendie adventarunt. 88 Historia dedicationis cap. 10 col. 1424 A /B Die vero sequenti ad Sanctum pervenit Remigium archiepiscopis tribus comitatus, Trevirensi videlicet, Lugdunensi, Vesontionensi, aliisque viris ho-norabilibus, inter quos erat Ioannes episcopus Portuensis, et Petrus Ecclesiae Romanae diaconus, et ipsius urbis praefectus. Hie protinus conglobatur in unum tota fratrum congregado, et cum eis ab-batum, monachomm, clericorum, qui iam ex multis confluxerant partibus, innumerosa concio. Ex quibus omnibus in atrio basilicae disponitur decentissima processio... es folgt die Schilderung der Prozession, darauf kommen wir zurück; vgl. cons 42, 236ss accito egregio viro Hugone Rotoma-gensi archiepiscopo et aliis venerabilibus episcopis, Odone Beluacensi, Petro Silvanectensi ad id pe-ragendum multimodam laudem magnarum diversarum personarum ecclesiasticarum, cleri et po-puli máximo conventu decantabamus. 43,240s. Qui in medio novi incrementi priorem in consi-stente dolio benedicentes aquam, per oratorium saneti Eustachii cum processione exeuntes...; 50,305ss. collecte virorum illustrium tam episcoporum quam abbatum conventu, accita etiam do-mini ac serenissimi regis Francorum Ludovici presentía [..] ordinavimus omamentis decoram, per-sonis celebrem processionem. 89 Historia dedicationis col. 1424 Β Ex quibus omnibus in atrio basilicae disponitur decentissima processio, episcopis tribus, Silvanectensi videlicet, Andegavensi, Nivernensi, longe digestos ordines antecedentibus, textumque Evangelii cum aqua benedicta et aromatum odore ferentibus.

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94 III. Der heilige Dionysius als Konkurrent anderer Heiliger

die Reliquienprozession anlässlich der Weihe des Chores den Höhepunkt bildet90. In-dem Anselm beschreibt, wie der Papst, von Gesang begleitet, feierlich durch die Stadt geleitet wird, verschiebt sich das Gewicht der Feierlichkeit zugunsten des hohen Ga-stes, während in Saint-Denis die Prozessionen und liturgischen Handlungen ganz auf die Kirche und ihren Patron konzentriert bleiben91. So sehr Suger an einer engen Be-ziehung zum Papst gelegen ist92, gelingt es ihm doch, das Fehlen des Papstes bei der Chorweihe in Saint-Denis im Sinne dieser Konzentration zu nutzen: Daraus ergibt sich für die Stellung des Königs bei den genannten Festlichkeiten wie im Blick auf den dabei gefeierten Patron ein Vorzug. Bei der Schilderung der Prozession werden in der Reimser Historia dedicationis zahl-reiche liturgische Gesänge mit ihren Anfangszeilen erwähnt. Dadurch wird für den Leser die gesungene Musik präsent. Suger übernimmt dieses Gestaltungselement bei der Beschreibung der Grundsteinlegung.93

90 Prozession zur Weihe des Westwerks: cons 43, 241ss Qui [..]per oratorium sancii Eustacbii cum processione exeuntes per plateam que punteria [..] antiquitus vocatur, per aliam que in sacro cimiterio aperitur eream portam revertentes [..]; Prozession vor der Grundsteinlegung: cons 50,305 - 51,313 collecto virorum illustrium tarn episcoporum quam abbatum conventu, accita etiam domini ac serenissimi regis Francorum Ludovici presentía pridie idus iulii die dominica or-dinavimus ornamentis decoram, personis celebram processionem. Quin etiam manibus episcopo-rum et abbatum insignia dominice passionis [..] et alia sanctorum reliquiarum patrocinia preferen-tes ad defossa faciendis fundamentis preparata loca humiliter ac devote descendimus. Prozession bei den Vorbereitungen und der Weiheliturgie der Choranlage: cons 81,506 sacramentalia con-secrationis instrumenta devote tantum gaudium prestolantes praparabamus, quomodo tanta tantarum personarum tarn sancta expedita ecclesiam intus et extra perlustrare posset processio com-ponebamus; cons 93,566ss Mirabile visu - numquam talem preter illam, que in antiqua consecra-tione celestis exercitus visa est, processionem aliquis videre potuit, cum sanctorum corpora mar-tirum et confessorum de tentoriis palliatis humeris et Collis episcoporum et comitum et baronum sanctissimo Dyonisio sociisque eius ad ebumeum ostium occurrerunt, per claustrum cum candelab-ris et crucibus et aliis festivis ornamentis cum odis et laudibus multis processerunt [..]. A. Legner hebt die Reichhaltigkeit und Vielfalt der Reliquienschreine, besonders im Maasgebiet, hervor: A. Legner, Zur Präsenz der großen Reliquienschreine in der Ausstellung RHEIN UND MAAS, in: Rhein und Maas. Kunst und Kultur 800-1400. Bd. 2: Berichte, Beiträge und For-schungen zum Themenkreis der Ausstellung und des Katalogs. Köln 1973, p.65-94, bes. p.83 mit Zitat cons 48,289-49,302) 91 Historia dedicationis col. 1424 C Qui tarnen in sede sibi decenter apparata paululum residens, astantes laetificavit benedictione apostolica: et exinde egressus ab eisdem psallentium choris cum di-vinis laudibus deducitur usque ad civitatis moenia. Cui Remensis clerus cum archiepiscopo suo, ali-isque quibusdam obviam procedens episcopis, perspicue processionis numerosos disponit ordines in atrio Sancii Dionysii martyris, ubi ad tanti pontificis susceptionem competentia concinens cantica, usque ad ecclesiam Sanctae Mariae ilium comitatur cum maxima iubilationis gloria. 92 - mit Stolz erwähnt er in adm, es sei "bei den römischen Päpsten aus Ehrerbietung für das heilige Apostelamt des heiligen Dionysius üblich", das Osterfest (sofern sie sich in der Gallia aufhalten) in Saint-Denis zu verbringen, und Papst Eugen III. weiht bei einem solchen Oster-besuch den großen Kruzifix, adm 212,958ss; cf. L. Grant; Abbot Suger of St-Denis, p. 193-196 93 Historia dedicationis col. 1424 Β Sic ergo dispositi papam advenientem suscipiunt, cui ecclesiam introeunti, responsorium Laetentur coeli, cum digna modulatione concinunt; et dum ante altare Sanctae Crucis orat, aliud responsorium, Summae Trinitati videlicet, concinentes finiunt. Progres-so autem eo usque ad altare sancii Cbristophori, et ante venerandi Francorum apostoli sepulcrum

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2. Der heilige Remigius 95

Der zweite Tag des Papstbesuches wird in der Historia dedicationis eindrucksvoll ge-schildert; eine ständig anwachsende Menschenmenge will die Reliquien des hl. Remi-gius aufsuchen und den Papst sehen94. Die Schilderung vermittelt ein lebendiges Bild des Andrangs beim Grab des Heiligen; ähnlich beschreibt auch Suger das Gedränge95. Vor Anbrach der Nacht werden, wie Anselm weiter berichtet, die Kirchentüren ge-schlossen, dabei erhält das Volk jedoch das Versprechen, dass die Reliquien am näch-sten Tag wiederum ausgesetzt werden96. Der Vortag der Weihe wird in Saint-Denis so begangen, wie auch das Pontificale Ro-manum des 12. Jahrhunderts es vorsieht; zunächst werden die Reliquien an einen Ort außerhalb der Kirche überführt, wo sie bis zu ihrem feierlichen Einzug in den neuen

orationem expíente, iterum hymnum Te Deum laudamus, consona vocum iubilant vociferatione. -Bei der Beschreibung der eigentlichen Weihe (col. 1426 C) folgt die Angabe weiterer Antipho-nen und Responsorien; vgl. Sugers Zeremonie der Grundsteinlegung cons 52,317s. primos la-pides imposuerunt himnum Deo dicentes et Fundamenta eius usque ad finem psalmi sollempniter decantantes; cons 53,321ss lapides suos imposuerunt, quidam etiam gemmas ob amorem et reveren-ciam Iesu Christi, decantantes Lapidespreciosi omnes muri tul·, bei der Weihe der Choranlage be-schränkt sich Suger auf allgemeinere Formulierungen: cons 93, 572s. cum candelabris et cruci-bus et aliis festivis omamentis cum odis et laudibus multis processerunt. 94 Historia dedicationis col. 1425 C Est autem ante fores ipsius basilicae quoddam spatiosum atri-um, in quo quoties densitatem sui perpeti non poterai, frequentia tantorum se explicabat coetuum, eo ducta aviditate cernendi ipsum beati Petri vicarium; post beati enim Remigli captatum suffra-giumadhuius summopere inhiabat aspectum.. 95 Historia dedicationis col. 1425 A Ad sepulcrum enim sancii, quasi ex toto orbe excita tanta ho-minum confluebat numerositas, ut introeuntibus spatiosi templi vix sufficeret capacitas. Advola-bant enim tarn ex vicinis quam ex longinquis regionibus promiscui sexus mnumerabiles. 1425 Β Ignobilis nobili, aut inops cedere nesciebat diviti, sed omnes una conglobatim concurrebant inten-tione devota, bustoque coelestem margaritam continenti dulcia imprimentes oscula, oblationum suarum quisque pro posse offerebant donaría. Qui vero constipatorum violentia repulsi propius ac-cedere non valebant, heu! quantum gementes se desiderii sui effectu privari, de longe proiectis mu-neribus quae attulerant, quasi lapidibus, sancii sepulcrum pia devotione obruebant; vgl. bei Suger die Schilderung des Pilgeransturms in der alten Kirche ord 36,198ss und cons 10,81-13,103; Andrang bei der Reliquienprozession cons 91,560ss Protinus lacerti moventur, brachia ex-tenduntur, tot et tante manus initiuntur, quod nec etiam séptima manus ipsa sancta scrinia attin-gere valeret\ cf. Andrang bei der Detectio in De administratione, adm 245,1090ss. Aderant si-quidem diversarum provintiarum archiepiscopi et episcopi, qui gratantissime quasi ex debito apo-stolatus accesserant, archiepiscopi scilicet Lugdunensis, Remensis, Turonensis et Rotomagensis, epis-copi vero Suessionensis, Beluacensis, Silvanectensis, Meldensis, Redonensis, Aletensis et Venetensis, abbatum etiam et monachorum sive clericorum atque obtimatum conventus, sed et populi promiscui sexus turba innumerabilis. 96 Historia dedicationis, col. 1426 A se procul dubio die subsequenti eorum desideriis promittit sa-tisfacturum, et thesaurum desiderabilem, quem quaerebant, illorum conspectibus expositurum; col. 1427 A [..] Denique monasterii foribus patefactis, ubi illa coelestis gemma desiderantium po-pulorum est expósita obtutibus; cf. cons 48, 292ss ut eadem cripta superioritatem sui accedentibus per utrosque gradus pro pavimento offerret et in eminentiori loco sanctorum lecticas auro et precio-sis gemmis adornatas adventantium obtutibus designaret. A. Legner, op.cit., p.84s weist auf die wesenhafte Bedeutung des Schauens für die mittelalterliche Frömmigkeit hin.

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96 III. Der heilige Dionysius als Konkurrent anderer Heiliger

Kirchenraum bleiben sollen97. In Reims werden keine Stoffzelte erwähnt, sondern die Reliquien werden in die Muttergotteskirche überführt. Dabei scheint jeweils bereits die Vorbereitung zu dieser Uberführung rituell gestaltet: Die Position der Reliquien, bezogen auf ihren Platz (a suo loco) wird von Anselm wie von Suger in den Blick ge-rückt. Das Zurücklegen einer geringen Entfernung (a suo loco paululum removit) wird in Anselms Bericht begleitet von einer Antiphon, hat also offenbar eine rituelle Be-deutung, die bei Suger in der Negation reflektiert wird (peque enim adhuc de loco suo mota eranif8. Auch auf das Tragen der Reliquien auf den Schultern legen beide Auto-ren Wert". Während in Reims jedoch der Andrang des Volkes lebensgefährliche Ausmaße erreicht - im Gedränge kommen sogar einige Menschen zu Tode -, liegt in Sugers Schilderung das Gewicht auf dem feierlichen Schauspiel, das die Bischöfe und andere kirchliche Würdenträger bieten100. Während in Saint-Remi der gewaltige An-drang erst im Augenblick seines Auftretens Gegenmaßnahmen hervorruft, legt Suger Wert darauf, dass bereits vorher regulierende Vorkehrungen getroffen werden. Der herausgehobenen Stellung des Königs entspricht es, dass er und seine Leute den An-drang in Schranken halten und so für den Schutz der Prozession sorgen101; der König

97 A.Speer, Abt Sugers Schriften zur fränkischen Königsabtei Saint-Denis, in: Speer/Binding (2000), p.45s.; cons 81,503-506 9S Historia dedicationis 1426 C cum quibus litania facta, et super sanctum corpus non modica thi-miamatum accensa fragrantia, cecinit responsorium Dirigatur oratio mea, quo cum versu expleto, feretrum sancti, ut praeparatis instrumentis aptatum ad ferendum redderetur habile, a suo loco paululum removit, etantiphonam Confessor Domini, Remigii, decantavit-, cf. cons 87, 537-540 Ut autem peractis ordinarie sánete consecrationis misteriis ventum est ad sanctarum reliquiarum repo-sitionem, ad sanctorum dominorum nostrorum antiques et venerandos tumulos accessimus; neque enim adbuc de loco suo mota erant. 99 Historia dedicationis 1426 C At ubi competenter, prout res exigebat, dispositum fuit, ipse ante alios cum praefatis archiepiscopis et abbatibus suppositis bumeris illud devote lacrymans extulit, et responsorium Iste est de sublimibus inchoavit; cons 93, 569ss [..] cum sanctorum corpora mar-tirum et confessorum de tentoriis palliatis humeris et collis episcoporum et comitum et baronum sanctissimo Dyonisio sociisque eius ad eburneum ostium occurrerunt, per claustrum cum candelab-ros et crucibus et aliisfestivis omamentis cum odis et laudibus multis processerunt, dominos suos tam familiariter quam pre gaudio lacrimabiliter deportaverunt. Suger beschreibt dabei be-reits die Translation am Weihetag selbst in die Kirche, der Uberführung zur Vigil vor der Weihe widmet er nur den knappen Hinweis auf den liturgischen Brauch in cons 81. 100 Historia dedicationis col.1227 A/B; cons 84,519-85,532 101 Maßnahmen gegen den Andrang: Historia dedicationis col. 1425 D- 1426 A Adveniente inte-rea nocte, nec tarnen confluentium rarescente, sed magis magisque crebrescente copia, domnus papa metuens ne in sacris vigiliis Deo famulantes importunitate plebis praepedirentur exsequi divinae servitutis solemnia, tum etiam ne sibi pretiosi corporis sancti istius transferendi ecclesiaeque dedi-candae inhiberetur copia, delegatis clericis suis, eiusdem loci memorato abbati spatiositatem templi praeeepit penitus evacuari, obseratisque diligenter foribus, omnibus intercludi facultatem introeun-di; praeeepit etiam ex sua parte hoc populis annuntiari, ut ad horam secederent, et absque ulla sui impetus inquietudine solemnes illius noctis excubias cum digna devotione a Deo militantibus ce-lebran sinerent [..] - den Begriff importunitas, mit dem Anselm das vom Papst befürchtete Gedränge bezeichnet, verwendet Suger in adm 164,716 für das Gedränge an Festtagen, dem seine Baumaßnahme abhelfen soll -; dagegen cons 82,5 lOss: Unde cum gloriosum et humillimum Francorum regem Ludovicum, ut per optimates et nobiles suos ab ipsa processione obviantem arce-

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2. Der heilige Remigius 97

erhält außerdem die Auszeichnung, die Reliquien selbst tragen zu dürfen, während dieses Vorrecht in Reims dem Papst vorbehalten bleibt102. Ferner berichten beide Texte, dass das Volk während der Weihezeremonie außerhalb der Kirche bleiben muss103. Ein auffallender Unterschied zeigt sich bei der Beschrei-bung der Weihehandlung im engeren Sinne: Während in Saint-Remi der Papst die Weihe der einzelnen Altäre den einzelnen Bischöfen zuweist, nimmt in Saint-Denis Suger selbst diese Aufgabe wahr. Die Erwähnung des Reimser Bischofs an erster Stelle und die Übertragung der Weihe des Hauptaltars an ihn mag eine Reverenz gegenüber dem hl. Remigius, dem anderen großen Apostel des Frankenreichs, sein104. Der Vergleich der Schrift De consecratione mit der Historia dedicationis ecclesiae s. Re-migli ermöglicht eine Einbettung von Sugers Darstellung in den Kontext mittelalterli-cher Frömmigkeit und Liturgiepraxis. Vor dem Hintergrund zahlreicher Uberein-stimmungen treten die Unterschiede als absichtsvolle Akzentuierungen Sugers hervor: In Saint-Remi wird das Werk der Reimser Erzbischöfe durch eine neue, vom Papst geweihte Kirche ersetzt und überboten. In Saint-Denis wird die Initiative zur Vorgän-gerkirche auf Dagoberts Gelübde zurückgeführt, die Anknüpfung an das Gedächtnis

ret turbam, humiliter rogassemus, humilius satis per se ipsum et per suos hoc se libenter facturum respondit; 535ss rex ipse eiusque decuriones tumultuosum impetum arcebant et virgis et baculis re-grediert tes ad portas protegebant. 102 Die Translation der Reliquien ist zugleich auch der ganz personal verstandene Einzug der Heiligen in ihre Kirche; vgl. den Empfang des hl. Märtyrers Cornelius in der Historia dedica-tionis, col. 1426 B-D Mane autem facto, susceptus est a domno papa intra ecclesiam sanctus martyr Cornelius, quem cum aliis sanctorum pignoribus Compendienses clerici ilio detulerant [..].; cons 93,569s cum sanctorum corpora martimm et confessorum de tentoriis palliatis humeris et collis episcoporum et comitum et baronum sanctissimo Dyonisio sociisque eius ad eburneum ostium oc-currerunt [..]; s. dazu auch A. Legner, op.cit.,p.68s. mit Bezug auf die Historia monasterii Has-noniensis , in der er eine "große Zusammenkunft der Heiligen der Gegend aus Anlaß des Fe-stes", als charakteristisches Merkmal mittelalterlicher Reliquienverehrung beobachtet [MGH SS XrV,156ss (De loci Hasnoniensis in maiori elegantia constructione novaque solempniter dedi-catione, cap. 17)]. 103 Historia dedicationis cap. 13, 1428 C Ipse namquepapa easdem ianuas vetuerat reserari, ne im-petus cum eodem sancto irruentium et sibi discrimini et impedimento coeptae dedicationis foret consummationi; cons 86,532ss Populus enim pro intolerabili magnitudinis sue Ímpetu foris ageba-tur et, dum chorus prefatus aquam benedictam extra hysopo ecclesie parietes virtuose aspergendo proiciebat, res ipse eiusque decuriones tumultuosum impetum arcebant et virgis et baculis regre-dientes ad portas protegebant. 104 Historia dedicationis 1428 Β Cum itaque agitur illa circuitio extra civitatis moenia, domnus papa, convocatis episcopis intra dedicandi monasterii abdita, singulis singula ad consecrandum delegavit altaría. Remensem vero archiepiscopum temam circuitionem, cum crucibus et sancto-rum reliquiis, secundum ecclesiasticum ordinem, exterius constituit agere, ibique consecrationis of-ficium adimplere; ipse vero cum sibi necessariis remanens interius, divini tabemaculi sanctificatio-nem strenue diligenterque exsequitur, vgl.corcs 95,576ss Revertentes igitur ad ecclesiam [..]pignori-bus sanctorum repositis de nova ante novam eorum sepulturam consecranda agebatur principali ara, quam domino Remensi archiepiscopi Samsoni imposuimus consecrandem. cons 96,581-604 Agebatur etiam de aliis tam gloriose quam sollempniter aris viginti consecrandis, quarum [..]sacrandam imposuimus, [..]consecrandam assignavimus.

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98 III. Der heilige Dionysius als Konkurrent anderer Heiliger

Karls des Kahlen gezielt gesucht, und bei den Weihefeierlichkeiten der neuen Kirche hat der König eine Sonderstellung. Die lineare Baugeschichte in Saint-Denis, die nach Sugers Darstellung ganz in seiner Hand bleibt, die Vielfalt der liturgischen Feiern, die alle auf die Kirche und ihren Pa-tron bezogen bleiben, Sugers eigene umsichtige Regie, die den Volksandrang reguliert und den würdevollen Charakter der Feiern wahrt, und schließlich die herausgehobene Stellung des Königs bei den Feierlichkeiten verbinden sich zu dem geschlossenen Bild einer heiligen Verbindung zwischen dem König, dem Reichspatron und der Stätte sei-ner besonderen Verehrung.

3. Der heilige Martial is zu Limoges - Ademar von Chabannes

Während Martin und Remigius schon längst als große Heilige in ihrer Bedeutung für das Frankenreich anerkannt waren und die Orte ihrer Bestattung, ausgezeichnet durch bedeutende Kirchenbauten, häufig besucht wurden, waren im 11. Jahrhundert häufig Bestrebungen zu beobachten, anderen Heiligen eines einzelnen Klosters höhere Aner-kennung zu sichern. Reliquien wurden in kostbaren Behältnissen den Gläubigen zur Schau dargeboten, die so die Gelegenheit erhielten, sich dem Heiligen zu nähern, wenn in einem Reliquiar seine sterblichen Uberreste sichtbar und berührbar wurden. Wunderberichte vertieften die Uberzeugung, in der Nähe des Heiligen Hilfe in ver-schiedenen Anliegen zu finden. Die unerwartete Entdeckung von Reliquien konnte breite Pilgerströme umlenken - wie z.B. im Fall von Saint-Jean d'Angely105. Die Ver-ehrung der Reliquien verband sich zu dieser Zeit eng mit der Gottesfriedensbewegung, indem auf Friedensversammlungen in Gegenwart der Reliquien die Heiligen als Ga-ranten des Friedens beschworen wurden. Diese Friedensversammlungen waren der Versuch der Kirche, die für die betroffenen Gebiete zermürbenden Privatfehden des Adels einzudämmen. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, ob Sugers Leistungen für seinen Klosterpatron eine zeittypische Erscheinung darstellen. Auch Suger sieht sich dreisten Gebietsansprüchen einzelner Angehöriger des niederen Adels gegenüber; auch er schätzt große Versammlungen zur Verehrung der Heiligen, wendet große Mühe auf, um die Reliquien würdig zur Schau zu stellen, und propagiert die Leistun-gen seines Patrons für das Reich durch die Verwendung des Begriffs apostolus. Dieser Begriff hat eine Signalfunktion; er lässt sogleich an den hl. Remigius denken, zu dessen Abtei sich Saint-Denis in Konkurrenz befindet. Zugleich hat Suger damit eine Bezeichnung gewählt, die im 11. Jahrhundert für den hl. Martialis, den Patron der be-deutenden Abtei Saint-Martial in Limoges, diskutiert wurde. Insbesondere Ademar von Chabannes106 hatte sich um den Nachweis bemüht, daß Martialis tatsächlich ein Apostel, ein von Christus selbst beauftragter Verkündiger, gewesen sei. In seiner Epi-stola de apostolatu sancii Martialis107 hatte Ademar behauptet, Martialis habe ganz

105 s. dazu unten 106 zu Ademar: M. Manitius, Geschichte der lateinischen Literatur des Mittelalters, Zweiter Teil, München 1923, p.284-294; Wattenbach/ Holtzmann/ Schmale I, p.310s.; K.F . Werner, Art. Ademar von Chabannes, LexMA I (1980), 148-149; D.F . Callahan, The Sermons of Ademar of Chabannes and the Cult of St.Martial of Limoges, in: RB 86/1976 p.251-295 107 PL 141, 89-112

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3. Der heilige Martialis 99

Aquitanien bekehrt und sei dort, in seinem spezielles Apostolatsgebiet, beigesetzt, wie Petrus in Italien und Jakobus in Spanien. Ademar forderte damit für Limoges den Rang eines Apostelgrabes, vergleichbar mit R o m oder Santiago.108

Ademars Bemühen um den Nachweis der Apostolizität des hl. Martialis war letztlich nicht erfolgreich109; als Zeugnisse eines Ringens um möglichst hohe Achtung für einen Ortsheiligen und im Blick auf die Reliquienverehrung, die hier als ein wesentliches Merkmal mit der Gottesfriedensbewegung verbunden ist110, sind seine Schriften jedoch Bestandteil des geistigen Hintergrundes auch für Sugers Ausführungen. Ubereinstim-mungen und Unterschiede sollen nun herausgearbeitet werden. Die Abtei Saint-Martial war ein bedeutendes geistliches Zentrum111 und wichtiges Pil-gerziel. Ademar von Chabannes, geboren um 988, war hier ausgebildet worden, ge-hörte aber der Abtei Saint-Cybard in Angoulême an112. Außer der erwähnten Epistola und einer in drei Büchern angelegten Chronik113 verfasste er eine kurze Geschichte der Abte von Saint-Martial sowie zahlreiche Predigten und verschiedene Hymnen, die ebenfalls seinem Ziel, den hl. Martialis als Apostel zu ehren, dienen. Ferner dichtete er Hymnen für die Abtei Saint-Cybard; Szöverffy114 listet die dem hl. Eparchius gewid-meten (und damit dem Kloster Saint-Cybard zugehörigen) liturgischen Dichtungen Ademars auf und äußert die Vermutung, dass Ademar auch zum Hymnar von Saint-Martial beigetragen habe. Die von Szöverffy genannten Texte für das Kloster Saint-Cybard sind ediert von G. M. Dreves115 ; ihre spezielle Ausrichtung auf das Lob des Klosterpatrons schränkt ihre Verwendbarkeit auf den Bereich seiner Verehrung ein116.

108 Zur Bewertung dieses kühnen Vorgehens s. J. Ehlers, Politik und Heiligenverehrung in Frankreich, in: J.Petersohn (Hg.), Politik und Heiligenverehrung im Hochmittelalter (Vor-träge und Forschungen, hg. vom Konstanzer Arbeitskreis für mittelalterliche Geschichte, XLII), Sigmaringen 1994, p. 149-175, hier p. 166s. 109 Um ein einfühlsames Bild dieser Situation bemüht sich R. Landes, Relics, Apocalypse, and the Deceits of History. Ademar of Chabannes,989-1034. Cambridge, Massachusetts, London 1995 110 dazu H. Hoffmann, Gottesfriede und Treuga Dei. Stuttgart 1964, unveränderter Nach-druck 1986 (Schriften der MGH,20), p.20-36 111 Literatur zur Produktion liturgischer Handschriften in Saint-Martial bei Ehlers, op.cit., p.163 nt. 91, nt.92 112 Er ist nicht identisch mit dem Abt gleichen Namens, Ademar von Limoges (1063-1114); dazu A. Sohn, Der Abbatiat Ademars von Saint-Martial de Limoges (1063-1114). Ein Beitrag zur Geschichte des cluniazensischen Klösterverbandes, Münster 1989 (Beiträge zur Geschichte des alten Mönchtums und des Benediktinertums, 37) 113 Ademari Cabannensis Chronicon, ed. P. Bourgain (adiuv. R. Landes, G. Pon) CCCM 129 (Ademari Cabannensis Opera omnia, pars 1) Turnhout 1999 114 J. Szöverffy, Die Annalen der lateinischen Hymnendichtung. Ein Handbuch. Bd. I: Die la-teinischen Hymnen bis zum Ende des 11.Jahrhunderts. Berlin 1964; zu Ademar p.367-369 115 AH 48 (Leipzig 1905) 116 Für die Deutung von Sugers Versen ist allenfalls Nr. 15 (11) "De sancto Eparchio" (Inc.: Tempora prisca Deus sanctis insigniter almis, loc.cit. p.27s.) interessant. Dort wird Eparchius in die Aufzählung verschiedener Heiliger eingeschlossen, deren Weltverachtung ihre Hingabe an Christus begleitet (v.20 Divitias spernens saecli pro nomine Christi), und seine vorbildhafte Wirkung auf die Mönche preist Ademar v.23ss: pauperibus largus, monachis quoque semper amandus,/ moribus, exemplis formas quos optime sanctis, / ad vitam revocans mortis in fuñera

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100 III. Der heilige Dionysius als Konkurrent anderer Heiliger

Ademars Bedeutung liegt indessen weniger in seiner Leistung als Hymnendichter als in seinem umstrittenen Versuch, den hl. Martialis als Patron seines Missionsgebietes zu promovieren. Ein wesentliches Element dabei ist die Behauptung, Martialis sei tat-sächlich ein Apostel, ein von Christus selbst beauftragter Verkünder des Glaubens, gewesen. Die Wirksamkeit der behaupteten Beziehung des hl. Dionysius zum Apostel Paulus hatten wir in Hilduins Passio beobachten können. Mit der Propagierung des hl. Martialis als Apostel erhob Ademar den Anspruch auf eine ähnlich weit zurückrei-chende Ehrwürdigkeit.

Im Frankreich des Hochmittelalters bestand eine enge Beziehung zwischen Politik und Heiligenverehrung. Die Bindung des Herrschers an einen bestimmten Heiligen und dessen Rang als Schutzherr des Reiches waren miteinander verwoben, doch konn-ten diese Geflechte auch durch neue abgelöst werden. Verschiedene Vorgänge konnten zu einem solchen Wandel führen. Unter diesem Aspekt ist Ademars Einsatz für den Lokalheiligen von Limoges zu sehen.117

Gregor von Tours zählt den hl. Martialis118 zu einer Gruppe von Missionaren, die um die Mitte des 3. Jahrhunderts vom Papst nach Gallien geschickt wurden. Nachdem Martialis die Stadt Limoges bekehrt hatte, war er dort Bischof; nach seinem Tode wurde er in einer Krypta bestattet, in der auch einige seiner Gefährten beigesetzt wur-den. Während der Merowingerzeit zogen bereits Pilger dorthin, und im späten achten Jahrhundert oder während der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts, als sich ein lo-kaler Kult um die Reliquien des hl. Martialis etabliert hatte, wurde eine erste Vita des Heiligen bekannt. Diese "Vita Antiquior" stellt Martialis als Schüler des heiligen Petrus zur Zeit der Apostel dar; Petrus selbst habe Martialis nach Limoges entsandt. Um die Mitte des neunten Jahrhunderts wurde über den Gebeinen des Heiligen eine neue Kirche erbaut; die Gemeinschaft, die den Dienst am Grab versah, übernahm die Benediktregel. Furcht vor den Wikingern machte eine Flucht mit den Reliquien not-wendig; die Rückkehr ließ den Martialiskult im zehnten Jahrhundert wieder aufleben. Eine neue Vita wurde bekannt, als deren Autor Aurelian, der Nachfolger des hl. Mar-tialis im Bischofsamt, galt. Diese Vita berichtet, der hl. Martialis sei nicht nur ein Schüler des Petrus, sondern ein geliebter Jünger Christi selbst gewesen; nach der Be-kehrung vieler Einwohner von Limoges habe er Stephanus, den römischen Komman-danten Galliens, getauft, der ihn fortan in der Missionstätigkeit unterstützt habe; in

mersos, / lumina restituens caecisque viatica claudis, / morbida persanans aegrorum milia pas-sim - "Freigiebig gegenüber den Armen, bist du immer liebernwert für die Mönche, die du in vorzüglicher Weise durch deine Sitten und deine heiligmäßigen Beispiele formst; zum Leben rufst du diejenigen zurück, die im Grab des Todes versunken waren, gibst den Blinden das Licht zurück und den Lahmen, was sie auf dem Weg brauchen, überall heilst du Tausende von Kranken." Der Text erinnert an Sugers Verse auf den Türflügeln: Mens hebes ad verum per materialia surgit / et, demersa prius, bac visa luce resurgit. Dabei lässt sich nicht entscheiden, ob in Ademars Gedicht auf Heilungswunder des hl. Eparchius angespielt wird oder eine eher bildliche Aussage vorliegt; gemeinsam ist Ademar und Suger die Verknüpfung von Auferste-hungsbildern mit der Rückgewinnung des Sehvermögens, die jedoch auch anderweitig belegt ist.. 117 Ehlers, op.cit. p. 155; p.162 118 Der folgende Uberblick über die Entstehung des Martialis-Kults orientiert sich an den Aus-führungen von D.F. Callahan, op.cit., p.252-263

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der nach Stephanus benannten Kirche sei Martialis später bestattet worden. Sehr wahrscheinlich jedoch handelt es sich bei dieser dem Aurelian zugeschriebenen Vita um eine Fälschung Ademars selbst119. Als Limoges und Umgebung im späten zehnten Jahrhundert von einer Seuche, dem "mal des ardents"120, heimgesucht wurde, rief man den hl. Martialis um Hilfe an. Die Heilung zahlreicher Menschen und das Verschwinden der Seuche wurden seiner Für-sprache zugeschrieben und festigten seinen Ruhm. Am 11. November 994 fand in Li-moges ein berühmtes Konzil statt, das Bischof Alduin von Limoges, Abt Gosfried von Saint-Martial und Herzog Wilhelm V. von Aquitanien zusammengerufen hatten; in der eben überstandenen Seuche erblickte man eine Strafe Gottes für Unfrieden und Rechtsbrüche, wie sie im zehnten Jahrhundert häufig geschahen. Die Zusammenkunft in Limoges stand im Kontext der Gottesfriedensbewegung, sie war ein Friedenskonzil: Dreitägiges Fasten, eine Translation des hl. Martialis und ein pactum pacis, das künfti-ge Ubergriffe verhindern sollte, standen im Mittelpunkt121. Im letzten Viertel des zehnten Jahrhunderts hatten der Aufschwung des Befestigungs-wesens und der Ubergang vom Holz- zum Steinbau dem Adel eine zuvor nicht ge-kannte "de-facto-Unabhängigkeit" verschafft. Unter den häufig aufbechenden Privat-kriegen des Adels hatte die einfache Bevölkerung, besonders aber die Kirchen zu lei-den, sie hatten keine Möglichkeit, sich gegen Übergriffe habgieriger Vögte und streit-barer Burgherren zu schützen. Die Gottesfriedensbewegung sollte hier Abhilfe schaf-fen122. Einer derartigen Situation sah sich Suger auch gegenüber, als er an die wirtschaftliche Konsolidierung seiner Abtei ging. Er beschreibt in De administratione, wie Besitzun-gen der Abtei unter tyrannischen Burgherren zu leiden haben123. Während es nun Su-ger gelingt, seiner Abtei die ihr zustehenden Rechte zu sichern - zum Teil geschieht

119 Ehlers, op. cit., p. 169; zu Ademar als Fälscher im Dienste seines Klosterpatrons: H. Schneider, Ademar von Chabannes und Pseudoisidor - der "Mythomane" und der Erzfälscher, in: Fälschungen im Mittelalter. Teil II Hannover 1988 (MGH Schriften, 33,2), p.129-150 120 Callahan, op.cit.p.255; H. Hoffmann, op.cit.,p.27 121 H. Hoffmann,op.cit.,p.27; Sohn, op.cit.,p.28s. 122 H. Hoffmann, op.cit.p.l2s.; R. Landes, op. cit.,p.24-28 123 adm 18,89ss < Einkünfte aus > Tremblay: Cum eadem villa multis angariis a comité Domni Martini [..]premeretur; adm 37,170ss <Einkünfte > aus dem Vexin: Nos autem [..] et serviert-tium reprimendo rapacitatem, advocatorum etiam pravorum importunam refellendo infestado-nem, pro quo multa in novitate nostra milicie usibus expendimus, illuc usque [..] perduximus ..; adm 54,226ss Possessionem beati Dyonisii, in qua continetur Mesnile sancti Dionysii et Domna Petra et cetere ville in valle castri [..] a multis retro temporibus tribus talliis expositam, videlicet domino castri Cabrose et domino castri Nielphe et Symoni de Villa Aten, eorum rapacitate om-nino fere destitutam non sine magnis expensis ab huiuscemodi oppressionibus emancipavimus; adm 65, 285ss < Einkünfte > aus Monnerville: Succedit et alia prope illam beati Dyonisii villa, que dicitur Monarvilla, villa omnium facta miserrima, que sub iugo castri Merevilla conculcata non minus quam Sarracenorum depressione mendicabat, cum eiusdem castri dominus, quocienscumque vellet, in eadem hospicium, cum quibuscumque vellet, raperet, rusticorum bona pieno ore devoraret [..] importabiles quasque molestias pro consuetudine tolleret; adm 155,672ss < Einkünfte > aus Berneval (-le-Grand): In ea autem que dicitur Bernevallis possessione [..] in qua etiam primam ali-cuius prepositure [..] suscepi obedientiam, quam [..] ab oppressione exactorum regiorum quos dicunt graffiones multo labore multisque placitis emancipaveram;

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dies mit Hilfe des Königs, der dabei als Schützer der Kirchen und des Rechts gelobt wird124 - , war vor dem Aufkommen der Gottesfriedensbewegung die Hilfe des Königs allzu oft ausgeblieben. Hoffnung setzte man schließlich auf den jeweiligen Kirchenpa-tron125. In diesem Zusammenhang steht das Friedenskonzil zu Limoges 994. Die erwähnte Translation des hl. Martialis anlässlich des Friedenskonziis zu Limoges wird ausführlich geschildert in einem anonymen Bericht, den Sackur nach einer Pari-ser Handschrift des 14. Jahrhunderts ediert hat126. Ademar von Chabannes geht auf das Ereignis in zwei Sermones ein. Hier sind bereits einige Details zu beobachten, die auch in Sugers Schilderung auffallen: Ademar hebt die Versammlung von Bischöfen hervor127, die der Translation einen offiziellen und feierlichen Rahmen verleiht128, er-wähnt Psalmengesang und eine goldene arca129, die die Bischöfe eigenhändig tragen.

124 adm 80,368-81,374 regem adivimus Ludovicum, ecclesiarum depopulationem, pauperum et or-phanorum deplorationem, ecclesiarum elemosinis antecessorum suorum et suis exheredationem lacrimabiliter exposuimus. Qui ut erat vir nobilissime industrie, plenus pietate, ecclesiarum bona deinceps destruí a prefato nequam nullo modo pateretur, iureiurando firmavit. 125 Hoffmann, op.cit., p.19; mit stark abwertender Tendenz äußert sich zu diesem Phänomen B. Töpfer, Reliquienkult und Pilgerbewegung zur Zeit der Klosterreform im burgundisch-aquitanischen Gebiet, in: H. Kretzschmar (Hg.): Vom Mittelalter zur Neuzeit. Zum 65. Ge-burtstag von Heinrich Sproemberg, Berlin 1956. S.420-439, z.B. p.435 :"Ebenso konnte man die breite Masse der Ausgebeuteten für den Heiligen und damit die Kirche gewinnen, indem man ihr zu beweisen suchte, daß der Heilige ein sicherer Helfer gegen Raub und Plünderung von Seiten zügelloser Feudalherren war." Zum Gottesfrieden s. auch T. Head/ R. Landes, The Peace of God. Social Violence and Religious Response in France around the Year 1000, Ithaca - London 1987; darin zu Ademar: R. Landes, Between Aristocracy and Heresy: Popular Parti-cipation in the Limousin Peace of God, 994-1033 (loc. cit., p. 184-218) 126 E. Sackur, Die Cluniacenser in ihrer kirchlichen und allgemeingeschichtlichen Wirksam-keit bis zur Mitte des elften Jahrhunderts. I. Darmstadt 1965,p.392ss.: Translatio beati Martia-lis de Monte Gaudio (Cod. Paris, lat. nr.810,saec.XIV) 127 Ademar, Sermo 1, PL 141,117 Β Verum ad illam beatam congregati pariter sunt translatio-nem episcopi Septem quasi angeli Septem Ecclesiarum, ut ipso sacro septenario nobis doctoris trans-latio celebrior esset - "Zu dieser heiligen Translation aber versammelten sich auch sieben Bi-schöfe - gleichwie die Engel der sieben Gemeinden -, auf daß uns durch diese heilige Sieben-zahl die Translation unseres Lehrers desto feierlicher sei" (Ademar spielt hier auf die in der Apokalypse - Ape 1,4 - genannten sieben Gemeinden an und beabsichtigt damit eine Überhö-hung der Feierlichkeit; zur Zahl der Bischöfe kritisch Hoffmann, op. cit. p.27 128 Ebenso unterstreicht Suger durch die Einladung vieler Bischöfe die Dignität seiner Feier-lichkeiten: cons 42,235ss quomodo et quibus personis et quod valde sollempniter Deo omnipotenti consecraretur deliberantes, accito egregio viro Hugone Rotomagensi archiepiscopo et aliis venerabi-libus episcopis, Odone Beluacensi, Petro Silvanectensi ad id peragendum multimodam laudem magnarum diversarum personarum ecclesiasticarum, cleri et populi máximo conventu decantaba-mus; cons 75, 461ss Et quoniam tarn ipsam [ = consecrationem] quam sanctorum dominorum no-strorum [..] translationem fieri celeberrimam optando affectaremus [,.];76,470ss [..] archiepiscopos, episcopos ex parte sanctorum et debito apostolatus eorum tante interesse sollempnitati votive sollici-tavimus. 129 Ademar, Sermo 2, PL 141,119 A Cum autem psallentium chorus patroni membra de sepul-chre in basilicam Salvatoris, quae regalis dicitur, in arca aurea portaret, multitude infinita illa ar-dentium mox curationem plenam meruit [..] "Als jedoch ein Chor von Psalmen singenden Menschen die Gebeine unseres Patrons aus seinem Grab in einer goldenen Lade in die Kirche

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3. Der heilige Martialis 103

Ein wichtiger Unterschied besteht bei Suger darin, dass der König selbst aus der Hand der Bischöfe die silberne Lade entgegennimmt. Suger nutzt die Gelegenheit, die Ver-bundenheit des Königs mit seinem Heiligen zu unterstreichen130. In seiner Chronik geht Ademar vergleichsweise knapp auf dieses Ereignis ein; dafür nimmt er in diesem Werk zahlreiche andere Gelegenheiten wahr, den Ruhm des hl. Martialis zu mehren. Großen Raum nimmt hier z.B. auch ein Ereignis aus dem Jahre 1010 ein: Abt Hilduin von Saint-Jean-d'Angély hatte in seiner Kirche das Haupt Jo-hannes des Täufers gefunden, das Herzog Wilhelm alsbald öffentlich zeigen ließ. Ademar äußert zwar Bedenken bezüglich der Seriosität dieses sensationellen Fundes131, berichtet jedoch über die Reaktionen darauf. Die Mitteilung über die Pracht der von König Robert II. (gest. 1031) dargebrachten Geschenke132 mag Suger ebenso beein-druckt haben wie die Beschreibung einer zu diesem Anlass vorgenommenen Erhebung der Reliquien des hl. Martialis. Wir finden hier Elemente, die Suger effektvoll auch in De consecratione verwendet: neben dem Hinweis auf die Menge der beteiligten Mön-che und den Psalmengesang fällt die Angabe kostbarer Materialien auf, für die Ademar

des Heilands (sie wird > die königliche < genannt) trug, da erfuhr jene unendliche Menge von Leuten, die am "mal des ardents" litten, alsbald die Gnade vollständiger Heilung."119 Β At vero eadem sancta membra cum sacerdotum manibus de sepulchro inferrentur in vas aureum ubi recondita sunt - "Als die heiligen Gebeine aber von den Händen der Bischöfe aus dem Grab in das goldene Behältnis gelegt wurden, wo sie geborgen sind .." 130 cf. cons 92,562ss Eapropter ipse dominus rex se medium eis ingerens lecticam argenteam specia-lis patroni de manu episcoporum [..] assumens tarn devote quam honeste previus egrediebatur; zur Deutung dieses Vorgangs als "symbolträchtiger Ausdruck der rechtlichen Zuständigkeit" s. J . Petersohn, Saint-Denis - Westminster - Aachen. Die Karls-Translatio von 1165 und ihre Vor-bilder, in: DA 31 (1975),p.420-254, hierp.432. 151 cf. Chronicon 111,56, ed. P. Bourgain, CCCM 129 p,175,10s.: A quo tarnen vel quo tempore vel unde hue delatum, vel si Praecursoris Domini sit, haudquaquam fideliter patet; - "Von wem aber oder zu welcher Zeit oder von woher es hierher gebracht worden sein soll, oder ob es [tatsächlich das Haupt] des Wegbereiters unseres Herrn ist, das liegt keineswegs in zuverlässi-ger Weise zu Tage"; zu Ademars Zweifel an der Echtheit dieser kostbaren Reliquie s. außer-dem Ehlers, op. cit. p. 164 152 Ademar, Chronicon, CCCM 129 cap.56, p.176 Ubi omnes offerebant muñera preciosa diver-sorum generum: nam supradictus rex Francorum, oblata conca ex auro purissimo pensante libras XXX et preciosis vestibus olosericis et auro textis ad ornatum ecclesiae, a duce Willelmo susceptus condigne, per Pictavis Franciam reversus est. Quid dicam? quia ultra omnem felicitatem et gloriam videbatur concursus psallentium cum reliquiis sanctorum ex monachis et canonicis, qui undecum-que ad memoriam sancii Precursoris festinabantur. Inter hec festiva, reliquiae corporis principis summi, qui pater est Aquitanorum et primus Galliarum spermologus, videlicet beati apostoli Mar-cialis, simul cum reliquiis sancii Stephani Lemovice sedis illue deferebantur. Protractis itaque sancii Marcialis in vectorio ex auro et gemmis pigneribus foris basilicam propriam, mox omnis Aquita-nia, quae iam diu nimis pluviorum inundationibus laboraverat, adventu patris sui laetificatur se-renitate reddita. Cum eisdem equidem pigneribus abbas Josfredus atque episcopus Giraldus, cum principibus numerosis et omni innumerabili populo, diverterunt in basilicam sancii Salvatoris Carrofi. Exierunt eis obviam monachi cum omni plebe foris miliario uno, et cum apparatu honorí-fico, diem festum agentes, antiphonas excelsa voce intonantes, deduxerunt eos usque ad altare Salva-toris.

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eine "unverhohlene Vorliebe" hat133. Diese Vorliebe ist auch in seinen Sermones zu er-kennen, die u.a. in einem Pariser Codex, einem Autograph Ademars, überliefert sind134. Ademar äußert hier seine Uberzeugung, Gold und Silber zum Schmuck der Kirche aufbieten zu müssen135, und verwendet als Argument ein Bibelzitat, das bei Su-ger nachklingt, wenn er die goldenen Platten des Hauptaltars beschreibt13'. So emp-

"Da brachten alle kostbare Geschenke verschiedener Art: denn der oben genannte König der Franken wurde in würdiger Weise von Herzog Wilhelm empfangen, nachdem er eine Mu-schel von reinstem Gold, 30 Pfund schwer, sowie kostbare seidene und mit Gold durchwirkte Gewänder zum Schmuck der Kirche dargebracht hatte, und kehrte durch das Poitou in die Francia zurück. Was soll ich noch sagen? Man sah ein Zusammenströmen von Psalmen sin-genden Menschen - über alle Glückseligkeit und Herrlichkeit hinausgehend! - von Mönchen und Kanonikern, die mit Reliquien von allen Seiten zur Memoria des heiligen Wegbereiters eilten. Im Rahmen dieser Festlichkeiten wurden die Reliquien vom Leib unseres höchsten Fürsten, nämlich des heiligen Apostels Martialis - er ist der Vater der Aquitanier und derjeni-ge, der als erster den Samen der Verkündigung in Gallien verbreitete -, gemeinsam mit den Reliquien des heiligen Stephanus von ihrem Sitz zu Limoges dorthin getragen. Als man nun die Unterpfänder des heiligen Martialis in einer Lade aus Gold und Edelsteinen aus seiner ei-genen Kirche hinausgetragen hatte, da konnte ganz Aquitanien, das schon lange allzusehr un-ter Regenfluten zu leiden gahebt hatte, sich darüber freuen, dass bei der Ankunft dieses seines Vaters ihm das gute Wetter zurückgegeben wurde. Mit diesen Reliquien begaben sich Abt Jos-frid und Bischof Giraldus, zusammen mit zahlreichen Fürsten und dem ganzen zahllosen Volk in die Salvatorkirche zu Charroux. Die Mönche traten heraus und gingen ihnen entge-gen, gemeinsam mit dem ganzen Volk draußen - mit tausend [Menschen]-, und indem sie mit geziemendem liturgischem Gerät den Festtag begingen und mit lauter Stimme Antiphonen erklingen ließen, geleiteten sie sie bis zum Salvatoralter."

133 Ehlers, op. cit., p.l63,nt. 89 134 Callahan, op. cit., zitiert aus dieser Handschrift (Paris, B.N. lat. 2469) mehrere Predigten, die mir lediglich innerhalb dieser Publikation zugänglich waren; einige Texte finden sich auch ediert bei E. Sackur, Die Cluniacenser in ihrer kirchlichen und allgemeingschichtlichen Wirk-samkeit bis zur Mitte des elften Jahrhunderts. II. Darmstadt 1965, p.479ss: Aus ungedruckten Predigten des Ademar von Chabannes, sowie bei V. Mortet, Recueil de textes relatifs à l'hi-stoire de l'architecture et à la condition des architectes en France au Moyen âge XI-XII siècles, Paris 1944; auf fol.68v bis 70 der Handschrift findet sich eine Predigt, die M.-M. Gauthier mit frz. Übersetzung abdruckt: M.-M. Gauthier, Sermon d'Adémar de Chabannes pour la transla-tion de saint Martial le 10 octobre, in: M.-M. Gauthier/J. Perrier/A.-F. Blanchon/J. Maury, "Sepulcre" de saint Martial de Limoges. Fouilles en 1960, Sermon d'Adémar de Chabannes et Colonnes de granit de Saint-Junien, Limoges 1961 135 Paris, B.N.lat. 2469, fol.42r: Quis non videat auctoritatem plurimam esse tarn veteris quam novi instrumenti, ecclesiam Dei ornandam foris in oculis carnalium, non sine argenti et auri ve-nustatef - "Wer sieht denn nicht, dass höchste Autorität des Alten wie des Neuen Testaments darüber belehrt, dass die Kirche Gottes äußerlich vor den Augen der Menschen geschmückt werden muss, und zwar nicht ohne die Schönheit von Silber und Gold?" (Callahan, op.cit., p.291, nt.3); cf. Paris, B.N.lat.2469, fol.42r.: Cruces siquidem in ecclesia argento et auro ac gem-mis decorari constat ab ipsis apostolis primum fuisse traditum. (Callahan, ibid.: On the use of pearls fol.42v.); cf. adm 201,909ss 156 Paris, B.N.lat.2469, fol.41v. Nihil, inquit Scriptura, erat in Templo, quod non auro tegeretur. (Callahan, op.cit., p.291; The sermon continues on folio 42r and refers to the "centum talenta argentipopulus Israel Deo optulit ad Templi decorem amplificandum."; cf. adm 214,969ss Princi-

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3. Der heilige Martialis 105

findet er es auch als angemessen, wenn Pilger das Grab des hl. Martialis mit kostbaren Geschenken ehren137. Dennoch läßt er keinen Zweifel daran, dass die Reliquien selbst die größte Kostbarkeit der Kirche darstellen138. Ganz ähnlich betont Suger in der Ordinatio, dass die von Karl dem Kahlen nach Saint-Denis gegebenen Passionsreliquien die reichhaltigen materiel-len Schenkungen an Wert weit überbieten13'. Dass die Abtei, insbesondere die Stephanusbasilika, kostbar ausgestattet war, geht auch aus Ademars Commemorano abbatum hervor; unter dem Abbatiat Guigos hatte ein Brand große Teile des Kirchenschatzes vernichtet, und als Ersatz dafür war eine goldene Sitzstatue des hl. Martialis gefertigt worden140. Diese Statue wurde später an-lässlich der oben erwähnten Translation 994 zu einem Schrein umgearbeitet; Ademar erwähnt ferner goldene Kreuze mit Edelsteinen und eine mit Edelsteinen besetzte gol-dene Krone, die vor dem Heiligengrab hing141. Die positive Bewertung dieser kostba-

pale igitur beati Dyonisii altare [..] omatum iri accelaravimus et utrique lateri aureas apponendo tabulas quartam eiam preciosiorem, ut totum circumquaque altare apparerei aureum, attollendo circumcingifecimus. 137 Paris,B.N.lat. 2469,fol.92r "Nam ipsi famosissimi Aquitaniae duces et capita populorum et ma-gistrates, hoc sempitemi regis templum maximis muneribus honoraverunt."(Callahan, op. cit., p.290) - auch Suger legt Wert auf die Feststellung, dass viele bedeutende Leute der Kirche Kostbarkeiten zukommen lassen: adm 194,871ss, 195,874ss 138 Sed etiam quod omni lapide precioso preciosius constat, ipso corpore suo sepulto ibidem, banc aulam rutilantiorem omnibus ecclesiis Galliarum reddidit. Hinc caeli benedicant Dominum, terra conlaudet omnipotentem, quia Marcialis corpore aulam suam presentem dignatus est, quia Galliae proprium patronum in bac ecclesia quiescere voluit - "Doch was bekanntlich kostbarer ist als je-der kostbare Stein: indem sein Leib hier bestattet wurde, verlieh er dieser Kirche höheren Glanz als allen anderen Kirchen Galliens. Daher rühmen die Himmel den Herrn, lobt die Er-de den Allmächtigen, weil Martialis diese gegenwärtige Kirche seines Leibes gewürdigt hat, weil er wünschte, dass der eigene Patron Galliens in dieser Kirche ruhe"; Paris, B.N.lat. 2469 fol.40v (Callahan, op.cit.,p.290) 139 cf. ord 30, 155ss [Carolas imperatori qui eius ecclesiam tot et tantis possessionibus nobilitavit, tot auri et preciosarum gemmarum omamentis declaravit, insuper ad cumulum omnium bonorum insignibus dominice passionis videlicet clavo et corona Domini et brachio sancii senis Symeonis tamquam splendidissimo veri solis tubare irradiantem celeberrime insignivit. 140 Ademar, Commemoratio abbatum, PL 141, 82 C Ipsius abbatis [ = Guigonis] prmcipatu crypta aurea Martialis apostoli media nocte igne est combusta cadente candela una minus restincta inter multitudinem candelarum, et lapides pretiosissimi tunc ab igne corrupti sunt, et quidquid intra domum ipsam erat quod ardere poterai, flammis concrematum est, libri cremati, aurum et argen-tum liquefactum et intra quindecim dies cripta aurea cum gemmis a novo restaurata est a Josberto custode sepulcbri monacbo. Idem Josbertus iconem auream sancii Martialis apostoli fecit, sedentem super altare, et manu dextra populum benedicentem, sinistra librum tenentem Evangelii. Supradic-tum incendium in mense Iunio accidit ante festivitatem sancti Martialis. 82 D Decimus abbas Jos-freduspraefuit annis VII. cf. Ehlers, op.cit.,p.l63. 141 Ademar, Commemoratio abbatum, PL 141,82 D/83 A Ideo Josfredus abbas et episcopi Aqui-taniae adunati Lemovicas levaverunt corpus sancti Martialis apostoli et in montem Gaudii trans-tulerunt, et exinde pridie Nonas Decembris tumulo suo restituerunt, et cessavit pestilentia ignis. Hie de icona aurea loculum fecit aureum cum gemmis in quo vectum est corpus sancti Martialis. Hie duos cruces ex auro et gemmis fecit; [..] Duodecimus abbas itidem Josfredus praefuit annis duo-decim. Hie coronam auream cum gemmis pendentem ante corpus beati Martialis fecit.

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ren Stücke bildet als eine materielle Facette der Heiligenverehrung den Hintergrund auch für Sugers Bericht über die erworbenen ornamenta, die er in De consecratione und De administratione aufzählt. Die Entwicklung der Abtei Saint-Martial zu einem bedeutenden Pilgerzentrum gab Anlass zum Bau einer neuen Kirche von Aufsehen erregender Größe und Ausstattung142. Zuvor hatten in der alten Kirche zahlreiche Pilger im Gedränge den Tod gefunden; Ademar berichtet in seiner Chronik darüber143. Sugers Schilderung der Zustände, die in seiner Kirche vor der Erweiterung herrschten, mag aus dem Entset-zen über den grauenvollen Vorfall gespeist sein: wie in Limoges entsteht das Gedränge beim Eintreten, es kommt zu einem Durcheinander von Männern und Frauen, Men-schen werden niedergetreten, haben den Tod bereits vor Augen; das Röcheln mit letz-tem Atem scheint ein Reflex von Ademars Wahl des Wortes expiraverunt^. Der Neubau war - in Limoges wie in Saint-Denis - unabweisbar notwendig. Die Weihe der neuen Kirche thematisiert Ademar in einigen seiner Predigten, die er am Gedächtnistag der Weihe hielt. Drei von ihnen wurden von E. Sackur ediert145. Bereits in der ersten146 fallen Elemente auf, die in De consecratione wiederkehren: Der Hinweis auf die große Antei lnahme des Volkes wie des Klerus147 und der Bericht über

142 cf. Ehlers, op.cit., p.163; Callahan, op.cit., p.255; Argumente für den Neubau finden sich in der von M.-M. Gauthier abgedruckten Predigt, op.cit., p.75: Cuius potioris reverentiae inten-tione illa regalis basilica summo studio a novo exorsa et consummata erat, quatinus quanto esset spatiosior ecclesia, tanto latior ante sacra apostoli membra et licentior in posterum fieret gloria, quanto aedes amplior, eo laudantium copia numerosior. 143 Ademar, Chronicon, III 49 CCCM 129, p.169 (zum Jahr 1017: Per hos dies Josfredus basili-cam regalem maion opere coepit renovare. Quadragesima vero media ad nocturnas vigilias multi-tudinepopuli in eamdem basilicam ad tumulum beati Marcialis intrante, viri cum mulieribus plus quinquaginta invicem conculcati intra ecclesiam expiraverunt, et die crastina sepulti sunt. "In diesen Tagen begann Josfrid die königliche Basilika in größerem Werk zu erneuern. Als in der Mitte der Fastenzeit zur Feier der Nokturn die Volksmenge in die Kirche hinein zum Grab des heiligen Martialis strömte, kamen mehr als 50 Männer und Frauen, die einander nieder-trampelten, in der Kirche zu Tode und wurden tags darauf begraben." 144 cons 10,81- 12,100 145 E.Sackur, op. cit., vol.II, p.479-487 146 Paris,B.N.lat.2469,fol.89r-90, Sackur, op.cit., p.479s.; in der zweiten (fol.90, Sackur p. 480-482) ist für unseren Zusammenhang lediglich der Hinweis auf eine Kreuzreliquie interessant: fol.90 (p.482) [..] De Ugno etiam dominicae crucis praetiosa in hoc templo sunt pignora recondita [..]; cf. adm 212,961ss [Eugenius papa] qui eundem crucifixum ea die sollempniter consecravit, de titulo vere crucis que omnem et universalem excedit margaritam, de capella sua portionem in eo as-signavit [..]. 147 fol.89r (p.479) [..] Ecce enim ad hanc solito more anniversariam templi festivitatem propter impetrandam divinae largitatis clementiam non solum vulgaris plebs, verum etiam principum fre· quentia et nobilium claritas devote accurrit. Episcoporum etiam sacer conventus propter pads uni-tatem firmius foederandam ad huius domus sollempnitatem in nomine Domini congregatus est. "Denn siehe, zu dieser in gewohnter Weise zum Jahrestag der Kirche [vorgesehenen] Festlich-keit kamen eilends nicht nur das gemeine Volk, sondern auch die Fürsten in dichter Menge und die Edlen in ihrem Glänze demütig herbei, um das reiche Geschenk der göttlichen Huld zu erflehen. Auch die heilige Schar der Bischöfe versammelte sich im Namen des Herrn zur Feier dieses Gotteshauses, um die Einheit des Friedens desto fester im Bunde zu bekräftigen."

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eine feierliche Translation - das Erheben der Reliquien von ihrem bisherigen Ort, das freudige Tragen auf den Schultern und die Versammlung vieler Heiliger sind beson-ders auffällige gemeinsame Merkmale148. Auch die dritte Predigt hebt die Beteiligung vieler Menschen von nah und fern hervor149; in Limoges ist die Versammlung so vieler Menschen sowohl durch das bevorstehende Ereignis (Translation und Kirchweihe) als auch durch das Anliegen des Friedens bedingt, das bei Suger keine erkennbare Rolle spielt. Suger fängt eine ähnliche Stimmung ein, widmet seine Darstellung jedoch aus-schließlich den seinem Heiligen und seiner Kirche geltenden Feierlichkeiten. Eine Predigt aus der genannten Handschrift beschreibt eingehend die Kirchweihe150; hier bestehen zahlreiche Übereinstimmungen zwischen Suger und Ademar, so dass es

[..] - fol.89v (p.480) Dignum denique et conveniens de hac Salvatoris mundi basilica pastoribus Aquitaniae visum, fuit, ut multi ad earn dedicandam episcopi congregarentur. "Schließlich schien es den Hirten Aquitaniens würdig und angemessen im Blick auf diese Kirche des Heilands der Welt, dass zu ihrer Weihe sich viele Bischöfe versammelten." - cf. cons 42,239s. magnarum di-versarum personarum ecclesiasticarum, cleri et populi máximo conventu\ cf. cons 76,470ss archie-piscopos, episcopos ex parte sanctorum et debito apostolatus eorum tante interesse sollempnitati vo-tive sollicitavimus. 148 fol.89v (p.480) Pro hac etenim dedicatione et illa res maxima ad effectum usque perducta est, scilicet ut apostoli sacratissimum corpus tunc a loco suo levaretur, et in idem salvatoris domini sanctuarium introduceretur. Quod inestimabile margaritum praeciosum onus gaudentes episcopi in humeris suis ferebant a loco, qui solet dici Möns Gaudii usque ad ipsum sanctuarii altare iam dedicatum in ipsa Domini basilica. "Für die Weihe war auch jenes hoch erhabene Vorhaben ausgeführt worden, dass nämlich der hochheilige Leib des Apostels von seinem Ort erhoben und in ebendieses Heiligtum unseres Herrn und Heilands hineingeleitet werde. Diese un-schätzbare Perle trugen die Bischöfe freudig als kostbare Last auf ihren Schultern von jenem Ort, der üblicherweise Möns Gaudii genannt wird, zu dem bereits geweihten Altar des Heilig-tums in dieser Kirche des Herrn." - fol.90 (p.480) Sanctorum quoque multa corpora illuc de di-versis Aquitaniae locis adducta praeeunte eodem Aquitanorum patrono beatissimo Marciale simul in hoc divinum introducta sunt templum. "Auch waren viele Leiber von Heiligen aus verschie-denen Orten Aquitaniens dorthin gebracht worden und wurden mit Martialis, dem hochhei-ligen Patron der Aquitanier, an der Spitze zugleich in diese heilige Kirche hineingeleitet." Auch in De consecratione werden mehrere Heiligenschreine dem hl. Dionysius u. s. Gefährten entgegengetragen." cf. cons 93,569ss cum sanctorum corpora martirum et confessorum de tentoriis palliatis humeris et Collis episcoporum et comitum et baronum sanctissimo Dyonisio sociisque eius ad eburneum ostium occurrerunt. 149 fol.91 (p.482) Ad hanc Domini basilicae anniversariam sollempnitatem plures episcopi congre-gati pro pace populorum adstant, pacem cupientes omni Aquitaniae reparare. [..] Quod gens inte-rea Aquitanica audierat patroni sui ossa dudum ante hos annos in huius templi consecratione le-vanda, ideo ad ipsam multitude infinita convenire cum multis episcopis congratulabatur dedica-tionem; cf. cons 92,563s ipse dominus rex se medium eis ingerens lecticam argenteam specialis pa-troni de manu episcoporum [..] assumens [..] egrediebatur; eine ähnlich rege Beteiligung schildert Suger in adm 245,1090ss Aderant siquidem diversarum provintiarum archiepiscopi et episcopi, qui gratantissime quasi ex debito apostolatus Galliarum ad tante sollempnitatis celebrationem pia vota deferre accesserant, archiepiscopi scilicet Lugdunensis, Remensis [..], abbatum etiam et mona-chorum sive clericorum atque obtimatum conventus, sed et populi promiscui sexus turba innume-rabilis. 150 Paris, B.N.lat.2469,fol.94 r/v, Abdruck bei Mortet, op. cit., No. XXI p.80ss

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naheliegt, einen Einfluss Ademars auf Suger anzunehmen. Daher soll dieser Text hier kurz besprochen werden. Ademar lässt mit der Wendung ad decorem et misticum ecclesiae sacramentum pertinere [..] videtur gleich eingangs den Deutungsrahmen seiner Darlegungen erkennen: es handelt sich um einen Vorgang von sakramentaler Bedeutung und mystischer Dimen-sion151. Das Zusammenkommen der Bischöfe, die ihre Hirtenstäbe in der Hand halten, und der Ausschluss des Volkes152 gehören ebenso dazu wie der Hinweis, dass die Reli-quien die Nacht vor der Weihe außerhalb der Kirche verbracht haben153 ; auch Weihwasser und Chrisam werden erwähnt154. Die Weihe der Kirche fand im Herbst 1028 statt; etwa ein Jahr später schrieb Ademar seine Epistola de apostolatu sancii Martialis, die an Bischof Jordan von Limoges, Abt Odolrich von Saint-Martial, an weitere Bischöfe und Kleriker sowie Papst Johannes IX., ferner an Kaiser Konrad und Kaiserin Kunigunde sowie Herzog Wilhelm von Aquitanien gerichtet war und für die Verehrung des hl. Martialis als eines wahren Apostels argumentierte155. Parallelen zu diesem Schreiben sind bei Suger nicht nach-zuweisen; wenn es um strittige Fragen geht156, verhält sich Suger vielmehr sehr dis-kret, statt - wie Ademar für den hl. Martialis - kühne Behauptungen aufzustellen. Sei-ne Verwendung des Begriffs apostolus gewinnt vor dem Hintergrund der abenteuerli-

151 Mortet, p.81 Ad decorem et misticum ecclesiae sacramentum pertinere, dilectissimi, videtur, quod in dedicandis manu /actis templis a pontificibus agitur - Suger spricht von den Mysterien der heiligen Weihe, cons 87, 537s sánete consecrationis mysteriis, und preist im Schlussgebet das Durchscheinen einer unsichtbaren Wirklichkeit durch die sichtbaren Segenszeichen, cons 98, 618. 152 Mortet p.81 Primo namque pontífices in ecclesiam novam simul convenerunt, tenentesque sin-guli in manibus pastorales virgas, ejecerunt omnes ab ecclesia praeter necessaries ministros, et sic (h)ostia clauserunt propriis manibus; cf. cons 85,525ss Videres et qui aderant non sine devotione magna videbant [..] choream pontificum [..] pastorales virgas manibus tenere [..] 86,532s Populus enim pro intolerabili magnitudinis sue Ímpetu foris agebatur [..] 153 Mortet p.81 Deinceps ad locum, ubi pridie erant collocatae sanctorum reliquiae, episcopi cum ministris abeuntes... adportam ecclesiae clausam canendo processerunf, ci.cons 81,503ss die sabba-ti próxima sanctorum corpora de suis assumentes oratoriis ex consuetudine in palliatis tentoriis in exitu chori decentissime reponendo locavimus. 154 Mortet p.82 [..] herum in ipsa nova ecclesia, coram altaribus consecrandis data laetania, proces-serunt ad fontes benedicendos in baptismi domus.[..] Interea parietes templi intrinsecus per circui-tum chrismate signant episcopi, quia per Spiritum Sanctum in baptismo totus interior homo sancti-ficatur[..]; cf. cons 43,241ss Qui in medio novi incrementi priorem in consistente dolio benedicen-tes aquam, per oratorium sancti Eustachii cum processione exeuntes [..] revertentes in eterne bene-dictionis et sanctissimi crismatis delibutione, veri corporis et sanguinis summi pontificis Iesu Chri-sti exibitione, quicquid tanto et tam sancto convenit edificio, devotissime compleverunt [..] 155 Ehlers bezweifelt, "daß auch nur einer der vorgeblichen Empfänger dieses Schreiben erhal-ten hat, denn die in ihm enthaltenen Behauptungen waren schlechthin unglaublich": op.cit., p.166 156 Wir sahen oben (Kap.II. 1), daß Suger die von Abaelard kritisch gestellte Frage, in welcher Stadt Dionysius sein Bischofsamt ausgeübt habe, nicht berührt und auch davon absieht, Dio-nysius als Autor philosophisch-theologischer Schriften zu charakterisieren.

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chen Argumente Ademars157 eine andere Kontur; Suger weist damit lediglich auf den Missionsauftrag sowie das Bischofsamt des Dionysius. E r charakterisiert seinen Heili-gen vor allem als Märtyrer: das Martyrium zeichnet Dionysius auch vor den anderen Heiligen aus, die den Rang eines patronus Galliae beanspruchen könnten. Reliquienverehrung, feierliche Translationen unter großer Beteiligung von Volk und Klerus, Kirchweihzeremonien in einer mit großem Aufwand neu erbauten Kirche und eine Begeisterung für Kostbarkeiten zum Kirchenschmuck konnte Suger in Ademars Schriften finden, ohne dass ihm Ademar in jeder Hinsicht als Vorbild gedient hätte. Bei Ademar ist die breite Verehrung des hl. Martialis zugleich verknüpft mit der Got-tesfriedensbewegung; der Heilige wird zum Garanten des Friedens, den die Privat-kriege des Adels gestört hatten. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu Sugers Schriften. Zwar gibt es auch zu Sugers Zeit Privatfehden und tyrannische Ubergriffe seitens des Adels, unter denen die Besitzungen der Kirchen, darunter Saint-Denis, zu leiden haben; die Wiederherstellung des Rechts ist jedoch Sugers persönliche Leistung, bei der ihn der König unterstützt158. Die von Suger beschriebenen Reliquienprozessio-nen dienen nicht der Erneuerung des Friedens, sondern gehören zu den Weihefeier-lichkeiten der neu errichteten Choranlage und bieten Gelegenheit, dem Heiligen Ehre zu erweisen. Die enthusiastische Reliquienverehrung und die Freude an ihrer Be-schreibung sind in ihrer Intensität vergleichbar mit den entsprechenden Phänomenen zur Zeit der Gottesfriedensbewegung, haben jedoch ein anderes Ziel. Auch Suger be-absichtigt, das Prestige seines Heiligen als Nationalpatron zu festigen, die Aufgabe der Friedenssicherung liegt jedoch in der Hand des Königs, der damit seinerseits dem Hei-ligen einen Dienst leistet.

157 Ademari Epistola de apostolatu sancii Martialis, PL 141 89-112; zur Illustration mögen einige Zitatbeispiele genügen: 90 D [..] quia Martialis ipse est naturalis apostolus, non, sicut canes obla-trantes dicunt, novus, sed antiquissimus atque per omnia a Christo post XII apostolos, sed etiam Christi in came condiscipulus. Maius est enim esse in came discipulum Christi, quam apostolum post ascensionem Christi.[..] 93 D [..] Martialis non est apostolicus vir, sed apostolus, nam unus est ipse de septuaginta duohus apostolis; [..] Petrus monachus illico apertum nobis protulit Evangeli-um in medio, ubi legebatur: Designavit Dominus et alios septuaginta duos, subauditur apostolos [•·]• 158 Hoffmann, op. cit., p.207: "Mit dem Regierungsantritt Ludwigs VI. im Jahr 1108 geht die Friedensbewegung alten Stils im kapetingischen Bereich ihrem Ende entgegen. Zwar lassen sich auch unter der Herrschaft des neuen Königs Treugafälle nachweisen, die dem bisher Üb-lichen entsprechen; aber gleichzeitig verändern zwei Ereignisse die alte Konstellation von Grund auf: die Krone greift ein, und die Communen schütteln das Joch der Stadtherren ab. [..] Ludwig VI. begnügte sich nicht damit, den Kirchenschutz in den Arengen der Urkunden als Aufgabe zu verkünden, sondern er machte Ernst und nahm den Kampf gegen die übermü-tigen Barone und ihre castra adulterina auf." Hoffmann führt Belege aus Sugers Ludwigsvita an, op. cit. p.207-210

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