teil 3: kostenrechnungssysteme - otto-von-guericke university … · 2019. 5. 6. · teil 3:...
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Teil 3: Kostenrechnungssysteme
Voll- und Teilkostenrechnung Plan- und Ist-Kostenrechnung
Prozesskostenrechnung
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Systeme der Kosten- und Leistungsrechnung
• Voll- vs. Teilkostenrechnung
• Vollkostenrechnung – Die gesamten (fixen und variablen) Kosten werden auf die Kostenträger
verrechnet
• Teilkostenrechnung – Nur ein Teil der angefallenen Kosten wird auf die Kostenträger
verrechnet, • entweder
– nur variable Kosten (Verursachungsprinzip) • oder
– nur Kostenträgereinzelkosten (Identitätsprinzip)
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Voll- vs. Teilkostenrechnung
• Probleme der Vollkostenkalkulation – Kalkulationssätze sind mengenabhängig
• Volle Stückkosten =variable Stückkosten + Fixkosten/Stück
– Je geringer (höher) die Menge, desto höher (geringer) die vollen
Stückkosten
( )xK
x
c
kVKR ( )
xFck
FcxxK
VKR +=
+=
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Voll- vs. Teilkostenrechnung
• Zusatzinformation: 50 % der Gemeinkosten sind variabel – Variable Gemeinkosten verhalten sich proportional zu den
Einzelkosten » „Durchnittsprinzip“ für Allokation der Gemeinkosten
Produkt A B
Produktionsmenge 5.000 2.000
Absatzpreis 200 150
Einzelkosten 200.000 200.000
Gemeinkosten 300.000
Beispiel: Ein Zweiproduktunternehmen hat für den Monat Oktober 2006 folgende Produktions- und Kostendaten ermittelt
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Voll- vs. Teilkostenrechnung
– Suboptimale Programmentscheidungen • Fortsetzung Beispiel
– Deckungsbeiträge bei Teilkostenrechnung (Verursachungsprinzip) 14555200 =−=−= vAAA kpd
501250137150 ,,kpd vBBB =−=−=
„Deckungsbeiträge“ bei Vollkostenrechnung (∅-Prinzip) 13070200 =−=−= AA
VK kpdA
25175150 −=−=−= BBVK kpdB
0005750001500005145 ...GKxdG FAAA =−=−=
00060000025000575 ...GKxdxdG FBBAAAB =+=−+=
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Voll- vs. Teilkostenrechnung
– Beispiel 2: „Herauspreisen“ aus dem Markt • Ein Monopolist sieht sich folgenden Nachfrage- und Kostendaten
gegenüber
• Bisher hat das Unternehmen auf die Cournot-Preisregel vertraut und einen Preis in Höhe von p* = 150 verlangt und die Menge x* = 50 abgesetzt
• Ein Unternehmensberater schlägt vor, künftig nach der bewährten „Cost-Plus“ Regel zu verfahren. In der Branche würden dies alle Unternehmen tun und durchschnittlich 20 % auf die tatsächlichen Stückkosten (Istkosten) der Vorperiode draufschlagen
( ) ( ) 2000100200 +=−= xxK,ppx
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Voll- vs. Teilkostenrechnung
• Überprüfung des Vorschlags
– Periode 1
− Periode 2
– Periode 3
( )
( ) 32200168201
14050
2000100
1111
1
=−=⇒=+=
=+==
px,kpxxKk *
*
( )
( ) 5200195201
5016232
2000100
2222
1
12
=−=⇒=+=
=+==
px,kp
,xxKk
( )
( ) 0600201500
5005
2000100
33
2
23
=⇒=+=
=+==
x,pxxKk
Preis ist so hoch, dass Nachfrage auf Null sinkt
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Voll- vs. Teilkostenrechnung
• „Herauspreisen“ aus dem Markt (graphisch)
x* x1 x2
p1 p2
p*
volle Stückkosten
Nachfragefunktion
0
100
200
300
0 20 40 60 80 100
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Kostenrechnungssysteme
– Istkostenrechnung • Verrechnet werden die tatsächlich angefallenen Kosten
(= Istkosten) der Abrechnungsperiode – Normalkostenrechnung
• Verrechnet werden durchschnittliche Istkosten vergangener Perioden (= Normalkosten)
– Plankostenrechnung • Verrechnet werden die im Voraus für den Abrechnungszeitraum
geplanten Kosten (=Plankosten)
• Jedes System kann sowohl als Voll- als auch als Teilkostenrechnung ausgestaltet sein
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Istkostenrechnung
• Istkosten=Istmenge x Istpreis
• Beurteilung – Eine reine Istkostenrechnung ist weder für Planungs- noch für
Kontrollzwecke geeignet • Für die Planung sind die vergangenen Kosten nicht relevant • Zufallsschwankungen wirken sich unmittelbar auf
Kalkulationsergebnisse aus • Für die Kontrolle muss ein Vergleichsmaßstab (Vorgabewert)
vorhanden sein
– Istkostenrechnung ermöglicht eine exakte Nachkalkulation • Bedeutsam nur bei Auftrags- oder Einzelfertigung
– z. B. Großbauten oder Schiffsbau
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Normalkostenrechnung
• Kostendefinition:
• Beurteilung – Normalkostenrechnung ist für Planungszwecke nicht geeignet und für
Kontrollzwecke bedingt geeignet • Für die Planung sind die vergangenen Kosten nicht relevant • Eingeschränkte Kontrolle möglich durch Vergleich der
Normalkosten mit den Istkosten, keine Ursachenanalyse
– Vorteile • Vereinfachung der Kalkulation und IBL durch die Verwendung von
Durchschnittswerten • Zufallsschwankungen wirken sich nicht auf Kalkulationsergebnisse
aus
Normalkosten = Istmenge x Normalkostensatz
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Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis
• Kostendefinition:
• Varianten – Starre Plankostenrechnung auf VKB
• Kosten werden nur für die Planbeschäftigung geplant • Es werden die vollen Kosten der Stellen auf die Kostenträger
weiterverrechnet – verrechnete Plankosten
• Kostenabweichung ( ) IPIIVerrI xKxKKK π−=−=∆
( ) P
PPIPIVerr
xKxxK j == ππ mit
wobei πP : Planverrechnungssatz der Stelle
xI: Istbeschäftigung der Stelle
KI: Istkosten der Stelle
Plankosten = Planmenge x Planpreis
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Starre Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis
– Beispiel – Für die Kostenstelle Fertigung sind folgende Daten bekannt
• Planbeschäftigung (xP) 10.000 Maschinenminuten • Plankosten (KP) 80.000 • Istbeschäftigung (xI) 6.000 Maschinenminuten • Istkosten (KI) 75.000
– Planverrechnungssatz
– Kostenabweichung
[ ]nminute€/Maschine8000.10000.80
=== P
PP
xKπ
( ) 000.27000.48000.75 =−=−=∆ IVerrI xKKK
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Starre Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis
– Problem • Planverrechnungssatz wurde für die Planbeschäftigung ermittelt -->
Fixkostenproportionalisierung • Es kann daher nicht festgestellt werden, zu welchen Anteilen die
Kostenabweichung – auf einen abweichenden Faktorverbrauch
» oder – die geringere Kapazitätsauslastung
» zurückzuführen ist
• Eine aussagekräftige Kostenkontrolle ist nur für den Spezialfall Planbeschäftigung = Istbeschäftigung möglich,
– dann ist die gesamte Abweichung verbrauchsbedingt
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Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis
– Abweichungsanalyse • Durch Einführung der Sollkostenfunktion erhält jede Kostenstelle
ein flexibles, d.h. beschäftigungsabhängiges Kostenbudget • Gesamtabweichung lässt sich in einen beschäftigungs- und einen
verbrauchsabhängigen Teil aufspalten
• Verbrauchsabweichung
• Beschäftigungsabweichung
( ) BVxKKK IVerrI ∆+∆=−=∆
( )ISI xKKV −=∆
( ) ( )IVerrIS xKxKB −=∆
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Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis
• Beschäftigungsabweichung
( ) ( )
−=
−+−=
=
−+−=
−−
+=
−=∆
P
I
F
IPIP
PP
P
I
FF
PPP
IPIP
P
P
I
FF
IPIP
FP
F
IVerrIS
xxK
xxx
xxxKK
xK
xxxK
xxKK
xxx
KKK
xKxKB
1
folgt mit
ππ
π
π
π
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Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis
– Nutz- und Leerkosten • Grundidee: Fixkosten sind die Kosten zur Aufrechterhaltung der
Betriebsbereitschaft (Kapazitätskosten) und können in einen nutzungsabhängigen und einen nutzungsunabhängigen Teil aufgespalten werden
– Nutzkosten: Fixkostenanteil der genutzten Kapazität (KN) – Leerkosten: Fixkostenanteil der ungenutzten Kapazität (KL) – Annahme: Kapazitätsplanung
maxxxP =
LNF KKK +=
P
I
FN xxKK =
BxxKK P
I
FL ∆=
−= 1
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Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis
– Fortsetzung des Beispiels von Folie 13 • Annahme: 50 % der (Plan)kosten sind fix
( )I
IIS
x
xxK
4000.40000.10
000.40000.80000.40
+=
−+=
( )000110006400075
0006...
.KKV SI
=−=−=∆
( ) IIIVerr xxxK 8000.10000.80
==
( ) ( )00016000480006400060006....K.KB VerrS
=−=−=∆
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Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis
∆V
∆B
PKIK
Ix
FK
KN
KL KL(xI)
Px
( )IVerr xK
( )IS xK
Abweichungsanalyse (graphisch)
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Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis
• Zusammenfassende Beurteilung – Kostenkontrolle
• Starre Plankostenrechnung erlaubt keine verursachungsgerechte Abweichungsanalyse
• Aussagekräftige Kostenkontrolle wird nur durch die flexible Plankostenrechnung gewährleistet
– Entscheidungsfunktion • In beiden Systemen werden die vollen Kosten der Stellen auf die
Kostenträger weiterverrechnet • Die auf dieser Basis ermittelten Selbstkosten der Produkte sind
Vollkosten und daher für operative Entscheidungen nicht geeignet
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Grenzplankostenrechnung Flexible Plankostenrechnung auf TKB
Vorgehensweise wie in der flexiblen Plankostenrechnung auf Vollkostenbasis
Unterschied: es werden nur die variablen Stellenkosten auf die Kostenträger verrechnet
Fixe Stellenkosten werden direkt in die Betriebsergebnisrechnung übernommen • Sollkosten der Stelle
( ) Iverr xxK π̂=
PF
P
xKK −
=π̂
( ) IF
IS xKxK π̂+=
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Grenzplankostenrechnung
Abweichungsanalyse • Verbrauchsabweichung
• Da nur Grenzkosten auf die Kostenträger verrechnet werden, ist die Beschäftigungsabweichung nicht definiert
• Die Leerkosten lassen sich jedoch analog ermitteln
( )000.11000.64000.75 =−=
−=∆ ISI xKKV
000.16000.10000.61000.401 =
−=
−= P
I
FL xxKK
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Grenzplankostenrechnung
Beurteilung der Grenzplankostenrechnung (GPKR) GPKR erlaubt aussagekräftige Kostenkontrolle GPKR liefert die relevanten Kosteninformationen für
operative Entscheidungen GPKR wird also als einziges traditionelles
Kostenrechnungssystem den klassischen Aufgaben der Kostenrechnung vollständig gerecht
Hauptkritikpunkt aus jüngerer Zeit • Kostenstrukturen haben sich verschoben, in manchen
Branchen sind bis zu 80 % der Kosten fix • Grenzplankostenrechnung konzentriert sich auf Kosten des
operativen Geschäfts und fragt nicht nach den Ursachen für die Entstehung der Fixkosten
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Prozesskostenrechnung: Einführung
Entstehungsgeschichte der Prozesskostenrechnung (Activity Based Costing) in den USA Bis Anfang der 80er Jahre verwenden die meisten US-Unternehmen
noch die Lohnzuschlagskalkulation (LZK) • d.h. im einfachsten Fall werden die Gemeinkosten des
Unternehmens als prozentualer Zuschlag auf die Lohneinzelkosten der Produkte verrechnet
Methode führt nur dann zu „akzeptablen“ Kalkulationsergebnissen wenn • die direkten Lohneinzelkosten (direct labor) einen bedeutenden Anteil
an den Produktionskosten ausmachen • Die Produkte des Unternehmens sich hinsichtlich Produktionsmenge,
Komplexität und Losgröße nicht wesentlich voneinander unterscheiden
• Sich die variablen und fixen! Gemeinkosten proportional zu den Lohnstückkosten der Produkte verhalten
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Einführung
LZK kann also nur bei Massenproduktion homogener Güter in einem stabilen Unternehmensumfeld zu brauchbaren Ergebnissen führen
Das trifft aber nur noch auf wenige Branchen zu, denn • neue, kapitalintensivere Fertigungsmethoden führen zu
einem relativen Anstieg der fixen Gemeinkosten auf bis zu 80 % der gesamten Produktionskosten
einem relativen Rückgang der Lohneinzelkosten (in manchen Branchen unter 5 % der gesamten Produktionskosten)
• verstärkter Wettbewerb führt zu kürzeren Produktlebenszyklen differenzierteren Produktportfolios mit unterschiedlichen
Produktionsmengen, Losgrößen und Komplexitätsgraden
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Prozesskostenrechnung: Einführung
Konsequenz Anwendungsvoraussetzungen der LZK sind nicht mehr
erfüllt Beibehaltung der alten Methode
• liefert falsche Information an das Management über die Profitabilität einzelner Produkte oder Produktgruppen Die Vorteilhaftigkeit von Sourcingentscheidungen
• setzt falsche Verhaltensanreize Manager der Produktionsabteilungen versuchen, die
Fertigungslöhne ihrer Bereiche zu verringern, um den zugerechneten Gemeinkostenanteil zu verringern
Ansatzpunkt der Prozesskostenrechnung differenzierte Analyse des Gemeinkostenblocks
traditioneller Kostenrechnungssysteme
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Prozesskostenrechnung
• Anwendungsbereich – indirekte Leistungsbereiche (ILB) (Hilfskostenstellen):
F&E, Konstruktion, Logistik, Planung, Steuerung, Fertigungsüberwachung, Qualitätssicherung, Instandhaltung, Verwaltung, Vertrieb, Service etc.
• Zielsetzungen – Erhöhung der Transparenz in den ILB
• Aufdeckung von Ursache-Wirkungszusammenhängen zwischen Aktivitäten und Ressourcenbedarf in den ILB
• Aufdeckung von Rationalisierungspotentialen durch Optimierung von Arbeitsabläufen (Prozessen) in den ILB
• Permanentes Gemeinkostenmanagement – „Verursachungsgerechte Kalkulation“ der vollen Kosten von Produkten,
Produktgruppen und Bereichen • Relevant für mittel- bis langfristige Entscheidungen
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Prozesskostenrechnung
• Vorgehensweise – Schritt 1: Unterteilung der Unternehmenstätigkeit in Aktivitäten
(Prozesse) – Schritt 2: Zuordnung von Kosten zu Prozessen – Schritt 3: Identifikation von Kostentreibern (Bezugsgrößen) für die
Prozesse – Schritt 4: Ermittlung von Prozesskostensätzen – Schritt 5: Zusammenfassung von Teilprozessen zu Hauptprozessen
(Aggregation von Informationen)
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Prozessermittlung
• Ermittlung der Prozesse – Ausgangsbasis: vorhandene Kostenstellengliederung – Analyse auf dort ablaufende Arbeitsabläufe
• Methoden: Mitarbeiterinterviews, Arbeitsablauf- und Zeitverwendungsanalysen
• Unterscheidung der Prozesse nach
Prozesse
Nicht repetitive Prozesse innovativ/dispositiv
zB Werbemaßnahmen planen Abteilung leiten
Repetitive Prozesse schematisiert
zB Aufträge bearbeiten Material einlagern
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Kostenzuordnung
• Zuordnung der Kosten zu Prozessen – direkte Ermittlung durch analytische Kostenplanung – Indirekte Ermittlung durch andere Maßgrößen, zB Schlüsselung von
Personalkosten nach Mannjahren – Trade-off
• analytische Planung ist zwar aufwendiger, erlaubt aber die Ermittlung von Sollgrößen
– Vorteil: Ermöglicht Abweichungsanalyse und damit Aufdeckung von Unwirtschaftlichkeiten und Rationalisierungspotentialen
• Indirekte Ermittlung ist einfacher liefert aber lediglich Istdaten – Nachteil: Kalkulationsergebnisse sind abhängig von der
tatsächlichen Kapazitätsauslastung
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Abgrenzung von Kostenkategorien
• Prozesskostenrechnung unterscheidet – Leistungsmengeninduzierte Prozesse (lmi)
• Kosten sind abhängig vom Leistungsvolumen der Kostenstelle, enthalten aber variable und fixe Anteile
– Leistungsmengenneutrale Prozesse (lmn) • Kosten sind unabhängig vom Leistungsvolumen der Kostenstelle
und repräsentieren einen Teil der Fixkosten
variable Kosten
Einzelkosten
Gemeinkosten Fixkosten
Ges
amtk
oste
n
lmi-Kosten
lmn-Kosten
Einzelkosten
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Ermittlung der Kostentreiber
• Kostentreiber werden nur für lmi-Prozesse ermittelt – Kostentreiber sind überwiegend mengenorientiert, zB
• Anzahl Bestellungen oder Rüstvorgänge • Anzahl Buchungen/Kontierungsvorgänge • Unterschied zur traditionellen Kostenrechnung
– wertorientierte Bezugsgrößen werden kaum verwendet – Outputmengen der Produkte (Beschäftigung) spielen nur eine
mittelbare Rolle – Zusätzlich werden Kostentreiber mit übergeordneter („strategischer“)
Bedeutung ermittelt, zB • Produktkomplexität führt zu höheren Kosten im Wareneingang,
bei der Qualitätskontrolle und Lagerhaltung • Anzahl der Produktvarianten führt auch zur Erhöhung der
Gemeinkosten in den verschiedensten Bereichen
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Beispiel 1
• Kostentreiber für Fertigungsgemeinkosten
• Hypothesen von Miller/Vollmann (1985): „The Hidden Factory“: – Fertigungsgemeinkosten werden getrieben von Transaktionen
(Prozessen) statt Produktionsmenge/Fertigungslöhne Logistiktransaktionen: zB Materialeingang, Transport, Lagerung Ausgleichstransaktionen: zB Materialplanung, Maschinenbelegung Qualitätstransaktionen: zB Qualitätskontrolle, Nacharbeitung, Reparatur Änderungstransaktionen: zB Fertigungsänderungen/neue Materialien
• Empirische Überprüfung durch Banker, Potter und Schroeder (1995) – Analyse des Gemeinkostenverhaltens in 32 Fabriken
Elektronik/Maschinenbau/ Automobilzulieferer in USA Die vier Transaktionen erklären 77% der Fertigungsgemeinkosten Fertigungslöhne erklären nur zusätzliche 6% Fertigungslöhne alleine (ohne Prozesse) erklären 49%
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Beispiel 2: Kosten der Variantenvielfalt
• Unternehmen 1 produziert 1 Mio blaue Kugelschreiber • Unternehmen 2 produziert ebenfalls 1 Mio Kugelschreiber aber
– in 1.000 Varianten zu je 500 - 100.000 Stück (davon 100.000 blaue) – Kosten unterscheiden sich zwangsläufig, da Unternehmen 2
• mehr Mitarbeiter benötigt (zB für Arbeitsvorbereitung, Umrüsten etc...)
• größere Stillstandzeiten in der Produktion haben wird • höhere Lagerbestände haben wird
• Konsequenz – blaue Kugelschreiber sind in Unternehmen 2 relativ teurer
Umgekehrtes Erfahrungskurvengesetz: Mit Verdoppelung der Varianten steigen Stückkosten um 20 - 30%
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Ermittlung der Prozesskostensätze
• Probleme – Prozesskostensätze enthalten regelmäßig anteilige Fixkosten und sind
daher abhängig von der Prozessmenge (selbst, wenn man die lmn-Kosten außen vor lässt)
• Standardproblem der Vollkostenrechnung • Mögliche Alternative: Arbeit mit Planverrechnungssätzen auf Basis der
Planbeschäftigung mit anschließender Abweichungsanalyse wie in einer flexiblen Plankostenrechnung
– Behandlung der lmn-Kosten • Kostenstellenübergreifende Erfassung in Sammelpositionen • in der Praxis häufig: Prozentuale Zuschläge auf die lmi-Kosten
Definition: Prozesskostensatz = Prozesskosten/Prozessmenge
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Bildung von Hauptprozessen
• Kostenstellenübergreifende Zusammenfassung – von Prozessen mit demselben Kostentreiber durch Addition – von Prozessen mit fixer Kostentreiberrelation
• Bildung einer überschaubaren Anzahl von Hauptprozessen – Vorteil: bessere Übersichtlichkeit des Betriebsgeschehens
(Informationsreduktion durch Datenaggregation)
Kosten-stelle 1
Kosten-stelle 2
Prozeß 11
Prozeß 12
Prozeß 21
Prozeß 22
Produkt1
Produkt 2
Haupt-prozeß 1
Haupt-prozeß 2
Haupt-prozeß 3
Prozeß 1k
Prozeß 2l
Produktn
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Beispiel: Bildung von Hauptprozessen
• Beispiel: Die Teilprozesse Einkauf, Warenannahme und Lagerung sollen zu einem Hauptprozess Beschaffung mit dem Kostentreiber “Anzahl Bestellungen” aggregiert werden – Zusatzinformationen
• Anzahl der Bestellungen = Anzahl der Lieferungen • 20% der Lieferungen werden stichprobenartig auf Qualität geprüft
Kostenstelle Kostentreiber Prozeßkostensatz
Einkauf Anzahl der Bestellungen 3,520Warenannahme Anzahl der Stichproben 5,700Lager Anzahl der Lieferungen 4,200
Kostensatz des Hauptprozesses Beschaffung:
3,52 + 5,7·0,2 + 4,2 = 8,86
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Fallstudie Media-AG
• Einkaufsabrechnung der Media-AG – In der Kostenstelle Einkaufsabrechnung der Media-AG arbeiten 35
Buchhaltungskräfte und ein Abteilungsleiter – Mitarbeiterinterviews, Tätigkeitsanalysen und Auswertung von
Statistiken ergaben folgende Daten:
Tätigkeit AnzahlMitarbeiter
Ist-AnzahlVorgänge
Soll-Zeit proVorgang (Min)
Kontierung 10 112.500 6
Verbuchung 20 450.000 3
Abstimmung 5 11.250 30
Abteilungleiten
1 -- --
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Fallstudie Media-AG
– Folgende Ist-Kosten fielen 1998 an
Kostenart BetragMitarbeiter 1.260.000Gehälter
Abteilungsleiter 80.000Abschreibungen für EDV 720.000
Kontierung 27.000Verbuchung 72.000
Büromaterial
Abstimmung 1.800
Zusatzinformationen • Jeder Mitarbeiter leistet pro Jahr 1800 Arbeitsstunden • Je Rechnungseingang sind eine Kontierung und 4 Buchungen
erforderlich. • Auf 40 Buchungen kommt ein Abstimmungsvorgang • Die EDV-Anlagen werden von allen Mitarbeitern zu gleichen
Anteilen genutzt
40
Fallstudie Media-AG
– Ermittlung der Prozesse • nicht-repetitive Prozesse der Kostenstelle
– Abteilung leiten (P0) • repetitive Teilprozesse der Kostenstelle
– Rechnungen kontieren (P1) – Rechnungen verbuchen (P2) – Buchungsvorgänge abstimmen (P3)
• Aggregationsmöglichkeit innerhalb der Kostenstelle – Hauptprozess „Eingangsrechnungen bearbeiten“ (H)
H = 1 × P1 + 4 × P2 + 0,1 × P3
4 Buchungen pro Rechnung × 0,025 Abstimmungen pro Buchung = 0,1 Abstimmungen pro Rechnung
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Fallstudie Media-AG
– Kostenzuordnung
– Anmerkungen • Aufteilung Personalkosten nach Mannjahren • Aufteilung Abschr. nach Köpfen
Prozess Personal- kosten
Büro-material
Abschr. lmi lmn Σ
P1 360.000 27.000 200.000 387.000 200.000 587.000
P2 720.000 72.000 400.000 792.000 400.000 1.192.000
P3 180.000 1.800 100.000 181.800 100.000 281.800
P0 80.000 -- 20.000 -- 100.000 100.000
Σ 1.340.000 100.800 720.000 1.360.800 800.000 2.160.800
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Fallstudie Media-AG
• Ermittlung der Ist-Prozesskostensätze Prozeß lmi lmn Ist-
Vorgängelmi/
Vorganglmi+lmn/Vorgang
P1 387.000 200.000 112.500 3,44 5,22
P2 792.000 400.000 450.000 1,76 2,64
P3 181.800 100.000 11.250 16,16 25,04
Kalkulation des Hauptprozesses „Rechnung bearbeiten“
nur lmi: 1 × 3,44 + 4 × 1,76 + 0,1 × 16,16 = 12,10 lmi + lmn: 1 × 5,22 + 4 × 2,64 + 0,1 × 25,04 = 18,28
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Fallstudie Media-AG
– Ermittlung der Ist-Prozesskostensätze
– Kalkulation des Hauptprozesses „Rechnung bearbeiten“
Prozeß lmi lmn Ist-Vorgänge
lmi/Vorgang
lmi+lmn/Vorgang
P1 387.000 200.000 112.500 3,44 5,22
P2 792.000 400.000 450.000 1,76 2,64
P3 181.800 100.000 11.250 16,16 25,04
nur lmi: 1 × 3,44 + 4 × 1,76 + 0,1 × 16,16 = 12,10 lmi + lmn: 1 × 5,22 + 4 × 2,64 + 0,1 × 25,04 = 18,28
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Fallstudie Media-AG
– Alternative: Arbeit mit Planverrechnungssätzen • A) Kapazitätskosten
– Bestimmung der Prozesskapazität
Anzahl Mitarbeiter × Stunden/Mitarbeiter × Vorgänge/Stunde
Prozeß Kapazitäts-kosten
Kapazität Kapkosten proVorgang
P1 360.000 180.000 2
P2 720.000 720.000 1
P3 180.000 18.000 10
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Fallstudie Media-AG
• B) Variable Kosten (Büromaterial) – Annahme: Verbrauchsabweichung gleich Null
– Kalkulation des Hauptprozesses „Rechnung bearbeiten“
Prozeß VariableKosten
Ist-Vorgänge
var. Kosten/Vorgang
var. + Kap-Kosten/ Vorgang
P1 27.000 112.500 0,24 2,24
P2 72.000 450.000 0,16 1,16
P3 1.800 11.250 0,16 10,16
langfristig vermeidbare Kosten (Prozesskostenrechnung): 1 × 2,24 + 4 × 1,16 + 0,1 × 10,16 = 7,90 -kurzfristig vermeidbare Kosten (Grenzplankostenrechnung): 1 × 0,24 + 4 × 0,16 + 0,1 × 0,16 =0,90
46
Fallstudie Media-AG
• Beurteilung der Kalkulationsergebnisse – Istkostensätze sind auslastungsabhängig und daher nicht
aussagekräftig-> Standardproblem der Vollkostenrechnung • Bei Umlage der lmn-Kosten verstärken sich Probleme noch
– Planverrechnungssätze sind auslastungsunabhängig und daher besser für Kalkulation geeignet
• Da die Personalkosten kurzfristig fix sind, – sind bei Entscheidungen über die kurzfristige Annahme von
Zusatzaufträgen nur die variablen Kosten zu berücksichtigen (analog Grenzplankostenrechnung)
– Ist der Entscheidungshorizont dagegen so lang, dass auch die Personalkapazität variiert werden kann, müssen die langfristig vermeidbaren Kosten zugrunde gelegt werden
47
Fallstudie Media-AG
• Erweiterung: Auftragskalkulation – Die Media-AG hat 1998 insgesamt 18.000 Kundenaufträge bearbeitet – Bisher wurden die Rechnungsbearbeitungskosten pauschal auf die
Aufträge weiterverrechnet, eine genauere Analyse der einzelnen Aufträge ergab jedoch folgende Zahlen
Auftragstyp Standard Spezial SummeAnzahl 17.000 1.000 18.000Eingangsrechnungenpro Auftrag
5 95 10
Deckungsbeitrag ohneRechnungsbearbeitungskosten
100 800 -
48
Fallstudie Media-AG
• Auftragskalkulation mit Planverrechnungssätzen
– DB I: kurzfristiger Gewinnbeitrag (gegebene Kapazitäten) – DB II: langfristiger Gewinnbeitrag (Kapazitäten disponibel) – Problem der Pauschalkalkulation:
• hochvolumige Standardaufträge werden zu teuer kalkuliert • geringvolumige Spezialaufträge werden zu günstig kalkuliert
--> Kosten der Produktkomplexität werden nur bei der exakten Methode korrekt berücksichtigt
Auftragstyp Standard SpezialKalkulations-methode
pauschal exakt pauschal exakt
DB 100,00 100,00 800,00 800,00var. Kosten 9,00 4,50 9,00 85,50DB I 91,00 95,50 791,00 714,50Kap-Kosten 70,00 35,00 70,00 665,00DB II 21,00 60,50 721,00 49,50
49
Fallstudie Media-AG
• Kalkulation mit Istprozesskosten? – Problem bei Verwendung von Istkostensätzen:
• Leerkosten werden anteilig auf die Aufträge verrechnet – Dadurch erscheinen Standardaufträge bei der
Pauschalmethode unprofitabel – Spezialauftrag erscheint bei der exakten Methode unprofitabel,
obwohl es tatsächlich seine Kapazitätskosten deckt
Auftragstyp Standard SpezialKalkulations-methode
pauschal exakt pauschal exakt
DB 100,00 100,00 800,00 800,00Prozeßkosten 121,00 60,50 121,00 1.149,50DB III -21,00 39,50 679,00 -349,50
50
Fallstudie Media-AG
• Entscheidungsrelevanz von Prozesskosten – dem Unternehmen liegt eine Anfrage über einen Zusatzauftrag mit
einem DB (ohne Rechnungsbearbeitungskosten) von 200 € vor – Für den Auftrag sind 30 Eingangsrechnungen erforderlich – Freie Kapazitäten in der Rechnungsbearbeitung sind vorhanden,
können jedoch frühestens in 3 Monaten abgebaut werden (Kündigungsfrist)
– Relevante Kosten der Rechnungsbearbeitung • bei sofortiger Lieferung: 30 × 0,90 = 27 < 200
– Auftrag ist anzunehmen • bei Lieferung in sechs Monaten: 30 × 7,90 = 237 > 200
– Auftrag ist abzulehnen, da die Kapazitätskosten vermeidbar sind. Das gleiche gilt, wenn Kapazität ausgelastet ist und zur Bearbeitung der Rechnungen bezahlte Überstunden oder Neueinstellungen erforderlich werden
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Zusammenfassung
– Prozesskostenrechnung liefert wertvolle Informationen über Ursachen der (Fix-)Kostenentstehung in den indirekten Leistungsbereichen
– aber, Prozesskostenrechnung ist eine Vollkostenrechnung • Prozess-Stückkosten sind daher nur dann entscheidungsrelevant,
wenn die betreffenden Ressourcen auch disponibel sind • Prozesskostenrechnung liefert also nur mittel- bis langfristig
relevante Kosten, aber nicht für operative Entscheidungen bei vorhandener Kapazität
– Kritisch ist vor allem die in der Praxis verbreitete Form der Prozesskostenrechnung auf Istkostenbasis zu sehen, da sie
• Leerkosten auf Produkte schlüsselt • oder gar lmn-Kosten weiterverrechnet • und daher zu Fehlinformationen des Managements hinsichtlich der
Profitabilität von Produkten bzw. Aufträgen führt