titel: operational...

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Risk Management – Krisenmanagement – Risikocontrolling RiskNEWS Januar/Februar 2003 € 3 TITEL: Operational Risk Serie: Default Recovery Rates – Theoretische Modellierung und empirische Studien Teil 2 – Einflussfaktoren und Schätzung von durchschnittlichen Recovery Rates Ein Beitrag von Stefan Trück, Jens Deidersen und Prof. S.T. Rachev Titel: What you see is what you get! Operationelle Risiken identifizieren Ein Beitrag von Kirsten-Annette Minz Titel: Quantifizierung operationeller Risiken Ein Weg zur Einbettung in den Management-Zyklus Ein Beitrag von Gerrit Jan van den Brink Titel: Operational Value at Risk Ein Ansatz für das Management von Operationellen Risiken Ein Beitrag von Alexander von Balduin Chancen- und Risikomanagement als umfassender Ansatz zur Unternehmenssteuerung Ein Beitrag von Joachim Brückmann und Kai Gammelin Risikomanagement in der Logistik (Teil 1) Alter Wein in neuen Schläuchen? Ein Beitrag von Michael Huth Basel II – Ist der bayerische Mittelstand „fit“ für Ratings? Ein Beitrag von Jan Offerhaus Interview: Prof. Prof. Dr. Volker H. Peemöller zu Fragen der Unternehmensbewertung und viele Buchrezensionen ... ISSN 1616-0045 www.risknews.de

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Page 1: TITEL: Operational Riskextras.springer.com/2003/978-3-663-05716-1/pdf-dateien/risknews01_2003.pdf · Wenn Banken ihr Kredit-Engagement hierzulande gegenüber Teilen das Mit-telstandes

RRiisskk MMaannaaggeemmeenntt –– KKrriisseennmmaannaaggeemmeenntt –– RRiissiikkooccoonnttrroolllliinngg

RiskNEWS Januar/Februar 2003 € 3

TTIITTEELL:: OOppeerraattiioonnaall RRiisskk

SSeerriiee:: DDeeffaauulltt RReeccoovveerryy RRaatteess –– TThheeoorreettiisscchhee MMooddeelllliieerruunngg uunndd eemmppiirriisscchhee SSttuuddiieenn Teil 2 – Einflussfaktoren und Schätzung von durchschnittlichen Recovery Rates EEiinn BBeeiittrraagg vvoonn SStteeffaann TTrrüücckk,, JJeennss DDeeiiddeerrsseenn uunndd PPrrooff.. SS..TT.. RRaacchheevv TTiitteell:: WWhhaatt yyoouu sseeee iiss wwhhaatt yyoouu ggeett!! OOppeerraattiioonneellllee RRiissiikkeenn iiddeennttiiffiizziieerreenn Ein Beitrag von Kirsten-Annette Minz TTiitteell:: QQuuaannttiiffiizziieerruunngg ooppeerraattiioonneelllleerr RRiissiikkeenn EEiinn WWeegg zzuurr EEiinnbbeettttuunngg iinn ddeenn MMaannaaggeemmeenntt--ZZyykklluuss Ein Beitrag von Gerrit Jan van den Brink TTiitteell:: OOppeerraattiioonnaall VVaalluuee aatt RRiisskk EEiinn AAnnssaattzz ffüürr ddaass MMaannaaggeemmeenntt vvoonn OOppeerraattiioonneelllleenn RRiissiikkeenn Ein Beitrag von Alexander von Balduin CChhaanncceenn-- uunndd RRiissiikkoommaannaaggeemmeenntt aallss uummffaasssseennddeerr AAnnssaattzz zzuurr UUnntteerrnneehhmmeennsssstteeuueerruunngg Ein Beitrag von Joachim Brückmann und Kai Gammelin RRiissiikkoommaannaaggeemmeenntt iinn ddeerr LLooggiissttiikk ((TTeeiill 11)) AAlltteerr WWeeiinn iinn nneeuueenn SScchhllääuucchheenn?? EEiinn BBeeiittrraagg vvoonn MMiicchhaaeell HHuutthh BBaasseell IIII –– IIsstt ddeerr bbaayyeerriisscchhee MMiitttteellssttaanndd „„ffiitt““ ffüürr RRaattiinnggss?? EEiinn BBeeiittrraagg vvoonn JJaann OOffffeerrhhaauuss

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ISSN 1616-0045 www.risknews.de

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| www.risknews.de 01.2003 Inhalt RiskNEWS

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03 Editorial 04 News 07 Fachbeitrag (Serie)

Default Recovery Rates – The-oretische Modellierung und empirische Studien Teil 2: Einflussfaktoren und Schätzung von durchschnittli-chen Recovery Rates Ein Beitrag von Stefan Trück, Jens Deidersen und Prof. S.T. Rachev

18 Fachbeitrag (Titel)

What you see is what you get! Operationelle Risiken identifi-zieren Ein Beitrag von Kirsten-Annette Minz

26 Fachbeitrag (Titel) Quantifizierung operationeller Risiken Ein Weg zur Einbettung in den Management-Zyklus Ein Beitrag von Gerrit Jan van den Brink

37 Fachbeitrag (Titel) Operational Value at Risk Ein Ansatz für das Manage-ment von Operationellen Risi-ken Ein Beitrag von Alexander von Balduin

49 Fachbeitrag Chancen- und Risikomanage-ment als umfassender Ansatz zur Unternehmenssteuerung Ein Beitrag von Joachim Brück-mann und Kai Gammelin

57 Fachbeitrag Risikomanagement in der Lo-gistik (Teil 1) Alter Wein in neuen Schläu-chen? Ein Beitrag von Michael Huth

69 Fachbeitrag

Basel II – Ist der bayerische Mittelstand „fit“ für Ratings? Ein Beitrag von Jan Offerhaus

76 Fachbeitrag (Serie)

Serie: Bestimmung von Aus-fallwahrscheinlichkeiten - Teil 5: Integrative Modelle - Credit Risk Evaluation Model Ein Beitrag von Uwe Wehrspohn

90 Interview Prof. Dr. Volker H. Peemöller zu Fragen der Unternehmens-bewertung

96 Literatur

109 Termine / Seminare 110 Autorenportraits 111 Impressum

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| www.risknews.de 01.2003 Editorial

3

Liebe Leserin, lieber Leser!

Risiken sind die Bugwelle des Erfolgs.

Nur wer stehen bleiben will, geht kein

Risiko ein. Ein Schiff oder Boot, das nur

im Hafen liegt, bringt dem Reeder oder

Fischer nichts ein. Man muß sich den

Risiken des Meeres (Wind und Wellen)

aussetzen. Und man sollte die Risiken

steuern und Klippen umschiffen. Etymo-

logisch entstammt "Risiko" dem frühita-

lienisches "risco", die Klippe, die es zu

umschiffen gilt. Und man sollte wissen,

wie man mit Risiken umgehen muss. Der

Kapitän sollte also wissen, wie er die

verschiedenen Steuerungsinstrumente

liest und welche Frühwarnindikatoren auf

die zukünftige Entwicklung hinweisen.

In dieser Ausgabe der RiskNEWS

beschäftigen wir uns im Schwer-

punkt mit dem Themenkomplex

"Operational Risk". Operationelle Risi-

ken gibt es schon sehr lange. Jedes Un-

ternehmen ist bereits bei Gründung ope-

rationellen Risiken ausgesetzt. Insbeson-

dere Banken setzen sich zurzeit intensiv

mit dieser Risikokategorie auseinander.

Basierend auf den Regelungen von Basel

I wurde das zu hinterlegende Eigenkapi-

tal explizit allein durch die vorhandenen

Kredit- und Marktrisiken der Banken be-

stimmt. Durch Basel II werden operatio-

nelle Risiken nun auch explizit in die Be-

rechnung des regulatorischen Eigenkapi-

tals einbezogen werden. Im Konsultati-

onspapier vom Januar 2001 waren 20 %

des gesamten zu unterlegenden Eigen-

kapitals für operationelle Risiken vorge-

sehen. Aktuell wurde dieser Anteil auf

12 % reduziert.

Das operationelle Risiko definiert der

Baseler Ausschuss als die „Gefahr von

Verlusten, die infolge der Unangemes-

senheit oder des Versagens von internen

Verfahren, Menschen oder Systemen

oder von externen Ereignissen eintre-

ten“. Strategische Risiken und Reputati-

onsrisiken sind in dieser Definition für die

Zwecke der aufsichtsrechtlich geforder-

ten Mindestkapitalunterlegung nicht ent-

halten.

In der vorliegenden RiskNEWS finden Sie

u. a. Beiträge zu den folgenden Themen:

• Modellierung der Recovery Rate

• Risikomanagement in der Logistik

• Pre-Rating-Ansatz

• Interview mit Prof. Peemöller zu

Fragen der Unternehmensbewer-

tung

Ich freue mich über ein Feedback an

[email protected].

Ihr Frank Romeike

Le risque est l'onde

de proue du succès.

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4 | www.risknews.de 01.2003 News

Auf Basel II sind viele Banken

nicht ausreichend vorbereitet

Ergebnisse einer IBM Studie

Die Vorbereitungen für die Umsetzung

von Basel II haben begonnen - allerdings

in höchst unterschiedlichem Umfang, wie

eine weltweite Studie des IBM Institute

for Business Value gezeigt hat. Befragt

wurden die Basel II-Verantwortlichen in

32 Finanzinstituten unterschiedlicher

Größe nach dem Stand ihrer Vorberei-

tungen. Mehr als dreiviertel der Banken

sieht sich zwar im Zeitplan, jedoch ha-

ben erst 40 Prozent der Großbanken und

37 Prozent der kleineren Institute damit

begonnen, die notwendigen Daten für

eine umfassende Datenhistorie aus den

verschiedensten internen und externen

Quellen zu sammeln, zu integrieren und

zu konsolidieren.

Eine der schwierigsten Aufgaben liegt

primär in den Bereichen Datenmanage-

ment und -verarbeitung: 96 Prozent se-

hen hier die größte Herausforderung.

Insbesondere der Integration histori-

scher Kundendaten kommt dabei hin-

sichtlich künftiger Anforderungen an das

Rating der Kreditnehmer und das Risi-

komanagement der Geldinstitute erhebli-

che Bedeutung zu. Ebenfalls 40 Prozent

der Großbanken sowie knapp ein Drittel

der kleinen Banken ist dagegen noch mit

der Planung dazu befasst. Die verblei-

benden Institute beider Gruppen haben

nach eigenen Angaben sogar erst die

Analysephase erreicht.

Grundlage der Untersuchung bilden 16

Finanzinstitute mit einer Bilanzsumme

von über 100 Milliarden US-Dollar sowie

16 kleinere Institute. Grundsätzlich sieht

sich die Mehrheit der Banken zwar im

Plan, insbesondere große Institute schät-

zen ihr bisheriges Risikomanagement

zumindest in zentralen Elementen als

Basel II-konform ein, aber mittlere und

kleine Finanzdienstleister liegen vor al-

lem aufgrund begrenzter Ressourcen

nach eigenen Angaben noch häufig hinter

den Anforderungen zurück.

„Die Umsetzung von Basel II erfordert

von vielen Instituten einen Kraftakt, der

durchaus mit den Anstrengungen für die

Umstellungsarbeiten zum Jahrtausend-

wechsel vergleichbar sein dürfte“, erläu-

tert Dr. Dirk Siegel, Leiter Strategiebera-

tung der IBM Business Consulting Servi-

ces für Central Region (Deutschland, Ös-

terreich, Schweiz und Teile Osteuropas).

Weitere Infos:

http://www.de.ibm.com

<fr>

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5 | www.risknews.de 01.2003 News

Sanio: In Deutschland

gibt es keine Bankenkrise

Interview mit Jochen Sanio

In Deutschland gibt es nach Ansicht von

Jochen Sanio, Präsident der Bundesan-

stalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

(BAFin), keine Bankenkrise. „Wenn wir

über Bankenkrisen in Deutschland reden,

dann müssen wir zurück in den Sommer

1931 gehen, als nach dem Zusammen-

bruch der Danatbank ein Run der Einle-

ger auf das deutsche Bankensystem ein-

setzte“, erklärte Sanio in einem vorab

veröffentlichten Interview mit „RATIN-

Gaktuell“. In Deutschland gebe es auch

keine Kreditklemme. Ein „Credit Crunch“

wäre dann gegeben, wenn Banken Kredi-

te vergeben wollten, aber dazu wegen

bankaufsichtlicher Vorschriften - in

Deutschland insbesondere der Grundsatz

I KWG - nicht mehr in der Lage wären.

Wenn Banken ihr Kredit-Engagement

hierzulande gegenüber Teilen das Mit-

telstandes zurückschraubten, dann seien

das bewusste strategische Risiko-

Entscheidungen, die allein etwas mit der

Einschätzung der Kreditwürdigkeit der

Kreditnehmer zu tun hätten, sagte Sanio

weiter. Die starke Segmentierung der

deutschen Kreditwirtschaft habe seit

Jahren zu einem extrem hohen Wettbe-

werbsdruck geführt, was naturgemäß in

einer sehr niedrigen Rentabilität enden

müsse. Auf der anderen Seite hätten die

deutschen Banken ein ausgeprägtes Kos-

tenproblem, nicht zuletzt, weil sie mit ih-

ren niedrigen Marktanteilen keine "eco-

nomics of scale" generieren könnten.

Diese unbefriedigende Grundkonstellati-

on, die nur während der guten Börsen-

jahre durch Sondererträge nach außen

nicht deutlich sichtbar gewesen sei, sei

im Jahr 2002 bei den Großbanken da-

durch verschärft worden, dass es im kos-

tenintensiven Investmentbanking zu

dramatischen Ertragseinbußen gekom-

men sei. Darüber hinaus sei das Kredit-

geschäft durch einen gestiegenen Wert-

berichtigungsbedarf belastet worden.

Sanio sprach in diesem Zusammenhang

von einem „Blutzoll“ an Wertberichtigun-

gen wie nie zuvor. Die Banken müssten

sich von Geschäftsbereichen, die auf

Dauer keine ausreichenden Erträge brin-

gen, möglichst schnell trennen.

Weitere Infos sowie das komplette

Interview finden Sie unter der URL:

http://www.ratingaktuell-news.de

<fr>

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6 | www.risknews.de 01.2003 News

Coface setzt Spanien

auf Beobachtungsliste

Kreditversicherer verändert Länderratings

Spanien ist im Länderrating der Coface-

Gruppe (Paris), einem der führenden in-

ternationalen Kreditversicherer, aufgrund

negativer wirtschaftlicher Vorzeichen auf

die Beobachtungsliste gesetzt worden.

Wie die deutsche Coface-Tochtergesell-

schaft Allgemeine Kredit Coface (Mainz)

mitteilt, bleibt Spanien zunächst in der

Höchstbewertung A1. Negative Indikato-

ren – wie vermehrte Forderungsausfälle,

Rückgänge beim Export, im Tourismus

und in Industrieinvestitionen – führten

aber dazu, dass die Länderanalysten der

Coface Spanien auf "A1 – negative

watchlist" setzten.

Daneben stufte die Coface die Staaten

Elfenbeinküste von C auf D, Venezuela

von C auf D und Gabun von B auf C ab.

Positive Tendenzen sieht die Coface in

der Türkei. Das Land steht nach wie vor

auf dem Länderrating C, ist aber mit po-

sitiven Vorzeichen auf die Watchlist ge-

setzt worden. Hier stellt die Coface eine

schnellere Erholung der Wirtschaft fest

als erwartet worden sei. Die finanzielle

Situation des Landes sei weiter anfällig

für Krisen der Finanzmärkte. Unterstüt-

zung durch den internationalen Wäh-

rungsfonds werde aber eine neue Fi-

nanzkrise in 2003 vermeiden. Die Unter-

nehmen erholten sich nach Ansicht der

Coface allmählich von der Krise. Von der

Regierung erwartete Reformen seien al-

lerdings notwendig, um das wachsende

Vertrauen zu stärken. Eine Aufwertung

gab es auch für Kroatien von B auf A4,

für die Slowakei von B auf A4 und für

Rumänien von C auf B. Die Slowakei hat-

te vor ihrer Heraufstufung für einige Zeit

auf der Beobachtungsliste mit positiven

Vorzeichen gestanden.

Das Länderrating der Coface-Gruppe

misst das durchschnittliche Zahlungsaus-

fallrisiko für Unternehmen in den einzel-

nen Ländern und gibt Informationen über

die Einflüsse, denen exportierende oder

investierende Unternehmen mit ihren

Engagements dort unterliegen. Neben

den allgemeinen ökonomischen, politi-

schen und sozialen Risikofaktoren be-

trachtet der Kreditversicherer die konkre-

te Kreditwürdigkeit einzelner Unterneh-

men. Denn auch in allgemein stabilen

Ländern gibt es hohe Zahlungsausfallrisi-

ken, wie umgekehrt in problematischen

Ländern im Einzelfall stabile Geschäfts-

beziehungen möglich sind.

Weitere Infos:

Alle aktuellen Länderratings der Coface

sind mit Erläuterungen auf der Website

www.cofacerating.com kostenlos einseh-

bar.

<fr>

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7 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates

Default Recovery Rates – Theoretische

Modellierung und empirische Studien

Teil 2 – Einflussfaktoren und Schätzung

von durchschnittlichen Recovery Rates

Ein Beitrag von Stefan Trück, Jens Deidersen und Prof. S.T. Rachev

Einleitung

Im ersten Teil der Serie wurde eine Ein-

führung hinsichtlich der Definition und

Modellierung der Recovery Rate in Kre-

ditrisikomodellen gegeben. Es wurde

deutlich, dass im allgemeinen die in der

Praxis verwendeten Kreditrisikomodelle

sehr versierte Ansätze für die Modellie-

rung der Ausfallwahrscheinlichkeit bie-

ten. Bei der Modellierung der Recovery

Rate jedoch wurden häufig sehr verein-

fachende bzw. empirisch nicht belegbare

Überlegungen angestellt.

Die Annahme einer konstanten Recovery

Rate oder auch deren Modellierung als

stochastische Variable unabhängig von

der Ausfallwahrscheinlichkeit, wie sie in

einigen Kreditrisikomodellen getroffen

wird, sind letztendlich mehr als fraglich.

Im Gegensatz zu diesen Annahmen, zei-

gen empirische Studien häufig eine of-

fensichtliche negative Korrelation zwi-

schen der durchschnittlichen Recovery

Rate innerhalb eines Jahres und der Aus-

fallwahrscheinlichkeit von Anleihen. Wei-

terhin wird vermutet, dass auch andere

Variablen, wie etwa der Gesamtzustand

der Wirtschaft einen Einfluss auf die

durchschnittliche Recovery Rate haben.

Im zweiten Teil der Serie, soll nun die

historische Entwicklung von Bond Default

Preisen sowie mögliche Einflussvariablen

auf die aggregierte Recovery Rate unter-

sucht und erläutert werden.

Kapitel 1 – Historische

Entwicklung der

Recovery Rate

1.1 Die Entwicklung der durchschnittlichen Recovery Rate im historischen Überblick

Moody's Investors Service veröffentlicht

jährlich eine Studie1 zu den Default und

Recovery Rates der Unternehmensanlei-

1 Siehe Moody’s (2002)

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8 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates

hen des vergangenen Jahres. Die im

Februar 2002 erschienene fünfzehnte

Studie dieser Art befasst sich mit den

Default und Recovery Daten des Jahres

2001 sowie den historischen Daten seit

1970.

Die Resultate dieser Studie basieren auf

Moody's proprietärer Datenbank von

Ratings und Defaults langfristiger Unter-

nehmensanleihen. Insgesamt umfassen

die Daten 16.000 Emittenten in der Zeit

von 1919 - 2001. Zum 1. Januar 2001

hatten 4.800 Emittenten langfristiger

Schuldentitel Moody's Ratings. Diese

Emittenten stellen den Großteil der öf-

fentlich ausstehenden Schulden der U.S.

Unternehmen und einen großen Teil der

öffentlich ausstehenden Kredite im Rest

der Welt dar. Die Moody's Defaultdaten-

bank umfasst 3.500 Ausfälle langfristiger

Schuldentitel von Moody's gerateter und

nicht gerateter Emittenten.

Die unterdurchschnittlichen Recovery

Rates der Jahre 1999-2001 liegen mit

21% im Jahr 2001 so deutlich wie nie

zuvor unter dem historischen Durschnitt

von 40,19% der Periode 1978-1999.

Dies ist ein klarer Beleg für die Schwan-

kung der Recovery Rate, die beispiels-

weise 1987 75,9% betrug, während sie

1990 bei nur 23,4% lag. Die Standard-

abweichung vom Mittelwert ist mit 28%

recht groß und spricht somit ebenfalls

deutlich gegen die Annahme einer kon-

stanten Recovery Rate über die Jahre.

Der in vielen Kreditrisikomodellen ver-

wendete Ansatz einer konstanten Reco-

very Rate ist somit angesichts der in

Abbildungen 1 und 2 dargestellten Varia-

tion der Anleihepreise nach einem Ausfall

eher zweifelhaft.

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1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998

% d

erN

omin

albe

träg

e

Abbildung 1: Durchschnittliche Post-Default-

Preise über alle Seniority-Klassen 1978-1999

Von besonderem Interesse ist auch die

Variation der durchschnittlichen Recove-

ry Rate für hochspekulative Anleihen.

Der Markt der hochspekulativen Anleihen

wird bei der Untersuchung der Recovery

Rate häufig als das mögliche Angebot an

ausgefallenen Anleihen angesehen. Da

beinahe jede Anleihe vor ihrem Ausfall

durch Herabstufung ihres Ratings in die-

sem Markt enthalten ist, ist diese Ansicht

auch durchaus sinnvoll.

Die Recovery Rate hochspekulativer An-

leihen weist in den Jahren 1982-2001

Werte zwischen 21% (2001) und 62%

(1987) auf – vgl. Abbildung 2, so dass

also auch insbesondere in dieser Klasse

deutliche Schwankungen über die Jahre

hinweg beobachtet werden können.

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1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000

% d

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träg

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Abbildung 2: Durchschnittliche Recovery Ra-

tes für Spekulative Anleihen 1982-2001

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9 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates

Bei einer zunächst rein qualitativen Un-

tersuchung des Verhaltens der Bond De-

fault Rate für spekulative Anleihen und

der Recovery Rate fällt weiterhin auf,

dass offensichtlich eine negative Korrela-

tion zwischen den beiden Größen vor-

liegt. Dieser Zusammenhang wird in Ab-

bildung 3 verdeutlicht, wo die Recovery

Rate spekulativer Anleihen für die Jahre

1988-2001 der Default Rate CCC-

gerateter Anleihen gegenüber gestellt

wurde.

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1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001

Def

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Rat

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der

Nom

inal

betr

äge

Abbildung 3: Recovery Rate für spekulative

Anleihen (fett) in Vergleich zur Default Rate

CCC-gerateter Anleihen (gestrichelt) , 1988-

2001

Offensichtlich lässt sich in Jahren mit

einer hohen Ausfallrate (z.B. 2000,

2001) eine deutlich niedrigere Recovery

Rate beobachten als in Jahren mit sehr

niedrigen Ausfallraten spekulativer An-

leihen (z.B. 1996, 1997).

1.2 – Mögliche Einflussfak-toren

Im folgenden sollen nun zunächst rein

qualitativ mögliche Einflussfaktoren auf

die Recovery Rate beschrieben werden.

Es werden keine Aussagen zu der statis-

tischen Signifikanz dieser Faktoren ge-

macht. Dies ist Gegenstand der darauf

folgenden Abschnitte.

Man geht dabei von einer Erklärung der

Recovery Rate als Funktion von Angebot

und Nachfrage nach ausgefallenen Kredi-

ten aus. Das Angebot ergibt sich aus der

Menge der ausgefallenen Anleihen, wäh-

rend die vulture investors die Nachfrage

nach diesen Krediten ausüben (vgl. Teil

1 der Serie). Entscheidenden Einfluß auf

das Angebot bzw. die Nachfrage nach

ausgefallenen Krediten sollten dann die

folgenden Variablen haben:

Default Rate

Die Default Rate sollte einen Teil der

Recovery Rate-Schwankungen erklären

können, da ja im allgemeinen eine nega-

tive Korrelation der Default Rate mit der

Recovery Rate vermutet wird. Die vultu-

re investors könnten in Jahren hoher

Defaultraten weniger Nachfrage nach

einzelnen ausgefallenen Titeln haben.

Auch werden die Insolvenzgerichte über-

laden sein, was zu einer erhöhten Dauer

bis zur Liquidation und somit zu einem

niedrigeren Barwert der dann erhaltenen

Zahlung führt.

Treasury Bill Yield

Ein Anstieg der kurzfristigen Zinsen re-

duziert den Barwert der zukünftigen Re-

covery. Zusätzlich könnte das wirtschaft-

liche Wachstum behindert und dadurch

die erwarteten Unternehmens-Cash-

Flows reduziert werden. Dies würde die

Vermögenswerte zur Abwicklung der

Insolvenz senken.

Treasury Yield Curve

Eine steile yield curve steigert Investitio-

nen in langfristige Vermögensgegens-

tände durch kurzfristigen Kredit. Der

positive Einfluss auf Finanztitel könnte

auch ausgefallene Anleihen beeinflussen.

Zusätzlich könnten weitere Investitionen

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10 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates

das wirtschaftliche Wachstum begünsti-

gen und so zu die zukünftigen Vermö-

genswerte von insolventen Unternehmen

steigern.

Wachstum des realen

Bruttosozialproduktes

Die niedrigen Recovery Rates 1980 und

1990 können beispielsweise durch Wirt-

schaftszyklen erklärt werden. Da in die-

ser Zeit zur Vermeidung einer Rezession

eine engere Geldpolitik herrschte, könn-

ten die vulture investors ungenügend

Kapital zur Verfügung gehabt haben. Bei

sinkender Nachfrage fallen aber auch die

Preise für bereits ausgefallene Anleihen.

Desweiteren sinken die erwarteten Un-

ternehmensgewinne (und damit deren

Werte) angesichts einer Rezession. Auch

dies wird möglicherweise die Recovery

Rate negativ beeinflussen.

Kreditart und Kapitalstruktur

Die Art des Kredites2 kann ebenfalls ei-

nen Teil der Recovery Rate einzelner

Kredite erklären. Im Durchschnitt haben

gesichterte Kredite mit höherer Seniority

eine höhere Recovery Rate. Beispielswei-

se konnten in der Zeitperiode 1978-1999

bei älteren, gesicherten Krediten (senior

secured loans/bonds) noch 59% des ur-

sprünglichen Anspruchs an die Gläubiger

ausgezahlt werden. Untergeordnete und

ungesicherte Kredite junior subordinated

erzielten hingegen nur eine Recovery

Rate von 31%. Dies verdeutlicht Abbil-

dung 4.

Wie Abbildung 5 zeigt, ist auch die Reco-

very Rate in einzelnen Kreditklassen ü-

ber die Jahre hinweg nicht konstant. Es

variieren auch die Defaultpreise der ein-

zelnen Seniorityklassen unterschiedlich

stark.

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% d

er N

omin

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SeniorSecured

SeniorUnsecured

SeniorSubordinated

Subordinated

Abbildung 4: Durchschnittliche Recovery Ra-

tes nach Seniority-Klasse

In Abbildung 5 finden sich die durch-

schnittlichen Post-Defaultpreise für die

Kategorie Senior Unsecured Debt der

Jahre 1982-1999.

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1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998

% d

er N

omin

albe

träg

e

Abbildung 5: Durchschnittliche Post-

Defaultpreise für die Kategorie Senior Unsecu-

red Debt der Jahre 1982-1999

Die Art des Kredits stellt zwar ein abso-

lutes Maß der Priorität dar - wichtiger für

die Recovery Rate eines einzelnen Kre-

dits ist aber letztendlich seine relative

Priorität innerhalb der Kapitalstruktur

des ausgefallenen Unternehmens. So

2 In den U.S.A. sind dies etwa bank loans, senior secured debt, senior subordinated debt, senior unsecured sebt und junior subordinated debt.

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11 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates

kann die Recovery Rate eines als senior

unsecured eingestuften Kredits deutlich

unter dem entsprechenden Durchschnitt

dieser Seniority-Klasse liegen, wenn sich

das Unternehmen vorwiegend durch se-

nior secured Kredite finanziert hat. Der

senior unsecured Kredit hat dann in der

Kapitalstruktur dieses Unternehmens nur

eine niedrige Priorität, obwohl senior

unsecured Kredite allgemein eine eher

höhere Priorität besitzen.

Die Überlegungen der vorherigen Ab-

schnitte sprechen gegen die Methode,

eine konstante Recovery Rate über einen

Zeithorizont anzunehmen um damit

mögliche Kreditverluste zu berechnen.

Erstens variiert die Recovery Rate stark

in der Zeit. Zu jedem Zeitpunkt kann die

Recovery Rate über oder - für den Kre-

ditverlust wichtiger - unter ihrem lang-

fristigen historischen Durchschnitt lie-

gen.

Zweitens sind die Default Rate und Re-

covery Rate negativ korreliert. Wenn die

Defaults zunehmen, fällt die Recovery,

und der gesamte Kreditverlust wird hö-

her ausfallen.

Es sollen nun die Ergebnisse einer um-

fassenden Untersuchung aus dem Jahre

2001 der oben erwähnten Zusammen-

hänge dargestellt werden.

Kapitel 2 – Erklärung

der aggregierten jähr-

lichen Recovery Rate

In diesem Abschnitt sollen einfache sta-

tistische Modelle von Altman, Resti und

Sironi (2001) zur Erklärung der jährli-

chen, durchschnittlichen, aggregierten

Recovery Rate vorgestellt werden.

Ziel dieser Modelle ist die Erklärung der

aggregierten Recovery Rate aller beo-

bachteten Recoveries und nicht die Re-

covery Rate eines speziellen Kredits. Zur

Bestimmung der Recovery Rate eines

speziellen Kredits müssen weitere Fakto-

ren wie Kapitalart, Kapitalstruktur und

Collateral berücksichtigt werden.

Die aggregierte Recovery Rate von Un-

ternehmensanleihen ist eine Funktion

des Angebots und der Nachfrage nach

Wertpapieren und Anleihen ausgefallener

Unternehmen. Das Angebot an ausgefal-

lenen Anleihen wird durch den aggregier-

ten, ausgefallenen Betrag und die De-

fault Rate bestimmt. Da sich beinahe

immer die Ratings der Unternehmen vor

dem Ausfall verschlechtern, wird der

High Yield- Bereich untersucht. Es wer-

den sowohl univariate als auch multiva-

riate Modelle mittels des KQ-Ansatzes

aufgestellt. Wie man später noch sehen

wird, sind die univariaten Modellen in der

Lage, teilweise bis zu 60%, multivariate

Modelle teilweise sogar bis zu 90% der

Variation der durchschnittlichen jährli-

chen Recovery Rate erklären.

2.1 – Potentielle Einflußfakto-ren

In diesem Abschnitt werden die in den

Modellen verwendeten Variablen zur Er-

klärung der Recovery Rate vorgestellt.

Diese beinhalten angebotsseitige aggre-

gierte Variablen, die spezifisch für den

Unternehmensanleihenmarkt sind sowie

makroökonomische Faktoren. Tabelle 1

listet einige Variablen, die mit der Reco-

very Rate korreliert sein könnten, mit

dem entsprechenden vermuteten Vorzei-

chen der Auswirkung auf.

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Abhängige Variablen:

Bond Recovery Rate (BRR)

Die BRR ist der gewichtete jährliche

Durchschnitt der Recovery Rate ausge-

fallener Anleihen. Die Gewichte basieren

auf der Marktbewertung der ausgefalle-

nen Titel. Die durchschnittliche Recovery

Tabelle 1: Einflussfaktoren und deren poten-

tielle Auswirkung auf die Recovery Rate

liegt bei 41.2% für 1978-2000. Sie be-

rechnet sich als der gewichtete Durch-

schnitt der Recovery Rate aller U.S. Un-

ternehmensausfälle.

Logarithmierte Bond Recovery Rate

(BLRR)

Der BLRR ist der natürliche Logarithmus

der BRR.

Exogene Variablen:

Bond Default Rate (BDR)

Die BDR ist der gewichtete Durchschnitt

der Ausfallrate im High Yield-Bereich. Die

Gewichte basieren auf dem Nominalbe-

trag aller jährlich ausstehenden High

Yield-Anleihen. Die Default Rate ist der

Nominalbetrag der ausgefallenen Anlei-

hen geteilt durch den gesamten ausste-

henden Nominalbetrag aller Anleihen.

Ein Anstieg der Default Rate könnte die

Recovery Rate wegen dem Anstieg an

Angebot an ausgefallenen Wertpapieren

und wegen der längeren Dauer der In-

solvenzabwicklung durch die Überladung

der zuständigen Stellen zum Sinken

bringen.

Die Default Rate schwankte zwischen

knapp 0.16% in 1981 und über 10% in

1990/1991. Die gewichtete durchschnitt-

liche jährliche Default Rate im High-

Yield-Bereich beträgt 3.5%.

Logarithmierte Bond Default Rate (BLDR)

Die BLDR ist der natürliche Logarithmus

der BDR.

Änderung der Bond Default Rate (BDRC)

Der BDRC ist die jährliche Änderung der

BDR bezogen auf das Vorjahr.

Ausstehender Betrag im High Yield Be-

reich (BOA)

Der BOA ist der gesamte im High Yield-

Bereich ausstehende Betrag (in Milliar-

den Dollar) und stellt das mögliche An-

gebot ausgefallener Titel dar.

Ausgefallener Betrag (BDA)

Der BDA ist der absolute ausgefallene

Betrag in Milliarden Dollar, d.h. die

Summe der Nominalbeträge der ausge-

fallenen Anleihen.

Altman-NYU Index (BIR)

Der BIR ist der jährliche Return des Alt-

man-NYU Salomon Center Index für aus-

gefallene Anleihen (vgl. Altman 1991,

Altman und Cyrus (2001)). Dieser Index

ist ein monatlicher Indikator der markt-

gewichteten durchschnittlichen Entwick-

lung ausgefallener Anleihen.

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13 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates

Wachstum des BSP (GDP)

Die GDP ist das jährliche Wachstum des

Bruttosozialprodukts. Ein Aufschwung

der Wirtschaft erhöht die zukünftig er-

warteten Cash Flows der ausgefallenen

Unternehmen und somit auch die zu-

künftigen Vermögenswerte.

Änderung des GDP (GDPC)

GDPC ist die jährliche Änderung des

Wachstums des BSP bezogen auf das

letzte Jahr.

Index für Wachstum des BSP (GDPI)

Dieser Indikator nimmt bei einem

Wachstum des Bruttosozialprodukts von

weniger als 1.5% den Wert 1 an, an-

dernfalls 0.

Return des S&P 500 (SR)

Die Auswirkungen des Aktienmarktes

werden über den jährliche Return des

S&P 500 Index berücksichtigt.

Änderung von SR (SRC)

SRC ist die jährliche Änderung des Re-

turn des S&P 500.

Im folgenden sollen nun die Ergebnisse

der empirischen Studien von Altman,

Resti und Sironi (2001) dargestellt wer-

den. Zunächst wird dabei auf die Ergeb-

nisse der univariaten Untersuchungen

eingegangen werden.

2.2 – Univariate Untersuchung

Nun sollen die univariaten Beziehungen

zwischen Recovery Rate und den be-

schriebenen Variablen untersucht wer-

den. Die univariaten Regressionen wur-

den für die RR (BRR) und den natürli-

chen Logarithmus (BLRR) der RR als ab-

hängige Variablen berechnet. Getestet

wurden also Modelle der Form

ε+⋅+= XbbBRR 10

bzw.

ε+⋅+= XbbBLRR 10

wobei für X jeweils die entsprechende

exogene Variable eingesetzt wurde und ε den Fehlerterm bezeichnet. Die Ergeb-

nisse der univariaten Regression sind in

Tabelle 2 dargestellt.

Tabelle 2: Einflussfaktoren, Vorzeichen des

Einfluss und Modellgüte mit Maßzahl des Be-

stimmtheitsmaß R^2, endogene Variable BRR

Es zeigt sich, dass vor allem der gewich-

tete Durchschnitt der Ausfallrate im

High-Yield-Bereich (BDR), der Logarith-

mus dieser Variable, sowie die jährliche

prozentuale Änderung des BDR einen

hohen Erklärungsanteil liefern (jeweils

ein Bestimmtheitsmaß nahe 0,5), d.h. es

werden jeweils etwa 45% , 58 bzw. 51%

der auftretenden Schwankung der Reco-

very Rate durch diese univariaten Model-

le erklärt. Die Default Rate scheint somit

ein starker Indikator für die Recovery

Rate zu sein.

Weiterhin signifikant ist der Einfluß der

Variable BDA, d.h. der absolut ausgefal-

lene Betrag an Anleihen innerhalb eines

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Jahres. Mit dieser Variable wird immerhin

ein Erklärungsanteil von 46% erzielt.

Auch die anderen univariaten Regressi-

onsmodelle zeigen das korrekte - also

das gemäß theoretischen Überlegungen

zu erwartende Vorzeichen - für jeden

Koeffizienten der entsprechenden Vari-

ablen. Es sind jedoch nicht alle Modelle

wirklich signifikant.

Makroökonomische Faktoren scheinen

jedoch tlw. nur sekundäre Auswirkungen

auf die Recovery Rate zu haben, denn

sie können nur geringe Teile der

Schwankung der Recovery Rate erklären.

Lediglich GDPC und GDPI zeigten deut-

lich einen signifikanten Einfluß

(Bestimmtheitsmaß ca. 0,16).

Es wurde auch der Einfluss der Faktoren

auf den natürlichen Logarithmus der Re-

covery Rate untersucht. Dabei war die

Anpassung des Modells bei Verwendung

der logarithmierten Recovery Rate

(BLRR) meist minimal besser als bei

Verwendung der absoluten Recovery

Rate. Dies verdeutlicht untenstehende

Tabelle 3.

Tabelle 3: Einflussfaktoren, Vorzeichen des

Einfluss und Modellgüte mit Maßzahl des Be-

R^2, endogene Variable BLRR

Insgesamt lässt sich also festhalten,

dass univariate Modelle bereits einen

recht guten Erklärungsanteil für die

Schwankungen der Recovery Rate über

die Jahre liefern. Vor allem der gewichte-

te Durchschnitt der Ausfallrate im High-

Yield-Bereich sowie der absolut ausgefal-

lene Betrag an Anleihen liefern eine

recht gute Modellanpassung. Der Einfluß

makroökonomischer Variablen scheint

jedoch – abgesehen vom GDP – eher

geringer zu sein.

2.3 – Ergebnisse bei Verwen-dung multivariater Modelle

Die Studie untersucht weiterhin mittels

multivariater Modelle den Einfluß der

genannten Variablen zur Erklärung der

aggregierten Recovery Rate für die Jahre

1987-2000. Die grundlegende Struktur

der erfolgreichsten Modelle sieht folgen-

dermaßen aus:

ε+⋅++⋅+= kk XbXbbBRR ....110

bzw.

ε+⋅++⋅+= kk XbXbbBLRR ....110

Am erfolgreichsten waren dabei Modelle,

die die auch in der univariaten Untersu-

chung signifikantensten Variablen mit-

einbeziehen:

• Bond Default Rate (BDR)

• Änderung der Bond Default Rate

(BDRC)

• Ausstehender Betrag im High

Yield Bereich (BOA)

• Ausgefallener Betrag (BDA)

• Altman-NYU Index (BIR)

Die Recovery Rate und Default Rate wur-

den sowohl linear als auch log-linear in

den Regressionen für 1982-2000 bzw.

1987-2000 - da der Index BIR erst ab

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1987 verfügbar war, konnte für Modelle,

die den Altman-NYU-Index benutzen nur

ein kürzerer Zeitraum betrachtet werden

- eingesetzt, wobei die log-lineare Bezie-

hung wieder signifikantere Ergebnisse

erzielte. Die verschiedenen Modelle

konnten zwischen 84% und 91% der

Streuung der Recovery Rate erklären.

Mit 77%-87% sind die Ergebnisse für die

kürzere Periode 1987-2000 nur gering-

fügig schlechter.

Das erfolgreichste Modell mit der höchs-

ten Erklärungskraft ist das „Power-

Modell“, in dem der natürliche Logarith-

mus der Recovery Rate (BLRR) und der

Default Rate (BLDR) eingesetzt werden.

BOAbBIRbBDRCbBLDRbbBLRR

⋅+⋅++⋅+⋅+=

43

210

welches auch in der Form

BOAbBIRbBDRCbBDRbbeBRR ⋅+⋅+⋅+⋅+= 43210 )ln(

darstellbar ist. Mit diesem Modell lässt

sich ein Bestimmtheitsmaß und damit ein

erklärter Varianz-Anteil von 91% erzie-

len, was einem wirklich äußerst guten

Erklärungsbeitrag entspricht.

Weiterhin wurden auch in die multivaria-

ten Modelle zusätzlich einige fundamen-

tale makroökonomische Faktoren einge-

führt, u.a.

• Wachstum des BSP (GDP)

• Änderung des GDP (GDPC)

• Return des S&P 500 (SR)

• Änderung von SR (SRC)

Aufgrund des bereits sehr hohen Erklä-

rungsbeitrags der Modelle ohne Makro-

Variablen und des tlw. eher geringen

Beitrags der zusätzlichen Variablen lässt

sich auch im multivariaten Fall keine

entscheidende Verbesserung der Ergeb-

nisse erzielen. Dies steht allerdings im

Gegensatz zu einigen früheren Studien

(z.B. Frye [2000], Fridson [2000]), bei

denen einige dieser Faktoren signifikant

zur Erklärung der Recovery Rate beitru-

gen.

Lediglich im Falle der Miteinbeziehung

des GDP erhält man teilweise gute Er-

gebnisse – allerdings waren makroö-

konmische Variablen alleine nicht in der

Lage so entscheidende Einflußfaktoren

wie die Bond Default Rate zu ersetzen.

Im multivariaten Fall erhält man bei ei-

ner Ersetzung der BDR durch GDP fol-

gendes Modell:

BRR = f(GDP,BDRC,BOA,BIR)

Das Modell erklärt 0.76 der Streuung der

BRR bzw. 0.78 der Streuung der BLRR.

Dies im Vergleich zu 0.84 und 0.88 bei

Nutzung von BDR. Die hohe negative

Korrelation von GDP und BDR verhindert

einen sinnvollen gleichzeitigen Einsatz im

selben Modell, daher ist also insgesamt

das Modell mit BDR durch seine höhere

Erklärungskraft vorzuziehen. Der Akti-

enmarkt wiederum hatte kaum einen

Einfluß auf die Preise der ausgefallenen

Anleihen. Die Regressionen zeigen sehr

niedrige Werte des Bestimmtheitsmaßes

R2.

Der Einfluß makroökonomischer Variab-

len auf die Recovery Rate kann also ins-

gesamt als weniger entscheidend als der

der Bond Default Rate oder der des Aus-

gefallenen Betrages etc. angesehen wer-

den.

Insgesamt kann man aber bei einem

erklärten Streuungsanteil der Recovery

Rate von häufig über 90% von einer

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sehr guten Anpassung der Modelle spre-

chen.

Es muß aber bemerkt werden, dass es

sich bei den beschriebenen univariaten

und multivariaten Modellen letztendlich

um bedingte Prognosen handelt. Das

heißt die Aussagekraft für unbedingte

Vorhersagen zukünftiger Recovery Rates

ist zunächst eher begrenzt bzw. von der

Güte der Vorhersage über die in die Mo-

delle einfließenden Variablen abhängig.

Ohne eine genaue Prognose der Variab-

len jährliche Bond Default Rate bzw. des

Ausgefallenen Betrages im Anleihen-

markt etc. lassen sich die Modelle nicht

zur Vorhersage von Recovery Rates nut-

zen. Bestehen bleibt aber der signifikan-

te Zusammenhang zwischen der aggre-

gierten Recovery Rate und den erwähn-

ten Variablen.

Kapitel 3 – Zusammen-

fassung und Ausblick

Nachdem im ersten Teil der Serie eine

Einführung hinsichtlich der Definition und

Modellierung der Recovery Rate in Kre-

ditrisikomodellen gegeben wurde, kon-

zentrierte sich der zweite Teil auf die

Schwankungen bzw. mögliche Einfluss-

faktoren der aggregierten jährlichen Re-

covery Rate.

Es wurde deutlich, dass die Verwendung

einer konstanten Recovery Rate, wie sie

in manchen Kreditrisikomodellen getrof-

fen wird nicht haltbar ist. Nicht einmal

eine Aufteilung in Recovery Rates bezüg-

lich der Seniority-Klassen ist ausrei-

chend, da auch innerhalb einzelner Seni-

ority Klassen im Laufe der Jahre große

Änderungen auftreten. So weist etwa die

Recovery Rate hochspekulativer Anleihen

in den Jahren 1982-2001 große Schwan-

kungen bzw. Werte zwischen 21%

(2001) und 62% (1987) auf.

Ohne eine genaue Quantifizierung vor-

zunehmen ist weiterhin eine hohe Korre-

lation zwischen der Bond Default Rate

und der Recovery Rate zu beobachten.

Weiterhin wurden die in empirischen

Studien zitierten möglichen Einflussfak-

toren (z.B. Bond Default Rate, Ausste-

hender Betrag im High Yield Bereich,

Wachstum des BSP etc.) auf die Recove-

ry Rate sowie einige empirische Ergeb-

nisse von recht simplen univariaten und

multivariaten Regressionsmodellen dar-

gestellt.

Es wurde deutlich, dass sich die unter-

suchten Variablen teilweise sehr gut zur

Erklärung der aggregierten jährlichen

Recovery Rates heranziehen lassen - der

durch die Modelle erreichte Erklärungs-

anteil liegt bei den besten Regressions-

modellen bei etwa 90%.

Dennoch lassen sich die beschriebenen

Modelle in dieser Form noch nicht als

Prognosemodelle für zukünftige Jahres-

Durchschnitt-Bond-Default-Preise ver-

wenden, noch sind sie in der Lage Aus-

kunft über die erwartete Recovery Rate

eines speziellen bzw. einzelnen Kredites

zu geben.

Im dritten und letzten Teil der Serie, soll

daher auch näher darauf eingegangen

werden, wie die Recovery Rate einzelner

Kredite in Abhängigkeit von Faktoren wie

Seniority, Kapitalstruktur bzw. Industrie-

zugehörigkeit eines Unternehmens ge-

schätzt werden kann.

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Kontakt:

Stefan Trück

Universität Karlsruhe

Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie,

Kollegium am Schloß, Gebäude 20.12

76128 Karlsruhe

Tel.: ++49.721.608.8113

email: [email protected]

Literatur:

Altman, Edward I. Et al (2001), Analyzing and explaining default recovery rates, A Re-port Submitted to the International Swaps & Derivatives Association. Altman, Edward I. and Cyrus, Keith (2001), The performance of defaulted bonds and bank loans 1987-2000. NYU Salo-mon Center Working Paper Series, January. Basel Committee on Banking Supervision (1999), A new capital adequacy framework. Basel Committee on Banking Supervision (2001), The basel capital accord. Black, Fischer and Scholes, Myron (1973), The pricing of options and corporate liabilities, Journal of Political Economics Cox, John and Black, Fischer (1976), Valuing corporate securities: Some effects of bond indenture provisions, Journal of Fi-nance. Duffie, Darrell (1998), Defaultable term structure models with fractional recovery of par, Graduate School of Business, Stanford University Duffie, Darrell und Singelton, Kenneth (1999), Modeling the term structures of

defaultable bonds, Review of Financial Stud-ies. Fridson, Martin S. (2000), Recovery rates: The search for meaning, Merrill Lynch Publi-cations. Frye, Jon (2000), Depressing recoveries, Risk Magazine. Geske, Robert (1977), The valuation of corporate liabilities as compound options, Journal of Financial and Quantitative Analy-sis. Hamilton, David T. (2001), Default and recovery rates of corporate bond issuers: 2000, Moody’s Investor Service. Hull, John and White, Alan (1995), The impact of default risk on the prices of options and other derivative securities, Journal of Banking and Finance. Jarrow, Robert and Turnbull, Stuart (1995), Pricing derivatives on financial securities subject to credit risk, Journal of Finance. Longstaff, Francis and Schwartz, Edu-ardo (1995), A simple approach to valuing risky fixed and floating rate debt, Journal of Finance. Merton, Robert C. (1974), On the pricing of corporate debt: The risk structure of interest rates, Journal of Finance. Moody’s (2002), Default and recovery rates of corporate bond issuers: A statistical review of moody’s ratings performance 1970-2001. Vasicek, Oldrich (1984), Credit valuation, KMV Publications. Zhou, Chunsheng (2001), The term struc-ture of credit spreads with jump risk Journal of Banking and Finance.

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Dimensionen operationeller RisikenDimensionen operationeller Risiken

Operationelle Risiken in KreditinstitutenOperationelle Risiken in Kreditinstituten

3. Schritt

Quantifizierung /EK-Unterlegung

1. Schritt

Risikobewußtsein /Systematisierung Identifikation

2. Schritt

What you see is what you get!

Operationelle Risiken identifizieren

Ein Beitrag von Kirsten-Annette Minz

Man begreift nur, was

man sieht

Gerade hier liegt das Hauptproblem der

operationellen Risiken. Um sie messen

oder steuern zu können, muss erst he-

rausgefunden werden wann bzw. wo

operationelle Risiken überhaupt entste-

hen. Neben Ansätzen der Quantifizierung

dieser ganz speziellen Risikokategorie

sind die Möglichkeiten der Identifikation

und Analyse operationeller Risiken für

Kreditinstitute daher von besonderer

Bedeutung.1 Zudem wird in der Phase

der Risikoanalyse eine Auswahl der (ope-

rationellen) Risiken getroffen wird, die

entweder im Focus der folgenden Aktivi-

täten stehen oder vernachlässigt werden

können.

Während die Entwicklung eines Risiko-

bewusstseins und die Systematisierung

von operationellen Risiken der Risiko-

identifikation vorausgeht, bildet die Risi-

1 Vgl. auch Wiedemann, A. (2002).

koidentifikation die Grundlage für eine

Quantifizierung operationeller Risiken

(vgl. Abbildung 1). Erst wenn operatio-

nelle Risiken in diesen Dimensionen er-

fasst worden sind, kann die gezielte Risi-

kosteuerung und Risikokontrolle einset-

zen.

Abbildung 1: Dimensionen operationeller

Risiken

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Identifikation / RisikoanalyseIdentifikation / Risikoanalyseoperationeller Risikenoperationeller Risiken

RisikoinventurProzessrisiko-analyse

• Baumanalysen• FMEA• Predictive-Human-

Error-Analyse

Simulations-ansätze

• What-if-Analyse• HAZOP• Ursache-/Wirkungs-

diagramm

Frühwarn-systeme

• z.B. ORCOperationalRiskCounter

• Risikoindikatoren• Skalierung• Risikomatrix• Risikoportfolio

Der erste Schritt zu einem besseren Um-

gang mit operationellen Risiken ist ge-

tan, sobald sich ein Kreditinstitut dar-

über bewusst wird, dass operationelle

Risiken auftreten können. Nicht zuletzt

durch die Diskussion über die aufsichts-

rechtlichen Anforderungen dürfte dieser

Prozess der Risikobewusstwerdung mitt-

lerweile weitestgehend abgeschlossen,

zumindest aber weithin fortgeschritten

sein. In der Diskussion um unterschiedli-

che Begriffsbestimmungen und Systema-

tisierungsansätze setzt sich die letzte

Definition des Basler Ausschuss für Ban-

kenaufsicht auch im allgemeinen

Sprachgebrauch immer weiter durch.

Nun müssen geeignete Verfahren gefun-

den und ausgewählt werden, um opera-

tionelle Risiken am Ort ihres Auftretens

(WO?) identifizieren und analysieren zu

können (WARUM?). Sowohl in der be-

triebswirtschaftlichen Literatur als auch

in der Praxis werden Verfahren und An-

sätze diskutiert, die in unterschiedlichem

Umfang helfen, operationelle Risiken zu

identifizieren (vgl. Abb.2).2 Es gibt je-

doch keinen allgemeingültigen "one best

way" oder eine Universallösung. Die Ent-

scheidung für einen, mehrere Ansätze

oder eine Kombination einzelner Elemen-

te kann daher nur unter institutsspezifi-

schen und individuellen Gesichtspunkten

erfolgen. Alle in Abbildung 2 genannten

Ansätze haben gemeinsam, dass sie eine

intensive Auseinandersetzung mit opera-

tionellen Risiken erfordern, was langfris-

tig gesehen dazu führen kann, diese

besser zu beherrschen.

Aus der Vielzahl der angebotenen Mög-

lichkeiten sollen im folgenden die Risiko-

inventur und der Operational Risk Coun-

ter (ORC) herausgegriffen und diskutiert

werden.

Abbildung 2: Verfahren zur Identifikation

operationeller Risiken

Die Risikoinventur

In Analogie zur sonst üblichen Inventur

einer Unternehmung, in der die Be-

standsaufnahme des Vermögens und der

Schulden erfolgt, bietet das Verfahren

der Risikoinventur die Möglichkeit, mit

Hilfe verschiedener Techniken alle Risi-

ken in einer Bank systematisch zu erfas-

sen. Die Daten in einer Risikoinventur

können durch den Einsatz verschiedener

Verfahren erhoben werden (vgl. Abbil-

dung 3).

2 Für eine ausführliche Darstellung und Bewertung der Ansätze vgl. Minz, K.-A. (2003).

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Betriebliches VorschlagswesenBetriebliches

Vorschlagswesen WorkshopsWorkshopsFragebögenFragebögen

Datenerhebung in der RisikoinventurDatenerhebung in der Risikoinventur

- Self-Assessments- Expertenbefragungen- Checklisten

- Self-Assessments- Expertenbefragungen- Checklisten

EreignisanalyseEreignisanalyse

- Auswertung von Statistiken- Schadensfalldatenbanken

- Auswertung von Statistiken- Schadensfalldatenbanken

Abbildung 3: Methoden der Datenerhe-

bung

In der bankbetrieblichen Praxis hat sich

vor allem der Einsatz von Fragebögen

bewährt. Eine besonders erfolgreiche

Kombination ist der Gebrauch von

Checklisten in Verbindung mit Experten-

interviews. Bei dieser Konstellation ist es

sinnvoll, den ausgewählten Experten

zunächst die Checklisten zur Durchsicht

zur Verfügung zu stellen und dann, zeit-

lich nachgelagert, ein strukturiertes In-

terview zu führen.

In einer Expertenbefragung werden

Mitarbeiter aus allen Funktionsbereichen

und Führungsebenen zu einem aufge-

stellten Risikokatalog befragt. Die Exper-

ten müssen zur Eintrittswahrscheinlich-

keit und zum möglichen Schadenausmaß Stellung nehmen. Der einbezogene Per-

sonenkreis sollte daher mit den abge-

fragten Sachverhalten gut vertraut sein.

Der Erfolg einer Expertenbefragung ist

unmittelbar von der Kenntnis der Risiken

abhängig. Nur wenn potenzielle Gefah-

renquellen bekannt sind, kann die Risi-

kosituation im Hinblick auf ihre Eintritts-

wahrscheinlichkeit und bzgl. des Umfan-

ges eines möglichen Schadens beurteilt

werden. Die Expertenbefragung kann

sowohl in Form eines Einzelinterviews als

auch in einer Gruppen- oder Teamsit-

zung durchgeführt werden. Interdiszipli-

näre Teams bieten vor allem die Mög-

lichkeit, Folgeschäden aus anderen Un-

ternehmensbereichen mit zu erfassen

und Interdependenzen innerhalb der

Funktionen zu berücksichtigen.

Die Risiko- oder Selbsteinschätzung,

auch Self-Assessment genannt, ist

einer Expertenbefragung sehr ähnlich

und hat eine interne Beurteilung von

Risiken, Kontrollen und deren Implemen-

tierung unter Verwendung von Fragebö-

gen oder der Durchführung von

Workshops zum Inhalt. Der Vorteil der

Selbsteinschätzung liegt, neben der zu-

sätzlichen Informationsgewinnung, in der

Schaffung eines Risikobewusstseins bei

den Beteiligten. Da die Erstellung, Bear-

beitung und Auswertung von Fragebögen

jedoch sehr zeit-, kosten- und Know-

how-intensiv ist, können Fragebögen nur

bedingt als permanente Methode in einer

Risikoinventur verwendet werden.

Eine weitere Alternative zur Datengewin-

nung ist die Konzeption und Durchfüh-

rung von Workshops. Diese sind vor

allem wirkungsvoll, wenn es um die I-

dentifikation und Erfassung von Risiken

geht, bei denen interdisziplinäre Teams

von Vorteil sind. Die Subjektivität der

individuellen Meinungen soll dabei durch

regelmäßige Wiederholung und Überprü-

fung der Ergebnisse objektiviert werden.

Der Vorteil der Durchführung von

Workshops ist vor allem darin zu sehen,

dass die Mitarbeiter aktiv in die Erhe-

bung operationeller Risiken einbezogen

werden. Im Gegensatz zum Fragebogen,

können sie den Verlauf direkt mitgestal-

ten und gewonnene Lösungsansätze un-

mittelbar umsetzen. In der Planung und

Durchführung sind Workshops jedoch

ebenfalls sehr zeit- und kostenintensiv.

Werden sie einer Risikoinventur zeitlich

nachgelagert, können sie eine wertvolle

Ergänzung und Vertiefung von bereits in

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der Risikoinventur erhobenen Daten

sein.

Eine weitere Datenquelle ist das be-

triebliche Vorschlagswesen. Ein be-

reits vorhandenes Vorschlagswesen kann

erweitert werden, indem die Mitarbeiter

explizit dazu aufgefordert werden, auch

auf mögliche Risikoquellen zu achten und

diese zu melden. Die Fähigkeiten und

Kenntnisse der Mitarbeiter werden somit

direkt genutzt und die Bedeutung des

Risikomanagementprozesses wird durch

die Einbindung aller Mitarbeiter unter-

strichen.

Im Gegensatz dazu stehen bei der Er-

eignisanalyse bereits aufgetretene ope-

rationelle Risiken im Vordergrund, die

anhand von Statistiken, die im Idealfall

ohnehin schon in der Bank geführt wer-

den, ausgewertet werden. Eine bereichs-

übergreifende Erfassung operationeller

Risiken durch die Ereignisanalyse kann

außerdem helfen, neue Risiken zu er-

kennen, die eine ausschließlich bankin-

terne Prozessanalyse nicht aufdecken

würde. Der Blick für weitere mögliche

Risikoquellen wird so geschärft. Die so

gewonnenen Daten sollten anschließend

in eine Schadenfalldatenbank überführt

werden. Ist eine Schadenfalldatenbank

einmal vorhanden, kann diese systema-

tisch durchsucht und fortgeschrieben

werden, um so auch mögliche Anhalts-

punkte für eine Risikoinventur zu finden.

Da die aufsichtsrechtliche Handhabung

operationeller Risiken noch nicht ab-

schließend geklärt ist, empfiehlt sich als

Vorbereitung auf die quantitativen Ver-

fahren zur Unterlegung der operationel-

len Risiken mit Eigenkapital in jedem Fall

die rechtzeitige Durchführung einer Risi-

koinventur. Die Risikoinventur hat sich in

der Praxis bereits bewährt, um operatio-

nelle Risiken systematisch aufzudecken

und kann somit als Basis für weiterge-

hende Ansätze der Quantifizierung ope-

rationeller Risiken gesehen werden.

Der Operational Risk

Counter (ORC)- Ein

Frühwarnsystem

Einen Schritt weiter als die reine Be-

standsaufnahme gehen Frühwarnsyste-

me. Unter einem Frühwarnsystem wird

ein Informationssystem verstanden, das

seinen Benutzern latente, d.h. bereits

vorhandene Gefährdungen der Markt-

und Wettbewerbsposition in Form von

Reizen, Impulsen oder Informationen mit

zeitlichem Vorlauf bereits vor deren Ein-

tritt signalisiert. Die Indikatorhypothe-

se gilt als Grundlage von Frühwarnsys-

temen und besagt, dass Veränderungen

nicht abrupt auftreten, sondern durch

Signale angekündigt werden.

Auf den Bankensektor übertragen be-

deutet dies, dass das Management im

Sinne einer Risikoprophylaxe rechtzeitig

vor möglichen operationellen Risiken

gewarnt werden soll. Die Konzeption von

Frühwarnsystemen ist daher für einen

ganzheitlichen Ansatz zur Identifikation

von operationellen Risiken von besonde-

rer Bedeutung.

Funktionsweise des ORC

Nach dem Prinzip der Indikatorhypothese

funktioniert auch der Operational Risk

Counter (ORC), der zum Ziel hat, mög-

liche operationelle Risiken und Chancen

frühzeitig aufzudecken. Durch diese

Frühzeitigkeit entsteht ein zeitlicher Vor-

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Farbe Punktzahl gekennzeichneter Bereich

rot

gelb

grün

34 -45

21 - 33

9 - 20

Risikobereich, kritischer Bereich!Gefahrenzone

Warn- oder Toleranzbereich!Vorsichtszone

Normalbereich, unkritischer Bereich!Sicherheitszone

sprung, so dass Gegenmaßnahmen

rechtzeitig initiiert werden können.

Der Operational Risk Counter liefert

Richtwerte, die anzeigen, ob sich das

operationelle Risiko der Bank in einer -

vorher genau zu definierenden - Si-

cherheits-, Vorsichts- oder Gefahrenzone

bewegt. Die Funktionsweise des ORC ist

mit einer Ampel vergleichbar. Durch die

Einteilung in eine Sicherheits-, Vorsichts-

und Gefahrenzone wird der Grad des

operationellen Risikos sichtbar gemacht.

Die Grenzen der einzelnen Zonen sind

exemplarisch ausgewählt und können

institutsspezifisch diskutiert und ggf.

angepasst werden (vgl. Abbildung 4). In

der Wahl der Punkteintervalle spiegelt

sich auch die Risikoneigung bzw. Risiko-

einstellung der Bank wider. D.h. jede

Bank kann individuell entscheiden, wel-

ches Maß operationeller Risiken für sie

noch tolerierbar ist oder nicht.

Abbildung 4: Einteilung der Zonen nach

dem Ampelprinzip

Die rote Zone (34 bis 45 Punkte) kenn-

zeichnet den kritischen Bereich oder Ri-

sikobereich und bildet die höchste Ge-

fahrenzone. Falls festgestellt wird, dass

der Gesamtpunktestand 34 Punkte er-

reicht oder übersteigt, sollten möglichst

schnell Maßnahmen erfolgen.

Die gelbe Zone (21 bis 33 Punkte) wird

als Toleranz- oder Warnbereich bezeich-

net. Das heißt jedoch nicht, dass grund-

sätzlich eine Entwarnung gegeben wer-

den kann. In der Vorsichtszone interes-

sieren vor allem die Detailergebnisse:

Falls z.B. in zwei der drei Risikokatego-

rien oder Einzelrisiken hohe Punktstände

erreicht werden, ist dies ebenfalls Grund

zur Besorgnis und Ergreifung entspre-

chender Maßnahmen.

Die grüne Zone (9 bis 20 Punkte) bildet

den Normalbereich, der auch als unkriti-

scher Bereich bezeichnet werden kann.

In dieser Sicherheitszone sind die opera-

tionellen Risiken zwar nicht bedrohlich,

sollten aber durchaus im Zeitablauf beo-

bachtet werden. Es kann zudem gefragt

werden, ob die angeführten Risiken ge-

gebenenfalls zu niedrig bewertet wurden.

Eine weitere Variante ist die Verknüp-

fung bestimmter Toleranzgrenzen mit

der What-if-Analyse. Das heißt, dass bei

Erreichung eines vorher festgelegten

Punktewertes bestimmte Maßnahmen

eingeleitet werden. („Wenn der Wert xy

eintritt, dann werden folgende Maßnah-

men ergriffen.“) Diese Möglichkeiten

lassen sich ex ante in einer Szenarioana-

lyse mit der What-if-Technik durchspie-

len.

Den Kern des Systems bilden Risikoindi-

katoren. Allgemein lassen sich bankenin-

tern verschiedene Bereiche festlegen, in

denen Risiken auftreten, die mit Hilfe

von Risikoindikatoren identifiziert werden

können. Mittels subjektiver Einschätzung

der Mitarbeiter oder des Managements

werden dann konkrete Belastungswerte

in Form von Punktezahlen ermittelt.

Durch die Addition der Punkte in den

einzelnen Bereichen gibt die Gesamt-

summe die Interpretation der Ergebnisse

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Punktestand insgesamt =

Der Operational Risk Counter (ORC)

Risikokategorie / Einzelrisiko 1

Punktezahl

+ =+1 2 3 4 5

Punktezahl1 2 3 4 5

Punktezahl1 2 3 4 5

Punktezahl

Risikokategorie / Einzelrisiko 2

+ =+Punktezahl

1 2 3 4 5Punktezahl

1 2 3 4 5Punktezahl

1 2 3 4 5Punktezahl

+ =+Punktezahl

Risikokategorie / Einzelrisiko n

1 2 3 4 5Punktezahl

1 2 3 4 5Punktezahl

1 2 3 4 5Punktezahl

RisikoindikatorRisikoindikatorRisikoindikator

RisikoindikatorRisikoindikatorRisikoindikator

RisikoindikatorRisikoindikatorRisikoindikator

Phasen des Operational Risk Counter

Skalierung

Ergebnisanalyse

Phase 1

Phase 2

Phase 3

Phase 4Kontrolle / Feedback

Ermittlung der Beobachtungsbereiche

vor. Das Grundprinzip des ORC veran-

schaulicht Abbildung 5.

Abbildung 5: Grundprinzip des Operatio-

nal Risk Counter (ORC)

Der Ablauf des ORC gliedert sich in vier

Phasen. Die drei Hauptphasen werden

durch eine vierte Phase ergänzt. Diese

Feedback- oder Kontrollphase hat die

kontinuierliche Verfahrensoptimierung

zum Ziel und gibt dem System zur Iden-

tifikation operationeller Risiken den wich-

tigen Kreislaufcharakter3 (vgl. Abbil-

dung 6).

Abbildung 6: Kreislaufmodell des Opera-

tional Risk Counters

3 Für eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Phasen vgl. Minz, K.-A. (2003).

Vorteile des ORC

Ein Operational Risk Counter kann zwar

Risiken innerhalb einer Organisation

nicht vermeiden, aber es wird deutlich,

wo und in welchem Tempo sie sich ent-

wickeln.

Eine Risikoidentifikation durch den ORC

bietet aber noch weitere Vorteile:

• Das System ist einfach nachvollzieh-

bar,

• es ist individuell einsetzbar und aus-

zugestalten und damit auch für klei-

nere Kreditinstitute anwendbar,

• die Mitarbeiter werden sensibilisiert,

• das Bewusstsein für operationelle

Risiken wird geschärft,

• es ist eine Unterscheidung zwischen

Gesamtbankebene und Filialen mög-

lich,

• die Entwicklungs- und Einführungs-

zeit und damit auch die Kosten sind

überschaubar,

• das System ist durch die Feedback-

oder Reflexionsphase ein iterativer

Prozess, der flexibel angepasst und

verändert werden kann,

• erste Erfolge sind relativ schnell zu

verzeichnen, weshalb dem ORC auch

eine motivationssteigernde Wirkung

zugeschrieben werden kann.

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Der Weg ist das Ziel

Da es sich beim Operational Risk Coun-

ter außerdem um ein leicht nachvollzieh-

bares System handelt, kann das dafür

benötigte Know-how relativ schnell auf-

gebaut werden. Auch die dafür benötigte

informationstechnische Unterstützung

kann flexibel gehandhabt und steigenden

Ansprüchen angepasst werden. Sogar

eine manuelle Erfassung ist prinzipiell

vorstellbar, langfristig jedoch nicht zu

empfehlen.

Trotz der genannten Vorteile ist (zur Zeit

noch) ein Nachteil in der Schwierigkeit

der Auswahl von Frühwarnindikatoren zu

sehen. Durch die wissenschaftliche Dis-

kussion und den praktischen Austausch

über Erfahrungen in diesem Bereich,

wird dieses Argument auf lange Sicht

aber an Bedeutung verlieren. Demge-

genüber ist ein Anspruch auf Vollstän-

digkeit, d.h. Erfassung aller möglichen

operationellen Risiken auch in Zukunft

nur schwer zu erfüllen. Durch den Lern-

kurveneffekt und eine Feedbackschleife

am Ende des Prozesses kann aber eine

kontinuierliche Verbesserung des Sys-

tems erreicht werden.

Ein weiterer Kritikpunkt liegt in den sub-

jektiven Einschätzungen der Mitarbeiter

oder des Managements begründet, die

zur Ermittlung konkreter Belastungswer-

te in Form von Punktezahlen nötig sind.

Dieser Kritikpunkt macht einmal mehr

deutlich, wie wichtig die personelle Aus-

wahl der Beteiligten ist. Wie bei der Risi-

koinventur lässt sich dieses Argument

auch beim ORC nicht vollständig entkräf-

ten. Beide Ansätze besitzen einen be-

stimmten Teil „systemimmanenter Un-

gewissheit“, der sich nur durch das Ver-

trauen in die Erfahrung der Mitarbeiter

und Experten kompensieren lässt. Dieses

Vertrauen ist ein wichtiger Erfolgsfaktor,

der die Ergebnisse und deren Aussage-

kraft maßgeblich beeinflusst.

Zusammenfassend kann konstatiert

werden, dass sowohl die Risikoinventur

als auch der ORC vielseitig einsetzbare

Konzepte sind, die als Teil eines Risiko-

management-Prozesses, auch in Ergän-

zung zu anderen Instrumenten, wichtige

Impulse zu einem besseren Umgang mit

operationellen Risiken liefern können.

Synergieeffekte mit anderen Manage-

mentsystemen wie der Balanced Score-

card sind z.B. bei der Auswahl der Risi-

koindikatoren möglich. Denkbar ist auch

ein Mischkonzept, mit Einsatz des Opera-

tional Risk Counters auf Filialebene und

weiteren Methoden der Risikoidentifizie-

rung, z.B. Durchführung einer Risikoin-

ventur, auf Gesamtbankebene.

Inwieweit insbesondere das Konzept des

Operational Risk Counters als Frühauf-

klärungssystem aufsichtsrechtlich aner-

kannt wird, ist noch nicht geklärt.

Kontakt:

Kirsten-Annette Minz

Rheinischer Sparkassen- und Girover-

band

Kirchfeldstr. 60

40217 Düsseldorf

Tel.: ++49.211.3892-390

email: [email protected]

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Literatur:

Minz, K.-A. (2003): Operationelle Risi-

ken in Kreditinstituten Frankfurt/M.

Wiedemann, A. (2002): Qualitative

Ansätze zur Identifikation und Steuerung

operationeller Risiken, in: Betriebswirt-

schaftliche Blätter 11/2002, S. 529-533.

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Quantifizierung operationeller Risiken1

Ein Weg zur Einbettung in den Management-Zyklus

Ein Beitrag von Gerrit Jan van den Brink

1 Die in diesem Beitrag vertretenen Aussagen stellen lediglich die persönliche Meinung des Autors dar.

Einleitung

Die Quantifizierung von Risiken wird

manchmal als Ziel des Risikomanage-

ments formuliert. Das eigentliche Ziel,

die Verbesserung des Managements ope-

rationeller Risiken, gerät dadurch oft zu

kurz. Insbesondere bei der Quantifizie-

rung operationeller Risiken sind die

meisten Finanzinstitute noch auf der Su-

che nach einer passenden Umsetzungs-

strategie. Die aktuellen Fragen konzent-

rieren sich auf die Datenerhebung, die

Qualitätssicherung der erhobenen Daten

(insbesondere bezüglich deren Vollstän-

digkeit und Richtigkeit) und die Gestal-

tung eines Modells für die Berechnung

des Risikokapitals.

Diese Fragestellungen zeigen die hohe

Komplexität des operationellen Risikos,

die nicht nur in der Vielfältigkeit der Risi-

kokategorien, sondern auch in der Ver-

fügbarkeit von Basisdaten zum Ausdruck

kommen.

In diesem Beitrag wird eine mögliche

Antwort auf die genannten Fragen be-

schrieben. Aber zunächst wird erst ein

Überblick über die Ziele der Quantifizie-

rung gegeben. Die Ziele bestimmen, in-

wiefern Konzessionen zur Bewältigung

der Praxisprobleme gemacht werden

können.

Im Anschluss wird ein Weg für die Kalku-

lation des Risikokapitals aufgezeigt. Da-

mit wird die Basis für die Erreichung der

Ziele beschrieben.

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Definition des Risiko-

kapitals

Das Risikokapital wird in diesem Beitrag

als das Kapital definiert, das von der

Bank als Reserve gehalten wird, um Risi-

ken abdecken zu können, d.h. um selbst

bei unerwarteten Verlusten bis zu einem

definierten Wahrscheinlichkeitsniveau für

einen bestimmten Zeitraum solvent zu

bleiben.

Graphisch können die bekannten Begriffe

wie folgt eingeordnet werden:

Abbildung: Basisbegriffe

Die Standardrisikokosten sind statistisch

als der erwartete Verlust zu interpretie-

ren. Das Quantil ist das obengenannte

Wahrscheinlichkeitsniveau. Regulatorisch

ist das Quantil mit 99,9% angesetzt.

Das regulatorische Kapital ist in der Ab-

bildung inklusive den Standardrisiko-

kosten abgebildet. Diese Vorgehensweise

ist dann durch Basel II verpflichtend,

wenn die Bank nicht explizit nachweisen

kann, dass die Standardrisikokosten in

einer Risikovorsorge berücksichtigt wur-

den.

Quantifizierungsziele

Die Quantifizierung operationeller Risiken

kann nicht als selbständiges Ziel be-

trachtet werden. Das übergeordnete Ziel

ist eine Verbesserung des Managements

operationeller Risiken. Diese Zielsetzung

setzt gleichzeitig die Rahmenbedingun-

gen für die Quantifizierungsfragen. Die

methodischen Fragen bezüglich der ge-

nutzten Modelle (basierend auf unter-

schiedlichen Verteilungen) und Interpre-

tationen der erhobenen Parameter soll-

ten auch unter Berücksichtigung dieser

Zieldefinition geprüft werden.

Die aus dieser übergeordneten Zielset-

zung abgeleiteten Ziele für die Quantifi-

zierung operationeller Risiken können in

zwei Kategorien aufgeteilt werden:

• Aufsichtsrechtliche Ziele

• Bankinterne Managementziele

Die aufsichtsrechtlichen Ziele können wie

folgt zusammengefasst werden: Die Op-

timierung des Risikomanagements wird

durch risikosensitive Kapitalunterlegun-

gen umgesetzt, um so eine Robustheit

des gesamten Finanzsystems zu errei-

chen.

Sobald der regulatorische Kapitalbedarf

das vorhandene regulatorische Kapital

übersteigt, darf die Bank das Risiko nicht

ohne weiteres eingehen. Sie muss in

diesem Fall zunächst andere bereits be-

stehende Risiken abbauen, bevor sie

neue Risiken eingehen kann. Die Aufsicht

begrenzt somit die Risiken, denen eine

Bank exponiert sein kann.

Durch die Limitierung des operationellen

Risikos mit Hilfe der Kapitalunterlegung

wird die Qualität des Risikomanagements

Basisbegriffe

Quantil

Standardrisikokosten

Risikokapital

Regulatorisches Kapital

Verlust-potenzial

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zu einem wettbewerbsbestimmenden

Faktor. Die Bank mit dem besten Risi-

komanagementsystem muss für operati-

onelle Risiken am wenigsten Kapital un-

terlegen. Somit kann dieses freigewor-

dene Kapital für andere Risikoarten be-

nutzt und ertragsbringend eingesetzt

werden.

Die bankinternen Managementziele kön-

nen wie folgt wiedergegeben werden:

• Verbesserung des Risikobewusst-

seins in der Bank

• Optimierung der Risiko-Ertrag-

steuerung

• Adäquates Pricing der Bankpro-

dukte

• Ansatz für Verbesserungen der

Organisationsabläufe

Es ist vielleicht nicht direkt einleuchtend,

dass die Quantifizierung operationeller

Risiken das Risikobewusstsein in der

Bank verbessern kann. Oft wird behaup-

tet, dass eine qualitative Betrachtung für

die Schärfung des Risikobewusstseins

ausreicht. Verschiedene Risikobewer-

tungsmethoden beurteilen die Schaden-

höhe oder sogar die Verluste aus opera-

tionellen Risikoereignissen qualitativ,

indem sie diese in verschiedene Klassen

(wie „Hoch – Mittel – Niedrig“) einteilen.

Eine solche Bewertungsskala ist vor al-

lem bei sogenannten „Self-Assessments“

nicht unüblich. Die Dresdner Bank hatte

in ihrem ersten Self-Assessment eben-

falls eine qualitative Perspektive. In den

folgenden Self-Assessments wurden die

Experten jedoch gebeten, die Häufigkeit

und die Schadenshöhe zu schätzen. Die

Folge war, dass die Kollegen und Kolle-

ginnen zu anderen Bewertungen kamen,

die insbesondere auch die Umsetzung

von Verbesserungsmaßnahmen betraf.

Ein Verlustpotenzial in EURO bringt die

Realität und das Ausmaß eines mögli-

chen Verlustes näher als die Bezeich-

nung „Hoch“.

Das zweite Ziel ist die Verbesserung der

Risiko-Ertragssteuerung der Bank. Um

das Verhältnis zwischen dem Risiko und

dem Ertrag in Zahlen abbilden zu kön-

nen, ist die Quantifizierung des Risikos

unumgänglich. Das Management der

Bank versucht, das Eigenkapital maximal

gewinnbringend, unter Berücksichtigung

des eingegangenen Risikos, einzusetzen.

Das Pricing der Bankprodukte ist nur

dann zielführend, wenn die Risiken adä-

quat eingepreist sind. Das heißt nicht,

dass alle Kosten direkt an den Kunden

weitergegeben werden können. Die Bank

sollte jedoch so einen möglichst voll-

ständigen Überblick über die Kosten per

Produkt haben. Dieses wird umso wichti-

ger, wenn die Wertschöpfungskette der

Finanzinstitute weiter zerlegt wird. Ins-

besondere ist hier an das Vorhaben der

Ausgründung mancher Abwicklungsakti-

vitäten zu denken. Wenn ein Zahlungs-

verkehrsdienstleister die Standardrisiko-

kosten und die Eigenkapitalverzinsung

für das Risikokapital für operationelle

Risiken nicht in die Produktkostenkalku-

lation mit einbezieht, dann ist die Gefahr

groß, dass dieses Geschäftsmodell nicht

profitabel ist.

Als letztes Ziel der Quantifizierung ope-

rationeller Risiken ist die Verbesserung

der organisatorischen Abläufe zu nen-

nen. Wenn die Bank nach der Quantifi-

zierung Kapitalkonzentrationen auf man-

chen Prozessen feststellt, dann ist das

ein guter Ansatzpunkt für eine weitere

Analyse. Ebenfalls können Redundanzen

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und Ineffizienzen in den organisatori-

schen Abläufen aufgedeckt werden, die

zu unnötigen Risikokapitalbindungen

führen würden. Die Ursachen der Kapi-

talbindung sollten festgestellt werden,

um danach passende Lösungsalternati-

ven aufzubereiten. Dabei kann insbeson-

dere an die Implementierung geeigneter

Kontrollmaßnahmen und die Abwälzung

der Risiken gedacht werden.

Datenerhebung

Die Quantifizierung operationeller Risiken

setzt eine Datenerhebung voraus. Es gibt

mehrere Ansätze, die mittlerweile auch

in die Praxis umgesetzt worden sind.

• Sammlung der historischen Ver-

lustdaten aus operationellen Risi-

koereignissen.

• Sammlung von Expertenbewer-

tungen anhand von strukturierten

Befragungen.

Die Sammlung interner historischer Ver-

lustdaten ist für die Anwendung des

„Standardised Approaches“ und der „Ad-

vanced Measurement Approaches“ eine

Voraussetzung. Daher liegt es auf der

Hand, zunächst eine Quantifizierung auf

Basis von historischen Verlustdaten vor-

zunehmen. Die Objektivität historischer

Verlustdaten wird oft hervorgehoben,

weil es sich hier um Fakten handelt. Die-

se These ist jedoch fraglich, wie später in

diesem Beitrag erklärt wird.

Historische Daten haben jedoch einige

Begrenzungen, die insbesondere für die

Quantifizierung operationeller Risiken

weitreichende Konsequenzen haben.

Folgende Punkte können hier genannt

werden:

• Historische Daten betrachten die

Vergangenheit und liefern nicht

notwendigerweise eine gute Ab-

bildung der zukünftigen Situation.

Insbesondere im Falle von großen

Verlusten darf davon ausgegan-

gen werden, dass das Manage-

ment geeignete Maßnahmen ge-

troffen hat, damit solche Verluste

nicht noch einmal auftreten.

• Wenn die Bank sich entscheidet

neue Aktivitäten zu entfalten,

fehlt eine historische Datenbasis

für diese Aktivität. Diese neuen

Aktivitäten sind jedoch anfällig für

operationelle Risiken. Als Beispiel

kann an den Aufbau von Finanz-

portalen im Internet gedacht

werden. Es ist klar, dass das Fi-

nanzinstitut in solchen Fällen be-

züglich operationeller Risiken

exponiert ist, auch wenn noch

keine Verluste in der

Vergangenheit eingetreten sind.

• Die Verlustdaten sind nicht

gleichmäßig verteilt. Die internen

Verlustdatensammlungen zeigen

Datenlücken in dem Bereich „low

frequency – high severity“. Jedes

Finanzinstitut, dass diese Daten

nicht zur Verfügung hat, wird

darüber eher froh sein. Es sind

aber gerade diese Verluste, die

maßgeblich die Höhe des Risiko-

kapitals bestimmen.

Die Befürworter, die historische Verlust-

daten als Basis für die Quantifizierung

nehmen möchten, haben diese Probleme

erkannt. Die Lösung wird in der Benut-

zung externer Verlustdaten gesucht. Die

Idee ist, dass die Banken sich in Daten-

konsortien vereinen und somit unterein-

ander Daten austauschen. Diese Daten

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werden anonymisiert den Teilnehmer zur

Verfügung gestellt. Momentan wird noch

diskutiert, wie die Daten kategorisiert

und anonymisiert werden können.

Verlustdaten anderer Institute können

jedoch nicht direkt verwendet werden.

Beispielhaft kann hier der Barings-

Verlust angebracht werden. Der Verlust

von ca. USD 1,6 Mrd wurde durch einen,

seine Befugnisse überschreitenden,

Händler verursacht. Das Ausmaß des

Schadens war sicherlich auch durch die

relativ schwache administrativ-

organisatorische Situation mitverursacht.

Die Kontrolle der Aktivitäten in Singapur

wurde mehrfach in dem Audit-Report2

der Wirtschaftsprüfer als Schwachstelle

genannt.

Die Banken, die dieses Verlustdatum

vom Konsortium erhalten, müssen es

zunächst skalieren. Skalieren heißt die-

ses Datum passend für die eigene Orga-

nisation zu machen. Dabei kann die ei-

gene Organisation in diesem spezifischen

Fall eine Rolle spielen. Wenn die Bank

ein ausgeprägtes Management hat, dann

kann sie die Schadenshöhe entsprechend

korrigieren.

In diesem Punkt kann nicht mehr von

Objektivität die Rede sein. Das Datum

wird aufgrund von Expertenwissen der

eigenen Situation angepasst. Spätestens

dann kann nicht mehr die Rede von ei-

nem Faktum sein.

Der Alternativvorschlag statt durch Ex-

perten über bestimmte Größenindikato-

ren zu skalieren, um so die Objektivität

zu gewährleisten, scheint auch keine

wirkliche Abhilfe zu schaffen. Gerade in

2 The Report of the Inspectors appointed by the Minister of Finance, 1995.

der Diskussion bezüglich der Vorschläge

für die Bestimmung des regulatorischen

Kapitals für operationelle Risiken ist im-

mer wieder – zurecht – darauf hingewie-

sen worden, dass Größe und Risiko keine

eindeutigen Verhältnisse aufweisen. Eine

große Bank ist nicht automatisch stärker

gefährdet als eine kleine Bank.

Die Frage bezüglich der Objektivität

scheint nicht befriedigend beantwortet

werden zu können. Der Preis für diese

Objektivität steht in einem negativen

Verhältnis zu dem erwarteten Nutzen.

Aus diesem Grund ist ein zweites Verfah-

ren für die Datenerhebung entwickelt

worden, dass die Subjektivität aller Da-

ten erkennt und versucht damit in einer

vernünftigen Art und Weise umzugehen.

Die Datenerhebung auf Basis von Exper-

tenbewertungen kann verschiedene an-

gesprochene Probleme der historischen

Verlustdatenbasis lösen. Experten sind

zum Beispiel in der Lage, für neue Aktivi-

täten die operationellen Risiken einzu-

schätzen. Sie sind ebenfalls in der Lage,

die bekannten zukünftigen Änderungen

mit zu berücksichtigen. Die Lücke in dem

angesprochenen Bereich „low-frequency

– high severity“ stellt sich dem einzel-

nen Experten natürlich auch dar. Sie

lässt sich aber etwas einfacher schließen.

Die Experten können sich in sogenann-

ten „Expertenrunden“ zusammenfinden

und die Szenarien, die sicherlich auch

aus externen Daten gewonnen werden

können, gemeinsam bewerten. Damit

sind ansatzweise die meisten Bedenken,

die gegen eine Verwendung historischer

Verlustdaten sprechen, gelöst.

Die Subjektivität der Bewertungen kann

durch eine adäquate Datenanalyse vali-

diert werden. Darüber hinaus wird jede

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strukturierte Befragung noch einmal von

einem zweiten Sachverständigen beur-

teilt und genehmigt. Die interne Revision

wird die Qualität der Expertenschätzun-

gen prüfen.

Innerhalb der Dresdner Bank werden die

Daten im Rahmen eines strukturierten

Self-Assessments3 erhoben. Das Objekt

der Bewertung kann ein Prozess oder

eine Bündelung von Prozessen sein. Für

dieses Objekt wird für zehn Risikoursa-

chenkategorien beurteilt, wie hoch das

Risikopotenzial und die Häufigkeit in ei-

ner typischen Situation sind. Der Experte

gibt ebenfalls die Bandbreiten um beide

Werte an, umso die Variabilität in der

Schätzung zum Ausdruck zu bringen.

Diese Schätzung kann graphisch wie

folgt verdeutlicht werden:

Abbildung: Schätzung der Bandbreiten

Die Experten betrachten eine Bandbreite

in die 95% aller vorstellbaren typischen

Werte passen. Eine solche Schätzung

wird ebenfalls für die Schadenshöhe ge-

macht.

Die Vollständigkeit der Datenerhebung

wird grundsätzlich über eine Aufnahme

der Produkte und Prozesse der Bank ge-

regelt. Jeder Fragebogen hat folgende

3 für weitere Informationen sei auf den Beitrag von Sandstedt/Anders im Risk vom Januar 2003 ver-wiesen.

Attribute: Organisationseinheit, Lokation,

Prozess(-bündel), Produkt(-bündel). Die-

se Attribute erlauben es, die Vollständig-

keit der Erhebung grundsätzlich zu prü-

fen. Die festgestellte Vollständigkeit der

erhobenen Prozesse wird dabei voraus-

gesetzt.

Bevor die Daten in die Risikokapitalkal-

kulation einfließen, findet zunächst eine

Datenqualitätsanalyse statt. Diese Ana-

lyse hat als Ziel, eventuelle Verzerrun-

gen aufzudecken, die einen materiellen

Einfluss auf die Risikokapitalergebnisse

haben könnten. Folgende Punkte werden

zum Beispiel systematisch untersucht:

• Sind die neu erhobenen Daten im

Vergleich zu früher erhobenen Daten,

unter Berücksichtigung der Verände-

rungen, konsistent?

• Werden gleiche oder ähnliche Sach-

verhalte auch gleich beziehungsweise

ähnlich bewertet? Sind zum Beispiel

die ähnlichen Prozesse in unter-

schiedlichen Dienstleistungszentren

ähnlich bewertet?

• Stimmen die quantitativen Antworten

mit den qualitativen Antworten über-

ein?

• Sind bestimmte Antworten verzerrt?

Werden die Aussagen zum Beispiel

durch den Zustand eines bestimmten

Systems dominiert?

• Sind Sequenzen bei der Beantwor-

tung einzelner Fragen erkennbar?

Nachdem die Datenqualitätsanalyse

stattgefunden hat, wird die Kalkulation

des Risikokapitals vorgenommen.

Häufigkeit

! Häufigkeit: kennzeichnet, wie oft das typische Verlustpotenzial, welchesgeschätzt wurde, typischerweise im spezifizierten Szenario auftreten kann.

! Typische Häufigkeit : die Häufigkeit eines typischen Verlustpotenzials,wie es dem Assessor am ehesten für den Großteil der Verluste repräsentativerscheint. Der Wert wird als arithmetisches Mittel interpretiert.

! Bandbreite: Der Bereich, in dem ca. 95% aller möglichen Häufigkeiten liegenwürden.

Bandbreite

HäufigkeitEinmalim Jahr

Zweimalim Jahr

Einmalim Monat

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32 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)

Kalkulation des Risiko-

kapitals

Der Kalkulationsprozess muss in der La-

ge sein, die Häufigkeits- und Schadens-

höheschätzungen mit den dazu ge-

schätzten Unsicherheiten zu berücksich-

tigen. Der Prozess kann wie folgt abge-

bildet werden:

Abbildung: Der Risikokapitalkalkulationsprozess

Im ersten Schritt werden die Paramete-

werte für die Verteilungen der Häufigkeit

und der Schadenshöhe bestimmt. Die zu

bestimmenden Parameterwerte sind der

Mittelwert und die Standardabweichung.

Der Mittelwert wird dem geschätzten

typischen Wert gleichgesetzt. Die Ablei-

tung der Standardabweichung erfolgt

aus den geschätzten Bandbreiten. Die

Bestimmung der Standardabweichung

berücksichtigt, dass der Experte 95%

aller typischen Fälle in der Bandbreite

eingeschlossen hat.

Das Modell unterliegt ebenfalls bestimm-

ten Anforderungen4

• Es muss konsistent sein: die Ände-

rungen im Risikokapitalwert sollten

den Änderungen im Risikoprofil ent-

sprechen.

4 Vgl. Ulrich Anders; 2002, Seite 214

• Es muss zuverlässig sein: die absolu-

te Betragsgröße sollte das tatsächli-

che Risiko widerspiegeln.

• Es muss robust sein: kleine Änderun-

gen im Risikoprofil sollten nicht zu

größeren Ausschlägen im Risikokapi-

tal führen.

• Es muss stabil sein: die Risikokapi-

talwerte sollten zeitlich vergleichbar

sein.

Das Modell zur Bestimmung des Risiko-

kapitals ist eine vereinfachte Wiedergabe

der Realität. Es sollte Auskunft darüber

geben, wieviel Risikokapital benötigt

wird, um in zum Beispiel 99,9% der Fälle

eine Insolvenz zu vermeiden. Dazu müs-

sen die Häufigkeits- und Schadenshöhe-

schätzungen zusammengebracht wer-

den. Statistisch wird dieser Prozess „Fal-

ten“ genannt. Diese Faltung wird mit

Hilfe einer Monte Carlo Simulation vor-

genommen.

Eine Monte Carlo Simulation kann mit

einer Würfelaktion verglichen werden.

Auf Basis der Expertenschätzungen wer-

den Würfel je für die Häufigkeit und die

Schadenshöhe „zurechtgeschnitten“,

dass die Augenzahl mit entsprechender

Wahrscheinlichkeit fällt. Danach wird

zum Beispiel 100.000 Mal gewürfelt und

die daraus resultierenden Ergebnisse

werden aufgeschrieben.

Pote

ntia

l Los

s Se

veri

ty

Potential Loss Frequency

high

med

ium

hig

hm

ediu

m lo

wlo

w

highmedium highmedium lowlow

IT

CA

RR

ES

UA

IN

TE

EC

EX

PE

IF

OG

PR

MA

Information Input Modell f Output

0,885058 0,34036 0,996958 0,673229 0,369969 0,769388 0,407144 0,041360,373977 0,920697 0,77423 0,998835 0,840015 0,393405 0,870806 0,2054430,277262 0,319322 0,442227 0,55679 0,399485 0,763689 0,946803 0,9497750,493304 0,472384 0,199192 0,088177 0,907329 0,01565 0,573343 0,4652640,400291 0,862559 0,796625 0,774624 0,02928 0,706834 0,284034 0,8415710,459182 0,985261 0,257079 0,941049 0,762828 0,264286 0,339278 0,805226

0,75253 0,585026 0,827551 0,814542 0,795194 0,311433 0,017015 0,6706860,193612 0,808063 0,452561 0,663603 0,711684 0,003106 0,107503 0,012514

0,76538 0,773196 0,21867 0,278791 0,62367 0,387579 0,209874 0,4057630,061622 0,729748 0,229968 0,670606 0,447964 0,046455 0,34506 0,7564540,601114 0,594684 0,331675 0,332056 0,795451 0,227837 0,315346 0,1862440,251398 0,520216 0,804532 0,01961 0,251584 0,488753 0,295619 0,8725270,053219 0,310237 0,730587 0,365189 0,441824 0,375342 0,632844 0,3144710,692812 0,235157 0,694229 0,384531 0,808082 0,568536 0,988734 0,964238

0,9176 0,941626 0,391582 0,433783 0,74791 0,028463 0,187844 0,4653270,385017 0,116401 0,99215 0,518153 0,987507 0,984907 0,66162 0,893030,661102 0,697633 0,499489 0,728876 0,755475 0,555396 0,847708 0,9758310,280701 0,607277 0,413847 0,628674 0,364364 0,794639 0,119192 0,2514930,864784 0,740928 0,597855 0,940982 0,01657 0,906303 0,971866 0,1070930,772518 0,228547 0,929133 0,934703 0,884505 0,635442 0,872256 0,2115530,732003 0,117353 0,63852 0,720948 0,199624 0,469096 0,909099 0,1975050,124935 0,15802 0,996227 0,398715 0,148069 0,436813 0,059487 0,1127020,214428 0,103147 0,487719 0,308042 0,823246 0,021343 0,544121 0,6208460,828471 0,558967 0,374641 0,409445 0,849425 0,684924 0,136389 0,474180,799945 0,004642 0,387109 0,953892 0,064224 0,253523 0,201715 0,9177260,396569 0,134221 0,060271 0,514189 0,084442 0,142437 0,839113 0,7882730,511514 0,492037 0,083421 0,272668 0,081363 0,606544 0,813399 0,8302210,353693 0,765822 0,222335 0,164546 0,697786 0,861469 0,588194 0,5192320,663406 0,117346 0,290898 0,848496 0,823403 0,737462 0,928472 0,1346830,961198 0,058217 0,239675 0,742901 0,265811 0,041855 0,75459 0,0931210,275316 0,183898 0,250786 0,241629 0,6479 0,067858 0,146814 0,8553030,336488 0,869578 0,327427 0,934031 0,78146 0,091597 0,887372 0,2710190,289488 0,611249 0,715446 0,751502 0,378224 0,774582 0,841621 0,0120790,322859 0,480105 0,686006 0,319873 0,226974 0,147644 0,650538 0,9845680,471721 0,13596 0,119939 0,547695 0,236975 0,679669 0,709955 0,918185

Verteilung der

Schadenshöhe

Verteilung der

Schadenshöhe

Verteilung der

Häufigkeit

Verteilung der

Häufigkeit

Monte Carlo-Simulation

Monte Carlo-Simulation

Verteilung des

Verlustpotenzials

Verteilung des

Verlustpotenzials

RisikokapitalRisikokapital

RisikoprofilRisikoprofil

P Parameter-werteParameter-werte

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33 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)

Dieser Prozess lässt sich beispielhaft wie

folgt abbilden:

Abbildung: Monte Carlo Simulation

Die Werte in der Spalte „Potential Loss“

werden in eine Graphik übertragen und

bilden die empirische Verlustpotenzial-

verteilung ab. Für diese Verlustverteilung

wird das 99,9%ige Quantil bestimmt.

Von diesem Wert werden die Standardri-

sikokosten abgezogen und das Risikoka-

pital ist das Ergebnis.

Die Bestimmung der Parameterwerte für

die Häufigkeits- und Schadenshöhever-

teilungen ist abhängig von den Basisda-

ten.

In manchen Fällen wird eine Verlustver-

teilung auf Basis der vorliegenden Daten

„gefittet“. Dieses „Fitting“ hat eine stän-

dige Anpassung des Modells bei Ände-

rungen in den Basisdaten zur Folge. Da-

mit verliert das Modell an Stabilität. Dar-

um wird eine explizite Wahl für bestimm-

te Verteilungen bevorzugt. Für die Häu-

figkeitsverteilung liegt die Wahl auf der

Hand. Die Statistik bietet hier eine Bi-

nomial- oder eine Poissonverteilung.5

Für die Schadenshöheverteilungen gibt

es mehrere Alternativen. Momentan wird

in der Dresdner Bank mit einer Lognor-

5 Die Poissonverteilung ist ein Spezialfall der Bino-mialverteilung (der Erwartungswert und die Varianz werden in diesem Fall gleichgesetzt).

malverteilung gearbeitet. Diese Vertei-

lung weist eine gewisse Robustheit auf

und bildet die notwendige Asymmetrie

ab. Damit wird abgebildet, dass große

Verluste relativ wenig vorkommen. An-

dere Verteilungen, die zum Beispiel in

Frage kommen, sind die Gammavertei-

lung oder die Weibull-Verteilung. Die

letzte Verteilung wird allerdings durch

drei Parameter beschrieben und reagiert

empfindlicher auf Änderungen im Risiko-

profil als die beiden erstgenannten Ver-

teilungen.

In dem genannten Beispiel für die Monte

Carlo Simulation wurde das operationelle

Risiko mit Hilfe einer Verteilung für die

Häufigkeit und einer Verteilung für die

Schadenshöhe modelliert. In Wirklichkeit

wird das operationelle Risiko jedoch

durch verschiedene Risikoursachenkate-

gorien bestimmt. In der Baseler Definiti-

on für operationelle Risiken ist die erste

Ebene der Risikoursachenkategorien be-

reits aufgenommen: Menschen, Syste-

me, Prozesse und externe Faktoren. Die-

se Kategorisierung kann noch beliebig

weiter spezifiziert werden. Die große

Streuung der Risikoursachen macht eine

differenzierte Betrachtung notwendig.

Für diese Betrachtung können zwei un-

terschiedliche Perspektiven gewählt wer-

den:

• Eine pessimistische Perspektive: auf-

grund aller genannten Risikoursachen

manifestieren sich OR-Verluste zur

gleichen Zeit.

• Eine optimistische Perspektive: auf-

grund aller genannten Risikoursachen

manifestieren sich OR-Verluste nicht

zur gleichen Zeit.

Monte Carlo SimulationFür jeden Parametersetwerden Verlusthäufigkeiten undSchadenshöhen zufällig mit Hilfeeiner Monte Carlo Simulationgeneriert. Die Potential LossDistribution reflektiert denjährlichen Verlust.

Das ökonomische Kapital wirdbestimmt durch denunerwarteten Verlust unterBerücksichtigung einesPerzentils (z.B. 99,9%).

Potential Loss Distribution

Frequency Distribution Severity Distribution

PP

PP

Economic Capital

Iteration Frequency Potential Loss1 1 18 182 2 28 23 513 1 19 194 3 17 19 29 65

… … … …

Loss Severities

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Aggregationsmethode II: “Correlation of 1”Das Risikokapital wird für jede Verlustpotenzialverteilung einzeln berechnet. Dasundiversifizierte Risikokapital ist die Summe der einzelnen Beiträge. Dieser Wert istäquivalent mit den vollständigen korrelierten Werten für jede einzelneVerlustpotenzialverteilung.

Diversifikationseffekte werden bei diesem Ansatz nicht berücksichtigt.

...P1P1

EC

P2P2

EC

PKPK

EC

Economic Capital (“correlation of 1”)

Aggregationsmethode I: “Correlation of 0”Für jeden Parameterset werden die Verlustpotenziale mit Hilfe einer Monte CarloSimulation generiert.Für jeden Monte Carlo Versuch wird das aggregierte Verlustpotenzial berechnet; dasErgebnis ist eine aggregierte Verlustpotenzialverteilung, auf die das diversifizierteRisikokapital basiert.Diversifikationseffekte werden bei diesem Ansatz vollständig berücksichtigt.

Aggregated Potential Loss Distribution

P1P1 P2P2 PKPK...

Economic Capital (“correlation of 0”)

Die pessimistische Perspektive unter-

stellt, dass die einzelnen Risikoursachen

vollkommen abhängig voneinander sind.

Statistisch kommt dieses durch einen

Korrelationskoeffizient von 1 zum Aus-

druck.

Die optimistische Perspektive unterstellt

dahingegen, dass alle Risikoursachen

vollkommen unabhängig sind. Statistisch

kommt dieses durch einen Korrelations-

koeffizient von 0 zum Ausdruck.

Graphisch kann die Bestimmung beider

Perspektiven wie folgt abgebildet wer-

den:

Abbildung: Aggregationsmethode „Correlation of 1“

Abbildung: Aggregationsmethode „Correlation of 0“

Die beiden Betrachtungen sind gleichzei-

tig die Extreme: der wirkliche Wert liegt

dazwischen. Die genaue Position wird

bestimmt durch die Korrelationskoeffi-

zienten zwischen den Risikokategorien.

Erste bankinterne Analysen belegen,

dass die Korrelationskoeffizienten sich in

den meisten Fällen in der Nähe von Null

befinden.

Einbindung in den

Management-Zyklus

Wenn die Bestimmung des Risikokapitals

das Ende wäre, dann würde das vorher

formulierte Ziel nicht erreicht. Das be-

rechnete Risikokapital muss nun so ein-

gesetzt werden, dass Anreize für ein

besseres Management der operationellen

Risiken geschaffen werden. In der Praxis

wird das benutzte Risikokapital mit ei-

nem Eigenkapitalkostensatz verzinst.

Diese Zinsen werden zunächst vom Er-

trag abgezogen, um so die Überrendite,

resultierend aus den Aktivitäten einer

Organisationseinheit, zu bestimmen.

In der Praxis sind bereits Steuerungs-

größen für das Risikoertragsverhältnis

definiert. Neben der Return on Risk Ad-

justed Capital, die wie folgt berechnet

wird:

talRisikokapisikokostenStandardri-gNettoertraRoRAC=

wird auch mit der Economic Value Added

(EVA)-Größe gearbeitet. EVA wird wie

folgt bestimmt:

EVA =

Netto Ertrag – Standardrisikokosten –

Kapitalkostensatz x Risikokapital

Wenn diese Größen in das Anreizsystem

eingebunden werden, werden sich die

verantwortlichen Manager auch um das

operationelle Risiko kümmern. Ein An-

reizsystem funktioniert allerdings nur

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dann, wenn folgende Prinzipien eingehal-

ten werden:

• Die Entlohnung für gutes OR-

Management soll zeitnah sein.

• Die Entlohnung soll in einem nach-

vollziehbaren Verhältnis zu den im-

plementierten Maßnahmen stehen.

• Die Entlohnung sollte erst dann ge-

geben werden, wenn die Implemen-

tierung der Maßnahmen objektiv

festgestellt werden kann.

• Die Bestimmung der Incentives sollte

unabhängig von der Entscheidungs-

kompetenz des beurteilenden Mana-

gers sein. Vermischungen oder

„Kompensationen“ mit anderen Ent-

lohnungskomponenten sollten ver-

mieden werden.

Die Bestimmung des Risikokapitals hat

noch einen anderen Vorteil. Sie löst die

Schwierigkeit, den Nutzen von risikomil-

dernden Maßnahmen darzustellen. Kon-

trollmaßnahmen kosten Geld und müs-

sen – gerade in Zeiten, in denen Kosten-

einsparungen Hochkonjunktur erleben –

gerechtfertigt werden. Folgendes Schau-

bild kann die Vorgehensweise verdeutli-

chen:

Abbildung: Cost-Benefit-Analyse

Folgende Vorgehensweise bietet sich für

die Ableitung der notwendigen Manage-

mentmaßnahmen an:

• Analyse der Spezifikation des be-

rechneten Risikokapitals.

• Bestimmung der notwendigen Maß-

nahmen.

• Analyse der damit verbundenen ein-

maligen und periodischen Kosten.

• Expertenschätzung des Maßnahmen-

effektes auf die Höhe der Standardri-

sikokosten und des Risikokapitals.

• Berechnung des Kapitals unter Be-

rücksichtigung der Maßnahmen.

• Berechnung des Barwertes der Kos-

ten und kalkulatorischen Erträge.

In der Analyse kann noch ein Schritt

weitergegangen werden. Das eingespar-

te Kapital kann anderweitig verwendet

werden. Wenn die Bank dieses Kapital

für das Kredit- oder Marktpreisrisiko ein-

setzt, kann sie damit extra Ertrag erwirt-

schaften. Diese Komponente kann

durchaus als „Opportunitätsgewinn“ mit

berücksichtigt werden.

Wenn der berechnete Barwert positiv ist,

dann lohnt es sich, die geplanten Maß-

nahmen umzusetzen.

Cost-Benefit Analyse: Lohnen sich risikomindernde Maßnahmen?

! Barwert der:

! Investitionskosten verursacht durcheingeleiteten Maßnahmen

! laufenden Kosten in den kommendenPerioden

! Barwert der:

! Reduzierte Standardrisikokosten

! Reduzierte Kapitalkosten

! Ertrag nach Kapitalkosten aus deralternativen Verwendung desRisikokapitals

Costs Benefits

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Fazit

Die Berechnung des Risikokapitals trägt

dazu bei, dass das Management operati-

oneller Risiken verbessert werden kann.

Die unterschiedlichen Ziele der Quantifi-

zierung operationeller Risiken können bei

einer vernünftigen Vorgehensweise op-

timal miteinander verbunden werden.

Neben dem guten Management der ope-

rationellen Risiken wird die Bank in die

Lage versetzt, das freigewordene Kapital

für ertragsbringende Risikopositionen zu

verwenden.

Kontakt:

Dr. Gerrit Jan van den Brink

Dresdner Bank AG

Jürgen-Ponto-Platz 1 -

60301 Frankfurt am Main

Tel.: ++49.69.263-19648

email: [email protected]

Literatur:

Anders, Ulrich 2002: The path to op-

erational risk economic capital, wird pub-

liziert in Operational Risk (Carol Alexan-

der), Februar 2003

Brink, Gerrit Jan van den 2002a: Op-

erational Risk, The new challenge for

banks, Hampshire, January 2002

Brink, Gerrit Jan van den 2002b: Die

Bedeutung operativer Risiken für Eigen-

kapitalunterlegung und Risikomanage-

ment, in Hans Tietmeyer/Bernd Rolfes:

Basel II: Das neue Aufsichtsrecht und

seine Folgen.

Minister of Finance, The Report of the

Inspectors appointed by the Minister of

Finance (Michael Lim Choo San and Ni-

cky Tan Ng Kuang), Singapore, 1995

Sandstedt, Michael und Ulrich An-

ders 2003: An operational risk score-

card approach, in Risk, January 2003,

Seite 48-51

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37 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk

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Operational Value at Risk

Ein Ansatz für das Management von

Operationellen Risiken

Ein Beitrag von Alexander von Balduin

Einleitung

Seit der Einführung des Gesetzes zur

Kontrolle und Transparenz im Unter-

nehmensbereich (KonTraG) aus dem

Jahre 1998 ist der Begriff Risikomana-

gement in aller Munde. Durch § 91 Abs.

2 AktG wird allen vom Gesetz betroffe-

nen Unternehmen auferlegt, ein Risiko-

überwachungssystem zu installieren1.

Da die Unternehmen nun Gesetzeskraft

gezwungen sind, Risikomanagement zu

betreiben, wurden zahlreiche Systeme

hierzu installiert. Der Gesetzestext be-

zieht sich jedoch in erster Linie auf die

Lage des Gesamtunternehmens. Häufig

wird das Risikomanagement für einzelne

Unternehmensbereiche sowie Projekte

vernachlässigt und so die Auswirkungen

möglicher Fehlschläge daraus unter-

schätzt. Das Risikomanagement möchte

zielführend das Risiko- und Chancen-

Profil von Unternehmen ganzheitlich

optimieren. Hirzel2 rechnet vor, daß bei

einer Verbesserung der Innovationskos-

ten um lediglich fünf Prozent bei einem

Unternehmen mit 800 Mio. € Umsatz

und 40 Mio. € Innovationsvolumen ein

1 Füser/Gleißner/Meier 1999, 753 2 Hirzel 1995, 24

Kostenblock von 2 Mio. € vermieden

werden kann.

Der Baseler Ausschuss geht in diesem

Zusammenhang einen Schritt weiter. So

soll in der neuen Eigenkapitalvereinba-

rung für Banken der Bereich Operational

Risk eine stärkere Rolle spielen. Diese

Regulierung wird sich hin zu einer ver-

stärkten Beachtung von Risikomanage-

ment in den Unternehmen auswirken3.

3 Basel Committee on Banking Supervision 2001

„Wenn mich jemand fragt, wie ich meine bisherigen Erfahrungen aus 40 Jahren auf hoher See beschreiben würde, so könnte ich diese Frage lediglich mit unspektakulär beschreiben. Natürlich gab es schwere Stürme und Gewitter, jedoch war ich nie in einen Unfall jeglicher Art verwickelt, der es wert wäre, über ihn zu berichten... Ich habe weder ein Wrack gesehen noch bin ich selbst in Seenot geraten oder habe mich in einer misslichen Lage befunden, die in irgend einer Form drohte ein Desaster zu werden.“

(Auszüge aus einem Schreiben von E. J. Smith aus dem Jahre 1907. Er starb als Kapitän der Titanic am 14. April 1912 mit weiteren 1512 Personen als sein Schiff kurz vor Mitternacht mit einem Eisberg kollidierte und das alsunsinkbar geglaubte Schiff in wenigen Minuten sank.)

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Operationelle Risiken beim IT-Einsatz

Der Begriff Risiko leitet sich aus dem frühitalienischen risco ab, seine ur-sprüngliche Bedeutung wird mit Klippe

übersetzt, die es in der Seefahrt zu um-schiffen galt. Risiko bezieht sich in wirt-schaftlichem Zusammenhang auf Ent-scheidungen mit freier Wahlmöglichkeit. Wirtschaftliche Entscheidungen sind durch die Unsicherheit über Konsequen-zen, die aus den vorgenommenen Hand-lungsalternativen resultieren, geprägt.

Betrachtet man Risiko von einer ökono-mischen Warte aus, so kann es als Mög-lichkeit der Zielverfehlung definiert wer-den4. Im Kern übereinstimmend mit der Definition von Nicklisch sind die Beg-riffsauslegungen von Bussmann oder Koch. Bussmann deutet Risiko als Scha-dens- oder Verlustrisiko, wohingegen Koch auf das Auseinanderfallen von Planinhalt und Ziel verweist5. Kern die-ser Definitionen ist ein möglicher wirt-schaftlicher Nachteil bezogen auf einen Zielwert, der unter dem erwarteten Soll-wert liegt.

Der Baseler Ausschuss für Bankaufsicht definiert in seinem Konsultationspapier zur Neuen Basler Eigenkapitalverein-

4 Nicklisch 1912, 166 5 Bussmann 1955, 12; Koch 1960, 55

barung vom Januar 2001 (Basel II) den Operational Risk als die Gefahr von Ver-lusten, die in Folge der Unangemessen-heit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder von externen Ereignissen eintreten 6. Unter dem Operational Risk wird also das aus der Geschäftsabwicklung resultie-rende Risiko subsumiert.7 Eine Auswahl möglicher Einflussfaktoren des Operatio-nal Risk bietet Abbildung 1.

6 Basel Committee on Banking Supervision 2001 7 Keck/Jovic 1999, 963

• Kriminelle Handlungen

• Human Capital (Kündigung, Krankheit, etc.)

• Nicht autorisierte Handlungen

Operational Risk

Technologie

Mitarbeiter

Organisation

Extern

• Anwendungs- und prozessbezogene IT-Risiken

• Projektbezogene Risiken

• Infrastrukturelle Risiken

• Naturereignisse

• Politische Risiken

• Rechtliche Entwicklungen

• Gesellschaftliche Veränderungen

• Aufsichtsrechtliche Anforderungen

• Externe Dienstleister

• Aufbauorganisation

• Ablauforganisation

• Management

Abbildung 1: Kategorien des Operational Risk [von Balduin/Junginger/Krcmar 2002]

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40 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk

Aufbau des

Risikomanagements Ausgehend von einer sehr allgemeinen

Begriffsbildung spricht man von Risi-

komanagement als einer Unterneh-

mensführung, die Unsicherheiten i.e.S.

berücksichtigt8. Das Ziel des Risikoma-

nagements ist die Sicherung der Unter-

nehmensziele und des zukünftigen Un-

ternehmenserfolgs sowie Senkung der

Kosten für eine Risikoabsicherung9.

Ein integriertes Risikomanagement

funktioniert idealtypisch entsprechend

dem Nervensystem des menschlichen

Organismus. Dieses besteht aus Senso-

ren, die über den gesamten Körper ver-

teilt sind und alle Ereignisse sowie Ge-

gebenheiten interner und externer Natur

erfassen. Die erfassten Daten werden

über die Leiterbahnen des Nervensys-

tems an ein zentrales Organ, unser Ge-

hirn, weitergeleitet, das über die ent-

sprechende Reaktionen entscheidet und

diese im Anschluss steuert10. Ein proak-

tives und integriertes Risikomanage-

ment erfüllt seine Aufgaben dann, wenn

seine unternehmerische Konzeption

ähnlich den organischen Funktionen in

informationsaufnehmende, informati-

onsweitergebende, informationsverar-

beitende und Entscheidungsprozess tä-

tigende Stellen unterteilt ist und da-

durch neben der Erfassung von Risiken

auch eine angemessene und zeitnahe

Reaktion auf interne und externe Gege-

benheiten zulässt.

Der Risikomanagementprozess wird in

zwei wesentliche Bereiche untergliedert:

das strategische Risikomanagement,

8 Oehler/Unser 2001, 15 9 vgl. www.risknet.de 10 Romeike 2001

und das operative Risikomanagement.

Abbildung 2: Zusammenhang zwischen

operativem und strategischem Risikoma-

nagement [Romeike 2000, 608]

Das strategische Risikomanagement legt

eine einheitlich konsistente Risikostrate-

gie für das Unternehmens fest. Man

spricht in diesem Zusammenhang auch

von der systembildenden Komponente

des Risikomanagements11. Das bedeutet,

dass der operative Prozess des Risiko-

managements (Risikoidentifikation, Risi-

kobewertung sowie Risikosteuerung und

-kontrolle) anhand einheitlicher Metho-

den einer ständigen Regelmäßigkeit un-

terliegen muss. Daraus lässt sich der

Zusammenhang zwischen strategischem

und operativem Risikomanagement er-

kennen. Zwischen beiden Bereichen be-

steht ein Prozess der gegenseitigen Be-

einflussung.

11 Braun 1984, 61

Strategisches

Risikomanagement

Risiko-

identifikation

Risikobewertung

und -aggregation Risikosteuerung- und

Risikokontrolle

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Grundidee des

Value at Risk

Die Entwicklung des VaR geht auf den

Wunsch eines Vorstandes des amerika-

nischen Investmenthauses J.P. Morgan

zurück, an jedem Abend eines Han-

delstages eine einzige Kennzahl zu er-

halten aus der hervorgeht, wie hoch -

mit einer Wahrscheinlichkeit von bspw.

99 Prozent der maximal mögliche Ver-

lust aller Engagements sei12.

Aus diesem Wunsch

heraus wurde der

Value at Risk gebo-

ren13. Der VaR bei

normalverteilten Risi-

kowerten wird in Ab-

bildung 3 dargestellt.

Er ist dabei definiert

als der zahlenmäßige

Verlust, den das Port-

folio,

oder eine definierte Anzahl an Risikoin-

dikatoren, mit einer vorgegebenen sta-

tistischen Wahrscheinlichkeit von bspw.

99 Prozent während eines definierten

Zeitraums nicht überschreitet14. Diese

vorgegebene Wahrscheinlichkeit be-

zeichnet man als Konfidenzniveau15 des

Value at Risk. Den Input, also den „Va-

lue“, für die Verlustverteilungsfunktion

ergeben reale oder in einer statistischen

12www.jpmorgan.com 13Unter dem Begriff „Risk Capital“ wurde vor der Verwendung des VaR durch J.P Morgan ein ähnli-ches Konzept durch die Bankers Trust Company entwickelt. 14Wehrspohn 2001, 582 15Das Konfidenzniveau entspricht der Wahrschein-lichkeit 1 - α, mit einem Wert von 1 - α = 0,95 bis 0,99. In Zusammenhang mit dem Konfidenzniveau kann man von einem Vertrauensintervall sprechen [Holst/Holtkamp 2000, 816]. Je kleiner der Wert für α gewählt wird, desto geringer ist die Möglich-keit, dass die durch den VaR ausgedrückte maxi-male Schadenshöhe überschritten wird.

Modellannahme simulierte Verlustfälle im

betrachteten Umfeld.16 Im modellbezo-

genen Idealfall ergibt sich aus den Input-

faktoren eine Normalverteilung.

Zur Berechnung des Value at Risk unter-

scheiden Eisele/Knobloch17 grundsätzlich

zwischen zwei verschiedenen Ansätzen,

dem analytischen Ansatz und dem Simu-

lationsansatz.

Abbildung 3: Der VaR bei Normalvertei-

lungsannahme [Franke/Hax 1999, 567]

Unter dem analytischen Ansatz werden

die Delta-Normal- und die Delta-

Gamma-Methode subsumiert. Die Histo-

rische- und die Monte Carlo-Simulation

werden dagegen dem Simulationsansatz

zugerechnet.

16Der Ursprung der Verlustfälle ist abhängig von der verwendeten Methode zur Ermittlung des Value at Risk. Auf die unterschiedlichen Vorgehensweisen wird im folgenden Abschnitt eingegangen. Im Fall empirisch ermittelter Verlustfälle, wie es bei dem Modell der historischen Simulation vorliegt, emp-fiehlt es sich, auf eine unternehmensweite Scha-densfalldatenbank ergänzt um Szenarioanalysen zurückzugreifen. Sie bieten die Möglichkeit eine ausreichend große Datengrundlage für die VaR–Ermittlung bereitzustellen. Zur Ermittlung von „low-frequency / high-severity“ Risikofällen kann diese interne Schadensfalldatenbank um externe Daten ergänzt werden. 17 Eisele/Knobloch 2000, 160f.

Wahrscheinlich-

keitsdichte

0,1

0,2

0,3

Wertänderung

α-Quantil

VaR

Verteilungsfunktion f(x)

0 Erwarteter Wert

(= dichtester Wert)

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Diese vier Ansätze unterscheiden sich

im Wesentlichen in zwei Punkten, in der

Modellierung der Entwicklung der Risiko-

faktoren und in der Sensibilität der be-

trachteten Portfolios und Positionen.

Bei Verwendung des Simulationsansat-

zes wird der Value at Risk anhand der

Zustandsentwicklungen, die durch Si-

mulation in die Zukunft transferiert

werden, ermittelt. Die Historische Simu-

lation bedient sich dabei vergangen-

heitsbezogener Daten. Es wird unter-

stellt, dass alle Risikofaktoren aus der

Vergangenheit auch in Zukunft den

Wert der Risikoposition in gleicher Weise

beeinflussen werden. Die Monte Carlo-

Methode basiert im Vergleich zur Histo-

rischen Simulation nicht auf Vergangen-

heitswerten, sondern auf einer sto-

chastischen Simulation18. Im Rahmen

dieses stochastische Ansatzes werden

neben den einzelnen Risikopositionen,

ihren Einflussfaktoren auch die Korrela-

tionen zu anderen Risikopositionen be-

rücksichtigt.

Messen von Operatio-

nellen Risiken anhand

des Value at Risk

Im Folgenden soll die Überlegung ange-

stellt werden, in wieweit es möglich ist,

Operational Risk anhand des VaR-

Ansatzes zu quantifizieren. Es drängen

sich dabei zwei wesentliche Fragen auf:

18 Franke/Hax 1999, 576f.

1. Anhand welcher Datengrundlage kann

eine Verteilungsfunktion erstellt wer-

den?

2. Wie kann auf Basis einer Operationel-

len Datengrundlage ein VaR ermittelt

werden?

Der Operational VaR soll im weiteren

Verlauf anhand des Simulationsansatzes

ermittelt werden. Zwischen den Risiko-

parametern des Operational Risk, die im

Rahmen der Risikoidentifikation ermittelt

wurden, und dem VaR gelingt der Brü-

ckenschlag dadurch, dass Risikofaktoren

und deren unterschiedliche Ausprägun-

gen im Zeitverlauf, welche die Zielgröße

beeinflussen, den einzelnen Größen der

Modellrealisierung entsprechen. Zur Be-

rechnung des VaR für Operationelle Risi-

ken werden die folgenden Schritte voll-

zogen:

Für die in der Risikoidentifikation be-

stimmenden Faktoren werden die Wert-

veränderungen bzw. eingetretenen Ver-

luste im betrachteten Umfeld über einen

zuvor festgelegten Betrachtungszeitraum

ermittelt. Als Grundlage für den Daten-

input können interne und externe Scha-

densfalldatenbanken verwendet werden.

So werden für die Risikofaktoren über

diesen Betrachtungszeitraum hinweg die

Verluste bestimmt und eine Zeitreihe

über eine längere Periode hinweg, der

Baseler Ausschuss schlägt eine Periode

von sieben Jahren vor, erstellt. In die-

sem Zusammenhang soll auf die in der

praktischen Anwendung notwendige

Schadensfalldatenbank hingewiesen

werden. Bei sich schnell ändernden Risi-

ken oder neuen Technologien, für die

noch keine Erfahrungswerte vorliegen,

sollte die Betrachtung um Szenario-

Analysen erweitert werden. Anhand der

Wertänderungen bzw. eingetretenen

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Verluste der vergangenen Periode wird

ein Risikofaktor bestimmt. Dieser dient

der Bestimmung des zukünftigen Risi-

kopotentials. Die Risikobewertung er-

folgt durch Multiplikation des Risikofak-

tors mit den aktuellen absoluten Größen

der Risikofaktoren (bspw. Nettoinvesti-

tionen in Hardware). Aus der Differenz

der aktuellen absoluten Größen der Risi-

kofaktoren und den neubewerteten Grö-

ßen ergibt sich die prognostizierte ein-

getretene Wertänderung bzw. der Ver-

lust im Betrachtungszeitraum.19

Im nächsten Schritt werden die prog-

nostizierten Verluste der Höhe nach sor-

tiert angeordnet. Ermittelt wird der ab-

solute Operational Value at Risk (AO-

VaR) dann nach der Funktion:

AOVaR = α ∗ N20 (mit N = der Anzahl

der progn. Verluste)

Bei einem Konfidenzniveau (1 - α) von

95 Prozent (oder 0,95) und einer prog-

nostizierten Anzahl von 1000 Verlusten

wäre der VaR der 50.-größte (0,05 ∗ 1000) Verlust dieses Risikofaktors.

Möglichkeit der Risi-

koanalyse anhand des

Operational VaR

Die Ermittlung des Operational Value at

Risk hin bis zu diesem Schritt mag in-

formativ sein, jedoch dient der damit

errechnete Wert noch nicht der Unter-

nehmens- bzw. Risikosteuerung. Die

Aussage über die Höhe des VaR in ein-

zelnen Risikokategorien kann als Ver-

19 von Balduin/Junginger/Krcmar 2002 20 von Balduin/Junginger/Krcmar 2002

gleichsmaßstab zwischen den Risikoka-

tegorien und im Zeitverlauf dienen. Zur

Risikosteuerung wird ein relativer Opera-

tional VaR mit einem dazugehörigen

Vergleichswert benötigt. Aus der Sicht

des Autors ist die Verwendung der ma-

ximal tragbaren Schadenshöhe gut als

Relativierungsmaßstab geeignet. Die

Risikoanalyse erfolgt in drei Schritten:

In einem ersten Schritt werden die Risi-

kokategorien nach Wichtigkeit bzw. Nut-

zen für das Unternehmen oder den Ge-

schäftsbereich gewichtet. Es sollte dabei

die folgende hierarchische Risikostruktur

gewählt werden:

• Risikoparameter

• Risikokategorie

• Gesamtrisiko auf Gesellschaftsebene

• Gesamtrisiko auf Unternehmensebe-

ne (wenn vorhanden)

Diese hierarchische Risikostruktur dient

der besseren Gewichtung und Erfassung

einzelner Risikoparameter und damit

schlussendlich einer erfolgsversprechen-

deren Risikoanalyse. Durch Konsolidie-

rung der unteren Hierarchiestufe ergibt

sich die jeweils übergeordnete Stufe.

Den sich auf jeder Stufe ergebenden

Nutzwert wollen wir betrieblichen OR-

Nutzwert nennen. Die Gewichtung inner-

halb der Hierarchiestufen erfolgt nach

der Vorgehensweise zur Nutzwertanaly-

se21. In diesem Zusammenhang ist dar-

auf hinzuweisen, dass die Gewichtung

innerhalb der jeweiligen Hierarchiestufen

einen Gesamtwert von 1,00 bzw. 100

Prozent ergeben muss.

Bei der Ermittlung der individuell für das

Unternehmen oder den Geschäftsbereich

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maximal tragbaren Schadenshöhe ist

insbesondere auf Kenngrößen der Bi-

lanzanalyse einzugehen. Dieser Betrag

wird entsprechend der Gewichtung auf

die darunter liegenden Hierarchiestufen

geschlüsselt.

In einem zweiten Schritt wird eine rela-

tive, auf dem Operational VaR basieren-

de Kennzahl zur Risikoquantifizier-

ung erarbeitet und im

dritten Schritt aus den

vorangehenden Ergeb-

nissen ein Risikoprofil für

das Unternehmen oder

den Geschäftsbereich

erstellt.

Die relative Risikokenn-

zahl auf Basis des Ope-

rational Value at Risk,

die hier als relativer

Operational Value at

Risk (ROVaR) bezeichnet wird, steht

zunächst im Mittelpunkt der weiteren

Betrachtung. Dabei erfolgt die Ermitt-

lung für alle Hierarchiestufen getrennt

und in aufsteigender Reihenfolge. Aus-

gangsbasis für die weiteren Überlegun-

gen bildet die relative Gewichtung der

Risikokategorien und die jeweils dazu-

gehörige maximal tragbare Schadens-

höhe (MtSi). Der absolute Operational

Value at Risk (AOVaR) wird nun ins Ver-

hältnis zur MtSi gesetzt. Zur besseren

Skalierbarkeit erfolgt danach die Multip-

lizierung des Ergebnisses mit dem Fak-

tor fünf.22

5*

=

i

ii MtS

AOVaRROVaR

21 Blohm/Lüder 1995 22 von Balduin/Junginger/Krcmar 2002

Das Ergebnis, der Relative Operational

Value at Risk, lässt die Risikointensität

des analysierten Bereiches erkennen. So

deutet ein Wert nahe der Kennziffer 5

auf ein sehr ausgeprägtes Risiko hin.

Befindet sich die Kennziffer nahe dem

Wert 0 sprechen wir von einer geringen

Risikogefährdung (vgl. Abbildung 4). In

einem nächsten Schritt muss nun der

ROVaR, über alle Hierarchieebenen hin-

weg, für den gesamten OR-Bereich er-

mittelt werden.

Abbildung 4: Risikoskala ROVAR23

Dies geschieht anhand der relativen De-

zimalgewichtung (dg) einzelner Risikoka-

tegorien mit denen die ROVaRi Werte

multipliziert werden. Aus dem sich dar-

aus ergebenden gewichteten ROVaRi (rp)

kann die Konsolidierung entsprechend

der einzelnen Hierarchiestrukturen vor-

genommen werden. In Tabelle 1 wird die

Vorgehensweise verdeutlicht.

23 von Balduin/Junginger/Krcmar 2002

Relativer Opera-

tional VaR

kein / sehr geringes Risiko

sehr hohes Risiko

0 1 2 3 4

Risiko skala

5

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Tabelle 1: Ermittlung des Gesamtrisikos

Zur weiteren Analyse werden die Ergeb-

nisse der oberen Berechnungen in ein

Portfolioschaubild übertragen. Auf der

Abszisse wird dabei der ROVaR abgetra-

gen und auf der Ordinate der betriebli-

che OR-Nutzwert (BORNw), der zur Ge-

wichtung der einzelnen Hierarchiestruk-

turen verwendet wurde. Damit wir die-

sen Nutzwert für unsere weitere Be-

trachtung verwenden können, müssen

wir die Gewichtung noch einmal

heranziehen und sie einwenig umfor-

men. Die Gewichtungen (als Dezimal-

wert) aus den Hierarchiestufen werden

– sind sie nicht in der obersten Stufe –

miteinander multipliziert. Die Dezimal-

gewichtungen (dg) aus der obersten Hie-

rarchiestufe werden unverändert über-

nommen. Dieser Wert wird vom Faktor

eins subtrahiert. Zur besseren Skalier-

barkeit wird hier ebenfalls das Ergebnis

im Anschluss daran mit dem Faktor fünf

multipliziert. Ein Ergebnis nahe dem

Wert „null“ entspricht somit einem ho-

hen, ein Wert nahe „fünf“ dagegen ei-

nem niedrigen Nutzenniveau. Die folgen-

de formale Darstellung demonstriert die

Vorgehensweise bis auf die zweite Hie-

rarchiestufe analog zur Ermittlung des

ROVaR in Tabelle 1. Eine tiefere Gliede-

rung kann analog vorgenommen werden.

BORNwi = (1 – dgx) ∗ 5

BORNwi = (1 – (dgxn ∗ dgx) ∗ 5

Einzelparameter Dezimal-gewich-

tung (dg)

ROVaR (w) Gewichteter ROVaR

(rp)

Gewichtete Kriterien

(rk) Risikokategorie 1

Risikoparameter 11 dg11 w11 rp11=dg11*w11 --

Risikoparameter 12 dg12 w12 rp12=dg12*w12 --

... ... ... ... --

Gesamtwert Risikokategorie 1 dg1 w1=∑ =

∗y

n nn wdg1 11 )(

-- rk1=dg1*w1

Risikokategorie 2

Risikoparameter 21 dg21 W21 rp21=dg21*w21 --

... ... ... ... --

Gesamtwert Risikokategorie 2 dg2 w2=∑ =

∗y

n nn wdg1 22 )(

-- rk2=dg3*w3

... ... ... ... ...

Risikokategorie x

Risikoparameter x1 dgx1 wx1 rpx1=dgx1*wx1 --

… … … … --

Gesamtwert Risikokategorie x dgx wx=∑ =

∗y

n xnxn wdg1

)(

-- rkx=dgx*wx

Gesamtrisikowert (grw): grw ∑ =

∗=x

n nn wdg1

)(

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46 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk

In der grafischen Umsetzung (vgl. Ab-

bildung 7) werden alle ermittelten Hie-

rarchiestufen dargestellt, um den In-

formationsgehalt der Analyse zu erhö-

hen. Zur besseren Übersicht empfiehlt

es sich jedoch eine grafische Unter-

scheidung zwischen den einzelnen Hie-

rarchiestufen vorzunehmen.

Abbildung 5: OR-Risikoportfolio

Im OR-Risikoportfolio werden die zuvor

berechneten Werte für ROVaR und

BORNw übertragen. Zusätzlich wird eine

individuelle, der Risikostrategie des Un-

ternehmens folgende, Akzeptanzlinie

eingezeichnet. Sie trennt die Bereiche

bei denen zum einen Handlungsbedarf

besteht und zum anderen die Nutzen-

Risikorelation akzeptabel ist. Entschei-

dend ist in diesem Zusammenhang je-

doch, dass man diese Linie nicht als

absoluten Maßstab sondern als Über-

gangsbereich erkennt. Bei der Einstu-

fung der einzelnen Risikobereiche wird

je mehr Risiko akzeptiert, je höher das

Nutzenniveau eingeschätzt wird und vice

versa.24

Managementstrategien

zur Risikobewältigung

Ein Portfolio kann für die Unternehmens-

steuerung immer nur ein Hilfsinstrument

zur Standortbestimmung und als Hand-

lungsempfehlung dienen.

Betrachtet man noch einmal den Risiko-

managementkreislauf (vgl. Abbildung 2),

ordnet man das Portfolioinstrument der

24 von Balduin / Junginger/ Krcmar 2002

0 1 2 3 4 5

ROVaR (w)

BORNw

1

2

3

4

5

individuelle Akzep-

tanzlinie

= ROVaR (grw)

= ROVaR (wx)

= ROVaR (wxn)

Akzeptanzverlauf

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47 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk

Risikobewertung zu. Der nächste we-

sentliche Schritt ist die Risikosteuerung.

Die Risikosteuerung kann in mehreren

Stufen erfolgen (vgl. Abbildung 6). Zu

beachten ist dabei, dass häufig nicht

jede Möglichkeit der Risikoüberwälzung

für jede Risikokategorie anwendbar

ist25.

Abbildung 6 Risikoübertragungsstrate-

gien [Romeike 2000, 609]

So kann im Fall der Überschreitung ei-

nes Projektzeitlimits oder eines internen

Software-Diebstahls eine organisatori-

sche Umgestaltung mit wenig Kosten-

aufwand zu einem sehr hohen Erfolg

führen – eine alternative Risikofinanzie-

rung als Risikoüberwälzung wäre in die-

sen Fällen nicht die geeignete Vorge-

hensweise.

Für den Prozess der Risikosteuerung

und Risikokontrolle gilt, dass er einen

Kompromiss zwischen dem Notwendigen

und dem Möglichen ist. So muss das

Ziel dieser Station im Risikomanage-

mentkreislauf sein, das betriebswirt-

schaftlich optimale und nicht das tech-

nisch bzw. organisatorisch maximale

25 von Balduin/Junginger/Krcmar 2002

Risikoniveau zu erreichen26. Diese Vor-

gabe ist insbesondere unter der Betrach-

tung von Abbildung 6 relevant. Häufig

wirken Risikovermeidungsmaßnahmen

mit einem entsprechend abnehmendem

Grenznutzen in Bezug auf den Kosten-

einsatz.

Kontakt:

Alexander von Balduin

Tel.: ++49.179.20 21 949 eMail: [email protected]

Literatur:

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Beeck, Helmut / Kaiser, Thomas

(2000): Quantifizierung von Operational

26 Romeike 2001 416

1. Prävention

2. Reduktion

3. Transfer

4. Selbst tragen

identifiziertes Risiko

akzeptiertes Risiko

- personell

- technisch

- organisatorisch

verbleibendes

Risiko

Ge-

samt-

risiko

unidentifiziertes Risiko

- alt. Risikofinanz.

- Versicherungen

- Verträge

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49 | www.risknews.de 01.2003 Unternehmenssteuerung

Chancen- und Risikomanagement

als umfassender Ansatz zur Unternehmenssteuerung

Ein Beitrag von Joachim Brückmann und Kai Gammelin

Kernaussagen

Institutionelle Anleger fordern in ihren

Questionaires zunehmend Informationen

über das betriebliche Risikomanagement

ihrer potentiellen Asset Manager.

Im Rahmen einer zunehmenden Komple-

xität im Asset Management und dem

ständigen Anpassungsdruck an Markt-

veränderungen ist eine Steuerung des

Unternehmens nach Aufwand und Ertrag

nicht mehr ausreichend.

Nur ein umfassendes Risikomanage-

mentsystem wird in der Lage sein, zu-

künftigen gesetzlichen Anforderungen

gerecht zu werden.

Einleitung

Risikomanagement bezeichnet die Iden-

tifizierung, Bewertung und Steuerung

aller Risiken mit Auswirkung auf den

nachhaltigen betrieblichen Erfolg unter

Berücksichtigung der vielschichtigen

Wechselwirkungen zwischen den Einzel-

risiken. Derartige Risikomanagement-

Systeme finden in unterschiedlich tiefen

Ausprägungen in deutschen Unterneh-

men Anwendung. Von der Auseinander-

setzung mit einzelnen Risiken bis zum

umfangreichen Frühwarn- und Prognose-

system für Unternehmensplanung und -

steuerung sind bereits Risikomanage-

ment-Systeme bei namhaften deutschen

Asset Managern implementiert, oder be-

finden sich im Aufbau.

Ziele des

Risikomanagements

Die Hauptaufgabe des Risikomanage-

ments besteht darin, die Ziele des Asset-

Managers, seine Strategien und die

Steuerungselemente des Unternehmens

zu koordinieren und die Stabilität der

Gesellschaft zu fördern. In diesem Zu-

sammenhang gilt es, einen unerwarteten

konzentrierten Eintritt von Risiken zu

vermeiden und dabei Chancenpotentiale

voll auszuschöpfen.

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Entscheidend für eine dauerhafte Kun-

denbindung des Anlegers an seinen As-

set Manager ist, dass dieser die Ertrags-

erwartungen des Anlegers über einen

längeren Zeitraum realisieren kann. Lan-

ge schon werden Frühwarnsysteme ge-

nutzt, um Verluste für Kunden in fallen-

den Märkten zu begrenzen. Dennoch

besteht die Gefahr, dass Signale dieser

Frühwarnsysteme nicht konsequent ge-

nug umgesetzt werden. Das Risikoma-

nagement ist als neutrale Stelle in der

Lage, konsequent für die Umsetzung von

verlustbegrenzenden Aktionslimiten

(Trigger) zu sorgen.

Eine weitere Wirkung entfaltet das Risi-

komanagement durch die Betrachtung

von Risiken in Prozessen der KAG. Durch

die Identifizierung von Risiken und die

Erarbeitung von Gegenmaßnahmen wer-

den zunehmend auch die Geschäftspro-

zesse der Gesellschaft beeinflusst und

stabilisiert. Damit einher geht eine deut-

liche Verbesserung der operativen Quali-

tät mit positiven Effekten für Mitarbeiter-

zufriedenheit aufgrund sinkender Fehler-

quoten, verringerter Anzahl von Scha-

denfällen und geringerer täglicher Ar-

beitsbelastung bei gleichbleibendem Ar-

beitsanfall.

Beide genannten Aspekte haben einen

entscheidenden Effekt für das Unter-

nehmen. Sie steigern die Reputation der

Unternehmung und erhöhen so auf Sicht

die Erfolgschancen im Vertrieb nachhal-

tig. Zusätzlich sind auch positive Perfor-

manceeffekte möglich.

An dieser Stelle stellt sich die Frage nach

den Kosten. Die genannten Aspekte sind

nur schwer zu quantifizieren und lassen

auf den ersten Blick eine Kosten-

/Nutzenrechnung nicht zu. Auf dem

zweiten Blick werden zunehmende Kun-

denzufriedenheit, geringere Schaden-

summen und effizientere Prozesse sicht-

bar, die sich als Ertrags- oder Kosten-

senkungseffekte quantifizieren lassen.

Doch vor der Nutzung dieser Vorteile ist

der Rahmen des Systems vorzugeben.

Die Risikostrategie

Die Aufgabe der Risikostrategie eines

Unternehmens liegt in der Absicherung

der leistungswirtschaftlichen, sozialen

und finanziellen Unternehmensziele. Die

Strategie beschreibt den Rahmen, in

dem das Risikomanagement-System zu

integrieren und auszurichten ist. Ge-

schäftsleitung und der mit dem Thema

beauftragte Bereich definieren die Ver-

antwortlichkeiten und integrieren das

Risikomanagement in die strategischen

Entscheidungsprozesse.

Die Risikostrategie leitet sich von den

Unternehmenszielen und der Unterneh-

mensstrategie ab und sollte zentraler

Bestandteil der Geschäftsstrategie sein.

Um die Risikostrategie entwickeln zu

können, ist das Unternehmensziel hin-

sichtlich der Positionierung und der we-

sentlichen Ausprägungen wie zum Bei-

spiel Asset-Management-Stil, Produkte,

Dienstleistungen und Kunden klar zu

definieren. Im Rahmen der Unterneh-

mensstrategie sind die Wege und Mittel

zur Umsetzung der Unternehmensziele

für einen planbaren Horizont aufzuzei-

gen. Dazu gehören beispielsweise Orga-

nisationsformen und -strukturen, Ver-

triebs- und Marketing- und IT-Strategie

sowie Strategien zu den Produkten und

Dienstleistungen. Die Steuerungsele-

mente (z.B. Controlling, Revision, Perso-

nalmanagement, etc.) sollen die Mög-

lichkeit bieten, die in der Unternehmens-

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strategie definierten Aktivitäten auf die

Unternehmensziele auszurichten.

Aus der Unternehmensstrategie werden

im Idealfall - unter Risikomanagement-

Aspekten - risikoadjustierte Entschei-

dungen getroffen, eine risikoadjustierte

Ergebnisgenerierung vorgenommen und

unternehmensweite Kommunikations-

sowie Organisationsprogramme entwi-

ckelt. Die Risikostrategie entsteht.

Zur Validierung der Risikostrategie ist es

erforderlich, laufend die Vorgaben und

Erwartungen, die sich aus der Risikostra-

tegie ergeben, mit dem real Erreichten

abzugleichen. Dieser Soll-/ Ist-Vergleich

ist die Basis für ein gezieltes Controlling

des Risikomanagementsystems und ver-

hindert unwirtschaftliche Auswüchse und

Fehlentwicklungen.

Vorteile

Im Rahmen der Ziele des Risikomana-

gements wurden bereits zwei wesentli-

che Vorteile des Risikomanagementsys-

tems angesprochen. Im folgenden wer-

den die Vorteile dieses Steuerungsin-

strumentariums stärker herausgearbei-

tet.

Die steigende Nachfrage der institutio-

nellen Anleger nach Möglichkeiten der

Kapitalanlage, lässt bereits integrierte

Risikomanagement-Systeme zu einem

Auswahlkriterium für Asset-Manager

werden. Gründe für diesen Anspruch

sind häufig Vorfälle, die sich in den letz-

ten Jahren auf dem wirtschaftlichen Sek-

tor ereignet haben. Adressausfälle, vom

Vertrag abweichendes Verhalten und

Marktschwankungen sind einige Aspekte,

die die Forderung nach einem Risikoma-

nagementsystem zu einem Verkaufsar-

gument im Rahmen der Kundennachfra-

ge werden lassen. Weiterer Vorteil ist –

gerade in der Anfangsphase dieser The-

matik – die Übernahme einer Vorreiter-

rolle auf dem Gebiet des Risikomanage-

ments. Sie bietet die Möglichkeit, nicht

nur auf Kundenanfragen zu reagieren,

sondern einen zusätzlichen Marketingas-

pekt zu schaffen. Die aus den gesamten

Vorteilen resultierende Steigerung des

Shareholder-Value macht die Einführung

eines solchen Systems lohnenswert.

Grundsätzlich gilt es festzuhalten,

dass kein System in der Lage ist

Schäden in einem Unternehmen gänz-

lich auszuschließen. Im Rahmen des

erhöhten Einsatzes von Informations-

technologie können zwar viele kleine

Schäden durch Bearbeitungsfehler

ausgeschlossen werden, stattdessen

entstehen unerkannt und tückisch je-

ne Risiken, die sich durch extrem

niedrige Wahrscheinlichkeit aber

durch extreme Schadenshöhen aus-

zeichnen. Aufgrund der geringen

Wahrscheinlichkeit sind diese Risiken

in der Regel nicht in den Schadenssta-

tistiken erfasst und damit nur sehr

abstrakt. Zu diesen Risiken zählt, um

bei der IT zu bleiben, ein nachhaltiger

Ausfall der Systeme. Solche Schäden

können in wenigen Tagen insbesonde-

re im Finanzdienstleistungsgeschäft

bestandgefährdende Züge annehmen.

Die IT ist an dieser Stelle nur ein Bei-

spiel für eine Quelle existentieller Risi-

ken.

Nicht immer müssen Schäden die Exis-

tenz der Gesellschaft gefährden. Was

immer der Fall sein dürfte, sind eine Er-

gebnisbelastung und daraus resultierend

vermeidbare Kosten. Jeder verhinderte

Schaden wird so sofort ertragswirksam.

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Ein weiterer Aspekt ist die Frage nach

Investitionen oder vermehrt auch Desin-

vestition. Die Investitionsrechnung des

klassischen Controlling berechnet mit

allerseits bekannten Methoden, welcher

Kapitaleinsatz die höchste wirtschaftliche

Effizienz aufweist. Das Risiko der Investi-

tion spielt bei dieser Betrachtung besten-

falls eine Nebenrolle. Selbstverständlich

erfolgt vorab eine Abwägung der Markt-

chancen und Risiken, aber operative

Herausforderungen werden häufig aus-

geblendet. Analog dazu wird bei der De-

sinvestition, i.d.R. als Kostensenkungs-

maßnahme auftretend, gerne übersehen,

dass auftretende Überlastung der Mitar-

beiter und Unsicherheit über sich rasch

verändernde Prozesse erhebliche Risiken

beinhalten. Eine typische Auswirkung

sind Qualitätsmängel in der Wertschöp-

fungskette und damit einhergehend der

ertragswirksame schleichende Reputati-

onsverlust.

Das Risikomanagement kann über die

Reflektion der oben beschriebenen Risi-

ken und unter Einsatz des Frühwarnsys-

tems von vorneherein notwendige Maß-

nahmen und ihre Auswirkungen transpa-

rent machen und so die Möglichkeit

schneller Reaktionen auf Fehlentwicklun-

gen ermöglichen. Ein Ansatz zur Opti-

mierung durch Risikomanagement wäre

zum Beispiel, die Veränderungen für die

Mitarbeiter und der Prozesse und die sich

daraus ergebenden Risiken zu simulie-

ren. Verschiedene Umsetzungsvarianten

ließen sich so auf ihre Auswirkungen und

auf die zu erwartenden Risikokosten hin

untersuchen. Diese Ergebnisse würden

dann in einem zweiten Schritt in die In-

vestitionsrechnung einbezogen werden.

An dieser Stelle sollte deutlich werden,

dass Risikomanagement kein neues Ver-

fahren ist, sondern kombiniert mit alt

bekannten und bewährten Steuerungsin-

strumenten für mehr Transparenz und

höhere Planungssicherheit sorgen. Dazu

ist die Frage zu stellen, wie viele Kosten

jährlich durch verzögerte Projekte ent-

stehen, und ob die Ursachen nicht u.U.

in der Vernachlässigung von operativen

Risiken zu suchen sind.

Je intensiver ein Unternehmen sich mit

Chancen und Risiken beschäftigt, desto

ausgeprägter wird das ganzheitliche Ver-

ständnis betrieblicher Wirkungsketten

und die Bereitschaft der Mitarbeiter sich

als Unternehmer im Unternehmen zu

sehen, vorhanden sein.

Der Erfolg und die Akzeptanz eines Risi-

komanagementsystems hängt stark von

der Einstellung und dem Vorbild der Ent-

scheidungsträger im Unternehmen ab.

Ihr Verständnis wird geprägt durch

sichtbare Erfolge im Zusammenhang mit

dem Risikomanagement. Aus diesem

Grund gilt es, klar zu machen, dass die-

ses Verfahren Risiken begrenzt und

Chancen nicht blockiert und dass es ei-

ner sukzessiven Einführung im Unter-

nehmen bedarf, die es der Belegschaft

ermöglicht, sich dem Thema Risiko be-

wusst zu nähern. Eine wichtige Aufgabe

kommt hierbei der Kommunikation über

erreichte Umsetzungserfolge im Unter-

nehmen zu, die die Bereitschaft zur Ver-

änderung nachhaltig begünstigen.

Die Verknappungen der Ressourcen Zeit

und Geld sowie die dramatische Steige-

rung der Komplexität des Umfeldes, stel-

len die Asset Manager ständig vor neue

Herausforderungen. Durch ein in das

Risikomanagement integriertes Change

Management werden die schnellere und

wirtschaftlichere Bewältigung einer zu-

nehmenden Vielfalt sich rasch ändernder

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Aufgaben ermöglicht und Synergien er-

schlossen.

Gesetzliche Anforder-

ungen / Richtlinien

Neben den genannten Vorteilen müssen

auch in den Gesetzen und Richtlinien

gestellten Anforderungen an ein Risiko-

management-System erfüllt werden. Das

über das Gesetz zur Kontrolle und

Transparenz im Unternehmensbereich

(KonTraG) hinausreichende Kreditwe-

sengesetz (KWG), die Generalklauseln

des Aktiengesetzes (AktG) sowie des

GmbH-Gesetzes (GmbHG), das Handels-

gesetzbuch (HGB), die „Mindestanforde-

rungen an das Betreiben von Handelsge-

schäften“ (MaH) und die Prüfungsstan-

dards des Instituts der Wirtschaftsprüfer

(IDW) sind richtungsweisend. Darüber

hinaus ist dieses Thema in den Fokus

des Baseler Ausschusses gerückt und

wird im Rahmen von Basel II in Zukunft

zusätzlich eine Unterlegung von operati-

onellen Risiken durch haftendes Eigen-

kapital erfordern. Das zwingt die Ban-

kenbranche zu einer umfassenden Quan-

tifizierung sämtlicher operationeller Risi-

ken. Die Relevanz von Basel II für Kapi-

talanlagegesellschaften ist hierbei noch

nicht abschließend geklärt. Zur einheitli-

chen Integration und Berichterstattung

innerhalb von Konzernen beinhaltet der

Deutsche Rechnungslegungsstandard

(DRS) hilfreiche Regularien, sowohl für

den Bereich der Kredit- und Finanz-

dienstleistungsinstitute, als auch für die

künftige Entwicklung des Konzerns im

Konzernlagebericht für Versicherungsun-

ternehmen.

Um das Risikomanagement konzern-

übergreifend zu harmonisieren, ist insbe-

sondere bei heterogenen Konzerngefü-

gen schon während der Konzeptionie-

rung darauf zu achten, dass die unter-

schiedlichen Unternehmen im Rahmen

ihrer DRS-Standards einen konzernein-

heitlichen Kompromiss bei der Risiko-

gliederung und Bewertung finden.

Die Vorgehensweise

Damit ein Risikomanagement-System

nicht zu einem „Management-Risiko-

System“ wird, sind betriebswirtschaftli-

che Belange während der gesamten

Implementierung zu berücksichtigen. Auf

Grund der Komplexität und der viel-

schichtigen Korrelationen zwischen den

Risiken ist während der Bestandsauf-

nahme der Risiken eine Abschätzung der

Relevanz nicht zuverlässig möglich. Im

Hinblick darauf, sollte in dieser Phase auf

Vollständigkeit und eindeutige Definition

größter Wert gelegt werden. Um in den

Interviews mit den betroffenen Mitarbei-

tern zeitliche Belastungen zu minimie-

ren, ist die gezielte Aufbereitung der

Risiken durch die für das Risikomanage-

ment verantwortlichen Mitarbeiter im

Unternehmen im Voraus sinnvoll. Diese

Aufbereitung umfasst die Gliederung

nach Risikogruppen.

Im Rahmen der Interviews erfolgt eine

detaillierte Aufnahme möglicher risiko-

begrenzender Maßnahmen, unabhängig

davon, ob eine Umsetzung schon erfolgt

ist. Die Zusammenführung der im Unter-

nehmen bestehenden Insellösungen zur

Risikobewältigung ermöglicht einen um-

fassenden Überblick über die Risikositua-

tion des Unternehmens. Die Zusammen-

führung der Maßnahmen aus allen Un-

ternehmensbereichen, gerade im Hin-

blick auf unternehmensübergreifende

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Risiken und deren Bewältigung, ermög-

licht eine Auswahl und Optimierung von

bestehenden Gegenmaßnahmen. Auf

Grund der Erkenntnisse und unter Be-

rücksichtigung von Risiko- / Kosten-

Aspekten ist dann eine Priorisierung der

weiteren Umsetzungsschritte gegeben.

Mit Hilfe des nachfolgend aufgeführten

Instrumentariums ist es möglich, be-

wusst risikobehaftete Positionen einzu-

gehen oder zu bewältigen:

! Vermeidung

! Verminderung

! Überwälzung

! Kompensation

Unter der Vermeidung ist die strategi-

sche Entscheidung zur Ablehnung eines

mit Risiken verbundenen Geschäftes zu

verstehen. Dies bedeutet zwingend einen

Verzicht auf damit einher gehende Chan-

cen.

Bei der Verminderung wird versucht,

durch geeignete organisatorische Maß-

nahmen die Eintrittswahrscheinlichkeit

und/oder die Schadenshöhe im Vergleich

zur Ursprungssituation zu verringern.

Eine typische Form der Überwälzung von

Risiken stellt die Versicherung dar. Auch

eine vertragliche Verlagerung eines Risi-

kos auf externe Dienstleister fällt unter

diesen Aspekt. Bei diesen Möglichkeiten

der Risikobewältigung sollte beachtet

werden, dass vertragliche Regelungen

keinen Schutz vor Imageschäden bieten.

Die Kompensation kann durch Bildung

von Rücklagen für eventuell eintretende

Schäden, risikoorientierte Produktgestal-

tung und Preisfindung erfolgen. Eine Art

der Kompensation ist bei Marktrisiken

möglich, für die sich durch eine Beimi-

schung weiterer negativ korrellierter Ri-

sikopositionen das Gesamtrisiko verrin-

gert.

In einem Steuerungskreislauf wird in

regelmäßigen Abständen die Risikositua-

tion des Unternehmens neu bestimmt

und die Priorisierung der Maßnahmen-

komplexe zur Risikobewältigung ange-

passt.

Über die laufende Evaluierung der Risi-

ken hinaus, ist es auf Grund der oftmals

niedrigen Eintrittswahrscheinlichkeit und

hohen Schadenshöhe bei Risiken ratsam,

aus Indikatoren ein Frühwarnsystem zu

generieren. Dies ermöglicht den Ent-

scheidungsträgern, bei Überschreiten

von definierten Limiten auf die veränder-

te Risikosituation mit strategischen An-

passungen zu reagieren. Indikatoren-

auswahl und Limite sind laufend über

Backtesting-Verfahren und empirische

Untersuchungen zu hinterfragen. Stellen

sich Indikatoren nachhaltig als unzuver-

lässig heraus, sind diese durch neue ge-

eignetere zu ersetzen. Anpassungsbedarf

kann des Weiteren aus Änderungen des

Unternehmensumfeldes resultieren.

Sowohl die Ergebnisse aus den Maßnah-

men zur Risikobewältigung als auch aus

dem Frühwarnsystem sollten in verdich-

teter Form in festgelegten Zeitabständen

von Prozessverantwortlichen (Risk-

Owner) über den Risikomanager an die

Entscheidungsträger im Rahmen eines

verdichteten Reportings kommuniziert

werden. Aus Gründen der Wirtschaftlich-

keit sollte das Reporting so angelegt

sein, dass eine Ableitung des Lageberich-

tes bis zum Geschäfts- bzw. Konzernbe-

richt ohne große Nachbearbeitung mög-

lich ist.

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Schulungsprogramme

für Mitarbeiter

Über die thematische Identifikation der

Geschäftsführung mit diesem Thema

hinaus sind entsprechende Sensibilisie-

rungsprogramme für Führungskräfte und

Mitarbeiter durchzuführen. Programme

dieser Art sollen den bewussten Umgang

mit Risiken und die sinnvoll plazierte

Risikobewältigung fördern sowie negative

Folgen von mangelndem Risikoverständ-

nis kenntlich machen. Die aufmerksame

Betrachtung des eigenen Arbeitsplatzes,

die Bewältigung der täglichen Aufgaben

unter Risikoaspekten und die Weitergabe

von Informationen über etwaige neu

aufgetretene oder latente Risiken, sind

i.d.R. ein zwingender Beitrag zum Risi-

komanagement. Besonders wichtig ist

die risikospezifische Ausrichtung der Pro-

zessverantwortlichen (Risk-Owner). Ih-

nen kommt, über das Hinterfragen der

Prozesse hinaus, die Aufgabe zu, risiko-

bewältigende Maßnahmen zu entwickeln,

an das Risikomanagement zu berichten

und umzusetzen.

Integration eines

Risikoberichtswesens

Für die fortlaufende Versorgung der Ge-

schäftsführung, des Risikomanagements

und der Risk-Owner mit bedarfsgerech-

ten Informationen, ist die Einführung,

Integration und Pflege eines unterneh-

mensübergreifenden und regelmäßigen

Berichtswesens erforderlich. Es soll mit

Hilfe von turnusmäßigen Berichten und

gegebenenfalls Sonderinformationen die

wesentlichen, bereichsübergreifenden

Risiken kommunizieren und zu den er-

folgten oder noch zu ergreifenden Schrit-

ten der Risikobewältigung Stellung neh-

men. Die Darstellung der Risikosituation

des Unternehmens, also die Dokumenta-

tion der Risiken und das Risk-Reporting,

sollte für alle Beteiligten (Geschäftslei-

tung, Aufsichtsrat, Interne Revision und

Abschlussprüfer) einen besonders hohen

Stellenwert haben.

Krisennachbereitung

Im Rahmen der Risikobewältigung muss

hinterfragt werden, welche Maßnahmen

eingeleitet wurden, um Risiken zu ver-

meiden oder auch einer akuten Krise

Herr zu werden. Krisennachbereitung hat

in erster Linie etwas mit Krisenbewußt-

sein zu tun. „Bedenke das Undenkbare“

– man muss über potentielle Krisenursa-

chen nachdenken. Ziel sollte die Erstel-

lung eines Krisenplans, eventuell als Be-

standteil des Risikomanagementhandbu-

ches, sein. Hier sollten potentielle Krisen

sowie organisatorische, technische und

personelle Maßnahmen bei Entstehung

einer Krise dargestellt werden. Wichtig

sind außerdem Aussagen zur Krisen-

kommunikation und zu Verantwortlich-

keiten. Der Krisenplan sollte nicht als

starre Prozessdefinition verstanden wer-

den, sondern vielmehr als Leitlinie. Zur

Krisennachbereitung gehört eine nach-

trägliche Beseitigung negativer Folgewir-

kungen. Imageschäden lassen sich in

keiner Weise durch Maßnahmen der Risi-

kobewältigung heilen. Informationen

müssen strukturiert, gut aufbereitet und

überzeugend sein. Pressekonferenzen,

Telefonate und Publikationen in Printme-

dien sollten für eine gute Krisenkommu-

nikation berücksichtigt werden. Ziel

muss sein, die Informationsdefizite auf

der Seite der Medien, Shareholder und

Kunden zu reduzieren, möglichst bevor

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Veröffentlichungen von anderer Seite für

größere Imageschäden sorgen. Krisen-

kommunikation sollte sich bereits aus

der gesellschaftlichen Verantwortung des

Unternehmens ergeben. Ferner dient sie

dem Vorsorgeprinzip im Rahmen einer

Haftungsbegrenzung z.B. für fehlerhafte

Produkte.

Handbuch zum

Risikomanagement

Mit dem Risikomanagementhandbuch

wird die Einhaltung der Maßnahmen des

Systems im Zeitablauf sichergestellt, da

hier genaue Arbeitsanweisungen für die

einzelnen Systemelemente zusammen-

gefasst dargestellt werden. Die damit

gewonnene Transparenz erhöht, über die

Sensibilisierungsanstrengungen für alle

Prozessbeteiligten des Unternehmens

hinaus, die Akzeptanz für das Risikoma-

nagement bei den Mitarbeitern. Zum

anderen kann die Unternehmensleitung

im Zweifel unter Zuhilfenahme des

Handbuches in Haftungsfragen entlastet

werden. Es kann belegen, dass die Ge-

schäftsführung ihrer Verpflichtung zur

Einrichtung eines Risikomanagementsys-

tems nachgekommen ist. Gleichzeitig ist

das Handbuch Grundlage für die Prüfung

des Risikomanagementsystems durch

Gesellschafter, Abschlussprüfer und in-

terne Revision. Das Handbuch ist regel-

mäßig zu aktualisieren und hat sich fol-

genden Inhalten zu widmen:

! Verzeichnis der identifizierten Risiken

! Ansprüche aufgrund von Gesetzen

und Verordnungen

! Darlegung der risikopolitischen

Grundsätze des Unternehmens und

der Risikostrategie

! Beschreibung von Aufbau und Ab-

lauforganisation des Risikomanage-

mentsystems, in der Kompetenzen

und Zuständigkeiten für das Risiko-

management dargestellt werden

! Verfahrens- und Arbeitsanweisungen

für einzelne Teilaufgaben des Risi-

komanagements, insbesondere Be-

stimmung der Methoden, Verfahren,

Maßnahmen, Instrumente und Inter-

valle, die im Zug der Risikoanalyse, -

bewältigung und -kontrolle einge-

setzt und beachtet werden müssen.

Darüber hinaus sind die Erkenntnisse,

die während der Risikoanalyse (insbe-

sondere während der Risikoidentifikation

und -bewertung) sowie der Krisennach-

bereitung gewonnen werden, in das Risi-

komanagementhandbuch aufzunehmen.

Zweck des Handbuches ist es, den Ent-

scheidungsträgern ständig einen komp-

rimierten Überblick über die Risikositua-

tion der einzelnen Bereiche und des ge-

samten Unternehmens zu verschaffen.

Neben der quantitativen Bewertung kann

auch eine qualitative Beurteilung vorge-

nommen werden.

Die in diesem Artikel dargestellten Über-

legungen rund um das Thema Risikoma-

nagement sind geeignet, als Grundlage

für jede Form der betrieblichen Wert-

schöpfung erfolgversprechende Impulse

zu liefern.

Kontakt:

Kai Gammelin

Korfiz-Holm-Straße 10

81245 München

Tel.: ++49 89 81099410

Fax: ++49 89 81099412

email: [email protected]

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Risikomanagement in der Logistik (Teil 1)

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Ein Beitrag von Michael Huth

Einleitung

In jüngerer Zeit wurde – vor Allem in der

praxisorientierten Literatur – der Begriff

„Risikomanagement in der Logistik“ ge-

prägt.1 Weder Risikomanagement noch

Logistik sind allerdings betriebliche Funk-

tionen, die völlig neuartig sind, auch

wenn sie einer stetigen Anpassung in

Bezug auf ihre Inhalte unterliegen. Es

stellt sich daher die Frage, ob Risikoma-

nagement in der Logistik als eigenstän-

diger Ansatz angesehen werden kann

oder ob hiermit nur alter Wein in neue

Schläuche gegossen wird. Der vorliegen-

de Beitrag versucht, diese Frage zu be-

antworten.

Dazu werden zunächst logistische Sys-

teme charakterisiert, wobei der Schwer-

punkt auf der Analyse der Komplexität

liegt. Anschließend erfolgt eine Betrach-

tung einiger Risiken, die üblicherweise in

Logistiksystemen vorkommen. Auf Basis

dieser Erkenntnisse wird abschließend

1 Vgl. z.B. Marquard, J. (2002).

diskutiert, welche Anforderungen an ein

konsequentes Management von Risiken

in Logistiksystemen gestellt werden.

Komplexität von

Logistiksystemen

Der Begriff des

Logistiksystems

Die inhaltliche Abgrenzung des Begriffs

der Logistik unterlag und unterliegt wei-

terhin einem stetigen Wandel. So wurde

Logistik zunächst als Funktionenlehre

verstanden, deren Schwerpunkt in der

(lokalen) Optimierung von isoliert be-

trachteten physischen Prozessen (Trans-

port, Umschlag, Lagerung) lag.2 Inzwi-

schen hat sich die Bedeutung der Logis-

tik erheblich gewandelt. So wird unter

Logistik heute i.d.R. die unternehmens-

übergreifende Planung, Steuerung und

Kontrolle von Material- und Informati-

2 Vgl. zur Entwicklung des Logistikbegriffs bspw. Ihde, G. B. (2001), S. 20.

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onsflüssen verstanden.3 Dies bedeutet

zum einen die Erweiterung des Aufga-

benspektrums von der reinen Materialbe-

förderung hin zu umfassenden Manage-

mentaufgaben. Zum anderen impliziert

die weite Auslegung des Logistikbegriffs

die Integration von Zulieferbetrieben und

Kunden in die Planungs-, Steuerungs-

und Kontrolltätigkeiten.4 Die Integration

muss dabei nicht auf die jeweils direkten

Zulieferer und Abnehmer beschränkt

sein. Vielmehr können auch Akteure auf

den weiter vor- und nachgelagerten Stu-

fen in die Managementaktivitäten einge-

bunden sein. Wenn Lieferanten und

Kunden im Rahmen der logistischen Pla-

nung, Steuerung und Kontrolle integriert

sind, wird – häufig synonym – von Logis-

tiksystemen, logistischen Ketten oder

Supply Chains (oder auch Versorgungs-

ketten) gesprochen.5 Hinter allen Begrif-

fen verbirgt sich jedoch i.d.R. eine

3 Vgl. z.B. Schulte, C. (1999), S. 1. 4 Vgl. bspw. Ihde, G. B. (2001), S. 17.

Struktur aus Lieferanten, Produktionsun-

ternehmen und Kunden sowie den ent-

sprechenden Material- und Informations-

flussbeziehungen zwischen ihnen.6 Es

handelt sich somit um ein System, wes-

halb im Folgenden durchgängig der Beg-

riff des Logistiksystems verwendet wird.7

Die Begriffe der Logistikkette und der

Supply Chain zielen stärker auf die Ver-

netzung der Unternehmen über mehrere

Wertschöpfungsstufen hinweg. Ein mög-

liches Differenzierungsmerkmal zwischen

einer Logistikkette und einer Supply

Chain ist die Berücksichtigung von Zulie-

ferbetrieben und Kunden bei der Formu-

lierung der Zielsetzungen: So entschei-

den im Rahmen einer „klassischen“ Lo-

gistikkette die Unternehmen nach ein-

zelwirtschaftlichen Kriterien (und gene-

rieren somit lokale Optima), wohingegen

5 Vgl. bspw. Pfohl, H.-C. (2000), S. 327; Vahren-kamp, R. (1998a), S. 102.

6 Vgl. Pfohl, H.-C. (2000), S. 184 und S. 327-328.

7 Vgl. zur ausführlichen Darstellung von Logistik-systemen Isermann, H. (1998), S. 46-50.

Abbildung 1: Elemente und Beziehungen eines Logistiksystems (Quelle: eige-ne Darstellung)

Lieferant

Lieferant

Kunde

Kunde

LDL LDL

Lieferant OEM

Kunde

Kunde

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bei einer Supply Chain ein unterneh-

mensübergreifendes (und damit globa-

les) Optimum erreicht werden soll.8

Abbildung 1 stellt die Struktur eines der-

artigen Logistiksystems aus der Sicht

eines Produktionsunternehmens (kurz:

OEM – Original Equipment Manufacturer)

dar. Elemente des abgebildeten Logistik-

systems sind die an der Wertschöpfung

beteiligten Unternehmen, bei denen es

sich um den OEM, die Zulieferbetriebe

und Logistikdienstleister (LDL) handeln

kann, sowie die Kunden. (Letztere kön-

nen sowohl Unternehmen als auch priva-

te Haushalte sein.) Zwischen den Ele-

menten bestehen unterschiedliche, i.d.R.

bidirektionale Beziehungen. Bei diesen

Beziehungen handelt es sich insbesonde-

re um die zwischen den Akteuren flie-

ßenden Materialien und Informationen –

8 Vgl. dazu die Ausführungen bei Corsten, H./Gössinger, R. (2001), S. 83.

sie sollen im Folgenden näher charakte-

risiert werden.

Beziehungen in

logistischen Systemen

Die Komplexität eines logistischen Sys-

tems hängt zum einen von der Menge

der Systemelemente, also von der An-

zahl der beteiligten Unternehmen ab. Sie

wird jedoch auch durch Art und Anzahl

der Beziehungen zwischen den Akteuren

beeinflusst. Und sie hängt drittens von

der Dynamik des Systems (und damit

den unterschiedlichen Systemzuständen)

ab.9 Abbildung 1 zeigt die Struktur eines

Logistiksystems, wobei die Beziehungen

zwischen den Unternehmen nicht näher

untersucht werden. Diese Konkretisie-

9 Vgl. zur Komplexität von Systemen ausführlich Kaupp, M. (1996), S. 12-13.

Abbildung 2: Komplexität von Logistiksystemen durch Material- und Informa-tionsbeziehungen (Quelle: eigene Darstellung)

Lieferant OEMLDLBauteile

Verpackung,Retouren

Module

Verpackung,Retouren

Lieferterminbestätigung,Lieferstatus

Lieferterminbestätigung,Lieferstatus

Grobplanung,Feinabruf

Feinabruf

Grobplanung

Materialfluss

Informationsfluss

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rung wird in Abbildung 2 vorgenommen.

Dabei werden drei Aspekte verdeutlicht:

• Zum einen können Informationsbe-

ziehungen auch zwischen Unterneh-

men des Logistiksystems bestehen,

zwischen denen keine direkten Mate-

rialflüsse existieren. Bspw. wird ein

OEM seinen Lieferanten (im Rahmen

der Grobplanung) Planungsdaten zu

Art und Menge der in einem spezifi-

zierten Zeitraum benötigten Bauteile

auch dann senden, wenn zwischen

beide Akteure ein Logistik-

dienstleister geschaltet ist, der ne-

ben dem Transport auch Lager-,

Kommissionier- und zusätzliche

Montagetätigkeiten übernimmt.10

• Zum anderen fließen Informationen

zwischen zwei Unternehmen nicht

nur in eine Richtung, sondern bidi-

rektional. Hierbei handelt es sich

bspw. um Planungsdaten (Primärbe-

darf, spezifische Kundenaufträge)

oder um Feinabrufe im Rahmen der

operativen Produktionsplanung, die

vom nachgelagerten an das vorgela-

gerte Unternehmen gesendet wer-

den. Als Information vom vor- zum

nachgelagerten Unternehmen kön-

nen z.B. Bestätigungen von Liefer-

mengen und -terminen, Lieferschei-

ne oder Rechnungen gesendet wer-

den. Die zwischen den Unternehmen

fließenden Informationen werden in

Bezug auf die Materialflüsse als vor-

auseilend, begleitend und nachlau-

fend charakterisiert.11

• Zum Dritten existieren Materialflüsse

nicht allein in Richtung des Kunden.

10 Vgl. z.B. die vielfältigen Informationsflüsse zwischen OEM, LDL und Lieferanten am Beispiel der Adam Opel AG in o.V. (2001).

Vielmehr werden bspw. auch leere

Transportbehälter oder Retouren zu-

rück zum jeweiligen Lieferanten be-

fördert.12

Zusammenfassend lässt sich festhalten:

Ein Logistiksystem ist auf Grund der

Vielzahl der beteiligten Unternehmen

sowie den zwischen ihnen bestehenden

Beziehungen ein komplexes Gebilde. Die

Komplexität wird durch die in beide Rich-

tungen verlaufenden Materialflüsse und

die Vielzahl bidirektionaler sowie voraus-

eilender, begleitender und nachlaufender

Informationen erheblich gesteigert.

Planung und Steuerung

von Logistiksystemen

Die Komplexität eines Logistiksystems

gestattet noch keine Aussagen zur Anfäl-

ligkeit gegenüber Ausfällen einzelner

Elemente oder Beziehungen. Bspw. kann

der (temporäre) Ausfall eines Zulieferun-

ternehmens dann ohne negative Auswir-

kungen bleiben, wenn im Rahmen der

strategischen Beschaffungsplanung für

das entsprechende Bauteil ein Dual oder

Multiple Sourcing eingerichtet wurde,

also die Beschaffung des Bauteils von

zwei bzw. mehreren unterschiedlichen

Zulieferern erfolgt.13 Andererseits erhöht

sich die Schwierigkeit bei der Planung

und Steuerung eines Logistiksystems

durch die Komplexität des Systems er-

heblich. So resultiert bspw. aus einer

verzögerten und/oder nicht vollständigen

Weitergabe aller relevanten Planungsda-

ten an die vorgelagerten Lieferanten der

sogenannte Peitschenschlageffekt

11 Vgl. Pfohl, H.-C. (2000), S. 8 sowie S. 81. 12 Vgl. Pfohl, H.-C. (2000), S. 19. 13 Vgl. Inderfurth, K. (1998), S. 204-205.

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61 | www.risknews.de 01.2003 Risikomanagement Logistik

(bullwhip effect),14 durch den selbst ge-

ringe Schwankungen der Kundenbedarfe

zu erheblichen Streuungen der Bedarfe

auf vorgelagerten Ebenen (beim OEM

sowie auf den einzelnen Lieferantenstu-

fen) führen.15

Eine Vielzahl weiterer Entwicklungen hat

einen erheblichen Einfluss auf die Plan-

und Steuerbarkeit von logistischen Sys-

temen. In diesem Zusammenhang sind

insbesondere die folgenden als Rahmen-

bedingungen anzusehenden Entwicklun-

gen und Trends zu nennen:16

• Reduzierung der Fertigungstiefe und

dementsprechend höhere Stufigkeit

der Zulieferkette,

• steigende Kundenanforderungen

(z.B. kürzere Reaktions- und Liefer-

zeiten, geringere Bestellmengen bei

höherer Bestellhäufigkeit),

• Globalisierung der Zuliefer- und Pro-

duktionsnetzwerke,

• Verkürzung der Produktlebenszyk-

len,

• Steigerung der Produktkomplexität,

• Erhöhung der Variantenzahl auf

Grund von Kundenanforderungen

(Stichwort: Mass Customization) so-

wie

• vermehrter Einsatz von Informati-

onstechnologien.

14 Vgl. Chase, R. B./Aquilano, N. J./Jacobs, F. R. (1998), S. 335.

15 Vgl. Corsten, H./Gössinger, R. (2001), S. 86. 16 Vgl. Baumgarten, H./Thoms, J. (2002), S. 21;

Vahrenkamp, R. (1998a), S. 1-3.

Risiken in

Logistiksystemen

Strukturbezogene

Logistikrisiken

Die Komplexität logistischer Systeme,

verbunden mit den aufgeführten Ent-

wicklungen, führt zu einer erschwerten

Planung und Steuerung der Material- und

Informationsflüsse. Die Gefahr von fal-

schen Liefermengen, geringer Lieferter-

mintreue, niedriger Liefer- und/oder Pro-

duktqualität oder gar einer Lieferunter-

brechung steigt hierdurch an. Bevor

Maßnahmen entwickelt werden können,

die derartigen Gefahren vorbeugen, ist

es notwendig, die Risiken in Logistiksys-

temen und deren Ursachen zu identifizie-

ren und zu bewerten.

Ursachen für die Risiken, die im Rahmen

von Logistiksystemen existieren, resul-

tieren zum einen aus der Struktur von

Logistiksystemen:

• So steigt bspw. die Wahrscheinlich-

keit, ungenaue oder falsche Be-

darfsmengen zu ermitteln und wei-

terzuleiten, durch die sinkende Ferti-

gungstiefe und die hohe Anzahl der

in Planung und Produktion involvier-

ten Unternehmen an.17

• Global Sourcing (die Nutzung welt-

weiter Beschaffungsmärkte) kann zu

längeren Wiederbeschaffungszeiten

und damit zu einer höheren Wahr-

17 Vgl. hierzu die Erläuterungen zum bullwhip effect oben im Text.

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scheinlichkeit einer Fehlmenge füh-

ren.18

• Die drohende Insolvenz eines Liefe-

ranten erhöht die Gefahr von Fehl-

mengen erheblich, wenn die Beschaf-

fung einzelner Materialien, Kompo-

nenten oder Teilsysteme einzig bei

diesem Lieferanten erfolgt (im so ge-

nannten Single Sourcing).19

Umweltbezogene

Logistikrisiken

Logistikrisiken entstehen zum anderen

aus den oben genannten Entwicklungen

der Umwelt (insbesondere auf der Kun-

denseite) und den sich daraus ergeben-

den Anforderungen an Logistiksysteme:

• Kürzere Reaktions- und Lieferzeiten,

die sich als Ausdruck steigender

Kundenanforderungen ergeben, re-

duzieren die zeitlichen Puffer im

Rahmen der Auftragsbearbeitung er-

heblich. Produktionsunterbrechungen

oder Verzögerungen bei der Waren-

auslieferung wirken sich daher un-

mittelbar negativ auf die Lieferbereit-

schaft und Lieferzuverlässigkeit

aus.20

• Geringere Bestellmengen bei gleich-

zeitig höherer Bestellhäufigkeit der

Kunden führt zu höheren Anforde-

rungen an die Auftragsbearbeitung,

Kommissionierung und Distribution

der Produkte. Wenn diese logisti-

18 Vgl. hierzu bspw. Vahrenkamp, R. (1998b), S. 253; Inderfurth, K. (1998), S. 206.

19 Vgl. zu den mit dem Konzept des Single Sour-cing verbundenen Risiken Inderfurth, K. (1998), S. 204.

schen Funktionen nicht an die Kun-

denanforderungen angepasst wer-

den, steigt die Wahrscheinlichkeit

von Fehlern bei der Kommissionie-

rung und Auslieferung der bestellten

Waren.

• Die Verkürzung der Produktlebens-

zyklen bei gleichzeitiger Steigerung

der Produktkomplexität bedeutet,

dass erheblich mehr Bauteile und

Module (in unterschiedlichen Ent-

wicklungsstufen) benötigt und ge-

handhabt werden. Wenn keine stren-

ge, sowohl physische als auch buch-

halterische Separierung der Bauteile

und Module gewährleistet werden

kann, sind Fehler nahezu vorpro-

grammiert. Diese können umso we-

niger nachvollzogen werden, wenn

keine Identifizierung der Bauteile und

Module nach Entwicklungsstufen vor-

genommen werden kann.

• Der vermehrte Einsatz moderner In-

formationstechnologien kann dazu

verleiten, sowohl die ständige Ver-

fügbarkeit als auch die hohe Qualität

von Daten zur Planung und Steue-

rung vorauszusetzen. Der Ausfall von

Informations- und Kommunikations-

systemen (IuK-Systemen) kann zu

erheblichen negativen Folgen bei der

Lieferfähigkeit (und damit der Erfül-

lung der Kundenwünsche) führen,

insbesondere wenn keine Notfallpläne

oder kurzfristig verfügbaren Ersatz-

systeme existieren. Auch die Akzep-

tanz von Daten, die durch IuK-

Systeme generiert bzw. übermittelt

wurden, birgt Logistikrisiken, wenn

keine ausreichende Prüfung der Kon-

sistenz oder Identifizierung von mög-

20 Vgl. zu diesem Thema Vahrenkamp, R. (1998a), S. 25-26.

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lichen „schleichenden“ (geringen, a-

ber stetig steigenden) Abweichungen

gewährleistet ist.

Allein diese Auflistung von beispielhaften

Risikoquellen macht deutlich, dass in

Logistiksystemen eine Vielzahl von Risi-

ken bestehen kann, die sich aus der Sys-

temstruktur und den Umweltentwicklun-

gen ergeben. Es stellt sich unmittelbar

die Frage, wie sich derartige Risiken i-

dentifizieren lassen. Ein Blick in die Fach-

literatur lässt keine abschließende Be-

antwortung der Frage zu: Logistikrisiken

werden nur vereinzelt, sporadisch und

selten explizit angesprochen (bspw. bei

der Darstellung von Vor- und Nachteilen

des Single Sourcing, des Global Sourcing

oder des Just in Time-Konzepts). Eine

strukturierte Vorgehensweise zur Identi-

fizierung der möglichen Logistikrisiken

jedoch existiert nicht. Dies macht es

unmöglich, die Risikoquellen von Logis-

tiksystemen (und damit die Schwachstel-

len der Systeme) und die möglichen ne-

gativen Auswirkungen analytisch und

umfassend aufzuspüren, um anschlie-

ßend gezielt Maßnahmen zur Risikover-

meidung oder -verminderung (und damit

zur logistischen Leistungsverbesserung)

zu entwickeln und umzusetzen. Mit an-

deren Worten: Es fehlt ein strukturierter

und konsistenter methodischer Ansatz

zur Identifizierung und Bewertung von

Logistikrisiken sowie zur Entwicklung

und Umsetzung von Maßnahmen, die zur

Vermeidung oder Verminderung der i-

dentifizierten logistischen Risiken beitra-

gen.

Risikomanagement als

elementarer Baustein

des Logistik-

managements

Der Begriff des

Risikomanagements

Einen derartig ganzheitlichen Ansatz bie-

tet das Risikomanagement.21 Risikoma-

nagement kann als Führungsaufgabe

definiert werden, deren Zweck es ist,

Risiken zu reduzieren, um Abweichungen

von den angestrebten Zielwerten eines

Systems zu vermindern oder zu vermei-

den, und die somit dazu beiträgt, die

Sicherung bzw. den Erhalt des Systems

zu gewährleisten.22

Risikomanagement lässt sich durch fünf

wesentliche Bausteine charakterisieren

(vgl. hierzu Abbildung 3):23

• Entwicklung einer Risikomanage-

ment-Strategie,

• Durchführung einer Risikoanalyse,

d.h. Identifizierung und Bewertung

von Risiken,

• Erzeugung und Bewertung von Hand-

lungsalternativen24 zur Behandlung

der identifizierten Risiken sowie Aus-

21 Vgl. hierzu Cleemann, L./Kreutzer, R. (1998), S. 63 und S. 66-67.

22 Vgl. zu Definitionen bspw. Haller, M. (1986), S. 21; Wolf, K./Runzheimer, B. (2000), S. 25.

23 Vgl. zu den Phasen des Risikomanagements bspw. Petts, J. (1998), S. 237; ähnlich auch Romeike, F. (2001), S. 13-15.

24 Unter einer Handlungsalternative wird im Fol-genden ein Bündel von Maßnahmen subsumiert. Ebenso kann darunter die Unterlassungsalterna-tive („keine Änderung des status quo“) verstan-den werden.

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wahl einer umzusetzenden Hand-

lungsalternative,

• Realisierung der ausgewählten Hand-

lungsalternative und

• Kontrolle der Umsetzung sowie der

Wirksamkeit der ausgewählten Hand-

lungsalternative.

Auf Grund dieser ersten, wenn auch kur-

zen Charakterisierung wird deutlich, dass

Risikomanagement die derzeitigen Lü-

cken füllen kann, die sich bei der Identi-

fizierung und Behandlung von Logistikri-

siken gezeigt haben. Im Folgenden soll

dargestellt werden, welche Schwerpunk-

te im Rahmen des Risikomanagement in

der Logistik gesetzt werden müssen, um

Logistikrisiken strukturiert analysieren

und gezielt behandeln zu können.

Grundelemente des

Risikomanagements

in der Logistik

Das Konzept des Risikomanagements

stellt einen strukturierten und metho-

disch fundierten Ansatz dar, Risiken sys-

tematisch zu identifizieren, zu bewerten

und Maßnahmen zur Risikoreduktion zu

treffen und umzusetzen. Somit ist auch

die Integration des Risikomanagements

als ein wesentlicher Baustein des Logis-

tikmanagements begründet. Da bisher

im Rahmen des Logistikmanagements

Abbildung 3: Der Risikomanagement-Prozess (Quelle: eigene Darstellung)

RisikoanalyseK

ontr

olle

der

Um

setz

ung

und

der

Wirk

sam

keit

Realisierung einerHandlungsalternative

Erzeugung undB

ewertung von

Handlungsalternativen,

Ausw

ahlentscheidung

Risikomanagement-Strategie

Input

Output

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kein systematischer Ansatz zur Analyse

und Behandlung von Logistikrisiken exis-

tierte, ist es sinnvoll, hierzu die Modelle

und Methoden des Risikomanagements

einzusetzen.

Grundlage für die Durchführung von Ri-

sikoanalysen und für die Generierung,

Bewertung, Auswahl, Umsetzung und

Kontrolle von Handlungsalternativen zur

Reduzierung logistischer Risiken sind

Entscheidungen, die die Risikomanage-

ment-Strategie betreffen. Dabei geht es

vor allem um die Formulierung einer „Ri-

sikopolitik“ und entsprechender risikopo-

litischer Ziele.25

Im Rahmen der Logistik-

Risikomanagementstrategie muss sich

die Risikopolitik an den „Auslösern“ der

Materialflüsse orientieren: Moderne Lo-

gistiksysteme sind nach dem Pull-Prinzip

ausgerichtet. Sie berücksichtigen, dass

Materialflüsse durch Kunden ausgelöst

werden. Dies bedeutet eine konsequente

Orientierung an und Erfüllung der Kun-

denbedürfnisse. Die Nicht-Erfüllung die-

ser Wünsche, sei es durch Fehlmengen

oder Lieferunterbrechungen, führt direkt

oder indirekt zu erhöhten Kosten. Hier-

aus leitet sich für das Logistik-

Risikomanagement das primäre Ziel ab,

Maßnahmen zu planen und umzusetzen,

die zur Vermeidung bzw. Verminderung

der genannten Risiken und dadurch zur

bedürfnisgerechten Belieferung der Kun-

den dienen.

Auf der Basis der durch die Logistik-

Risikomanagementstrategie definierten

Rahmenbedingungen wird zunächst eine

Risikoanalyse durchgeführt. Das Logis-

tiksystem ist dabei strukturiert nach Ri-

siken zu analysieren, durch die die im

Rahmen der Strategie gesetzten Ziele

gefährdet werden können.26 Die hohe

Komplexität von Logistiksystemen stellt

dabei erhebliche Anforderungen an die

Risikoanalyse. Eine Hilfestellung wird

durch den Prozesscharakter von Logis-

tiksystemen geleistet: Da Logistiksyste-

me durch logistische Prozesse und Pro-

zessketten gekennzeichnet sind, ist es

sinnvoll, die Risikoanalyse prozessbezo-

gen durchzuführen.27 Dementsprechend

sind sämtliche Prozesse, die im Logistik-

system durchgeführt werden, sowie ins-

besondere auch die Schnittstellen zwi-

schen Prozessen auf Risiken hin zu un-

tersuchen. Grundlage für die strukturier-

te Risikoanalyse ist somit eine geeignete

grafische und textuelle Prozessdokumen-

tation.28 Bei der grafischen Darstellung

bieten sich z.B. Netzpläne oder ereignis-

gesteuerte Prozessketten an. Im Rah-

men der Risikoanalyse erfolgt neben der

Identifizierung eine Bewertung der Logis-

tikrisiken.29 Dabei wird versucht, für ein

spezifisches Logistikrisiko die potenziel-

len Schäden (z.B. Fehlerfolgekosten) und

die entsprechenden Eintrittswahrschein-

lichkeiten abzuschätzen. (Eine ausführli-

che Darstellung des Ablaufs der Risiko-

analyse im Rahmen des Logistik-

Risikomanagements sowie der für die

Durchführung geeigneten Methoden er-

folgt in einem separaten Beitrag.)

Nach der Identifizierung und Bewertung

der Logistikrisiken erfolgt die Generie-

rung, Bewertung und Auswahl von Hand-

lungsalternativen, die zur Reduktion der

25 Vgl. bspw. Romeike, F. (2001), S. 13. 26 Vgl. Freidank, C.-C. (2000), S. 358-359. 27 Vgl. Cleemann, L./Kreutzer, R. (1998), S. 71;

auch Freidank, C.-C. (2000), S. 353. 28 Dabei kann bspw. auf eine im Rahmen des

Qualitätsmanagement-Systems existierende Prozessdokumentation zurückgegriffen werden.

29 Vgl. Freidank, C.-C. (2000), S. 359-360.

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logistischen Risiken dienen.30 Die Hand-

lungsalternativen lassen sich unterteilen

in Maßnahmen zur

• vollständigen Risikovermeidung,

• Risikoverminderung (Reduktion der

Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder

Verminderung der potenziellen Schä-

den),

• Risikoüberwälzung auf Dritte (bspw.

durch den Abschluss einer Versiche-

rung oder durch Integration eines

Logistikdienstleisters) sowie zum

• Risikoselbstbehalt.31

Diese Phase des Risikomanagements ist

ein eigenständiges, nicht-triviales Ent-

scheidungsproblem, das – wie auch die

Risikoanalyse – in einem separaten Bei-

trag ausführlich erläutert wird.

Nach der Entscheidung darüber, welche

Handlungsalternative realisiert werden

soll, erfolgt die Umsetzung der Maßnah-

me. Während der Umsetzung ist zu kon-

trollieren, ob die Umsetzung gemäß der

Vorgaben erfolgt. Weiterhin ist nach der

Realisierung zu überprüfen, ob die Maß-

nahmen zu den vorher abgeschätzten

Wirkungen (und damit der Risikoredukti-

on) geführt haben. Die gewonnenen In-

formationen werden zum einen genutzt,

um die Logistik-Risikomanagement-

Strategie anzupassen. Sie dienen zum

anderen als Informationsgrundlage bei

einem erneuten Durchlaufen der Phasen

des Risikomanagements.32

30 Teilweise wird auch von risikopolitischen Maß-nahmen gesprochen.

31 Vgl. hierzu Sauerwein, E./Thurner, M. (1998), S. 37-38.

32 Vgl. zur Überwachung des Risikomanagements PwC Deutsche Revision AG/Deutscher Industrie- und Handelstag (2000), S. 14.

Fazit

Zusammenfassend lassen sich die fol-

genden Erkenntnisse festhalten:

• Logistiksysteme zeichnen sich durch

eine hohe Komplexität aus. Die hohe

Komplexität ist eine Ursache für die

Existenz von Logistikrisiken.

• Neben der Komplexität entstehen

logistische Risiken durch die Entwick-

lungen der Umwelt und die dadurch

induzierten Anforderungen an

Logistiksysteme.

• Bislang existiert kein strukturierter

und fundierter Ansatz, um Logistikri-

siken zu identifizieren, zu bewerten

sowie durch geeignete Maßnahmen

zu reduzieren.

• Risikomanagement stellt einen etab-

lierten und methodenbasierten An-

satz zur Analyse und Behandlung von

Risiken dar.

Sinnvoll ist daher die Integration des

Risikomanagements als elementaren

Baustein des Logistikmanagements.

Hierdurch können die derzeitigen metho-

dischen Lücken im Rahmen des Mana-

gements logistischer Systeme geschlos-

sen werden. Somit ist – wenn auch Risi-

komanagement per se keine Novität dar-

stellt – Risikomanagement in der Logistik

für den Logistikmanager ein durchaus

neuer und wertvoller Ansatz zur Beherr-

schung von Logistiksystemen.

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Kontakt:

Michael Huth

Hulocon Huth Logistics Consulting e.Kfm.

Im Uhrig 7

60433 Frankfurt am Main

Tel.: ++49.69.53086939

email: [email protected]

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Basel II – Ist der bayerische Mittelstand „fit“ für

Ratings?

Ergebnisse einer Umfrage unter mittelständischen Unter-

nehmen aus Bayern

Ein Beitrag von Jan Offerhaus

Wie wirken sich Basel II und Ratings auf

mittelständische Unternehmen aus? Wel-

chen Kenntnisstand bezüglich der neuen

Regelungen und deren Konsequenzen

haben die Firmen? Wie bereiten sich Un-

ternehmen auf Ratings vor? Fühlt sich

der Mittelstand „fit“ für Ratings?

Um gesicherte Antworten auf diese Fra-

gestellungen zu erhalten, hat Haarmann

Hemmelrath Management Consultants

GmbH in Zusammenarbeit mit der Fach-

hochschule Merseburg eine Umfrage

durchgeführt. Dabei wurde der Schwer-

punkt bewusst auf den Mittelstand und

auf Bayern gelegt: Auf den Mittelstand,

weil dieser einerseits die tragende Säule

der deutschen Wirtschaft ist, und ande-

rerseits aller Vorhersagen und auch un-

serer eigenen Einschätzung zufolge am

stärksten von Basel II und den struktu-

rellen Veränderungen im Finanzsektor

betroffen sein wird. Auf Bayern, weil die-

ses Bundesland zu den wirtschaftlich

stärksten Regionen Deutschlands zählt.

Wenn hier die Auswirkungen von Basel II

gravierend sind, dann werden sie es

nach unserer Auffassung für den Rest

Deutschlands ebenso sein.

Die Ergebnisse dieser Umfrage bestäti-

gen zum Teil andere Studien ähnlichen

Inhaltes, zum Teil zeigen Sie aber auch

neue Aspekte auf. Im folgenden werden

nach einer kurzen Darstellung des De-

signs der Studie ausgewählte Ergebnisse

der Umfrage vorgestellt und kommen-

tiert.

Das Design der Studie

Grundlage für die Studie war ein Frage-

bogen mit 12 Fragen zum Thema Rating

und Basel II, ergänzt um Fragen zur

Branchen- und Größenklasseneinteilung

der befragten Unternehmen. Die inhaltli-

chen Fragen bezogen sich auf 8 ver-

schiedene Themenblöcke:

• Einschätzung der momentanen

Kreditfinanzierungsmöglichkeiten

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70 | www.risknews.de 01.2003 Rating und Basel II

• Informationsstand zu Basel II

und Rating

• Eigene Erfahrungen mit Rating-

verfahren

• Vergleichende Bewertung von ex-

ternen und bankinternen Ratings

• Informationsstand über Ratinga-

genturen

• Einschätzung der Ratingkriterien

• Erwartete Auswirkungen von Ra-

tingverfahren

• Einschätzung des eigenen Vorbe-

reitungsstandes auf Ratingverfah-

ren

Da die Fragen von unterschiedlicher

Komplexität und Art sind, wurde darauf

verzichtet, ein einheitliches Antwort-

schema zu verwenden. Bei einigen Fra-

gen gab es 3- oder 4-stufige Antwort-

möglichkeiten, bei anderen Fragen konn-

te aus einer Liste von Antwortmöglich-

keiten (zum Teil auch mit Mehrfachnen-

nung) ausgewählt werden.

Die schriftliche Umfrage wurde von April

bis Juni 2002 durchgeführt. Zielgruppe

waren bayerische mittelständische Un-

ternehmen aus allen Branchen. Insge-

samt 150 Firmen haben sich beteiligt.

Die Auswertung erfolgte im Zeitraum Juli

bis Oktober 2002.

Zur Auswertung wurden die Unterneh-

men in drei Größenklassen eingeteilt,

wobei sowohl Umsatz als auch Mitarbei-

terzahl als Kriterium berücksichtigt wur-

den. Bei einigen Fragestellungen zeigten

sich signifikante Unterschiede zwischen

den einzelnen Größenklassen. Diese

wurden in der Studie entsprechend be-

wertet.

Die empirische Erhebung und die Aus-

wertung der Antworten erfolgten in Zu-

sammenarbeit mit der Fachhochschule

Merseburg.

Einschätzung der Fi-

nanzierungsmöglich-

keiten

Aus der veröffentlichten Meinung in der

Presse konnte man in den letzten Jahren

stets entnehmen, dass sich die Banken -

insbesondere die Großbanken - aus dem

Firmenkreditgeschäft mehr und mehr

zurückziehen, da für die Kreditinstitute

dieses Geschäft unrentabel geworden ist.

Untersuchungen der Deutschen Bundes-

bank1 zeigen, dass in der Tat die Kredit-

vergabe zurückgegangen ist. Wie schät-

zen die Unternehmen aber selbst das

Kreditangebot ein?

Graphik 1: Einschätzung der Fremd-

finanzierungsmöglichkeiten

1 Deutsche Bundesbank: „Zur Entwicklung der Bankkredite an den privaten Sektor“, in: Monatsbe-richt Oktober 2002.

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Für 59% der befragten Unternehmen

haben sich die Möglichkeiten der Kredit-

finanzierung innerhalb des letzten Jahres

verschlechtert, für 37% blieben sie kon-

stant. Dass die Kreditversorgung vom

Mittelstand zur Zeit als kritisch einge-

schätzt wird, zeigt sich daran, dass sich

die Möglichkeiten der Fremdkapitalbe-

schaffung nur für 1% der Unternehmen

verbessert haben.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie des

Deutschen Industrie- und Handelskam-

mertages2 kommt zu ähnlichen, aller-

dings nicht ganz so deutlichen Ergebnis-

sen wie die Umfrage von Haarmann

Hemmelrath Management Consultants

GmbH. Für die Gesamtheit der Unter-

nehmen fällt bei der DIHK-Studie das

Resultat der Frage nach einer Verände-

rung der Kreditkonditionen nicht ganz so

negativ aus. Allerdings verschlechtert

sich das Bild eindeutig, wenn in der

DIHK-Studie nur die kleineren und mit-

telständischen Unternehmen betrachtet

werden, so dass die „Mittelstandsfinan-

zierung in schwierigem Umfeld“ gesehen

wird.

Ein Rückgang der Kreditvergabe in der

derzeitigen konjunkturellen Situation

resultiert jedoch nicht nur aus einer Ver-

knappung des Kreditangebots durch die

Banken, sondern vor allem auch aus ei-

ner geringeren Investitionsneigung der

Unternehmen selbst. Die in dieser Studie gewählte Fragestellung zielt jedoch be-

wusst auf die Entwicklung der Fremdfi-

nanzierungsmöglichkeiten aus Sicht der

Unternehmen selbst ab und berücksich-

2 Deutscher Industrie- und Handelskammertag: „Mittelstandsfinanzierung in schwierigem Umfeld –

tigt damit in der Form der Frage das

Verhältnis von Angebot und Nachfrage.

Fazit: Aus Sicht der Unternehmen hat

sich das Kreditangebot im letzten Jahr

stärker verringert als ihre eigene Kredit-

nachfrage. Hierin scheinen sich die

strukturellen Veränderungen auf dem

Kreditmarkt widerzuspiegeln, zu denen

auch Basel II und das Rating von Unter-

nehmen gehören.

Informationsstand zu

Basel II und Ratings

Die Unternehmen müssten sich in Kon-

sequenz der eigenen Einschätzung des

Kreditmarktes mit dem wesentlichen

Faktor der strukturellen Veränderung,

nämlich Basel II, intensiv auseinander-

setzen. Haben die bayerischen Unter-

nehmen dies bereits getan? Erstaunli-

cherweise haben sich 5% der befragten

Unternehmen mit den neuen Regelungen

überhaupt noch nicht, 54% erst in gro-

ben Zügen damit auseinandergesetzt.

Immerhin 41% fühlen sich nach eigenem

Bekunden detailliert informiert über Ba-

sel II und die resultierenden Konsequen-

zen der Kreditvergabe.

Graphik 2: Informationsstand zu Ba-

sel II und Ratings

Ergebnisse einer Umfrage zur Unternehmensfinan-zierung“, Berlin, November 2002.

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Unterscheidet man die drei Größenklas-

sen, so lässt sich feststellen, dass sich

die größeren Unternehmen deutlich bes-

ser informiert fühlen als die kleineren

und mittleren.

Obwohl das Thema Basel II und die da-

mit verbundenen Konsequenzen zweifel-

los wesentliche Auswirkungen auf die

Kreditfinanzierung der Unternehmen ha-

ben, lässt das Ergebnis vermuten, dass

viele Unternehmen Basel II keinen sehr

hohen Stellenwert beimessen. Dies mag

an der wiederholten Verschiebung der

tatsächlichen Inkraftsetzung von Basel II

liegen, die die Auswirkungen der neuen

Regelung scheinbar in ferne Zukunft ver-

schiebt. Es mag aber auch in einer man-

gelnden Informationsversorgung der

Unternehmen durch die vorhandenen

Informationsquellen bedingt sein. Dieser

Frage wurde daher in der Untersuchung

ebenfalls nachgegangen.

Überwiegend nannten die Unternehmen

die Kreditinstitute als wesentliche Infor-

mationsquelle bezüglich Basel II.

Daneben kommen den Wirtschaftsprü-

fern und Steuerberatern sowie den Ver-

bänden und Kammern bedeutende Posi-

tionen bei der Informationsversorgung

zu.

Es wurde allerdings auch nach der Zu-

friedenheit mit der Informationsversor-

gung durch die genannten Quellen ge-

fragt. Ergebnis: Fast zwei Drittel der Un-

ternehmen erwarten sich zukünftig bes-

sere Informationen zu Basel II als bis-

her. Vorrangig werden auch hier die Kre-

ditinstitute sowie die Wirtschaftsprüfer

und Steuerberater genannt, von denen

weiterführende Auskünfte eingefordert

werden.

Unzufriedenheit mit

bankinternen Ratings

Welche eigenen Erfahrungen mit inter-

nen oder externen Ratingverfahren ha-

ben die Unternehmen bereits? Die Mehr-

heit der Unternehmen (nämlich 65%)

wurde bereits einem Ratingverfahren

unterzogen. Da aber erst 41% der Un-

ternehmen sich überhaupt umfassend

über Basel II und Ratings informiert ha-

ben bzw. von den Kreditinstituten und

anderen informiert wurden, bedeutet

dies, dass eine nicht unbedeutende Zahl

an Firmen bisher noch die Ratings der

Banken mehr oder weniger passiv und

schlecht informiert über sich ergehen

lassen. Erwartungsgemäß hat dagegen

nur eine Minderheit der Umfrageteilneh-

mer bereits ein externes Rating erhalten,

nämlich 10% der Gesamtheit der befrag-

ten Unternehmen.

In Deutschland gibt es gerade unter mit-

telständischen Unternehmen sehr wenige

publizierte externe Ratings. Daher ist

dieser auf den ersten Blick scheinbar

geringe Anteil von 10% der Umfrageteil-

nehmer mit einem externen Rating doch

erstaunlich hoch. Die Höhe des Anteils

lässt sich vermutlich nur durch zwei As-

pekte begründen:

• Es handelt sich hier um eine Rei-

he von Unternehmen, die zwar

ein externes Rating besitzen, die-

ses aber nicht veröffentlichen lie-

ßen.

• Die Unternehmen sehen auch

Analysen von Wirtschaftsprüfern

oder Unternehmensberatern be-

reits als externe Ratings an. Zu-

sätzliche Informationen auf ein-

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zelnen Fragebögen lassen diesen

Schluss zu.

Wie beurteilen aber die Unternehmen die

Ratingverfahren, mit denen sie selbst

Bekanntheit gemacht haben? Hier zeigen

sich deutliche Unterschiede zwischen den

bankinternen und den externen Rating-

verfahren. Fast 50% der Unternehmen

mit bankinternen Ratings finden sich

durch den Ratingprozess nicht zutreffend

beurteilt. Hier zeigt sich eine deutliche

Kritik an den Ratingverfahren der Ban-

ken. Es scheint, als ob Kreditinstitute

entweder ihre Ratingverfahren verbes-

sern oder ihren Kreditnehmern die Ra-

tingverfahren besser erläutern und die

darin verwendeten Kriterien transparen-

ter machen sollten.

Aus Sicht der Unternehmen ergibt sich

folgende Konsequenz aus der Unzufrie-

denheit mit den bankinternen Ratingver-

fahren: Eine intensive Vorbereitung soll-

te nicht nur für externe Ratingverfahren

zur Regel werden, sondern eben auch für

die bankinternen Ratingverfahren. Au-

ßerdem sollten die Kreditinstitute von

Seiten der Unternehmen intensiver in die

Pflicht genommen werden, wenn es um

Erläuterungen der Ratingverfahren, de-

ren Kriterien und Inhalte geht.

Wie schätzen die Unternehmen externe

und bankinterne Ratings in der verglei-

chenden Betrachtung ein? Von den be-

fragten Unternehmen würden immerhin

28% ein externes Rating einem bankin-

ternen vorziehen. 51% dagegen sehen

sich mit einem bankinternen Rating aus-

reichend bedient.

Interessanterweise liegt der Anteil der

Unternehmen, die externe Ratings ge-

genüber bankinternen bevorzugen, hö-

her als derjenige von Firmen, die tat-

sächlich schon ein externes Rating

durchgeführt haben. Die Unternehmen

scheinen bei dieser Vergleichsfrage somit

zu einem großen Teil nicht aus eigener

positiver Erfahrung mit externen Ra-

tings, sondern vielmehr aus ihren Erfah-

rungen mit Bankenratings zu urteilen.

Graphik 3: Vergleich externer mit

bankinternen Ratings

Fazit: Für die Ratingagenturen, die in

Deutschland in den letzten Jahren nicht

die zum Teil erwarteten Zuwachsraten

verzeichnen konnten, besteht hier noch

ein großes Potential. Für die Banken

wiederum sollte das Antwortverhalten

Anlass geben, ihre Informationspolitik

zum Thema Rating zu verbessern.

Vorbereitungsstand

der Firmen auf Ratings

Eine sehr wichtige Frage der Studie ist

die der Selbsteinschätzung der Unter-

nehmen bezüglich ihres momentanen

Vorbereitungsstandes auf ein Ratingver-

fahren. Fühlen sich die Unternehmen

also “fit” für ein Rating? Erstaunlicher-

weise beantworten diese Frage nur 59%

der Umfrageteilnehmer mit Ja. 21% füh-

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len sich nicht “fit” und 20% wollen oder

können keine Angabe machen. Interes-

sant ist, dass in der Gruppe der kleinen

Unternehmen der Anteil derjenigen, die

sich “fit” fühlen, signifikant auf 45%

sinkt.3

Graphik 4: Vorbereitungsstand auf

Ratingverfahren

Da es sich bei dieser Frage um eine

Selbsteinschätzung handelt, kann selbst-

verständlich keine Aussage getroffen

werden, ob die Unternehmen sich selbst

zutreffend beurteilen. Bei dem zum Teil

geringen Informationsstand der Unter-

nehmen zu Basel II und Ratings (siehe

Abschnitt 5) kann allerdings vermutet

werden, dass noch mehr Unternehmen

als angegeben nicht ausreichend auf ein

Ratingverfahren vorbereitet sind. Insge-

samt kann somit geschlossen werden,

dass bei einem bedeutenden Teil des

bayerischen Mittelstandes in nächster

3 Eine Umfrage des BDU im Juli 2001 unter baden-württembergischen Unternehmen kam bei der selben Fragestellung zu einem höheren Prozentsatz an Firmen, die sich fit fühlten, und zu geringeren Prozentsätzen an Firmen, die sich nicht fit fühlten oder die keine Aussage treffen konnten (BDU Regi-onalarbeitskreis Baden-Württemberg: „Rating von Unternehmen in Baden-Württemberg“, Dezember 2001, S.11). Unter Umständen ist die Verschlechte-rung der konjunkturellen Situation ausschlagge-bend für die negativere Einschätzung der Unter-

Zeit mit Maßnahmen zur Vorbereitung

auf ein Rating zu rechnen sein sollte.

Daher wurde auch danach gefragt, in

welchen Bereichen die Unternehmen

konkrete Optimierungen planen, die sie

für ein Rating “fit” machen könnten. Die

Bereiche, die am häufigsten genannt

wurden, können alle dem Bereich Unter-

nehmenssteuerung zugerechnet werden:

Controlling, Risikomanagement, Planung

und Finanzen. Die Unternehmen schei-

nen erkannt zu haben, dass eine Verbes-

serung in diesen Bereichen einerseits die

eigene Unternehmensführung verbessern

sowie zukunftsfähiger machen kann, und

dass andererseits diese Instrumente am

besten geeignet sind, den Banken oder

Ratingagenturen die in Ratingverfahren

notwendige Transparenz zu verschaffen.

Fazit

Die vorliegende Studie zeigt, dass es im

bayerischen Mittelstand noch große Un-

sicherheiten über die Auswirkungen von

Basel II und die Anforderungen von Ra-

tingverfahren gibt.

Das Fazit für die Unternehmen: Sie soll-

ten sich aktiv über Basel II und Ratings

informieren. Dies ist eine Hol-, keine

Bringschuld. Dieses Einholen von Infor-

mationen sollte aber über Informationen

allgemeiner Natur zu Basel II hinausge-

hen. Insbesondere sind die Inhalte und

Kriterien der Ratingverfahren der jeweili-

gen Bank bzw. Ratingagentur im Detail

zu erfragen. Entscheidend dazu gehört

auch das detaillierte Wissen über die

Einschätzung der eigenen Bonität durch

nehmen in der Studie von Haarmann Hemmelrath Management Consultants GmbH.

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die jeweiligen Banken. Insbesondere ist

es wichtig von den Kreditinsituten, die

Faktoren zu erfragen, die entscheidend

die Ratingeinstufung verbessern könn-

ten. Erst dann kann das Unternehmen

aufgrund der Kenntnis der eigenen Stär-

ken und Schwächen die geeigneten Maß-

nahmen für ein aktives Bonitätsmana-

gement treffen.

Entscheidend wird auch sein, dass die

Firmen gegenüber den Kreditinstituten

eine größere Transparenz bieten. Eine

Konsequenz von Basel II für die Banken

ist nämlich, dass sie die Unternehmen

detaillierter und systematischer analysie-

ren müssen. Dabei werden mangelnde

Informationen grundsätzlich als negativ

bewertet. Die kreditsuchenden Unter-

nehmen sollten daher abwägen, ob es

sinnvoll und vom Aufwand her vertretbar

ist, zum Zweck der verbesserten Darstel-

lung gegenüber den Banken die eigenen

Management-Informationssysteme wei-

terzuentwickeln. Dabei sollten allerdings

nicht nur kurzfristige Effekte auf die ak-

tuellen Kreditkonditionen im Entschei-

dungskalkül eine Rolle spielen. Vielmehr

ist zu berücksichtigen, dass durch die

optimierten Instrumente langfristig vor

allem die eigene Unternehmenssteue-

rung verbessert wird. Wie die Studie

gezeigt hat, befinden sich einige Unter-

nehmen mit den geplanten Verbesserun-

gen vor allem in den Bereichen der Un-

ternehmenssteuerung bereits auf gutem

Wege.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ent-

scheidung für eine Finanzierungsstrate-

gie. Diese sollte einerseits die Eigenkapi-

talquote verbessern und andererseits

Alternativen zum Bankkredit aufbauen.

Als Ergänzung zum Bankkredit bieten

sich unter anderem Mezzanine-

Finanzierungen, Leasing, Factoring, un-

ter Umständen auch die Verbriefung von

Forderungen (Asset Backed Securities)

an.

Kontakt:

Jan Offerhaus

Haarmann Hemmelrath Management

Consultants GmbH

Maximilianstr. 35

80539 München

Tel.: +49 / 89 / 21636-390

email: [email protected]

website: www.hhmc.de

Die vollständige Studie kann bei obiger

Adresse bezogen werden.

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Serie: Bestimmung von

Ausfallwahrscheinlichkeiten - Teil 5

Integrative Modelle

– Credit Risk Evaluation Model

Ein Beitrag von Uwe Wehrspohn

Als Abschluss unserer Serie zur Bestimmung von Ausfallwahrscheinlichkeiten möchten wir als einen vierten ratingbasierten Ansatz1 das Credit Risk Evaluation Model2 (CRE Modell) darstellen.

Um die charakteristischen Eigenschaften einzelner Kundengruppen exakt abbilden zu können, hat das CRE Modell eine offene und flexible Architektur, die die Verwendung unterschiedlicher Schätz-methoden für unterschiedliche Kundensegmente erlaubt, insbesondere für Firmen in verschiedenen Branchen und Ländern und für Privatkunden.

Das CRE Modell fasst drei empirische Einflussfaktoren auf die Ausfallwahrscheinlichkeiten von Kun-den zusammen: Länderrisiken und mikro- und makroökonomische Einflüsse auf das Ausfallverhal-ten von Kunden. Wir werden im folgenden die drei Risikoebenen darstellen und konsistente Schätz-verfahren für die Modellparameter angeben.

Länderrisiko

Das Ausfallrisiko der Herkunftsländer der Kunden ist ein wesentlicher Faktor in der Einschätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten und von Portfoliorisiken, denn es hält oft Firmen und Privatkunden gegen ihren eigenen Willen und auch gegen ihre eigenen finanziellen Möglichkeiten davon ab ihren vertraglich vereinbarten Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

Wir definieren den Ausfall eine Landes als vorübergehende Unterbrechung des Zahlungsverkehrs zwischen dem Land und dem Heimatland der Finanzinstitution, die die Analyse durchführt. Störun-gen des Zahlungsverkehrs können wirtschaftliche oder politische Ursachen haben, wie etwa Devi-

1 Vgl. RiskNEWS 05.2002, pp. 7-18 (Mittelwertmodell), RiskNEWS 09.2002, pp. 69-77 (Credit Risk+) und Risk-NEWS 11.2002, pp. 45-64 (Credit Portfolio View). 2 Das CRE Modell ist ein Warenzeichen des Centers for Risk & Evaluation GmbH & Co. KG, Heidelberg. www.risk-and-evaluation.com. Es umfasst nicht nur die Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten, sondern sämtliche Schritte bei der Modellierung, Analyse und Steuerung des Kreditrisikos des einzelnen Kunden und des Bankportfolios. Es wird ausführlich dargestellt in Wehrspohn (2002).

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senknappheit der Zentralbank oder Kriege. Zahlreiche solche Krisen wurden seit den 1960’er Jah-ren in Osteuropa, Asien, Latein- und Mittelamerika und Afrika beobachtet3.

Wenn eine Finanzinstitution keine eigenen Länderrisikoanalysen durchführt, können Länderratings und Schätzungen von Ausfallwahrscheinlichkeiten von Ländern von den internationalen Ratinga-genturen wie Standard and Poor’s, Moody’s oder Fitch’s bezogen werden.

Normalerweise wird das Länderrisiko in die Kreditrisikomodelle so integriert, dass alle Kunden aus einem gewissen Land mindestens auf das Rating des Landes heruntergestuft werden. Das heißt zum Beispiel, dass eine Firma in Mexiko (BBB bei Standard and Poor’s in 2002) kein A-Rating ha-ben kann, auch dann nicht wenn sie innovativ, wettbewerbsstark und finanziell gut gemanaged ist.

Dieses Verfahren hat zwei Nachteile. Es kann zum einen nicht mehr zwischen Kunden unterschei-den, die dasselbe oder ein höheres Rating besitzen als ihr Herkunftsland. Es ist allerdings kaum glaubwürdig, dass AAA-, A- und BBB-Firmen in Mexiko alle dieselben finanziellen Aussichten und dieselbe Kreditwürdigkeit besitzen. Zum anderen macht dieses Verfahren nicht deutlich, dass alle Kunden aus einem Land gleichzeitig von einem Krieg oder einer Finanzkrise betroffen sind. Dieses Argument zeigt, dass das Länderrisiko nicht nur im Blick auf die Ausfallwahrscheinlichkeit von Be-deutung ist, sondern dass es auch auf Portfolioebene Abhängigkeiten zwischen Kontrahenten er-zeugt und darstellt4.

Aus diesem Grund wird der Zustand eines Landes – ob es finanziell intakt oder ausgefallen ist – im CRE Modell als ein Hintergrundfaktor behandelt. Das Rating eines Kunden wird darauf bedingt, dass sein Herkunftsland zahlungsfähig ist. Es kann hier also eine mit A geratete Firma in einem BBB-Land wie Mexiko geben. Wenn auf der anderen Seite ein Land ausfällt, werden automatisch alle Kunden aus diesem Land mit betroffen5. Hierdurch kann das Länderrisiko, die Unterschiede in der Kreditqualität der einzelnen Ratings und insbesondere auch die Kettenreaktion, die durch den Aus-fall eines Landes ausgelöst wird, erfasst werden.

Das Heimatland der Finanzinstitution, die die Analyse durchführt, ist hier ein Spezialfall. Anders als ausländische Kunden benötigen die Landsleute der Finanzinstitution keine Devisen, um ihre Zah-lungsverpflichtungen zu erfüllen. Die Zentralbank des Landes ist hier nicht direkt in die Finanzbe-ziehung involviert. Selbst wenn die Zentralbank in Devisenknappheit gerät, können diese Kunden ihre Zahlungen leisten. Die Sonderrolle des Heimatlandes der Finanzinstitution resultiert aber auch daraus, dass eine politische Krise wie etwa ein Krieg sie hier direkt mitbetreffen würde. Dies ist eine Sondersituation, die weit über die Bedeutung des Kreditrisikomanagements hinausgeht. Wir nehmen deshalb an, dass das Heimatland der Bank risikofrei ist und nicht ausfallen kann.

Da Länder untereinander eng zusammenhängen können, können diese Überlegungen u.U. auf Gruppen von Ländern ausgeweitet werden, die mit dem Heimatland der Finanzinstitution quasi einen Risikoverbund bilden. Es ist zum Beispiel kaum vorstellbar, dass ein Land der Eurozone iso-liert zahlungsunfähig wird. Durch die gemeinsame Währung und die ausgeprägte Verflechtung der Wirtschaften über Ex- und Importe ist es mehr als wahrscheinlich, dass eine Krise sich sofort auf die Partnerländer ausdehnen würde. Für eine entsprechende Bank ist es also durchaus sinnvoll, die Eurozone als ihr „Heimatland“ anzusehen.

3 Zum Beispiel in Argentinien, Costa Rica, Iran, Ghana, Guatemala, Uganda, Indonesien, Nicaragua, Zaire, Yu-goslawien, Panama, Rumänien, Uruguay und andere (vgl. UBS (2001), p. 6). 4 Vgl. hierzu Wehrspohn (2002), pp. 149ff. 5 Für multinationale Firmen kann dieser Automatismus abgemildert werden (siehe unten).

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Eine Kundengruppe, die im Zusammenhang mit dem Länderrisiko besondere Aufmerksamkeit ver-dient, sind multinationale Konzerne, die zwischen mehreren Ländern gut diversifiziert sind. Wenn eine Firma bedeutende Niederlassungen in anderen Ländern besitzt, ist es möglich, dass sie auch dann ihren internationalen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann, wenn ihre Zentrale vorü-bergehend vom Zahlungsverkehr abgeschnitten ist. Dieser Effekt wird im CRE Modell durch Ran-domisierung beschrieben. D.h., wenn ein Land ausfällt, wird die Firma nicht automatisch davon mitbetroffen, sondern lediglich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Betrachtung von Länderrisiken im CRE Modell nicht unbedingt erforderlich ist. Regional orientierte Banken haben oft nur wenig oder gar kein Geschäft mit dem Ausland. In diesem Fall ist es zur Erfassung der Risikosituation vielfach nicht notwendig Länderrisi-ken zu überwachen.

Mikroökonomische Einflüsse auf das Ausfallrisiko

Wenn eine Bank die Geschäftsbeziehungen ihrer Kunden und ihre Konkursgründe gut kennt, kann sie mikroökonomische Einflüsse auf das Ausfallrisiko mit in die Analyse einbeziehen.

Neben dem allgemeinen unternehmerischen Risiko tragen Firmen ähnlich wie Finanzinstitutionen selbst ein Ausfallrisiko. Die Zahlungsunfähigkeit eines Geschäftspartners kann ein Unternehmen unmittelbar selbst in eine bestandsgefährdende finanzielle Krise führen. Ein prominentes Beispiel ist der Zusammenbruch des Baukonzerns Schneider 1995. Dutzende kleinerer Baufirmen, die aus-schließlich auf den Baustellen der Schneider AG arbeiteten wären mit in die Insolvenz gezogen worden, wenn nicht die Deutsche Bank, einer der Hauptgläubiger der Schneider AG, ihre soziale Verantwortung als eine der führenden Finanzinstitutionen wahrgenommen und diesen Firmen ihre außenstehenden Forderungen bezahlt hätte.

Krisen können sich vor allem aus zwei Gründen von einem Unternehmen auf ein anderes übertra-gen. Zum einen kann eine Firma in Liquiditätsengpässe geraten, wenn die Zahlung eines substan-tiellen Teils ihrer kurzfristigen Forderungen nicht mehr in der nahen Zukunft erwartet werden kann, wenn überhaupt. Dies ist auch heute noch ein wesentlicher Konkursgrund in den neuen Bundeslän-dern. Zweitens kann eine Firma einen Teil ihres Absatzmarktes verlieren, wenn ein wichtiger Kunde ausfällt6. Dies ist vor allem dann gravierend, wenn der Markt klein ist und wenn die Firma nur we-nige Kunden hat. Beide Probleme traten in obigem Beispiel gemeinsam auf. Dieses Argument zeigt aber auch, dass Wirtschaftssubjekte nicht nur über systematische Risikofaktoren voneinander ab-hängen wie oft gesagt wird7.

Mikroökonomische Einflüsse auf das Ausfallrisiko können ein wertvolles Werkzeug sein, um Aus-fallwahrscheinlichkeiten zu modellieren, wenn eine regionale Wirtschaftsstruktur von wenigen gro-ßen Unternehmen dominiert wird. Industriezweige, in denen dies häufig der Fall ist, sind die tradi-tionellen Branchen wie die Stahl-, die Kohle- und die Autoindustrie. So hängt z.B. Wolfsburg stark von Volkswagen ab, Clermont Ferrand von Michelin, Longbridge von Dover und Leverkusen von Bayer. Ein Kollaps eines dieser Großunternehmen würde in den betroffenen Regionen tausende Arbeitnehmer gleichzeitig arbeitslos machen. Viele der entlassenen Arbeiter hätten Schwierigkeiten kurzfristig neue Arbeitsplätze zu finden, so dass Hypothekenkredite und andere Darlehen unmittel-bar in Frage gestellt wären. Darüber hinaus würde die gesamte wirtschaftliche Infrastruktur an

6 Oder ihrerseits in Lieferschwierigkeiten geraten, wenn ein Schlüssellieferant wegfällt. 7 Vgl. Wilson (1997a, b), Credit Suisse Financial Products (1996).

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kleinen und mittelständischen Unternehmen der Region durch die Schrumpfung des Marktes in Mitleidenschaft gezogen.

Beachte, dass eine ähnliche mikroökonomische Beziehung auch eine Verbesserung der Kreditquali-tät einer Firma bedeuten kann, wenn ein wichtiger Wettbewerber ausfällt. Dieses Phänomen ist jedoch wahrscheinlich von geringerer ökonomischer Bedeutung.

Neben mikroökonomischen Abhängigkeiten, die über den Markt vermittelt werden, treten individu-elle Beziehungen zwischen Firmen auch bei direkten Besitz- oder Beherrschungsverhältnissen auf. Bei Firmen, die demselben Eigentümer oder derselben Holding gehören, sind finanzielle Probleme wahrscheinlich, wenn die Holding oder der Eigentümer in Konkurs geht. Da Banken solche Risiko-verbünde den Aufsichtsbehörden melden müssen8, liegen in den Instituten insbesondere über die-sen Fall gut konsolidierte Daten vor.

Schließlich treten manche Kunden in einem Bankportfolio u.U. in verschiedenen Rollen auf. Ein Kunde kann ein Kreditnehmer oder ein Handelspartner sein. In diesem Fall resultiert sein Kreditri-siko direkt aus den Geschäften, die mit ihm gemacht werden. Eine Bank kann aber auch z.B. eine Short Put Option auf die Aktie einer Firma halten. Hier wäre jemand anderes der direkte Kontra-hent des Geschäftes und die Firma, auf deren Aktie die Option ausgeschrieben ist, wäre nur indi-rekt und möglicherweise ohne ihr Wissen involviert. Dennoch erzeugt sie ein substantielles Kredit-risiko für die Bank, denn die Put Option würde stark an Wert gewinnen, wenn die Firma konkurs ginge9. Für die Analyse marginaler Risiken, die Preisfindung von Krediten und die Exposurelimitie-rung macht es einen großen Unterschied, ob ein Kunde das Kreditrisiko bezahlen muss, das aus seinen eigenen Geschäften stammt, oder ob er für das gesamte Kreditrisiko verantwortlich ge-macht wird, das von ihm durch direkte oder indirekte finanzielle Interaktionen ausgelöst wird.

Dieses Problem kann leicht gelöst werden, wenn mikroökonomische Beziehungen in das Modell integriert werden. Hier kann der Kunde durch zwei identische Kopien seiner selbst dargestellt wer-den, die vollständig voneinander abhängen, d.h. die entweder gemeinsam ausfallen oder überle-ben. Beide Kopien unterscheiden sich lediglich in der ihnen zugeschriebenen Exposurehöhe und in ihrer ‚stand alone’-Ausfallwahrscheinlichkeit. Das erste Exemplar repräsentiert die Geschäfte, die direkt mit einem Kunden abgeschlossen wurden und hat die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kunden, während das andere das indirekt von ihm ausgelöste Kreditrisiko zusammenfasst und eine ‚stand alone’-Ausfallwahrscheinlichkeit von Null hat, es fällt nur mit seinem Spiegelbild zusammen aus. In allen weiteren Analysen und Risikomanagementmaßnahmen können so beide Risikoquellen exakt auseinandergehalten werden.

8 Vgl. z.B. KWG § 19, 2: “1 Im Sinne der §§ 10, 13 bis 18 gelten als ein Kreditnehmer zwei oder mehr natürli-che oder juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften, die insofern eine Einheit bilden, als eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluß auf die andere oder die anderen ausüben kann, oder die ohne Vorliegen eines solchen Beherrschungsverhältnisses als Risikoeinheit anzusehen sind, da die zwischen ihnen bestehenden Abhängigkeiten es wahrscheinlich erscheinen lassen, daß, wenn einer dieser Kreditnehmer in finanzielle Schwierigkeiten gerät, dies auch bei den anderen zu Zahlungsschwierigkeiten führt. 2 Dies ist insbe-sondere der Fall bei:

- allen Unternehmen, die demselben Konzern angehören oder durch Verträge verbunden sind, die vor-sehen, daß ein Unternehmen verpflichtet ist, seinen ganzen Gewinn an ein anderes abzuführen, sowie in Mehr-heitsbesitz stehenden Unternehmen und den an ihnen mit Mehrheit beteiligten Unternehmen oder Personen, (...)

- Personenhandelsgesellschaften und jedem persönlich haftenden Gesellschafter sowie Partnerschaften und jedem Partner und

- Personen und Unternehmen, für deren Rechnung Kredit aufgenommen wird, und denjenigen, die diesen Kredit im eigenen Namen aufnehmen. “ 9 Dies zeigt auch, dass nicht nur Forderungen einem Kreditrisiko unterliegen, sondern dass auch die Höhe von Verbindlichkeiten von der Kreditqualität einer Partei beieinflusst werden kann.

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Mikroökonomische Beziehungen werden im CRE Modell durch Randomisierung dargestellt. Gegeben den Ausfall einer Kunden fallen seine Geschäftspartner ihrerseits mit gewissen Wahrscheinlichkei-ten aus. Die Randomisierungsgewichte können hier frei gewählt werden. Sie können direkt aus der Ausfallerfahrung der Bank geschätzt werden.

Mikroökonomische Beziehungen zwischen Kontrahenten sind typischerweise asymmetrisch. Ein Angestellter hängt normalerweise wesentlich stärker von seinem Arbeitgeber ab als umgekehrt. Der Handwerker wird vom Konkurs des Baukonzerns hart getroffen, während der Baukonzern vom Schicksal der kleinen Handwerksfirmen, die für ihn arbeiten, vermutlich fast vollständig unabhän-gig ist.

Auch hier sei wieder erwähnt, dass mikroökonomische Einflüsse auf das Ausfallrisiko im Modell nicht betrachtet werden müssen, wenn sie für das Marktsegment der Bank nicht von Bedeutung sind oder wenn die Bank die notwendigen Daten nicht zur Verfügung hat.

Makroökonomische Einflüsse auf das Ausfallrisiko

Die beiden bisher diskutierten Einflüsse auf Ausfallwahrscheinlichkeiten haben das Rating des Kun-den nicht explizit verwendet. Nichtsdestotrotz ist das Rating eine entscheidende Information für die Einschätzung des zukünftigen Ausfallverhaltens eines Kontrahenten. Im folgenden nehmen wir an, dass bekannte Ausfälle, die auf das Länderrisiko oder mikroökonomische Beziehungen zurückzu-führen sind, aus der Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeiten einzelner Ratings herausgelassen werden.

Wie wir bereits in Teil 410 unserer Serie herausgestellt haben, hat das makroökonomische Umfeld einen entscheidenden Einfluss auf die Ausfallsituation eines Portfolios. Ein gegebenes makroöko-nomisches Szenario schlägt jedoch nicht auf alle Industriezweige gleich stark durch und insbeson-dere nicht auf alle Ratingklassen und alle Kundensegmente. So wurde z.B. der Ausfall einer AAA gerateten Firma noch nie innerhalb eines einjährigen Zeithorizontes beobachtet, noch nicht einmal in der finstersten Wirtschaftskrise. Aus diesem Grund ist es unmöglich systematische Einflüsse auf die Ausfallwahrscheinlichkeiten sehr gut gerateter Unternehmen direkt zu schätzen.

Ein weiteres Beispiel sind nicht-selbständige Privatkunden. Sie werden von makroökonomischen Schocks nur indirekt über ihren Arbeitgeber betroffen. Nur wenn die beschäftigende Firma zusam-menbricht oder wenn der betreffenden Angestellte entlassen wird, erreicht das wirtschaftliche Um-feld den Privatkunden.

Es sollte also möglich sein, auf die Berücksichtigung makroökonomischer Faktoren bei der Evalua-tion des Kreditrisikos mancher Kundengruppen zu verzichten. Im CRE Modell kann deshalb die Me-thode zur Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten für jede Kundengruppe unabhängig gewählt werden. Kundensegmente können von der Bank frei definiert werden. Für sehr gut geratete Fir-men, für Branchen, die nur schwach von Konjunkturschwankungen betroffen werden, und für Pri-vatkunden kann z.B. das Mittelwertmodell11 verwendet werden.

Im folgenden stellen wir ein Makromodell dar, das innerhalb des CRE Modells verwendet werden kann, um die Ausfallwahrscheinlichkeiten von Speculative Grade Firmen zu bewerten. Der Ausdruck ‚Makromodell’ kann hier irreführend sein, denn anders als manche anderen Ansätze enthält das CRE Modell keine explizite Prognosekomponente für die Entwicklung der makroökonomischen Fak-

10 Vgl. RiskNEWS 11.2002, pp. 45-64. 11 Vgl. RiskNEWS 05.2002, pp. 7-18.

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toren. Die Vorhersage von Makrofaktoren ist ein hochgradig nicht-triviales Unterfangen. Jahr für Jahr versuchen hochprofilierte Wirtschaftsforschungsinstitute vergeblich exakte Aussagen über die zukünftige Arbeitslosenquote, das Wachstum des Bruttosozialproduktes und anderer Faktoren zu machen. Jeder Versuch Schätzungen über die zukünftigen Werte makroökonomischer Faktoren in ein Kreditrisikomodell hereinzunehmen wird deshalb zwangsläufig simplizistisch und sogar irrefüh-rend sein.

Aus diesem Grund verwendet das CRE Modell nur Werte von Makrofaktoren, die zum Zeitpunkt der Analyse bereits beobachtbar sind, um das Ausfallverhalten der Firmen vorherzusagen. Dieser An-satz befindet sich in einem Duktus mit den meisten Analysen in der Literatur, die festgestellt ha-ben, dass die konjunkturelle Situation die Ausfallsituation in der betreffenden Volkswirtschaft mit einer gewissen Zeitverzögerung beeinflusst12. Die heute zur Verfügung stehenden Makrodaten sind demnach hinreichend, um das Ausfallverhalten der Firmen über einen Zeitraum von ein bis drei Jahren vorherzusagen. Aussagen über längere Zeithorizonte zu machen ist jedoch schwierig. Das CRE Modell verwendet deshalb makroökonomische Faktoren lediglich, um Ausfallwahrscheinlichkei-ten über kurze Zeiträume zu schätzen.

Wie bereits angedeutet, hängt die Auswirkung des Konjunkturzyklusses auf die Ausfallwahrschein-lichkeit einer Firma nicht nur von deren Branchenzugehörigkeit, sondern auch von ihrem Rating ab. Aus diesem Grund fasst das CRE Modell nicht alle Speculative Grade Firmen in einer Branche zu einem Kreditrisikoindikator zusammen wie dies in Wilson (1997a) oder in Kim (1999) geschieht, da die Ableitung ratingspezifischer Ausfallwahrscheinlichkeiten aus dem Indikator nicht möglich ist, ohne gravierende Ungenauigkeiten in die Analyse hineinzutragen13.

Ein Ausfall hat weit größere Auswirkungen auf das Kreditrisiko eines Kunden oder eines Portfolios als eine bloße Ratingmigration, die zu einer vergleichsweise kleinen Wertveränderung einer Position führt. Ungenauigkeiten müssen also vor allem bei der Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten vermieden werden. Die Regression von Ausfallraten gegen Makrofaktoren geschieht deshalb für jede Branche und jedes Speculative Grade Rating separat.

Um die systematischen wirtschaftlichen Faktoren mit den Ausfallraten der Firmen in Beziehung zu

setzen, schlagen wir folgendes einfache Modell vor. Seien niYi ,...,1, = die beobachteten Ausfallra-

ten in Periode i. Seien mii XX ,...,1 die makroökonomischen Faktoren, die das Ausfallverhalten in

Periode i erklären. Unter Berücksichtigung eines gewissen Time Lags können mii XX ,...,1 Beobach-

tungen sein, die in Periode i – 1 oder früher gemacht wurden. Das Modell wird dann beschrieben

durch die Gleichung

Yimimii XXY εβββ ++++= K110

Hierbei ist εYi ein Fehlerterm mit Erwartung Null und unbekannter, aber konstanter Varianz σ. Wir

machen keine Verteilungsannahmen über εYi.

Die Parameter β0,…,βm können mit kleinste-Quadrate-Methoden konsistent geschätzt werden. Die-

ses Modell ist gleichbedeutend mit dem Mittelwertmodell, wenn die Parameter β1,…,βm identisch

Null gesetzt werden.

12 Vgl. Bär (2000), Lehment et al. (1997). 13 Vgl. die Diskussion von Wilsons Modell in Teil 4 unserer Serie in RiskNEWS 11.2002, pp. 45-64.

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Es ist eine wichtige Eigenschaft dieses Modells, dass es nicht fordert, dass die Ausfälle der Kunden unabhängig sind bedingt auf einer makroökonomischen Situation14. Dies ist konsistent mit der grö-ßeren Architektur des CRE Modells, denn es nimmt an, dass die Branchen über die makroökonomi-schen Einflüsse auf die Ausfallwahrscheinlichkeiten hinaus korreliert sein können15.

Aufgrund der direkten linearen Regression könnten die extrapolierten Werte für Yi negativ sein oder

außerhalb des Einheitsintervalls liegen. In der Praxis ist dies jedoch kein drängendes Problem, da anders als in Credit Portfolio View die Schätzfehler hier nicht simuliert werden. Darüber hinaus kann Yi durch die Einführung oberer und unterer Schranken leicht auf sinnvolle Werte beschränkt

werden, d.h., wenn der extrapolierte Wert negativ ist oder unterhalb einer bestimmten Grenze, wird die erwartete Ausfallwahrscheinlichkeit auf den minimalen Wert gesetzt, der als annehmbar angesehen wird. Wenn allerdings das gegenwärtige makroökonomische Setting eine extreme Ab-weichung der geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten von ihrem langfristigen Mittel impliziert, sollte dieses Ergebnis mit Vorsicht behandelt werden, denn es könnte einen Strukturbruch andeu-ten, so dass u.U. die Auswahl der relevanten Makrofaktoren und die langfristige Gültigkeit alter Parameterschätzungen in Zweifel gezogen werden muss.

Anstelle oberer und unterer Grenzen könnte eine Probit- oder Logit-Regression verwendet werden, um zu gewährleisten, dass die geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten zwischen 0 und 1 liegen. Diese Modelle können durch nicht-lineare Verfahren wie Maximum-Likelihood konsistent geschätzt werden16.

Beispiel

Um einen Eindruck von den quantitativen Eigenschaften des Modells zu vermitteln, geben wir ein Beispiel. Wir nehmen an, die Ausfallwahrscheinlichkeiten hingen von einem makroökonomischen Faktor ab, d.h., wir haben

Yttt XY εββ ++= 10 .

Die Parameter wurden gewählt als β0 = 0.51% und β1 = 0.25%. Für die Schätzfehler wird keine

bestimmte Verteilung angenommen. Die historischen Realisationen des Makrofaktors werden durch denselben AR(2)-Prozess beschrieben, der für die Analyse von Credit Portfolio View in Teil 4 der Serie verwendet wurde, d.h. durch

Xtttt XXX ε1.04.04.0 21 ++= −−

wobei εX standardnormalverteilt ist. Beachte, dass der Makroprozess hier nur verwendet wird, um

für das Beispiel künstlich eine nachvollziehbare Datengrundlage zu schaffen. Der Makroprozess ist nicht Teil des CRE Modells und wird bei praktischer Anwendung durch historische Beobachtungsrei-hen ersetzt. Wir nehmen darüber hinaus an, die Kunden in einem Segment hätten eine Korrelation

14 Diese Annahme war zentral in Credit Risk+ und Credit Portfolio View. Ohne sie wären in diesen Modellen alle Schätzungen ungültig. 15 Vgl. Wehrspohn (2002), pp. 111ff. 16 Vgl. etwa Maddala (1983), pp. 25ff.

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von ρ.17 ρ variiert zwischen 0 und 90%. Die Schätzungen wurden mit unterschiedlich vielen Kunden

pro Segment und unterschiedlich langen Beobachtungsreihen durchgeführt.

Abbildung 1

Erwartungswerte des geschätzten Parameters β0

im CRE Modell(1.000 Simulationsläufe, ρ = 40%, wahrer Wert = 0.51%)

0,0%

0,1%

0,2%

0,3%

0,4%

0,5%

0,6%

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000

Anzahl Kunden

Sim

ulie

rte

Erw

artu

ngsw

erte

2 Perioden 5 Perioden 10 Perioden 20 Perioden 30 Perioden

Abbildung 1 zeigt die erwarteten Schätzergebnisse des Mittelwertparameters β0. Es ist offensicht-

lich, dass der Parameter bei beliebigen Kunden- und Periodenzahlen unverzerrt geschätzt wird, obwohl die Ausfälle nicht als unabhängig angenommen wurden, sondern signifikant korreliert sind.

Die Standardabweichung des geschätzten Parameterwertes hängt demgegenüber sehr wohl von der Kundenzahl und insbesondere von der verfügbaren Anzahl von Perioden ab, wie zu erwarten war. Der Informationsgehalt der Kundenzahl ist jedoch schnell erschöpft.

17 Das hier verwendete Korrelationskonzept ist das des Asset Value Modells, das etwa aus Credit Metrics oder dem KMV Modell bekannt ist. Zu Details und weitergehenden Analysen dieses Korrelationskonzeptes vgl. Wehrspohn (2002), pp. 102ff.

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Abbildung 2

Standardabweichung des geschätzten Parameters β0 im CRE Modell

(1.000 Simulationsläufe, ρ = 40%)

0,0%

0,5%

1,0%

1,5%

2,0%

2,5%

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000

Anzahl Kunden

Ges

chät

zte

Stan

dard

abw

eich

ung

2 Perioden 5 Perioden 10 Perioden 20 Perioden 30 Perioden

Dieselben Beobachtungen wiederholen sich, wenn wir den Volatilitätsparameter β1 ansehen.

Abbildung 3

Erwartungswert des Parameters β1 im CRE Modell

(1.000 Simulationsläufe, ρ = 40%, wahrer Wert = 0.25%)

0,00%

0,05%

0,10%

0,15%

0,20%

0,25%

0,30%

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000

Anzahl Kunden

Sim

ulie

rte

Erw

artu

ngsw

erte

5 Perioden 10 Perioden 20 Perioden 30 Perioden

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Die Schätzung ist erwartungstreu für jede Kunden- und Periodenzahl selbst wenn die Ausfälle ab-hängig sind. Die Standardabweichung des Schätzers hängt wiederum vor allem von der Perioden-zahl ab.

Abbildung 4

Standardabweichung des geschätzten Parameters β1

im CRE Modell(1.000 Simulationsläufe, ρ = 40%)

0,0%

0,5%

1,0%

1,5%

2,0%

2,5%

3,0%

0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000

Anzahl Kunden

Ges

chät

zte

Stan

dard

abw

eich

ung

2 Perioden 5 Perioden 10 Perioden 20 Perioden 30 Perioden

Die Standardabweichung des Schätzers hängt neben den Kunden- und Periodenzahlen insbesonde-re noch von dem Grad der Abhängigkeit der Kunden untereinander ab. Wie im Mittelwertmodell sind die Standardabweichungen der Schätzer relativ groß im Verhältnis zur Größe des zu schätzen-den Parameters und steigen mit den Korrelationen an.

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86 | www.risknews.de 01.2003 Kreditrisiko

Abbildung 5

Standardabweichung der geschätzten Parameter (β0,β1) im CRE Modell in Abhängigkeit von den Korrelationen

(300 Kunden, 15 Perioden 1.000 Simulationsläufe)

0,0%

0,5%

1,0%

1,5%

2,0%

2,5%

3,0%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Korrelationen

Ges

chät

zte

Stan

dard

abw

eich

ung

β1 β0

Abbildung 6 zeigt die gemeinsamen Verteilungen der Schätzwerte für β0 und β1 und illustriert die

ansteigende Variabilität und Schiefe der Verteilungen für hohe Korrelationen.

Abbildung 6

Verteilungen der geschätzten Parameterwerte (β0,β1) im CRE Modell

Standardabweichungen der gemeinsamen Schätzer: σρ = 0 = 0.53%, σ ρ = 0.2 = 1.67%,σρ = 0.4 = 2.76%, σρ = 0.6 = 4.28%, σρ = 0.8 = 7.21%

(1.000 simulierte Paare, 30 Perioden, 500 Kunden)

-0,25

-0,2

-0,15

-0,1

-0,05

0

0,05

0,1

0,15

0,2

0,25

-1,0% -0,5% 0,0% 0,5% 1,0% 1,5% 2,0% 2,5% 3,0% 3,5% 4,0%Geschätzter Parameterwert β0, wahrer Wert = 0.51%

Ges

chät

zter

Par

amet

erw

ert f

ür β

1, w

ahre

r Wer

t = 0

.25%

ρ = 0.8 ρ = 0.6 ρ = 0.4 ρ = 0.2 ρ = 0 wahrer Wert

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87 | www.risknews.de 01.2003 Kreditrisiko

Tabelle 1 fasst die Hauptcharakteristiken der Verteilungen der Parameterschätzungen aus Abbildung 6 zusammen. Die Ähnlichkeiten mit den Ergebnissen für das Mittelwertmodell sind schlagend. Auch hier werden die Parameter erwartungstreu geschätzt, während sowohl die Schwankungsbreite als auch die Schiefe der Verteilungen mit den Korrelationen zunimmt. Dieser

Befund ist unverändert für beide Parameter β0 und β1.

Tabelle 1

β0 ρ = 0 ρ = 0.2 ρ = 0.4 ρ = 0.6 ρ = 0.8Mittelwert 0,511% 0,514% 0,513% 0,508% 0,527%Std.-Abw. 0,072% 0,211% 0,383% 0,558% 1,018%Skewness 9,10E-11 9,05E-09 1,10E-07 5,30E-07 6,06E-06Kurtosis 1,01E-12 1,01E-10 2,23E-09 2,25E-08 8,43E-07

β1Mittelwert 0,251% 0,259% 0,245% 0,256% 0,260%Std.-Abw. 0,527% 1,656% 2,738% 4,227% 7,140%Skewness 2,29E-08 3,77E-06 2,62E-05 2,25E-04 5,56E-04Kurtosis 2,50E-09 5,47E-07 1,17E-05 9,90E-05 7,32E-04

500 Kunden 30 Perioden 1.000 Simulationsläufe

Bedingte Migrationswahrscheinlichkeiten

Der letzte Schritt des Makromodells innerhalb des CRE Modells besteht in der Ableitung von appro-ximativen Ratingmigrationswahrscheinlichkeiten bedingt auf dem gegenwärtigen makroökonomi-schen Hintergrund. Da wir die Schätzung der bedingten Ausfallwahrscheinlichkeiten nicht nur für einzelne Industriezweige, sondern auch für einzelne Ratinggruppen durchgeführt haben, bleibt lediglich die Berechnung von Übergangswahrscheinlichkeiten in andere Ratings, die selbst noch keine Insolvenz bedeuten.

Ähnlich wie Wilsons Ansatz gründen wir die Ableitung von Übergangswahrscheinlichkeiten auf das Verhältnis der geschätzten bedingten Ausfallwahrscheinlichkeiten zu ihrem langfristigen Mittel. Genauer schlagen wir eine lineare Transformation der folgenden Form vor

jn

tnjtj p

ppwp +

−= 1

ˆˆ

für j = 1,…,n, wobei n für die Anzahl Ratingklassen steht, np für die langfristige mittlere Ausfall-

wahrscheinlichkeit der betrachteten Ratingklasse, tnp̂ für die geschätzte bedingte Ausfallwahr-

scheinlichkeit, jp für die geschätzte langfristige mittlere Übergangswahrscheinlichkeit vom gegen-

wärtigen Rating nach Rating j, tjp̂ für die geschätzte bedingte Übergangswahrscheinlichkeit und wj

für ein Sensitivitätsgewicht.

Da wir tnp̂ bereits geschätzt haben, wählen wir nn pw = . Die anderen Parameter wj für j = 1,…,n-

1, müssen aus dem Datenbestand der Bank geschätzt werden. Sie könnten z.B. für die Ratings j = 1,…,n-1 als kleinster-Quadrate-Schätzer von

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88 | www.risknews.de 01.2003 Kreditrisiko

R∈=

=

+

−−∑

jw

m

ij

n

injij p

ppw min1ˆ !

2

gewählt werden. Hierbei ist ijπ die beobachtete Übergangshäufigkeit nach Rating j in Periode i für i

= 1,…,m, wenn Daten über m Perioden zur Verfügung stehen, inp̂ ist die aus den geschätzten Wer-

ten für β0 und β1 und den beobachteten makroökonomischen Faktoren interpolierte Ausfallwahr-

scheinlichkeit für Periode i. Beachte, dass für beliebige Werte von wj der Mittelwert der resultieren-

den geschätzten Übergangswahrscheinlichkeiten gleich jp ist. Dies liegt am linearen Regressi-

onsmodell für tnp̂ bei dem die mittleren geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten immer gleich den

mittleren beobachteten Ausfallraten sind18.

Es ist nicht zwingend erforderlich, wäre aber intuitiv schön, wenn die Gewichte wj negativ wären für Ratings, die besser sind als das gegenwärtige, und positiv für Ratings, die schlechter sind als das gegenwärtige, so dass in einer Rezession eine Ratingverbesserung weniger wahrscheinlich und eine Ratingverschlechterung wahrscheinlicher wäre als im Durchschnitt.

Es ist jedoch möglich, dass die geschätzten zukünftigen Übergangswahrscheinlichkeiten jmp ,1ˆ +

negativ sind oder größer als 1 oder dass sich ihre Summe nicht zu 1 addiert. Wir führen deshalb 0 und 1 als untere und obere Grenze für die geschätzten Übergangswahrscheinlichkeiten ein und standardisieren sie durch

( )nmn

kkm

jmjm p

p

pp ,11

1,1

,1,1 ˆ1

ˆ

ˆˆ̂+−

=+

++ −=

für die Ratingklassen j = 1,…,n-1. Beachte, dass hier wiederum die Güte der Schätzung von Aus-fallwahrscheinlichkeiten eindeutig Priorität von der Schätzung von bloßen Übergangswahrschein-lichkeiten erhält.

Fazit

Wir haben mit dem CRE Modell eine Methodik dargestellt, die es erlaubt, mit Länderrisiken und makro- und mikroökonomischen Faktoren die wesentlichen Einflüsse auf die Ausfallwahrscheinlich-keiten von Kunden simultan zu erfassen, und konsistente Schätzverfahren für die Modellparameter zur Verfügung gestellt19.

Damit ist erstmals ein integratives Modell für die Ausfallwahrscheinlichkeiten vorgeschlagen wor-den, das nicht nur unrealistische Annahmen über die Abhängigkeiten zwischen den Kunden ver-meidet, sondern die Treiber der Ausfallwahrscheinlichkeiten gleichzeitig als Eckpunkte der Portfo-liostruktur betrachtet und in ein weit über die alleinige Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten hinausgehendes Portfoliomodell einbettet.

18 XY 10 ββ += ist eine der Gleichungen, die bei der kleinsten-Quadrate-Schätzungen gelöst werden muss.

19 Für nicht-Default-Übergangswahrscheinlichkeiten, die nur sehr schwache Risikotreiber sind, gilt dies nur nähe-rungsweise.

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89 | www.risknews.de 01.2003 Kreditrisiko

Kontakt:

Dr. Uwe Wehrspohn

Universität Heidelberg Alfred Weber Institut Grabengasse 14 69117 Heidelberg Tel.: ++49.173.66 18 784

Center for Risk & Evaluation GmbH & Co. KG Berwanger Straße 4 75031 Eppingen Email: [email protected]

Weitere Unterlagen finden Sie unter http://www.risk-and-evaluation.com.

Literatur:

Tobias Bär (2000): “Predicting business failure rates: empirical macroeconomic models for 16

German industries,” Working Paper, McKinsey & Co.

Jongwoo Kim (1999): “A way to condition the transition matrix on wind,” Working Paper, Risk-metrics Group

G.S. Maddala (1983): „Limited-dependent and qualitative variables in econometrics,” Econo-

metric Society monograps in quantitative econometrics 3, Cambridge University Press

UBS (Union Bank of Switzerland) (2001): “Morning News, January 16, 2001”

Uwe Wehrspohn (2002): Credit Risk Evaluation: Modeling – Analysis – Management, CRE, 2002,

http://www.risk-and-evaluation.com

Thomas C. Wilson (1997a): “Portfolio credit risk (I),” Risk 9.9, pp. 111-117

Thomas C. Wilson (1997b): “Portfolio credit risk (II),” Risk 9.10, pp. 56-62

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90 | www.risknews.de 01.2003 Interview

Praxis der Unternehmensbewertung

Ein Interview mit Professor Dr. Volker H. Peemöller

Professor Dr. Volker H. Peemöller ist Inhaber des Lehrstuhls für Prüfungswesen an der

Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg

In der RiskNEWS 11.2002 (Novem-

ber/Dezember 2002) hatten wir un-

seren Lesern das Praxishandbuch

zur Unternehmensbewertung vorge-

stellt: Praxishandbuch der Unter-

nehmensbewertung (Herausgege-

ben von Professor Dr. Volker H.

Peemöller unter Mitarbeit namhafter

Fachleute.), 2. Auflage 2002, Verlag

Neue Wirtschaftsbriefe, 764 Seiten.

In der vorliegenden RiskNEWS

01.2003 finden Sie nun ein Inter-

view mit Professor Dr. Volker H.

Peemöller zu Methoden der Unter-

nehmensbewertung sowie zum Stand und zur Entwicklung der Un-

ternehmensbewertung.

RiskNET: Den sogenannten „wei-

chen“ Faktoren wie z. B. Unterneh-

mensimage, Markenstärke oder dem

Wissen der Mitarbeiter kommt eine

immer größere Bedeutung für die

Wettbewerbsfähigkeit von Unter-

nehmen zu. Inwiefern und auf wel-

che Art und Weise können derartige

Faktoren im Rahmen der Unterneh-

mensbewertung berücksichtigt wer-

den? Welche Tendenzen zeichnen

sich in diesem Zusammenhang ab?

Peemöller: Im Rahmen der Ertrags-

wertverfahren sind derartige Werttreiber

in der Kapitalisierungsgröße und somit

im Zuge der Prognose der Zahlungsüber-

schüsse zu berücksichtigen. Bei Anwen-

dung des Multiplikatorverfahrens wäre

über Bewertungszu- bzw. -abschlag ge-

genüber der Peer Group nachzudenken,

wenn sich das Bewertungsobjekt hin-

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sichtlich weicher Faktoren wesentlich von

seinen Konkurrenten unterscheidet. Mar-

ken werden z. T. separat bewertet. Un-

terschiedliche gesonderte Bewertungsan-

sätze haben sich hierfür in der Bewer-

tungspraxis herausgebildet.

RiskNET: Besteht nicht das Problem,

das gerade im Zusammenhang bei

der Bewertung der sogenannten

„weichen Faktoren“ die Bewertung

eher subjektiv ist und somit der Ma-

nipulation breiten Raum eingeräumt

wird?

Peemöller: Eine Bewertung ist immer

subjektiv, da sie vom Bewertungszweck

abhängt und eine Prognose der zukünfti-

gen Entwicklung des Bewertungsobjekts

erfordert. Grundsätzlich besteht eine

wesentliche Herausforderung für jede

Bewertung in der Übertragung qualitati-

ver Faktoren in quantitative Größen. Ma-

nipulation lässt sich nur soweit verhin-

dern, als dass auf eine begründete bzw.

detailliert dargelegte Wertermittlung ge-

achtet wird.

RiskNET: Insbesondere in Deutsch-

land hat sich das wirtschaftliche

Umfeld in den vergangenen Monaten

dramatisch verschlechtert. Welche

Herausforderungen ergeben sich

hieraus für die Unternehmensbewer-

tung? Muss die Unternehmensbe-

wertung in der Rezession mit ande-

ren Methoden arbeiten und/oder

andere Faktoren berücksichtigen als

im Aufschwung?

Peemöller: Die Methoden der Unter-

nehmensbewertung sind grundsätzlich

unabhängig von der konjunkturellen La-

ge. Bewertungsrelevant sind immer zu-

künftige finanzielle Überschüsse. Ge-

dämpfte gesamtwirtschaftliche Aussich-

ten sind im Einzelfall bei der Prognose

der Umsätze, Margen etc. zu berücksich-

tigen, z. B. in Form von niedrigeren bzw.

negativen Wachstumsraten. Zusätzlich

ist die Nachhaltigkeit einer solchen Si-

tuation zu hinterfragen. Die Bewertung

angeschlagener Unternehmen erfordert

eine kritische Hinterfragung der Restruk-

turierungspläne und damit der Fortfüh-

rungsprämisse. Die Erstellung unter-

schiedlicher Szenarien bietet sich hierbei

an. Zudem darf die Entwicklung der Li-

quidität des Bewertungsobjekts nicht

außer Acht gelassen werden, da insbe-

sondere die Zahlungsunfähigkeit Auslö-

ser einer Insolvenz sein kann.

Insgesamt ist zu beobachten, dass sich

der Markt für Unternehmenstransaktio-

nen aktuell eher zu einem Verkäufer-

markt entwickelt hat, mit entsprechen-

den Auswirkungen auf die Kaufpreisver-

handlungen.

RiskNET: Welche Faktoren würden

Sie im Falle des Aufschwungs bzw.

im Abschwung priorisieren?

Peemöller: Eine Priorisierung erscheint

nicht sinnvoll. Vielmehr ist grundsätzlich

darauf zu achten, dass die Planzahlen

des Bewertungsobjekts mit der erwarte-

ten Branchenentwicklung zu vereinbaren

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sind bzw. größere Abweichung erklärt

werden können.

RiskNET: Im Zuge der Umsetzung

von Basel II gewinnt das Thema Ra-

ting zunehmend auch für Industrie

und Handel an Bedeutung. Unter-

nehmen, denen es gelingt, ihre

Chancen und Risiken transparent

darzustellen, können mit u. U. er-

heblichen Erleichterungen bei der

Kreditaufnahme rechnen und besse-

re Konditionen erzielen. Welche Rol-

le spielt das Vorhandensein eines

effektiven und effizienten Risikoma-

nagementsystems im Rahmen der

Unternehmensbewertung?

Peemöller: Fehlende Instrumente eines

Risikomanagementsystems können im

Einzelfall ein Argument für eine Erhö-

hung des Kapitalisierungszinses bzw. für

eine Kaufpreisminderung sein. Im Zu-

sammenhang mit Basel II sind insbeson-

dere die zukünftigen Refinanzierungs-

konditionen des Unternehmens zu wür-

digen. Grundsätzlich ist zu vermuten,

dass ein funktionierendes Risikomana-

gementsystem die Arbeiten im Rahmen

der Due Diligence erleichtern, mit Kon-

sequenzen für den Preis für die Gutach-

tenerstellung.

RiskNET: Besteht möglicherweise

das Problem, dass es zwar viele

Wirtschaftsprüfer gibt, die methodi-

sche Konzepte der Unternehmens-

bewertung anwenden können, im

Falle der Beurteilung des Risikoma-

nagementsystem hier in vielen Fäl-

len die Expertise fehlt?

Peemöller: Durch die Einführung des

KonTraG 1998 unterliegt nach § 317 IV

HGB das Risikomanagementsystem von

börsennotierten Aktiengesellschaften der

Prüfungspflicht im Rahmen der Jahres-

abschlussprüfung. Somit ist von einem

gewissen Erfahrungsschatz auf Seiten

der Wirtschaftsprüfer auszugehen. Eine

Auseinandersetzung mit dem Risikoma-

nagementsystem eines zu bewertenden

Unternehmens kann dem Bewerter wich-

tige Erkenntnisse liefern, die in die Be-

wertung mit einfließen. Allgemein hängt

die Qualität einer Bewertung neben dem

Methodenverständnis insbesondere von

der Fähigkeit des Bewerters ab, Märkte,

Produkte und Strategien beurteilen zu

können.

RiskNET: Die internationale Verein-

heitlichung der Rechnungslegungs-

vorschriften schreitet immer weiter

voran. Obwohl bspw. Jahresab-

schlüsse nach US-GAAP im Vergleich

zur HGB-Bilanzierung die Transpa-

renz und Vergleichbarkeit sicherlich

verbessern und u. U. eher den „wah-

ren“ Wert eines Unternehmens wie-

derspiegeln, sind die spektakulären

Firmenpleiten der jüngsten Vergan-

genheit nicht zuletzt darauf zurück

zu führen, dass bestehende Grauzo-

nen in diesem Regelwerk miss-

braucht wurden. Wie beurteilen Sie

die Aussagekraft der unterschiedli-

chen Regelwerke (HGB, US-GAAP,

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IAS) im Hinblick auf eine fundierte

Unternehmensbewertung? Welche

„Schlupflöcher“ bestehen noch und

wie könnten diese am besten ge-

schlossen werden?

Peemöller: Im Bereich der Vergangen-

heitsanalyse spielt die Analyse von Jah-

resabschlüssen eine gewichtige Rolle.

Die internationalen Regelwerke wie IAS

und US-GAAP schränken tendenziell die

bilanzpolitischen Möglichkeiten ein und

sind insgesamt investororientierter, so

dass eine fundiertere Vergangenheits-

analyse gegenüber einem HGB-Abschluss

möglich wird. Die heute im Wesentlichen

akzeptierten Bewertungsverfahren stel-

len allesamt Gesamtbewertungsverfah-

ren dar und sind zukunftsorientiert. Bi-

lanzen stellen einen Einzelbewertungsan-

satz dar und sind vergangenheitsorien-

tiert. Inwieweit ein Bewerter in einem

Jahresabschluss auf zukunftsorientierte

bewertungsrelevante Informationen z. B.

im Lagebericht stößt, hängt weniger mit

den angewendeten Rechnungslegungs-

vorschriften zusammen, als vielmehr mit

der grundsätzlichen Informationsbereit-

schaft des Unternehmens.

RiskNET: Insbesondere US-Unter-

nehmen stellen in Ihrer Berichter-

stattung zunehmend sog. „Proforma

Earnings“ in den Vordergrund, d. h.

Ergebniszahlen, die um (vermeintli-

che oder tatsachliche) Sonderein-

flüsse bereinigt sind und daher von

den testierten Ergebnissen mitunter

erheblich abweichen. Können derar-

tige „Eigenkreationen“ zu einer fun-

dierteren Unternehmensbewertung

beitragen oder besteht nicht eher

die Gefahr, durch den Ausweis des

„Gewinns vor Kosten“ über die wah-

ren wirtschaftlichen Verhältnisse

eines Unternehmens hinweg zu täu-

schen?

Peemöller: Proforma-Ergebnisse haben

häufig den Vorteil, dass sie sehr aktuell

sind und demzufolge für die Bewertung

wesentliche Informationen liefern kön-

nen. Auf der anderen Seite sind diese

Zahlen ungeprüft und ihre Abgrenzung

sollte genau hinterfragt werden. Vielfach

ist es nicht unmittelbar möglich die ge-

naue Zusammensetzung des Proforma-

Ergebnisses zu erkennen. Der Bewerter

läuft deshalb Gefahr fehlgeleitet zu wer-

den.

RiskNET: Eine der interessantesten

Entwicklungen im Bereich der Un-

ternehmensbewertung stellt wohl

der sog. „Realoptionen-Ansatz“ dar.

Was ist hierunter genau zu verste-

hen und inwiefern kann diese Me-

thodik zu einer Verbesserung der

Unternehmensbewertung beitragen?

Peemöller: Der Realoptionen-Ansatz

versucht Bewertungsansätze aus der

Finanzoptionspreistheorie auf realwirt-

schaftliche Optionsrechte zu übertragen.

Geleitet wird dieser Versuch von der

Feststellung, dass Flexibilität des Mana-

gements insbesondere unter großer Un-

sicherheit einen erheblichen Wert haben

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kann. Den traditionellen Verfahren wird

z. T. vorgeworfen, sie seien nicht in der

Lage diese werterhöhende Flexibilität

berücksichtigen zu können. Schwierig-

keiten ergeben sich allerdings bei der

Übertragung der Optionspreisverfahren,

da wesentliche Unterschiede zwischen

Finanz- und Realoptionen bestehen. So

sind die Realoptionen zugrundeliegenden

Basisinstrumente in der Regel nicht

marktgehandelt. Zudem erfordert der

Einsatz des Ansatzes einen besonders

hohen Informationsstand des Bewerters.

In erster Linie wird wohl das Denken in

Optionen als Ergänzung der Ertragswert-

verfahren im Bereich strategischer As-

pekte einen Platz in der Bewertungspra-

xis einnehmen.

RiskNET: In den Zeiten der New-

Economy-Euphorie war eine starke

Tendenz zu beobachten, die „traditi-

onellen“ Kenngrößen, die Rahmen

von Multiplikatoransätzen häufig

Verwendung fanden (wie etwa

Kurs/Gewinn-Verhältnis oder Kurs/

Buchwert-Verhältnis), für ungültig

zu erklären, da sie der „neuen Wirt-

schaftsordnung“ scheinbar nicht

mehr gerecht werden konnten.

Demgegenüber rückten neue Kenn-

größen (wie z. B. das Kurs/Umsatz-

Verhältnis oder die Preis/Earnings-

Growth-Ratio) zunehmend in den

Mittelpunkt des Interesses. Inwie-

fern bzw. unter welchen Vorausset-

zungen ist der Multiplikatorenansatz

überhaupt zu einer fundierten Un-

ternehmensbewertung geeignet?

Peemöller: Die Qualität des Bewer-

tungsergebnisses mit Hilfe des Multipli-

katoransatzes hängt wesentlich von der

Informationseffizienz der Kapitalmärkte

und von der Existenz ähnlicher Ver-

gleichsunternehmen ab. Eine intensive

Auseinandersetzung mit dem Bewer-

tungsobjekt und den potenziellen Ver-

gleichsunternehmen, eine bewusste

Auswahl des Multiplikators sowie Erfah-

rung des Bewerters sind auch bei diesem

Ansatz für die Anwendung unerlässlich.

Seine größte Nähe zum Kapitalmarkt im

Vergleich zu anderen Bewertungsansät-

zen und seine Beschränkung auf wesent-

liche Bewertungsfaktoren sind seine be-

sonderen Charakteristika. Die Bezeich-

nung als vereinfachtes Preisfindungsver-

fahren ist bei genauer Betrachtung miss-

verständlich.

RiskNET: Wie beurteilen Sie den ak-

tuellen Stand der Unternehmensbe-

wertung in Deutschland (Forschung

und Praxis), insbesondere auch im

internationalen Vergleich? Welche

wesentlichen Entwicklungen sind in

diesem Bereich in Zukunft zu erwar-

ten?

Peemöller: Die Forschung hat sich in

Deutschland in den letzten Jahren insbe-

sondere mit der Einbeziehung von per-

sönlichen Steuern in die Ertragswertkal-

küle beschäftigt. Zudem wurde die Über-

führbarkeit einzelner Ertragswertverfah-

ren (DCF-Ansätze und Ertragswertver-

fahren nach IDW) immer wieder disku-

tiert. Diese Diskussionen waren und sind

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im angelsächsischen Raum kaum zu be-

obachten.

In der Bewertungspraxis ist in Deutsch-

land eine zunehmende Kapitalmarktori-

entierung zu beobachten (Verwendung

des CAPM, Einsatz von Multiplikatoren).

Im Bereich der Abfindung von Minder-

heitsaktionären nimmt der Börsenkurs

inzwischen eine gewichtige Stellung ein.

Ein weiterer Trend ist der Einzug der

Unternehmensbewertung in die Rech-

nungslegung. Als Stichworte seien hier

die stärkere Verbreitung von Fair Value-

Ansätzen, der Impairment-Test für den

Geschäfts- und Firmenwert nach US-

GAAP, wertorientierte Steuerung und

Value Reporting genannt. Grundsätzlich

ist zu hoffen, dass die Probleme bei der

Prognose der betriebswirtschaftlichen

Zukunft des zu bewertenden Unterneh-

mens vermehrt ins Zentrum der For-

schung rücken und die Verfahrensdis-

kussion somit ergänzt wird.

<fr>

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96

Das Buch widmet

sich zentralen Fragen

wie etwa Kosten und

Nutzen von externen

Ratings, dem Rating

der Volksbanken,

Raiffeisenbanken und

Sparkassen oder den

zukünftigen Anforde-

rungen an die Unterlagen bilanzierender

Kreditnehmer. „Basel II konkret“ trägt

den Untertitel „Auswege aus der Kredit-

klemme im Mittelstand“. Der Untertitel

sorgt zunächst für Verwirrung: Hat doch

gerade die Versachlichung der Diskussi-

onen rund um Basel II dafür gesorgt,

das sich die Erkenntnis durchgesetzt hat,

dass es diese Kreditklemme gar nicht

gibt.

Der Autor kam in seinem Buch zum Er-

gebnis, dass die „heutige Wettbewerbs-

geschwindigkeit und das zweite Konsul-

tationspapier des Basler Ausschusses für

Bankenaufsicht (Basel II) (...) neben

Intuition auch ein systematisches, be-

triebswirtschaftlich fundiertes Vorgehen“

fordert. Die neue Baseler Eigenkapital-

übereinkunft regelt zunächst einmal aus-

schließlich die Kapitalunterlegungspflicht

der Kreditwirtschaft und stellt keine For-

derungen an den Mittelstand. Erst im

Zusammenhang mit der bankinternen

Einstufung ihres Unternehmens werden

sich einige Kreditnehmer zukünftig mit

dem Themenkomplex Rating beschäfti-

gen müssen. Unternehmen mit einem

kleinen Kreditexposure (konsolidiert we-

niger als 1 Mio. €) werden zukünftig dem

sogenannten Retailportfolio zugeordnet,

wodurch die Risikovorsorge der Banken

deutlich sinken wird. Die Risikokosten

von Unternehmen mit einem Kreditvolu-

men von weniger als 1 Mio. € und einem

Jahrsumsatz von weniger als 50 Mio. €

werden aufgrund verringerter Eigenkapi-

talunterlegungsvorschriften um durch-

schnittlich 10 % und maximal 20 % ent-

lastet. Auch die LGD (Lossen Given De-

fault: Schätzgröße, die den prognosti-

zierten Verlust in der Folge eines Kredit-

ausfalls angibt) werden abgesenkt. Auf

diese wesentlichen Entwicklungen im

Rahmen des Konsultationsprozesses

geht der Autor nicht ein.

Im Kapitel „Externes Rating für den Mit-

telstand“ werden diverse international

tätige Ratingagenturen aufgezählt. Hier

hätte der Autor besser recherchieren

sollen: Euronation France (ENF) heißt

eigentlich Euronotation France S.A. (frz.

Zensur, Prädikat, Note, Zeugnis) und ist

seit etwa zehn Jahren vom Markt.

Der Autor schließt mit dem Fazit, dass

der Leser sich eingehender mit dem Un-

ternehmen beschäftigen sollte und Maß-

nahmen zur Sicherung und Verbesserung

der Wirtschaftlichkeit und des Eigenkapi-

tals ergreifen sollte. Zur Erreichung die-

Basel II für den Mittelstand

Bernd Nolte: Basel II konkret,

196 Seiten, Wiley-VCH Verlag, 2003.

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97

ses Ziels wird der Leser im Buch um-

fangreiche Informationen und Tipps fin-

den.

Untern Strich sind die praxisorientierten

Checklisten und Tabellen sowie die Tipps

auf der Suche nach Finanzierungsquellen

sehr hilfreich. Vermissen könnte man

jedoch an der einen oder anderen Stelle

mehr Tiefgang zu alternativen Finanzie-

rungsformen (etwa Leasing) und aktuel-

lere Informationen zum Baseler Konsul-

tationsprozess. Das Buch kommt insge-

samt ohne eine einzige Quellenangabe

aus – das überrascht.

Wünschenswert wäre – insbesondere für

den Mittelstand – eine Übersicht aller

Ratingagenturen und ihrer Angebote

(Zielgruppe, Dauer, Kosten, Notation).

Trotz alledem ein lesenswertes Buch

für einen ersten Überblick in die

komplexe Thematik Rating.

Autor der Rezension:

Frank Romeike

Email: [email protected]

Bestellen:

Alle rezensierten Bücher können Sie über unseren Partner Amazon bestellen. Die Lieferung erfolgt ab einem Bestellwert von 20 Euro versandkostenfrei (Deutsch-land, Schweiz, Österreich, Liechtenstein, Luxemburg) und mit 30-Tage Rückgabe-recht.

http://bookshop.risknet.de

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98

MedienTerrorKrieg ist

eine aktuelle Publikation

aus dem Telepolis Auto-

renkreis. Das Online-

Magazin Telepolis wurde

1996 gegründet und

begleitet seither die

Entwicklung der Netzkultur in allen Fa-

cetten: Politik und Gesetzgebung, Zen-

sur und Informationsfreiheit, Schutz der

Privatsphäre, wissenschaftliche Innovati-

onen, Entwicklungen digitaler Kultur in

Musik, Film, bildender Kunst und Litera-

tur. Telepolis ist zu finden unter

www.telepolis.de!

Das Buch gliedert sich in vier Teile: Im

ersten Abschnitt beschreiben die Autoren

einen Krieg zwischen Globalisierung und

nationaler Sicherheit. Wie werden die

Kriege des 21. Jahrhunderts geführt? Die

Front während des ersten Kriegs des 21.

Jahrhunderts in Afghanistan war ein „bi-

zarres, ständig wechselndes Linienge-

flecht ohne geopolitische Kultur“. Histo-

risch galten Kriege immer als Bankrott-

erklärung politischen Handelns, als letzte

Alternative. „High intensity conflicts“

werden durch „Low intensity conflicts“

abgelöst.

Kriege der Zukunft werden nicht nur von

großen Armeen mit schweren Waffen

geführt, sondern vor allem von kleinen,

vernetzten, mobilen, technisch-hochge-

rüsteten und vernetzten Spezialeinhei-

ten.

Das zweite Kapitel ist mit „Terrorismus

und Angstproduktion“ überschrieben und

beschreibt die Mechanismen des Terro-

rismus zur Erzeugung von Angst. Die

Autoren ziehen einen weiten Bogen von

der Geschichte der Biowaffen seit dem

Mittelalter bis zur „Schwarzen Biologie“

der Viren und Bakterien.

Das dritte Kapitel widmet sich den aktu-

ellen und zukünftigen Medienkriegen und

welche Rolle den Massenmedien in

Kriegzeiten zugeordnet wird. Während

die amerikanischen Armeen der vergan-

genen Jahrhunderte wegen ihrer Freizü-

gigkeit in der Fronberichterstattung als

Vorbild für eine moderne Mediendemo-

kratie galten, ist die Berichterstattung

seit Vietnam immer mehr durch eine

strikte Zensur gekennzeichnet. So wird

der CBS-Nachrichtenchef Dan Rather

zitiert: „George Bush ist der Präsident.

Er trifft die Entscheidungen und wie es

sich für einen Amerikaner gehört: wo

immer er mich haben will, ich reihe mich

ein, sag mir nur wo.“

Die Zukunft des Krieges wird im letzten

Kapitel thematisiert. Soldaten der Zu-

kunft werden immer mehr zu Hackern

und Bildschirmarbeitern. Moderne

Kriegsführung erinnert immer mehr an

Computerspiele und Computersimulatio-

Zum Kriegsdesign des 21. Jahrhunderts

Goedart Palm, Florian Rötzer (Hg.): MedienTerrorKrieg:

Zum neuen Kriegsparadigma des 21. Jahrhunderts, 293 Seiten, Heise/telepolis, Hannover 2002.

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nen. Trotzdem werden zukünftige Kriege

nach Ansicht der Autoren nicht unbe-

dingt unblutiger oder weniger grausam

werden. Aber „die Kontrolle über die

Kommunikationskanäle und Netzwerke

dürfte sich als kriegsentscheidend erwei-

sen“. Satelliten, Anti-Satellitensysteme,

Weltraumminen und andere Weltraum-

waffen führen seit Ronald Reagans „Star

Wars“-Vision auch zu einer Revolution

der Kriegsführung im Weltraum. Und

insgesamt ist eine immer höhere Tech-

nologieabhängigkeit zu beobachten.

Die meisten Passagen von Medien-

TerrorKrieg provozieren und hinter-

lassen an wenigen Stellen auch ei-

nen dogmatischen Eindruck. An der

einen oder anderen Stelle wäre si-

cherlich auch Platz für eine Gegen-

meinung gewesen. Doch insgesamt

helfen alle Artikel einen etwa kriti-

scheren Standpunkt, bzgl. der Ge-

schehnisse nach dem 11. Septem-

ber, einzunehmen. Der Leser wird

sensibilisiert, wie der Terrorismus

das staatliche Gewaltmonopol un-

tergräbt. Ein durchweg lesenswertes

Telepolis-Buch zum einem fairen

Preis. Unbedingt lesen!

Autor der Rezension:

Frank Romeike

Email: [email protected]

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„Nichts ist so beständig

wie der Wandel“ – Seit

einiger Zeit erscheint

kaum ein Artikel, in dem

diese Binsenweisheit

nicht gebetsmühlenartig

wiederholt wird. Zwar ist

diese Erkenntnis weder neu noch innova-

tiv – hängt die Wettbewerbsfähigkeit

eines Unternehmens doch entscheidend

davon ab, ob bzw. inwieweit es ihm ge-

lingt, die zunehmende Umweltdynamik

zu bewältigen. Bei der konkreten Umset-

zung der erforderlichen Maßnahmen

(z. B. Strategiewechsel, Reorganisation,

Cost Containment, Stellenabbau) erge-

ben sich in aller Regel jedoch erhebliche

Schwierigkeiten.

Dabei sind solche schmerzlichen, aber

oft (überlebens)notwendigen Einschnitte

noch relativ leicht vermittelbar und da-

mit auch umzusetzen, falls sich ein Un-

ternehmen bereits in einer existenzbe-

drohenden Krise befindet, in der ein

dringender Veränderungsbedarf für alle

Akteure mehr als offensichtlich ist. Glei-

ches gilt für „lernende Organisationen“,

die auf schnelllebigen Märkten agieren

und bei denen radikale Veränderungen

schon lange zu einem integralen Be-

standteil des Tagesgeschäfts geworden

sind. Äußerst problematisch ist die Initi-

ierung tiefgreifender Changeprozesse

dagegen vor allem bei denjenigen Unter-

nehmen, die bisher immer erfolgreich

waren. Aufgrund der (noch!) komfortab-

len Situation ist die Einsicht, dass gravie-

rende Maßnahmen („Harte Schnitte“)

erforderlich sind, um die Erfolge der Ver-

gangenheit auch zukünftig zu sichern

(„Neues Wachstum“), oftmals gar nicht

vorhanden – warum sollte man anders

werden, wenn man doch gut ist? Die

Bereitschaft der Mitarbeiter zu radikalen

Veränderungen ist in derartigen Situatio-

nen sehr gering, der Widerstand gegen

Changeprojekte entsprechend groß. Zu-

sätzlich ergibt sich die Schwierigkeit,

dass Rationalisierungsmaßnahmen einer

völlig anderen Logik folgen (und daher

auch grundlegend andere Anforderungen

an das Management stellen), als die

gleichzeitig voranzutreibenden Innovati-

onsprozesse.

Dieses Spannungsfeld greifen Barbara

Heitger und Alexander Doujak in ihrem

aktuellen Buch auf. Aus einer system-

theoretisch geprägten Perspektive be-

schreiben sie die typischen Problembe-

reiche bei Changeprojekten und geben

den Verantwortlichen Hilfen und Werk-

zeuge an die Hand, damit die Gratwan-

derung zwischen „Zerstörung des Alten“

einerseits und „Aufbau des Neuen“ ande-

rerseits gelingen kann. Neben adäquaten

Antworten auf die vielfältigen betriebs-

Alles bleibt anders

Barbara Heitger/Alexander Doujak: Harte Schnitte Neues Wachstum.

Die Logik der Gefühle und die Macht der Zahlen im Change Management - Das Konzept der un:balanced transformation; 336 Seiten; Redline Wirtschaft bei Ueberreuter; Frankfurt/Wien 2002

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101

wirtschaftlichen Fragestellungen (wie

z. B. der Entwicklung von geeigneten

Controllingkonzepten für Veränderungs-

projekte) werden hierbei insbesondere

auch die weichen Faktoren betont. Chan-

gemanagement ist mehr als die

Abarbeitung eines Projektplans, Motor

(oder Bremse) für grundlegende Verän-

derungen sind in erster Linie die Emotio-

nen und Einstellungen der beteiligten

Akteure. Ohne die Unterstützung der

Mitarbeiter ist jeder Changeprozess von

vornherein zum Scheitern verurteilt und

ohne die klare Definition von Zielen, eine

stringente Planung und eine ebenso of-

fene wie glaubwürdige Kommunikation

von Seiten der Geschäftsleitung dürfte

diese Unterstützung nur ein frommer

Wunsch bleiben.

Von vielen vergleichbaren Werken hebt

sich das vorliegende Buch insbesondere

durch seinen ausgeprägten Praxisbezug

ab. Zusätzlich zu einem ganzen Kapitel

mit Fallstudien von Unternehmen, die

das Konzept „Harte Schnitte – Neues

Wachstum“ bereits umgesetzt haben,

finden sich zahlreiche Checklisten sowie

ein ausführliches Vorgehensmodell, das

die Phasen eines Changeprojekts von der

Initiierung bis zur nachhaltigen Siche-

rung der erreichten Ergebnisse detailliert

beschreibt.

Neben den oben genannten inhaltlichen

Aspekten unterscheidet sich das Buch

insbesondere auch durch sein Layout von

der Masse der Fachbücher. Dem Thema

entsprechend wurde fast jede Seite indi-

viduell gestaltet. Obwohl dieses Konzept

zweifellos einen gewissen Charme entfal-

tet, wird der Lesefluss durch das mitun-

ter etwas unruhig wirkende Layout an

manchen Stellen eher gehemmt als ge-

fördert. Etwas verwirrend wirkt zudem

die Vermischung von Elementen aus al-

ter und neuer Rechtschreibung. Großes

Lob verdienen demgegenüber die zahl-

reichen und fast ausnahmslos sehr ge-

lungenen Illustrationen und Schaubilder.

Insgesamt stellt das vorliegende

Werk einen sehr gelungenen Beitrag

zum Thema Changemanagement

dar. Ausgewiesene Change Manager

werden insbesondere von den zahl-

reichen Fallbeispielen und Werkzeu-

gen profitieren. Durch die umfassen-

den Einblicke in die „Psychologie des

Wandels“ kann das Buch jedoch

auch Lesern aus den oberen Füh-

rungsebenen empfohlen werden, die

Changeprozesse aus einer eher stra-

tegischen Perspektive betrachten.

Autor der Rezension:

Dr. Roland Franz Erben

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102

Originärer Geschäfts-

zweck von Banken ist

die Handhabung und

das „Managen“ von

Finanzrisiken jeglicher

Art. Der Fokus liegt

hierbei insbesondere

beim Kreditrisikomanagement.

Neben Basel II müssen sich Banken auch

mit den MaK, den Mindestanforderungen

für das Kreditgeschäft, beschäftigen.

Der vorliegende Band von Hofmann –

Basel II und MaK – zeigt die für die Ban-

ken wichtigen Neuerungen auf. Die Pub-

likation soll dem Leser relevante Infor-

mationen für die Bankpraxis vermitteln

und Anregungen für die Implementie-

rung der neuen Standards geben. Einlei-

tend bekommt der Leser einen guten

Überblick über Basel II. Die drei Säulen

von Basel II werden prägnant beschrie-

ben. Mögliche Konsequenzen wie die

„Förderung der Marktdisziplinierung

durch Publizitätsvorschriften“ oder eine

kritische Auseinandersetzung der Metho-

denwahl zwischen Standardansatz und

Interner Ratingansatz, fehlen ebenfalls

nicht.

Das Buch ist übersichtlich in vier Ab-

schnitte gegliedert. Im ersten Teil wer-

den die neuen Kapitalregeln von Basel II

aus den verschiedenen Perspektiven be-

trachtet. Neben der praktischen Sicht-

weise unterschiedlicher Banken, über

Konzeption und Umsetzung eines Rating-

ansatzes werden in zwei weiteren Bei-

trägen Aspekte der operationellen Risi-

ken und deren Folgen für kleine und mit-

telständische Unternehmen erörtert.

In den Beiträgen „Qualitative Überwa-

chung durch die Bankenaufsicht“ wird

aufgezeigt, das Basel II die bisherige

Praxis der Bankenkontrolle vor neue

Herausforderungen stellt. Im Einklang

dazu steht das Controlling der Banken

ebenfalls vor neuen Herausforderungen.

Die bisherigen Überprüfungsverfahren

und Informationsrechte der Bankenauf-

sicht kommen auf dem Prüfstand. Lag

der Schwerpunkt der Aufsicht in der Ver-

gangenheit eher auf quantitative Aspek-

te, so treten nun vermehrt auch qualita-

tive Aspekte in den Vordergrund. Es wird

hier die Auffassung vertreten, dass die

inhaltliche Bestimmung der qualitativen

Aspekte teilweise noch unbestimmt sind

und es weiterer Klarstellungen bedarf.

Intensiv werden auch die „Offenlegungs-

vorschriften“ erörtert. Auch wenn kleine-

re Institute „genügend Spielraum“ für

eine „differenzierte Offenlegunspolitik“

haben werden, so ist doch unverkenn-

bar, dass das Berichtswesen an Bedeu-

tung zunimmt. Abgerundet wird der In-

halt des Buches anhand eines Beitrages

aus Sicht einer Geschäftsbank, „inwie-

Basel II und MaK

Gerhard Hofmann (Hg.): Basel II und MaK.

Vorgaben, bankinterne Verfahren, Bewertungen; 318 Seiten, Bankakademie Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2002.

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103

weit die MaK geeignet sind, den Banken

als Unterstützung bei der Erarbeitung

von geeigneten Rahmenbedingungen für

das Kreditgeschäft“ dienen.

Dem Herausgeber und den Autoren

ist es gelungen, eine interessante

und gut lesbare Publikation zum

Thema Basel II zu veröffentlichen.

Etwas höhere mathematische Anfor-

derungen werden dem Leser bei der

wissenschaftlichen Betrachtung

über die „Erfassung des Kreditrisi-

kos“, zugemutet. Aus meiner Sicht

fehlt eine kritische Auseinanderset-

zung, warum nicht nur Banken von

Basel II betroffen sind.

Autor der Rezension:

Christoph Tigges

Email: [email protected]

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104

Dass 100-jährige Ver-

lagsjubiläum des 1902

in Leipzig gegründeten

C.E. Poeschel Verlages –

1992 durch Fusion mit

dem Schäffer Verlag

vereint – war Anlass für

die Publikation dieses Werkes. Wie der

Titel bereits aussagt, ist Ziel der Heraus-

geber, die Entwicklung der Betriebswirt-

schaftslehre darzustellen.

Die Wurzeln der Betriebswirtschaft rei-

chen zurück bis in die griechische Antike.

Vorwiegend islamische Gelehrte über-

nahmen die Lehren der griechischen

Ökonomik, wobei die Menschenführung,

und nicht mikroökonomische Fragestel-

lungen heutiger Ausprägung im Vorder-

grund standen. Die fortschreitende In-

dustrialisierung erforderte ein ausge-

prägteres Wissen über die Vorgänge der

Unternehmensökonomie. Auch die sich

weiterentwickelnden Wirtschaftstheorien

führten zu einer intensiveren Auseinan-

dersetzung mit mikroökonomischen Fra-

gestellungen. Das Spannungsverhältnis

zwischen gesamtwirtschaftlicher und

sozialwissenschaftlicher Ansichten einer-

seits, industriepolitischen und individuel-

ler Bedürfnissen andererseits, war immer

gegeben.

Das Werk greift einzelne Phasen der

Entwicklung auf. Beginnend mit der

Frühphase über die Gründung der ersten

Hochschulen, über den Nationalsozialis-

mus, die Zeit nach dem Zweiten Welt-

krieg und den Jahrzehnten danach bis

hin zu den jüngsten Entwicklungen.

Der Leser erfährt die Motive, die zur

Gründung der ersten Han-

delshochschulen führten. „Hohe geistige

Bildung“ oder das der Zweck der kauf-

männischen Arbeit nicht allein im Erwerb

und in der Anhäufung von Geld, sondern

in der „Bereicherung des Gemeinwesens“

besteht, zeigt, dass aktuelle Diskussio-

nen um den Shareholder Value keine

Neuerscheinungen sind, sondern das

diese Themen in der Vergangenheit in

einem anderen Kontext unterschiedlich

thematisiert worden sind.

Mit Beiträgen zu den verschiedenen Teil-

disziplinen erhält der Leser einen umfas-

senden Überblick über die Intensität der

Entwicklungen in den Fachgebieten. In-

ternationale Aspekte werden ebenfalls

angesprochen. Jedoch sind kritische An-

merkungen angebracht. In dem Buch ist

der Mangel an übergeordneten Konse-

quenzen mikroökonomischen Verhaltens

auf die Gesamtgesellschaft erkennbar.

Auch wenn, wie bereits einleitend be-

schrieben, dies nicht Gegenstand des

Buches ist, so wäre doch ein Beitrag

wünschenswert gewesen. Zumal die

Spannungen zwischen der Mikro-, und

der Makroökonomie immer bestand.

Gewollt ist, dass die Einzelbeiträge zu

Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre

Eduard Gaugler; Richard Köhler (Hrsg):

Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre, 100 Jahre Fachdisziplin - zugleich eine Verlagsgeschichte.

554 Seiten, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2002.

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105

weiteren Fragestellungen animieren, was

durchaus der Fall ist. Weiter ist anzu-

merken, dass der Beitrag zum Thema

Rechnungswesen sich eher wie eine Zu-

sammenstellung der Verlagspublikatio-

nen liest und der Leser über die Entwick-

lungen im Rechnungswesen leider wenig

erfährt.

Es ist ein lehrreiches Buch für Inte-

ressenten und Studenten der Mikro-

ökonomie. Aktuelle Diskussionen

erscheinen nach Lektüre des Bandes

in einem neuen Licht. Auch wenn

hier zugleich die Verlagsgeschichte

beschrieben wird, Priorität liegt bei

den Fachthemen. Weiterer Neben-

effekt ist die Erkenntnis, das durch

das Gespür und die Idee für das

Neue zugleich aufgezeigt wird, wie

durch Glück und Geschick Unter-

nehmensgeschichte wie die des Ver-

lages erfolgreich verlaufen kann.

Autor der Rezension:

Christoph Tigges

Email: [email protected]

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106

Wüsste man es nicht

besser, man sollte

meinen, dass zum

thematischen Dauer-

brenner Kreditrisiko-

management eigentlich

alles geschrieben sein

müsste, was es zu

schreiben gibt. Die Bankenwelt schaut

gebannt nach Basel, und es hat eigent-

lich die Stunde der Praktiker geschlagen,

um die sich herauskristallisierenden an-

spruchsvollen Methoden der neuen Ei-

genkapitalregelungen zu verwirklichen.

Nichtsdestoweniger ist die Modellierung

von Kreditrisiken auch ein lebendiges

Thema in der wissenschaftlichen For-

schung, wo weiterhin um bessere und

trotzdem anwendbare Abbildungen der

Wirklichkeit gerungen wird.

In diesem Kontext ist auch die vorlie-

gende Monographie zu sehen. Der Autor

hat es sich zum Ziel gesetzt, einen um-

fassenden Überblick über verschiedene

einschlägige Methoden in der Kreditrisi-

komodellierung zu geben, namentlich

Credit Metrics, Credit Risk+, das KMV-

Modell und Credit Portfolio View, deren

Grenzen und Modellfehler zu analysieren

und ein eigenes Modell vorzustellen, das

ein getreueres Abbild der tatsächlichen

Verhältnisse verspricht.

Der Text ist dabei durch ein eingängiges

und systematisches Vorgehen gekenn-

zeichnet. Im ersten Teil der Arbeit wird

ausführlich auf unterschiedliche Verfah-

ren zur Bestimmung und Modellierung

von Ausfallwahrscheinlichkeiten, Exposu-

res und Verlustquoten der Einzelenga-

gements eingegangen. Dabei nehmen

die Ausfallwahrscheinlichkeiten den

größten Raum ein, wobei die Ansätze in

den verschiedenen Modellwelten gründ-

lich analysiert und beurteilt werden. Re-

gelmäßige Leser der RiskNEWS werden

die Aufsätze der hier erschienenen Serie

„Bestimmung von Ausfallwahrscheinlich-

keiten“ wiedererkennen (siehe auch die-

se Ausgabe der RiskNEWS, S. 76 ff.).

Der zweite Teil ist der Portfoliomodellie-

rung gewidmet. Auch hier geht der Autor

auf die Unterschiede und Schwächen der

bekannten Modelle ein, und setzt sich

u. a. kritisch mit veröffentlichten Resul-

taten auseinander, die die Unterschiede

der verschiedenen Modelle hauptsächlich

auf unterschiedliche Rahmenparameter

zurückführen. Betrachtungen über vor-

ausschauendes Risikomanagement und

Optimierung von Kreditportfolien runden

diesen Teil ab.

Leser, die es gewohnt sind, lektorierte

Aufsätze zum Thema zu lesen, seien ge-

warnt: Der vorliegende Text eignet sich

nicht als Bettlektüre, sondern ist eine

wissenschaftliche Arbeit, die sich neben

bankfachlichen auch intensiv und grund-

legend mit mathematischen Aspekten

Kreditrisikomanagement

Uwe Wehrspohn:

Credit Risk Evaluation Modeling – Analysis – Management, 195 Seiten, CRE 2002.

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107

der Kreditrisikomodellierung beschäftigt.

Der Text verlangt aktive und gelegentlich

aufwendige Mitarbeit des Lesers. Wer

diese Mühen nicht scheut und bereit ist,

gelegentlich Abstriche bei Formalien zu

machen (etwa bei Abbildungsbeschrif-

tungen, die teilweise recht lakonisch

ausfallen), wird dafür allerdings auch mit

tiefgehenden, neuen und teils überra-

schenden Einsichten belohnt.

Zu solchen gelangt man insbesondere im

zweiten Teil der Arbeit. Der Autor erar-

beitet hier eine analytische Darstellung

der Portfolio-Verlustfunktion im Falle von

homogenen Portfolien im Grenzfall un-

endlich vieler Engagements im Normal-

verteilungs-Korrelationsmodell (das z. B.

Credit Metrics zu Grunde liegt) und fin-

det zwei wichtige Verallgemeinerungen:

Die eine betrifft den Fall eines Portfolios

mit solchen homogenen Sub-Portfolien,

die zweite ein verallgemeinertes Korre-

lationsschema, dass auf allgemein multi-

variaten elliptischen Verteilungen beruht.

Erstere ebnet möglicherweise struktu-

rierten Kreditrisikomodellen den Weg für

den Einsatz auch im Retail-Bereich, zwei-

tere stößt das Tor auf zu einer neuen,

vielversprechenden Klasse von Modellie-

rungsvarianten, die im Bereich der Kre-

ditportfolien neu sind und möglicherwei-

se eine realistischere Abbildung von Ab-

hängigkeitsstrukturen erlauben: Der Au-

tor zeigt, dass es kein Korrelationsmodell

gibt, das weniger Risiko für ein gegebe-

nes Portfolio ausweist als das klassische

Normalverteilungsmodell vom Typ Credit

Metrics oder KMV. Damit ist die Unter-

schätzung des Risikos bei den herkömm-

lichen Modellen quasi bewiesen. Ob sich

eine generell wirklichkeitsnähere Ermitt-

lung der Portfolio-Verlustfunktion durch

die Verwendung der allgemeineren Klas-

se von elliptischen Verteilungsfunktionen

erzielen lässt, muss auch der Autor da-

hingestellt sein lassen. Hier liegt noch

ein weites Feld von Forschungsbedarf,

insbesondere mit empirischen Kreditaus-

fall- und Marktdaten.

Neben vielen weiteren Anregungen, die

die Arbeit bietet, stellt der Autor im letz-

ten Abschnitt (Portfoliooptimierung) eine

Veröffentlichung von Rockafellar und

Uryasev vor, die zu Recht als bahnbre-

chend bezeichnet wird. Darin wird die

Optimierung eines Kreditportfolios hin-

sichtlich des Shortfalls unter Variation

der Exposures auf ein lineares Optimie-

rungsproblem zurückgeführt, zu wel-

chem effiziente Lösungsalgorithmen be-

kannt sind. Diese Art der Optimierung,

die einen größeren Bekanntheitsgrad

verdient hat, wird vom Autor illustrativ

auf ein Beispiel-Portfolio angewandt.

Sowohl im ersten als auch im zweiten

Teil baut der Autor, dessen Arbeit man

die intensive Auseinandersetzung mit der

Materie auch unter Praktikabilitätsge-

sichtspunkten deutlich anmerkt, sein

eigenes „CRE-Modell“ auf, wobei er die

von ihm dargelegten Ungenauigkeiten

der bekannten Modelle zu vermeiden

sucht. Besonders überzeugende Trans-

zendierungen der „althergebrachten“

Modellwelt werden dabei in der Imple-

mentierung der gegenseitigen Abhängig-

keiten der Kreditnehmer erreicht. Insbe-

sondere die Auswirkungen von Länderri-

siken sowie von mikroökonomischen,

asymmetrischen Einflüssen der Kredit-

nehmer aufeinander konnten in klarer

und überzeugender Weise in die Model-

lierung integriert werden.

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Heraus kommt ein modulares Modell,

das viele Aspekte in konsistenter Weise

berücksichtigt, aber auch eine Vielzahl

von freien Parametern und methodischen

Optionen hat (die verschiedenen Module

können dabei je nach Verfügbarkeit von

empirischen Daten entfernt, hinzugefügt

oder modifiziert werden). Insofern ist es

allerdings auch viel weniger festgelegt

als die bekannten Modelle und sollte da-

her eher als Meta-Modell angesehen

werden. Eine Art „Grund-Kanon“ von

bewährten Einstellungen und Auswahl-

möglichkeiten des CRE-Modells gibt es

vorläufig nicht und wird es für den all-

gemeinen Fall auch nicht geben: Die

Ausgestaltung hin zu einer konkreten

Implementierung wird stark von der Art

des Portfolios, der Art und Menge der

vorliegenden historischen Daten und

insbesondere von der Expertise, den

Bemühungen und sicher auch der Phan-

tasie der Implementierenden abhängen.

Dieser Arbeit, die der mehrjährigen

Erfahrung des Autors in Forschung

und Praxis ihr breites Ideenspekt-

rum verdankt, ist eine über den aka-

demischen Bereich hinausreichende

Leserschaft unbedingt zu wünschen.

Das Buch kann in elektronischer

Form kostenfrei im World Wide Web

unter

http://www.risk-and-evaluation.com

bezogen werden.

Autor der Rezension:

Jürgen Prahl

Email: [email protected]

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Sitzen Sie auch gelegentlich vor einem Excel-Sheet und versuchen aus der Zah-lenwüste die Zukunft zu lesen? Überlas-sen Sie diese Arbeit doch einfach Ihrem Computer. Fundierte Risikoabschätzung für Projekte, Business-Pläne, Investiti-onsentscheidungen, kurz, für alle zu-kunftsgerichteten Vorhaben. Eine Viel-zahl von Variablen unterschiedlicher Ein-trittswahrscheinlichkeit wollen gleichzei-tig abgewogen werden. Anstelle Ihre Entscheidungen auf Basis weniger Szenarien treffen zu müssen, können Sie mittels der Methode der Monte Carlo Simulation in Sekunden-schnelle ein auf Tausenden von Varian-ten basierendes Ergebnis präsentieren. Sie können Ihre Energie voll und ganz auf die Qualitätssicherung der Input-Variablen konzentrieren, während Ihr Computer die Rechenarbeit leistet. Die automatische grafische Auswertung der "what-if"-Prozesse lenkt Ihre Aufmerk-samkeit auf die maßgeblichen Erfolgsfak-toren und verborgenen Risiken. Inhalte des Seminars:

• Praxisorientierte Einführung in die quantitative Risikoanalyse und die Methode der Monte Carlo Simula-tion.

• Monte Carlo Simulation als natür-

lich Weiterentwicklung der Szena-rio-Technik. Einfluss auf Mana-gement-Entscheidungen.

• Einführende praktische Beispiele

und Übungen direkt am Computer und mit der dafür notwendigen Software.

• Der Umgang mit Wahrscheinlich-

keitsverteilungen.

• Der Einsatz der Monte Carlo Si-

mulation in der Praxis. Nach diesem Seminar sind Sie in der Lage, mit Unterstützung der Monte Carlo Simulation, fundiertere und damit besse-re Entscheidungen zu fällen. Die vom den Trainern aufgezeigten Beispiele ent-sprechen alle echten Modellen, die sich in der Praxis bewähren mussten. Teilnahmekosten: Die Teilnahmekosten betragen je Semi-nartag 695 € zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Für beide Seminartage zusammen beträgt der Preis 1.200 €. Im Preis inbegriffen sind umfassende Semi-narunterlagen, Mittagessen und Pausen-getränke. Jeder zweite Teilnehmer des-selben Unternehmens erhält 20% Ra-batt. Wer sollte teilnehmen: Das Seminar ist maßgeschneidert für Unternehmer, Strategie-Planer, Unter-nehmensberater, Finanzanalysten, Risiko Manager, Underwriter, Investoren, Buch-halter und Controller, Ingenieure, Wis-senschaftler und Marketing Managern – jede oder jeder, der mit Spreadsheets versucht, zukünftige Resultate vorherzu-sehen. Weitere Informationen und Anmeldung: http://www.riskmind.com oder bei Herbert C. Frey E-Mail: [email protected]

Monte Carlo Simulation Management Tool of the Future

Grundlagen- und Expertenseminar

12./13. Februar und 26./27. März 2003 in München, Deutschland

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| www.risknews.de 01.2003 RiskNEWS Autoren

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Joachim Brückmann Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Jens Deidersen Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Kai Gammerlin Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Michael Huth Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Kirsten-Annette Minz Dipl.-Kffr., nach einer Lehre zur Industriekauffrau studierte sie an der Philipps-Universität Marburg sowie an der Universität Siegen Wirtschaftswissenschaften mit den Schwerpunkten Finanz- und Bankmanagement, Personal-Management, Industriebetriebslehre und Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Ihre Dissertationsschrift zum Thema „Opera-tionelle Risiken in Kreditinstituten“ ver-fasste sie während ihrer Assistententä-tigkeit an der Universität Siegen am Lehrstuhl für Finanz- und Bankmanage-ment von Prof. Dr. Arnd Wiedemann. Zur Zeit ist sie als Referentin im Bereich Strategie und Grundsatzfragen des Rhei-nischen Sparkassen- und Giroverbandes in Düsseldorf tätig. Jan Offerhaus ist Prokurist bei Haarmann Hemmelrath Management Consultants GmbH in Mün-chen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Rating Advisory, Risikomanage-ment/Unternehmenssteuerung, Corpora-te Development und Sanierung. Zuvor war er bei der DG BANK und der Hypo-Vereinsbank AG mehrere Jahre im Be-reich Controlling/Risikocontrolling tätig. Seine Studien in Volkswirtschaftslehre und Geschichtswissenschaft schloss er an Universitäten in München und Detroit mit dem Diplom in VWL bzw. dem Master of Arts ab.

Prof. S.T. Rachev Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Stefan Trück Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Gerrit Jan van den Brink Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Alexander von Balduin Dipl. Ökonom, studierte an der Universi-tät Hohenheim Wirtschaftswissenschaf-ten mit den Schwerpunkten Controlling, Rechnungslegung & Finanzierung sowie Wirtschaftsinformatik. Zur Zeit liegen seine Arbeitsschwerpunkte bei der CSC Ploenzke AG im Competence Center Controlling und Risk Management auf dem Gebiet des Risikomanagements. Er beschäftigt sich unter anderem mit Me-thoden zur Identifikation, Bewertung und Steuerung von Risiken, dem Themen-komplex Operational Risk sowie der neu-en Basler Eigenkapitalvereinbarung (Ba-sel II). Uwe Wehrspohn Uwe Wehrspohn ist Wissenschaftler an der Universität Heidelberg und Ge-schäftsführer des Centers for Risk and Evaluation GmbH & Co. KG. Zuvor war er mehrere Jahre als Unternehmensberater im Bereich Risikomanagementstrategie, -methoden und -technologie im Compe-tence Center Risk Management & Cont-rolling der CSC Ploenzke AG tätig. Herr Wehrspohn hat Mathematik, Wirt-schaftswissenschaften und ev. Theologie in Montpellier, St. Andrews, München und Heidelberg studiert.

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| www.risknews.de 01.2003 Impressum

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RiskNEWS Das Risk Management Magazin von RiskNET.de

4. Jahrgang – Ausgabe 01.2003 – ISSN 1616-0045

Erscheinungsweise zweimonatlich Herausgeber: RiskNET – The Risk Management Network, http://www.risknet.de/ Frank Romeike, Meckelhof 5, 79110 Freiburg i. Br., Telefon: +49-(0)761-8982-142 Chefredaktion Frank Romeike, [email protected] (verantwortlich) Dr. Roland Erben, [email protected] (stellvertretend) Layout: Silke Berghof, [email protected] Anzeigen / Sponsoring: Bei Interesse an unseren Mediadaten bitte Email an: [email protected] Verantwortlich für den Inhalt: Die jeweiligen Autoren. Wir danken den Autoren und Interviewpartnern für Ihr Engage-ment. Kontakt: [email protected] Nachdruck und Copyright: Wir danken unseren Autoren und Risk Management Experten für die Erarbeitung der Tex-te. Nachdruck, auch auszugsweise, kommerzielle Weiterverbreitung und Aufnahme in kommerzielle Datenbanken nur mit schriftlicher Genehmigung der Herausgeber. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit sämtlicher Inhalte und Darstellungen übernehmen wir kei-ne Gewähr. Copyright © 1999-2003 by „RiskNet – The Risk Management Network“ und den jeweili-gen Autoren. Alle Rechte, insbesondere das Recht auf Verbreitung, Nachdruck von Text und Bild, Übersetzung in andere Sprachen sowie Vervielfältigung für alle veröffentlichten Beiträge einschließlich Abbildungen vorbehalten.