tatwir ausgabe 3

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Herbst 2015 | Nr. 3| € 2,20 TATWIR FORTSCHRITT Das Rabia Massaker in Kairo 3 Gebetsraum in der Schule Interwiev mit Grazer Direktorin 17 kritisch.politisch.tatwir Refugee Protestcamp im Grazer Stadtpark 15 Zu Fuß nach Mekka Interwiev mit Hadschi Thair Abud 9 Foto captaintarekdreams SYRIEN kritisch.politisch.tatwir EINST JETZT U N D

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Page 1: Tatwir Ausgabe 3

Herbst 2015 | Nr. 3| € 2,20

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FORTSCHRITT

Das Rabia Massakerin Kairo

3

Gebetsraumin der SchuleInterwiev mitGrazer Direktorin 17

kritisch.politisch.tatwir

RefugeeProtestcampim Grazer Stadtpark

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Zu Fuß nachMekkaInterwiev mit Hadschi Thair Abud

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Page 2: Tatwir Ausgabe 3

In den letzten Monaten waren Refugees das Thema in Medien und Zivilgesell-schaft. Auch TATWIR-LeserInnen waren AnstifterInnen und Teil organisierter Hilfsbereitschaft. Sie haben einen Staat, der seit Jahr und Tag auf harte Gesetze gegen Einwanderung und militärische Grenzziehungen setzt, dazu gebracht, Barmherzigkeit zu institutionalisieren. Was bedeutet: Unter PolitikerInnen war es plötzlich ganz angesagt, sich mit HelferInnen ablichten zu lassen und Pa-rolen der Nächstenliebe zu schwingen.

Dann kamen die Wahlergebnisse für die FPÖ in OÖ und Wien, dann die Hetze der Kronenzeitung, dann die Demonstra-tionen in Spielfeld mit Nazi-Sagern. Auf Geheiß der Innenministerin Mikl-Leitner werden Gesetze gegen die Familien-zusammenführung und Maßnahmen zur Abschottung und Aufrüstung der Grenzen beschlossen. Damit ist der Tod weiterer Menschen im Mittelmeer und in illega-len Kastenwägen besiegelt. Der türkische Präsident Erdogan, sonst Buhmann aller stolz westlichen AbendländerInnen, soll die EU jetzt migrantInnenfrei halten.

Doch: Werden die Flüchtenden sich auf-halten lassen? Immer mehr Refugees or-ganisieren sich selbst und protestieren, sei es in der EU oder an den Grenzen. Zu Recht! Warum sollten sie die Ver-sprechungen des Westens nicht einver-langen? Demokratie, Menschenrechte, Wohlstand – so präsentiert sich die EU in Richtung „Rest der Welt“. Die Realität für „den Rest“ aber sind ungerechte Handelsbedingungen, Rüstungsexporte, Raub von Rohstoffen und Unterstützung von Diktatoren. NATO-Bomben haben ganze Landstriche verwüstet und un-zählige Menschen getötet. Die EU hat ihre Grenzen hochgezogen. Jetzt werden diese Grenzen nicht mehr akzeptiert.

Warum? Ungerechtigkeit und Ungleichheit haben ihr Ablaufdatum. Nämlich dann, wenn die Betroffenen den Betrug erkennen und AUFBEGEHREN. Davon und über Hin-tergründe von Flucht, über Schule und Arbeit in Österreich und vieles mehr be-richtet TATWIR auf den nächsten Seiten …

tatwir eDitoriAL

kritisch.politisch.tatwir

tatwir literarischMade in ... ERROR!Made in ... ERROR!von Samr El Arby

Mein Name ist Malcolm X | BuchempfehlungBuchautor: Dr. Farid Hafez

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tatwir weltWarum dieser Krieg? Syrien

Gedankeneines syrischen Refugees

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Das Rabia Massaker in Kairo

Die Intifada lebtPalästina

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Ein Sheikh foltertArabische Emirate6

tatwir reLigionIslamophobie - Das Feindbild IslamTeil 2 | von Hazal Altuntas

Wissenswertes über die Pilgerfahrtvon Abdullah An Nemsawy

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Zu Fuß nach MekkaInterwiev mit Hadschi Thair Abud9Sei keine Belastung für dich selbstDenn die Umwelt ist dein Zuhause11Der Umgang mit Tierenim Islam12

tatwir AUSTRIARefugee Protestcampim Grazer Stadtpark

Wie Leiharbeit Menschen versklavtmit Interwiev

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Ein Gebetsraum in der Schule?Interwiev mit Grazer Direktorin17BORDERLESS:FlüchtlingshilfsaktionHelfen ohne Grenzen18Raus mit dir, du Flüchtling!?von Tina Beckmann19Nicht nur reden, sondern tun!Mehrsprachiger Redebeitrag20

Page 3: Tatwir Ausgabe 3

Die arabischen Frühlinge in Tune-sien und Ägypten weckten auch in der syrischen Bevölkerung, vor al-lem unter jungen Leuten, den Mut zum Sturz des autoritären Regimes von Bashar Al-Assad. Echte de-mokratisch gewählte Regierungen aber sind Leuten, die auf Kosten der Allgemeinheit Profi t machen, ein Dorn im Auge. Wenn ihr Macht und Einfl uss gefährdet sind, wenden sie Gewalt an. Von Fassbomben über Massaker, von Aushungern bis hin zur Vertreibung. Mächtige Verbün-dete unterstützen sie dabei.

Wer ist verantwortlich?

Unter der dem seit 1971 herrschen-den Familienclan der Al-Assads haben sich mafi aähnliche Cliquen gebildet, die Wirtschaft und Politik dirigieren. Die Verbündeten dieser verbrecherischen Cliquen waren/sind Großmächte wie USA und UDSSR/Russland, und Israel. Wie überall im ölreichen arabischen Raum haben diese Mächte kein In-teresse an echter Demokratie. Sie wollen autoritäre Regimes. Diese sollen die Menschen mit harter Hand „führen“, also: kontrollieren, manipulieren, unterdrücken und ausbeuten.

Was passiert derzeit?

In Syrien tobt ein Stellvertreter-krieg der Großmächte. Die Rus-sische Regierung will das Regime Assad an der Macht halten. Die US-Regierung erwarten sich von einem Regimewechsel eine neue Regier-ung, die US-Interessen sichert. Beide greifen mit ihrer Luftwaffe direkt in den Krieg ein. Außerdem pumpen sie Kriegsgerät in das Land und unterstützen verschiedene Kampfgruppen mit Waffen und Geld, direkt oder indirekt über an-dere Verbündete, wie Saudiarabien, VAR oder Iran.

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Syrien

Verkauft wird den Menschen dieser Krieg als ein Religionskrieg (“Sun-niten gegen Schiiten”) oder ein Krieg der Ethnien (“Kurden gegen Araber”). So wird die Unwissenheit der Leute ausgenützt. Sie sollen sich gegenseitig hassen und töten, damit die wahren Verursacher und Profi teure des Krieges nicht erkannt werden.

Wohin führt das alles?

Ziemlich sicher ist, dass der Krieg fortgesetzt wird, bis das Land völl-ig zerstört ist und viele junge Men-schen dabei gestorben oder ausge-wandert sind.

Danach wird ein Waffenstillstand ausgerufen. Je nachdem, wer als mächtigste Gruppe übrigbleibt, ruft scheindemokratische Wahlen aus, bei denen die noch übriggebliebene eingeschüchterte Bevölkerung die Kriegsgewinnler bestätigen darf. Ähnlich wie im Irak nach dem Sturz von Saddam Hussain und US-In-vasion, gibt es keinen anhaltenden Frieden. Der Krieg wird auf kleiner Flamme weitergeführt, während ein neues Herrscherregime die Schätze des Landes an die großen Verbün-deten verscherbelt.

Möglich ist auch, dass Syrien nach dem jugoslawischen Modell aufge-teilt wird: Teile und Herrsche. Einige Kleinstaaten entlang künstlicher ethnischer oder religiöser Gren-zen (Kurden, Schiiten, Sunniten …) werden geschaffen. Sie existieren unfriedlich nebeneinander dahin.

Jeder dieser Kleinstaaten hat seinen Herrscher und ist völlig abhängig von der ihn stützenden Großmacht. Es geschieht dasselbe wie zur Zeit der ersten Aufteilung des ara-bischen Raums unter Sykes-Pikot 1916, nur dass die Kolonialmächte nicht mehr Frankreich und England, sondern USA und Russland heißen.

Im Kern geht es - wie damals - wieder um PALÄSTINA. Israel, als Kolonialmacht vor Ort, muss um jeden Preis geschützt werden. Die israelische Regierung sichert die Ausbeutungs- und Machtinteress-en der Großmächte vor Ort. Israel verhindert jeden Frieden mit den PalästinenserInnen. Würde es einen gerechten Frieden in Palästina ge-ben, wäre das der Anfang von Frei-heit, Demokratie und Selbstbestim-mung für die ganze arabische Welt.

hs

Warum dieser Krieg?

Foto @fl ickr Freedom House- CC BY-SA 2.0

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tatwir welt

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Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll, jede Geschichte hat einen An-fang und ein Ende, aber meine Ge-schichte hat einen Anfang und es ist kein Ende in Sicht. Am Anfang war es ein ruhiges, stabiles Leben, ein Leben, wie es viele andere auch haben.

Wir arbeiteten und lebten, als plötzlich wie in einem Traum alles aus war! Wo bin ich und was ist passiert? Ich muss meine ganze Kraft aufbringen um die Tötungen, Vergewaltigungen, Inhaftierungen auszuhalten … .

Wir begannen Freiheit mit Wörtern zu predigen und schrieben für Menschlichkeit Slogans, die Frei-heit fordern. Zu Beginn waren wir glücklich. Bis Gewehre auf un-sere Köpfe gerichtet waren. Sie raubten uns aus und überließen uns unserem Elend.

Ich war zum ersten Mal inhaftiert. Tut mir leid, aber nun werde ich nicht darüber sprechen, was mir im Inneren der Gefängnisse wider-fahren ist. Ich sah alle Arten von Folter, die man sich nur vorstellen kann! Nur wenige von jenen, die je-mals ein Haftlager betreten haben, kommen wieder lebend heraus.90 % sterben.

Wenn du drinnen bist, dann hast du nichts, aber am schlimmsten ist, dass man dort niemals Son-nenschein sieht.

Ich wurde dreimal verhaftet. Das dritte Mal zwei Tage vor meiner Hochzeitsfeier. Ich war gerade da-bei, das Fest vorzubereiten, als die Regierung mich einsperren ließ. Bis heute träume ich davon, sie alle wieder zu sehen.

Meine kleine Schwester, meinen Vater, meine Mutter und meineälteren Schwestern die ihre Ehemänner verloren haben. Wie werden ihre noch kleinen Kinder ohne Vater leben? Was sollten wir ihnen sagen?

Wir hatten Jobs und gute Posi-tionen in Firmen und große Häuser. Und am allerwichtigsten von allem – wir hatten Familien. Das einzige was in unserem Land noch übrig ist, ist Schutt und Asche. Der Diktator hat unser Land zerstört mit Hilfe der Großmächte dieser Welt.

So sind wir hergekommen, auf der Suche nach Frieden. Das elemen-tarste Recht ist, in Würde zu leben. Wir kamen her, um unsere Werte und unsere Moral mit euch zu teilen, um mit euch zu arbeiten und eine Gesellschaft mit euch aufzubauen und eine neue Zuku-nft.

Würdet ihr uns akzeptieren? Rettet unsere Familien, unsere Kinder! Ich erzähle euch die Wahrheit.SyrierInnen sind stolze Menschen, welche es lieben zu arbeiten zu helfen und andere zu treffen. Kein Leben ohne Arbeit.

Ich habe viele Geschichten zu er-zählen, die mir in Syrien wider-fahren sind.

TATWIR bietet die Möglichkeit an, den Autor für Vorträge und Gespräche zu kontaktieren:[email protected]: Einladung Syrien

Gedankeneines syrischen Refugees

www.tatwir.at/?p=265 arabische Vollversion zum Weiterlesen www.tatwir.at/?p=263 Englischversion

Page 5: Tatwir Ausgabe 3

Ägypten Das Rabia Massaker in Kairo2 Jahre schmerzhafteErinnerungen

Nach 46 Tagen des friedlichen Protests lösten am 14. August 2013 Polizei- und Armeeeinheiten das Protestcamp von Anti-Putsch Demonstranten auf. Mit äußerster Brutalität. Diesem Massaker waren schon zahlreiche andere voraus-gegangen. So töteten Sicherhe-itskräfte am 8. Juli 2013 über 50 Demonstranten vor dem Haupt-quartier der Republikanischen Garde.

Kaum zwei Wochen später er-eignete sich am 27. Juli 2013 bereitsdas zweite schwerwiegende Massa-ker seit dem Sturz des nur ein Jahr regierenden Präsidenten Mursi. Bei diesem Massaker in der Nähe des größten Protestcamps des Landes „Rabia Al-Adawiya“ starben laut internationalen Menschenrechtsor-ganisationen über 95 Menschen.

Am 3. Juli 2013 putschte das ägyptische Militär angeführt von General Al-Sisi die demokratisch gewählte Regierung mit Staatsprä-sident Mohammed MURSI. Seine Partei Freiheit und Gerechtigkeit (FJP) hatte die Parlamentswahlen 2011 gewonnen.

Das Zeichen Rabia (arabisch „vier“) mit 4 Fingern steht für die Erinnerung an das größte der drei Massaker an der ägyptischen Zivilbevölkerung im Jahr 2013.

Das Symbol kommt aus dem is-lamistischen Spektrum, ist aber kein Zeichen für islamischen Radikalis-mus. Es hat eine Bedeutungserweit-erung erfahren hin zu Protest ge-gen Diktatur und Willkürherrschaft im Allgemeinen.(PolitikwissenschaftlerT. G. Schneiders in wikipedia)

Schließlich fand am 14. August 2013 das schlimmste Blutvergießen in Ägyptens jüngerer Geschichte statt. Am frühen Morgen stürm-ten Truppen den Platz, um ihn zu räumen. Unter starkem Einsatz von Tränengas und scharfer Munition versuchte man zunächst vergeblich die 20 Tausend Protestierenden zu vertreiben.

Verletzte wurden in ein Feldlazarett gebracht, welches in der angren-zenden gleichnamigen Moschee eingerichtet war. Doch die Anzahl der verletzten Zivilsten stieg bin-nen einigen Stunden derartig an, dass es bald keinen Platz mehr für all die Verwundeten gab.

Bilder und Videos der damals Er-mordeten machten in sozialen Netzwerken die Runde. Trau-rige Berühmtheit erlangte Asma El-Beltagi, dieTochter des Gen-eralsekretärs der inzwischen auf-gelösten Freiheits- und Gerechtig-keitspartei (FJP). Die 17-Jährige wurde gezielt getötet, als sie am Platz stand.

Ihr bitterer Todeskampf im Feld-lazarett erlangte Berühmtheit und ist ebenso per Video dokumen-tiert wie ihre Ermordung. Ihr Vater ist mittlerweile mehrmals zu Tode bzw. zu lebenslanger Haft verurteilt

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Teilweise waren Angeklagte zu die-sem Zeitpunkt schon tot oder nicht anklagefähig, da sie zum Zeitpunkt der ihnen vorgeworfenen Taten gar nicht in Ägypten waren.

Dass das Netzwerk aus Richtern, hohen Militärs, Unternehmern und Medienleuten mit aller Kraft versucht seine Interessen durch-zusetzen und zu verteidigen und dabei den Großteil der ver-armten ägyptischen Bevölkerung nicht beachtet, ist menschenver-achtend und nicht länger mehr hinnehmbar.

Daher gibt es tägliche Proteste in vielen kleinen und großen Städten des Landes. Kritische arabische Me-dien berichten darüber und über die gewaltige Repressionswelle mit der die Diktator Sisi das Land über-rollt.

Sein Plan ist alle kritischen Men-schen auszuschalten. Die staatli-chen Medien betreiben Propagan-da zu Gunsten des Regimes.

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tatwir welttatwir welt

Leider werden ihre Nachrichten in EU-Medien eher übernommen, als die kritische Berichterstattung von Zivilgesellschaft und Opposition.

Die Gründe dafür sind wirtschaftli-che Profi tinteressen und politisch-strategische Einfl ussnahme im ara-bischen Raum. Solches Handeln ist gegen die demokratischen Interes-sen der Bevölkerung, gegen Men-schenrechte und Frieden!

Foto Wikimedia Commons Mosa’ab Elshamy- CC BY-SA 2.0Am späten Nachmittag waren die Sicherheitskräfte so weit, dass sie das provisorische Krankenhaus stürmten und alle unverletzten An-wesenden anwiesen die Moschee zu verlassen und dabei Tote und Verletzte zurückzulassen. Dass die Sicherheitskräfte dabei den An-gehörigen verschwiegen, dass sie die gesamte Moschee später anzünden werden, zeugt von einer menschenunwürdigen Poli-tik und Vorgehensweise. Berich-ten zufolge wurden bei dem Brand auch Menschen verbrannt, die nur leichte Verletzungen trugen und nur nicht rechtzeitig das Gebäude verlassen konnten.

Die historische Moschee brannte demnach bis zu den frühen Mor-genstunden des folgenden Tages. Die Bilanz des Tages betrug dem-zufolge mindestens 1000 Tote, deren Anzahl in einem offi ziellen Bericht von Amnesty International bestätigt wurde. Nicht zu verges-sen sind die über 10 000 Verletzte, die teilweise mit unbehandelten Wunden und Einschusslöchern festgenommen wurden. Im Zuge des Versuches freie Berichterstat-tung an diesem Tag gänzlich zu vermeiden, wurden 4 Journalisten getötet. Darunter ein Reporter der staatlichen Zeitung Al-Akhbar und Mike Deane von Sky News.

Man geht davon aus, dass die Regierung die hohe Anzahl an Toten bewusst in Kauf nahm. Un-bestätigte Meldungen berichteten, dass 5000 Tote als angemessen be-trachtet wurden.

Doch die Verschmähung der Anti-Putsch Demonstranten hat sogar nach diesem blutigen Massaker nicht aufgehört. Mehr als 1300 Per-sonen wurden bis zu diesem Zeit-punkt von Gerichten zu Tode ver-urteilt - teilweise unter rigorosen Anklagen. So wurden etwa zur Ver-urteilung von über 600 Personen zum Tode(!), die Angeklagten nur drei Minuten verhört- nicht einzeln, sondern gemeinsam.

Foto Wikimedia Commons Mosa’ab Elshamy- CC BY-SA 2.0

Ägypten Das Rabia Massaker in Kairo

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Warum ruft der Chef der regie-renden Hamas-Partei in Gaza-Streifen zum Aufstand auf? Es ist nicht schwer zu ahnen, welche Gründe er hat. Auch wenn man nicht Ismail Hanija ist, der als gewählter Regierungschef das tun muss, was die Bevölkerung von ihm verlangt, fi ndet man so viele Gründe, dass die Seiten von Tatwir nicht ausreichen. Allein seit dem furchtbaren Angriff auf Gaza letzten Sommer, als man dachte, schlimmer kann es nicht werden, hat sich die Situation der PalästinenserInnen in Westbank und Gaza rapide verschlechtert.

Nach wie vor sterben Menschen an den Folgen des Angriffs. Israelische Munition explodierte, als eine Familie den Schutt ihres Hauses räumen wollte. Fünf Familienange-hörige starben, mehr als 30 Men-schen wurden verletzt. Laut UN lie-gen noch 7000 solcher Blindgänger herum.

Die Versorgungslage in Gaza ist miserabel. In den Spitälern sterben deshalb Menschen. Sisi-Ägypten hat den Rafah Grenzübergang un-ter Kontrolle. Der Import und Ex-port von Lebensmitteln und an-deren Gütern wird von israelischem und ägyptischem Militär knapp begrenzt. Von den auf Geberkon-ferenzen zugesagten 5,4 Milliarden US-Dollar ist nur ein Minimalbetrag eingetroffen.

Israel hält 400 der insgesamt 6000 in Israel inhaftierten Palästinenser-Innen in sogenannter Administra-tivhaft. Das bedeutet mindestens(!) sechs Monate Gefängnis, ohne An-klage und ohne Verteidigung. Viele unter ihnen sind minderjährig.

Jürgen Todenhöfer sagt:Gaza liegt auf der

Intensivstation.Und stirbt langsam.

Die Welt aber schaut zu.

Mohammed Allan, seit November 2014 ohne Anklage gefangen ge-halten, hatte am 18. Juni aus Pro-test dagegen einen Hungerstreik begonnen. Israel drohte ihn mit der international als Folter eingestuften Zwangsernährung zu quälen.

Mutter von M. Allan:“Ich weiß, dass mein Sohn unschul-dig ist. Das ist Ungerechtigkeit! Er hat zu mir gesagt: Entweder werde ich entlassen, oder ich sterbe.“

Im Westjordanland griffen recht-sextreme jüdische Siedler wieder-holt palästinensische Dörfer an. Nach einem Brandanschlag auf das Haus der Familie Dawabscha starb nach dem 18 Monate alten Baby auch der Vater. Bei Nablus wurde ein 21 jähriger Palästinenser mit 5 Schüssen von einem israelischen Besatzungssoldaten getötet. Nach-dem bei Zusammenstößen drei junge Palästinenser, darunter ein 12-Jähriger starben, eskalierten die Proteste. Als Antwort bombardierte die israelische Armee Gaza.

PALÄSTINAtatwir welt

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Die Intifada lebt!

Mutter von M. Allan:

Seit Jahresanfang 2015 ha-ben die Vereinten Nationen den Tod von mindestens 24 Palästinensern registriert, da-runter 6 Kinder. Pro Woche werden nach UN-Angaben durchschnittlich 37 Palästi-nenser bei Einsätzen der Be-satzungsarmee verletzt.

(Stand August)

Aus Jerusalem vertreiben Armee und rechtsextreme Siedler seit je-her palästinensische Familien. Zum Häuserabriss und den täglichen Schikanen kamen Pläne der Netan-jahu-Regierung, den Status des Ha-ram As-Scharif auf dem sich die Al Aqsa Moschee befi ndet, zu verän-dern. Rechtsextreme fordern den Abriss der Moschee, um dort einen „dritten Tempel“ zu errichten. Is-raels Armee begleitet solche Leute auf den Haram As-Scharif, dringt bewaffnet in die Al Aqsa Moschee ein und hindert Muslime am Zutritt durch teilweise und totale Absper-rung. Medien berichten derzeit über die Messerattentate von Palästinenser-Innen. Im Tenor mit Israel werden sie als „Terroristen“ bezeichnet. Doch vor dem Hintergrund all die-ser ständigen Schikanen und Tö-tungen, denen die palästinensische Bevölkerung ausgesetzt ist, sind es die Signale eines neuerlichen Auf-stands. Denn nach so vielen Op-fern über ein halbes Jahrhundert hinweg, werden diese Menschen niemals auf ihre Rechte und auf ihr Land verzichten.

hs

Page 8: Tatwir Ausgabe 3

tatwir welt

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ArabischeEmirate

Ein Sheikh foltert

Von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) aus haben USA und Verbündete im 2. Krieg gegen den Irak Luftschläge durchgeführt. Nach Afghanistan und Irak wurden Truppen im Rahmen der US-Koalition entsendet.

Seit 2008 gibt es einen französischen Flotten-stützpunkt und den Plan zwei französische Kernreaktoren zu errichten. Die VAE sind der Kriegsverbrechen im Jemen bezichtigt. Dort-hin haben sie gemeinsam mit Saudi-ArabienBodentruppen entsandt.

In den VAE gibt es keine Gewerkschaften. Während Arbeitsmigranten aus Industrielän-dern höchste Löhne erhalten, werden viele ein-fache ArbeiterInnen oft ohne Bezahlung ent-lassen. Als MigrantInnen machen sie 80% der EinwohnerInnen aus.

Der Rest sind Mitglieder des herrschenden Stammes, die es sich auf deren Kosten gut ge-hen lassen. Schlimme soziale Diskriminierung erleiden auch „Bedoons“, Menschen bedu-inischer arabischer Abstammung. Der Herrscher nennt sich „Emir“, was „Führer von Muslimen“ bedeutet …

Die Heuchelei der VAR zeigt sich deutlich an Hand eines Vorfalls, in dem ein Sheik, der An-gehöriger der Königsfamilie ist, versucht ein Geständnis durch Folter zu erpressen.

Bericht und Video sind auf unserer Homepage unter www.tatwir.at/?p=267 auf deutsch und www.tatwir.at/?p=269 auf türkisch abrufbar.

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ISLAMOPHOBIE Das Feindbild Islam - Teil 2

wie die Extremisten des Terroran-schlags in Paris (Jänner 2015) sich das Recht nahmen, Menschenleben zu nehmen. Wenn diese Terroristen unseren Propheten Muhammed (s.a.s.)1 wirklich kennen und lieben würden, hätten sie gewusst, dass ihm unter anderem dieser Vers überliefert wurde:

„Und schmäht nicht diejenigen, die sie außer Allah anrufen, damit sie nicht in Übertretung ohne Wissen Al-lah schmähen! So haben Wir jeder Gemeinschaft ihr Tun ausgeschmückt erscheinen lassen. Hierauf wird ihre Rückkehr zu ihrem Herrn sein, und Er wird ihnen kundtun, was sie zu tun pfl egten.“ – Quran 6:108

Der Prophet (s.a.s.) hielt an seiner Toleranz immer fest, auch wenn sein Leid zunahm. Er besaß ein-en sehr sanftmütigen Charakter, mit dem er auch Böses ertragen und dulden konnte. Nicht-Mus-limen tat er nie Unrecht an. Als der Prophet Muhammed(s.a.s.) in der Gebirgsstadt Taif (in der Nähe von Mekka) mit Steinen beworfen wurde, betete er zu Gott für seine Verfolger mit folgenden Worten:

„O mein Herr! Erbarme dich ihrer. Denn mein Volk ist unwissend. Sie wissen nicht, was sie getan haben.“ Seine Barmherzigkeit beweist auch diese Überlieferung:

Der Gesandte Allahs, Segen und Frieden auf ihm, wohnte in Medina neben dem Hause eines Juden.

Er ertrug dessen Nachbarschaft, ob-wohl dieser Nachbar ihm täglich Ab-fall vor die Tür schüttete, um seiner Geringschätzung für den Propheten (s.a.s.) Ausdruck zu verleihen.

Eines Tages bemerkte der Prophet(s.a.s.), dass kein Müll vor seinem Hause lag. Auch am näch-sten Tag war kein Müll zu sehen.Er fragte nach dem Ergehen seines Nachbarn und erfuhr, daß dieser erkrankt war. Der Prophet(s.a.s.), begab sich zum Hause seines kranken Nachbarn, um ihm ein-en Krankenbesuch abzustatten.

Der Jude war höchst verwundert, den Propheten(s.a.s.) bei sich zu sehen und fragte: “Wie wußtest du von meiner Krankheit?” Der Prophet(s.a.s.) antwortete: “Als mir auffi el, daß deine tägliche Gabe vor meinem Hause ausblieb, dachte ich mir, daß dir womöglich etwas zugestoßen sei. Ich fragte nach, und man sagte mir du seiest krank.”

Die Barmherzigkeit des Propheten Muhammed (s.a.s.) wurde von viel-en Menschen vergessen und wird leider in den Handlungen einiger Muslime heutzutage nicht refl ektiert. Wenn ein Muslim einen Fehler be-geht, dann muss dieser Muslim auf seinen Fehler aufmerksam gemacht werden. Der Islam als Religion ist perfekt, ein Muslim ist es nicht.

Hazal Altuntaş, Studentin, 21 JahreFortsetzung in Tatwir 4

tatwir reLigion

In Tatwir 2 hat Redakteurin Hazal Altuntaş den Begriff des „Dschi-had“ als Kampf mit dem eigenen Gewissen dargelegt. Sie erklärte, dass der Quran kontextgebunden verstanden werden muss und da-durch Missbrauch zu Zwecken der Machtgewinnung und Manipula-tion verhindert werden kann. Über den Krieg schrieb sie, dass er Mus-limen nur zur Verteidigung erlaubt ist.

Die ExtremistenWeiters kann man schon auf der 3. Seite (!) des Quran Verse über Heu-chler, wie die IS-Anhänger, lesen:

“Unter den Menschen gibt esmanche, die sagen: “Wir glauben an Allah und an den Jüngsten Tag”, doch sind sie nicht gläu-big. Sie möchten Allah und dieje-nigen, die glauben, betrügen. Aber sie betrügen nur sich selbst, ohne es zu merken. In ihren Herzen ist Krankheit, und da hat Allah ihnen die Krankheit noch gemehrt. Für sie wird es schmerzhafte Strafe dafür geben, dass sie zu lügen pfl egten.“

„Und wenn man zu ihnen sagt: “Stiftet nicht Unheil auf der Erde!” sagen sie: “Wir sind ja nur Heilstifter”. Dabei sind doch eben sie die Unheilstifter, nur merken sie es nicht.

„Aber sie wissen nicht. Und wenn sie diejenigen treffen, die glauben, sagen sie: “Wir glauben.” Wenn sie jedoch mit ihren Teufeln allein sind, so sagen sie: “Wir stehen zu euch. Wir treiben ja nur Spott. Allah verspottet sie und lässt sie weiter verblendet umherirren.“ -

Quran 2:8-16

Charlie Hebdo undToleranz im IslamEinerseits bin ich der Meinung, dass es nicht sein darf, dass man das Menschenrecht der Meinungs-freiheit für Rassismus und Belei-digungen ausnutzt. Andererseits kann ich islamisch gesehen, nicht nachvollziehen,

Page 10: Tatwir Ausgabe 3

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Alles Lob gebührt Allah, dem Herrn aller Welten. Frie-de und Segen seien auf dem Gesandten, seiner Familie und seinen Gefährten. Anlässlich des islamischen Op-ferfestes Aid-ul-Adha ist es wichtig, über Geschichte und Wichtigkeit der Pilgerfahrt zu berichten.

Es wurde von Anas Ibn Malik (ALLAHs Wohlgefallen mit ihm) überliefert: Als der Gesandte ALLAHs (Friede und Heil auf ihm) in Medina ankam, hatten sie (die Medinenser) zwei Tage an denen sie sich vergnügten (bzw. feierten). So fragte er (Friede und Heil auf ihm): „ Was sind das für 2 Tage?“ Sie sagten: „Wir pfl egten uns in der vorisla-mischen Zeit in ihnen zu vergnügen.“ Daraufhin sagte der Gesandte (s.a.s): „Wahrlich, ALLAH hat euch diese beiden Tage durch etwas besseres ersetzt, nämlich das Opferfest und das Fastenbrechenfest.“

(Abu Dawud 1134; Sahih)

1. Es gibt eine Sure im Edlen Quran, die Al Hadsch, die Pilgerfahrt, heißt.

2. „Der Gesandte Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm, sagte: Der Islam wurde auf fünf (Tragpfeilern) gebaut: dem Zeugnis, dass kein Gott da ist außer Allah, und dass Muhammad der Gesandte Allahs ist, dem Verrichten des Gebets, dem Entrichten der Zakah, dem Hadsch (Pilgerfahrt) und dem Fasten im (Monat) Ramadan.“ (Ibn `Umar)

3. Die Pilgerfahrt ist einmal im Leben.

Die Engel pilgerten zur Kaaba und dann pilgerte auch Adam a.s. zur Kaaba. Der Prophet Ibrahim hat mit seinemSohn Ismail das heilige Haus, die Kaaba, gebaut.

4. In der Sure Al Baqarah (die Kuh) Vers 127, heißt es:Und (gedenket der Zeit) da Abraham und Ismael die Grundmauern des Hauses errichteten (indem sie beteten): „Unser Herr, nimm (dies) an von uns; denn Du bist der Allhörende, der Allwissende.“

Die Menschen vor dem Propheten Muhammad s.a.s. haben die Kaaba auch oft besucht, obwohl sie an die Götzen geglaubt haben.

Wissenswertesüber die Pilgerfahrt

Ibrahim brachte seine zweite Frau die Ägypterin Hagar mit ihrem kleinen Sohn Ismail zu einem Tal, wo es weder Wasser noch Menschen gab. Hagar ist zwisch-en den beiden Hügeln Safa und Marwa gelaufen, um Wasser zu suchen. Dann schenkte Allah ihnen die Süß-wasserquelle Zamzam unter den Füßen Ismails.

Sure Ibrahim (Abraham), Vers 37:„Unser Herr, ich habe einen Teil meiner Nachkom-menschaft in einem unfruchtbaren Tal nahe bei Dei-nem Heiligen Haus angesiedelt, o unser Herr, auf dass sie das Gebet verrichten mögen. So mache die Herzen der Menschen ihnen zugeneigt und versorge sie mit Früchten, damit sie dankbar seien.“

Die Voraussetzungen der Pilgerfahrt sind: Muslim sein, geschlechtsreif, geistig gesund und die fi nanzielle Möglichkeit für die Reise und für die Familie während der Reise. Wenn jemand das Geld hat, aber nicht ge-sund ist, dann kann irgendwer statt ihm die Pilgerfahrt machen.

Abdullah Ibn `Abbas, Allahs Wohlgefallen auf beiden, berichtete: „Eine Frau sagte: „O Gesandter Allahs, die Pilgerfahrt, die Allah Seinen Dienern zur Pfl icht gemacht hat, wurde verkündet, als mein Vater sehr alt war und sich auf dem Reittier nicht mehr festhalten konnte. Darf ich den Hadsch für ihn vornehmen?“ Der Prophet antwortete: „Ja!“.

Page 11: Tatwir Ausgabe 3

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So hat der Grazer Barock-Architekt Johann Bernhard Fischer von Erlach (1656-1723)Mekka und die Kaaba im Jahr 1721 dargestellt. Er entwarf u.a. Pläne für die Karlskirche in Wien, Schönbrunn und eine Reihe von Palais für seinen Auftragge-ber, das imperiale Königshaus Habsburg.

Das Schwache Glied in der Kette war ich

zu Fußnach Mekka

TATWIR bringt ein Exklusivinterview mit dem Hadschi Thair Abud. Herr Abud wurde in Deutschland geboren, sein Vater ist Iraker und seine Mutter Deutsche. Er ist seit 1979 in Öster-reich und verbrachte seine Kindheit im Irak.

Wie sind Sie überhaupt auf die Idee gekom-men, diese Wanderung zu unternehmen?

Meine Schwester war an Krebs erkrankt. Sie dachte daran zu sterben und hat bereits begonnen ihr Testament aufzuschreiben. Sie verschenkteihre Sachen. Ich war der Meinung, dass sie nicht sterben wird. Ich sagte zu ihr, dass ihre Gedan-ken sie töten werden und nicht der Krebs. Also habe ich irgendetwas gesucht, womit ich meineSchwester beschäftigen könnte. Ich kam auf die Idee den Jakobsweg in Spanien zu gehen.

INTERVIEW

Die Pilgerfahrt bedeutet weiters: Zur Kaaba zu gehen in einer bestimmten Zeit mit bestimmten Taten.

5. In Sure Al-Baqarah, Vers 197 heißt es: Die Monate für die Pilgerfahrt sind wohlbekannt; wer also beschließt, die Pilgerfahrt dann zu vollziehen:keine sinnliche Begierde, keine Übertretung nochirgendein Streit während des Pilgerns!

Die Pilgerfahrt ist die Anstrengung (Jihad) für die Frau. Während der Pilgerfahrt tragen alle Pilgerfahrer die gleichen Kleidungen und es treffen sich die Muslime aus der ganzen Welt.

Abdullah An-Nemsawy

Page 12: Tatwir Ausgabe 3

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Das Schwache Glied in der Kette war ichzu Fuß

nach Mekka

Sie ging nun über das Schwarze Meer. Ich ging durch Istanbul, Trabzon, dann in den Iran nach Isfahan, über die Berge nach Kuwait. Da mir die saudische Botschaft die Einreise verweigerte, ging ich den restlichen Weg nach Salala im Oman. Schlussendlich waren es insgesa-mt 8670 km und dafür bin ich 283 Tage gegangen.

Wie sind Sie auf ihrer Reise von den Menschen,die sie getroffen haben, empfangen worden?Als ich den Iran betrat, hatte ich Angst dieses Land zu bereisen, weil es als Terroristenland schlech-thin gilt. Doch niemand ist so menschlich, so freun-dlich, so gebildet wie die Iraner. Ich kenne die ara-bische Gastfreundschaft und wir sind weit entfernt von den Iranern. Die Omaner wiederum lesen kaum eine Zeitung. Aber sie leben in Clans mit großen Gebieten und sie haben mich von einem Clan zum anderen rübergetragen. Nur um diesen Mann zu sehen, der für seine Schwester nach Mekka geht.

Können Sie ihr Gefühl beschreiben,als sie bei ihrem Ziel ankamen? Für mich war das der schlechteste Tag meines gan-zen Unternehmens. Ich stand vor der Ortstafel Salala und konnte mich 20 Minuten lang nicht bewegen. Denn ich wusste, dass wenn ich da hineingehe, fertig bin mit der Wanderung. Es ist zu Ende, der Weg ist zu Ende. Ich habe geweint. Das war der traurigste Tag der ganzen Geschichte. Als in jedoch in Mekka ankam, war es anders. Die Kaaba ist da, man sieht so viele Pilger. Es ist beruhigender. Der Hadsch ist nicht, dass man in Mekka ist. Es ist der Weg dorthin. Es ist das Gehen. Ich habe mich auf dem Weg dorthin kennen-gelernt. Es ist eine andere Erfahrung. Man spürt sich, man spürt, dass man lebt und man spürt die Umgebung. Es ist eine andere Qualität, als wenn man in den Flieger steigt und man nach sechs Stunden dort ist. Da hat man noch gar keinen Kontakt zu Gott aufgenommen.

Herr Abud, vielen Dank für das Interview!

Es ist eine einfache Angelegenheit, dachte ich mir vor-erst. Wenn sie mich manchmal anrief, habe ich nicht abgehoben. Damit habe ich es geschafft, dass sie nicht mehr Angst um sich hatte, sondern sich fragte: Wo ist-mein Bruder, wieso hebt er nicht ab? Ist er tot, lebt er noch? Doch das schwache Glied in der Geschichte war ich.

Ich wusste nicht, was es heißt zu gehen. Ich war nie sportlich gewesen in meinem Leben. 13 Kilo am Rück-en zu tragen, 30 km täglich zu gehen ist ein riesenAuftrag. Nach ungefähr 10 Tagen war ich verzweifelt,mein Körper war ein einziger Schmerz, ich konnte nicht mehr schlafen und stellte mir die ganze Zeit die Frage: Warum tu ich mir das an? Und dann habe ich zum Himmel geschaut und habe gesagt: Lieber Gott, wenn du es schaffst, dass meine Schwester überlebt, dann gehe ich für Dich nach Mekka. Nach 102 Tagen bin ich tatsächlich in Camino de Santiagoangekommen und meine Schwester hatte überlebt. Und natürlich hatte ich mein Versprechen vergessen.

Wie lang war der gesamte Weg?Der gesamte Weg war 3250 km lang und dauerte 102 Tage. Damals war ich am 25. August 2013 ge-startet, angekommen bin ich 4. Dezember in Camino de Santiago. Zu Weihnachten saßen wir alle gemein-sam und ich habe von meiner Reise erzählt. Plötzlich habe ich mich daran erinnert, dass ich ein Verspre-chen abgegeben hatte. Jetzt konnte ich dieses Ver-sprechen nicht mehr vergessen. Ich ging zu einem Sheikh, habe ihm meine Geschichte erzählt und er sagte: Ist ja überhaupt kein Problem. Du schlachtest ein paar Schafe und gibst das Fleisch den Armen. Ich habe überlegt und dann zu mir gesagt: Gott hat auch nicht meine Schwester genommen und mir ein Auto gegeben. Ich habe dann angefangen die Strecke zu kalkulieren. Ich musste die Strecke öfters umrechnen.

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Sei keine Belastung für dich selbstDenn die Umwelt ist dein Zuhause

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Der Prophet s.a.w.s. sagte: „Die Welt ist wunderschön und frisch, und wahrlich Gott, der Erhabene, hat euch zu Seinen Statthaltern darauf gemacht, und Er sieht, wie ihr (eure Ansprüche) befriedigt.” (Sahih Muslim)

Ali Ibn Abi Talib sagte einstzu einem Mann welcher aufgegebenes Land bebaute: ‚Habe glücklichen Anteil daran, solange du ein Bringer von Nutzen bist, kein Plünderer; ein Kultivierer, kein Zerstörer.“

> Umwelttipp #1 Vermeidet den PlastikwahnFür die Herstellung von Einweg-Plastikprodukten werden unschätzbare Ressourcen verbraucht und zugleich die Umwelt verschmutzt und leider sehr wenig recycelt. Babywindeln und Damenbinden z.B. leben noch 500 Jahre bis sie sich in ihre Einzel-teile zersetzen, Styropor hingegen bis zu 6000 Jahre.

Viel zu viel dieses Zivilisationsmülls belastet Land und Meer, weshalb Umdenken gefragt ist und An-regungen für ein Leben ohne Plastik bzw. Kunststoff herzlichst willkommen sind. Das Thema ist zu kom-plex um eine einfache Lösung zu fi nden, deshalbmüssen wir an verschiedenen Stellen ansetzen:

> Trinkwasser aus dem Rohr anstatt aus der PET-Fla-sche! Nütze daher eine Flasche aus Glas oder lang-lebigem, Schadstoff- und bpa freiem Spezialkunst-stoff (z.B. AVEO).

> Das tägliche Einkaufen mit einem Stoff- oder Jutesackerl erledigen!

> Anstatt abgepackte Lebensmittel zu kaufen, lieber Unverpacktes im Supermarkt oder im Biogeschäft bzw. Bauernmarkt in mitgebrachten Dosen oderGläsern transportieren!

> Lebensmittel lieber, an Stelle von Frischhaltefolieund Gefrierbeutel, in ausgewaschenen Gläsern oderMehrwegbehältern aus Keramik oder Blech lagern!

>Nachhaltige Monatshygiene: ökologischhergestellte Bio-Baumwoll-Binden und Tampons werden in Reformhäusern und Bioläden angeboten.www.diapersewing.com/clothpads.htm bietet einegünstige, ökologische und gesundheitlich unbe-denkliche Nähanleitung als zu-Hause-Variante.

>Babywindeln: Eine bekannte Drogeriekettebietet Öko-Windeln zu erschwinglichen Preisen.

>Letzten Endes kommt es auf die richtige Mülltren-nung an. Plastik hat im Restmüll nichts verloren!

Die Nutzung jeglicher lebensnotwendiger Quellen und Ressourcen dieses Planeten ist das Vor-recht aller Lebewesen, denn wir sind alle gleich-berechtigte. Da Gott den Menschen die Statthalter-schaft übertragen hat, liegt es in unserer Verant-wortung diese Quellen nicht zu missbrauchen,zerstören oder schlecht zu behandeln. Gemeinsam können wir das uns Anvertraute erhalten, bewahren und für künftige Generationen weiterentwickeln.

zm

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tatwir reLigion

Der Mann sagte zu sich: „Der Hund wurde vom starken Durst genauso befallen wie ich.“ Er füllte seinen Schuh mit Wasser, hielt diesen mit seinem Mund fest, klettertehinaus, tränkte den Hund damit und dankte Allah für das Wasser und so vergab ihm Allah seine Sün-den.“ Umso trauriger ist, dass in muslimischen Län-dern Hunde und Esel schlecht behandelt werden und ihre Namen als Schimpfwörter missbraucht werden.

Es muss für Muslime klar sein, dass Tiere eine Seele haben. Das geht nämlich aus sämtlichen Überlieferun-gen hervor. Muhammad (s.a.s) sagte: „Nehmt nichts was eine Seele besitzt, als Zielscheibe“, nachdem er gesehen hatte, wie Kinder Vögel mit Steinen bewarfen.

Zudem ist verboten: > Tiere zu brandmarken> Tiere vor anderen Tieren zu schlachten> Schau-und Tierkämpfe zu veranstalten

Wenn alle Politiker und Einfl ussreichen dieser Welt so wie der Kalif Abu Bakr regieren würden, würden Tiere so leben wie sie es verdient haben, denn er sagte:„Wenn ein Schaf auf irakischer Seite stolpert, bin ich dafür verantwortlich die Straße eben zu machen.“

Fatima Suleiman, 18 Jahre

Dieser Text soll ein Wachrüttler sein, in erster Li-nie für mich und dann für euch. Nahrung ist eines der wichtigsten Bedürfnisse des Menschen. Schon seit jeher hat der Mensch im Einklang mit der Na-tur gelebt. Doch im Laufe der Jahrtausende wen-dete sich das Blatt, der Mensch wurde selbst-süchtig und brachte das Gleichgewicht ins Wanken.

„Gewiss wir haben alles in bestimmten Maßen er-schaffen“, heißt es im Koran. Im Islam ist die gesa-mte Schöpfung ein Geschenk von Allah t. an uns und wir müssen damit respektvoll umgehen. Im Ko-ran und in der Sunnah (Leben des Propheten Mu-hammad s.a.s) wird das immer wieder betont. Leider denken viele Muslime es reicht einfach nur Halal-fl eisch zu essen, doch das ist noch längst nicht alles… .

Der islamisch korrekte Umgangmit Tieren ist in drei Kategorien unterteilt:

1. Physisch:Es ist einem Muslim strengstens verboten,Tiere physisch zu verletzen oder gar zu quälen.

2. Psychisch:Es ist einem Muslim untersagt,Tieren psychische Schmerzen zuzufügen.

3. Ethisch:Es ist einem Muslim nicht erlaubt,Tiernamen als Schimpfwörter zu benutzen.

Zum Beispiel „Sau“. Solche Bezeichnungen sind nicht nur herablassend gegenüber Tieren, sondern Allah t. gegenüber, auch weil man seine Schöpfung be-schimpft. Ein Beweis für die wertvolle Stellung der Tiere im Islam ist der Fakt, dass ganze Suren nach Tie-ren benannt wurden. Die längste Sure heißt „Baqara“ (Kuh). Auch viele Hadithe (Aussagen des Propheten (s.a.s.) sind Belege dafür, wie zum Beispiel Abdullah Ibn Umar, der berichtete: „Eine Frau wurde wegen ein-er Katze bestraft, weil sie sie solange einsperrte, bis sie verhungerte. Sie ging dafür ins Höllenfeuer…“(Hadith sahih bei Buhari). Auch Hunde und Esel haben ein-en respektvollen Umgang verdient, wie eine andere Überlieferung von Buhari zeigt: „Während ein Mann unterwegs war, verspürte er starken Durst. Er kletterte in einen Wasserbrunnen hinab und trank daraus. Als er wieder draußen war, sah er einen Hund, dessen Zunge heraushing und aufgrund seines Durstes Sand fraß.

Der Umgang mit Tierenim Islam

Foto Wikimedia Commons amalavida.tv- CC BY-SA 2.0

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tatwir literarischMade in

... ERROR!Ich mag es am Abend durch den Straßen Wiens zu schlendern. Der warme Kaffeebecher in mein-er Hand wärmt und die Stille um mich macht mich glücklich. Auf dem Kaffeebecher steht „Kaf-fee mit viel Liebe zubereitet. Made in Vienna.“

Unwillkürlich krampfen sich meine Finger um den war-men Becher. Die drei Worte „Made in Vienna“ gehen mir nicht aus dem Kopf. Warum war es den Menschen immer so wichtig zu wissen, welches Land was produziert?Auf fast jedem Spielzeug steht „Made in China“, sogar auf der Anleitung meines iPhones und auch meine Kopftücher, die ich aus Ägypten kaufe, haben entwed-er die Aufschrift „Made in Egypt“ oder „Made in India“.

Warum wurden diese Grenzen überhaupt gezogen? Wo liegt der Sinn und Zweck? Angenommen es gäbe keine Grenzen auf dieser Welt, gäbe es dann Rassismus oder Diskriminierung? Gäbe es Ägypter, Chinesen, Türken und Österreicher? Wären wir nicht alle einfach Menschen?

Da gibt es noch Begriffe wie „Vaterland“ und „Mutter-land“. Ist mein Vaterland auch meine Heimat? Bin ich Ägypterin oder Österreicherin? Oder vielleicht keines von beiden oder doch beides? Wenigstens weiß ich, von wo meine Eltern kommen. Aber ist es überhaupt so wichtig, ein Vaterland zu haben? Ist es nicht viel wich-tiger einen Ort zu haben, an dem man sich wohlfühlt? Ein Ort, wo man sich zu Hause fühlt. Meine Lippen for-men sich zu einem leichten Lächeln, als ich an ein Zitat denken muss, das ich vor kurzem gelesen hatte „Hei-mat ist jener Ort, wo du nach einem Bad ohne Hem-mungen nackt durch deine Wohnung laufen kannst.“

Ist Ägypten eigentlich meine Heimat, wenn ich dort, wie die jetzigen Demonstranten grundlos festgenom-men oder sogar getötet werde? Im Moment ist Ägyp-ten mein Vaterland, aber auf keinen Fall meine Heimat, denn wäre sie meine Heimat, dann müsste ich mich dort auch wohlfühlen. Ich müsste keine Angst haben, auf den Straßen zu gehen. Hier in Österreich wiederumfühle ich mich sicherer, meine Familie ist hier und meine Freunde, aber trotzdem akzeptieren mich viele Menschen nicht, zum Teil wegen meiner Haut-farbe und zum Teil wegen meiner Religion. Am lieb-sten würde ich in den Himmel schreien und heulen.

Ich verbinde meine Heimat nicht mit einem Ort, ich verbinde sie mit einem Moment, und zwar jene Momente, in denen ich mich so benehmen darf, wie ich auch bin. Ich nehme einen großen Schluck aus meinem Kaffeebecher und merke, dass ich ei-gentlich in meiner Heimat bin. Der Sternenhim-mel über mir und mein Kaffeebecher in meiner Hand.

Samr El Arby, 19 Jahre

Ihr seid Flüchtlinge

Man hat euch belogen, gefoltertund betrogen,

misshandelt, gemessen und gewogen

Euch wie Tiere behandeltund sich das EU-Geld eingesandelt

Politiker schieben euch hin und her,dabei ist das Menschen-Retten nicht so

schwer

Terrorismus unterstellt man ihnen,dabei ist es nicht verboten vor dem Krieg

zu fl iehen

Ihre einzige Hoffnung bietet ihr Glauben, macht sie standhaft,

das kann ihnen niemand rauben

Familienmitglieder gestorben oder dort gelassen,

Die Behandlung wie Dreck – wie Gefängnisinsassen

Und wir sehen zu wie Politiker ihr Geldverprassen

Sarah, 18 Jahre

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Foto Wikimedia Commons Brocken Inaglory - CC BY-SA 3.0

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tatwir literarisch

Mein Name istMALCOLM X

Das Leben eines Revolutionärs

Buchempfehlung

Die Muslimische Jugend Österreich hat am 24.06.2015 einen Vortrag im Rahmen einer Buchvor-stellung von Dr. Farid Hafez veranstaltet. Der Gastred-ner Dr. Hafez, ist Politikwissenschaftler, Islamopho-bieforscher an der Uni Salzburg und Autor des kürzlich erschienenen Buches - Mein Name ist Malcolm X.

Er diskutierte mit einer großen Gruppe von jun-gen Muslimen den Einfl uss von Malcolm X auf die Stärkung der Rolle der muslimischen Ju-gend in der ganzen Welt. Er zeigte, dass die mus-limische Jugendorganisation in Österreich di-rekt mit dem wachsenden Selbstbewusstsein derafroamerikanischen Muslime in Verbindung steht.

Q&A mit Dr. Farid Hafez

Was hat Sie motiviert,eine Biografi e über Malcolm X zu schreiben?Was ist Ihr Ziel mit diesem Buch?Ich denke, dass die Lebensgeschichte von Malcolm X vor allem für Jugendliche eine Lehre sein kann, da sich viele mit ihm identifi zieren können auf die eine oder andere Weise. Viele Menschen sind durch Malcolm X zum Islam konvertiert und das sagt viel darüber aus, was für eine einfl ussreiche Persönlich-keit Malcolm X war. Mein Wunsch mit diesem Buch ist, dass sich junge Menschen bewusst werden, dass aus jedem und jeder etwas werden kann, wenn man dafür auch bereit ist hart zu arbeiten. Ich möchte mit diesem Buch Menschen dazu an-regen, Dinge kritisch zu hinterfragen, selbst-bewusster zu werden und zu ihrer Identität zu stehen. Es ist mir wichtig, dass die Leser ein-en Respekt gegenüber sich selbst entwickeln.

Wie viel Zeit haben Sie in die Verfassung dieserBiografi e gesteckt? Wie viel Arbeit steckt da-hinter?Ich habe insgesamt ca. 2 Monate an die-sem Buch geschrieben, aber davor habe sehr viel recherchiert und bin auch unter ander-em in diesem Rahmen nach Amerika gereist.

Woher haben Sie die Informationen für“Mein Name ist Malcolm X” bekommen? Über Malcolm X ist sehr viel geschrieben worden, da-her gibt es etliche Bücher über sein Leben. Wichtige Biografi en über Malcolm X sind z. B. “Malcolm X: A Life of Reinvention” vom amerikanischen Historiker Manning Marable und “On the Side of My People: A Religious Life of Malcolm X” von Louis A. Decaro Jr.

Welches ist Ihr selbstgeschriebenesLieblingsbuch?Ich habe eigentlich kein selbstgeschriebenes Li-eblingsbuch, aber “Mein Name ist Malcolm X” ist für mich eines der wichtigsten Bücher, die ich geschrieben habe, weil ich mich hier - anders als bei meinen aka-demischen Arbeiten - an junge Menschen wende.

Dieses Buch gibt jungen Menschen einen Einblick in das Leben eines Revolutionärs. Eines Mannes, der sein Leben für seine schwarzen Brüder und Schwest-ern opferte, die vom Rassismus geplagt waren. Es zeigt das explosive Leben eines gut erzogenen Jun-gen, der sich in Drogen und Gaunerei verliert, um im Gefängnis zu einem geläuterten Muslim zu werden.

“Mein Name ist Malcolm X. Das Leben eines Rev-olutionärs” erzählt die Geschichte eines Men-schen, der sich unermüdlich für Gerechtigkeit ein-setzt und schlussendlich mit seinem Leben dafür bezahlt. Ein Leben voller Wandel und Veränderungen.

Geboren als Malcolm Little im Jahre 1925, wird er kurz vor seinem Tode 1965 El-Hajj Malik El-Shabbaz, der schein-ende schwarze Prinz der schwarzen Ghettos Amerikas.

Zu kaufen gibt es die 94-seitige Biografi e “Mein Name ist Malcolm X” von Dr. Farid Hafez für nur€ 9,90im Al Hamra Onlineshop: http://goo.gl/qZxahg

Es gibt auch einen beeindruckenden Film des Regisseurs Spike Lee zum Leben von Malcolm X.Trailer zum Film „Malcolm X“ (1992):https://goo.gl/TXFrje

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REFUGEE PROTESTCAMPim Grazer Stadtpark

Wir sind in Sicherheit – unsere Familien nicht!

Seit Ende September campieren mehr als 20 Flüchtlinge aus Irak, Syrien und anderen Ländern in Graz vor der Polizei am Parkring 4. Manche von ihnen warten schon seit einem Jahr und länger auf ihren Asylbescheid.Dieses Warten ist für sie unerträglich geworden. Denn, so Ali für sich und seine Mitstreiter: „Wir sind fürunsere Familien gefl üchtet“.

Viele der Protestierenden sind Familienväter. Sie haben die Flucht unter Lebensgefahr gewagt, während ihre Angehörigen in den Kriegsgebieten oder Flüchtlings-lagern ausharren, bis sie nachfolgen können. In den letzten Monaten hat sich der Krieg in Syrien weiter aus-gebreitet, es gibt kaum sichere Aufenthaltsorte mehr. Die Männer haben Angst um das Leben ihrer Familien. „Ich will mein Kind lebendig wiedersehen!“ steht auf einem Plakat.

Die Männer wollen endlich einen positiven Asyl-bescheid erhalten, damit sie für die Familienzusammen-führung ansuchen können. Ein Gesetzesentwurf des ÖVP-geführten Innenministeriums, der die Zusammen-führung erschweren will, wäre eine furchtbare Nach-richt für die Refugees.

Und auch die HelferInnen würden sich fragen: Welche Regierung ist das, deren politisch Verantwortliche am Grab der 70 Erstickten des Kühl-LKWs stehen und gleich-zeitig mit kühler Geste ein Gesetz verabschieden, welches Menschen dazu zwingt auf solchen Wegen nach EUropa zu fl üchten? Eine Familienzusammenfüh-rung ermöglicht es, unter sicheren Umständen nach Österreich zu kommen, per Flugzeug zum Beispiel.Deshalb wurde Österreich vom UNHCR (UNO-Flüchtlingskommissariat) aufgefordert, den Famili-ennachzug für Asylsuchende zu erleichtern!

“Wir sind für unsere Familien gefl üchtet!”

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Der Vorteil für die Unternehmen ist ein Nachteil für die Beschäftigten. Das Unternehmerrisiko wird zune-hmend mehr auf die Arbeitnehmer abgewälzt. Allen Sparten voran ist die Industrie am meisten betroffen. Mit der Krise im Jahr 2008 verloren Tausende ihren Job und während der Wirtschaftskrise wurde über ein Drit-tel der Zeitarbeiter nicht wieder beschäftigt. Zu diesem Ergebnis kam die L&R Sozialforschung durch eine Studie.

In einem Gespräch mit Herrn Ibrahim H., welcher seit 2006 als Leiharbeiter tätig ist, schildert er einige seiner Erlebnisse:

Herr H. wie kam es,dass sie sich an eine Personalleasingfi rma wandten?„Kurz nachdem ich meine Lehre als Schlosser abge-schlossen hatte, meldete mein Dienstgeber Konkurs an. Danach war es mir unmöglich auch nur irgendwo eine Fixanstellung zu bekommen. Überall sagte man mir, ich solle mich an diverse Personalleaser wenden.“

Wie haben Sie, rückblickenddie Entwicklungen der letzten 9 Jahre erfahren?„Seit 2006 habe ich in so manchen Unternehmen gearbeitet und kann sagen, dass die Bedingungen und Umstände ab-solut menschenunwürdig sind. Auch wenn man seine Rechte kennt, muss man sich auf so manche Schmähs und Forderun-gen bzw. Bedingungen der Leihfi rmen einlassen, da gewisse Arbeitgeber nur mit bestimmten Leihfi rmen zusammenar-beiten und man, wenn man allzu sehr auf seine Rechte pocht, von heute auf morgen beim AMS als Arbeitssuchender landet.

Was mir persönlich schon widerfahren ist. Im Endeffekt ist das Geschäft mit Leihpersonal nichts anderes als eine der vielen Formen von moderner Sklaverei. Ganz egal wie Spi-tze die erbrachte Leistung ist, man wird bei geringsten Auftragseinbrüchen einfach zum Personalleaser zurück-geschickt. Ganz einfach aus dem Grund, weil man für all die Unternehmen bloß als Werkzeug fungiert und nicht als Mensch geachtet wird. Als Leiharbeiter/in sieht man sich immer in seiner Existenz bedroht. Ich hoffe die Situa-tion wird sich bessern. Ich empfehle jeder/m Zeitarbeiter/in sich über ihre/seine Rechte gründlich zu informieren.

Rat, Hilfe und Unterstützung kann man sich als Betroffener bei „PRO-GE“, der Produktgewerkschaft holen www.proge.at oder unter www.leiharbeiter.at

zm

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„Ganz egal wie Spitze die erbrachte Leistung ist, man wird bei geringsten Auftragseinbrüchen einfach zum Personalleaser zurückgeschickt. Ganz einfach aus dem Grund, weil man für all die Unternehmen bloß als Werkzeug fungiert und nicht als Mensch geachtet wird.“

Ibrahim H.

Die Unsicherheit in der Wirtschaft nimmt stetig zu. Vor allem die abnehmende Vorhersagbarkeit kommender Entwicklungen erschwert eine Kapazitätsplanung in den Unternehmen erheblich. Viele Arbeitskräfteüberlasser er-warten künftig insbesondere aus der Industrie eine große Zahl an „Rücksendungen“. Mit Rücksendungen meint man zum Teil hochqualifi zierte Arbeitnehmer/innen welche sich als schnell kündbare „Sklaven“ ohne Karrier-emöglichkeiten mit Minigehältern zufrieden geben müssen.

Gerhard Flenreiss ist Fachgruppenobmann der Wirtschafts-kammer Wien und ist überzeugt, dass Zeitarbeit als Arbeits-form mit Zukunft keine Alternativen brauche, da sie „Sicher-heit und Perspektiven“ schaffe. Hier stellt sich nun die wich-tige Frage: Für wen? In einer Presseaussendung präsentiert er eine Antwort, in der er schildert - wie wirtschaftliche Ent-wicklungen der letzten Jahre gezeigt hätten - dass erfol-greiche Unternehmen äußerst fl exibel reagieren müssten, um im Wettbewerb zu bestehen. Das Modell Zeitar-beit hätte sich bisher nicht nur in Krisenzeiten bewährt.

Eine Studie der CIETT1 untermauert, dass Unternehm-en ihre Aufträge ohne den Einsatz von Leasingperson-al nicht erfüllen könnten und dass Zeitarbeit in Öster-reich Jobs schafft und sichert. Der Grund ist angeblich der, dass diese erfolgreichen Unternehmen ansonsten 15% der Arbeitsplätze ins Ausland verlagern müssten.

Es liegt auf der Hand, dass dieses Arbeitsmodell die Jobs der ArbeitnehmerInnen absolut nicht sichert.Stammarbeitsplätze werden in Krisenzeiten abgebaut und anschließend nur mehr noch durch Zeitarbeitskräfte nach-besetzt. Bei geringsten Auftragsschwankungen wird „ge-borgtes Personal“ den Arbeitskräfteüberlassern „retour-niert“. Viele Beschäftigte werden zu gering entlohnt, da sie in die falsche Lohngruppe eingestuft werden. Stehzeiten zwischen zwei Arbeitseinsätzen werden nicht bezahlt, die Verträge werden aufgelöst. Illegale Klauseln werden in die Arbeitsverträge eingebaut … und die Liste ist noch lang.

1CIETT: (International Confederation of Private Employment Agencies) ist eine internationale Vereinigung von Zeitarbeitsverbänden.

Der Vorteil für die Unternehmen ist ein Nachteil für

Wie Leiharbeit Menschen versklavt

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Ein Gebetsraum in der Schule?

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Wie Leiharbeit Menschen versklavt

Die Schülerin eines Gymnasiums in Graz hat die-ses Interview mit ihrer Direktorin geführt. TATWIR meint, es ist ein schönes Beispiel dafür, wie eine echte multikulturelle Schule geführt werden kann. Mit Respekt, Wertschätzung, Empathie und Sorge …

Gibt es mehr muslimische Schüler und Schülerinnenin diesem Schuljahr als in den vorherigen Jahren?Das kann ich jetzt nicht so ganz genau sagen. Es sind eigentlich immer gleich viele, wobei es doch immer mehr werden.

Wie sehen Sie die Schüler und Schülerinnen mitMigrationshintergrund hier in dieser Schule mit ihren moralischen Werten und mit ihrem schulischen Erfolg?Sie sind eine Bereicherung für die Schule, weil es sehr schön ist zu beobachten, wie zum Beispiel die muslimischen SchülerInnen aus verschiedenen Nationen miteinander ver-bunden sind. Nebenbei gibt es auch ganz wenige Konfl ikt-Situationen. Insgesamt sind sie sehr friedlich miteinander.

Worauf müssen bzw. sollten die migrantischenSchülerInnen für ihren schulischen Erfolg achten?Die einzige Barriere ist die Sprache. Wir bieten hier in der Schule Deutsch-Unterricht an. Wir haben auch eine Schreibwerkstätte, wo wir die Schüler und Schülerin-nen fördern und solche Angebote sollten sie annehmen.

Aus welchen Ethnien kommen diemuslimischen Schüler und Schülerinnen?Aus sehr vielen verschiedenen, wie Ägypten, Bosnien, Tschet-schenien, Irak.

Ihre Empfehlungen für die Jugendlichen?Der Weg der Integration, der vor ihnen liegt, ist ein sehr langer Weg. Meine Empfehlungen sind: Die Eigenständigkeit sollte bewahrt werden. Sie sollten stolz auf ihre Religion sein, denn manche wollen wegen der letzten Ereignisse nicht zu ihrer Religion stehen. (Anm. Das Attentat in Paris auf Charlie Hebdo)

Der Islam ist eine sehr interessante Religion. Mein Sohn hat eine Arbeit über die drei verschiedenen Religionen über „Die Stellung der Frau im Islam, Christentum und Judentum“ ge-schrieben. Im Quran steht ganz offen, das die Frauen im Islam frei leben, auch im Vergleich zu anderen Religionen. Gewisse Dinge werden falsch interpretiert, aber das macht eher die Männergesellschaft und nicht die Religion selbst.

Wie stehen Sie dazu einen Gebetsraum in einer Schule zu haben und wie sind Sie zur Entscheidung gekommen einen Raum für das Gebet zur Verfügung zu stellen?Wir haben jetzt keinen ausgerichteten Gebetsraum für die muslimischen Schüler und Schülerinnen. Nächstes Jahr könnten wir mit ihrem Religionslehrer die einzelnen Räume durchgehen, um einen geeigneten Gebetsraum zu fi nden. Denn jeder Mensch hat das Recht, seine Religion auszuüben.

Was wünschen Sie für die muslimischenSchüler und Schülerinnen?Dass es eines Tages soviel Selbstvertrauen unter den Mädchen gibt, damit zum Beispiel jene die Kopftuch tra-gen, sich verteidigen können. Dass Islam und Islamismus nicht gleichgesetzt werden. Mein größter Wunsch ist ei-gentlich, dass die muslimischen Mädchen mehr Selbstver-trauen und Selbstbewusstsein haben sollen. Denn ich ver-stehe Anderssein als eine Bereicherung für die Gesellschaft.

Was wäre ihre Motivation für ihre muslimischen Schüler?Die männlichen muslimischen Schüler sind sehr ziel-strebig. Im Gegensatz zu den weiblichen, denn manche Mädchen warten nach einer Zeit darauf, dass sie hei-raten und mit der Schule aufhören. Genau das tut mir sehr leid. Eigentlich sollten sie auch sehr zielstrebig sein.

Haben Sie besondere Projektein den kommenden Schuljahren?Ja, wir haben jetzt vor, dass wir im kommenden Schul-jahr ein Projekt organisieren, um die verschiedenen Dia-loge zwischen den verschiedenen Religionen zu präsen-tieren. Es wäre sehr schön, wenn wir mit Hilfe ihres Religionslehrers die islamischen Feste zusammen feiern.

Foto Wikimedia Commons Neil Falzon- CC BY-SA 2.0

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BORDERLESS:Flüchtlingshilfsaktion

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Helfen ohne Grenzen.

Borderless:Flüchtlingshilfsaktion ist eine der ersten Hilforganisationen für Refugees in Graz. Spontan bil-dete sich Anfang August die bunte Truppe, als es darum ging Spenden zu sammeln und an Flüchtlinge zu ver-teilen. Sie fanden sie sich in einem provisorischen Lager in der Augasse zusammen, solidarisch zur Verfügung gestellt von einer afrikanischen Christengemeinschaft.

Von dort aus ging es nach Wien, Röszge, Nickelsdorf, Spiel-feld, Traiskirchen, Heiligenkreuz, Budapest, uvm. Als in Graz Flüchtlinge ankamen, war Borderless vor Ort, beim Bahnhof, in Kalsdorf und Seiersberg oder auch beim Protestcamp am Paulustor.

Erfahrungsberichte und Infosüber Borderless:

www.borderlessgraz.wordpress.com

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Raus mit dir, du Flüchtling!?Die kommen doch nur her,um sich hier aushalten zu lassen! RICHTIG?Du bist 29 Jahre alt und hast eine Frau, zwei Kind-er und einen Job. Du kommst über die Runden. Plötzlich ändert sich die politische Lage in deinem Land und ein paar Monate später stehen Soldaten vor deinem Haus und dem der Nachbarn.Sie sagen, wenn du nicht für sie kämpfst, erschießen sie dich. Dein Nachbar weigert sich.Ein Schuss. Das war’s. Auf einmal hörst du einen Einschlag. Ihr rennt raus und seht, dass die ganze Straße zerstört ist. Du rennst an die Stelle, an der das Haus deiner El-tern stand. Es ist nicht mehr da. Du entdeckst ein-en Arm mit dem Ring deiner Mutter am Finger. Der Rest deiner Eltern ist nicht mal mehr auffi ndbar.

Aber die Asylanten haben so viel Luxuszeug!Smartphones, Markenklamotten und so! RICHTIG?Du rast nach Hause und rufst, deine Frau soll die Kinder anziehen. Du schnappst dir eine kleine Tasche, denn mehr könnt ihr auf die Dauer nicht tragen, und packst das Nötig-ste. Hektisch wirfst du dein Smartphone und das Ladekabel in die Tasche. Dazu von jedem ein paar Klamotten, etwas Brot und das Lieblingskuscheltier deiner kleinen Tochter.

Die können sich die Flucht doch locker leisten.Dann sind die auch nicht arm! RICHTIG?Für den Notfall, denn man hat es kommen sehen, hast du all dein Geld bereits zusammengekratzt. Pro Kopf kostet der nette Schlepper schlappe 5000 Euro. Du hast 15.000. Wenn du Glück hast, können alle mit. Wenn nicht, musst du dich von deiner Frau trennen. Spätestens jetzt bist du vollkom-men blank und hast nichts mehr. Nur deine Familie und die Tasche. Die Flucht bis zur Landesgrenze dauert zu Fuß zwei Wochen. Du hast Hunger und seit einer Woche kaum et-was gegessen. Aber Hauptsache die Kinder haben genug.Die Hälfte der Zeit musst du deine kleinste Tochter tragen.

Sie ist erst 21 Monate alt. Nach weiteren 2 Wochen seid ihr am Meer. Ihr werdet mitten in der Nacht mit hunderten anderer Flüchtlinge auf ein Schiff geladen. Du hast Glück. Deine gan-ze Familie darf mit. Das Schiff ist so voll, dass es zu kentern droht. Du betest, dass ihr nicht ertrinkt. Die Leute um dich herum weinen, schreien. Die Schlepper werfen sie über Bord.Als die Küste in Sicht ist, werdet ihr auf Beiboote ver-teilt. Ihr werdet ermahnt, die Klappe zu halten, damit euch niemand kommen hört. Deine Kleine im Neben-boot hört nicht auf zu weinen. Einer der Männer packt deine Tochter, entreißt sie deiner Frau, und wirft sie über Bord. Du springst hinterher, aber du fi ndest sie nicht mehr. In 3 Monaten wäre sie 2 Jahre alt geworden.

Die haben‘s hier immernoch zu gut undkriegen alles in den Arsch geschoben! RICHTIG? Wie du und deine Familie es in das Land, das euch auf-nimmt, geschafft haben, weißt du nicht mehr. Du musst durchhalten. Ihr seid gleich an der Notunterkunft an-gekommen. Es ist 22 Uhr. Ein Mann, dessen Sprache du nicht sprichst, führt euch in eine Halle mit Feldbetten. In der Halle ist es stickig und laut. Du versuchst zu verste-hen, was die Menschen dort von dir verlangen. Aber ei-gentlich kannst du kaum noch stehen. Eigentlich wünschst du dir fast, sie hätten dich erschossen. Dann verbringt ihr die erste Nacht in einem sicheren Land. Am nächsten Mor-gen wird Kleidung an euch verteilt. Auch Markenklamot-ten sind unter den Spenden. Und ein Spielzeug für deine Tochter. Du bekommst 140 Euro. Für den ganzen Monat.

Die sind doch jetzt hier sicher.Also sollen die sich freuen! RICHTIG?Draußen im Hof hältst du in deinen neuen Klamotten dein Smartphone in die Luft und hoffst auf Empfang. Du musst wissen, wer aus deiner Stadt noch lebt. Dann kommt ein “besorgter Bürger” vorbei und beschimpft dich. Du weißt nicht, wieso. Du verstehst was von “Zurück in dein Land!”, “Bruchstücke von “Smartphone” und “alles in den Arsch gesteckt“ bekommst du noch mit. Irgendwer konnte es über-setzen. Und jetzt sag mir, was du fühlst und was du besitzt.Die Antwort auf beide Fragen ist: ”NICHTS!”

von Tina Beckmann, Autorin (gekürzt)

Foto Wikimedia Commons james_gordon_losangeles- CC BY-SA 2.0

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Nicht nur reden, sondern tun!

Mit großer Freude veröffentlicht TATWIR den meh-rsprachigen Redebeitrag einer jungen Muslimin bei ei-nem Redewettbewerb. Der Beitrag hat die JurorInnen so beeindruckt, dass sie ihn fast gewonnen hätte (Finale!)

Ich bin eine Realgymnasiastin und ich bin 17 Jahre alt. Ich wurde in der Türkei geboren und lebe seit zwölf Jahren in Österreich. Meine Eltern stammen aus der Türkei. Mein großer Berufswunsch ist es, einmal Volks-schullehrerin zu werden. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass ich in der Regionalausscheidung dabeisein kann und dass ich heute hier sprechen darf.

Ich halte meine Rede auf Deutsch und auf Türkisch.Lassen Sie mich meine Rede mit einem kleinen Beispiel beginnen: Der Jahreswechsel liegt noch gar nicht so lang zurück und viele von uns sind mit guten Vorsätzen in das neue Jahr 2014 gestartet. Leider sind viele vielver-sprechende Pläne nur allzu schnell wieder vergessen.

Wie ist das aber mit uns jungen Menschen, mit uns Schüler-innen und Schülern? Ist es nicht so, dass wir uns vor je-dem neuen Schuljahr vornehmen, zukünftig besser im Unterricht aufzupassen und uns nicht ablenken zu lassen,damit wir am Jahresende bessere Schulnoten er-reichen? Warum geben wir diesen Vorsatz gleich bei der ersten lustigen Bemerkung unseres Sitznach-barn auf, oft schon am ersten oder zweiten Schultag?

Derse katilmak ve ders boyunca aktif olmak istiyorum fakat diger arkadaslarimla konustugum icin malesef bunu basaramiyorum. Derslere zamaninda konsantre olma-digim icinde hepsi birikip üstüste geliyor budurumda ar-tik beni rahatsiz ediyor. “Bugünün isini yarina birakma!”

Auf Deutsch: „Was du heute kannst besorgen, das ver-schiebe nicht auf morgen.“ - Atasözünün degerini sim-di daha iyi anliyorum. Ailemi kendi basarisizligimla üzmek ve onlari zor durumda birakmak istemiyorum.

Um sich im Unterricht weniger ablenken zu lassen, könnte man mit seinen Sitznachbarn eine Vereinbarung treffen und die Folgen vereinbaren, wenn sich jemand nicht an die gemeinsame Abmachung hält. Oder man könnte sich auch ganz bewusst neben Klassenkameraden setzen, mit denen man nicht so viel zu plaudern hat, aber das fällt den meisten doch nicht leicht. Aller Anfang ist eben schwer.

Ein weiteres Beispiel für Dinge, die man ziemlich un-kompliziert in die Tat umsetzen könnte, ist das Zustande-kommen einer funktionierenden Klassengemeinschaft: Da kommt etwa am Anfang des neuen Schuljahrs ein neuer Mitschüler in die Klasse. Allen ist klar, dass der Schüler in die bereits bestehende Gemeinschaft inte-griert werden sollte. Aber - wie der schon aussieht...

Der Neue ist ja vielleicht sogar nett, und bei näher-em Hinsehen - so furchtbar schrecklich sieht er ja gar nicht aus, eigentlich sogar recht sympathisch.Eigentlich würde ich ihn gern ansprechen, ihm die Klasse zeigen - aber was werden dann die an-deren sagen? Das wäre mir echt total peinlich, wenn sie über mich auch tuscheln und lachen. Bitte nicht!

Simdi bir fi krim var - yeni sinif arkadasimizla tanismak icin yanima bir kac arkadasimi alip gidersem kesinlikle daha ko-lay olur benim icin. Simdi kimse hayir deme cesaretini kend-inde bulamaz. Hadi Berre, Rümeysa sizde gelin benimle.

Fortsetzung in Tatwir 4

it großer Freude veröffentlicht TATWIR den meh-rsprachigen Redebeitrag einer jungen Muslimin bei ei-nem Redewettbewerb. Der Beitrag hat die JurorInnen so beeindruckt, dass sie ihn fast gewonnen hätte (Finale!)

Ich bin eine Realgymnasiastin und ich bin 17 Jahre alt. Ich wurde in der Türkei geboren und lebe seit zwölf Jahren in Österreich. Meine Eltern stammen aus der Türkei. Mein großer Berufswunsch ist es, einmal Volks-schullehrerin zu werden. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass ich in der Regionalausscheidung dabeisein kann und dass ich heute hier sprechen darf.

Ich halte meine Rede auf Deutsch und auf Türkisch.

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Nicht nur reden, sondern tun!

Auf den Ruinen der Imperien.Geschichte und Gegenwart des Kolonialismus

Früher ging es ihnen um Silber, Sklaven und Gewürze, heute sichern sie sich Erze, Land und Märkte. Die al-ten Imperien sind zusammengebrochen, doch die Kriegskapitalisten sind geblieben. Und noch immer muss sich der globale Süden gegen den gierigen Norden wehren.

Edition Le Monde diplomatique No.18

112 Seiten, € 8,50

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