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VI. Suger und seine Zeitgenossen Sugers Biograph, Wilhlm von Saint-Denis, erwähnt in seiner Vita Sugerii die Verbin- dung zu verschiedenen hochrangigen Persönlichkeiten, darunter auch zu Petrus Vene- rabilis, dem Abt von Cluny, und Bernhard von Clairvaux Die Beziehungen zwi- schen Suger und diesen beiden bedeutenden Männern seiner Zeit sollen in diesem Ka- pitel zunächst anhand der erhaltenen Stücke aus ihrer Korrespondenz mit Suger kurz beleuchtet werden, dann ist im Blick auf einige exemplarische Texte außerhalb des Briefcorpus zu fragen, wie weit Sugers Schriften darauf Bezug nehmen. Beide, Bern- hard wie Petrus, hatten Anlass, ihre Position gegenüber dem umstrittenen Gelehrten Abaelard deutlich zu machen; von deren klarer Stellungnahme hebt sich Sugers Schweigen über Abaelard, der immerhin zeitweise Mönch in Saint-Denis war, deutlich ab. Dass Suger jedoch Abaelards Hymnen für das Kloster Le Paraclet kannte, wird an- schließend gezeigt. 1. Petrus Venerabiiis Als Nachfolger des großen Abtes Hugo I. hatte der Konvent von Cluny im Jahre 1109 den jungen Prior Pontius aus Saint-Martial zu Limoges gewählt; der bereits todkranke Hugo hatte die Wahl bestätigt 2 . Nachdem es im Jahre 1122 zum Schisma in Cluny ge- kommen war 3 und Pontius sein Abtsamt an den Papst zurückgegeben hatte, wurde der bereits hochbetagte Prior Hugo von Marcigny zum achten Abt von Cluny ge- wählt. Das Amt konnte er indessen nur drei Monate ausüben, bereits am 9. Juli 1122 starb er. Sein Nachfolger wurde Petrus von Montboissier, der bereits Prior in Vézelay und Domeñe gewesen war und, schon bald geehrt mit dem Beinamen Venerabiiis, als letz- ter der großen Abte Clunys die Geschichte des Konvents, aber auch des gesamten cluniazensischen Mönchtums entscheidend prägte 4 . Als Leiter der Abtei, die das Haupt des cluniazensischen Klosterverbandes darstellte, stand er mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit in Kontakt, so auch mit Bernhard von Clairvaux, auf dessen Vorwürfe gegenüber der Lebensweise in Cluny er in zwei bekannten Briefen 5 antwortete und dessen Aussöhnung mit Abaelard auf seine Initiative zurückging 6 . Von seiner Korrespondenz mit Suger sind nur wenige Briefe 1 Wilhelm von Saint-Denis, Vita Sugerii, ed. Lecoy de la Marche p.392: Extant magnorum vi- rorum quamplures ad ilium, epistolae, inter quos illi crebrius scripserunt Petrus abbas Cluniacensis et Bemardus Claraevallensis, [..] quorum testimonio satis apparet, quam clams hie vel cuius opi- nionis apud omnes vel propinquos vel remotos extiterit. Wilhelm erwähnt auch Bernhards Brief an Papst Eugen, in dem er Suger lobt, sowie den tiefen Eindruck, den Sugers bescheidene Zel- le auf Petrus Venerabiiis gemacht habe, cf. Vita Sugerii, loc.cit. 2 Wollasch, Cluny - Licht der Welt, p.198 3 cf. Wollasch, p.198-207; ders., Das Schisma des Abtes Pontius von Cluny, in: Francia 23/1 (1996) p.31-52 cf. Wollasch, Cluny - Licht der Welt, p.198 4 .Wollasch, Cluny - Licht der Welt, p.198-316 5 Ep. 28, Ep. 111, ed., comm. G. Constable, The Letters of Peter the Venerable, 2 Bde (I.Text, II.Kommentar), Cambridge/ Massachusetts 1967 6 Wollasch, Cluny - Licht der Welt, p.309s. Brought to you by | St. Petersburg State University Authenticated | 93.180.53.211 Download Date | 12/16/13 12:15 AM

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Page 1: Suger von Saint-Denis (Untersuchungen zu seinen Schriften Ordinatio - De consecratione - De administratione) || VI. Suger und seine Zeitgenossen

VI. Suger und seine Zeitgenossen

Sugers Biograph, Wilhlm von Saint-Denis, erwähnt in seiner Vita Sugerii die Verbin-dung zu verschiedenen hochrangigen Persönlichkeiten, darunter auch zu Petrus Vene-rabilis, dem Abt von Cluny, und Bernhard von Clairvaux Die Beziehungen zwi-schen Suger und diesen beiden bedeutenden Männern seiner Zeit sollen in diesem Ka-pitel zunächst anhand der erhaltenen Stücke aus ihrer Korrespondenz mit Suger kurz beleuchtet werden, dann ist im Blick auf einige exemplarische Texte außerhalb des Briefcorpus zu fragen, wie weit Sugers Schriften darauf Bezug nehmen. Beide, Bern-hard wie Petrus, hatten Anlass, ihre Position gegenüber dem umstrittenen Gelehrten Abaelard deutlich zu machen; von deren klarer Stellungnahme hebt sich Sugers Schweigen über Abaelard, der immerhin zeitweise Mönch in Saint-Denis war, deutlich ab. Dass Suger jedoch Abaelards Hymnen für das Kloster Le Paraclet kannte, wird an-schließend gezeigt.

1. Petrus Venerabiiis

Als Nachfolger des großen Abtes Hugo I. hatte der Konvent von Cluny im Jahre 1109 den jungen Prior Pontius aus Saint-Martial zu Limoges gewählt; der bereits todkranke Hugo hatte die Wahl bestätigt2. Nachdem es im Jahre 1122 zum Schisma in Cluny ge-kommen war3 und Pontius sein Abtsamt an den Papst zurückgegeben hatte, wurde der bereits hochbetagte Prior Hugo von Marcigny zum achten Abt von Cluny ge-wählt. Das Amt konnte er indessen nur drei Monate ausüben, bereits am 9. Juli 1122 starb er.

Sein Nachfolger wurde Petrus von Montboissier, der bereits Prior in Vézelay und Domeñe gewesen war und, schon bald geehrt mit dem Beinamen Venerabiiis, als letz-ter der großen Abte Clunys die Geschichte des Konvents, aber auch des gesamten cluniazensischen Mönchtums entscheidend prägte4. Als Leiter der Abtei, die das Haupt des cluniazensischen Klosterverbandes darstellte, stand er mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten seiner Zeit in Kontakt, so auch mit Bernhard von Clairvaux, auf dessen Vorwürfe gegenüber der Lebensweise in Cluny er in zwei bekannten Briefen5 antwortete und dessen Aussöhnung mit Abaelard auf seine Initiative zurückging6 . Von seiner Korrespondenz mit Suger sind nur wenige Briefe

1 Wilhelm von Saint-Denis, Vita Sugerii, ed. Lecoy de la Marche p.392: Extant magnorum vi-rorum quamplures ad ilium, epistolae, inter quos illi crebrius scripserunt Petrus abbas Cluniacensis et Bemardus Claraevallensis, [..] quorum testimonio satis apparet, quam clams hie vel cuius opi-nionis apud omnes vel propinquos vel remotos extiterit. Wilhelm erwähnt auch Bernhards Brief an Papst Eugen, in dem er Suger lobt, sowie den tiefen Eindruck, den Sugers bescheidene Zel-le auf Petrus Venerabiiis gemacht habe, cf. Vita Sugerii, loc.cit. 2 Wollasch, Cluny - Licht der Welt, p.198 3 cf. Wollasch, p.198-207; ders., Das Schisma des Abtes Pontius von Cluny, in: Francia 23/1 (1996) p.31-52 cf. Wollasch, Cluny - Licht der Welt, p.198 4.Wollasch, Cluny - Licht der Welt, p.198-316 5 Ep. 28, Ep. 111, ed., comm. G. Constable, The Letters of Peter the Venerable, 2 Bde (I.Text, II.Kommentar), Cambridge/ Massachusetts 1967 6 Wollasch, Cluny - Licht der Welt, p.309s.

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1. Petrus Venerabiiis 157

erhalten; aus den vorhandenen Briefen werden gegenseitige Sympathie und Respekt erkennbar, z.B. in einem Schreiben des Petrus, in dem er Suger nach Cluny einlädt und die Seltenheit seiner Besuche bedauert7. Suger hoffte auch auf Petrus' Unterstüt-zung durch die Teilnahme an einer Versammlung in Chartres, die 1150 der Vorberei-tung eines weiteren Kreuzzugs dienen sollte; Petrus Venerabiiis sagte jedoch ab8. Su-gers Schilderung der Lage im Heiligen Land aber hat Petrus offenbar so sehr beein-druckt, dass er in einem Schreiben an Bernhard von Clairvaux darauf anspielt9. Dennoch gibt es keine Spuren der Korrespondenz und ihrer Thematik in Sugers Schriften. Der Grund hierfür mag in Sugers Konzentration auf die Belange seiner Ab-tei und der Klosterkirche liegen. Es ist jedoch möglich, dass Suger einzelne Junkturen aus Briefen des Petrus Venerabiiis an Dritte übernommen hat, z.B. kann die Wendung praesentia amplecti, futura contemnere10 gespiegelt sein in Sugers Darstellung der dies-seitsbezogenen humanitas presentía potius amplectens quam futura exspectansn, und das Vorbild für die Wendung benedictio, quam divina operado manuali extensione ecclesie imposuit12 könnte in Petrus' Brief 190 vorliegen13. Constable spricht den Briefen des Petrus Venerabiiis eine bewusst literarische Qualität zu; offensichtlich war ihre späte-re Veröffentlichung bereits bei der Abfassung intendiert14. Auf diese Weise könnte auch Suger sie kennengelernt haben. Zu einigen Problemen der Zeit nahm Petrus Venerabiiis mit der Autorität seines Am-tes in umfangreicheren Schriften Stellung. Namentlich die Lehre des Wanderpredigers Pierre de Bruis forderte seinen entschiedenen Widerspruch heraus: mit der Ablehnung der Kindertaufe, der Behauptung, das Messopfer sei unnütz und ebenso überflüssig wie der Gebetsdienst für Verstorbene, mit der Ansicht, Gott lasse sich überall verehren, daher sei der Bau von Kirchengebäuden abzulehnen, und bestehende Kirchen müsse man abbrechen, und schließlich mit der Auffassung, das Kreuz als das Marterwerk-zeug Christi verdiene nicht Verehrung, sondern müsse zerschlagen und verbrannt werden, griff Pierre de Bruis zentrale Inhalte der kirchlichen Lehre an15. Wohl in den 30er Jahren des 12. Jahrhunderts wurde er selbst von einer aufgebrachten Volksmenge ins Feuer geworfen, als er bei der Abtei St-Gilles eine Verbrennung von Kreuzen in-szenierte16.

7 Petrus Venerabiiis, Ep. 109, ed. Constable, vol.I,p.271s. 8 cf. Ep. 165, Ep. 166, ed. Constable, loc. cit.,vol.1, p.398-400 9 cf.fp.164, ed. Constable, loc. cit., p.396-398 10 cf. Ep. 53, ed. Constable, loc. cit., p.158 11 cons 3,20s. 12 cons 47,284s. 13 Ep. 190, ed. Constable, loc.cit. p.440 Producimus inde pro exemple preter antiquiores, Urba-num secundum, Calixtum secundum, qui electis nostris consecrationis manum imposuerunt. 14 Constable, Medieval Letters and the Letter Collection of Peter the Venerable, in: Consta-ble, The Letters of Peter the Venerable, loc.cit., Vol. II, p. 1-13 15 cf. P. Segl, Art. Petrus von Bruis, LThK 8 (1999), 113s.; Wollasch, Cluny - Licht der Welt, p.313s. 16 Segl, loc. cit., 114; als radikalen Reformer und glühenden Prediger würdigt ihn L. K. Little, Intellectual Training and Attitudes toward Reform, 1075-1150, in: R. Louis/ J. Jolivet/ J. Chatillon (edd.), Actes et Mémoires du Colloque international no. 546: Pierre Abélard - Pierre

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158 VI. Suger und seine Zeitgenossen

Petrus Venerabiiis behandelt die genannten Punkte der Lehre des Wanderpredigers zum Zweck ihrer Widerlegung in seiner Schrift Contra Petrobrusianos haereticos". Er adressiert diese Schrift an einige Bischöfe und Erzbischöfe Südfrankreichs, in deren Sprengein die "Petrobrusianer" auch nach dem Tode des Pierre de Bruis noch aktiv waren18. Eine umfangreiche Perikope dieses Traktats, den J. Fearns auf etwa 1144 da-tiert19, ist in Sugers Schrift De administratione rezipiert. Es handelt sich um den Teil, der mit Kapitel 112 beginnt und die Uberschrift Contra idquoddicunt crucerà Domini nec adorandam nec venerandam sed magis confringendam et conculcandam esse trägt20. Petrus legt zunächst dar, dass die gegen das Kreuz gerichtete Haltung der Petrobrusia-ner den christlichen Glauben im Kern angreife: "Denn wenn man den Namen des Kreu-zes wegnimmt, wo bleibt dann die Rede vom Gekreuzigten? Und wenn der Name des Ge-kreuzigten weggenommen wird, wo wird die Vergegenwärtigung seines Todes oder seines Leidens bleiben? Wenn aber das Gedächtnis seines Todes oder seines Leidens weggenommen wird, welche Hoffnung auf Heil wird denn denen, die losgekauft worden sind, übrig bleiben, wenn der Preis, um den sie losgekauft sind, vernichtet wird?"21

Neben der Zusammengehörigkeit des Kreuzes und des Gekreuzigten, auf die Petrus später noch ausführlicher eingeht, ist hier besonders das Schlüsselwort recordatio wichtig. Suger erwähnt bei den Ausführungen über seinen großen goldenen Kruzifix, dass die von ihm bestellten Kunstfertigen "das anbetungswürdige Bild unseres Herrn und Heilands in der Vergegenwärtigung seines Leidens (in recordationepassionis eius), gleichsam als litte er gerade jetzt am Kreuz, zeigen sollten"22. Mit der Wendung Adorandam vivificam crucem, eterne victorie salvatoris nostri vexillum salutiferum, mit der er den Bericht über den großen Kruzifix eröffnet, greift er auf das Herzstück der Ausführungen des Petrus Venerabiiis zurück, das dieser in eine empörte Frage kleidet: Non est ut Vitalis et salutifera adoranda, que vitam mortuis beatam, que salutem perditis conferì eternami Auch das Apostelwort, das Suger kommentierend zitiert24, findet sich bei Petrus Ve-nerabilis kurz vor der zitierten Stelle25, ebenso wie der Hinweis auf das Zeichen, das am Ende der Tage am Himmel erscheint, und die Verehrung, die die Engel ihm entge-

le Vénérable. Les courants philosophiques, littéraires et artistiques en occident au milieu du Xlle siècle, Paris 1975, p.235-249, bes. p.243 17 Petrus Venerabilis, Contra Petrobrusianos haereticos, ed. J. Fearns, Turnhout 1968 (CCCM 10) 18 Segl, loc.cit.,114 19 J. Fearns, Peter von Bruis und die religiöse Bewegung des 12.Jahrhunderts, in: Archiv für Kulturgeschichte 48 (1966),p.311-335; ders., Introduction, in: Petrus Venerabilis, Contra Pe-trobrusianos haereticos, ed. J. Fearns, Turnhout 1968 (CCCM 10), p.IX 20 Contra Petrobrusianos, ed. Fearns, cap. 112, p.67 21 cap.112 p.67 Nam sublato de medio crucis nomine, ubi crucifixi mentio remanebit? Subtracto crucifixi vocabulo, ubi mortis vel passionis recordatio permanebit? A blata mortis vel passionis memoria, que redemptis spes salutis evacuato redemptionis predo supererà? 22 adm 203, 925ss 23 cap.139, p.81 - Hervorzuheben sind die Entsprechungen in den Worten vitalis/vivifica, salu-tifera und adoranda, salus eterna /eterna victoria salvatoris. 24 adm 201,910s vexillum salutiferum de quo dicit apostolus: Mihi autem absit gloriari, nisi in cru-ce domini mei Iesu Christi 25 cap.134 p.78 Hinc laudes crucis, qui cepit, perficiat et post deploratam iniurtam doctor summus ecclesie gloriam eius aperiat. Absit, inquit, michi gloriari, nisi in cruce Domini mei Iesu Christi.

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2. Sugers Rezeption der Briefe und Sentenzen Bernhards von Clairvaux 159

genbringen26. Die von Suger betonte Herrlichkeit des Kreuzes27 führt Petrus Venerabi-lis darauf zurück, dass das Kreuz gerade in seiner Eigenschaft als Marterwerkzeug die Herrlichkeit hervorgebracht habe28. Es zeigt sich, dass Suger, ohne auf den Argumentationszusammenhang bei Petrus Ve-nerabilis einzugehen, dessen Darlegung in einzelnen Schritten zitathaft aufgreift. In der Bezugnahme auf den antihäretischen Traktat des großen Cluniazensers stilisiert er seinen großen Kruzifix als Zeugnis der Orthodoxie.

2. Sugers Rezeption der Briefe und Sentenzen Bernhards von Clairvaux

Wilhelm von Saint-Denis, Sugers Biograph, weist darauf hin, dass Bernhard von Clairvaux wiederholt Briefe an Suger geschrieben habe, und hebt besonders ein Schreiben Bernhards an Papst Eugen hervor, in dem dem Abt von Saint-Denis großes Lob gezollt werde29. Dieser von Respekt und Sympathie gekennzeichneten Haltung steht die Divergenz der Auffassungen über Kunst und Kostbarkeiten in der Kirche ge-genüber. Sugers Äußerungen über die kostbare Ausstattung seiner Abteikirche werden häufig als Rechtfertigung gegenüber Bernhards Kritik, die dieser in der Apologia ad Guilelmum abbatem formuliert, verstanden30. Aufgabe dieses Kapitels ist es, in Sugers Schriften den Spuren seiner Beziehung zu Bernhard nachzugehen. Ferner ist zu fragen, ob Sugers Aussagen über die einzelnen Werke der ars sacra in seiner Kirche Hinweise auf ästhetische oder spirituelle Gesichtspunkte zu entnehmen sind und wie sich seine Sicht von derjenigen Bernhards unterscheidet. Die erwähnte Korrespondenz liefert hier nicht den gewünschten Aufschluss, denn un-ter Sugers eigenen Briefen31 ist nur einer erhalten, der an Bernhard von Clairvaux ge-richtet ist; es ist die Antwort des bereits todkranken Suger32 auf ein sehr intimes und anrührendes Trostschreiben, das Bernhard ihm zusammen mit einem Tüchlein hatte

26 adm 201,911ss. quanto gloriosum non tantum hominibus quantum etiam ipsis angelis filii ho-minis signum apparens in extremis in celo·, cf. Contra Petrobrusianos, cap. 138 p.81 Sed sive in primo, sive in secundo [sc. adventu Domini], signum levatum in nationes crux est et apparens si-gnum filii hominis in celo crux est. [..] summo ab eis honore colenda creditur, dicitur, predicatur, cap.139 p.81 [..] An dignum est, ut earn homines abiciant, quam angeli honorant? 17 adm 201,914ss quanto gloriosum ... apparens, tanto gloriosius ornatum iri... inniteremur 28 cap. 135 p.78 ita crux Domini quamvis eum torserit, quia tamen torquendo gloriam peperit, glo-riosa essepromeruit [..]; daher sagt Petrus über den Apostel (cap.136 p.79): Gloriatur in cruce et eam gloria dignam prédicat. 29 Wilhelm von Saint-Denis, Vita Sugerii, ed. A. Lecoy de la Marche, Oeuvres complètes de Suger, p.375-411, hier p.392; Wilhelm bezieht sich auf Bernhards Ep.309, ed. G. Winkler, Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke lateinisch / deutsch, III, Innsbruck 1992, p.498. 30 so z.B. D. Gaborit-Chopin, Suger's Liturgical Vessels. In: Abbot Suger and Saint-Denis. A Symposium, ed. by P. Lieber-Gerson, New York 1986 p.283-293; cf. p.283: It is a well-known fact that Suger took a keen interest in goldsmith's work, precious stones, pearls, in short in any valuable object destined to enhance liturgical pomp. This interest in clearly revealed in Suger's writings, as if the abbot of Saint-Denis was attempting to justify himself in light of the criticisms of Saint-Bernard [..]. 31 ed. Lecoy de la Marche, op.cit., p.239-284 32 Suger, ep. XXV, loc. cit. p. 282s.

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160 VI. Suger und seine Zeitgenossen

zukommen lassen". Suger würdigt dieses Schreiben als Ersatz für einen Besuch, den er sich sehr gewünscht hatte, von dem er aber weiß, dass er ihn nicht mehr erleben wird: "Ihr habt uns besucht in eurem Brief: möge Euch die aufgehende Sonne aus der Höhe besu-chen! [..] Denn wenn ich Euer engelsgleiches Antlitz wohl noch einmal vor meinem Hin-scheiden hätte sehen können, würde ich mit mehr Sicherheit diese zutiefst erbärmliche Welt verlassen."34 Das Briefpaar entstand um die Jahreswende 1150/5135; Suger starb bald nach der Abfassung des Antwortschreibens. Die Texte dokumentieren hohen gegen-seitigen Respekt und tiefe persönliche Verbundenheit; in seiner unmittelbaren Bezo-genheit auf Bernhards Brief stellt jedoch Sugers Antwortschreiben eine Ausnahme in-nerhalb der erhaltenen Texte dar. Wir werden sehen, dass sich in der Ordinatio, in De consecratione und in De Administratione mehrfach Anklänge und Anspielungen auf Schriften Bernhards finden, ohne dass Suger in jedem einzelnen Fall einen ausdrückli-chen Bezug auf einen einzelnen dieser Texte kenntlich macht. Der erste bekannte Brief Bernhards an Suger ist auf das Jahr 1127 zu datieren36; es handelt sich um das häufig zitierte "Gratulationsschreiben", nachdem Sugers Reform-bemühen in Saint-Denis zu einem ersten Abschluss gediehen war37. Bernhard führt die erfolgreiche Wandlung des gesamten Konvents zum Guten auf die persönliche Besse-rung Sugers zurück38. Die Freude über diese Besserung empfindet Bernhard vor allem im Blick auf die frühere Haltung Sugers: et mirantur etiam qui te non noverunt, sed tantum audiunt, qualis de quali factus es, atque in te Deum glorificani39. Ein Antwort-schreiben Sugers ist nicht erhalten. Auch wenn Bernhard lobt, dass Suger seine Fehler überwunden habe, hat der in diesem Lob enthaltene Vorwurf erhebliches Gewicht. Es scheint, dass Suger in der Ordinatio darauf anspielt: das reuevolle Nachdenken über bisherige Verfehlungen (unde venerim, quid fecerim et quo ire debeam) motiviert die vertiefte Fürsorge für den Konvent40.

33 Bernhard von Clairvaux, Ep. 266, ed. G. Winkler, Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Wer-ke lateinisch/deutsch, Bd. III, Innsbruck 1992, p.390-392 34 Suger, ep. XXV Visitastis nos litteris vestris: visitet vos Orlens ex alto. [..] Si enim angelicam fa-dem vestram vel semel ante decessum meum videre potuissem, ab hoc miserrimo seculo securius exirem. Der Irrealis der Vergangenheit lässt erkennen, dass Suger die Möglichkeit, Bernhard nochmals zu sehen, inzwischen ausschließt. 35 cf. den Kommentar bei Winkler, op.cit.,p.ll35 36 Ep. 78, ed. Winkler, Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke lateinisch/ deutsch, II, Innsbruck 1992, p.642-661; zur Datierung: Winklers Kommentar ibid. p.l089ss 37 P. Dinzelbacher, Bernhard von Clairvaux. Leben und Werk des berühmten Zisterziensers. Darmstadt 1998, hier p.101; cf. G. Annas, Abt Suger von Saint-Denis. Eine historisch-biographische Skizze, in: Speer /Binding (2000), p.91 3! "Der Eifer der Heiligen tadelte sicherlich Deine Irrwege und nicht die der Deinen. Deinen, nicht ihren Vergehen zürnten sie. Nur gegen Deine Person, nicht auch gegen die Abtei richte-te sich das Gerede der Brüder.[..] Wenn Du den Stolz ablegtest, Dein Gehaben ändertest, könnte sich mit Leichtigkeit der Unwille aller beruhigen. Im übrigen aber hast Du sowohl den Anklägern Genugtuung geleistet als auch das hinzugefügt, was wir mit Recht alle mitein-ander loben."Ep.78, Ubersetzung von Winkler, op.cit., p.647 39 "Es staunen auch, die Dich nicht kennen, sondern nur hören, wer Du geworden bist aus dem, der Du gewesen bist, und sie preisen in Dir Gott." - ibid.,p.643 40 ord 4,15ss mandatorum Dei praevaricator ad cor Dei miseratione redire festinans, unde vene-rim, quid fecerim et quo ire debeam, [..] recogitans ad servorum Dei tutelam tremulus confugio et

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2. Sugers Rezeption der Briefe Bernhards von Clairvaux 161

Bernhard wendet sich weiterhin Vorwürfen zu, die die Klosterzucht insgesamt betref-fen: Soldaten und Geschäftsleute, ja selbst Frauen hätten sich im Kreuzgang aufgehal-ten, Streitereien hätten die Ruhe gestört41. Dazu ist keine ausdrückliche Stellungnah-me Sugers überliefert; möglicherweise aber ist eine verdeckte Rechtfertigung der Frau-en im Kreuzgang in der Schilderung der drangvollen Enge an Feiertagen enthalten: Bei den Frauen handelt es sich um weibliche Pilger; Suger beschreibt, wie sie im Gedränge herumgestoßen werden und schließlich von mitleidigen Männern in den Kreuzgang gebracht werden, um Atem schöpfen zu können. Diese notwendige Maßnahme er-wähnt Suger sowohl in der Ordinatici als auch in De consecratione im Zusammenhang mit dem Befund, dass die Kirche an Festtagen zu eng für die Pilgerscharen ist42. Damit kennzeichnet er die Zustände vor der Vergrößerung der Kirche als unhaltbar, die Anwesenheit der Frauen im Kreuzgang findet ebenso seine Missbilligung43 wie die unwürdige Enge, ist aber durch die äußeren Umstände zugleich entschuldigt. Bernhard begreift die erfolgreiche Reform in Saint-Denis als Werk Gottes, bei dem Suger jedoch als Mitarbeiter auserwählt war44. Diese Einschätzung adelt Sugers Bemü-hen; sie wird Suger so erfreut haben, dass er sie in negativer Spiegelung in den Bericht über sein Vorgehen in Rouvray-Saint-Denis aufnahm. Dort heißt es: quod cum eo nolu-imtis, per nos efficere ad commodum ecclesie elaboravimus. Nec eum admitiere socium in restituitone terre sustinuimus, quem destructorem more antecessorum suorum gravissime persenseramus45. Im zweiten Teil des Briefes wendet sich Bernhard gegen "die Vermengung politischer und kirchlicher Ämter"46, mit der sich Stephan von Garlandia eine höchst einflussreiche Stellung als Seneschall des Königs und zugleich als Dekan von Ste-Croix in Orléans gesichert hatte. Offensichtlich erwartet Bernhard von Suger, dass er dagegen einschrei-tet. Dieser Teil des Briefes ist mit dem ersten durch den nochmaligen Hinweis ver-bunden, dass Gott an Suger verbessernd gehandelt habe; nun hoffe Bernhard, auch im Blick auf "die andere Anmaßung" werde Gott Abhilfe schaffen. Die Parallele, die er da-bei zieht - Gott hat in einem Fall, in der Lebensweise Sugers, bereits gehandelt, er wird es auch bezüglich Stephans von Garlandia tun -, lässt als Konsequenz erwarten, dass Suger auch hier Mitarbeiter Gottes sein solle. Auch hierzu ist keine Stellungnah-me Sugers erhalten; Stephan von Garlandia fiel jedoch bald darauf in Ungnade, und

qui irreligiosus existo religionem eorum toto animo amplectens religiosomm suffragia suppliciter imploro et, ut devocius et efßcatius nobis in spiritualibus sustentando provideant, in temporalibus eisprovidendo eos sustentare victualibus confovere devotissime accuramus. 41 op.cit.,p.203 claustrum ipsum monasterii frequenter, ut aiunt, stipari militibus, urgeri negotiis, iurgiis personare, patere interdum et feminis. 42 ord 37, 204-209; cons 10,81- 13,100 43 Missbilligung verraten (insbesondere in der ausführlicheren Schilderung in cons 12,93ss) Formulierungen wie terribiliter, abhorreres, cunctis desperantibus. 44 Ep.78, loc.cit.p.648 Et haec reteximus ad lauekrn et gloriam Dei, tamquam omnium auctoris, non tarnen sine vestra, tamquam ipsius coadiutoris in omnibus. Potuit quidem ea ipse agere sine vobis, sed maluit vos operum habere consortem, ut baberet et gloriae. 45 adm 70,319-71,322 46 Winkler, loc. cit., Kommentar, p.1090

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162 VI. Suger und seine Zeitgenossen

viele seiner Vollmachten gingen an Suger über47. Offenbar hatte Suger sich nach Bern-hards Krit ik gerichtet. Zwei Briefe Bernhards aus dem Jahre 1148 betreffen die von Suger erfolgreich durch-geführte Reform der Kanonie Sainte-Geneviève48; mit dem von Bernhard verwendeten Psalmzitat, mit dem dieser die genannte Kirche als novella illa plantatio kennzeich-net49, charakterisiert Suger das Verhältnis der Abtei Saint-Denis zur Abtei Saint-Pierre in Chaumont50 .

Die übrigen erhaltenen Briefe Bernhards behandeln verschiedene Angelegenheiten; Bernhard fordert Suger mitunter unmittelbar auf, seinen Einfluss wahrzunehmen - so mit seinem Schreiben von 1146, in dem er von der Ehe zwischen dem Sohn des Gra-fen von Anjou und der Tochter des französischen Königs abrät51, und mit einem Brief aus dem Jahre 1149, in dem er Suger auffordert, "sich den Duellen bestimmter Fürsten entgegenzustellen"52, ferner 1149 im Zusammenhang mit dem Aufstand gegen Ludwig VII.53 -, in anderen Briefen bittet er um materielle Zuwendungen für die Mönche in Bourges und für einen mittellosen Abt54; sie belegen einen intensiven Kontakt zwi-schen zwei bedeutenden Persönlichkeiten des 12. Jahrhunderts, haben jedoch in Su-gers Schriften keine Spuren hinterlassen, ebensowenig wie Bernhards Werben für den zweiten Kreuzzug55.

Suger n immt also in der Ordinatio, in De consecratione und in De administratione nur in Form leiser Anklänge Bezug auf seine eigene Korrespondenz mit Bernhard und be-schränkt diesen Bezug auf diejenigen Briefe, die sein Handeln als Leiter einer Abtei be-treffen.

U m 1146 hatte Gottfried von Auxerre, der spätere Gründer von Rievaulx, ein erstes Corpus der Briefe Bernhards zusammengestellt. Bei der Zusammenstellung und An-ordnung folgte Gottfried nicht der Reihenfolge der Abfassung, sondern gab den pro-minenten Platz am Anfang der Sammlung einem Brief aus dem Frühjahr 11255' . Die-ser ist an Robert von Châti l lon, einen Verwandten Bernhards, gerichtet, dessen tran si-tus von Cîteaux nach C luny für Bernhard eine schmerzliche Kränkung darstellte. Als "das erste Zeugnis des Observanzenstreites der Zisterzienser mit Cluny"57 steht er in-haltl ich wie zeitlich in engem Zusammenhang mit der Apologie.

47 Winkler, wie vor. 48 Ep. 369, Ep.170, ed. G. Winkler, Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke latei-nisch/deutsch, III, Innsbruck 1992, p.682-685 49 Ep.370, loc.cit.,p.684, dort auch Hinweis auf Ps 143,12 50 adm 153,664ss tanto de propriis ut de acquisitis eam locupletare tanquam novam plantam et confovere iure decertabit. 51 Ep37\, ed. Winkler III, p.686-689, Kommentar p.1189 52 £p.376, ed. Winkler ,III,p.704-707, Uberschrift nach Winklers Ubersetzung; Kommentar p.1191 55 Ep.377, ed. Winkler , III, p.706-709, Kommentar p,1191s. 54 £¿>.378 und Ep. 379, ed. Winkler, III, p.710-713 55 zu Bernhards Kreuzzugsvorbereitung cf. Dinzelbacher, op.cit., p.299 56 Ep. 1, ed Winkler, II, p.242-263 57 Winkler, wie vor.

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2. Sugers Rezeption der Briefe und Sentenzen Bernhards von Clairvaux 163

Seine Sonderstellung verdankt der Brief einem mirakulösen Vorfall, der ihn als epistola [..] in pluvia sine pluvia bekannt machte58. Möglicherweise strahlte das Interesse, das er durch diesen Umstand an sich zog, auch auf den in der Sammlung unmittelbar folgen-den Brief an den jungen Fulko aus59: in diesem um 1120 verfassten Schreiben60 ver-wendet Bernhard eine prägnante Formulierung, die Suger offensichtlich in De admini-stratione adaptiert. Fulko war bei den Regularkanonikern eingetreten und wurde von seinem Onkel bedrängt, er solle wieder austreten. Dieses Verhalten deutet Bernhard als Gefährdung für das Seelenheil Fulkos; er wirft dem Onkel vor, dass er, indem er seine Neffen mit irdischen Gütern beladen wolle, sie um das Erbteil an den himmli-schen Gütern bringe61. Suger verwendet die Formulierung in abgewandelter Form für die Unrechte Übertragung des Marktfleckens von Essonnes an die Burg von Corbeil62. Zwischen Sugers Bericht und Bernhards Brief besteht kein inhaltlicher Zusammen-hang; die Entlehnung belegt jedoch Sugers Wohlgefallen an Bernhards Diktion, das sich auch in der Rezeption anderer Schriften Bernhards zeigt. Beispielhaft seien hier die Sentenzen genannt, ein in drei Sammlungen angelegtes Cor-pus von Stoffen, Ideen und skizzenartigen Predigtentwürfen63. Die dritte dieser Samm-lungen enthält umfangreichere Texte, darunter eine längere allegorisierende Betrach-tung über Korn und Brot, die (neben anderen Texten64) in Sugers Versen für sein "Anagogisches Fenster" rezipiert ist: [..] per mortem et passionem suam, perpetuum et spiritualem vitae et salutispanem nobis ministravit. [..] et qui est angelorum esca factus est nobis medicina. Granum igitur huius frumenti verbum est praedicationisbi. Auch Bern-hard verbildlicht den Prozess der Auslegung als einen Mahlvorgang; die weiteren Aus-führungen über reinigendes, tröstendes und haltbares Brot übernimmt Suger indessen ebensowenig wie die auf die demütige Lebenspraxis zielende Ausdeutung, in der die Mahlsteine als Bilder für Armut und Gehorsam verstanden werden66.

58 s. dazu den Kommentar bei Winkler, II, p.1046 55 Ep.l, ed. Winkler, II, p.264; die Position dieses Briefes innerhalb der Sammlung könnte z.B. dazu geführt haben, dass ein Leser des vorangegangenen bekannten Briefes seine Lektüre auch auf Ep. 2 ausdehnte. 60 cf. Winkler, II,p. 1047 61 Ep. 2, 4. nepotibus [..], quos, dum bonis cupit onerare terrenis, caelestibus exheredat. 62 adm 108, 494ss Axonem burgum [..] atrocitas cuiusdam tyranni in Castrum Corboilum transtu-lit et unde sanctos martyres in terra inde se de celo exheredare elaboravit. 63 so Dinzelbacher, op. cit., p.55 64 cf. Linscheid-Burdich, Beobachtungen, p. 134-136 65 Sent. III. 119: Sententiae, ed. G. Winkler, Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke latei-nisch / deutsch, IV, Innsbruck 1993, p.686; cf. adm 1181s. / i i de tot granis verus sine furfure pa-ñis,/ perpetuusque cibus noster et angelicus. 66 - möglicherweise weil sie, wie einige der Sentenzen der dritten Gruppe, von der traditionel-len Bildlichkeit allzuweit fortlenken, cf. Dinzelbacher, der (op.cit., p.55s) eine gewisse Ge-waltsamkeit der bildlichen Vergleiche beobachtet.

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164 VI. Suger und seine Zeitgenossen

3. Sugers und Bernhards Verhältnis zu den ornamenta ecclesiae

Bisher waren ein eher indirektes Eingehen auf Bernhards Briefe und zitathafte An-klänge an einige seiner Formulierungen beobachtet worden; eine stärker argumentati-ve Auseinandersetzung mit Bernhards Auffassungen zeigt sich in der Weise, wie zwei weitere Textstellen aus den Sentenzensammlungen in Sugers Ausführungen über die liturgischen Geräte anklingen. In De administratione plädiert Suger für die Aufbietung aller erreichbaren Kostbarkeiten für die bei der Eucharistie zu verwendenden Gefäße, da diese das Blut Christi aufnehmen. Dabei fordert er vollkommene Demut, ist aber überzeugt, dass weder die Menschen noch das, was ihnen gehört, letztlich zum Dienst ausreichen: queque inter omnes creaturas karissima continuo famulatu, plena devotione exponi debent. Certe nec nos nec nostra his deservire sufficimus''7. Kurz darauf setzt er sich mit der Auffassung nicht näher bezeichneter Leute auseinander, die dagegen die Ansicht vertreten, "für diesen Dienst müsse ein heiligmäßiger Geist, ein reines Herz, eine gläubige Absicht genügen" - debere sufficere huic amministracioni mentem sanctam, ani-mum purum, intentionem fidelem68. Offensichtlich bezieht er sich auf eine der Senten-zen Bernhards aus der zweiten Gruppe der Sammlung: Bernhard spricht dort darüber, wie man Gott gegenüber "auf das Gute bedacht sein" könne - Bona providere [..] coram Deo: cogitatione sancta, affectione pura, intentione recta''''. Die zitathafte Anspielung auf diese Stelle verknüpft Suger argumentativ mit Aussagen aus einer Perikope der dritten Sentenzengruppe. Dort verbindet Bernhard die Forderung vollkommener Demut mit dem Gebot, nicht nur den eigenen Besitz, sondern sich selbst zum Opfer darzubrin-gen: offeremus ei summa devotione non nostra tantum, sedpraecipue nosmetipsos70. Sugers Argumentation zielt unter Verwendung einer ähnlichen Formulierung71 darauf, dass letztlich auch Bernhards Vorhaben, die eigene Person (in heiligmäßigem Geist, reinem Herzen und gläubiger Absicht) zur Opfergabe zu machen, der Erhabenheit der Eu-charistie nicht gerecht werde. Die Verzahnung der Argumente zeigt, dass Suger seinen Standpunkt respektvoll, aber selbstbewusst im Blick auf Bernhards Ansicht reflektiert. Für eine jeweils selbst zu wählende Weise der Ehrerbietung plädiert er mit dem Zitat aus dem Römerbrief, das er seiner Erörterung vorangestellt hat72. Die hier behandelte Frage nach der Berechtigung äußeren Aufwands hängt bereits unmittelbar mit der in der Apologie angesprochenen Problematik zusammen. Bern-hards bekannter Brieftraktat, die Apologia ad Guilelmum abbatem, entstand in den 20er Jahren des 12. Jahrhunderts73 und besteht aus zwei Teilen, die ursprünglich für

67 adm 232,1046-233,1049 68 adm 236,1053s. " Sent. II 178: Sententiae, ed. Winkler, Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Werke lateinisch / deutsch, IV, Innsbruck 1993, p.366 70 Sent. III 84: Sententiae, ed. Winkler, IV, p.498 71 nec nos nec nostra his deservire sufficimus. 72 adm 231,1040 Habundet unusquisque in suo sensu, Rm 14,5. 73 Apologia ad Guilelmum abbatem, ed. G. Winkler, Bernhard von Clairvaux, Sämtliche Wer-ke lateinisch/deutsch, II, Innsbruck 1992, p. 138-204; zur Datierung s. die Einleitung bei Winkler, op.cit., p. 138-143, u. Anmerkungen, p.202-204, ferner C. Holdsworth, The Early Writings of Bernard of Clairvaux, in: Cîteaux 45 (1994), p.21-60, Dinzelbacher, op. cit., p.81; die mit der Datierung verknüpfte Frage, ob Bernhards kritische Äußerungen auf Abt Pontius

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3. Sugers und Bernhards Verhältnis zu den ornamenta ecclesiae 165

zwei verschiedene Adressaten konzipiert waren: der erste, im eigentlichen Sinn apolo-getische Teil, sollte gegenüber Wilhelm von Saint-Thierry den grundsätzlichen Stand-punkt Bernhards gegenüber dem cluniazensischen Mönchtum darlegen, während der zweite, für den Augustinerchorherrn Oger verfasst, "überflüssige Dinge bei den Clunia-zensern" kritisiert. Innerhalb dieses zweiten Teils behandelt Bernhard das allzu luxu-riöse Leben in weniger streng geführten Klöstern, das letztlich auf das Verschulden der jeweiligen Abte zurückgehe. Die bekannte Stelle, an der er das prunkvolle Gefolge der Äbte auf Reisen brandmarkt74, ist gelegentlich auf Suger gedeutet worden75; mit Blick auf den bereits besprochenen Brief Bernhards von 1127 ist dies nicht auszu-schließen, aber, wie wir oben sahen, geht Suger auf Kritik am Aufwand für seine Per-son nicht ein. Möglicherweise repliziert er den in der Apologie als Gerücht vorgetra-genen Vorwurf, manche jungen Mönche legten sich aus reiner Bequemlichkeit in die Infirmerie76, in der Ordinatio mit der Wendung qui quaecumque de causa iussu custodis ordinis in domibus infirmorum cesserint77, mit der er deutlich macht, dass es seinen Mönchen nicht möglich ist, missbräuchlich die Vergünstigungen in der Infirmerie zu genießen. Darüber hinaus gibt es keinen unmittelbaren Bezug auf Bernhards Bemer-kungen über die Lebensweise in cluniazensischen Klöstern. Bernhards Kritik richtet sich weiterhin jedoch gegen den übertriebenen Aufwand bei der Ausstattung von Klosterkirchen78. Sugers Ausführungen - besonders in De admini-stratione - müssen zweifellos vor dem Hintergrund dieser häufig zitierten Perikope ge-deutet werden; Panofsky versteht Sugers Schriften als Apologie gegenüber Cîteaux and Clairvaux79. Demgegenüber kommt C. Rudolph zu dem Befund, dass Suger zwar Bezug auf die Apologie nehme, aber nicht direkt darauf antworten wolle; Sugers Rechtfertigung von Kunst zur Ehre Gottes und der Heiligen müsse ebenso wie Kunst als spirituelle Hilfe gesehen werden als intendierte Antwort auf Argumente Bernhards

von Cluny (reg. 1109-1122) oder schon auf dessen Nachfolger Petrus Venerabiiis (reg. 1122-1156) zu beziehen seien, ist für Sugers Haltung gegenüber den angesprochenen Problemen unerheblich. 74 Apologia, XI 27, Winkler, op. cit., p.190: Quod enim, ut cetera taceam, specimen humilitatis est, cum tanta pompa et equitatu incedere, tantis hominum crinitorum stipati obsequiis, quatenus duobus episcopis unius abbatis sufßciat multitude? Mentior, si non vidi abbatem sexaginta equos, et eo amplius, in suo ducere comitatu. Dicas, si videas transeúntes, non patres esse monasteriorum, sed dominos castellorum, non rectores animarum, sed principes provinciarum. 75 so Dinzelbacher, op.cit., p.86 76 Apologia, IX 21, ed. Winkler, op. cit., p.182 Aiunt enim incólumes ac validos iuvenes conven-tum solere deserete, in domo se infirmorum, qui infirmi non sunt, collocare, carnium esu, qui vix aegrotis dumtaxat et omnino debilibus ex Regulae discretione pro virium reparatione conceditur, non quidem corporis infirmantis ruinas reficere pro incommode, sed carnis luxuriantis curam per-ficere in desiderio. 77 ord 18,78s. 78 Apologia, XX 28-29, ed. Winkler, op.cit., p.192-197 79 Panofsky, Abbot Suger, p.15; zustimmend D. Gaborit-Chopin, Suger's Liturgical Vessels, in: Abbot Suger and Saint-Denis. A Symposium 1986 p. 283-293; zutreffend weist Wollasch, Cluny - Licht der Welt, p.175, darauf hin, dass neben Suger auch andere Autoren die Pracht zeitgenössischer Benediktinerkirchen behandeln, womit Sugers Rolle als exponierte Kon-trastgestalt zu Bernhard relativiert wird.

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166 VI. Suger und seine Zeitgenossen

- wenn auch nicht unmittelbar aus der Apologie™. U m das Verhältnis zwischen Bern-hards Apologie und Sugers Schriften beurteilen zu können, sind die einschlägigen Textstellen nun zu analysieren.

Die negative Beurteilung unmäßig großer Kirchen lässt Bernhard zu Beginn der Peri-kope in der rhetorischen Figur der praeteritio anklingen, ehe er seine Aufmerksamkeit der Ausstattung zuwendet. Er räumt zwar ein möglicherweise gut gemeintes Motiv ein - sed esto, fiant haec ad honorem Dei -, macht jedoch klar, dass für Mönche andere Bedingungen gelten als für Bischöfe, die "die Hingabe des dem Leib verhafteten Volkes mit Zierrat von leibgebundener Art erwecken, da sie es mit solchem von geistiger Art [bei ihm] nicht können"81. Die Aussagen gelten also nicht allgemein für Kunst in der Kirche (ob als spirituelle Hilfe oder zur Ehre Gottes - so die Unterscheidung bei Rudolph, auf die w i r noch zurückkommen werden), sondern für Klosterkirchen, und sie sind moti-viert durch das Armutsgebot, auf das Bernhard anspielt: Ego autem dico: f..]"pauperes, si tarnen pauperes, in sancto quid facit aurum?"*2 Aus der Abgrenzung vom Volk, das dem Leib verhaftet ist, w i rd im Ümkehrschluss deutlich, dass im Kloster die Hingabe auf geistige Weise gefördert werden soll. Mönchtum setzt Bernhard gleich mit Askese und geistigem Anspruch.

Einen Schritt weiter geht er mit der Unterstellung, dass Prunk in der Kirche nicht ein misslungener Versuch zur Andachtsförderung, sondern vielleicht eher ein kalkul ierter Anre iz zu hohen Spenden sei83; bei den Gläubigen stellt er ein Verfehlen des eigentli-chen Ziels fest - magis mirantur pulchra, quam venerantur sacra. Der nächste Vorwurf zielt darauf, dass die prachtvolle Ausgestaltung der Kirchen ein Zeugnis der Eitelkeit sei und das Geld der Armenfürsorge entziehe - fulget ecclesia pa-rietibus, et in pauperibus egetS4. Ohne Ubergang folgt ein weiteres Argument: prächtige figürl iche Darstellungen seien häufig so angebracht, dass sie gar nicht angemessen ge-würdigt werden können, sondern, etwa im Falle von Bildern auf dem Fußboden, acht-los getreten werden85.

Nachdem er nochmals den Kontrast zwischen den beschriebenen Dingen und "den Armen, den Mönchen, den geistlichen Männern" herausgestellt hat, macht Bernhard das Zugeständnis, dass möglicherweise Liebe zum Gotteshaus das Motiv für die hohen Aufwendungen sei, die letztlich bei schlichten und frommen Herzen keinen Schaden anrichten können86 ; den Vorwurf der Gewinnsucht nimmt er damit zumindest teil-

80 C. Rudolph, The "Things of Greater Importance". Bernard of Clairvaux's Apologia and the Medieval Attitude Toward Art, Philadelphia 1990,p.30s. 81 cf. Binding/Linscheid-Burdich, p.549 82 Apologia, XII 28, loc.cit. p. 192 83 Apologia, XII 28, loc.cit.,p.194 Tali quadam arte spargitur aes, ut multiplicetur. Expenditur ut augeatur, et e f f u s i o copiam parit. Ipso quippe visu sumptuosarum, sed mirandarum vanitatum, ac-cenduntur homines magis ad offerendum quam ad orandum. [..J Auro tectis reliquiis signantur oculi, et loculi aperiuntur. [..] Currunt homines ad osculandum, invitantur ad donandum, et magis mirantur pulchra, quam venerantur sacra. 84 ibid. 85 loc. cit., p. 196 Ut quid saltern Sanctorum imagines non reveremur, quibus utique ipsum, quod pedihus conculcatur, scatetpavimentum? 86 ibid., p. 196: Nisi forte et hic adversus memoratum iam Poetae versiculum propheticus Ule re-spondeatur: Domine dilexi decorem domus tuae et locum habitationis gloriae tuae. Assentio: pa-

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3. Sugers und Bernhards Verhältnis zu den ornamenta ecclesiae 167

weise zurück, ehe er den phantsievollen Skulpturenschmuck im Kreuzgang87 als letztes Beispiel für unangemessene Ausstattung bespricht: deren ridicula monstruositas sei ein Hindernis für die Konzentration der Brüder, die im Kreuzgang lesen und meditieren sollen, und teuer seien diese ungehörigen Dinge noch dazu. Bernhards Einwände lassen sich in drei Punkten zusammenfassen: - die von ihm kritisierten Werke sind Zeugnisse eines überflüssigen Aufwands, der dem Wohlgefallen der Betrachter dient und damit gegen die Forderung nach Askese verstößt; - sie sind teuer und entziehen der Armenfürsorge notwendige Mittel; - sie lenken teils durch ihre äußere Pracht, teils durch ihre Inhalte von geistlichen Zie-len ab und stören so den monastischen Alltag88. Wie spricht Suger über die Ausstattung seiner Kirche? Sieht er sich "zur Verteidigung gegenüber dem hl. Bernhard und dessen 'Askesemodell' herausgefordert", wie es H. P. Neuheuser89 formuliert? C. Rudolph90 befindet, es bestehe zwischen De consecratione und De administratione eine Entwicklung zu größerer Ausführlichkeit und zu einem höheren Grad an Rechtfertigung. Als Rechtfertigung für Kunst in der Kirche, für den Aufwand an Kostbarkeit und Kunstfertigkeit gelte einerseits die Ehre Gottes und der Heiligen, andererseits ihre Funktion als spirituelle Hilfe. Auf den Aspekt der spirituellen Hilfe werden wir noch zurückkommen; was die Rechtfertigung von Kunst zur Ehre Gottes und der Heiligen angeht, ist jedoch zum einen festzuhalten, dass Suger nicht erst in De administratione sein Handeln als Dienst an Gott und den Heiligen beschreibt - alles, was er in De consecratione berichtet, ist unter diesem Aspekt zu sehen. Zum anderen ist der behauptete Charakter der Recht-fertigung keineswegs erwiesen. Eine Rechtfertigung müsste über die Mitteilung der frommen Absicht hinausgehen und stärker die Angemessenheit des eigenen Handelns vor dem Hintergrund einer gegenteiligen Auffassung herausarbeiten. Dass Suger viel-

tiamur et haec fieri in ecclesia, quia etsi noxia sunt vanis et avaris, non tarnen simplicibus et devo-tis. 87 A. H. Bredero, Bernhard von Clairvaux: zwischen Kult und Historie. Uber seine Vita und ihre historische Auswertung (aus d. Niederl. von A. Pistorius), Stuttgart 1996, p.l74s., deutet die Stelle als Kritik an phantasievoll illuminierten Handschriften und bestreitet die Existenz skulpierter Kapitelle in Cluny. Diese Auffassung ist nicht nur von Dinzelbacher, op. cit., p.87,nt.l3 zurückgewiesen worden, sondern lässt sich auch mit einem Argument aus Bern-hards Text selbst widerlegen: mit dem Satz Tarn multa denique, tamque mira diversarum for-marum apparet ubique varietas, ut magis legere libeat in marmoribus, quam in codicibus.. (Wink-ler p.196) stellt er ausdrücklich Marmorbildnisse und Bücher einander gegenüber; zudem deu-tet das Wort claustrum eher auf den Kreuzgang, während Bernhard - zumindest in der Apolo-gie - für das Kloster in seiner Gesamtheit das Wort monasterium verwendet: VIII 16 (p.174); in plerisque monasteries; VIII 21 (p.ISO) nonnulla monasteria; XI 27 (p.190) patres monasteriorum. 88 zu diesem letzten Argument cf. G. Duby, Der heilige Bernhard und die Kunst der Zisterzi-enser (dt. von M. Heurtaux; Original: Saint Bernard, l'art cistercien, Paris 1979), Stuttgart 1981, p.125 89 H. P. Neuheuser, Die Kirchweihbeschreibungen von Saint-Denis und ihre Aussagefähigkeit für das Schönheitsempfinden des Abtes Suger, in: G. Binding/ Α. Speer (Hg.), Mittelalterli-ches Kunsterleben nach Quellen des ll.bis 13. Jahrhunderts, Stuttgart - Bad Cannstatt 1993, p.116-183, hier p.174 90 C. Rudolph, The "Things of Greater Importance", p.31

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168 VI. Suger und seine Zeitgenossen

mehr auf seine Maßnahmen stolz ist, soll in der Analyse seiner einzelnen Aussagen über die ornamenta seiner Kirche gezeigt werden. Bei der Beobachtung seiner Darle-gungen müssen verschiedene Kriterien berücksichtigt werden, nämlich Angaben über das Material und seine Kostbarkeit, Angaben über die ausführenden Kunstfertigen und deren Arbeit sowie die Frage nach möglichen Hinweisen auf die spirituellen Absich-ten. Zwar ist die zunehmende Ausführlichkeit, mit der Suger in De administratione über zahlreiche ornamenta spricht, nicht zu bestreiten, sie entspringt jedoch nicht dem ge-steigerten Bedürfnis nach Rechtfertigung, sondern vielmehr der Orientierung an ei-nem speziellen Modell, das Rudolph bereits benennt: er beobachtet zutreffend eine große Anzahl von Ubereinstimmungen zwischen Sugers Amtsbericht und der Vita Gauzlini, die Andreas von Fleury" im elften Jahrhundert verfasste, um die Verdienste des Abtes Gauzlinus zu würdigen. Gemeinsamkeiten sieht Rudolph in der Konzepti-on eines Tatenberichts unter ökonomischem, nicht spirituell reformerischem Aspekt, in der Wiederherstellung wirtschaftlicher Verhältnisse zugunsten eines Kunstpro-gramms, das mit den so gewonnenen Mitteln realisiert werden sollte, in der Mittei-lung von Preisangaben für Ländereien wie für Kunstwerke und schließlich in der Sichtweise des Autors, der Kunst als Investition zur Propagierung der Heiligen be-trachte und sie damit zum Mittelpunkt der Klosterökonomie mache. Die Ubereinstimmungen sind augenfällig; ihre Bewertung hingegen ist zu diskutieren. Rudolph führt aus, dass Suger aus der Darstellung des Andreas von Fleury gelernt ha-be; während dieser noch keinerlei Notwendigkeit für die Rechtfertigung von Kunst gesehen habe, sei diese Notwendigkeit - zumindest für Klöster - seit Bernhards Apolo-gie akut geworden92. De administratione versteht er so als Antwort auf Bernhards Kri-tik, wenn auch nicht unmittelbar auf die Apologie selbst.

Trotz der zutreffenden Beobachtung von Parallelen zur Vita Gauzlini kann jedoch De administratione nicht als Endpunkt einer Entwicklung angesehen werden, die inner-halb der Schriften Sugers zu einer immer umfangreicheren Rechtfertigung von Kunst geführt habe. Vielmehr ist die Zunahme an ausführlichen Mitteilungen über die Schatzkunst der Abteikirche bedingt durch die Verschiedenheit der Textsorten: Die Ordinatio folgt in ihrer Eigenschaft als urkundliche Verfügung eigenen Gesetzlichkei-ten, da sie die Aufgabe hat, sachliche Verfügungen festzulegen. Ebenso unterliegt De consecratione bestimmten Maßgaben, die sich aus der Anlage als Bau- und Weihebe-richt ergeben: der Bau und seine Weihe stehen im Vordergrund, da die Weihe als li-turgischer Akt auf den Bau selbst, nicht auf seine Ausstattung, gerichtet ist. Demge-genüber orientiert sich De administratione inhaltlich und formal am Modell der Le-bensbeschreibung eines vorbildlichen Abtes, zu dessen Leistung auch und besonders die Vergrößerung des Kirchenschatzes gehört. Daraus resultiert der breitere Raum, den die Beschreibung der ornamenta in De administratione einnimmt.

91 Vita Gauzlini abbatis Floriacensis monasterii, ed., trad. R.-H. Bautier/ G. Labory, André de Fleury, Vie de Gauzlin, abbé de Fleury, Paris 1969 (Sources d'histoire médiévale, 2); bereits 1991 hatte M. Bur auf diese Modellfunktion der Vita Gauzlini hingewiesen, cf. M. Bur, Suger - Abbé de Saint-Denis - Régent de France, Paris 1991, p.59s 92 Rudolph, op. cit., p.22-29

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3. Sugers und Bernhards Verhältnis zu den ornamenta ecclesiae 169

In der Ordinatio erwähnt Suger verschiedene Instandsetzungsarbeiten an bereits vor-handenen ornamenta: der "Heilige Altar", in dem Reliquien der Heiligen Jakobus, Stephanus und Vincentius beigesetzt sind, wird "mit kostbarem Gold und anerkanntem Werk wiederhergestellt" - reparato altari eodem auro precioso et opere approbate''1, die zer-brochenen silbernen Lampengefäße vor dem Trinitätsaltar werden "in ansehnlicher Weise" erneuert (honeste restituimus): mehr ist in der Ordinatio nicht zu erfahren, was die ornamenta betrifft. Die Schrift De consecratione lässt bereits in der Schilderung des Dagobertbaus ein grö-ßeres Interesse an der kostbaren Ausstattung erkennen94. Hier betont Suger die Auf-bietung des wertvollen, glänzenden Materials, ohne auf den Aspekt der Fertigung ein-zugehen; ebenso verfährt er bei der Erwähnung seines Vorhabens, die Schreine der Heiligen im Schmuck von Gold und kostbaren Edelsteinen zur Schau zu stellen95, und bei der Schilderung der Prozession zur Grundsteinlegung für den neuen Chor, bei der er über die Pracht der liturgischen Geräte spricht96. Erkennbar wird jedoch seine Ab-sicht, mit Gold und Edelsteinen der Ehre der Heiligen zu dienen. Kostbarkeit des Materials und hochrangige Qualität der Arbeit hebt er hervor, als er den neuen Platz für die Reliquien der Klosterpatrone (dominorum) gestaltet. Hier be-nennt er "die Gestaltungsfähigkeit der Goldschmiede oder auch die fleißige Ausübung ihrer Kunstfertigkeit" ebenso wie "die Fülle des Goldes und der kostbaren Edelsteine"97, die ihm gleichermaßen wichtig sind; seine erklärte Absicht dabei ist es, die Schreine "für die Blicke der Herantretenden herrlicher und besser sichtbar" aufzustellen98 und dabei ebenso-sehr auf vornehme Gestaltung wie auf Sicherheit bedacht zu bleiben99. In dieser Perikope überwiegt immer noch der Aspekt der Kostbarkeit; bezüglich der ausführenden Goldschmiede erwähnt Suger zwar elegantia und artis industria, äußert sich aber nicht zu Einzelheiten der Gestaltung und zu den dabei wirksamen Vorstel-lungen. Die Aufbietung des kostbaren Materials geschieht aus Ehrfurcht vor den Hei-ligen und aus Dankbarkeit für ihren Schutz100, Suger unterstreicht dabei die fordernde Haltung der Heiligen und führt zugleich seine Möglichkeit, ihnen mit dem prächtigen Antependium Ehre zu erweisen, auf ihr Eingreifen zurück. Im Prolog zu De administratione führt Suger die repositio auri, argenti et pretiosissima-rum gemmarum, necnon et optimorum palliorum unter den Inhalten an, um deren Aufzeichnung ihn die Brüder gebeten haben101. Dabei verweist er sogleich auf das zweifache Resultat, das ihm in Aussicht gestellt wurde: das beständige Gebetsgeden-ken und die Ermutigung der Brüder durch Sugers gutes Beispiel102. Er dokumentiert damit sein Selbstverständnis als Abt, zu dessen Aufgaben die Sorge um den Kirchen-

93 ord 26,130s. 94 cons 9,67-80 95 cons 48, 294 sanctorum lecticas auro etpreciosis gemmis adomatas 96 cons 50, 308 omamentis decoram [..] processionem 97 cons 59,367ss 98 cons 59,366s. 99 cons 59,370s. 100 cons 60 -64 101 adm l,9ss 102 adm 1,12-15; die Absicht, mit seinem Handeln und dessen Aufzeichnung ein Beispiel zu geben, bringt Suger auch in adm 160,699ss, adm 190,857s und adm 287,1271ss zum Ausdruck.

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170 VI. Suger und seine Zeitgenossen

schätz zählt, und bringt ein Selbstbewusstsein zum Ausdruck, das sich nicht gegen-über anderen Auffassungen rechtfertigen muss. Als erstes Werkstück, das in seinem Abbatiat zur Zierde der Kirche gefertigt wurde, erwähnt er die gegossenen und vergoldeten Türen103. Er zählt sie zwar nicht aus-drücklich zu den ornamenta, da er diesen Begriff in einem engeren Sinne auf Ausstat-tungsstücke im Inneren der Kirche zu beziehen scheint und nach der Behandlung der Türen noch Baumaßnahmen beschreibt, doch spricht er über die hohen Kosten und über "Gießer und ausgewählte Modelleure"104. Dies geschieht ohne jeden Versuch einer Rechtfertigung, vielmehr betont Suger seine Ansicht, dass die Türen so gestaltet und angebracht wurden, "wie es einer edlen Vorhalle wohl anstand"105 - er hat also bereits die ganze Anlage als Ensemble angemessener Gestaltungselemente im Blick. Eher beiläu-fig, ohne Kommentar, erwähnt er das Bildprogramm der Türen, zu dessen Ausfüh-rung die genannten Kunstfertigen herbeigerufen worden waren. Dieses Bildprogramm jedoch erinnert an die Glaubensinhalte, die den Gläubigen zu seinem Streben nach dem "wahren Licht" ermutigen sollen. Darin besteht seine erhellende Wirkung, auf die die Verse hinweisen106. Das kostbare Material entspricht der Ehrfurcht vor dem Inhalt der Darstellung und vertieft deren Wirkung.

Die ornamenta im engeren Sinne107 führt er mit der Absicht an, ihren Erwerb nicht dem Vergessen anheimzugeben. Seine Befürchtung, das Beispiel seines Handelns kön-ne sonst verlorengehen, zeigt ebenso wie die topische Bescheidenheit108, dass er auf das Erreichte stolz ist - zu einer Rechtfertigung besteht kein Grund. Aus der Fülle der von Suger vorgestellten Stücke sollen einige herausgehoben und exemplarisch besprochen werden.

Suger wendet sich zunächst der goldenen Tafel vor dem Altar im Hochchor zu109, in-dem er zuerst die Kosten für das Gold angibt und dann die Perlen und Edelsteine er-wähnt, die er teils gekauft, teils durch Spenden des Adels und des hohen Klerus erhal-ten hat. Das prächtige Antependium wird so zu einem gemeinsamen Zeugnis glühen-der Heiligenverehrung. Die Gestaltung des Platzes im Hochchor, an dem die Schreine aufgestellt werden110, beschreibt er ähnlich wie in De consecrationein; die Angabe der dafür aufgewendeten Summe dokumentiert den hohen Wert der Vergoldung.

103 adm 170,756-760; zu den Versen und ihrer Deutung s. oben 1.3 und Linscheid-Burdich, Be-obachtungen, p. 120-124 104 C. Rudolph, op.cit., p.61s., deutet Sugers Vers aurum, nec sumptus, operis mirare laborem als Ovidreminiszenz im Sinne einer Differenzierung von aurum sowie sumptus einerseits und la-bor operis andererseits und beobachtet einen "true Sugerían style", in dem nun das goldene Material als Hinführung zum wahren Licht und bedeutender Teil einer Theorie der Kunst als spiritueller Hilfe besprochen werde. Dass dem Material diese Funktion nicht zukommt, sahen wir oben, 1.3. 105 adm 170,760 106 s. dazu 1.3 107 Er beschreibt sie ab adm 190 unter der Bezeichnung ornamenta ecclesiae. 108 Er trägt die Überlegung vor, dass er unter günstigeren Umständen noch ein Vielfaches für die Kirche hätte tun können! 109 adm 193,865-196,879 110 adm 198,887-199,898

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3. Sugers und Bernhards Verhältnis zu den ornamenta ecclesiae 171

Den goldenen Kruzifix bezeichnet Suger als tantum et tarn sanctum instrumentum112; er nimmt eine Sonderstellung unter den ornamenta ein, denn er ist mit besonders hohem Materialaufwand gefertigt, und Suger äußert sich wenigstens zu einigen Details der Gestaltung sowie über die ausführenden Kunstfertigen113. Ahnlich wie im Zusammen-hang mit den wertvollen Altargeräten, die doch in ihrer Pracht ebensowenig ihrer Aufgabe gerecht werden wie der Mensch selbst, kommentiert Suger in topischer Be-scheidenheit die aufgebotene Kostbarkeit: er betont, dass die Ausschmückung des Kruzifix durchaus nicht so herrlich habe vollendet werden können, wie er beabsich-tigt habe114. Dennoch schildert er mit verhaltenem Stolz die Beschaffung der kostbaren Materialien und die Berufung ausgewählter Meister115, ehe er die Aufgabe der Kunst-fertigen angibt und auf diese Weise die beiden Seiten des Kreuzes beschreibt. Die ge-nannten artifices sollen auf der einen Seite dadurch, dass man die Edelsteine bewun-dert, das Kreuz "erheben"116; hier zieht das Material Bewunderung an, die der Ehre des Kreuzes zugute kommt. Möglicherweise antwortet er damit indirekt auf Bernhards provozierende Frage: quorum, quaesumus, in his devotionem excitare intendimus ?n7 Su-ger hat ja zuvor die Ehrerbietung gegenüber dem Kreuz mit seinem Rang als eteme victorie salvatoris nostri vexillum salutiferum begründet; Bernhards Forderung nach as-ketischem Verzicht auf quaeque pretiosa ac speciosa problematisiert das Wohlgefallen des Betrachters, während Suger nicht die Freude beim Betrachten, sondern die mit der Bewunderung verbundene Ehrfurcht in den Blick nimmt. Auf der anderen Seite des Kreuzes, die der Zelebrant vor Augen hat (•videlicet in con-spectu sacrificantis sacerdotis), ist "das anbetungswürdige Bild unseres Herrn und Heilands in der Vergegenwärtigung seines Leidens, als litte er gerade jetzt am Kreuz", zu sehen118. Die Formulierung kann auf eine realistische Gestaltung hinweisen, vor allem aber hebt sie die Funktion der Darstellung hervor, die in der recordatio des Kreuzestodes besteht. Der Kruzifix übernimmt damit eine Aufgabe, die ihn - sichtbar für den Zelebranten -unmittelbar an die Vergegenwärtigung des Opfers am Altar bindet119. Suger kommt nochmals auf die Edelsteine zurück, mit denen das Kreuz geschmückt ist. Der Bericht über das iocosum, sed nobile miraculum, das ihm den Kauf so vieler Edelsteine ermöglicht hat, belegt erneut die schon häufig erfahrene göttliche Hilfe120;

111 cons 59 112 adm 212,956 113 cf. P. Verdier: La grande croix de l'abbé Suger à Saint-Denis, in: Cahiers de Civilisation Médiévale 13 (1970), p.1-31 114 adm 201,914-202,917 115 adm 203,918-922 116 Ahnlich verwendet Suger das Verb attollere in adm 122,549, adm 174,776 und in adm 214,974 - dabei ist immer eine Geste der Ehrerbietung gemeint. "7 Apologia, XII 28, ed.Winkler, loc.cit., p.194 118 adm 203,925ss [qui] adorandam domini salvatoris imaginem in recordatione passionis eius tamquam et adhucpacientem in cruce ostentarent 119 Dass dem Kreuz eine zentrale Funktion für die recordatio des Leidens und Sterbens Jesu und damit für die Heilserwartung der Christen zukommt, hat Petrus Venerabiiis in seiner Schrift Contra Petrobrusianos haereticos dargelegt, die Suger offensichtlich kannte; s. dazu Kap. VI.l 120 adm 205,930-208,945

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172 VI. Suger und seine Zeitgenossen

indem Suger berichtet, dass gerade Zisterzienser in großer Menge Hyazinthe, Saphire, Rubine, Smaragde und Topase zum Kauf anbieten, weist er eine wesentliche Unter-stützung demjenigen Orden zu, dessen wichtigster Vertreter sich so entschieden gegen dergleichen Aufwand ausgesprochen hat: in der Ausgestaltung des prächtigen Kruzifix sind die getrennten Standpunkte miteinander ausgesöhnt. Nicht nur der Kruzifix selbst, sondern auch der Schaft, der das Kreuz trug, und der Fuß, der zur Aufstellung notwendig war, waren anspruchsvolle Werke der Schatz-kunst121. Suger erwähnt mit Stolz die "feinste Emailarbeit" und eine wechselnde Zahl von Goldschmieden aus Lothringen sowie die Fertigstellung in kurzer Zeit. An dieser Stelle erfahren wir auch etwas über den Inhalt der bildlichen Darstellungen, die vier Evangelisten auf dem Kreuzfuß und das allegorische Bildprogramm der salvatoris hi-storia. Sugers Auskünfte hierzu sind ähnlich zu bewerten wie seine Ausführungen über die Darstellungen auf der großen Tafel des Hauptalters; die Erwähnung der "alle-gorischen Zeugnisse" weist auf den spirituellen Anspruch des Werks hin. Suger bleibt indessen nicht bei der Beschreibung des mit Aufwand gefertigten und kostbaren Stücks stehen, sondern legt Wert auf die Feststellung, dass Papst Eugen den Kruzifix anlässlich seines Osterbesuches geweiht und zusätzlich mit einer Kreuzreli-quie ausgestattet habe122. Der Kruzifix erhält damit eine Dignität, die über die anderer ornamenta hinausgeht. Ein besonders kostbares Stück stellt Suger mit der "jenseitigen Tafel" des Hauptaltars vor. Sein Bemühen um diesen Altar, der dem Salvator geweiht war123, begründet er mit seiner persönlichen Beziehung zu ihm, weil hier seine Oblation erfolgte. Zunächst erwähnt er die an den Seiten angebrachten goldenen Tafeln und die hierfür verfassten tituli12*, um dann mit besonderem Stolz über die dritte Tafel zu sprechen. Suger hebt die staunenswerte Arbeit und die hohen Kosten hervor125; die Ausgaben gehen auf die Beschäftigung auswärtiger Künstler zurück: quoniam barbari et profusiores nostratibus erant artifices. Die Deutung Verdiers, der dem Wort barbari einen Hinweis auf mero-wingische Kunst entnehmen will, trifft nicht zu, denn Suger stellt einen Vergleich zwischen den genannten barbari und den nostrates, d.h. den Leuten der eigenen Regi-

121 adm 211,949-955, dazu P. Verdier, op. cit., p.16s., Κ. Bauch, Kunst des 12. Jahrhunderts an Rhein und Maas, in: Rhein und Maas 2, 151-166; P. Bloch, Typologische Kunst, in: Lex et sacramentum im Mittelalter. Berlin 1969 (Miscellanea Mediaevalia 6. Hrsg. P. Wilpert, R. Hoffmann), p. 127-142, bes. p.132; D. Kötzsche, Zum Stand der Forschung der Goldschmie-dekunst des 12Jahrhunderts im Rhein-Maas-Gebiet, in: Rhein und Maas 2,191-236, bes. p.204s.; N. Morgan, The Iconography of twelfth century Mosan enemels, in: Rhein und Maas 2, S.263-275, Resümé von R.Haussherr S.275-278 122 adm 212; die Wendung de titulo vere crucis Domini que omnem et universalem excedit mar-

garitam, de capello, sua portionem in eo assignavit legt die Vorstellung nahe, dass die genannte Reliquie in Sugers Kruzifix eingelassen wurde. 123 s. dazu Speer/Binding (2000), p.341; zur Lokalisierung ibid.,Abb.2 124 s. dazu Linscheid-Burdich, Beobachtungen, p.128-130 125 Hier sieht Rudolph einen unmittelbaren Bezug auf eine Stelle in Bernhards Apologie, an der Bernhard die riesengroßen Leuchter kritisiert: Cernimus pro candelabris arbores quasdam erec-

tas, multo aeris pondere, miro artifìcis opere fabricatas: Apologia, XII 28, ed. Winkler, loc.cit.,p.l94

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3. Sugers und Bernhards Verhältnis zu den ornamenta ecclesiae 173

on (möglicherweise auch des eigenen Klosters) an126. Diese Opposition stützt die Deu-tung des Wortes barban als Kennzeichnung auswärtiger Künstler. Das Resultat ihrer Arbeit ist höchst befriedigend: Suger spricht von einem opus anagli-fum, das tarn forma quam materia mirabile sei127. Er bündelt seine Ausführungen mit der Bemerkung ut a quibusdam dici possit: 'Materiam superabat opus '. Offensichtlich geht es ihm nicht nur um das bekannte Ovid-Zitat128, sondern um seine Verwendung in vergleichbarem Zusammenhang durch einen bestimmten Personenkreis; andernfalls hätte er das Zitat entweder unkommentiert einfügen oder mit einem Hinweis auf den Dichter - nicht aber auf mehrere Personen! - verbinden können. C. Rudolph vermu-tet, dass Suger hier mit den quidam, von denen er spricht, Bernhard von Clairvaux und seinen Kreis meine129, da Bernhard in der Apologie und an anderen Stellen Materi-al und handwerkliche Kunst zusammen unter dem Gesichtspunkt des hohen Auf-wands für Kirchenschmuck anführe130. Wenn Suger mit der Verwendung eines Zitats auf eine bestimmte Gruppe anspielen wollte, für die dieser Ausspruch charakteristisch wäre, dann müsste es doch bei den Vertretern dieser Gruppe nachzuweisen sein, nicht in undeutlichen Abwandlungen, sondern als eindeutig identifizierbare Junktur. Das Zitat steht aber nicht Bernhards Schriften, sondern, wie wir oben gesehen haben, gleich zweimal im III. Buch der Historia Compostellana, jeweils im Zusammenhang mit Werken der Schatzkunst131. Sugers Zitatgebrauch ist also nicht als Bezug auf Bern-hard zu deuten.

Für die Beziehung zwischen der Darstellung und dem dafür gewählten kostbaren Ma-terial ist jedoch Sugers Bemerkung über die Verse, die er den Reliefs auf der Tafel bei-gegeben hat132, sehr aufschlussreich. Der Satz (adm 220) sollte in deutlicherer Inter-punktion folgendermaßen verstanden werden: Et quoniam tacita visus cognitione materiei diversitas • auri, gemmarum, unionum - abs-que descriptione facile non cognoscitur opus, quod solis patet litteratis, quod allegoriarum iocundarum iubare resplendet, apicibus litterarum mandari fecimus. "Und da man bei stummer Kenntnisnahme durch den Augenschein wohl die Verschiedenar-tigkeit des Materials - des Goldes, der Edelsteine und der Perlen - erkennen kann und ohne Darstellung durch Worte leicht nicht das Werk selbst, das allein den Unterwiesenen sich er-schließt, da es im Glanz herrlicher Allegorien erstrahlt, [deshalb] haben wir es der Schrift an-vertrauen lassen."

126 cf. P. Verdier, op.cit., p.17, nt.62; nostrates verwendet Suger in cons 23, 161 (tarn nostrates quam loci a f f i n e s ) für die "eigenen Leute", die (möglicherweise als Dienstleute) zur Abtei Saint-Denis gehören; in jedem Fall ist damit eine lokale, nicht eine die Epoche betreffende Kenn-zeichnung gemeint. 127 adm 218,989 128 Ovid, Metamorphosen, II 5, ed. Anderson 1977 129 C.Rudolph, The "Things of Greater Importance".Bernard of Clairvaux's Apologia and the Medieval Attitude Toward Art, Pennsylvania 1990, p.61s. 130 Rudolph bietet allerdings keinen eindeutigen Beleg hierzu an. 131 Historia Compostellana, [ed. E. Falque Rey, Turnhout 1988 (CCCM 70)] III 9 calicem pre-tiosum et obtime laboratum, cuius opus materiam superabat; III 44 tabulam pretiosam et obtime laboratam, cuius opus materiam superabat 132 s. dazu auch Linscheid-Burdich, Beobachtungen, p.l31s

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174 VI. Suger und seine Zeitgenossen

Suger nimmt also die Gefahr, dass der Betrachter möglicherweise bei der Würdigung der prächtigen Materialien verharrt und den geistlichen Inhalt unzureichend erfasst, duchaus ernst - er setzt sich damit unausgesprochen, ohne Rechtfertigungsanspruch oder gar Polemik, mit Bernhards Warnung auseinander, dass man "mehr das Schöne bewundert als das Heilige verehrt"133. Damit der Leser von De administratione sich mit den tituli auseinandersetzen kann, teilt Suger sie im Text mit; ihre Aufgabe haben sie indessen auf der goldenen Tafel selbst zu erfüllen134. U m diese Aufgabe zu erkennen, ist es notwendig, sich den Charakter der Verse klarzumachen.

Diese bieten einen knappen Hinweis auf den Inhalt der jeweils dargestellten Szene und evozieren damit eine Bibelstelle. Zugleich bieten sie schon einen Ansatz für deren geistliche Deutung. In ihrer Knappheit sind sie in einem solchen Maße an die bildliche Darstellung gebunden, dass die Rekonstruktion des Bildprogramms dem modernen Leser mitunter Schwierigkeiten verursacht, wie die Ausführungen von E. Panofsky und A. Arnulf zeigen135. Für den mittelalterlichen Betrachter bilden sie mit dem Bild zusammen eine perfekte Synthese; dass sie jedoch auch separat gewürdigt werden können, gibt Suger unmittelbar vor ihrer Wiedergabe zu verstehen136. In einer Arbeit zur Funktion von Spruchbändern in Illustrationen biblischer Stoffe geht S. Wit tekind der Beziehung zwischen Text und Bild in i l luminierten Bibelhand-schriften nach137. Ihre subtilen Beobachtungen lassen sich auch auf Sugers tituli zu den Reliefs des Hauptaltars anwenden. Die Autorin beobachtet die "Tendenz im 12. Jahr-hundert, Bilder zum Träger komplexer theologischer Gedanken zu machen, sie mit Bedeutung zu befrachten", für die sie als Beispiel außerhalb der Buchmalerei das Re-maklusretabel von Stablo anführt138. Die Verwendung von beschrifteten Spruchbän-dern diene dabei der Erweiterung der Komplexität und Aussagekraft bildlicher Dar-stellungen139.

Sugers Verse haben, gemeinsam mit der paarweisen Zuordnung der Bildszenen, die-selbe Funktion. Die Textbeigabe ruft biblische Zusammenhänge wieder ins Gedächt-nis; die Erweiterung der Komplexität gelingt einerseits durch allegorisierende Bezüge, die in den einzelnen Versen bereits hergestellt werden, andererseits durch die wechsel-seitige Erhellung alt- und neutestamentlicher Szenen140, die dem Betrachter der Tafel vermutl ich durch paarweise Anordnung der entsprechenden Bilder übereinander

133 Apologie, loc.cit., p. 194 magis miranturpulchra, quam venerantur sacra 154 zum Verständnis von Sugers Bemerkung ut enucleatius intelligantur und ihrer Bezogenheit auf die Verse, nicht auf das Werk selbst, cf. Linscheid-Burdich, Beobachtungen, p.131 135 E. Panofsky, Abbot Suger, p. 1988; A. Arnulf, Versus ad picturas. Studien zur Titulusdich-tung als Quellengattung der Kunstgeschichte von der Antike bis zum Hochmittelalter, Mün-chen - Berlin 1997, hier p.287-289; s. dazu Linscheid-Burdich, Beobachtungen, p. 131ss 136 adm 221,998s.: "Wir haben auch die Verse, die dasselbe sagen, hierher gesetzt, damit sie gründlicher verstanden werden. " 137 S. Wittekind, Vom Schriftband zum Spruchband. Zum Funktionswandel von Spruchbän-dern in Illustrationen biblischer Stoffe, in: Frühmittelalterliche Studien 30 (1996), p.343-367 138 Wittekind, op. cit., p.364s. mit Anm.58 139 Wittekind, op.cit., p.367 140 So stellt der Vers adm 221,1005 Botrum vecte ferunt.. bereits den Zusammenhang zwischen der Erzählung aus Nm 13,24 und dem Kreuzestod Christi her, der in der Zusammenstellung mit der Bildszene aus dem NT (Christus trägt das Kreuz) augenfällig wird.

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3. Sugers und Bernhards Verhältnis zu den ornamenta ecclesiae 175

sichtbar war141. Auf das hier wirksame Prinzip der Allegorese spielt Suger mit dem Hinweis auf die litterati an, die allein die Zuordnung der biblischen Szenen im Sinne des göttlichen Heilsplans durchschauen und damit den "Glanz herrlicher Allegorien" wahrnehmen können. Die Altartafel ist in der Synopse heilsgeschichtlich aufeinander bezogener Bildinhalte und der versus idipsum loquentes142 ein Werk, das sich an geistlich geschulte Betrachter wendet und nur von ihnen vollkommen verstanden werden kann. Indem Suger es so charakterisiert, nimmt er unausgesprochen Bezug auf Bernhards Ausführungen in der Apologie·. Et quidem alia causa est episcoporum, alia monachorum. Seimus namque quod illi, sapientibus et insipientibus debitores cum sint, carnalis populi devotionem, quia spiri-tualibus non possunt, corporalibus excitant ornamentisi. Wir hatten oben gesehen, dass Bernhard hier das Mönchtum mit Askese und geistigem Anspruch gleichsetzt und die sinnliche Freude an prächtigen Werken der Schatzkunst als ungeistig zurückweist. Su-ger hingegen kennzeichnet seine Altartafel als zutiefst geistliches Werk, auf das Bern-hards Vorwürfe nicht zutreffen. In ähnlicher Weise will er die zum Schmuck des Altars aufgebotenen Edelsteine ver-standen wissen, die er nach der Mitteilung der Verse in den Blick nimmt. Wir hatten in der Analyse der Meditationsperikope und der unmittelbar vorausgehenden Aussa-gen über die lapides pretiosi gesehen, dass Suger in besonderer Weise die fast vollkom-mene Ubereinstimmung mit der Aufzählung der Edelsteine bei Ezechiel betont: der aufgebotene Schmuck folgt in zitathafter Weise der biblischen Vorgabe, die Suger dem Leser durch den ausdrücklichen Rekurs auf Ezechiel ins Gedächtnis ruft, und leitet ihn so zum Nachsinnen über die Bibel, zur honesta meditatio, an144. Diese ist ihrem Wesen nach auf das Zukünftige, auf das ewige Leben, gerichtet und entfaltet darin ihre anagogische Funktion. Die Fenster behandelt Suger, bevor er über Altarschmuck und liturgische Gefäße spricht; sie erscheinen damit inmitten der ornamenta. Wir werden in einem eigenen Kapitel darauf zurückkommen145. Uberblickt man Sugers Aussagen über den Schmuck seiner Kirche, bleibt folgendes festzuhalten: Suger versteht das Bereitstellen der vielen ornamenta als Leistung, die er in seiner Eigenschaft als Abt für seinen Heiligen und seine Kirche erbringt und auf die er stolz ist. Er folgt damit dem Vorbild anderer großer Persönlichkeiten (Abt Gauz-linus, Bischof Diego Gelmirez), die sich in gleicher Weise um den Schmuck ihrer Kir-che verdient gemacht haben. Die Darstellung des leidenden Christus dient der Verge-genwärtigung des Kreuzestodes und weist dem in der Nähe des Altars stehenden Kru-zifix eine kommemorative Funktion zu, die der des Messopfers nahekommt. Die kunstfertige Ausführung und das kostbare Material kommen der Ehre des Dargestell-ten zugute. Biblische Bezüge, sei es im Arrangement der Edelsteine nach der Vorgabe

141 cf. Linscheid-Burdich, Beobachtungen, p.133 142 Nicht nur das Nachvollziehen der theologischen Zusammenhänge, sondern bereits das sprachliche Verständnis der lateinischen tituli erfordert eine Vorbildung, über die nur die lit-terati verfügen. 143 Apologia. XII 28 (loc.cit., p.192) 144 s. oben 1.1 145 s. dazu Kap. VIII.2

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176 VI. Suger und seine Zeitgenossen

einschlägiger Bibelstellen oder in der Gruppierung heilsgeschichtlich einander zuge-ordneter Bilder, weisen die einzelnen Stücke als Werke von geistlicher Intention aus und leiten den Betrachter zur Meditation an. Sugers Darlegungen reflektieren dabei nur zum Teil Bernhards Ausführungen. Bern-hards Standpunkt ist ihm nicht nur aus der Apologie vertraut, sondern u.a. auch aus den Sentenzen; De administratione ist nicht als Verteidigung gegen die in der Apologie erhobenen Vorwürfe konzipiert, sondern beleuchtet eine Sichtweise, neben der Suger durchaus anders lautende Meinungen gelten lässt. Dabei vertritt Suger kein neues Kunstkonzept, das auf die schrift De caelesti hierarchia zurückginge oder mit dem Rückgriff darauf verteidigt werden soll, sondern er legt selbstbewusst dar, was er für den Kirchenschmuck in Saint-Denis geleistet hat.

4. Abaelard

Der Pariser Philosoph und Theologe Abaelard war, nachdem seine Liebesbeziehung mit Heloise entdeckt und durch seine Kastration brutal bestraft worden war, wohl 1117 oder 1118 Mönch in Saint-Denis geworden146. Die dortige Bibliothek mit ihren reichen Beständen bot ihm günstige Arbeitsbedingungen147, so dass er seine Lehrtätig-keit wieder aufnehmen konnte; die Abtei selbst und den damaligen Abt Adam beur-teilt er in der Historia calamitatimi sehr negativ148. Da er schon bald viele Mönche ge-gen sich aufgebracht hatte, wechselte er zu einer dem Kloster gehörenden Kirche149. Seine Lehrtätigkeit, die alsbald Scharen von Schülern anzog, habe ihm indessen auch Hass und Neid eingetragen, berichtet er weiter150; seine Trinitätslehre schließlich wurde 1121 auf der Synode von Soissons verurteilt151: Abaelard wurde gezwungen, die Schrift ins Feuer zu werfen. Im Kloster Saint-Médard wurde er in Gewahrsam ge-nommen, bald jedoch nach Saint-Denis zurückgeschickt; dort erwartete ihn, wie er berichtet, eine feindselige Stimmung152, die zu der Bereitschaft geführt habe, ihn ins Verderben zu stürzen; die Gelegenheit dazu sollte sich den Mönchen schon nach kur-zer Zeit bieten - Paucis elapsis mensibus occasionem eis fortuna obtulit qua me perdere

146 A. Angenendt, Peter Abaelard, in: M. Greschat (Hrsg.), Gestalten der Kirchengeschichte, 3: Mittelalter. 1, Stuttgart - Berlin - Köln - Mainz 1983, p.152; R. Grosse, Saint-Denis zwischen Adel und König. Die Zeit vor Suger (1053-1122), Stuttgart 2002, p.206-213; eine sehr lebendige Schilderung bietet M. Fumagalli, Heloise und Abaelard, München - Zürich 1986, p.98-148 147 M. Clanchy, Abaelard. Ein mittelalterliches Leben (aus dem Engl, von R. Niemann / R. M. W. Stammberger, Darmstadt 1998, p.291s; R. Grosse, op.cit. p.207 148 Abaelard, Historia calamitatum, ed. J. Monfrin, 2e ed., Paris 1962, 1.654 Erat autem abbatia illa nostra ad quam me contuleram secularis admodum vite atque turpissime, cuius abbas ipse quo ceteris prelatione maior tanto vita deterior atque infamia notior erat. Quorum quidem intolerabi-les spurcitias ego frequenter atque vehementer modo privatim modo publice redarguens, omnibus me supra modum onerosum atque odiosum effeci. - Kritisch zu den Gründen für die ablehnende Haltung der Mönche Grosse, op. cit., p.208 145 s. dazu Grosse, op. cit., p.208,nt.568 150 Historia calamitatum, 1.679ss; cf. Clanchy, loc. cit., p.291ss 1 5 1J. Wollasch, Cluny - Licht der Welt. Düsseldorf - Zürich 1996,2001, p. 309 152 Historia calamitatum, 1.936ss; cf. Grosse, op. cit., p.210

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4. Abaelard 177

molirentur153: Abaelard deckte mit Hinweis auf Bedas Kommentar zur Apostelge-schichte einen Widerspruch zu der im Kloster tradierten Auffassung auf, der Kloster-patron sei identisch mit dem Areopagiten und habe in Athen das Bischofsamt ausge-übt154. Abaelard behandelt den Sachverhalt, als hätte das Schicksal den neidischen und gehässigen Mönchen die Chance zu seinem Verderben in die Hände gespielt, während er doch nur im Scherz - quasi iocando - auf einen längst von Beda bezeugten Sachver-halt hingewiesen habe. Die Folge dieses Scherzes war eine heftige Auseinandersetzung155; Abt Adam, dem Abaelard in diesem Zusammenhang wieder sehr niedrige Motive unterstellt156, wollte ihn wegen Hochverrats an den König auslie-fern157. Abaelard floh und versuchte aus der Ferne, dem Abt schriftlich eine Möglich-keit zur sachlichen Behandlung der strittigen Frage vorzuschlagen158; kurz darauf bat er ihn um Entbindung von seinem Gehorsam und um die Erlaubnis, sich an einem anderen Ort niederzulassen. Es kam jedoch zu keiner Einigung; im Februar 1122 starb Abt Adam. Abaelard erwähnt lakonisch, diesem sei ein neuer nachgefolgt15': im März wurde Su-ger zum neuen Abt von Saint-Denis ordiniert. Von ihm erhielt Abaelard die Erlaub-nis, sich aus Saint-Denis in die Einsamkeit zurückzuziehen160. Abaelard verweist auf einflussreiche Freunde, denen eine entsprechende Intervention gelungen sei; da die Abtei, je weniger sie der Regel entsprochen habe, desto mehr dem König unterstellt gewesen sei, habe er erwartet, leicht die Zustimmung des Königs und seiner Leute ge-winnen zu können. Damit das Kloster jedoch nicht den Ruhm einbüße, den es der Zugehörigkeit Abaelards verdanke, habe er versprechen müssen, in keinen andern Konvent einzutreten161. Abaelard errichtete eine Einsiedelei, deren Oratorium er nach eigener Auskunft zunächst der Dreifaltigkeit geweiht hatte und dann insbesondere dem Heiligen Geist widmete162. Diese Widmung an den Parakleten trug ihm jedoch weitere Anfeindungen ein; Abaelard begab sich schließlich in die Abtei St-Gildas in Rhuys in der Diözese Vannes, wo er durch eine concors electio der dortigen Mönche

155 Historia calamitatum, 1.941s. 154 Historia calamitatum, 1.942-961. 155 s. dazu auch E. Jeauneau, Pierre Abélard à Saint-Denis, in: Abélard en son temps. Actes du colloque international organisé à l'occasion du 9e centenaire de la naissance de Pierre Abélard (14-19 Mai 1979), hrsg. v. J. Jolivet, Paris 1981,ρ.161-173 156 qui libenter hoc audivit, gaudens se occasionem aliquam adipisci qua me opprimerei, utpote qui quanto ceteris turpius vivebat, magis me verebatur - Historia calamitatum, 1.971ss. 157 hierzu und zum Folgenden Grosse, op. cit., p.210s. 158 Clanchy, op. cit., p.298; Abaelard, ep.XI, PL 178, col.341A-344D 159 Historia calamitatum, 1.1018 Cui cum alius successisset.. 160 Grosse, op. cit., p.211 161 Historia calamitatum, 1.1020-1037 162 Historia calamitatum, 1. 1120-1195; M. Clanchy, op. cit., p.310ss, geht auf Abaelards aus-führliche Darlegungen zum Namen des Oratoriums ein und nimmt an, dass die Kapelle ur-sprünglich zunächst dem heiligen Dionysius geweiht worden sei; möglicherweise habe Suger dies zur Auflage gemacht. Die weiter bestehende geistliche Zuständigkeit von Saint-Denis über die Einsiedelei bestätige Abaelard, wenn er Suger "unseren Abt" nennt, als er die Abtei verlassen und nach St-Gildas gehen will; cf. auch ibid., p.319

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178 VI. Suger und seine Zeitgenossen

zum Abt berufen wurde163. Abaelard erwähnt, dass er die Erlaubnis, das Amt anzu-nehmen, von "seinem Abt" - gemeint ist Suger - und dem Konvent problemlos erhal-ten habe. Suger selbst, der zunächst bei seinem Amtsantritt Abaelards Rückzug in die Einsiedelei und später seinen Wechsel in die Bretagne zu regeln hatte, erwähnt die Angelegenheit nicht; mit der Einwil l igung in Abaelards Gesuch entlastete er den Konvent von einem Störenfried, seine Entscheidung eignet sich jedoch nicht zur Do-kumentat ion greifbarer persönlicher Erfolge, wie er sie in De administratione berich-tet. So besteht für ihn kein Anlass, über eine Person zu sprechen, die durch das Zer-würfnis mit Abt Adam im Kloster der damnatio memoriae anheimgefallen war. Als Abaelard in Saint-Denis Mönch geworden war, hatte Heloise in der Abtei Argen-teuil den Schleier genommen. Vermutl ich schon seit 1123164 war sie dort Priorin. Die-ses Amt hatte sie inne, als Suger im Jahre 1129 die Rückgabe von Argenteuil an Saint-Denis durchsetzte, worüber er in De administratione berichtet165. Die Nonnen aus Ar-genteuil mussten das Kloster verlassen; Heloise erhielt von Abaelard das Orator ium seiner alten Einsiedelei geschenkt, das bald zu einem Nonnenkloster unter dem Na-men Paraklet ausgebaut werden konnte und dessen erste Äbtissin Heloise wurde166. Abaelard, der inzwischen auch mit den Mönchen in St-Gildas in Konflikt geraten war, l ieß es sich angelegen sein, sich um das neue Kloster persönlich zu kümmern167 . Er verfasste auch ein eigenes Hymnar für Heloise und ihre Nonnen, den Hymnarius Pa-raclitensism. Suger erwähnt wiederum ausschließlich den Aspekt, der für sein Kloster von Interesse ist; die Unterbringung der Nonnen in einem immerhin von Saint-Denis abhängigen Haus übergeht er.

Abaelard kehrte nach Paris zurück und lehrte dort wieder von etwa 1135/36 an; in Paris verfasste er auch seine wichtigsten theologischen Schriften, darunter seinen Rö-merbrief-Kommentar und seine Ethicam. Seine Theologia brachte ihn in Konfl ikt mit Wi lhe lm von Saint-Thierry und Bernhard von Clairvaux170; Bernhard suchte zunächst eine Verständigung mit Abaelard und erreichte Korrekturen in wichtigen Punkten, doch waren die alten, nicht korrigierten Sentenzen und Werke bereits so verbreitet, dass Bernhard darauf bestand, die Angelegenheit auf einem Konzil in Sens zu verhan-deln. Abaelard appellierte vergeblich an den Papst; 1140 erließ Papst Innozenz II. eine Bulle, die Abaelards Lehren verurteilte und ihm Stillschweigen auferlegte. Er fand Aufnahme in Cluny171; Petrus Venerabiiis setzte sich für ihn ein und erreichte sogar seine Aussöhnung mit Bernhard. Bis zu seinem Tode am 21. Apri l 1142 durfte

163 Historia calamitatimi, 1.1234-1241, s. dazu J. Miethke, Abaelards Stellung zur Kirchenre-form. Eine biographische Studie, in: Francia 1 (1973), p. 158-192 164 Fumagalli, op.cit., p. 152 165 adm 24,115-32,151 166 Miethke, op. cit., p,182s. 167 Clanchy, op. cit., p.319s. 161 ed. G. M. .Dreves, Analecta Hymnica 48 (1905), p.142-232; ed. J. Szöverffy, Peter Abel-ardo Hymnarius Paraclitensis. An Annotated Edition with Introduction, 2 Vols., Albany N.Y. - Brookline, Mass. 1975 169 R. Peppermüller, Art. Abaelard, Lex MA I (1980), 7-9 170 s. Angenendt, op. cit., p.157s. 171 hierzu ausführlich Wollasch, op. cit., p.309s.

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4. Abaelard 179

Abaelard in C luny bleiben. Petrus Venerabiiis sandte Heloise ein beeindruckendes Trostschreiben und sorgte für die Uberführung des Leichnams ins Paraklet-Kloster172. Von diesem tätigen Erbarmen wie von Bernhards scharfer Gegnerschaft ist in Sugers Schriften nichts festzustellen. Strittige Fragen im Zusammenhang mit dem einstigen Mönch von Saint-Denis übergeht Suger. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass er den Hymnarius Paraclitensis kannte und benutzte. L. Grodecki hatte zunächst angenom-men, Abaelards Hymnus Quadrigae Christi vehiculum habe die Darstellung der "Qua-driga Aminadab" auf Sugers "Anagogischem" Fenster beeinflusst, den Gedanken aber wieder verworfen, da er den Hymnus als nur mittelmäßges Werk einstufte173; es lassen sich jedoch sprachliche Parallelen aufzeigen, die auch unabhängig von bildlichen Dar-stellungen Sugers Vertrautheit mit Abaelards Hymnen wahrscheinlich machen und damit Grodeckis ursprünglicher Meinung neues Gewicht geben. Die Wendung in veri caeli camera174 scheint aufgegriffen zu sein in Sugers Vers in ca-mera celi nos facias recipi17S, die Diskussion von labor und sumptus eines opus, die Suger in den Versen für die Türflügel durchführt176, scheint vorgebildet in der Strophe177

opus magis eximium / est naturae quam hominum/ quod nec labor/ nec sumptus praepa-rat.. Das Gewähren des Notwendigen ohne Uberflüssiges, das Suger beim Auffinden der erforderlichen Baumstämme lobt178, findet sich in Abaelards Versen Peregrinanti-bus nobis viaticum / Da necessarium, tolle superfluumm. Vier Hymnen sind dem Kirchweih-Ritus gewidmet; neben einigen sprachlichen Parallelen zwischen diesen Texten und Sugers Beschreibung in De consecratione180 ist besonders die Wiedergabe des Ritus mit seinen verschiedenen Bestandteilen eine wichtige Gemeinsamkeit181. Su-gers Verse auf der tabula aurea superior sind vielleicht einer Strophe eines Petrus-Hymnus nachgestaltet182. Der von Grodecki zuerst herangezogene und dann als Vor-lage für das Fenstermedaillon verworfene Hymnus {In 1. Nocturno)1" findet seine

172 Wollasch, p.309s; Angenendt, op. cit., p.158s. 173 L. Grodecki, Abélard et Suger, in: id., Le moyen âge retrouvé, Paris 1986, p.217-222 174 Hymn.Paracl. 1,6.7 (dieser wie die folgenden Belege zitiert nach Analecta Hymnica 48:), p.148 175 adm 197, 884 176 adm 174,776 177 Hymn.Paracl. 1,6.8, p.148 178 cons 41, 229ss. 179 Hymn.Paracl. 1,14.6, p. 153. Zu vergleichen sind ferner Hymn.Paracl.1,22.3, p. 159 Virtu-tum caritas est consummatio und Sugers Feststellung quoniam caritas est summa monastice reli-gionis (ord 17,76) 180 Hymn.Paracl.2,73,3 Nostri templum pectoris Ipse sibi consecret, /et signis extrinsecis Res inter-nas aggreget·, 2,73,4 Quae fiunt exterius, Intus ipse compleat, - cons 80,500ss interiorem mentis et cordis intentionem cultus et habitus exterior designavit·, Hymn.Paracl. 2,74.1, p.189 Spiritalis si-gnum est Templum hoc visibile - cons 98,618 benedictionibus visibilibus invisibiliter restauras ec-clesiam presentem 181 Hymn.Paracl. 2,74 und 2,75 entfalten eine ähnliche Freude an der Beobachtung der einzel-nen Handlungen wie Sugers Schilderung in cons 84-97 182 Hymn.Paracl. 3,90.3 Prote claviger aulae caelicae, /Fores operi, manum porrige, / quos ad Do-minum ducis, suscipe: neben dem gemeinsamen Motiv des Türöffnens (aulae caelicae fores aperi bzw. portas aperi paradisi) fallen die verbalen Anklänge prote - protege, suscipe - recipi auf. 183 Hymn.Paracl. 3,93.1, p.198 Quadrigae Christi vehiculum / Torculargestat dominicum...

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Fortsetzung in einem Hymnus In 2. Nocturno-, dieser stellt in der Ausdeutung des Bil-des von Traube und Kelter eben die Beziehung zum Kreuz her184, die in Sugers großer Tafel für den Hauptaltar das Thema eines Bild- und Verspaares darstellt185. Die beiden Dionysius-Hymnen waren bereits oben kurz besprochen worden186; besonders mit der Vorstellung des Heiligen als Opfergabe an Gott, in der sich der Opfertod Christi fort-setzt187, verbindet sich Sugers Darstellung188. Die Beziehung des Paraklet-Klosters zu Saint-Denis, auf die Clanchy hinweist189, macht es wahrscheinlich, dass Suger das von Abaelard verfasste Hymnar zugänglich war. Die aufgezeigten Berührungspunkte weisen darauf hin, dass er es mit Gewinn ge-lesen hat. Damit beweist Suger die Fähigkeit zur discretio: ohne sich mit den strittigen theologischen Fragen, die Abaelards Werke angestoßen hatten, ausdrücklich auseinan-derzusetzen, entnimmt er dem Hymnarius Paraclitensis Anregungen für seine eigenen Werke.

184 Hymn.Paracl. 3,94.1-2, p.199: Torcular crux est dominica,/botrum hic Christum considera, / vecte suspensum hunc mystica /praefiguravit historia. / Hunc deferentes ad populum/fertilitatis indicium /hi sunt, qui crucis mysterium /mundi salutem aperiunt. 185 adm 221,1002/1005: Ferre crucem properat, qui cunctos in cruce salvai. • Botrum vecte ferunt, qui Christum cum cruce querunt. 1,6 Hymn.Paracl. 3,105 un 3,106, s. dazu II.l 187 Hymn.Paracl. 3,106.1 u.2: O vere Christi militem,/Deo dignum antistitem,/ cuius dum agis proelia / factus es eius hostia. / Ipsi te sacrificium / obtulisti gratissimum, / qui pro se cunctis uni-cam /obtulit patri victimam. 188 cons 61, 383ss (ubi pontífices..) suffragio eorum, qui se ipsos holocaustum odoriferum Deo optu-lerunt, placabiles Deoque acceptabiles hostias o f f e r r e mereantur. Das Messopfer wiederholt den Opfertod Christi und stellt dazu die Verbindung mit dem Opfer der Märtyrer her. 189 s.o.; cf. op .cit. p.319

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