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Thorsten Gromes
VorlesungOrdnungen des Politischen
23. April 2010
Methoden I:
Unterschiede zwischen Natur- und Sozialwissenschaften,
Erkenntnisinteressen
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Zum Beispiel
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Konflikte in der Wissenschaft
Konflikt = Parteien verfolgen aktiv antagonistische
Positionen
Konfliktgegenstände in der Wissenschaft
Gegenstand Politische Implikationen
Methoden Stellen
Theorien Geld
Fakten Ansehen / Einfluss
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Konfliktparteien in der Wissenschaft
• Einzelne Wissenschaftler
• Fraktionen innerhalb eines Instituts
• Institute
• Fachbereiche
• Schulen
• Universitäten
• Disziplinen
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Konfliktaustrag in der Wissenschaft
• „Waffen“: Wort, Papier, Geld, Aufmerksamkeit
• reguliert (über formelle und informelle Vorgaben für
Publikationen, Vorträge, Stellenbesetzungen)
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Prominente Beispiele
• Positivismusstreit in der deutsche Soziologie 1961
Karl Popper & Hans Albert vs.
Theodor W. Adorno & Jürgen Habermas
• Historikerstreit 1986/1987
Jürgen Habermas vs.
Ernst Nolte & Michael Stürmer
• Exzellenzinitiative
• Bewerbung um Stipendium
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Macht in der Wissenschaft
Macht = eigenen Willen auch gegen Widerstreben
durchsetzen
Wer hat Macht über wen?
• Verfasser der Studienordnung über StudentInnen
• Gutachter über Autor
• Auswahlkommissionen über Kandidaten
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Herrschaft in der Wissenschaft
Herrschaft = Chance, für einen Befehl bei
angebbaren Personen Gehorsam zu finden
Herrschaftsverhältnisse
• Ministerien über Universitäten
• Professor über Mitarbeiter
• Bibliotheksaufsicht über Nutzer
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Herrschaft in der Wissenschaft
legale Herrschaft
man folgt der Anordnung des Vorgesetzten, weil dies
das Arbeitsrecht so verlangt
charismatische Herrschaft
man folgt der Anordnung einer Person mit
besonderem Eifer, weil man sie als
außergewöhnliche Wissenschaftlerin sieht
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Gerechtigkeit in der Wissenschaft
dreht sich oft um Leistungsgerechtigkeit
• Notenvergabe
• Mittelzuweisung
• Verteilung von Ansehen
Kennzahlen für Institute
• hochrangige Publikationen pro Kopf
• relative Zahl von Abschlüssen und Promotionen
• Drittmittelanteil
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Was ist Wissenschaft?
Phänomene beobachten, identifizieren, beschreiben,
experimentell untersuchen und theoretisch
erklären.
Wissenschaft umfasst
1. die Erweiterung von Wissen durch Forschung,
2. die Weitergabe von Wissen durch Lehre.
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Wodurch unterscheiden sich Wissenschaften?
1. Gegenstand
2. Methoden
3. Theorien
4. Erkenntnisinteresse
5. Ansehen
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Gemeinsamkeiten von Natur- und Sozialwissenschaften (1)
Beide formulieren Regeln des guten
wissenschaftlichen Arbeitens
Gemeinsame Standards, z.B.
• bisherige Forschung berücksichtigt?
• Ergebnisse intersubjektiv nachprüfbar?
• mit rivalisierenden Erklärungen
auseinandergesetzt?
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Gemeinsamkeiten von Natur- und Sozialwissenschaften (2)
Gemeinsamer Ausgangspunkt
es gibt eine Realität auch unabhängig von der Beobachtung
Gemeinsames Ziel• „aus Chaos Ordnung schaffen“ (Leopold von
Wiese)• Muster und Gesetzmäßigkeiten entdecken
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Gemeinsamkeiten von Natur- und Sozialwissenschaften (3)
Gemeinsames Problem
Viele Forschungsobjekte lassen sich nicht direkt wahrnehmen
Beispiele: Urknall, dunkle Materie, Gesellschaft, Demokratie
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Gegenstand (1)
Forschungsobjekt • kann wissen, dass es erforscht wird,• kann mit der Forscherin kommunizieren,• hat Bewusstsein und Absichten
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Gegenstand (2)
Forschungsobjekt kann • sich absichtlich der Forschung entziehen,• lügen, sich verstellen, • den Forscher täuschen und manipulieren
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Gegenstand (3)
Forschungsobjekte nehmen nicht nur
bewusst und absichtsvoll auf den Forscher
Bezug, sondern auch aufeinander.
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Gegenstand (4)
Komplexität, gemessen an Zahl der Einwirkungen,
nicht unbedingt größer. Es gibt weit mehr Sterne
als Menschen.
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Gegenstand (5)
Handeln von Menschen weniger determiniert als das
Verhalten physikalischer Objekte. Trotz gleicher
äußerer Bedingungen handeln Individuen oder
Kollektive nicht immer gleich. Das liegt an
unterschiedlichen Wahrnehmungen und Zielen.
Als menschliches Werk weisen soziale Phänomene
keine invarianten Gesetzmäßigkeiten auf.
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Gegenstand (6)
Zunächst gemeinsam:
Forschung verändert das Forschungsobjekt.
Aber:
Forschungsobjekte nehmen Forschungsergebnisse
auf und verändern sich dadurch (Reflexivität).
Beispiele: Marxismus, Neo-Liberalismus,
Demokratischer Frieden
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Nachbarschaftsgruppen
• statt neun bis zwölf nur noch vier Mitglieder
• nur freiwillige Berichte
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Arbeit in der Nachbarschaftsgruppe
Finden Sie weitere Beispiele dafür, dass
Forschungsobjekte Forschungsergebnisse
aufnehmen und sich dadurch verändern.
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Gegenstand (7)
Geringere Prognosefähigkeit d. Sozialwissenschaften
• höhere Komplexität
• Reflexivität
Sozialwissenschaften können Naturwissenschaften
als soziale Tätigkeit erforschen, nicht aber
umgekehrt.
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Methoden (2)
Experimente weniger oder gar nicht möglich, da
Randbedingungen nicht kontrollierbar.
Bei vielen Fragen ethisch auch nicht vertretbar.
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Methoden (3)
Exklusive Methoden
• Befragung & Interviews
• Teilnehmende Beobachtung
• Diskursanalyse
• Feldforschung
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Methoden (4)
Bei manchen Methoden ist der Forscher selbst das
Erhebungsinstrument.
Damit sind Daten und Folgerungen nicht von jedem
Fachkundigen reproduzierbar.
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Methoden (5)
Sozialwissenschaftler sind zugleich
Forschungssubjekt und Forschungsobjekt.
Naturwissenschaftler sind auch Teil der Natur, aber
die prägt weniger Interessen und Deutungen als
die Gesellschaft .
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Anerkennung (1)
Größere Anerkennung der Naturwissenschaften, da
angeblich weniger brotlos und besser von der
Gesellschaft verwertbar.
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Anerkennung (2)
Geringere Anerkennung für die
Sozialwissenschaften, da sich sämtliche
Mitglieder der Gesellschaft für Experten für
Gesellschaft halten.
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Besonderheiten der Sozialwissenschaften – Anerkennung (3)
Sozialwissenschaften gelten eher als Träger von
Ideologie, Naturwissenschaften eher als wertfrei
und neutral gelten.
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Erkenntnisinteressen
Nach Jürgen Habermas:
Eine Forscherin kann die Welt nicht bloß deskriptiv
erfassen.
Die potenziellen Gegenstände der Untersuchung
wie auch die Interessen an dieser Forschung
konstituieren sich in den Selbstverständlichkeiten
der Lebenswelt.
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Erkenntnisinteressen und Lebenswelt (1)
Lebenswelt
Man handelt immer mit der eigenen Lebenswelt im
Rücken.
Die Lebenswelt lässt sich bestenfalls teilweise vom
Handelnden selbst einsehen.
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Erkenntnisinteressen und Lebenswelt (2)
Die Lebenswelt umfasst
• Wissensvorrat und Interpretationen
• legitime Ordnungen, die Zugehörigkeiten und
Solidarität sichern
• Sprach- und Handlungskompetenzen, aufgrund
derer man an Interaktionen teilnehmen und die
eigene Identität behaupten kann
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Erkenntnisinteressen und Lebenswelt (3)
Wissenschaftler können sich nicht von den
Interessen ihrer Lebenswelt ablösen.
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Das technische Erkenntnisinteresse (1)
Ziel
• technische Verwertbarkeit und Verfügung
• daher prognostisches Wissen
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Das technische Erkenntnisinteresse (2)
Vorgehen
• bestimmte Anfangsbedingungen erzeugen
• Erfolg ausgeführter Operationen messen
Kritik:
Die gewonnenen Ergebnisse, sind keine Tatsachen
an sich, sondern Produkt der Operationen. Diese
Tatsachen konstituieren sich erst in der
Organisation der Forschung.
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Das praktische Erkenntnisinteresse (1)
Ziel
• handlungsorientierende Verständigung
Vorgehen:
• nicht kontrollierte Beobachtung, sondern
Auslegung von Texten
• Versuch, Sinn zu erschließen
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Das praktische Erkenntnisinteresse (2)
Einwände:
• Sinn erschließt sich erst mit den Standards
seiner Feststellung
• Interpret besitzt immer ein Vorverständnis, das er
nicht hintergehen kann
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Das emanzipatorische Erkenntnisinteresse (1)
Emanzipatorisches Erkenntnisinteresse:
• Anliegen der Kritischen Sozialwissenschaften
• den Menschen aus der Abhängigkeit behaupteter
Gewalten befreien
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Das emanzipatorische Erkenntnisinteresse (2)
Vorgehen beim emanzipatorischen
Erkenntnisinteresse:
• herausfinden, welche sozialen
Gesetzmäßigkeiten unabänderlich sind und
welche nur als solche erscheinen
• Nach Information über veränderbare
Gesetzmäßigkeiten reflektieren Betroffene Ihr
Handeln und lösen sich aus der Abhängigkeit
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Rolle der Erkenntnisinteressen (1)
Blendet die Wissenschaft ihre jeweiligen
Erkenntnisinteressen aus, übersieht sie genau
jenes, dem sie die Bedingungen ihrer Standards
verdankt.
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Rollen der Erkenntnisinteressen (2)
Die Ausrichtung auf ein Erkenntnisinteresse legt die
Gesichtspunkte fest, unter denen die
Wissenschaft die Realität erst erfassen kann.
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Arbeit in der Nachbarschaftsgruppe
Diskutieren Sie, ob die Typisierung von Habermas
(technisch, praktisch, emanzipatorisch) alle
Erkenntnisinteressen abdeckt.
![Page 46: Thorsten Gromes Vorlesung Ordnungen des Politischen 23. April 2010 Methoden I: Unterschiede zwischen Natur- und Sozialwissenschaften, Erkenntnisinteressen](https://reader038.vdokument.com/reader038/viewer/2022110305/55204d6549795902118bb02a/html5/thumbnails/46.jpg)
Rausschmeißer
What's the difference between Biology and Sociology?
When the baby looks like the father, it's Biology.
When the baby looks like the
neighbor, it's Sociology!
![Page 47: Thorsten Gromes Vorlesung Ordnungen des Politischen 23. April 2010 Methoden I: Unterschiede zwischen Natur- und Sozialwissenschaften, Erkenntnisinteressen](https://reader038.vdokument.com/reader038/viewer/2022110305/55204d6549795902118bb02a/html5/thumbnails/47.jpg)
Aufgaben zur Nachbereitung
1. Zählt die vergleichende Erforschung von Schimpansengruppen eher zu den Natur- oder eher zu den Sozialwissenschaften? Begründen Sie Ihre Ansicht.
2. Inwiefern geht es den Naturwissenschaften nicht ums Verstehen? Informieren Sie sich ggf. über den Begriff „verstehen“ nach Max Weber.
3. Gehen Sie auf die Internetseiten eines beliebigen sozialwissenschaftlichen Forschungsinstituts und schauen Sie nach zwei Beschreibungen von Forschungsprojekten. Überlegen Sie, wie die Forschungsobjekte die Forschung beeinträchtigen könnten.
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Aufgaben zur Nachbereitung
4. Suchen Sie zwei beliebige wissenschaftsjournalistische Artikel heraus und erörtern Sie, welches Erkenntnisinteresse den dargestellten Forschungen zugrunde lag.