titel: operational...
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RRiisskk MMaannaaggeemmeenntt –– KKrriisseennmmaannaaggeemmeenntt –– RRiissiikkooccoonnttrroolllliinngg
RiskNEWS Januar/Februar 2003 € 3
TTIITTEELL:: OOppeerraattiioonnaall RRiisskk
SSeerriiee:: DDeeffaauulltt RReeccoovveerryy RRaatteess –– TThheeoorreettiisscchhee MMooddeelllliieerruunngg uunndd eemmppiirriisscchhee SSttuuddiieenn Teil 2 – Einflussfaktoren und Schätzung von durchschnittlichen Recovery Rates EEiinn BBeeiittrraagg vvoonn SStteeffaann TTrrüücckk,, JJeennss DDeeiiddeerrsseenn uunndd PPrrooff.. SS..TT.. RRaacchheevv TTiitteell:: WWhhaatt yyoouu sseeee iiss wwhhaatt yyoouu ggeett!! OOppeerraattiioonneellllee RRiissiikkeenn iiddeennttiiffiizziieerreenn Ein Beitrag von Kirsten-Annette Minz TTiitteell:: QQuuaannttiiffiizziieerruunngg ooppeerraattiioonneelllleerr RRiissiikkeenn EEiinn WWeegg zzuurr EEiinnbbeettttuunngg iinn ddeenn MMaannaaggeemmeenntt--ZZyykklluuss Ein Beitrag von Gerrit Jan van den Brink TTiitteell:: OOppeerraattiioonnaall VVaalluuee aatt RRiisskk EEiinn AAnnssaattzz ffüürr ddaass MMaannaaggeemmeenntt vvoonn OOppeerraattiioonneelllleenn RRiissiikkeenn Ein Beitrag von Alexander von Balduin CChhaanncceenn-- uunndd RRiissiikkoommaannaaggeemmeenntt aallss uummffaasssseennddeerr AAnnssaattzz zzuurr UUnntteerrnneehhmmeennsssstteeuueerruunngg Ein Beitrag von Joachim Brückmann und Kai Gammelin RRiissiikkoommaannaaggeemmeenntt iinn ddeerr LLooggiissttiikk ((TTeeiill 11)) AAlltteerr WWeeiinn iinn nneeuueenn SScchhllääuucchheenn?? EEiinn BBeeiittrraagg vvoonn MMiicchhaaeell HHuutthh BBaasseell IIII –– IIsstt ddeerr bbaayyeerriisscchhee MMiitttteellssttaanndd „„ffiitt““ ffüürr RRaattiinnggss?? EEiinn BBeeiittrraagg vvoonn JJaann OOffffeerrhhaauuss
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uunndd vviieellee BBuucchhrreezzeennssiioonneenn ......
ISSN 1616-0045 www.risknews.de
| www.risknews.de 01.2003 Inhalt RiskNEWS
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03 Editorial 04 News 07 Fachbeitrag (Serie)
Default Recovery Rates – The-oretische Modellierung und empirische Studien Teil 2: Einflussfaktoren und Schätzung von durchschnittli-chen Recovery Rates Ein Beitrag von Stefan Trück, Jens Deidersen und Prof. S.T. Rachev
18 Fachbeitrag (Titel)
What you see is what you get! Operationelle Risiken identifi-zieren Ein Beitrag von Kirsten-Annette Minz
26 Fachbeitrag (Titel) Quantifizierung operationeller Risiken Ein Weg zur Einbettung in den Management-Zyklus Ein Beitrag von Gerrit Jan van den Brink
37 Fachbeitrag (Titel) Operational Value at Risk Ein Ansatz für das Manage-ment von Operationellen Risi-ken Ein Beitrag von Alexander von Balduin
49 Fachbeitrag Chancen- und Risikomanage-ment als umfassender Ansatz zur Unternehmenssteuerung Ein Beitrag von Joachim Brück-mann und Kai Gammelin
57 Fachbeitrag Risikomanagement in der Lo-gistik (Teil 1) Alter Wein in neuen Schläu-chen? Ein Beitrag von Michael Huth
69 Fachbeitrag
Basel II – Ist der bayerische Mittelstand „fit“ für Ratings? Ein Beitrag von Jan Offerhaus
76 Fachbeitrag (Serie)
Serie: Bestimmung von Aus-fallwahrscheinlichkeiten - Teil 5: Integrative Modelle - Credit Risk Evaluation Model Ein Beitrag von Uwe Wehrspohn
90 Interview Prof. Dr. Volker H. Peemöller zu Fragen der Unternehmens-bewertung
96 Literatur
109 Termine / Seminare 110 Autorenportraits 111 Impressum
| www.risknews.de 01.2003 Editorial
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Liebe Leserin, lieber Leser!
Risiken sind die Bugwelle des Erfolgs.
Nur wer stehen bleiben will, geht kein
Risiko ein. Ein Schiff oder Boot, das nur
im Hafen liegt, bringt dem Reeder oder
Fischer nichts ein. Man muß sich den
Risiken des Meeres (Wind und Wellen)
aussetzen. Und man sollte die Risiken
steuern und Klippen umschiffen. Etymo-
logisch entstammt "Risiko" dem frühita-
lienisches "risco", die Klippe, die es zu
umschiffen gilt. Und man sollte wissen,
wie man mit Risiken umgehen muss. Der
Kapitän sollte also wissen, wie er die
verschiedenen Steuerungsinstrumente
liest und welche Frühwarnindikatoren auf
die zukünftige Entwicklung hinweisen.
In dieser Ausgabe der RiskNEWS
beschäftigen wir uns im Schwer-
punkt mit dem Themenkomplex
"Operational Risk". Operationelle Risi-
ken gibt es schon sehr lange. Jedes Un-
ternehmen ist bereits bei Gründung ope-
rationellen Risiken ausgesetzt. Insbeson-
dere Banken setzen sich zurzeit intensiv
mit dieser Risikokategorie auseinander.
Basierend auf den Regelungen von Basel
I wurde das zu hinterlegende Eigenkapi-
tal explizit allein durch die vorhandenen
Kredit- und Marktrisiken der Banken be-
stimmt. Durch Basel II werden operatio-
nelle Risiken nun auch explizit in die Be-
rechnung des regulatorischen Eigenkapi-
tals einbezogen werden. Im Konsultati-
onspapier vom Januar 2001 waren 20 %
des gesamten zu unterlegenden Eigen-
kapitals für operationelle Risiken vorge-
sehen. Aktuell wurde dieser Anteil auf
12 % reduziert.
Das operationelle Risiko definiert der
Baseler Ausschuss als die „Gefahr von
Verlusten, die infolge der Unangemes-
senheit oder des Versagens von internen
Verfahren, Menschen oder Systemen
oder von externen Ereignissen eintre-
ten“. Strategische Risiken und Reputati-
onsrisiken sind in dieser Definition für die
Zwecke der aufsichtsrechtlich geforder-
ten Mindestkapitalunterlegung nicht ent-
halten.
In der vorliegenden RiskNEWS finden Sie
u. a. Beiträge zu den folgenden Themen:
• Modellierung der Recovery Rate
• Risikomanagement in der Logistik
• Pre-Rating-Ansatz
• Interview mit Prof. Peemöller zu
Fragen der Unternehmensbewer-
tung
Ich freue mich über ein Feedback an
Ihr Frank Romeike
Le risque est l'onde
de proue du succès.
4 | www.risknews.de 01.2003 News
Auf Basel II sind viele Banken
nicht ausreichend vorbereitet
Ergebnisse einer IBM Studie
Die Vorbereitungen für die Umsetzung
von Basel II haben begonnen - allerdings
in höchst unterschiedlichem Umfang, wie
eine weltweite Studie des IBM Institute
for Business Value gezeigt hat. Befragt
wurden die Basel II-Verantwortlichen in
32 Finanzinstituten unterschiedlicher
Größe nach dem Stand ihrer Vorberei-
tungen. Mehr als dreiviertel der Banken
sieht sich zwar im Zeitplan, jedoch ha-
ben erst 40 Prozent der Großbanken und
37 Prozent der kleineren Institute damit
begonnen, die notwendigen Daten für
eine umfassende Datenhistorie aus den
verschiedensten internen und externen
Quellen zu sammeln, zu integrieren und
zu konsolidieren.
Eine der schwierigsten Aufgaben liegt
primär in den Bereichen Datenmanage-
ment und -verarbeitung: 96 Prozent se-
hen hier die größte Herausforderung.
Insbesondere der Integration histori-
scher Kundendaten kommt dabei hin-
sichtlich künftiger Anforderungen an das
Rating der Kreditnehmer und das Risi-
komanagement der Geldinstitute erhebli-
che Bedeutung zu. Ebenfalls 40 Prozent
der Großbanken sowie knapp ein Drittel
der kleinen Banken ist dagegen noch mit
der Planung dazu befasst. Die verblei-
benden Institute beider Gruppen haben
nach eigenen Angaben sogar erst die
Analysephase erreicht.
Grundlage der Untersuchung bilden 16
Finanzinstitute mit einer Bilanzsumme
von über 100 Milliarden US-Dollar sowie
16 kleinere Institute. Grundsätzlich sieht
sich die Mehrheit der Banken zwar im
Plan, insbesondere große Institute schät-
zen ihr bisheriges Risikomanagement
zumindest in zentralen Elementen als
Basel II-konform ein, aber mittlere und
kleine Finanzdienstleister liegen vor al-
lem aufgrund begrenzter Ressourcen
nach eigenen Angaben noch häufig hinter
den Anforderungen zurück.
„Die Umsetzung von Basel II erfordert
von vielen Instituten einen Kraftakt, der
durchaus mit den Anstrengungen für die
Umstellungsarbeiten zum Jahrtausend-
wechsel vergleichbar sein dürfte“, erläu-
tert Dr. Dirk Siegel, Leiter Strategiebera-
tung der IBM Business Consulting Servi-
ces für Central Region (Deutschland, Ös-
terreich, Schweiz und Teile Osteuropas).
Weitere Infos:
http://www.de.ibm.com
<fr>
5 | www.risknews.de 01.2003 News
Sanio: In Deutschland
gibt es keine Bankenkrise
Interview mit Jochen Sanio
In Deutschland gibt es nach Ansicht von
Jochen Sanio, Präsident der Bundesan-
stalt für Finanzdienstleistungsaufsicht
(BAFin), keine Bankenkrise. „Wenn wir
über Bankenkrisen in Deutschland reden,
dann müssen wir zurück in den Sommer
1931 gehen, als nach dem Zusammen-
bruch der Danatbank ein Run der Einle-
ger auf das deutsche Bankensystem ein-
setzte“, erklärte Sanio in einem vorab
veröffentlichten Interview mit „RATIN-
Gaktuell“. In Deutschland gebe es auch
keine Kreditklemme. Ein „Credit Crunch“
wäre dann gegeben, wenn Banken Kredi-
te vergeben wollten, aber dazu wegen
bankaufsichtlicher Vorschriften - in
Deutschland insbesondere der Grundsatz
I KWG - nicht mehr in der Lage wären.
Wenn Banken ihr Kredit-Engagement
hierzulande gegenüber Teilen das Mit-
telstandes zurückschraubten, dann seien
das bewusste strategische Risiko-
Entscheidungen, die allein etwas mit der
Einschätzung der Kreditwürdigkeit der
Kreditnehmer zu tun hätten, sagte Sanio
weiter. Die starke Segmentierung der
deutschen Kreditwirtschaft habe seit
Jahren zu einem extrem hohen Wettbe-
werbsdruck geführt, was naturgemäß in
einer sehr niedrigen Rentabilität enden
müsse. Auf der anderen Seite hätten die
deutschen Banken ein ausgeprägtes Kos-
tenproblem, nicht zuletzt, weil sie mit ih-
ren niedrigen Marktanteilen keine "eco-
nomics of scale" generieren könnten.
Diese unbefriedigende Grundkonstellati-
on, die nur während der guten Börsen-
jahre durch Sondererträge nach außen
nicht deutlich sichtbar gewesen sei, sei
im Jahr 2002 bei den Großbanken da-
durch verschärft worden, dass es im kos-
tenintensiven Investmentbanking zu
dramatischen Ertragseinbußen gekom-
men sei. Darüber hinaus sei das Kredit-
geschäft durch einen gestiegenen Wert-
berichtigungsbedarf belastet worden.
Sanio sprach in diesem Zusammenhang
von einem „Blutzoll“ an Wertberichtigun-
gen wie nie zuvor. Die Banken müssten
sich von Geschäftsbereichen, die auf
Dauer keine ausreichenden Erträge brin-
gen, möglichst schnell trennen.
Weitere Infos sowie das komplette
Interview finden Sie unter der URL:
http://www.ratingaktuell-news.de
<fr>
6 | www.risknews.de 01.2003 News
Coface setzt Spanien
auf Beobachtungsliste
Kreditversicherer verändert Länderratings
Spanien ist im Länderrating der Coface-
Gruppe (Paris), einem der führenden in-
ternationalen Kreditversicherer, aufgrund
negativer wirtschaftlicher Vorzeichen auf
die Beobachtungsliste gesetzt worden.
Wie die deutsche Coface-Tochtergesell-
schaft Allgemeine Kredit Coface (Mainz)
mitteilt, bleibt Spanien zunächst in der
Höchstbewertung A1. Negative Indikato-
ren – wie vermehrte Forderungsausfälle,
Rückgänge beim Export, im Tourismus
und in Industrieinvestitionen – führten
aber dazu, dass die Länderanalysten der
Coface Spanien auf "A1 – negative
watchlist" setzten.
Daneben stufte die Coface die Staaten
Elfenbeinküste von C auf D, Venezuela
von C auf D und Gabun von B auf C ab.
Positive Tendenzen sieht die Coface in
der Türkei. Das Land steht nach wie vor
auf dem Länderrating C, ist aber mit po-
sitiven Vorzeichen auf die Watchlist ge-
setzt worden. Hier stellt die Coface eine
schnellere Erholung der Wirtschaft fest
als erwartet worden sei. Die finanzielle
Situation des Landes sei weiter anfällig
für Krisen der Finanzmärkte. Unterstüt-
zung durch den internationalen Wäh-
rungsfonds werde aber eine neue Fi-
nanzkrise in 2003 vermeiden. Die Unter-
nehmen erholten sich nach Ansicht der
Coface allmählich von der Krise. Von der
Regierung erwartete Reformen seien al-
lerdings notwendig, um das wachsende
Vertrauen zu stärken. Eine Aufwertung
gab es auch für Kroatien von B auf A4,
für die Slowakei von B auf A4 und für
Rumänien von C auf B. Die Slowakei hat-
te vor ihrer Heraufstufung für einige Zeit
auf der Beobachtungsliste mit positiven
Vorzeichen gestanden.
Das Länderrating der Coface-Gruppe
misst das durchschnittliche Zahlungsaus-
fallrisiko für Unternehmen in den einzel-
nen Ländern und gibt Informationen über
die Einflüsse, denen exportierende oder
investierende Unternehmen mit ihren
Engagements dort unterliegen. Neben
den allgemeinen ökonomischen, politi-
schen und sozialen Risikofaktoren be-
trachtet der Kreditversicherer die konkre-
te Kreditwürdigkeit einzelner Unterneh-
men. Denn auch in allgemein stabilen
Ländern gibt es hohe Zahlungsausfallrisi-
ken, wie umgekehrt in problematischen
Ländern im Einzelfall stabile Geschäfts-
beziehungen möglich sind.
Weitere Infos:
Alle aktuellen Länderratings der Coface
sind mit Erläuterungen auf der Website
www.cofacerating.com kostenlos einseh-
bar.
<fr>
7 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates
Default Recovery Rates – Theoretische
Modellierung und empirische Studien
Teil 2 – Einflussfaktoren und Schätzung
von durchschnittlichen Recovery Rates
Ein Beitrag von Stefan Trück, Jens Deidersen und Prof. S.T. Rachev
Einleitung
Im ersten Teil der Serie wurde eine Ein-
führung hinsichtlich der Definition und
Modellierung der Recovery Rate in Kre-
ditrisikomodellen gegeben. Es wurde
deutlich, dass im allgemeinen die in der
Praxis verwendeten Kreditrisikomodelle
sehr versierte Ansätze für die Modellie-
rung der Ausfallwahrscheinlichkeit bie-
ten. Bei der Modellierung der Recovery
Rate jedoch wurden häufig sehr verein-
fachende bzw. empirisch nicht belegbare
Überlegungen angestellt.
Die Annahme einer konstanten Recovery
Rate oder auch deren Modellierung als
stochastische Variable unabhängig von
der Ausfallwahrscheinlichkeit, wie sie in
einigen Kreditrisikomodellen getroffen
wird, sind letztendlich mehr als fraglich.
Im Gegensatz zu diesen Annahmen, zei-
gen empirische Studien häufig eine of-
fensichtliche negative Korrelation zwi-
schen der durchschnittlichen Recovery
Rate innerhalb eines Jahres und der Aus-
fallwahrscheinlichkeit von Anleihen. Wei-
terhin wird vermutet, dass auch andere
Variablen, wie etwa der Gesamtzustand
der Wirtschaft einen Einfluss auf die
durchschnittliche Recovery Rate haben.
Im zweiten Teil der Serie, soll nun die
historische Entwicklung von Bond Default
Preisen sowie mögliche Einflussvariablen
auf die aggregierte Recovery Rate unter-
sucht und erläutert werden.
Kapitel 1 – Historische
Entwicklung der
Recovery Rate
1.1 Die Entwicklung der durchschnittlichen Recovery Rate im historischen Überblick
Moody's Investors Service veröffentlicht
jährlich eine Studie1 zu den Default und
Recovery Rates der Unternehmensanlei-
1 Siehe Moody’s (2002)
8 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates
hen des vergangenen Jahres. Die im
Februar 2002 erschienene fünfzehnte
Studie dieser Art befasst sich mit den
Default und Recovery Daten des Jahres
2001 sowie den historischen Daten seit
1970.
Die Resultate dieser Studie basieren auf
Moody's proprietärer Datenbank von
Ratings und Defaults langfristiger Unter-
nehmensanleihen. Insgesamt umfassen
die Daten 16.000 Emittenten in der Zeit
von 1919 - 2001. Zum 1. Januar 2001
hatten 4.800 Emittenten langfristiger
Schuldentitel Moody's Ratings. Diese
Emittenten stellen den Großteil der öf-
fentlich ausstehenden Schulden der U.S.
Unternehmen und einen großen Teil der
öffentlich ausstehenden Kredite im Rest
der Welt dar. Die Moody's Defaultdaten-
bank umfasst 3.500 Ausfälle langfristiger
Schuldentitel von Moody's gerateter und
nicht gerateter Emittenten.
Die unterdurchschnittlichen Recovery
Rates der Jahre 1999-2001 liegen mit
21% im Jahr 2001 so deutlich wie nie
zuvor unter dem historischen Durschnitt
von 40,19% der Periode 1978-1999.
Dies ist ein klarer Beleg für die Schwan-
kung der Recovery Rate, die beispiels-
weise 1987 75,9% betrug, während sie
1990 bei nur 23,4% lag. Die Standard-
abweichung vom Mittelwert ist mit 28%
recht groß und spricht somit ebenfalls
deutlich gegen die Annahme einer kon-
stanten Recovery Rate über die Jahre.
Der in vielen Kreditrisikomodellen ver-
wendete Ansatz einer konstanten Reco-
very Rate ist somit angesichts der in
Abbildungen 1 und 2 dargestellten Varia-
tion der Anleihepreise nach einem Ausfall
eher zweifelhaft.
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Abbildung 1: Durchschnittliche Post-Default-
Preise über alle Seniority-Klassen 1978-1999
Von besonderem Interesse ist auch die
Variation der durchschnittlichen Recove-
ry Rate für hochspekulative Anleihen.
Der Markt der hochspekulativen Anleihen
wird bei der Untersuchung der Recovery
Rate häufig als das mögliche Angebot an
ausgefallenen Anleihen angesehen. Da
beinahe jede Anleihe vor ihrem Ausfall
durch Herabstufung ihres Ratings in die-
sem Markt enthalten ist, ist diese Ansicht
auch durchaus sinnvoll.
Die Recovery Rate hochspekulativer An-
leihen weist in den Jahren 1982-2001
Werte zwischen 21% (2001) und 62%
(1987) auf – vgl. Abbildung 2, so dass
also auch insbesondere in dieser Klasse
deutliche Schwankungen über die Jahre
hinweg beobachtet werden können.
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% d
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Abbildung 2: Durchschnittliche Recovery Ra-
tes für Spekulative Anleihen 1982-2001
9 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates
Bei einer zunächst rein qualitativen Un-
tersuchung des Verhaltens der Bond De-
fault Rate für spekulative Anleihen und
der Recovery Rate fällt weiterhin auf,
dass offensichtlich eine negative Korrela-
tion zwischen den beiden Größen vor-
liegt. Dieser Zusammenhang wird in Ab-
bildung 3 verdeutlicht, wo die Recovery
Rate spekulativer Anleihen für die Jahre
1988-2001 der Default Rate CCC-
gerateter Anleihen gegenüber gestellt
wurde.
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1988 1989 1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001
Def
ault
Rat
e / %
der
Nom
inal
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äge
Abbildung 3: Recovery Rate für spekulative
Anleihen (fett) in Vergleich zur Default Rate
CCC-gerateter Anleihen (gestrichelt) , 1988-
2001
Offensichtlich lässt sich in Jahren mit
einer hohen Ausfallrate (z.B. 2000,
2001) eine deutlich niedrigere Recovery
Rate beobachten als in Jahren mit sehr
niedrigen Ausfallraten spekulativer An-
leihen (z.B. 1996, 1997).
1.2 – Mögliche Einflussfak-toren
Im folgenden sollen nun zunächst rein
qualitativ mögliche Einflussfaktoren auf
die Recovery Rate beschrieben werden.
Es werden keine Aussagen zu der statis-
tischen Signifikanz dieser Faktoren ge-
macht. Dies ist Gegenstand der darauf
folgenden Abschnitte.
Man geht dabei von einer Erklärung der
Recovery Rate als Funktion von Angebot
und Nachfrage nach ausgefallenen Kredi-
ten aus. Das Angebot ergibt sich aus der
Menge der ausgefallenen Anleihen, wäh-
rend die vulture investors die Nachfrage
nach diesen Krediten ausüben (vgl. Teil
1 der Serie). Entscheidenden Einfluß auf
das Angebot bzw. die Nachfrage nach
ausgefallenen Krediten sollten dann die
folgenden Variablen haben:
Default Rate
Die Default Rate sollte einen Teil der
Recovery Rate-Schwankungen erklären
können, da ja im allgemeinen eine nega-
tive Korrelation der Default Rate mit der
Recovery Rate vermutet wird. Die vultu-
re investors könnten in Jahren hoher
Defaultraten weniger Nachfrage nach
einzelnen ausgefallenen Titeln haben.
Auch werden die Insolvenzgerichte über-
laden sein, was zu einer erhöhten Dauer
bis zur Liquidation und somit zu einem
niedrigeren Barwert der dann erhaltenen
Zahlung führt.
Treasury Bill Yield
Ein Anstieg der kurzfristigen Zinsen re-
duziert den Barwert der zukünftigen Re-
covery. Zusätzlich könnte das wirtschaft-
liche Wachstum behindert und dadurch
die erwarteten Unternehmens-Cash-
Flows reduziert werden. Dies würde die
Vermögenswerte zur Abwicklung der
Insolvenz senken.
Treasury Yield Curve
Eine steile yield curve steigert Investitio-
nen in langfristige Vermögensgegens-
tände durch kurzfristigen Kredit. Der
positive Einfluss auf Finanztitel könnte
auch ausgefallene Anleihen beeinflussen.
Zusätzlich könnten weitere Investitionen
10 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates
das wirtschaftliche Wachstum begünsti-
gen und so zu die zukünftigen Vermö-
genswerte von insolventen Unternehmen
steigern.
Wachstum des realen
Bruttosozialproduktes
Die niedrigen Recovery Rates 1980 und
1990 können beispielsweise durch Wirt-
schaftszyklen erklärt werden. Da in die-
ser Zeit zur Vermeidung einer Rezession
eine engere Geldpolitik herrschte, könn-
ten die vulture investors ungenügend
Kapital zur Verfügung gehabt haben. Bei
sinkender Nachfrage fallen aber auch die
Preise für bereits ausgefallene Anleihen.
Desweiteren sinken die erwarteten Un-
ternehmensgewinne (und damit deren
Werte) angesichts einer Rezession. Auch
dies wird möglicherweise die Recovery
Rate negativ beeinflussen.
Kreditart und Kapitalstruktur
Die Art des Kredites2 kann ebenfalls ei-
nen Teil der Recovery Rate einzelner
Kredite erklären. Im Durchschnitt haben
gesichterte Kredite mit höherer Seniority
eine höhere Recovery Rate. Beispielswei-
se konnten in der Zeitperiode 1978-1999
bei älteren, gesicherten Krediten (senior
secured loans/bonds) noch 59% des ur-
sprünglichen Anspruchs an die Gläubiger
ausgezahlt werden. Untergeordnete und
ungesicherte Kredite junior subordinated
erzielten hingegen nur eine Recovery
Rate von 31%. Dies verdeutlicht Abbil-
dung 4.
Wie Abbildung 5 zeigt, ist auch die Reco-
very Rate in einzelnen Kreditklassen ü-
ber die Jahre hinweg nicht konstant. Es
variieren auch die Defaultpreise der ein-
zelnen Seniorityklassen unterschiedlich
stark.
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% d
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SeniorSecured
SeniorUnsecured
SeniorSubordinated
Subordinated
Abbildung 4: Durchschnittliche Recovery Ra-
tes nach Seniority-Klasse
In Abbildung 5 finden sich die durch-
schnittlichen Post-Defaultpreise für die
Kategorie Senior Unsecured Debt der
Jahre 1982-1999.
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träg
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Abbildung 5: Durchschnittliche Post-
Defaultpreise für die Kategorie Senior Unsecu-
red Debt der Jahre 1982-1999
Die Art des Kredits stellt zwar ein abso-
lutes Maß der Priorität dar - wichtiger für
die Recovery Rate eines einzelnen Kre-
dits ist aber letztendlich seine relative
Priorität innerhalb der Kapitalstruktur
des ausgefallenen Unternehmens. So
2 In den U.S.A. sind dies etwa bank loans, senior secured debt, senior subordinated debt, senior unsecured sebt und junior subordinated debt.
11 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates
kann die Recovery Rate eines als senior
unsecured eingestuften Kredits deutlich
unter dem entsprechenden Durchschnitt
dieser Seniority-Klasse liegen, wenn sich
das Unternehmen vorwiegend durch se-
nior secured Kredite finanziert hat. Der
senior unsecured Kredit hat dann in der
Kapitalstruktur dieses Unternehmens nur
eine niedrige Priorität, obwohl senior
unsecured Kredite allgemein eine eher
höhere Priorität besitzen.
Die Überlegungen der vorherigen Ab-
schnitte sprechen gegen die Methode,
eine konstante Recovery Rate über einen
Zeithorizont anzunehmen um damit
mögliche Kreditverluste zu berechnen.
Erstens variiert die Recovery Rate stark
in der Zeit. Zu jedem Zeitpunkt kann die
Recovery Rate über oder - für den Kre-
ditverlust wichtiger - unter ihrem lang-
fristigen historischen Durchschnitt lie-
gen.
Zweitens sind die Default Rate und Re-
covery Rate negativ korreliert. Wenn die
Defaults zunehmen, fällt die Recovery,
und der gesamte Kreditverlust wird hö-
her ausfallen.
Es sollen nun die Ergebnisse einer um-
fassenden Untersuchung aus dem Jahre
2001 der oben erwähnten Zusammen-
hänge dargestellt werden.
Kapitel 2 – Erklärung
der aggregierten jähr-
lichen Recovery Rate
In diesem Abschnitt sollen einfache sta-
tistische Modelle von Altman, Resti und
Sironi (2001) zur Erklärung der jährli-
chen, durchschnittlichen, aggregierten
Recovery Rate vorgestellt werden.
Ziel dieser Modelle ist die Erklärung der
aggregierten Recovery Rate aller beo-
bachteten Recoveries und nicht die Re-
covery Rate eines speziellen Kredits. Zur
Bestimmung der Recovery Rate eines
speziellen Kredits müssen weitere Fakto-
ren wie Kapitalart, Kapitalstruktur und
Collateral berücksichtigt werden.
Die aggregierte Recovery Rate von Un-
ternehmensanleihen ist eine Funktion
des Angebots und der Nachfrage nach
Wertpapieren und Anleihen ausgefallener
Unternehmen. Das Angebot an ausgefal-
lenen Anleihen wird durch den aggregier-
ten, ausgefallenen Betrag und die De-
fault Rate bestimmt. Da sich beinahe
immer die Ratings der Unternehmen vor
dem Ausfall verschlechtern, wird der
High Yield- Bereich untersucht. Es wer-
den sowohl univariate als auch multiva-
riate Modelle mittels des KQ-Ansatzes
aufgestellt. Wie man später noch sehen
wird, sind die univariaten Modellen in der
Lage, teilweise bis zu 60%, multivariate
Modelle teilweise sogar bis zu 90% der
Variation der durchschnittlichen jährli-
chen Recovery Rate erklären.
2.1 – Potentielle Einflußfakto-ren
In diesem Abschnitt werden die in den
Modellen verwendeten Variablen zur Er-
klärung der Recovery Rate vorgestellt.
Diese beinhalten angebotsseitige aggre-
gierte Variablen, die spezifisch für den
Unternehmensanleihenmarkt sind sowie
makroökonomische Faktoren. Tabelle 1
listet einige Variablen, die mit der Reco-
very Rate korreliert sein könnten, mit
dem entsprechenden vermuteten Vorzei-
chen der Auswirkung auf.
12 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates
Abhängige Variablen:
Bond Recovery Rate (BRR)
Die BRR ist der gewichtete jährliche
Durchschnitt der Recovery Rate ausge-
fallener Anleihen. Die Gewichte basieren
auf der Marktbewertung der ausgefalle-
nen Titel. Die durchschnittliche Recovery
Tabelle 1: Einflussfaktoren und deren poten-
tielle Auswirkung auf die Recovery Rate
liegt bei 41.2% für 1978-2000. Sie be-
rechnet sich als der gewichtete Durch-
schnitt der Recovery Rate aller U.S. Un-
ternehmensausfälle.
Logarithmierte Bond Recovery Rate
(BLRR)
Der BLRR ist der natürliche Logarithmus
der BRR.
Exogene Variablen:
Bond Default Rate (BDR)
Die BDR ist der gewichtete Durchschnitt
der Ausfallrate im High Yield-Bereich. Die
Gewichte basieren auf dem Nominalbe-
trag aller jährlich ausstehenden High
Yield-Anleihen. Die Default Rate ist der
Nominalbetrag der ausgefallenen Anlei-
hen geteilt durch den gesamten ausste-
henden Nominalbetrag aller Anleihen.
Ein Anstieg der Default Rate könnte die
Recovery Rate wegen dem Anstieg an
Angebot an ausgefallenen Wertpapieren
und wegen der längeren Dauer der In-
solvenzabwicklung durch die Überladung
der zuständigen Stellen zum Sinken
bringen.
Die Default Rate schwankte zwischen
knapp 0.16% in 1981 und über 10% in
1990/1991. Die gewichtete durchschnitt-
liche jährliche Default Rate im High-
Yield-Bereich beträgt 3.5%.
Logarithmierte Bond Default Rate (BLDR)
Die BLDR ist der natürliche Logarithmus
der BDR.
Änderung der Bond Default Rate (BDRC)
Der BDRC ist die jährliche Änderung der
BDR bezogen auf das Vorjahr.
Ausstehender Betrag im High Yield Be-
reich (BOA)
Der BOA ist der gesamte im High Yield-
Bereich ausstehende Betrag (in Milliar-
den Dollar) und stellt das mögliche An-
gebot ausgefallener Titel dar.
Ausgefallener Betrag (BDA)
Der BDA ist der absolute ausgefallene
Betrag in Milliarden Dollar, d.h. die
Summe der Nominalbeträge der ausge-
fallenen Anleihen.
Altman-NYU Index (BIR)
Der BIR ist der jährliche Return des Alt-
man-NYU Salomon Center Index für aus-
gefallene Anleihen (vgl. Altman 1991,
Altman und Cyrus (2001)). Dieser Index
ist ein monatlicher Indikator der markt-
gewichteten durchschnittlichen Entwick-
lung ausgefallener Anleihen.
13 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates
Wachstum des BSP (GDP)
Die GDP ist das jährliche Wachstum des
Bruttosozialprodukts. Ein Aufschwung
der Wirtschaft erhöht die zukünftig er-
warteten Cash Flows der ausgefallenen
Unternehmen und somit auch die zu-
künftigen Vermögenswerte.
Änderung des GDP (GDPC)
GDPC ist die jährliche Änderung des
Wachstums des BSP bezogen auf das
letzte Jahr.
Index für Wachstum des BSP (GDPI)
Dieser Indikator nimmt bei einem
Wachstum des Bruttosozialprodukts von
weniger als 1.5% den Wert 1 an, an-
dernfalls 0.
Return des S&P 500 (SR)
Die Auswirkungen des Aktienmarktes
werden über den jährliche Return des
S&P 500 Index berücksichtigt.
Änderung von SR (SRC)
SRC ist die jährliche Änderung des Re-
turn des S&P 500.
Im folgenden sollen nun die Ergebnisse
der empirischen Studien von Altman,
Resti und Sironi (2001) dargestellt wer-
den. Zunächst wird dabei auf die Ergeb-
nisse der univariaten Untersuchungen
eingegangen werden.
2.2 – Univariate Untersuchung
Nun sollen die univariaten Beziehungen
zwischen Recovery Rate und den be-
schriebenen Variablen untersucht wer-
den. Die univariaten Regressionen wur-
den für die RR (BRR) und den natürli-
chen Logarithmus (BLRR) der RR als ab-
hängige Variablen berechnet. Getestet
wurden also Modelle der Form
ε+⋅+= XbbBRR 10
bzw.
ε+⋅+= XbbBLRR 10
wobei für X jeweils die entsprechende
exogene Variable eingesetzt wurde und ε den Fehlerterm bezeichnet. Die Ergeb-
nisse der univariaten Regression sind in
Tabelle 2 dargestellt.
Tabelle 2: Einflussfaktoren, Vorzeichen des
Einfluss und Modellgüte mit Maßzahl des Be-
stimmtheitsmaß R^2, endogene Variable BRR
Es zeigt sich, dass vor allem der gewich-
tete Durchschnitt der Ausfallrate im
High-Yield-Bereich (BDR), der Logarith-
mus dieser Variable, sowie die jährliche
prozentuale Änderung des BDR einen
hohen Erklärungsanteil liefern (jeweils
ein Bestimmtheitsmaß nahe 0,5), d.h. es
werden jeweils etwa 45% , 58 bzw. 51%
der auftretenden Schwankung der Reco-
very Rate durch diese univariaten Model-
le erklärt. Die Default Rate scheint somit
ein starker Indikator für die Recovery
Rate zu sein.
Weiterhin signifikant ist der Einfluß der
Variable BDA, d.h. der absolut ausgefal-
lene Betrag an Anleihen innerhalb eines
14 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates
Jahres. Mit dieser Variable wird immerhin
ein Erklärungsanteil von 46% erzielt.
Auch die anderen univariaten Regressi-
onsmodelle zeigen das korrekte - also
das gemäß theoretischen Überlegungen
zu erwartende Vorzeichen - für jeden
Koeffizienten der entsprechenden Vari-
ablen. Es sind jedoch nicht alle Modelle
wirklich signifikant.
Makroökonomische Faktoren scheinen
jedoch tlw. nur sekundäre Auswirkungen
auf die Recovery Rate zu haben, denn
sie können nur geringe Teile der
Schwankung der Recovery Rate erklären.
Lediglich GDPC und GDPI zeigten deut-
lich einen signifikanten Einfluß
(Bestimmtheitsmaß ca. 0,16).
Es wurde auch der Einfluss der Faktoren
auf den natürlichen Logarithmus der Re-
covery Rate untersucht. Dabei war die
Anpassung des Modells bei Verwendung
der logarithmierten Recovery Rate
(BLRR) meist minimal besser als bei
Verwendung der absoluten Recovery
Rate. Dies verdeutlicht untenstehende
Tabelle 3.
Tabelle 3: Einflussfaktoren, Vorzeichen des
Einfluss und Modellgüte mit Maßzahl des Be-
R^2, endogene Variable BLRR
Insgesamt lässt sich also festhalten,
dass univariate Modelle bereits einen
recht guten Erklärungsanteil für die
Schwankungen der Recovery Rate über
die Jahre liefern. Vor allem der gewichte-
te Durchschnitt der Ausfallrate im High-
Yield-Bereich sowie der absolut ausgefal-
lene Betrag an Anleihen liefern eine
recht gute Modellanpassung. Der Einfluß
makroökonomischer Variablen scheint
jedoch – abgesehen vom GDP – eher
geringer zu sein.
2.3 – Ergebnisse bei Verwen-dung multivariater Modelle
Die Studie untersucht weiterhin mittels
multivariater Modelle den Einfluß der
genannten Variablen zur Erklärung der
aggregierten Recovery Rate für die Jahre
1987-2000. Die grundlegende Struktur
der erfolgreichsten Modelle sieht folgen-
dermaßen aus:
ε+⋅++⋅+= kk XbXbbBRR ....110
bzw.
ε+⋅++⋅+= kk XbXbbBLRR ....110
Am erfolgreichsten waren dabei Modelle,
die die auch in der univariaten Untersu-
chung signifikantensten Variablen mit-
einbeziehen:
• Bond Default Rate (BDR)
• Änderung der Bond Default Rate
(BDRC)
• Ausstehender Betrag im High
Yield Bereich (BOA)
• Ausgefallener Betrag (BDA)
• Altman-NYU Index (BIR)
Die Recovery Rate und Default Rate wur-
den sowohl linear als auch log-linear in
den Regressionen für 1982-2000 bzw.
1987-2000 - da der Index BIR erst ab
15 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates
1987 verfügbar war, konnte für Modelle,
die den Altman-NYU-Index benutzen nur
ein kürzerer Zeitraum betrachtet werden
- eingesetzt, wobei die log-lineare Bezie-
hung wieder signifikantere Ergebnisse
erzielte. Die verschiedenen Modelle
konnten zwischen 84% und 91% der
Streuung der Recovery Rate erklären.
Mit 77%-87% sind die Ergebnisse für die
kürzere Periode 1987-2000 nur gering-
fügig schlechter.
Das erfolgreichste Modell mit der höchs-
ten Erklärungskraft ist das „Power-
Modell“, in dem der natürliche Logarith-
mus der Recovery Rate (BLRR) und der
Default Rate (BLDR) eingesetzt werden.
BOAbBIRbBDRCbBLDRbbBLRR
⋅+⋅++⋅+⋅+=
43
210
welches auch in der Form
BOAbBIRbBDRCbBDRbbeBRR ⋅+⋅+⋅+⋅+= 43210 )ln(
darstellbar ist. Mit diesem Modell lässt
sich ein Bestimmtheitsmaß und damit ein
erklärter Varianz-Anteil von 91% erzie-
len, was einem wirklich äußerst guten
Erklärungsbeitrag entspricht.
Weiterhin wurden auch in die multivaria-
ten Modelle zusätzlich einige fundamen-
tale makroökonomische Faktoren einge-
führt, u.a.
• Wachstum des BSP (GDP)
• Änderung des GDP (GDPC)
• Return des S&P 500 (SR)
• Änderung von SR (SRC)
Aufgrund des bereits sehr hohen Erklä-
rungsbeitrags der Modelle ohne Makro-
Variablen und des tlw. eher geringen
Beitrags der zusätzlichen Variablen lässt
sich auch im multivariaten Fall keine
entscheidende Verbesserung der Ergeb-
nisse erzielen. Dies steht allerdings im
Gegensatz zu einigen früheren Studien
(z.B. Frye [2000], Fridson [2000]), bei
denen einige dieser Faktoren signifikant
zur Erklärung der Recovery Rate beitru-
gen.
Lediglich im Falle der Miteinbeziehung
des GDP erhält man teilweise gute Er-
gebnisse – allerdings waren makroö-
konmische Variablen alleine nicht in der
Lage so entscheidende Einflußfaktoren
wie die Bond Default Rate zu ersetzen.
Im multivariaten Fall erhält man bei ei-
ner Ersetzung der BDR durch GDP fol-
gendes Modell:
BRR = f(GDP,BDRC,BOA,BIR)
Das Modell erklärt 0.76 der Streuung der
BRR bzw. 0.78 der Streuung der BLRR.
Dies im Vergleich zu 0.84 und 0.88 bei
Nutzung von BDR. Die hohe negative
Korrelation von GDP und BDR verhindert
einen sinnvollen gleichzeitigen Einsatz im
selben Modell, daher ist also insgesamt
das Modell mit BDR durch seine höhere
Erklärungskraft vorzuziehen. Der Akti-
enmarkt wiederum hatte kaum einen
Einfluß auf die Preise der ausgefallenen
Anleihen. Die Regressionen zeigen sehr
niedrige Werte des Bestimmtheitsmaßes
R2.
Der Einfluß makroökonomischer Variab-
len auf die Recovery Rate kann also ins-
gesamt als weniger entscheidend als der
der Bond Default Rate oder der des Aus-
gefallenen Betrages etc. angesehen wer-
den.
Insgesamt kann man aber bei einem
erklärten Streuungsanteil der Recovery
Rate von häufig über 90% von einer
16 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates
sehr guten Anpassung der Modelle spre-
chen.
Es muß aber bemerkt werden, dass es
sich bei den beschriebenen univariaten
und multivariaten Modellen letztendlich
um bedingte Prognosen handelt. Das
heißt die Aussagekraft für unbedingte
Vorhersagen zukünftiger Recovery Rates
ist zunächst eher begrenzt bzw. von der
Güte der Vorhersage über die in die Mo-
delle einfließenden Variablen abhängig.
Ohne eine genaue Prognose der Variab-
len jährliche Bond Default Rate bzw. des
Ausgefallenen Betrages im Anleihen-
markt etc. lassen sich die Modelle nicht
zur Vorhersage von Recovery Rates nut-
zen. Bestehen bleibt aber der signifikan-
te Zusammenhang zwischen der aggre-
gierten Recovery Rate und den erwähn-
ten Variablen.
Kapitel 3 – Zusammen-
fassung und Ausblick
Nachdem im ersten Teil der Serie eine
Einführung hinsichtlich der Definition und
Modellierung der Recovery Rate in Kre-
ditrisikomodellen gegeben wurde, kon-
zentrierte sich der zweite Teil auf die
Schwankungen bzw. mögliche Einfluss-
faktoren der aggregierten jährlichen Re-
covery Rate.
Es wurde deutlich, dass die Verwendung
einer konstanten Recovery Rate, wie sie
in manchen Kreditrisikomodellen getrof-
fen wird nicht haltbar ist. Nicht einmal
eine Aufteilung in Recovery Rates bezüg-
lich der Seniority-Klassen ist ausrei-
chend, da auch innerhalb einzelner Seni-
ority Klassen im Laufe der Jahre große
Änderungen auftreten. So weist etwa die
Recovery Rate hochspekulativer Anleihen
in den Jahren 1982-2001 große Schwan-
kungen bzw. Werte zwischen 21%
(2001) und 62% (1987) auf.
Ohne eine genaue Quantifizierung vor-
zunehmen ist weiterhin eine hohe Korre-
lation zwischen der Bond Default Rate
und der Recovery Rate zu beobachten.
Weiterhin wurden die in empirischen
Studien zitierten möglichen Einflussfak-
toren (z.B. Bond Default Rate, Ausste-
hender Betrag im High Yield Bereich,
Wachstum des BSP etc.) auf die Recove-
ry Rate sowie einige empirische Ergeb-
nisse von recht simplen univariaten und
multivariaten Regressionsmodellen dar-
gestellt.
Es wurde deutlich, dass sich die unter-
suchten Variablen teilweise sehr gut zur
Erklärung der aggregierten jährlichen
Recovery Rates heranziehen lassen - der
durch die Modelle erreichte Erklärungs-
anteil liegt bei den besten Regressions-
modellen bei etwa 90%.
Dennoch lassen sich die beschriebenen
Modelle in dieser Form noch nicht als
Prognosemodelle für zukünftige Jahres-
Durchschnitt-Bond-Default-Preise ver-
wenden, noch sind sie in der Lage Aus-
kunft über die erwartete Recovery Rate
eines speziellen bzw. einzelnen Kredites
zu geben.
Im dritten und letzten Teil der Serie, soll
daher auch näher darauf eingegangen
werden, wie die Recovery Rate einzelner
Kredite in Abhängigkeit von Faktoren wie
Seniority, Kapitalstruktur bzw. Industrie-
zugehörigkeit eines Unternehmens ge-
schätzt werden kann.
17 | www.risknews.de 01.2003 Default Recovery Rates
Kontakt:
Stefan Trück
Universität Karlsruhe
Lehrstuhl für Statistik und Ökonometrie,
Kollegium am Schloß, Gebäude 20.12
76128 Karlsruhe
Tel.: ++49.721.608.8113
email: [email protected]
Literatur:
Altman, Edward I. Et al (2001), Analyzing and explaining default recovery rates, A Re-port Submitted to the International Swaps & Derivatives Association. Altman, Edward I. and Cyrus, Keith (2001), The performance of defaulted bonds and bank loans 1987-2000. NYU Salo-mon Center Working Paper Series, January. Basel Committee on Banking Supervision (1999), A new capital adequacy framework. Basel Committee on Banking Supervision (2001), The basel capital accord. Black, Fischer and Scholes, Myron (1973), The pricing of options and corporate liabilities, Journal of Political Economics Cox, John and Black, Fischer (1976), Valuing corporate securities: Some effects of bond indenture provisions, Journal of Fi-nance. Duffie, Darrell (1998), Defaultable term structure models with fractional recovery of par, Graduate School of Business, Stanford University Duffie, Darrell und Singelton, Kenneth (1999), Modeling the term structures of
defaultable bonds, Review of Financial Stud-ies. Fridson, Martin S. (2000), Recovery rates: The search for meaning, Merrill Lynch Publi-cations. Frye, Jon (2000), Depressing recoveries, Risk Magazine. Geske, Robert (1977), The valuation of corporate liabilities as compound options, Journal of Financial and Quantitative Analy-sis. Hamilton, David T. (2001), Default and recovery rates of corporate bond issuers: 2000, Moody’s Investor Service. Hull, John and White, Alan (1995), The impact of default risk on the prices of options and other derivative securities, Journal of Banking and Finance. Jarrow, Robert and Turnbull, Stuart (1995), Pricing derivatives on financial securities subject to credit risk, Journal of Finance. Longstaff, Francis and Schwartz, Edu-ardo (1995), A simple approach to valuing risky fixed and floating rate debt, Journal of Finance. Merton, Robert C. (1974), On the pricing of corporate debt: The risk structure of interest rates, Journal of Finance. Moody’s (2002), Default and recovery rates of corporate bond issuers: A statistical review of moody’s ratings performance 1970-2001. Vasicek, Oldrich (1984), Credit valuation, KMV Publications. Zhou, Chunsheng (2001), The term struc-ture of credit spreads with jump risk Journal of Banking and Finance.
18 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
Dimensionen operationeller RisikenDimensionen operationeller Risiken
Operationelle Risiken in KreditinstitutenOperationelle Risiken in Kreditinstituten
3. Schritt
Quantifizierung /EK-Unterlegung
1. Schritt
Risikobewußtsein /Systematisierung Identifikation
2. Schritt
What you see is what you get!
Operationelle Risiken identifizieren
Ein Beitrag von Kirsten-Annette Minz
Man begreift nur, was
man sieht
Gerade hier liegt das Hauptproblem der
operationellen Risiken. Um sie messen
oder steuern zu können, muss erst he-
rausgefunden werden wann bzw. wo
operationelle Risiken überhaupt entste-
hen. Neben Ansätzen der Quantifizierung
dieser ganz speziellen Risikokategorie
sind die Möglichkeiten der Identifikation
und Analyse operationeller Risiken für
Kreditinstitute daher von besonderer
Bedeutung.1 Zudem wird in der Phase
der Risikoanalyse eine Auswahl der (ope-
rationellen) Risiken getroffen wird, die
entweder im Focus der folgenden Aktivi-
täten stehen oder vernachlässigt werden
können.
Während die Entwicklung eines Risiko-
bewusstseins und die Systematisierung
von operationellen Risiken der Risiko-
identifikation vorausgeht, bildet die Risi-
1 Vgl. auch Wiedemann, A. (2002).
koidentifikation die Grundlage für eine
Quantifizierung operationeller Risiken
(vgl. Abbildung 1). Erst wenn operatio-
nelle Risiken in diesen Dimensionen er-
fasst worden sind, kann die gezielte Risi-
kosteuerung und Risikokontrolle einset-
zen.
Abbildung 1: Dimensionen operationeller
Risiken
19 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
Identifikation / RisikoanalyseIdentifikation / Risikoanalyseoperationeller Risikenoperationeller Risiken
RisikoinventurProzessrisiko-analyse
• Baumanalysen• FMEA• Predictive-Human-
Error-Analyse
Simulations-ansätze
• What-if-Analyse• HAZOP• Ursache-/Wirkungs-
diagramm
Frühwarn-systeme
• z.B. ORCOperationalRiskCounter
• Risikoindikatoren• Skalierung• Risikomatrix• Risikoportfolio
Der erste Schritt zu einem besseren Um-
gang mit operationellen Risiken ist ge-
tan, sobald sich ein Kreditinstitut dar-
über bewusst wird, dass operationelle
Risiken auftreten können. Nicht zuletzt
durch die Diskussion über die aufsichts-
rechtlichen Anforderungen dürfte dieser
Prozess der Risikobewusstwerdung mitt-
lerweile weitestgehend abgeschlossen,
zumindest aber weithin fortgeschritten
sein. In der Diskussion um unterschiedli-
che Begriffsbestimmungen und Systema-
tisierungsansätze setzt sich die letzte
Definition des Basler Ausschuss für Ban-
kenaufsicht auch im allgemeinen
Sprachgebrauch immer weiter durch.
Nun müssen geeignete Verfahren gefun-
den und ausgewählt werden, um opera-
tionelle Risiken am Ort ihres Auftretens
(WO?) identifizieren und analysieren zu
können (WARUM?). Sowohl in der be-
triebswirtschaftlichen Literatur als auch
in der Praxis werden Verfahren und An-
sätze diskutiert, die in unterschiedlichem
Umfang helfen, operationelle Risiken zu
identifizieren (vgl. Abb.2).2 Es gibt je-
doch keinen allgemeingültigen "one best
way" oder eine Universallösung. Die Ent-
scheidung für einen, mehrere Ansätze
oder eine Kombination einzelner Elemen-
te kann daher nur unter institutsspezifi-
schen und individuellen Gesichtspunkten
erfolgen. Alle in Abbildung 2 genannten
Ansätze haben gemeinsam, dass sie eine
intensive Auseinandersetzung mit opera-
tionellen Risiken erfordern, was langfris-
tig gesehen dazu führen kann, diese
besser zu beherrschen.
Aus der Vielzahl der angebotenen Mög-
lichkeiten sollen im folgenden die Risiko-
inventur und der Operational Risk Coun-
ter (ORC) herausgegriffen und diskutiert
werden.
Abbildung 2: Verfahren zur Identifikation
operationeller Risiken
Die Risikoinventur
In Analogie zur sonst üblichen Inventur
einer Unternehmung, in der die Be-
standsaufnahme des Vermögens und der
Schulden erfolgt, bietet das Verfahren
der Risikoinventur die Möglichkeit, mit
Hilfe verschiedener Techniken alle Risi-
ken in einer Bank systematisch zu erfas-
sen. Die Daten in einer Risikoinventur
können durch den Einsatz verschiedener
Verfahren erhoben werden (vgl. Abbil-
dung 3).
2 Für eine ausführliche Darstellung und Bewertung der Ansätze vgl. Minz, K.-A. (2003).
20 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
Betriebliches VorschlagswesenBetriebliches
Vorschlagswesen WorkshopsWorkshopsFragebögenFragebögen
Datenerhebung in der RisikoinventurDatenerhebung in der Risikoinventur
- Self-Assessments- Expertenbefragungen- Checklisten
- Self-Assessments- Expertenbefragungen- Checklisten
EreignisanalyseEreignisanalyse
- Auswertung von Statistiken- Schadensfalldatenbanken
- Auswertung von Statistiken- Schadensfalldatenbanken
Abbildung 3: Methoden der Datenerhe-
bung
In der bankbetrieblichen Praxis hat sich
vor allem der Einsatz von Fragebögen
bewährt. Eine besonders erfolgreiche
Kombination ist der Gebrauch von
Checklisten in Verbindung mit Experten-
interviews. Bei dieser Konstellation ist es
sinnvoll, den ausgewählten Experten
zunächst die Checklisten zur Durchsicht
zur Verfügung zu stellen und dann, zeit-
lich nachgelagert, ein strukturiertes In-
terview zu führen.
In einer Expertenbefragung werden
Mitarbeiter aus allen Funktionsbereichen
und Führungsebenen zu einem aufge-
stellten Risikokatalog befragt. Die Exper-
ten müssen zur Eintrittswahrscheinlich-
keit und zum möglichen Schadenausmaß Stellung nehmen. Der einbezogene Per-
sonenkreis sollte daher mit den abge-
fragten Sachverhalten gut vertraut sein.
Der Erfolg einer Expertenbefragung ist
unmittelbar von der Kenntnis der Risiken
abhängig. Nur wenn potenzielle Gefah-
renquellen bekannt sind, kann die Risi-
kosituation im Hinblick auf ihre Eintritts-
wahrscheinlichkeit und bzgl. des Umfan-
ges eines möglichen Schadens beurteilt
werden. Die Expertenbefragung kann
sowohl in Form eines Einzelinterviews als
auch in einer Gruppen- oder Teamsit-
zung durchgeführt werden. Interdiszipli-
näre Teams bieten vor allem die Mög-
lichkeit, Folgeschäden aus anderen Un-
ternehmensbereichen mit zu erfassen
und Interdependenzen innerhalb der
Funktionen zu berücksichtigen.
Die Risiko- oder Selbsteinschätzung,
auch Self-Assessment genannt, ist
einer Expertenbefragung sehr ähnlich
und hat eine interne Beurteilung von
Risiken, Kontrollen und deren Implemen-
tierung unter Verwendung von Fragebö-
gen oder der Durchführung von
Workshops zum Inhalt. Der Vorteil der
Selbsteinschätzung liegt, neben der zu-
sätzlichen Informationsgewinnung, in der
Schaffung eines Risikobewusstseins bei
den Beteiligten. Da die Erstellung, Bear-
beitung und Auswertung von Fragebögen
jedoch sehr zeit-, kosten- und Know-
how-intensiv ist, können Fragebögen nur
bedingt als permanente Methode in einer
Risikoinventur verwendet werden.
Eine weitere Alternative zur Datengewin-
nung ist die Konzeption und Durchfüh-
rung von Workshops. Diese sind vor
allem wirkungsvoll, wenn es um die I-
dentifikation und Erfassung von Risiken
geht, bei denen interdisziplinäre Teams
von Vorteil sind. Die Subjektivität der
individuellen Meinungen soll dabei durch
regelmäßige Wiederholung und Überprü-
fung der Ergebnisse objektiviert werden.
Der Vorteil der Durchführung von
Workshops ist vor allem darin zu sehen,
dass die Mitarbeiter aktiv in die Erhe-
bung operationeller Risiken einbezogen
werden. Im Gegensatz zum Fragebogen,
können sie den Verlauf direkt mitgestal-
ten und gewonnene Lösungsansätze un-
mittelbar umsetzen. In der Planung und
Durchführung sind Workshops jedoch
ebenfalls sehr zeit- und kostenintensiv.
Werden sie einer Risikoinventur zeitlich
nachgelagert, können sie eine wertvolle
Ergänzung und Vertiefung von bereits in
21 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
der Risikoinventur erhobenen Daten
sein.
Eine weitere Datenquelle ist das be-
triebliche Vorschlagswesen. Ein be-
reits vorhandenes Vorschlagswesen kann
erweitert werden, indem die Mitarbeiter
explizit dazu aufgefordert werden, auch
auf mögliche Risikoquellen zu achten und
diese zu melden. Die Fähigkeiten und
Kenntnisse der Mitarbeiter werden somit
direkt genutzt und die Bedeutung des
Risikomanagementprozesses wird durch
die Einbindung aller Mitarbeiter unter-
strichen.
Im Gegensatz dazu stehen bei der Er-
eignisanalyse bereits aufgetretene ope-
rationelle Risiken im Vordergrund, die
anhand von Statistiken, die im Idealfall
ohnehin schon in der Bank geführt wer-
den, ausgewertet werden. Eine bereichs-
übergreifende Erfassung operationeller
Risiken durch die Ereignisanalyse kann
außerdem helfen, neue Risiken zu er-
kennen, die eine ausschließlich bankin-
terne Prozessanalyse nicht aufdecken
würde. Der Blick für weitere mögliche
Risikoquellen wird so geschärft. Die so
gewonnenen Daten sollten anschließend
in eine Schadenfalldatenbank überführt
werden. Ist eine Schadenfalldatenbank
einmal vorhanden, kann diese systema-
tisch durchsucht und fortgeschrieben
werden, um so auch mögliche Anhalts-
punkte für eine Risikoinventur zu finden.
Da die aufsichtsrechtliche Handhabung
operationeller Risiken noch nicht ab-
schließend geklärt ist, empfiehlt sich als
Vorbereitung auf die quantitativen Ver-
fahren zur Unterlegung der operationel-
len Risiken mit Eigenkapital in jedem Fall
die rechtzeitige Durchführung einer Risi-
koinventur. Die Risikoinventur hat sich in
der Praxis bereits bewährt, um operatio-
nelle Risiken systematisch aufzudecken
und kann somit als Basis für weiterge-
hende Ansätze der Quantifizierung ope-
rationeller Risiken gesehen werden.
Der Operational Risk
Counter (ORC)- Ein
Frühwarnsystem
Einen Schritt weiter als die reine Be-
standsaufnahme gehen Frühwarnsyste-
me. Unter einem Frühwarnsystem wird
ein Informationssystem verstanden, das
seinen Benutzern latente, d.h. bereits
vorhandene Gefährdungen der Markt-
und Wettbewerbsposition in Form von
Reizen, Impulsen oder Informationen mit
zeitlichem Vorlauf bereits vor deren Ein-
tritt signalisiert. Die Indikatorhypothe-
se gilt als Grundlage von Frühwarnsys-
temen und besagt, dass Veränderungen
nicht abrupt auftreten, sondern durch
Signale angekündigt werden.
Auf den Bankensektor übertragen be-
deutet dies, dass das Management im
Sinne einer Risikoprophylaxe rechtzeitig
vor möglichen operationellen Risiken
gewarnt werden soll. Die Konzeption von
Frühwarnsystemen ist daher für einen
ganzheitlichen Ansatz zur Identifikation
von operationellen Risiken von besonde-
rer Bedeutung.
Funktionsweise des ORC
Nach dem Prinzip der Indikatorhypothese
funktioniert auch der Operational Risk
Counter (ORC), der zum Ziel hat, mög-
liche operationelle Risiken und Chancen
frühzeitig aufzudecken. Durch diese
Frühzeitigkeit entsteht ein zeitlicher Vor-
22 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
Farbe Punktzahl gekennzeichneter Bereich
rot
gelb
grün
34 -45
21 - 33
9 - 20
Risikobereich, kritischer Bereich!Gefahrenzone
Warn- oder Toleranzbereich!Vorsichtszone
Normalbereich, unkritischer Bereich!Sicherheitszone
sprung, so dass Gegenmaßnahmen
rechtzeitig initiiert werden können.
Der Operational Risk Counter liefert
Richtwerte, die anzeigen, ob sich das
operationelle Risiko der Bank in einer -
vorher genau zu definierenden - Si-
cherheits-, Vorsichts- oder Gefahrenzone
bewegt. Die Funktionsweise des ORC ist
mit einer Ampel vergleichbar. Durch die
Einteilung in eine Sicherheits-, Vorsichts-
und Gefahrenzone wird der Grad des
operationellen Risikos sichtbar gemacht.
Die Grenzen der einzelnen Zonen sind
exemplarisch ausgewählt und können
institutsspezifisch diskutiert und ggf.
angepasst werden (vgl. Abbildung 4). In
der Wahl der Punkteintervalle spiegelt
sich auch die Risikoneigung bzw. Risiko-
einstellung der Bank wider. D.h. jede
Bank kann individuell entscheiden, wel-
ches Maß operationeller Risiken für sie
noch tolerierbar ist oder nicht.
Abbildung 4: Einteilung der Zonen nach
dem Ampelprinzip
Die rote Zone (34 bis 45 Punkte) kenn-
zeichnet den kritischen Bereich oder Ri-
sikobereich und bildet die höchste Ge-
fahrenzone. Falls festgestellt wird, dass
der Gesamtpunktestand 34 Punkte er-
reicht oder übersteigt, sollten möglichst
schnell Maßnahmen erfolgen.
Die gelbe Zone (21 bis 33 Punkte) wird
als Toleranz- oder Warnbereich bezeich-
net. Das heißt jedoch nicht, dass grund-
sätzlich eine Entwarnung gegeben wer-
den kann. In der Vorsichtszone interes-
sieren vor allem die Detailergebnisse:
Falls z.B. in zwei der drei Risikokatego-
rien oder Einzelrisiken hohe Punktstände
erreicht werden, ist dies ebenfalls Grund
zur Besorgnis und Ergreifung entspre-
chender Maßnahmen.
Die grüne Zone (9 bis 20 Punkte) bildet
den Normalbereich, der auch als unkriti-
scher Bereich bezeichnet werden kann.
In dieser Sicherheitszone sind die opera-
tionellen Risiken zwar nicht bedrohlich,
sollten aber durchaus im Zeitablauf beo-
bachtet werden. Es kann zudem gefragt
werden, ob die angeführten Risiken ge-
gebenenfalls zu niedrig bewertet wurden.
Eine weitere Variante ist die Verknüp-
fung bestimmter Toleranzgrenzen mit
der What-if-Analyse. Das heißt, dass bei
Erreichung eines vorher festgelegten
Punktewertes bestimmte Maßnahmen
eingeleitet werden. („Wenn der Wert xy
eintritt, dann werden folgende Maßnah-
men ergriffen.“) Diese Möglichkeiten
lassen sich ex ante in einer Szenarioana-
lyse mit der What-if-Technik durchspie-
len.
Den Kern des Systems bilden Risikoindi-
katoren. Allgemein lassen sich bankenin-
tern verschiedene Bereiche festlegen, in
denen Risiken auftreten, die mit Hilfe
von Risikoindikatoren identifiziert werden
können. Mittels subjektiver Einschätzung
der Mitarbeiter oder des Managements
werden dann konkrete Belastungswerte
in Form von Punktezahlen ermittelt.
Durch die Addition der Punkte in den
einzelnen Bereichen gibt die Gesamt-
summe die Interpretation der Ergebnisse
23 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
Punktestand insgesamt =
Der Operational Risk Counter (ORC)
Risikokategorie / Einzelrisiko 1
Punktezahl
+ =+1 2 3 4 5
Punktezahl1 2 3 4 5
Punktezahl1 2 3 4 5
Punktezahl
Risikokategorie / Einzelrisiko 2
+ =+Punktezahl
1 2 3 4 5Punktezahl
1 2 3 4 5Punktezahl
1 2 3 4 5Punktezahl
+ =+Punktezahl
Risikokategorie / Einzelrisiko n
1 2 3 4 5Punktezahl
1 2 3 4 5Punktezahl
1 2 3 4 5Punktezahl
RisikoindikatorRisikoindikatorRisikoindikator
RisikoindikatorRisikoindikatorRisikoindikator
RisikoindikatorRisikoindikatorRisikoindikator
Phasen des Operational Risk Counter
Skalierung
Ergebnisanalyse
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4Kontrolle / Feedback
Ermittlung der Beobachtungsbereiche
vor. Das Grundprinzip des ORC veran-
schaulicht Abbildung 5.
Abbildung 5: Grundprinzip des Operatio-
nal Risk Counter (ORC)
Der Ablauf des ORC gliedert sich in vier
Phasen. Die drei Hauptphasen werden
durch eine vierte Phase ergänzt. Diese
Feedback- oder Kontrollphase hat die
kontinuierliche Verfahrensoptimierung
zum Ziel und gibt dem System zur Iden-
tifikation operationeller Risiken den wich-
tigen Kreislaufcharakter3 (vgl. Abbil-
dung 6).
Abbildung 6: Kreislaufmodell des Opera-
tional Risk Counters
3 Für eine detaillierte Beschreibung der einzelnen Phasen vgl. Minz, K.-A. (2003).
Vorteile des ORC
Ein Operational Risk Counter kann zwar
Risiken innerhalb einer Organisation
nicht vermeiden, aber es wird deutlich,
wo und in welchem Tempo sie sich ent-
wickeln.
Eine Risikoidentifikation durch den ORC
bietet aber noch weitere Vorteile:
• Das System ist einfach nachvollzieh-
bar,
• es ist individuell einsetzbar und aus-
zugestalten und damit auch für klei-
nere Kreditinstitute anwendbar,
• die Mitarbeiter werden sensibilisiert,
• das Bewusstsein für operationelle
Risiken wird geschärft,
• es ist eine Unterscheidung zwischen
Gesamtbankebene und Filialen mög-
lich,
• die Entwicklungs- und Einführungs-
zeit und damit auch die Kosten sind
überschaubar,
• das System ist durch die Feedback-
oder Reflexionsphase ein iterativer
Prozess, der flexibel angepasst und
verändert werden kann,
• erste Erfolge sind relativ schnell zu
verzeichnen, weshalb dem ORC auch
eine motivationssteigernde Wirkung
zugeschrieben werden kann.
24 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
Der Weg ist das Ziel
Da es sich beim Operational Risk Coun-
ter außerdem um ein leicht nachvollzieh-
bares System handelt, kann das dafür
benötigte Know-how relativ schnell auf-
gebaut werden. Auch die dafür benötigte
informationstechnische Unterstützung
kann flexibel gehandhabt und steigenden
Ansprüchen angepasst werden. Sogar
eine manuelle Erfassung ist prinzipiell
vorstellbar, langfristig jedoch nicht zu
empfehlen.
Trotz der genannten Vorteile ist (zur Zeit
noch) ein Nachteil in der Schwierigkeit
der Auswahl von Frühwarnindikatoren zu
sehen. Durch die wissenschaftliche Dis-
kussion und den praktischen Austausch
über Erfahrungen in diesem Bereich,
wird dieses Argument auf lange Sicht
aber an Bedeutung verlieren. Demge-
genüber ist ein Anspruch auf Vollstän-
digkeit, d.h. Erfassung aller möglichen
operationellen Risiken auch in Zukunft
nur schwer zu erfüllen. Durch den Lern-
kurveneffekt und eine Feedbackschleife
am Ende des Prozesses kann aber eine
kontinuierliche Verbesserung des Sys-
tems erreicht werden.
Ein weiterer Kritikpunkt liegt in den sub-
jektiven Einschätzungen der Mitarbeiter
oder des Managements begründet, die
zur Ermittlung konkreter Belastungswer-
te in Form von Punktezahlen nötig sind.
Dieser Kritikpunkt macht einmal mehr
deutlich, wie wichtig die personelle Aus-
wahl der Beteiligten ist. Wie bei der Risi-
koinventur lässt sich dieses Argument
auch beim ORC nicht vollständig entkräf-
ten. Beide Ansätze besitzen einen be-
stimmten Teil „systemimmanenter Un-
gewissheit“, der sich nur durch das Ver-
trauen in die Erfahrung der Mitarbeiter
und Experten kompensieren lässt. Dieses
Vertrauen ist ein wichtiger Erfolgsfaktor,
der die Ergebnisse und deren Aussage-
kraft maßgeblich beeinflusst.
Zusammenfassend kann konstatiert
werden, dass sowohl die Risikoinventur
als auch der ORC vielseitig einsetzbare
Konzepte sind, die als Teil eines Risiko-
management-Prozesses, auch in Ergän-
zung zu anderen Instrumenten, wichtige
Impulse zu einem besseren Umgang mit
operationellen Risiken liefern können.
Synergieeffekte mit anderen Manage-
mentsystemen wie der Balanced Score-
card sind z.B. bei der Auswahl der Risi-
koindikatoren möglich. Denkbar ist auch
ein Mischkonzept, mit Einsatz des Opera-
tional Risk Counters auf Filialebene und
weiteren Methoden der Risikoidentifizie-
rung, z.B. Durchführung einer Risikoin-
ventur, auf Gesamtbankebene.
Inwieweit insbesondere das Konzept des
Operational Risk Counters als Frühauf-
klärungssystem aufsichtsrechtlich aner-
kannt wird, ist noch nicht geklärt.
Kontakt:
Kirsten-Annette Minz
Rheinischer Sparkassen- und Girover-
band
Kirchfeldstr. 60
40217 Düsseldorf
Tel.: ++49.211.3892-390
email: [email protected]
25 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
Literatur:
Minz, K.-A. (2003): Operationelle Risi-
ken in Kreditinstituten Frankfurt/M.
Wiedemann, A. (2002): Qualitative
Ansätze zur Identifikation und Steuerung
operationeller Risiken, in: Betriebswirt-
schaftliche Blätter 11/2002, S. 529-533.
26 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
Quantifizierung operationeller Risiken1
Ein Weg zur Einbettung in den Management-Zyklus
Ein Beitrag von Gerrit Jan van den Brink
1 Die in diesem Beitrag vertretenen Aussagen stellen lediglich die persönliche Meinung des Autors dar.
Einleitung
Die Quantifizierung von Risiken wird
manchmal als Ziel des Risikomanage-
ments formuliert. Das eigentliche Ziel,
die Verbesserung des Managements ope-
rationeller Risiken, gerät dadurch oft zu
kurz. Insbesondere bei der Quantifizie-
rung operationeller Risiken sind die
meisten Finanzinstitute noch auf der Su-
che nach einer passenden Umsetzungs-
strategie. Die aktuellen Fragen konzent-
rieren sich auf die Datenerhebung, die
Qualitätssicherung der erhobenen Daten
(insbesondere bezüglich deren Vollstän-
digkeit und Richtigkeit) und die Gestal-
tung eines Modells für die Berechnung
des Risikokapitals.
Diese Fragestellungen zeigen die hohe
Komplexität des operationellen Risikos,
die nicht nur in der Vielfältigkeit der Risi-
kokategorien, sondern auch in der Ver-
fügbarkeit von Basisdaten zum Ausdruck
kommen.
In diesem Beitrag wird eine mögliche
Antwort auf die genannten Fragen be-
schrieben. Aber zunächst wird erst ein
Überblick über die Ziele der Quantifizie-
rung gegeben. Die Ziele bestimmen, in-
wiefern Konzessionen zur Bewältigung
der Praxisprobleme gemacht werden
können.
Im Anschluss wird ein Weg für die Kalku-
lation des Risikokapitals aufgezeigt. Da-
mit wird die Basis für die Erreichung der
Ziele beschrieben.
27 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
Definition des Risiko-
kapitals
Das Risikokapital wird in diesem Beitrag
als das Kapital definiert, das von der
Bank als Reserve gehalten wird, um Risi-
ken abdecken zu können, d.h. um selbst
bei unerwarteten Verlusten bis zu einem
definierten Wahrscheinlichkeitsniveau für
einen bestimmten Zeitraum solvent zu
bleiben.
Graphisch können die bekannten Begriffe
wie folgt eingeordnet werden:
Abbildung: Basisbegriffe
Die Standardrisikokosten sind statistisch
als der erwartete Verlust zu interpretie-
ren. Das Quantil ist das obengenannte
Wahrscheinlichkeitsniveau. Regulatorisch
ist das Quantil mit 99,9% angesetzt.
Das regulatorische Kapital ist in der Ab-
bildung inklusive den Standardrisiko-
kosten abgebildet. Diese Vorgehensweise
ist dann durch Basel II verpflichtend,
wenn die Bank nicht explizit nachweisen
kann, dass die Standardrisikokosten in
einer Risikovorsorge berücksichtigt wur-
den.
Quantifizierungsziele
Die Quantifizierung operationeller Risiken
kann nicht als selbständiges Ziel be-
trachtet werden. Das übergeordnete Ziel
ist eine Verbesserung des Managements
operationeller Risiken. Diese Zielsetzung
setzt gleichzeitig die Rahmenbedingun-
gen für die Quantifizierungsfragen. Die
methodischen Fragen bezüglich der ge-
nutzten Modelle (basierend auf unter-
schiedlichen Verteilungen) und Interpre-
tationen der erhobenen Parameter soll-
ten auch unter Berücksichtigung dieser
Zieldefinition geprüft werden.
Die aus dieser übergeordneten Zielset-
zung abgeleiteten Ziele für die Quantifi-
zierung operationeller Risiken können in
zwei Kategorien aufgeteilt werden:
• Aufsichtsrechtliche Ziele
• Bankinterne Managementziele
Die aufsichtsrechtlichen Ziele können wie
folgt zusammengefasst werden: Die Op-
timierung des Risikomanagements wird
durch risikosensitive Kapitalunterlegun-
gen umgesetzt, um so eine Robustheit
des gesamten Finanzsystems zu errei-
chen.
Sobald der regulatorische Kapitalbedarf
das vorhandene regulatorische Kapital
übersteigt, darf die Bank das Risiko nicht
ohne weiteres eingehen. Sie muss in
diesem Fall zunächst andere bereits be-
stehende Risiken abbauen, bevor sie
neue Risiken eingehen kann. Die Aufsicht
begrenzt somit die Risiken, denen eine
Bank exponiert sein kann.
Durch die Limitierung des operationellen
Risikos mit Hilfe der Kapitalunterlegung
wird die Qualität des Risikomanagements
Basisbegriffe
Quantil
Standardrisikokosten
Risikokapital
Regulatorisches Kapital
Verlust-potenzial
28 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
zu einem wettbewerbsbestimmenden
Faktor. Die Bank mit dem besten Risi-
komanagementsystem muss für operati-
onelle Risiken am wenigsten Kapital un-
terlegen. Somit kann dieses freigewor-
dene Kapital für andere Risikoarten be-
nutzt und ertragsbringend eingesetzt
werden.
Die bankinternen Managementziele kön-
nen wie folgt wiedergegeben werden:
• Verbesserung des Risikobewusst-
seins in der Bank
• Optimierung der Risiko-Ertrag-
steuerung
• Adäquates Pricing der Bankpro-
dukte
• Ansatz für Verbesserungen der
Organisationsabläufe
Es ist vielleicht nicht direkt einleuchtend,
dass die Quantifizierung operationeller
Risiken das Risikobewusstsein in der
Bank verbessern kann. Oft wird behaup-
tet, dass eine qualitative Betrachtung für
die Schärfung des Risikobewusstseins
ausreicht. Verschiedene Risikobewer-
tungsmethoden beurteilen die Schaden-
höhe oder sogar die Verluste aus opera-
tionellen Risikoereignissen qualitativ,
indem sie diese in verschiedene Klassen
(wie „Hoch – Mittel – Niedrig“) einteilen.
Eine solche Bewertungsskala ist vor al-
lem bei sogenannten „Self-Assessments“
nicht unüblich. Die Dresdner Bank hatte
in ihrem ersten Self-Assessment eben-
falls eine qualitative Perspektive. In den
folgenden Self-Assessments wurden die
Experten jedoch gebeten, die Häufigkeit
und die Schadenshöhe zu schätzen. Die
Folge war, dass die Kollegen und Kolle-
ginnen zu anderen Bewertungen kamen,
die insbesondere auch die Umsetzung
von Verbesserungsmaßnahmen betraf.
Ein Verlustpotenzial in EURO bringt die
Realität und das Ausmaß eines mögli-
chen Verlustes näher als die Bezeich-
nung „Hoch“.
Das zweite Ziel ist die Verbesserung der
Risiko-Ertragssteuerung der Bank. Um
das Verhältnis zwischen dem Risiko und
dem Ertrag in Zahlen abbilden zu kön-
nen, ist die Quantifizierung des Risikos
unumgänglich. Das Management der
Bank versucht, das Eigenkapital maximal
gewinnbringend, unter Berücksichtigung
des eingegangenen Risikos, einzusetzen.
Das Pricing der Bankprodukte ist nur
dann zielführend, wenn die Risiken adä-
quat eingepreist sind. Das heißt nicht,
dass alle Kosten direkt an den Kunden
weitergegeben werden können. Die Bank
sollte jedoch so einen möglichst voll-
ständigen Überblick über die Kosten per
Produkt haben. Dieses wird umso wichti-
ger, wenn die Wertschöpfungskette der
Finanzinstitute weiter zerlegt wird. Ins-
besondere ist hier an das Vorhaben der
Ausgründung mancher Abwicklungsakti-
vitäten zu denken. Wenn ein Zahlungs-
verkehrsdienstleister die Standardrisiko-
kosten und die Eigenkapitalverzinsung
für das Risikokapital für operationelle
Risiken nicht in die Produktkostenkalku-
lation mit einbezieht, dann ist die Gefahr
groß, dass dieses Geschäftsmodell nicht
profitabel ist.
Als letztes Ziel der Quantifizierung ope-
rationeller Risiken ist die Verbesserung
der organisatorischen Abläufe zu nen-
nen. Wenn die Bank nach der Quantifi-
zierung Kapitalkonzentrationen auf man-
chen Prozessen feststellt, dann ist das
ein guter Ansatzpunkt für eine weitere
Analyse. Ebenfalls können Redundanzen
29 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
und Ineffizienzen in den organisatori-
schen Abläufen aufgedeckt werden, die
zu unnötigen Risikokapitalbindungen
führen würden. Die Ursachen der Kapi-
talbindung sollten festgestellt werden,
um danach passende Lösungsalternati-
ven aufzubereiten. Dabei kann insbeson-
dere an die Implementierung geeigneter
Kontrollmaßnahmen und die Abwälzung
der Risiken gedacht werden.
Datenerhebung
Die Quantifizierung operationeller Risiken
setzt eine Datenerhebung voraus. Es gibt
mehrere Ansätze, die mittlerweile auch
in die Praxis umgesetzt worden sind.
• Sammlung der historischen Ver-
lustdaten aus operationellen Risi-
koereignissen.
• Sammlung von Expertenbewer-
tungen anhand von strukturierten
Befragungen.
Die Sammlung interner historischer Ver-
lustdaten ist für die Anwendung des
„Standardised Approaches“ und der „Ad-
vanced Measurement Approaches“ eine
Voraussetzung. Daher liegt es auf der
Hand, zunächst eine Quantifizierung auf
Basis von historischen Verlustdaten vor-
zunehmen. Die Objektivität historischer
Verlustdaten wird oft hervorgehoben,
weil es sich hier um Fakten handelt. Die-
se These ist jedoch fraglich, wie später in
diesem Beitrag erklärt wird.
Historische Daten haben jedoch einige
Begrenzungen, die insbesondere für die
Quantifizierung operationeller Risiken
weitreichende Konsequenzen haben.
Folgende Punkte können hier genannt
werden:
• Historische Daten betrachten die
Vergangenheit und liefern nicht
notwendigerweise eine gute Ab-
bildung der zukünftigen Situation.
Insbesondere im Falle von großen
Verlusten darf davon ausgegan-
gen werden, dass das Manage-
ment geeignete Maßnahmen ge-
troffen hat, damit solche Verluste
nicht noch einmal auftreten.
• Wenn die Bank sich entscheidet
neue Aktivitäten zu entfalten,
fehlt eine historische Datenbasis
für diese Aktivität. Diese neuen
Aktivitäten sind jedoch anfällig für
operationelle Risiken. Als Beispiel
kann an den Aufbau von Finanz-
portalen im Internet gedacht
werden. Es ist klar, dass das Fi-
nanzinstitut in solchen Fällen be-
züglich operationeller Risiken
exponiert ist, auch wenn noch
keine Verluste in der
Vergangenheit eingetreten sind.
• Die Verlustdaten sind nicht
gleichmäßig verteilt. Die internen
Verlustdatensammlungen zeigen
Datenlücken in dem Bereich „low
frequency – high severity“. Jedes
Finanzinstitut, dass diese Daten
nicht zur Verfügung hat, wird
darüber eher froh sein. Es sind
aber gerade diese Verluste, die
maßgeblich die Höhe des Risiko-
kapitals bestimmen.
Die Befürworter, die historische Verlust-
daten als Basis für die Quantifizierung
nehmen möchten, haben diese Probleme
erkannt. Die Lösung wird in der Benut-
zung externer Verlustdaten gesucht. Die
Idee ist, dass die Banken sich in Daten-
konsortien vereinen und somit unterein-
ander Daten austauschen. Diese Daten
30 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
werden anonymisiert den Teilnehmer zur
Verfügung gestellt. Momentan wird noch
diskutiert, wie die Daten kategorisiert
und anonymisiert werden können.
Verlustdaten anderer Institute können
jedoch nicht direkt verwendet werden.
Beispielhaft kann hier der Barings-
Verlust angebracht werden. Der Verlust
von ca. USD 1,6 Mrd wurde durch einen,
seine Befugnisse überschreitenden,
Händler verursacht. Das Ausmaß des
Schadens war sicherlich auch durch die
relativ schwache administrativ-
organisatorische Situation mitverursacht.
Die Kontrolle der Aktivitäten in Singapur
wurde mehrfach in dem Audit-Report2
der Wirtschaftsprüfer als Schwachstelle
genannt.
Die Banken, die dieses Verlustdatum
vom Konsortium erhalten, müssen es
zunächst skalieren. Skalieren heißt die-
ses Datum passend für die eigene Orga-
nisation zu machen. Dabei kann die ei-
gene Organisation in diesem spezifischen
Fall eine Rolle spielen. Wenn die Bank
ein ausgeprägtes Management hat, dann
kann sie die Schadenshöhe entsprechend
korrigieren.
In diesem Punkt kann nicht mehr von
Objektivität die Rede sein. Das Datum
wird aufgrund von Expertenwissen der
eigenen Situation angepasst. Spätestens
dann kann nicht mehr die Rede von ei-
nem Faktum sein.
Der Alternativvorschlag statt durch Ex-
perten über bestimmte Größenindikato-
ren zu skalieren, um so die Objektivität
zu gewährleisten, scheint auch keine
wirkliche Abhilfe zu schaffen. Gerade in
2 The Report of the Inspectors appointed by the Minister of Finance, 1995.
der Diskussion bezüglich der Vorschläge
für die Bestimmung des regulatorischen
Kapitals für operationelle Risiken ist im-
mer wieder – zurecht – darauf hingewie-
sen worden, dass Größe und Risiko keine
eindeutigen Verhältnisse aufweisen. Eine
große Bank ist nicht automatisch stärker
gefährdet als eine kleine Bank.
Die Frage bezüglich der Objektivität
scheint nicht befriedigend beantwortet
werden zu können. Der Preis für diese
Objektivität steht in einem negativen
Verhältnis zu dem erwarteten Nutzen.
Aus diesem Grund ist ein zweites Verfah-
ren für die Datenerhebung entwickelt
worden, dass die Subjektivität aller Da-
ten erkennt und versucht damit in einer
vernünftigen Art und Weise umzugehen.
Die Datenerhebung auf Basis von Exper-
tenbewertungen kann verschiedene an-
gesprochene Probleme der historischen
Verlustdatenbasis lösen. Experten sind
zum Beispiel in der Lage, für neue Aktivi-
täten die operationellen Risiken einzu-
schätzen. Sie sind ebenfalls in der Lage,
die bekannten zukünftigen Änderungen
mit zu berücksichtigen. Die Lücke in dem
angesprochenen Bereich „low-frequency
– high severity“ stellt sich dem einzel-
nen Experten natürlich auch dar. Sie
lässt sich aber etwas einfacher schließen.
Die Experten können sich in sogenann-
ten „Expertenrunden“ zusammenfinden
und die Szenarien, die sicherlich auch
aus externen Daten gewonnen werden
können, gemeinsam bewerten. Damit
sind ansatzweise die meisten Bedenken,
die gegen eine Verwendung historischer
Verlustdaten sprechen, gelöst.
Die Subjektivität der Bewertungen kann
durch eine adäquate Datenanalyse vali-
diert werden. Darüber hinaus wird jede
31 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
strukturierte Befragung noch einmal von
einem zweiten Sachverständigen beur-
teilt und genehmigt. Die interne Revision
wird die Qualität der Expertenschätzun-
gen prüfen.
Innerhalb der Dresdner Bank werden die
Daten im Rahmen eines strukturierten
Self-Assessments3 erhoben. Das Objekt
der Bewertung kann ein Prozess oder
eine Bündelung von Prozessen sein. Für
dieses Objekt wird für zehn Risikoursa-
chenkategorien beurteilt, wie hoch das
Risikopotenzial und die Häufigkeit in ei-
ner typischen Situation sind. Der Experte
gibt ebenfalls die Bandbreiten um beide
Werte an, umso die Variabilität in der
Schätzung zum Ausdruck zu bringen.
Diese Schätzung kann graphisch wie
folgt verdeutlicht werden:
Abbildung: Schätzung der Bandbreiten
Die Experten betrachten eine Bandbreite
in die 95% aller vorstellbaren typischen
Werte passen. Eine solche Schätzung
wird ebenfalls für die Schadenshöhe ge-
macht.
Die Vollständigkeit der Datenerhebung
wird grundsätzlich über eine Aufnahme
der Produkte und Prozesse der Bank ge-
regelt. Jeder Fragebogen hat folgende
3 für weitere Informationen sei auf den Beitrag von Sandstedt/Anders im Risk vom Januar 2003 ver-wiesen.
Attribute: Organisationseinheit, Lokation,
Prozess(-bündel), Produkt(-bündel). Die-
se Attribute erlauben es, die Vollständig-
keit der Erhebung grundsätzlich zu prü-
fen. Die festgestellte Vollständigkeit der
erhobenen Prozesse wird dabei voraus-
gesetzt.
Bevor die Daten in die Risikokapitalkal-
kulation einfließen, findet zunächst eine
Datenqualitätsanalyse statt. Diese Ana-
lyse hat als Ziel, eventuelle Verzerrun-
gen aufzudecken, die einen materiellen
Einfluss auf die Risikokapitalergebnisse
haben könnten. Folgende Punkte werden
zum Beispiel systematisch untersucht:
• Sind die neu erhobenen Daten im
Vergleich zu früher erhobenen Daten,
unter Berücksichtigung der Verände-
rungen, konsistent?
• Werden gleiche oder ähnliche Sach-
verhalte auch gleich beziehungsweise
ähnlich bewertet? Sind zum Beispiel
die ähnlichen Prozesse in unter-
schiedlichen Dienstleistungszentren
ähnlich bewertet?
• Stimmen die quantitativen Antworten
mit den qualitativen Antworten über-
ein?
• Sind bestimmte Antworten verzerrt?
Werden die Aussagen zum Beispiel
durch den Zustand eines bestimmten
Systems dominiert?
• Sind Sequenzen bei der Beantwor-
tung einzelner Fragen erkennbar?
Nachdem die Datenqualitätsanalyse
stattgefunden hat, wird die Kalkulation
des Risikokapitals vorgenommen.
Häufigkeit
! Häufigkeit: kennzeichnet, wie oft das typische Verlustpotenzial, welchesgeschätzt wurde, typischerweise im spezifizierten Szenario auftreten kann.
! Typische Häufigkeit : die Häufigkeit eines typischen Verlustpotenzials,wie es dem Assessor am ehesten für den Großteil der Verluste repräsentativerscheint. Der Wert wird als arithmetisches Mittel interpretiert.
! Bandbreite: Der Bereich, in dem ca. 95% aller möglichen Häufigkeiten liegenwürden.
Bandbreite
HäufigkeitEinmalim Jahr
Zweimalim Jahr
Einmalim Monat
32 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
Kalkulation des Risiko-
kapitals
Der Kalkulationsprozess muss in der La-
ge sein, die Häufigkeits- und Schadens-
höheschätzungen mit den dazu ge-
schätzten Unsicherheiten zu berücksich-
tigen. Der Prozess kann wie folgt abge-
bildet werden:
Abbildung: Der Risikokapitalkalkulationsprozess
Im ersten Schritt werden die Paramete-
werte für die Verteilungen der Häufigkeit
und der Schadenshöhe bestimmt. Die zu
bestimmenden Parameterwerte sind der
Mittelwert und die Standardabweichung.
Der Mittelwert wird dem geschätzten
typischen Wert gleichgesetzt. Die Ablei-
tung der Standardabweichung erfolgt
aus den geschätzten Bandbreiten. Die
Bestimmung der Standardabweichung
berücksichtigt, dass der Experte 95%
aller typischen Fälle in der Bandbreite
eingeschlossen hat.
Das Modell unterliegt ebenfalls bestimm-
ten Anforderungen4
• Es muss konsistent sein: die Ände-
rungen im Risikokapitalwert sollten
den Änderungen im Risikoprofil ent-
sprechen.
4 Vgl. Ulrich Anders; 2002, Seite 214
• Es muss zuverlässig sein: die absolu-
te Betragsgröße sollte das tatsächli-
che Risiko widerspiegeln.
• Es muss robust sein: kleine Änderun-
gen im Risikoprofil sollten nicht zu
größeren Ausschlägen im Risikokapi-
tal führen.
• Es muss stabil sein: die Risikokapi-
talwerte sollten zeitlich vergleichbar
sein.
Das Modell zur Bestimmung des Risiko-
kapitals ist eine vereinfachte Wiedergabe
der Realität. Es sollte Auskunft darüber
geben, wieviel Risikokapital benötigt
wird, um in zum Beispiel 99,9% der Fälle
eine Insolvenz zu vermeiden. Dazu müs-
sen die Häufigkeits- und Schadenshöhe-
schätzungen zusammengebracht wer-
den. Statistisch wird dieser Prozess „Fal-
ten“ genannt. Diese Faltung wird mit
Hilfe einer Monte Carlo Simulation vor-
genommen.
Eine Monte Carlo Simulation kann mit
einer Würfelaktion verglichen werden.
Auf Basis der Expertenschätzungen wer-
den Würfel je für die Häufigkeit und die
Schadenshöhe „zurechtgeschnitten“,
dass die Augenzahl mit entsprechender
Wahrscheinlichkeit fällt. Danach wird
zum Beispiel 100.000 Mal gewürfelt und
die daraus resultierenden Ergebnisse
werden aufgeschrieben.
Pote
ntia
l Los
s Se
veri
ty
Potential Loss Frequency
high
med
ium
hig
hm
ediu
m lo
wlo
w
highmedium highmedium lowlow
IT
CA
RR
ES
UA
IN
TE
EC
EX
PE
IF
OG
PR
MA
Information Input Modell f Output
0,885058 0,34036 0,996958 0,673229 0,369969 0,769388 0,407144 0,041360,373977 0,920697 0,77423 0,998835 0,840015 0,393405 0,870806 0,2054430,277262 0,319322 0,442227 0,55679 0,399485 0,763689 0,946803 0,9497750,493304 0,472384 0,199192 0,088177 0,907329 0,01565 0,573343 0,4652640,400291 0,862559 0,796625 0,774624 0,02928 0,706834 0,284034 0,8415710,459182 0,985261 0,257079 0,941049 0,762828 0,264286 0,339278 0,805226
0,75253 0,585026 0,827551 0,814542 0,795194 0,311433 0,017015 0,6706860,193612 0,808063 0,452561 0,663603 0,711684 0,003106 0,107503 0,012514
0,76538 0,773196 0,21867 0,278791 0,62367 0,387579 0,209874 0,4057630,061622 0,729748 0,229968 0,670606 0,447964 0,046455 0,34506 0,7564540,601114 0,594684 0,331675 0,332056 0,795451 0,227837 0,315346 0,1862440,251398 0,520216 0,804532 0,01961 0,251584 0,488753 0,295619 0,8725270,053219 0,310237 0,730587 0,365189 0,441824 0,375342 0,632844 0,3144710,692812 0,235157 0,694229 0,384531 0,808082 0,568536 0,988734 0,964238
0,9176 0,941626 0,391582 0,433783 0,74791 0,028463 0,187844 0,4653270,385017 0,116401 0,99215 0,518153 0,987507 0,984907 0,66162 0,893030,661102 0,697633 0,499489 0,728876 0,755475 0,555396 0,847708 0,9758310,280701 0,607277 0,413847 0,628674 0,364364 0,794639 0,119192 0,2514930,864784 0,740928 0,597855 0,940982 0,01657 0,906303 0,971866 0,1070930,772518 0,228547 0,929133 0,934703 0,884505 0,635442 0,872256 0,2115530,732003 0,117353 0,63852 0,720948 0,199624 0,469096 0,909099 0,1975050,124935 0,15802 0,996227 0,398715 0,148069 0,436813 0,059487 0,1127020,214428 0,103147 0,487719 0,308042 0,823246 0,021343 0,544121 0,6208460,828471 0,558967 0,374641 0,409445 0,849425 0,684924 0,136389 0,474180,799945 0,004642 0,387109 0,953892 0,064224 0,253523 0,201715 0,9177260,396569 0,134221 0,060271 0,514189 0,084442 0,142437 0,839113 0,7882730,511514 0,492037 0,083421 0,272668 0,081363 0,606544 0,813399 0,8302210,353693 0,765822 0,222335 0,164546 0,697786 0,861469 0,588194 0,5192320,663406 0,117346 0,290898 0,848496 0,823403 0,737462 0,928472 0,1346830,961198 0,058217 0,239675 0,742901 0,265811 0,041855 0,75459 0,0931210,275316 0,183898 0,250786 0,241629 0,6479 0,067858 0,146814 0,8553030,336488 0,869578 0,327427 0,934031 0,78146 0,091597 0,887372 0,2710190,289488 0,611249 0,715446 0,751502 0,378224 0,774582 0,841621 0,0120790,322859 0,480105 0,686006 0,319873 0,226974 0,147644 0,650538 0,9845680,471721 0,13596 0,119939 0,547695 0,236975 0,679669 0,709955 0,918185
Verteilung der
Schadenshöhe
Verteilung der
Schadenshöhe
Verteilung der
Häufigkeit
Verteilung der
Häufigkeit
Monte Carlo-Simulation
Monte Carlo-Simulation
Verteilung des
Verlustpotenzials
Verteilung des
Verlustpotenzials
RisikokapitalRisikokapital
RisikoprofilRisikoprofil
P Parameter-werteParameter-werte
33 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
Dieser Prozess lässt sich beispielhaft wie
folgt abbilden:
Abbildung: Monte Carlo Simulation
Die Werte in der Spalte „Potential Loss“
werden in eine Graphik übertragen und
bilden die empirische Verlustpotenzial-
verteilung ab. Für diese Verlustverteilung
wird das 99,9%ige Quantil bestimmt.
Von diesem Wert werden die Standardri-
sikokosten abgezogen und das Risikoka-
pital ist das Ergebnis.
Die Bestimmung der Parameterwerte für
die Häufigkeits- und Schadenshöhever-
teilungen ist abhängig von den Basisda-
ten.
In manchen Fällen wird eine Verlustver-
teilung auf Basis der vorliegenden Daten
„gefittet“. Dieses „Fitting“ hat eine stän-
dige Anpassung des Modells bei Ände-
rungen in den Basisdaten zur Folge. Da-
mit verliert das Modell an Stabilität. Dar-
um wird eine explizite Wahl für bestimm-
te Verteilungen bevorzugt. Für die Häu-
figkeitsverteilung liegt die Wahl auf der
Hand. Die Statistik bietet hier eine Bi-
nomial- oder eine Poissonverteilung.5
Für die Schadenshöheverteilungen gibt
es mehrere Alternativen. Momentan wird
in der Dresdner Bank mit einer Lognor-
5 Die Poissonverteilung ist ein Spezialfall der Bino-mialverteilung (der Erwartungswert und die Varianz werden in diesem Fall gleichgesetzt).
malverteilung gearbeitet. Diese Vertei-
lung weist eine gewisse Robustheit auf
und bildet die notwendige Asymmetrie
ab. Damit wird abgebildet, dass große
Verluste relativ wenig vorkommen. An-
dere Verteilungen, die zum Beispiel in
Frage kommen, sind die Gammavertei-
lung oder die Weibull-Verteilung. Die
letzte Verteilung wird allerdings durch
drei Parameter beschrieben und reagiert
empfindlicher auf Änderungen im Risiko-
profil als die beiden erstgenannten Ver-
teilungen.
In dem genannten Beispiel für die Monte
Carlo Simulation wurde das operationelle
Risiko mit Hilfe einer Verteilung für die
Häufigkeit und einer Verteilung für die
Schadenshöhe modelliert. In Wirklichkeit
wird das operationelle Risiko jedoch
durch verschiedene Risikoursachenkate-
gorien bestimmt. In der Baseler Definiti-
on für operationelle Risiken ist die erste
Ebene der Risikoursachenkategorien be-
reits aufgenommen: Menschen, Syste-
me, Prozesse und externe Faktoren. Die-
se Kategorisierung kann noch beliebig
weiter spezifiziert werden. Die große
Streuung der Risikoursachen macht eine
differenzierte Betrachtung notwendig.
Für diese Betrachtung können zwei un-
terschiedliche Perspektiven gewählt wer-
den:
• Eine pessimistische Perspektive: auf-
grund aller genannten Risikoursachen
manifestieren sich OR-Verluste zur
gleichen Zeit.
• Eine optimistische Perspektive: auf-
grund aller genannten Risikoursachen
manifestieren sich OR-Verluste nicht
zur gleichen Zeit.
Monte Carlo SimulationFür jeden Parametersetwerden Verlusthäufigkeiten undSchadenshöhen zufällig mit Hilfeeiner Monte Carlo Simulationgeneriert. Die Potential LossDistribution reflektiert denjährlichen Verlust.
Das ökonomische Kapital wirdbestimmt durch denunerwarteten Verlust unterBerücksichtigung einesPerzentils (z.B. 99,9%).
Potential Loss Distribution
Frequency Distribution Severity Distribution
PP
PP
Economic Capital
Iteration Frequency Potential Loss1 1 18 182 2 28 23 513 1 19 194 3 17 19 29 65
… … … …
Loss Severities
34 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
Aggregationsmethode II: “Correlation of 1”Das Risikokapital wird für jede Verlustpotenzialverteilung einzeln berechnet. Dasundiversifizierte Risikokapital ist die Summe der einzelnen Beiträge. Dieser Wert istäquivalent mit den vollständigen korrelierten Werten für jede einzelneVerlustpotenzialverteilung.
Diversifikationseffekte werden bei diesem Ansatz nicht berücksichtigt.
...P1P1
EC
P2P2
EC
PKPK
EC
Economic Capital (“correlation of 1”)
Aggregationsmethode I: “Correlation of 0”Für jeden Parameterset werden die Verlustpotenziale mit Hilfe einer Monte CarloSimulation generiert.Für jeden Monte Carlo Versuch wird das aggregierte Verlustpotenzial berechnet; dasErgebnis ist eine aggregierte Verlustpotenzialverteilung, auf die das diversifizierteRisikokapital basiert.Diversifikationseffekte werden bei diesem Ansatz vollständig berücksichtigt.
Aggregated Potential Loss Distribution
P1P1 P2P2 PKPK...
Economic Capital (“correlation of 0”)
Die pessimistische Perspektive unter-
stellt, dass die einzelnen Risikoursachen
vollkommen abhängig voneinander sind.
Statistisch kommt dieses durch einen
Korrelationskoeffizient von 1 zum Aus-
druck.
Die optimistische Perspektive unterstellt
dahingegen, dass alle Risikoursachen
vollkommen unabhängig sind. Statistisch
kommt dieses durch einen Korrelations-
koeffizient von 0 zum Ausdruck.
Graphisch kann die Bestimmung beider
Perspektiven wie folgt abgebildet wer-
den:
Abbildung: Aggregationsmethode „Correlation of 1“
Abbildung: Aggregationsmethode „Correlation of 0“
Die beiden Betrachtungen sind gleichzei-
tig die Extreme: der wirkliche Wert liegt
dazwischen. Die genaue Position wird
bestimmt durch die Korrelationskoeffi-
zienten zwischen den Risikokategorien.
Erste bankinterne Analysen belegen,
dass die Korrelationskoeffizienten sich in
den meisten Fällen in der Nähe von Null
befinden.
Einbindung in den
Management-Zyklus
Wenn die Bestimmung des Risikokapitals
das Ende wäre, dann würde das vorher
formulierte Ziel nicht erreicht. Das be-
rechnete Risikokapital muss nun so ein-
gesetzt werden, dass Anreize für ein
besseres Management der operationellen
Risiken geschaffen werden. In der Praxis
wird das benutzte Risikokapital mit ei-
nem Eigenkapitalkostensatz verzinst.
Diese Zinsen werden zunächst vom Er-
trag abgezogen, um so die Überrendite,
resultierend aus den Aktivitäten einer
Organisationseinheit, zu bestimmen.
In der Praxis sind bereits Steuerungs-
größen für das Risikoertragsverhältnis
definiert. Neben der Return on Risk Ad-
justed Capital, die wie folgt berechnet
wird:
talRisikokapisikokostenStandardri-gNettoertraRoRAC=
wird auch mit der Economic Value Added
(EVA)-Größe gearbeitet. EVA wird wie
folgt bestimmt:
EVA =
Netto Ertrag – Standardrisikokosten –
Kapitalkostensatz x Risikokapital
Wenn diese Größen in das Anreizsystem
eingebunden werden, werden sich die
verantwortlichen Manager auch um das
operationelle Risiko kümmern. Ein An-
reizsystem funktioniert allerdings nur
35 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
dann, wenn folgende Prinzipien eingehal-
ten werden:
• Die Entlohnung für gutes OR-
Management soll zeitnah sein.
• Die Entlohnung soll in einem nach-
vollziehbaren Verhältnis zu den im-
plementierten Maßnahmen stehen.
• Die Entlohnung sollte erst dann ge-
geben werden, wenn die Implemen-
tierung der Maßnahmen objektiv
festgestellt werden kann.
• Die Bestimmung der Incentives sollte
unabhängig von der Entscheidungs-
kompetenz des beurteilenden Mana-
gers sein. Vermischungen oder
„Kompensationen“ mit anderen Ent-
lohnungskomponenten sollten ver-
mieden werden.
Die Bestimmung des Risikokapitals hat
noch einen anderen Vorteil. Sie löst die
Schwierigkeit, den Nutzen von risikomil-
dernden Maßnahmen darzustellen. Kon-
trollmaßnahmen kosten Geld und müs-
sen – gerade in Zeiten, in denen Kosten-
einsparungen Hochkonjunktur erleben –
gerechtfertigt werden. Folgendes Schau-
bild kann die Vorgehensweise verdeutli-
chen:
Abbildung: Cost-Benefit-Analyse
Folgende Vorgehensweise bietet sich für
die Ableitung der notwendigen Manage-
mentmaßnahmen an:
• Analyse der Spezifikation des be-
rechneten Risikokapitals.
• Bestimmung der notwendigen Maß-
nahmen.
• Analyse der damit verbundenen ein-
maligen und periodischen Kosten.
• Expertenschätzung des Maßnahmen-
effektes auf die Höhe der Standardri-
sikokosten und des Risikokapitals.
• Berechnung des Kapitals unter Be-
rücksichtigung der Maßnahmen.
• Berechnung des Barwertes der Kos-
ten und kalkulatorischen Erträge.
In der Analyse kann noch ein Schritt
weitergegangen werden. Das eingespar-
te Kapital kann anderweitig verwendet
werden. Wenn die Bank dieses Kapital
für das Kredit- oder Marktpreisrisiko ein-
setzt, kann sie damit extra Ertrag erwirt-
schaften. Diese Komponente kann
durchaus als „Opportunitätsgewinn“ mit
berücksichtigt werden.
Wenn der berechnete Barwert positiv ist,
dann lohnt es sich, die geplanten Maß-
nahmen umzusetzen.
Cost-Benefit Analyse: Lohnen sich risikomindernde Maßnahmen?
! Barwert der:
! Investitionskosten verursacht durcheingeleiteten Maßnahmen
! laufenden Kosten in den kommendenPerioden
! Barwert der:
! Reduzierte Standardrisikokosten
! Reduzierte Kapitalkosten
! Ertrag nach Kapitalkosten aus deralternativen Verwendung desRisikokapitals
Costs Benefits
36 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk (Titel)
Fazit
Die Berechnung des Risikokapitals trägt
dazu bei, dass das Management operati-
oneller Risiken verbessert werden kann.
Die unterschiedlichen Ziele der Quantifi-
zierung operationeller Risiken können bei
einer vernünftigen Vorgehensweise op-
timal miteinander verbunden werden.
Neben dem guten Management der ope-
rationellen Risiken wird die Bank in die
Lage versetzt, das freigewordene Kapital
für ertragsbringende Risikopositionen zu
verwenden.
Kontakt:
Dr. Gerrit Jan van den Brink
Dresdner Bank AG
Jürgen-Ponto-Platz 1 -
60301 Frankfurt am Main
Tel.: ++49.69.263-19648
email: [email protected]
Literatur:
Anders, Ulrich 2002: The path to op-
erational risk economic capital, wird pub-
liziert in Operational Risk (Carol Alexan-
der), Februar 2003
Brink, Gerrit Jan van den 2002a: Op-
erational Risk, The new challenge for
banks, Hampshire, January 2002
Brink, Gerrit Jan van den 2002b: Die
Bedeutung operativer Risiken für Eigen-
kapitalunterlegung und Risikomanage-
ment, in Hans Tietmeyer/Bernd Rolfes:
Basel II: Das neue Aufsichtsrecht und
seine Folgen.
Minister of Finance, The Report of the
Inspectors appointed by the Minister of
Finance (Michael Lim Choo San and Ni-
cky Tan Ng Kuang), Singapore, 1995
Sandstedt, Michael und Ulrich An-
ders 2003: An operational risk score-
card approach, in Risk, January 2003,
Seite 48-51
37 | www.risknews.de 01.2003 Operational Risk
38 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk
Operational Value at Risk
Ein Ansatz für das Management von
Operationellen Risiken
Ein Beitrag von Alexander von Balduin
Einleitung
Seit der Einführung des Gesetzes zur
Kontrolle und Transparenz im Unter-
nehmensbereich (KonTraG) aus dem
Jahre 1998 ist der Begriff Risikomana-
gement in aller Munde. Durch § 91 Abs.
2 AktG wird allen vom Gesetz betroffe-
nen Unternehmen auferlegt, ein Risiko-
überwachungssystem zu installieren1.
Da die Unternehmen nun Gesetzeskraft
gezwungen sind, Risikomanagement zu
betreiben, wurden zahlreiche Systeme
hierzu installiert. Der Gesetzestext be-
zieht sich jedoch in erster Linie auf die
Lage des Gesamtunternehmens. Häufig
wird das Risikomanagement für einzelne
Unternehmensbereiche sowie Projekte
vernachlässigt und so die Auswirkungen
möglicher Fehlschläge daraus unter-
schätzt. Das Risikomanagement möchte
zielführend das Risiko- und Chancen-
Profil von Unternehmen ganzheitlich
optimieren. Hirzel2 rechnet vor, daß bei
einer Verbesserung der Innovationskos-
ten um lediglich fünf Prozent bei einem
Unternehmen mit 800 Mio. € Umsatz
und 40 Mio. € Innovationsvolumen ein
1 Füser/Gleißner/Meier 1999, 753 2 Hirzel 1995, 24
Kostenblock von 2 Mio. € vermieden
werden kann.
Der Baseler Ausschuss geht in diesem
Zusammenhang einen Schritt weiter. So
soll in der neuen Eigenkapitalvereinba-
rung für Banken der Bereich Operational
Risk eine stärkere Rolle spielen. Diese
Regulierung wird sich hin zu einer ver-
stärkten Beachtung von Risikomanage-
ment in den Unternehmen auswirken3.
3 Basel Committee on Banking Supervision 2001
„Wenn mich jemand fragt, wie ich meine bisherigen Erfahrungen aus 40 Jahren auf hoher See beschreiben würde, so könnte ich diese Frage lediglich mit unspektakulär beschreiben. Natürlich gab es schwere Stürme und Gewitter, jedoch war ich nie in einen Unfall jeglicher Art verwickelt, der es wert wäre, über ihn zu berichten... Ich habe weder ein Wrack gesehen noch bin ich selbst in Seenot geraten oder habe mich in einer misslichen Lage befunden, die in irgend einer Form drohte ein Desaster zu werden.“
(Auszüge aus einem Schreiben von E. J. Smith aus dem Jahre 1907. Er starb als Kapitän der Titanic am 14. April 1912 mit weiteren 1512 Personen als sein Schiff kurz vor Mitternacht mit einem Eisberg kollidierte und das alsunsinkbar geglaubte Schiff in wenigen Minuten sank.)
39 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk
Operationelle Risiken beim IT-Einsatz
Der Begriff Risiko leitet sich aus dem frühitalienischen risco ab, seine ur-sprüngliche Bedeutung wird mit Klippe
übersetzt, die es in der Seefahrt zu um-schiffen galt. Risiko bezieht sich in wirt-schaftlichem Zusammenhang auf Ent-scheidungen mit freier Wahlmöglichkeit. Wirtschaftliche Entscheidungen sind durch die Unsicherheit über Konsequen-zen, die aus den vorgenommenen Hand-lungsalternativen resultieren, geprägt.
Betrachtet man Risiko von einer ökono-mischen Warte aus, so kann es als Mög-lichkeit der Zielverfehlung definiert wer-den4. Im Kern übereinstimmend mit der Definition von Nicklisch sind die Beg-riffsauslegungen von Bussmann oder Koch. Bussmann deutet Risiko als Scha-dens- oder Verlustrisiko, wohingegen Koch auf das Auseinanderfallen von Planinhalt und Ziel verweist5. Kern die-ser Definitionen ist ein möglicher wirt-schaftlicher Nachteil bezogen auf einen Zielwert, der unter dem erwarteten Soll-wert liegt.
Der Baseler Ausschuss für Bankaufsicht definiert in seinem Konsultationspapier zur Neuen Basler Eigenkapitalverein-
4 Nicklisch 1912, 166 5 Bussmann 1955, 12; Koch 1960, 55
barung vom Januar 2001 (Basel II) den Operational Risk als die Gefahr von Ver-lusten, die in Folge der Unangemessen-heit oder des Versagens von internen Verfahren, Menschen und Systemen oder von externen Ereignissen eintreten 6. Unter dem Operational Risk wird also das aus der Geschäftsabwicklung resultie-rende Risiko subsumiert.7 Eine Auswahl möglicher Einflussfaktoren des Operatio-nal Risk bietet Abbildung 1.
6 Basel Committee on Banking Supervision 2001 7 Keck/Jovic 1999, 963
• Kriminelle Handlungen
• Human Capital (Kündigung, Krankheit, etc.)
• Nicht autorisierte Handlungen
Operational Risk
Technologie
Mitarbeiter
Organisation
Extern
• Anwendungs- und prozessbezogene IT-Risiken
• Projektbezogene Risiken
• Infrastrukturelle Risiken
• Naturereignisse
• Politische Risiken
• Rechtliche Entwicklungen
• Gesellschaftliche Veränderungen
• Aufsichtsrechtliche Anforderungen
• Externe Dienstleister
• Aufbauorganisation
• Ablauforganisation
• Management
Abbildung 1: Kategorien des Operational Risk [von Balduin/Junginger/Krcmar 2002]
40 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk
Aufbau des
Risikomanagements Ausgehend von einer sehr allgemeinen
Begriffsbildung spricht man von Risi-
komanagement als einer Unterneh-
mensführung, die Unsicherheiten i.e.S.
berücksichtigt8. Das Ziel des Risikoma-
nagements ist die Sicherung der Unter-
nehmensziele und des zukünftigen Un-
ternehmenserfolgs sowie Senkung der
Kosten für eine Risikoabsicherung9.
Ein integriertes Risikomanagement
funktioniert idealtypisch entsprechend
dem Nervensystem des menschlichen
Organismus. Dieses besteht aus Senso-
ren, die über den gesamten Körper ver-
teilt sind und alle Ereignisse sowie Ge-
gebenheiten interner und externer Natur
erfassen. Die erfassten Daten werden
über die Leiterbahnen des Nervensys-
tems an ein zentrales Organ, unser Ge-
hirn, weitergeleitet, das über die ent-
sprechende Reaktionen entscheidet und
diese im Anschluss steuert10. Ein proak-
tives und integriertes Risikomanage-
ment erfüllt seine Aufgaben dann, wenn
seine unternehmerische Konzeption
ähnlich den organischen Funktionen in
informationsaufnehmende, informati-
onsweitergebende, informationsverar-
beitende und Entscheidungsprozess tä-
tigende Stellen unterteilt ist und da-
durch neben der Erfassung von Risiken
auch eine angemessene und zeitnahe
Reaktion auf interne und externe Gege-
benheiten zulässt.
Der Risikomanagementprozess wird in
zwei wesentliche Bereiche untergliedert:
das strategische Risikomanagement,
8 Oehler/Unser 2001, 15 9 vgl. www.risknet.de 10 Romeike 2001
und das operative Risikomanagement.
Abbildung 2: Zusammenhang zwischen
operativem und strategischem Risikoma-
nagement [Romeike 2000, 608]
Das strategische Risikomanagement legt
eine einheitlich konsistente Risikostrate-
gie für das Unternehmens fest. Man
spricht in diesem Zusammenhang auch
von der systembildenden Komponente
des Risikomanagements11. Das bedeutet,
dass der operative Prozess des Risiko-
managements (Risikoidentifikation, Risi-
kobewertung sowie Risikosteuerung und
-kontrolle) anhand einheitlicher Metho-
den einer ständigen Regelmäßigkeit un-
terliegen muss. Daraus lässt sich der
Zusammenhang zwischen strategischem
und operativem Risikomanagement er-
kennen. Zwischen beiden Bereichen be-
steht ein Prozess der gegenseitigen Be-
einflussung.
11 Braun 1984, 61
Strategisches
Risikomanagement
Risiko-
identifikation
Risikobewertung
und -aggregation Risikosteuerung- und
Risikokontrolle
41 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk
Grundidee des
Value at Risk
Die Entwicklung des VaR geht auf den
Wunsch eines Vorstandes des amerika-
nischen Investmenthauses J.P. Morgan
zurück, an jedem Abend eines Han-
delstages eine einzige Kennzahl zu er-
halten aus der hervorgeht, wie hoch -
mit einer Wahrscheinlichkeit von bspw.
99 Prozent der maximal mögliche Ver-
lust aller Engagements sei12.
Aus diesem Wunsch
heraus wurde der
Value at Risk gebo-
ren13. Der VaR bei
normalverteilten Risi-
kowerten wird in Ab-
bildung 3 dargestellt.
Er ist dabei definiert
als der zahlenmäßige
Verlust, den das Port-
folio,
oder eine definierte Anzahl an Risikoin-
dikatoren, mit einer vorgegebenen sta-
tistischen Wahrscheinlichkeit von bspw.
99 Prozent während eines definierten
Zeitraums nicht überschreitet14. Diese
vorgegebene Wahrscheinlichkeit be-
zeichnet man als Konfidenzniveau15 des
Value at Risk. Den Input, also den „Va-
lue“, für die Verlustverteilungsfunktion
ergeben reale oder in einer statistischen
12www.jpmorgan.com 13Unter dem Begriff „Risk Capital“ wurde vor der Verwendung des VaR durch J.P Morgan ein ähnli-ches Konzept durch die Bankers Trust Company entwickelt. 14Wehrspohn 2001, 582 15Das Konfidenzniveau entspricht der Wahrschein-lichkeit 1 - α, mit einem Wert von 1 - α = 0,95 bis 0,99. In Zusammenhang mit dem Konfidenzniveau kann man von einem Vertrauensintervall sprechen [Holst/Holtkamp 2000, 816]. Je kleiner der Wert für α gewählt wird, desto geringer ist die Möglich-keit, dass die durch den VaR ausgedrückte maxi-male Schadenshöhe überschritten wird.
Modellannahme simulierte Verlustfälle im
betrachteten Umfeld.16 Im modellbezo-
genen Idealfall ergibt sich aus den Input-
faktoren eine Normalverteilung.
Zur Berechnung des Value at Risk unter-
scheiden Eisele/Knobloch17 grundsätzlich
zwischen zwei verschiedenen Ansätzen,
dem analytischen Ansatz und dem Simu-
lationsansatz.
Abbildung 3: Der VaR bei Normalvertei-
lungsannahme [Franke/Hax 1999, 567]
Unter dem analytischen Ansatz werden
die Delta-Normal- und die Delta-
Gamma-Methode subsumiert. Die Histo-
rische- und die Monte Carlo-Simulation
werden dagegen dem Simulationsansatz
zugerechnet.
16Der Ursprung der Verlustfälle ist abhängig von der verwendeten Methode zur Ermittlung des Value at Risk. Auf die unterschiedlichen Vorgehensweisen wird im folgenden Abschnitt eingegangen. Im Fall empirisch ermittelter Verlustfälle, wie es bei dem Modell der historischen Simulation vorliegt, emp-fiehlt es sich, auf eine unternehmensweite Scha-densfalldatenbank ergänzt um Szenarioanalysen zurückzugreifen. Sie bieten die Möglichkeit eine ausreichend große Datengrundlage für die VaR–Ermittlung bereitzustellen. Zur Ermittlung von „low-frequency / high-severity“ Risikofällen kann diese interne Schadensfalldatenbank um externe Daten ergänzt werden. 17 Eisele/Knobloch 2000, 160f.
Wahrscheinlich-
keitsdichte
0,1
0,2
0,3
Wertänderung
α-Quantil
VaR
Verteilungsfunktion f(x)
0 Erwarteter Wert
(= dichtester Wert)
42 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk
Diese vier Ansätze unterscheiden sich
im Wesentlichen in zwei Punkten, in der
Modellierung der Entwicklung der Risiko-
faktoren und in der Sensibilität der be-
trachteten Portfolios und Positionen.
Bei Verwendung des Simulationsansat-
zes wird der Value at Risk anhand der
Zustandsentwicklungen, die durch Si-
mulation in die Zukunft transferiert
werden, ermittelt. Die Historische Simu-
lation bedient sich dabei vergangen-
heitsbezogener Daten. Es wird unter-
stellt, dass alle Risikofaktoren aus der
Vergangenheit auch in Zukunft den
Wert der Risikoposition in gleicher Weise
beeinflussen werden. Die Monte Carlo-
Methode basiert im Vergleich zur Histo-
rischen Simulation nicht auf Vergangen-
heitswerten, sondern auf einer sto-
chastischen Simulation18. Im Rahmen
dieses stochastische Ansatzes werden
neben den einzelnen Risikopositionen,
ihren Einflussfaktoren auch die Korrela-
tionen zu anderen Risikopositionen be-
rücksichtigt.
Messen von Operatio-
nellen Risiken anhand
des Value at Risk
Im Folgenden soll die Überlegung ange-
stellt werden, in wieweit es möglich ist,
Operational Risk anhand des VaR-
Ansatzes zu quantifizieren. Es drängen
sich dabei zwei wesentliche Fragen auf:
18 Franke/Hax 1999, 576f.
1. Anhand welcher Datengrundlage kann
eine Verteilungsfunktion erstellt wer-
den?
2. Wie kann auf Basis einer Operationel-
len Datengrundlage ein VaR ermittelt
werden?
Der Operational VaR soll im weiteren
Verlauf anhand des Simulationsansatzes
ermittelt werden. Zwischen den Risiko-
parametern des Operational Risk, die im
Rahmen der Risikoidentifikation ermittelt
wurden, und dem VaR gelingt der Brü-
ckenschlag dadurch, dass Risikofaktoren
und deren unterschiedliche Ausprägun-
gen im Zeitverlauf, welche die Zielgröße
beeinflussen, den einzelnen Größen der
Modellrealisierung entsprechen. Zur Be-
rechnung des VaR für Operationelle Risi-
ken werden die folgenden Schritte voll-
zogen:
Für die in der Risikoidentifikation be-
stimmenden Faktoren werden die Wert-
veränderungen bzw. eingetretenen Ver-
luste im betrachteten Umfeld über einen
zuvor festgelegten Betrachtungszeitraum
ermittelt. Als Grundlage für den Daten-
input können interne und externe Scha-
densfalldatenbanken verwendet werden.
So werden für die Risikofaktoren über
diesen Betrachtungszeitraum hinweg die
Verluste bestimmt und eine Zeitreihe
über eine längere Periode hinweg, der
Baseler Ausschuss schlägt eine Periode
von sieben Jahren vor, erstellt. In die-
sem Zusammenhang soll auf die in der
praktischen Anwendung notwendige
Schadensfalldatenbank hingewiesen
werden. Bei sich schnell ändernden Risi-
ken oder neuen Technologien, für die
noch keine Erfahrungswerte vorliegen,
sollte die Betrachtung um Szenario-
Analysen erweitert werden. Anhand der
Wertänderungen bzw. eingetretenen
43 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk
Verluste der vergangenen Periode wird
ein Risikofaktor bestimmt. Dieser dient
der Bestimmung des zukünftigen Risi-
kopotentials. Die Risikobewertung er-
folgt durch Multiplikation des Risikofak-
tors mit den aktuellen absoluten Größen
der Risikofaktoren (bspw. Nettoinvesti-
tionen in Hardware). Aus der Differenz
der aktuellen absoluten Größen der Risi-
kofaktoren und den neubewerteten Grö-
ßen ergibt sich die prognostizierte ein-
getretene Wertänderung bzw. der Ver-
lust im Betrachtungszeitraum.19
Im nächsten Schritt werden die prog-
nostizierten Verluste der Höhe nach sor-
tiert angeordnet. Ermittelt wird der ab-
solute Operational Value at Risk (AO-
VaR) dann nach der Funktion:
AOVaR = α ∗ N20 (mit N = der Anzahl
der progn. Verluste)
Bei einem Konfidenzniveau (1 - α) von
95 Prozent (oder 0,95) und einer prog-
nostizierten Anzahl von 1000 Verlusten
wäre der VaR der 50.-größte (0,05 ∗ 1000) Verlust dieses Risikofaktors.
Möglichkeit der Risi-
koanalyse anhand des
Operational VaR
Die Ermittlung des Operational Value at
Risk hin bis zu diesem Schritt mag in-
formativ sein, jedoch dient der damit
errechnete Wert noch nicht der Unter-
nehmens- bzw. Risikosteuerung. Die
Aussage über die Höhe des VaR in ein-
zelnen Risikokategorien kann als Ver-
19 von Balduin/Junginger/Krcmar 2002 20 von Balduin/Junginger/Krcmar 2002
gleichsmaßstab zwischen den Risikoka-
tegorien und im Zeitverlauf dienen. Zur
Risikosteuerung wird ein relativer Opera-
tional VaR mit einem dazugehörigen
Vergleichswert benötigt. Aus der Sicht
des Autors ist die Verwendung der ma-
ximal tragbaren Schadenshöhe gut als
Relativierungsmaßstab geeignet. Die
Risikoanalyse erfolgt in drei Schritten:
In einem ersten Schritt werden die Risi-
kokategorien nach Wichtigkeit bzw. Nut-
zen für das Unternehmen oder den Ge-
schäftsbereich gewichtet. Es sollte dabei
die folgende hierarchische Risikostruktur
gewählt werden:
• Risikoparameter
• Risikokategorie
• Gesamtrisiko auf Gesellschaftsebene
• Gesamtrisiko auf Unternehmensebe-
ne (wenn vorhanden)
Diese hierarchische Risikostruktur dient
der besseren Gewichtung und Erfassung
einzelner Risikoparameter und damit
schlussendlich einer erfolgsversprechen-
deren Risikoanalyse. Durch Konsolidie-
rung der unteren Hierarchiestufe ergibt
sich die jeweils übergeordnete Stufe.
Den sich auf jeder Stufe ergebenden
Nutzwert wollen wir betrieblichen OR-
Nutzwert nennen. Die Gewichtung inner-
halb der Hierarchiestufen erfolgt nach
der Vorgehensweise zur Nutzwertanaly-
se21. In diesem Zusammenhang ist dar-
auf hinzuweisen, dass die Gewichtung
innerhalb der jeweiligen Hierarchiestufen
einen Gesamtwert von 1,00 bzw. 100
Prozent ergeben muss.
Bei der Ermittlung der individuell für das
Unternehmen oder den Geschäftsbereich
44 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk
maximal tragbaren Schadenshöhe ist
insbesondere auf Kenngrößen der Bi-
lanzanalyse einzugehen. Dieser Betrag
wird entsprechend der Gewichtung auf
die darunter liegenden Hierarchiestufen
geschlüsselt.
In einem zweiten Schritt wird eine rela-
tive, auf dem Operational VaR basieren-
de Kennzahl zur Risikoquantifizier-
ung erarbeitet und im
dritten Schritt aus den
vorangehenden Ergeb-
nissen ein Risikoprofil für
das Unternehmen oder
den Geschäftsbereich
erstellt.
Die relative Risikokenn-
zahl auf Basis des Ope-
rational Value at Risk,
die hier als relativer
Operational Value at
Risk (ROVaR) bezeichnet wird, steht
zunächst im Mittelpunkt der weiteren
Betrachtung. Dabei erfolgt die Ermitt-
lung für alle Hierarchiestufen getrennt
und in aufsteigender Reihenfolge. Aus-
gangsbasis für die weiteren Überlegun-
gen bildet die relative Gewichtung der
Risikokategorien und die jeweils dazu-
gehörige maximal tragbare Schadens-
höhe (MtSi). Der absolute Operational
Value at Risk (AOVaR) wird nun ins Ver-
hältnis zur MtSi gesetzt. Zur besseren
Skalierbarkeit erfolgt danach die Multip-
lizierung des Ergebnisses mit dem Fak-
tor fünf.22
5*
=
i
ii MtS
AOVaRROVaR
21 Blohm/Lüder 1995 22 von Balduin/Junginger/Krcmar 2002
Das Ergebnis, der Relative Operational
Value at Risk, lässt die Risikointensität
des analysierten Bereiches erkennen. So
deutet ein Wert nahe der Kennziffer 5
auf ein sehr ausgeprägtes Risiko hin.
Befindet sich die Kennziffer nahe dem
Wert 0 sprechen wir von einer geringen
Risikogefährdung (vgl. Abbildung 4). In
einem nächsten Schritt muss nun der
ROVaR, über alle Hierarchieebenen hin-
weg, für den gesamten OR-Bereich er-
mittelt werden.
Abbildung 4: Risikoskala ROVAR23
Dies geschieht anhand der relativen De-
zimalgewichtung (dg) einzelner Risikoka-
tegorien mit denen die ROVaRi Werte
multipliziert werden. Aus dem sich dar-
aus ergebenden gewichteten ROVaRi (rp)
kann die Konsolidierung entsprechend
der einzelnen Hierarchiestrukturen vor-
genommen werden. In Tabelle 1 wird die
Vorgehensweise verdeutlicht.
23 von Balduin/Junginger/Krcmar 2002
Relativer Opera-
tional VaR
kein / sehr geringes Risiko
sehr hohes Risiko
0 1 2 3 4
Risiko skala
5
45 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk
Tabelle 1: Ermittlung des Gesamtrisikos
Zur weiteren Analyse werden die Ergeb-
nisse der oberen Berechnungen in ein
Portfolioschaubild übertragen. Auf der
Abszisse wird dabei der ROVaR abgetra-
gen und auf der Ordinate der betriebli-
che OR-Nutzwert (BORNw), der zur Ge-
wichtung der einzelnen Hierarchiestruk-
turen verwendet wurde. Damit wir die-
sen Nutzwert für unsere weitere Be-
trachtung verwenden können, müssen
wir die Gewichtung noch einmal
heranziehen und sie einwenig umfor-
men. Die Gewichtungen (als Dezimal-
wert) aus den Hierarchiestufen werden
– sind sie nicht in der obersten Stufe –
miteinander multipliziert. Die Dezimal-
gewichtungen (dg) aus der obersten Hie-
rarchiestufe werden unverändert über-
nommen. Dieser Wert wird vom Faktor
eins subtrahiert. Zur besseren Skalier-
barkeit wird hier ebenfalls das Ergebnis
im Anschluss daran mit dem Faktor fünf
multipliziert. Ein Ergebnis nahe dem
Wert „null“ entspricht somit einem ho-
hen, ein Wert nahe „fünf“ dagegen ei-
nem niedrigen Nutzenniveau. Die folgen-
de formale Darstellung demonstriert die
Vorgehensweise bis auf die zweite Hie-
rarchiestufe analog zur Ermittlung des
ROVaR in Tabelle 1. Eine tiefere Gliede-
rung kann analog vorgenommen werden.
BORNwi = (1 – dgx) ∗ 5
BORNwi = (1 – (dgxn ∗ dgx) ∗ 5
Einzelparameter Dezimal-gewich-
tung (dg)
ROVaR (w) Gewichteter ROVaR
(rp)
Gewichtete Kriterien
(rk) Risikokategorie 1
Risikoparameter 11 dg11 w11 rp11=dg11*w11 --
Risikoparameter 12 dg12 w12 rp12=dg12*w12 --
... ... ... ... --
Gesamtwert Risikokategorie 1 dg1 w1=∑ =
∗y
n nn wdg1 11 )(
-- rk1=dg1*w1
Risikokategorie 2
Risikoparameter 21 dg21 W21 rp21=dg21*w21 --
... ... ... ... --
Gesamtwert Risikokategorie 2 dg2 w2=∑ =
∗y
n nn wdg1 22 )(
-- rk2=dg3*w3
... ... ... ... ...
Risikokategorie x
Risikoparameter x1 dgx1 wx1 rpx1=dgx1*wx1 --
… … … … --
Gesamtwert Risikokategorie x dgx wx=∑ =
∗y
n xnxn wdg1
)(
-- rkx=dgx*wx
Gesamtrisikowert (grw): grw ∑ =
∗=x
n nn wdg1
)(
46 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk
In der grafischen Umsetzung (vgl. Ab-
bildung 7) werden alle ermittelten Hie-
rarchiestufen dargestellt, um den In-
formationsgehalt der Analyse zu erhö-
hen. Zur besseren Übersicht empfiehlt
es sich jedoch eine grafische Unter-
scheidung zwischen den einzelnen Hie-
rarchiestufen vorzunehmen.
Abbildung 5: OR-Risikoportfolio
Im OR-Risikoportfolio werden die zuvor
berechneten Werte für ROVaR und
BORNw übertragen. Zusätzlich wird eine
individuelle, der Risikostrategie des Un-
ternehmens folgende, Akzeptanzlinie
eingezeichnet. Sie trennt die Bereiche
bei denen zum einen Handlungsbedarf
besteht und zum anderen die Nutzen-
Risikorelation akzeptabel ist. Entschei-
dend ist in diesem Zusammenhang je-
doch, dass man diese Linie nicht als
absoluten Maßstab sondern als Über-
gangsbereich erkennt. Bei der Einstu-
fung der einzelnen Risikobereiche wird
je mehr Risiko akzeptiert, je höher das
Nutzenniveau eingeschätzt wird und vice
versa.24
Managementstrategien
zur Risikobewältigung
Ein Portfolio kann für die Unternehmens-
steuerung immer nur ein Hilfsinstrument
zur Standortbestimmung und als Hand-
lungsempfehlung dienen.
Betrachtet man noch einmal den Risiko-
managementkreislauf (vgl. Abbildung 2),
ordnet man das Portfolioinstrument der
24 von Balduin / Junginger/ Krcmar 2002
0 1 2 3 4 5
ROVaR (w)
BORNw
1
2
3
4
5
individuelle Akzep-
tanzlinie
= ROVaR (grw)
= ROVaR (wx)
= ROVaR (wxn)
Akzeptanzverlauf
47 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk
Risikobewertung zu. Der nächste we-
sentliche Schritt ist die Risikosteuerung.
Die Risikosteuerung kann in mehreren
Stufen erfolgen (vgl. Abbildung 6). Zu
beachten ist dabei, dass häufig nicht
jede Möglichkeit der Risikoüberwälzung
für jede Risikokategorie anwendbar
ist25.
Abbildung 6 Risikoübertragungsstrate-
gien [Romeike 2000, 609]
So kann im Fall der Überschreitung ei-
nes Projektzeitlimits oder eines internen
Software-Diebstahls eine organisatori-
sche Umgestaltung mit wenig Kosten-
aufwand zu einem sehr hohen Erfolg
führen – eine alternative Risikofinanzie-
rung als Risikoüberwälzung wäre in die-
sen Fällen nicht die geeignete Vorge-
hensweise.
Für den Prozess der Risikosteuerung
und Risikokontrolle gilt, dass er einen
Kompromiss zwischen dem Notwendigen
und dem Möglichen ist. So muss das
Ziel dieser Station im Risikomanage-
mentkreislauf sein, das betriebswirt-
schaftlich optimale und nicht das tech-
nisch bzw. organisatorisch maximale
25 von Balduin/Junginger/Krcmar 2002
Risikoniveau zu erreichen26. Diese Vor-
gabe ist insbesondere unter der Betrach-
tung von Abbildung 6 relevant. Häufig
wirken Risikovermeidungsmaßnahmen
mit einem entsprechend abnehmendem
Grenznutzen in Bezug auf den Kosten-
einsatz.
Kontakt:
Alexander von Balduin
Tel.: ++49.179.20 21 949 eMail: [email protected]
Literatur:
Von Balduin, Alexander / Junginger, Markus / Krcmar, Helmut (2002): Risikomanagement von Informations- und Kommunikationstechnologien mit dem Value at Risk-Ansatz. In Sicherheit in Informationssystemen SIS2002, Hrsg: …
Beeck, Helmut / Kaiser, Thomas
(2000): Quantifizierung von Operational
26 Romeike 2001 416
1. Prävention
2. Reduktion
3. Transfer
4. Selbst tragen
identifiziertes Risiko
akzeptiertes Risiko
- personell
- technisch
- organisatorisch
verbleibendes
Risiko
Ge-
samt-
risiko
unidentifiziertes Risiko
- alt. Risikofinanz.
- Versicherungen
- Verträge
48 | www.risknews.de 01.2003 Operational Value at Risk
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49 | www.risknews.de 01.2003 Unternehmenssteuerung
Chancen- und Risikomanagement
als umfassender Ansatz zur Unternehmenssteuerung
Ein Beitrag von Joachim Brückmann und Kai Gammelin
Kernaussagen
Institutionelle Anleger fordern in ihren
Questionaires zunehmend Informationen
über das betriebliche Risikomanagement
ihrer potentiellen Asset Manager.
Im Rahmen einer zunehmenden Komple-
xität im Asset Management und dem
ständigen Anpassungsdruck an Markt-
veränderungen ist eine Steuerung des
Unternehmens nach Aufwand und Ertrag
nicht mehr ausreichend.
Nur ein umfassendes Risikomanage-
mentsystem wird in der Lage sein, zu-
künftigen gesetzlichen Anforderungen
gerecht zu werden.
Einleitung
Risikomanagement bezeichnet die Iden-
tifizierung, Bewertung und Steuerung
aller Risiken mit Auswirkung auf den
nachhaltigen betrieblichen Erfolg unter
Berücksichtigung der vielschichtigen
Wechselwirkungen zwischen den Einzel-
risiken. Derartige Risikomanagement-
Systeme finden in unterschiedlich tiefen
Ausprägungen in deutschen Unterneh-
men Anwendung. Von der Auseinander-
setzung mit einzelnen Risiken bis zum
umfangreichen Frühwarn- und Prognose-
system für Unternehmensplanung und -
steuerung sind bereits Risikomanage-
ment-Systeme bei namhaften deutschen
Asset Managern implementiert, oder be-
finden sich im Aufbau.
Ziele des
Risikomanagements
Die Hauptaufgabe des Risikomanage-
ments besteht darin, die Ziele des Asset-
Managers, seine Strategien und die
Steuerungselemente des Unternehmens
zu koordinieren und die Stabilität der
Gesellschaft zu fördern. In diesem Zu-
sammenhang gilt es, einen unerwarteten
konzentrierten Eintritt von Risiken zu
vermeiden und dabei Chancenpotentiale
voll auszuschöpfen.
50 | www.risknews.de 01.2003 Unternehmenssteuerung
Entscheidend für eine dauerhafte Kun-
denbindung des Anlegers an seinen As-
set Manager ist, dass dieser die Ertrags-
erwartungen des Anlegers über einen
längeren Zeitraum realisieren kann. Lan-
ge schon werden Frühwarnsysteme ge-
nutzt, um Verluste für Kunden in fallen-
den Märkten zu begrenzen. Dennoch
besteht die Gefahr, dass Signale dieser
Frühwarnsysteme nicht konsequent ge-
nug umgesetzt werden. Das Risikoma-
nagement ist als neutrale Stelle in der
Lage, konsequent für die Umsetzung von
verlustbegrenzenden Aktionslimiten
(Trigger) zu sorgen.
Eine weitere Wirkung entfaltet das Risi-
komanagement durch die Betrachtung
von Risiken in Prozessen der KAG. Durch
die Identifizierung von Risiken und die
Erarbeitung von Gegenmaßnahmen wer-
den zunehmend auch die Geschäftspro-
zesse der Gesellschaft beeinflusst und
stabilisiert. Damit einher geht eine deut-
liche Verbesserung der operativen Quali-
tät mit positiven Effekten für Mitarbeiter-
zufriedenheit aufgrund sinkender Fehler-
quoten, verringerter Anzahl von Scha-
denfällen und geringerer täglicher Ar-
beitsbelastung bei gleichbleibendem Ar-
beitsanfall.
Beide genannten Aspekte haben einen
entscheidenden Effekt für das Unter-
nehmen. Sie steigern die Reputation der
Unternehmung und erhöhen so auf Sicht
die Erfolgschancen im Vertrieb nachhal-
tig. Zusätzlich sind auch positive Perfor-
manceeffekte möglich.
An dieser Stelle stellt sich die Frage nach
den Kosten. Die genannten Aspekte sind
nur schwer zu quantifizieren und lassen
auf den ersten Blick eine Kosten-
/Nutzenrechnung nicht zu. Auf dem
zweiten Blick werden zunehmende Kun-
denzufriedenheit, geringere Schaden-
summen und effizientere Prozesse sicht-
bar, die sich als Ertrags- oder Kosten-
senkungseffekte quantifizieren lassen.
Doch vor der Nutzung dieser Vorteile ist
der Rahmen des Systems vorzugeben.
Die Risikostrategie
Die Aufgabe der Risikostrategie eines
Unternehmens liegt in der Absicherung
der leistungswirtschaftlichen, sozialen
und finanziellen Unternehmensziele. Die
Strategie beschreibt den Rahmen, in
dem das Risikomanagement-System zu
integrieren und auszurichten ist. Ge-
schäftsleitung und der mit dem Thema
beauftragte Bereich definieren die Ver-
antwortlichkeiten und integrieren das
Risikomanagement in die strategischen
Entscheidungsprozesse.
Die Risikostrategie leitet sich von den
Unternehmenszielen und der Unterneh-
mensstrategie ab und sollte zentraler
Bestandteil der Geschäftsstrategie sein.
Um die Risikostrategie entwickeln zu
können, ist das Unternehmensziel hin-
sichtlich der Positionierung und der we-
sentlichen Ausprägungen wie zum Bei-
spiel Asset-Management-Stil, Produkte,
Dienstleistungen und Kunden klar zu
definieren. Im Rahmen der Unterneh-
mensstrategie sind die Wege und Mittel
zur Umsetzung der Unternehmensziele
für einen planbaren Horizont aufzuzei-
gen. Dazu gehören beispielsweise Orga-
nisationsformen und -strukturen, Ver-
triebs- und Marketing- und IT-Strategie
sowie Strategien zu den Produkten und
Dienstleistungen. Die Steuerungsele-
mente (z.B. Controlling, Revision, Perso-
nalmanagement, etc.) sollen die Mög-
lichkeit bieten, die in der Unternehmens-
51 | www.risknews.de 01.2003 Unternehmenssteuerung
strategie definierten Aktivitäten auf die
Unternehmensziele auszurichten.
Aus der Unternehmensstrategie werden
im Idealfall - unter Risikomanagement-
Aspekten - risikoadjustierte Entschei-
dungen getroffen, eine risikoadjustierte
Ergebnisgenerierung vorgenommen und
unternehmensweite Kommunikations-
sowie Organisationsprogramme entwi-
ckelt. Die Risikostrategie entsteht.
Zur Validierung der Risikostrategie ist es
erforderlich, laufend die Vorgaben und
Erwartungen, die sich aus der Risikostra-
tegie ergeben, mit dem real Erreichten
abzugleichen. Dieser Soll-/ Ist-Vergleich
ist die Basis für ein gezieltes Controlling
des Risikomanagementsystems und ver-
hindert unwirtschaftliche Auswüchse und
Fehlentwicklungen.
Vorteile
Im Rahmen der Ziele des Risikomana-
gements wurden bereits zwei wesentli-
che Vorteile des Risikomanagementsys-
tems angesprochen. Im folgenden wer-
den die Vorteile dieses Steuerungsin-
strumentariums stärker herausgearbei-
tet.
Die steigende Nachfrage der institutio-
nellen Anleger nach Möglichkeiten der
Kapitalanlage, lässt bereits integrierte
Risikomanagement-Systeme zu einem
Auswahlkriterium für Asset-Manager
werden. Gründe für diesen Anspruch
sind häufig Vorfälle, die sich in den letz-
ten Jahren auf dem wirtschaftlichen Sek-
tor ereignet haben. Adressausfälle, vom
Vertrag abweichendes Verhalten und
Marktschwankungen sind einige Aspekte,
die die Forderung nach einem Risikoma-
nagementsystem zu einem Verkaufsar-
gument im Rahmen der Kundennachfra-
ge werden lassen. Weiterer Vorteil ist –
gerade in der Anfangsphase dieser The-
matik – die Übernahme einer Vorreiter-
rolle auf dem Gebiet des Risikomanage-
ments. Sie bietet die Möglichkeit, nicht
nur auf Kundenanfragen zu reagieren,
sondern einen zusätzlichen Marketingas-
pekt zu schaffen. Die aus den gesamten
Vorteilen resultierende Steigerung des
Shareholder-Value macht die Einführung
eines solchen Systems lohnenswert.
Grundsätzlich gilt es festzuhalten,
dass kein System in der Lage ist
Schäden in einem Unternehmen gänz-
lich auszuschließen. Im Rahmen des
erhöhten Einsatzes von Informations-
technologie können zwar viele kleine
Schäden durch Bearbeitungsfehler
ausgeschlossen werden, stattdessen
entstehen unerkannt und tückisch je-
ne Risiken, die sich durch extrem
niedrige Wahrscheinlichkeit aber
durch extreme Schadenshöhen aus-
zeichnen. Aufgrund der geringen
Wahrscheinlichkeit sind diese Risiken
in der Regel nicht in den Schadenssta-
tistiken erfasst und damit nur sehr
abstrakt. Zu diesen Risiken zählt, um
bei der IT zu bleiben, ein nachhaltiger
Ausfall der Systeme. Solche Schäden
können in wenigen Tagen insbesonde-
re im Finanzdienstleistungsgeschäft
bestandgefährdende Züge annehmen.
Die IT ist an dieser Stelle nur ein Bei-
spiel für eine Quelle existentieller Risi-
ken.
Nicht immer müssen Schäden die Exis-
tenz der Gesellschaft gefährden. Was
immer der Fall sein dürfte, sind eine Er-
gebnisbelastung und daraus resultierend
vermeidbare Kosten. Jeder verhinderte
Schaden wird so sofort ertragswirksam.
52 | www.risknews.de 01.2003 Unternehmenssteuerung
Ein weiterer Aspekt ist die Frage nach
Investitionen oder vermehrt auch Desin-
vestition. Die Investitionsrechnung des
klassischen Controlling berechnet mit
allerseits bekannten Methoden, welcher
Kapitaleinsatz die höchste wirtschaftliche
Effizienz aufweist. Das Risiko der Investi-
tion spielt bei dieser Betrachtung besten-
falls eine Nebenrolle. Selbstverständlich
erfolgt vorab eine Abwägung der Markt-
chancen und Risiken, aber operative
Herausforderungen werden häufig aus-
geblendet. Analog dazu wird bei der De-
sinvestition, i.d.R. als Kostensenkungs-
maßnahme auftretend, gerne übersehen,
dass auftretende Überlastung der Mitar-
beiter und Unsicherheit über sich rasch
verändernde Prozesse erhebliche Risiken
beinhalten. Eine typische Auswirkung
sind Qualitätsmängel in der Wertschöp-
fungskette und damit einhergehend der
ertragswirksame schleichende Reputati-
onsverlust.
Das Risikomanagement kann über die
Reflektion der oben beschriebenen Risi-
ken und unter Einsatz des Frühwarnsys-
tems von vorneherein notwendige Maß-
nahmen und ihre Auswirkungen transpa-
rent machen und so die Möglichkeit
schneller Reaktionen auf Fehlentwicklun-
gen ermöglichen. Ein Ansatz zur Opti-
mierung durch Risikomanagement wäre
zum Beispiel, die Veränderungen für die
Mitarbeiter und der Prozesse und die sich
daraus ergebenden Risiken zu simulie-
ren. Verschiedene Umsetzungsvarianten
ließen sich so auf ihre Auswirkungen und
auf die zu erwartenden Risikokosten hin
untersuchen. Diese Ergebnisse würden
dann in einem zweiten Schritt in die In-
vestitionsrechnung einbezogen werden.
An dieser Stelle sollte deutlich werden,
dass Risikomanagement kein neues Ver-
fahren ist, sondern kombiniert mit alt
bekannten und bewährten Steuerungsin-
strumenten für mehr Transparenz und
höhere Planungssicherheit sorgen. Dazu
ist die Frage zu stellen, wie viele Kosten
jährlich durch verzögerte Projekte ent-
stehen, und ob die Ursachen nicht u.U.
in der Vernachlässigung von operativen
Risiken zu suchen sind.
Je intensiver ein Unternehmen sich mit
Chancen und Risiken beschäftigt, desto
ausgeprägter wird das ganzheitliche Ver-
ständnis betrieblicher Wirkungsketten
und die Bereitschaft der Mitarbeiter sich
als Unternehmer im Unternehmen zu
sehen, vorhanden sein.
Der Erfolg und die Akzeptanz eines Risi-
komanagementsystems hängt stark von
der Einstellung und dem Vorbild der Ent-
scheidungsträger im Unternehmen ab.
Ihr Verständnis wird geprägt durch
sichtbare Erfolge im Zusammenhang mit
dem Risikomanagement. Aus diesem
Grund gilt es, klar zu machen, dass die-
ses Verfahren Risiken begrenzt und
Chancen nicht blockiert und dass es ei-
ner sukzessiven Einführung im Unter-
nehmen bedarf, die es der Belegschaft
ermöglicht, sich dem Thema Risiko be-
wusst zu nähern. Eine wichtige Aufgabe
kommt hierbei der Kommunikation über
erreichte Umsetzungserfolge im Unter-
nehmen zu, die die Bereitschaft zur Ver-
änderung nachhaltig begünstigen.
Die Verknappungen der Ressourcen Zeit
und Geld sowie die dramatische Steige-
rung der Komplexität des Umfeldes, stel-
len die Asset Manager ständig vor neue
Herausforderungen. Durch ein in das
Risikomanagement integriertes Change
Management werden die schnellere und
wirtschaftlichere Bewältigung einer zu-
nehmenden Vielfalt sich rasch ändernder
53 | www.risknews.de 01.2003 Unternehmenssteuerung
Aufgaben ermöglicht und Synergien er-
schlossen.
Gesetzliche Anforder-
ungen / Richtlinien
Neben den genannten Vorteilen müssen
auch in den Gesetzen und Richtlinien
gestellten Anforderungen an ein Risiko-
management-System erfüllt werden. Das
über das Gesetz zur Kontrolle und
Transparenz im Unternehmensbereich
(KonTraG) hinausreichende Kreditwe-
sengesetz (KWG), die Generalklauseln
des Aktiengesetzes (AktG) sowie des
GmbH-Gesetzes (GmbHG), das Handels-
gesetzbuch (HGB), die „Mindestanforde-
rungen an das Betreiben von Handelsge-
schäften“ (MaH) und die Prüfungsstan-
dards des Instituts der Wirtschaftsprüfer
(IDW) sind richtungsweisend. Darüber
hinaus ist dieses Thema in den Fokus
des Baseler Ausschusses gerückt und
wird im Rahmen von Basel II in Zukunft
zusätzlich eine Unterlegung von operati-
onellen Risiken durch haftendes Eigen-
kapital erfordern. Das zwingt die Ban-
kenbranche zu einer umfassenden Quan-
tifizierung sämtlicher operationeller Risi-
ken. Die Relevanz von Basel II für Kapi-
talanlagegesellschaften ist hierbei noch
nicht abschließend geklärt. Zur einheitli-
chen Integration und Berichterstattung
innerhalb von Konzernen beinhaltet der
Deutsche Rechnungslegungsstandard
(DRS) hilfreiche Regularien, sowohl für
den Bereich der Kredit- und Finanz-
dienstleistungsinstitute, als auch für die
künftige Entwicklung des Konzerns im
Konzernlagebericht für Versicherungsun-
ternehmen.
Um das Risikomanagement konzern-
übergreifend zu harmonisieren, ist insbe-
sondere bei heterogenen Konzerngefü-
gen schon während der Konzeptionie-
rung darauf zu achten, dass die unter-
schiedlichen Unternehmen im Rahmen
ihrer DRS-Standards einen konzernein-
heitlichen Kompromiss bei der Risiko-
gliederung und Bewertung finden.
Die Vorgehensweise
Damit ein Risikomanagement-System
nicht zu einem „Management-Risiko-
System“ wird, sind betriebswirtschaftli-
che Belange während der gesamten
Implementierung zu berücksichtigen. Auf
Grund der Komplexität und der viel-
schichtigen Korrelationen zwischen den
Risiken ist während der Bestandsauf-
nahme der Risiken eine Abschätzung der
Relevanz nicht zuverlässig möglich. Im
Hinblick darauf, sollte in dieser Phase auf
Vollständigkeit und eindeutige Definition
größter Wert gelegt werden. Um in den
Interviews mit den betroffenen Mitarbei-
tern zeitliche Belastungen zu minimie-
ren, ist die gezielte Aufbereitung der
Risiken durch die für das Risikomanage-
ment verantwortlichen Mitarbeiter im
Unternehmen im Voraus sinnvoll. Diese
Aufbereitung umfasst die Gliederung
nach Risikogruppen.
Im Rahmen der Interviews erfolgt eine
detaillierte Aufnahme möglicher risiko-
begrenzender Maßnahmen, unabhängig
davon, ob eine Umsetzung schon erfolgt
ist. Die Zusammenführung der im Unter-
nehmen bestehenden Insellösungen zur
Risikobewältigung ermöglicht einen um-
fassenden Überblick über die Risikositua-
tion des Unternehmens. Die Zusammen-
führung der Maßnahmen aus allen Un-
ternehmensbereichen, gerade im Hin-
blick auf unternehmensübergreifende
54 | www.risknews.de 01.2003 Unternehmenssteuerung
Risiken und deren Bewältigung, ermög-
licht eine Auswahl und Optimierung von
bestehenden Gegenmaßnahmen. Auf
Grund der Erkenntnisse und unter Be-
rücksichtigung von Risiko- / Kosten-
Aspekten ist dann eine Priorisierung der
weiteren Umsetzungsschritte gegeben.
Mit Hilfe des nachfolgend aufgeführten
Instrumentariums ist es möglich, be-
wusst risikobehaftete Positionen einzu-
gehen oder zu bewältigen:
! Vermeidung
! Verminderung
! Überwälzung
! Kompensation
Unter der Vermeidung ist die strategi-
sche Entscheidung zur Ablehnung eines
mit Risiken verbundenen Geschäftes zu
verstehen. Dies bedeutet zwingend einen
Verzicht auf damit einher gehende Chan-
cen.
Bei der Verminderung wird versucht,
durch geeignete organisatorische Maß-
nahmen die Eintrittswahrscheinlichkeit
und/oder die Schadenshöhe im Vergleich
zur Ursprungssituation zu verringern.
Eine typische Form der Überwälzung von
Risiken stellt die Versicherung dar. Auch
eine vertragliche Verlagerung eines Risi-
kos auf externe Dienstleister fällt unter
diesen Aspekt. Bei diesen Möglichkeiten
der Risikobewältigung sollte beachtet
werden, dass vertragliche Regelungen
keinen Schutz vor Imageschäden bieten.
Die Kompensation kann durch Bildung
von Rücklagen für eventuell eintretende
Schäden, risikoorientierte Produktgestal-
tung und Preisfindung erfolgen. Eine Art
der Kompensation ist bei Marktrisiken
möglich, für die sich durch eine Beimi-
schung weiterer negativ korrellierter Ri-
sikopositionen das Gesamtrisiko verrin-
gert.
In einem Steuerungskreislauf wird in
regelmäßigen Abständen die Risikositua-
tion des Unternehmens neu bestimmt
und die Priorisierung der Maßnahmen-
komplexe zur Risikobewältigung ange-
passt.
Über die laufende Evaluierung der Risi-
ken hinaus, ist es auf Grund der oftmals
niedrigen Eintrittswahrscheinlichkeit und
hohen Schadenshöhe bei Risiken ratsam,
aus Indikatoren ein Frühwarnsystem zu
generieren. Dies ermöglicht den Ent-
scheidungsträgern, bei Überschreiten
von definierten Limiten auf die veränder-
te Risikosituation mit strategischen An-
passungen zu reagieren. Indikatoren-
auswahl und Limite sind laufend über
Backtesting-Verfahren und empirische
Untersuchungen zu hinterfragen. Stellen
sich Indikatoren nachhaltig als unzuver-
lässig heraus, sind diese durch neue ge-
eignetere zu ersetzen. Anpassungsbedarf
kann des Weiteren aus Änderungen des
Unternehmensumfeldes resultieren.
Sowohl die Ergebnisse aus den Maßnah-
men zur Risikobewältigung als auch aus
dem Frühwarnsystem sollten in verdich-
teter Form in festgelegten Zeitabständen
von Prozessverantwortlichen (Risk-
Owner) über den Risikomanager an die
Entscheidungsträger im Rahmen eines
verdichteten Reportings kommuniziert
werden. Aus Gründen der Wirtschaftlich-
keit sollte das Reporting so angelegt
sein, dass eine Ableitung des Lageberich-
tes bis zum Geschäfts- bzw. Konzernbe-
richt ohne große Nachbearbeitung mög-
lich ist.
55 | www.risknews.de 01.2003 Unternehmenssteuerung
Schulungsprogramme
für Mitarbeiter
Über die thematische Identifikation der
Geschäftsführung mit diesem Thema
hinaus sind entsprechende Sensibilisie-
rungsprogramme für Führungskräfte und
Mitarbeiter durchzuführen. Programme
dieser Art sollen den bewussten Umgang
mit Risiken und die sinnvoll plazierte
Risikobewältigung fördern sowie negative
Folgen von mangelndem Risikoverständ-
nis kenntlich machen. Die aufmerksame
Betrachtung des eigenen Arbeitsplatzes,
die Bewältigung der täglichen Aufgaben
unter Risikoaspekten und die Weitergabe
von Informationen über etwaige neu
aufgetretene oder latente Risiken, sind
i.d.R. ein zwingender Beitrag zum Risi-
komanagement. Besonders wichtig ist
die risikospezifische Ausrichtung der Pro-
zessverantwortlichen (Risk-Owner). Ih-
nen kommt, über das Hinterfragen der
Prozesse hinaus, die Aufgabe zu, risiko-
bewältigende Maßnahmen zu entwickeln,
an das Risikomanagement zu berichten
und umzusetzen.
Integration eines
Risikoberichtswesens
Für die fortlaufende Versorgung der Ge-
schäftsführung, des Risikomanagements
und der Risk-Owner mit bedarfsgerech-
ten Informationen, ist die Einführung,
Integration und Pflege eines unterneh-
mensübergreifenden und regelmäßigen
Berichtswesens erforderlich. Es soll mit
Hilfe von turnusmäßigen Berichten und
gegebenenfalls Sonderinformationen die
wesentlichen, bereichsübergreifenden
Risiken kommunizieren und zu den er-
folgten oder noch zu ergreifenden Schrit-
ten der Risikobewältigung Stellung neh-
men. Die Darstellung der Risikosituation
des Unternehmens, also die Dokumenta-
tion der Risiken und das Risk-Reporting,
sollte für alle Beteiligten (Geschäftslei-
tung, Aufsichtsrat, Interne Revision und
Abschlussprüfer) einen besonders hohen
Stellenwert haben.
Krisennachbereitung
Im Rahmen der Risikobewältigung muss
hinterfragt werden, welche Maßnahmen
eingeleitet wurden, um Risiken zu ver-
meiden oder auch einer akuten Krise
Herr zu werden. Krisennachbereitung hat
in erster Linie etwas mit Krisenbewußt-
sein zu tun. „Bedenke das Undenkbare“
– man muss über potentielle Krisenursa-
chen nachdenken. Ziel sollte die Erstel-
lung eines Krisenplans, eventuell als Be-
standteil des Risikomanagementhandbu-
ches, sein. Hier sollten potentielle Krisen
sowie organisatorische, technische und
personelle Maßnahmen bei Entstehung
einer Krise dargestellt werden. Wichtig
sind außerdem Aussagen zur Krisen-
kommunikation und zu Verantwortlich-
keiten. Der Krisenplan sollte nicht als
starre Prozessdefinition verstanden wer-
den, sondern vielmehr als Leitlinie. Zur
Krisennachbereitung gehört eine nach-
trägliche Beseitigung negativer Folgewir-
kungen. Imageschäden lassen sich in
keiner Weise durch Maßnahmen der Risi-
kobewältigung heilen. Informationen
müssen strukturiert, gut aufbereitet und
überzeugend sein. Pressekonferenzen,
Telefonate und Publikationen in Printme-
dien sollten für eine gute Krisenkommu-
nikation berücksichtigt werden. Ziel
muss sein, die Informationsdefizite auf
der Seite der Medien, Shareholder und
Kunden zu reduzieren, möglichst bevor
56 | www.risknews.de 01.2003 Unternehmenssteuerung
Veröffentlichungen von anderer Seite für
größere Imageschäden sorgen. Krisen-
kommunikation sollte sich bereits aus
der gesellschaftlichen Verantwortung des
Unternehmens ergeben. Ferner dient sie
dem Vorsorgeprinzip im Rahmen einer
Haftungsbegrenzung z.B. für fehlerhafte
Produkte.
Handbuch zum
Risikomanagement
Mit dem Risikomanagementhandbuch
wird die Einhaltung der Maßnahmen des
Systems im Zeitablauf sichergestellt, da
hier genaue Arbeitsanweisungen für die
einzelnen Systemelemente zusammen-
gefasst dargestellt werden. Die damit
gewonnene Transparenz erhöht, über die
Sensibilisierungsanstrengungen für alle
Prozessbeteiligten des Unternehmens
hinaus, die Akzeptanz für das Risikoma-
nagement bei den Mitarbeitern. Zum
anderen kann die Unternehmensleitung
im Zweifel unter Zuhilfenahme des
Handbuches in Haftungsfragen entlastet
werden. Es kann belegen, dass die Ge-
schäftsführung ihrer Verpflichtung zur
Einrichtung eines Risikomanagementsys-
tems nachgekommen ist. Gleichzeitig ist
das Handbuch Grundlage für die Prüfung
des Risikomanagementsystems durch
Gesellschafter, Abschlussprüfer und in-
terne Revision. Das Handbuch ist regel-
mäßig zu aktualisieren und hat sich fol-
genden Inhalten zu widmen:
! Verzeichnis der identifizierten Risiken
! Ansprüche aufgrund von Gesetzen
und Verordnungen
! Darlegung der risikopolitischen
Grundsätze des Unternehmens und
der Risikostrategie
! Beschreibung von Aufbau und Ab-
lauforganisation des Risikomanage-
mentsystems, in der Kompetenzen
und Zuständigkeiten für das Risiko-
management dargestellt werden
! Verfahrens- und Arbeitsanweisungen
für einzelne Teilaufgaben des Risi-
komanagements, insbesondere Be-
stimmung der Methoden, Verfahren,
Maßnahmen, Instrumente und Inter-
valle, die im Zug der Risikoanalyse, -
bewältigung und -kontrolle einge-
setzt und beachtet werden müssen.
Darüber hinaus sind die Erkenntnisse,
die während der Risikoanalyse (insbe-
sondere während der Risikoidentifikation
und -bewertung) sowie der Krisennach-
bereitung gewonnen werden, in das Risi-
komanagementhandbuch aufzunehmen.
Zweck des Handbuches ist es, den Ent-
scheidungsträgern ständig einen komp-
rimierten Überblick über die Risikositua-
tion der einzelnen Bereiche und des ge-
samten Unternehmens zu verschaffen.
Neben der quantitativen Bewertung kann
auch eine qualitative Beurteilung vorge-
nommen werden.
Die in diesem Artikel dargestellten Über-
legungen rund um das Thema Risikoma-
nagement sind geeignet, als Grundlage
für jede Form der betrieblichen Wert-
schöpfung erfolgversprechende Impulse
zu liefern.
Kontakt:
Kai Gammelin
Korfiz-Holm-Straße 10
81245 München
Tel.: ++49 89 81099410
Fax: ++49 89 81099412
email: [email protected]
57 | www.risknews.de 01.2003 Risikomanagement Logistik
Risikomanagement in der Logistik (Teil 1)
Alter Wein in neuen Schläuchen?
Ein Beitrag von Michael Huth
Einleitung
In jüngerer Zeit wurde – vor Allem in der
praxisorientierten Literatur – der Begriff
„Risikomanagement in der Logistik“ ge-
prägt.1 Weder Risikomanagement noch
Logistik sind allerdings betriebliche Funk-
tionen, die völlig neuartig sind, auch
wenn sie einer stetigen Anpassung in
Bezug auf ihre Inhalte unterliegen. Es
stellt sich daher die Frage, ob Risikoma-
nagement in der Logistik als eigenstän-
diger Ansatz angesehen werden kann
oder ob hiermit nur alter Wein in neue
Schläuche gegossen wird. Der vorliegen-
de Beitrag versucht, diese Frage zu be-
antworten.
Dazu werden zunächst logistische Sys-
teme charakterisiert, wobei der Schwer-
punkt auf der Analyse der Komplexität
liegt. Anschließend erfolgt eine Betrach-
tung einiger Risiken, die üblicherweise in
Logistiksystemen vorkommen. Auf Basis
dieser Erkenntnisse wird abschließend
1 Vgl. z.B. Marquard, J. (2002).
diskutiert, welche Anforderungen an ein
konsequentes Management von Risiken
in Logistiksystemen gestellt werden.
Komplexität von
Logistiksystemen
Der Begriff des
Logistiksystems
Die inhaltliche Abgrenzung des Begriffs
der Logistik unterlag und unterliegt wei-
terhin einem stetigen Wandel. So wurde
Logistik zunächst als Funktionenlehre
verstanden, deren Schwerpunkt in der
(lokalen) Optimierung von isoliert be-
trachteten physischen Prozessen (Trans-
port, Umschlag, Lagerung) lag.2 Inzwi-
schen hat sich die Bedeutung der Logis-
tik erheblich gewandelt. So wird unter
Logistik heute i.d.R. die unternehmens-
übergreifende Planung, Steuerung und
Kontrolle von Material- und Informati-
2 Vgl. zur Entwicklung des Logistikbegriffs bspw. Ihde, G. B. (2001), S. 20.
58 | www.risknews.de 01.2003 Risikomanagement Logistik
onsflüssen verstanden.3 Dies bedeutet
zum einen die Erweiterung des Aufga-
benspektrums von der reinen Materialbe-
förderung hin zu umfassenden Manage-
mentaufgaben. Zum anderen impliziert
die weite Auslegung des Logistikbegriffs
die Integration von Zulieferbetrieben und
Kunden in die Planungs-, Steuerungs-
und Kontrolltätigkeiten.4 Die Integration
muss dabei nicht auf die jeweils direkten
Zulieferer und Abnehmer beschränkt
sein. Vielmehr können auch Akteure auf
den weiter vor- und nachgelagerten Stu-
fen in die Managementaktivitäten einge-
bunden sein. Wenn Lieferanten und
Kunden im Rahmen der logistischen Pla-
nung, Steuerung und Kontrolle integriert
sind, wird – häufig synonym – von Logis-
tiksystemen, logistischen Ketten oder
Supply Chains (oder auch Versorgungs-
ketten) gesprochen.5 Hinter allen Begrif-
fen verbirgt sich jedoch i.d.R. eine
3 Vgl. z.B. Schulte, C. (1999), S. 1. 4 Vgl. bspw. Ihde, G. B. (2001), S. 17.
Struktur aus Lieferanten, Produktionsun-
ternehmen und Kunden sowie den ent-
sprechenden Material- und Informations-
flussbeziehungen zwischen ihnen.6 Es
handelt sich somit um ein System, wes-
halb im Folgenden durchgängig der Beg-
riff des Logistiksystems verwendet wird.7
Die Begriffe der Logistikkette und der
Supply Chain zielen stärker auf die Ver-
netzung der Unternehmen über mehrere
Wertschöpfungsstufen hinweg. Ein mög-
liches Differenzierungsmerkmal zwischen
einer Logistikkette und einer Supply
Chain ist die Berücksichtigung von Zulie-
ferbetrieben und Kunden bei der Formu-
lierung der Zielsetzungen: So entschei-
den im Rahmen einer „klassischen“ Lo-
gistikkette die Unternehmen nach ein-
zelwirtschaftlichen Kriterien (und gene-
rieren somit lokale Optima), wohingegen
5 Vgl. bspw. Pfohl, H.-C. (2000), S. 327; Vahren-kamp, R. (1998a), S. 102.
6 Vgl. Pfohl, H.-C. (2000), S. 184 und S. 327-328.
7 Vgl. zur ausführlichen Darstellung von Logistik-systemen Isermann, H. (1998), S. 46-50.
Abbildung 1: Elemente und Beziehungen eines Logistiksystems (Quelle: eige-ne Darstellung)
Lieferant
Lieferant
Kunde
Kunde
LDL LDL
Lieferant OEM
Kunde
Kunde
59 | www.risknews.de 01.2003 Risikomanagement Logistik
bei einer Supply Chain ein unterneh-
mensübergreifendes (und damit globa-
les) Optimum erreicht werden soll.8
Abbildung 1 stellt die Struktur eines der-
artigen Logistiksystems aus der Sicht
eines Produktionsunternehmens (kurz:
OEM – Original Equipment Manufacturer)
dar. Elemente des abgebildeten Logistik-
systems sind die an der Wertschöpfung
beteiligten Unternehmen, bei denen es
sich um den OEM, die Zulieferbetriebe
und Logistikdienstleister (LDL) handeln
kann, sowie die Kunden. (Letztere kön-
nen sowohl Unternehmen als auch priva-
te Haushalte sein.) Zwischen den Ele-
menten bestehen unterschiedliche, i.d.R.
bidirektionale Beziehungen. Bei diesen
Beziehungen handelt es sich insbesonde-
re um die zwischen den Akteuren flie-
ßenden Materialien und Informationen –
8 Vgl. dazu die Ausführungen bei Corsten, H./Gössinger, R. (2001), S. 83.
sie sollen im Folgenden näher charakte-
risiert werden.
Beziehungen in
logistischen Systemen
Die Komplexität eines logistischen Sys-
tems hängt zum einen von der Menge
der Systemelemente, also von der An-
zahl der beteiligten Unternehmen ab. Sie
wird jedoch auch durch Art und Anzahl
der Beziehungen zwischen den Akteuren
beeinflusst. Und sie hängt drittens von
der Dynamik des Systems (und damit
den unterschiedlichen Systemzuständen)
ab.9 Abbildung 1 zeigt die Struktur eines
Logistiksystems, wobei die Beziehungen
zwischen den Unternehmen nicht näher
untersucht werden. Diese Konkretisie-
9 Vgl. zur Komplexität von Systemen ausführlich Kaupp, M. (1996), S. 12-13.
Abbildung 2: Komplexität von Logistiksystemen durch Material- und Informa-tionsbeziehungen (Quelle: eigene Darstellung)
Lieferant OEMLDLBauteile
Verpackung,Retouren
Module
Verpackung,Retouren
Lieferterminbestätigung,Lieferstatus
Lieferterminbestätigung,Lieferstatus
Grobplanung,Feinabruf
Feinabruf
Grobplanung
Materialfluss
Informationsfluss
60 | www.risknews.de 01.2003 Risikomanagement Logistik
rung wird in Abbildung 2 vorgenommen.
Dabei werden drei Aspekte verdeutlicht:
• Zum einen können Informationsbe-
ziehungen auch zwischen Unterneh-
men des Logistiksystems bestehen,
zwischen denen keine direkten Mate-
rialflüsse existieren. Bspw. wird ein
OEM seinen Lieferanten (im Rahmen
der Grobplanung) Planungsdaten zu
Art und Menge der in einem spezifi-
zierten Zeitraum benötigten Bauteile
auch dann senden, wenn zwischen
beide Akteure ein Logistik-
dienstleister geschaltet ist, der ne-
ben dem Transport auch Lager-,
Kommissionier- und zusätzliche
Montagetätigkeiten übernimmt.10
• Zum anderen fließen Informationen
zwischen zwei Unternehmen nicht
nur in eine Richtung, sondern bidi-
rektional. Hierbei handelt es sich
bspw. um Planungsdaten (Primärbe-
darf, spezifische Kundenaufträge)
oder um Feinabrufe im Rahmen der
operativen Produktionsplanung, die
vom nachgelagerten an das vorgela-
gerte Unternehmen gesendet wer-
den. Als Information vom vor- zum
nachgelagerten Unternehmen kön-
nen z.B. Bestätigungen von Liefer-
mengen und -terminen, Lieferschei-
ne oder Rechnungen gesendet wer-
den. Die zwischen den Unternehmen
fließenden Informationen werden in
Bezug auf die Materialflüsse als vor-
auseilend, begleitend und nachlau-
fend charakterisiert.11
• Zum Dritten existieren Materialflüsse
nicht allein in Richtung des Kunden.
10 Vgl. z.B. die vielfältigen Informationsflüsse zwischen OEM, LDL und Lieferanten am Beispiel der Adam Opel AG in o.V. (2001).
Vielmehr werden bspw. auch leere
Transportbehälter oder Retouren zu-
rück zum jeweiligen Lieferanten be-
fördert.12
Zusammenfassend lässt sich festhalten:
Ein Logistiksystem ist auf Grund der
Vielzahl der beteiligten Unternehmen
sowie den zwischen ihnen bestehenden
Beziehungen ein komplexes Gebilde. Die
Komplexität wird durch die in beide Rich-
tungen verlaufenden Materialflüsse und
die Vielzahl bidirektionaler sowie voraus-
eilender, begleitender und nachlaufender
Informationen erheblich gesteigert.
Planung und Steuerung
von Logistiksystemen
Die Komplexität eines Logistiksystems
gestattet noch keine Aussagen zur Anfäl-
ligkeit gegenüber Ausfällen einzelner
Elemente oder Beziehungen. Bspw. kann
der (temporäre) Ausfall eines Zulieferun-
ternehmens dann ohne negative Auswir-
kungen bleiben, wenn im Rahmen der
strategischen Beschaffungsplanung für
das entsprechende Bauteil ein Dual oder
Multiple Sourcing eingerichtet wurde,
also die Beschaffung des Bauteils von
zwei bzw. mehreren unterschiedlichen
Zulieferern erfolgt.13 Andererseits erhöht
sich die Schwierigkeit bei der Planung
und Steuerung eines Logistiksystems
durch die Komplexität des Systems er-
heblich. So resultiert bspw. aus einer
verzögerten und/oder nicht vollständigen
Weitergabe aller relevanten Planungsda-
ten an die vorgelagerten Lieferanten der
sogenannte Peitschenschlageffekt
11 Vgl. Pfohl, H.-C. (2000), S. 8 sowie S. 81. 12 Vgl. Pfohl, H.-C. (2000), S. 19. 13 Vgl. Inderfurth, K. (1998), S. 204-205.
61 | www.risknews.de 01.2003 Risikomanagement Logistik
(bullwhip effect),14 durch den selbst ge-
ringe Schwankungen der Kundenbedarfe
zu erheblichen Streuungen der Bedarfe
auf vorgelagerten Ebenen (beim OEM
sowie auf den einzelnen Lieferantenstu-
fen) führen.15
Eine Vielzahl weiterer Entwicklungen hat
einen erheblichen Einfluss auf die Plan-
und Steuerbarkeit von logistischen Sys-
temen. In diesem Zusammenhang sind
insbesondere die folgenden als Rahmen-
bedingungen anzusehenden Entwicklun-
gen und Trends zu nennen:16
• Reduzierung der Fertigungstiefe und
dementsprechend höhere Stufigkeit
der Zulieferkette,
• steigende Kundenanforderungen
(z.B. kürzere Reaktions- und Liefer-
zeiten, geringere Bestellmengen bei
höherer Bestellhäufigkeit),
• Globalisierung der Zuliefer- und Pro-
duktionsnetzwerke,
• Verkürzung der Produktlebenszyk-
len,
• Steigerung der Produktkomplexität,
• Erhöhung der Variantenzahl auf
Grund von Kundenanforderungen
(Stichwort: Mass Customization) so-
wie
• vermehrter Einsatz von Informati-
onstechnologien.
14 Vgl. Chase, R. B./Aquilano, N. J./Jacobs, F. R. (1998), S. 335.
15 Vgl. Corsten, H./Gössinger, R. (2001), S. 86. 16 Vgl. Baumgarten, H./Thoms, J. (2002), S. 21;
Vahrenkamp, R. (1998a), S. 1-3.
Risiken in
Logistiksystemen
Strukturbezogene
Logistikrisiken
Die Komplexität logistischer Systeme,
verbunden mit den aufgeführten Ent-
wicklungen, führt zu einer erschwerten
Planung und Steuerung der Material- und
Informationsflüsse. Die Gefahr von fal-
schen Liefermengen, geringer Lieferter-
mintreue, niedriger Liefer- und/oder Pro-
duktqualität oder gar einer Lieferunter-
brechung steigt hierdurch an. Bevor
Maßnahmen entwickelt werden können,
die derartigen Gefahren vorbeugen, ist
es notwendig, die Risiken in Logistiksys-
temen und deren Ursachen zu identifizie-
ren und zu bewerten.
Ursachen für die Risiken, die im Rahmen
von Logistiksystemen existieren, resul-
tieren zum einen aus der Struktur von
Logistiksystemen:
• So steigt bspw. die Wahrscheinlich-
keit, ungenaue oder falsche Be-
darfsmengen zu ermitteln und wei-
terzuleiten, durch die sinkende Ferti-
gungstiefe und die hohe Anzahl der
in Planung und Produktion involvier-
ten Unternehmen an.17
• Global Sourcing (die Nutzung welt-
weiter Beschaffungsmärkte) kann zu
längeren Wiederbeschaffungszeiten
und damit zu einer höheren Wahr-
17 Vgl. hierzu die Erläuterungen zum bullwhip effect oben im Text.
62 | www.risknews.de 01.2003 Risikomanagement Logistik
scheinlichkeit einer Fehlmenge füh-
ren.18
• Die drohende Insolvenz eines Liefe-
ranten erhöht die Gefahr von Fehl-
mengen erheblich, wenn die Beschaf-
fung einzelner Materialien, Kompo-
nenten oder Teilsysteme einzig bei
diesem Lieferanten erfolgt (im so ge-
nannten Single Sourcing).19
Umweltbezogene
Logistikrisiken
Logistikrisiken entstehen zum anderen
aus den oben genannten Entwicklungen
der Umwelt (insbesondere auf der Kun-
denseite) und den sich daraus ergeben-
den Anforderungen an Logistiksysteme:
• Kürzere Reaktions- und Lieferzeiten,
die sich als Ausdruck steigender
Kundenanforderungen ergeben, re-
duzieren die zeitlichen Puffer im
Rahmen der Auftragsbearbeitung er-
heblich. Produktionsunterbrechungen
oder Verzögerungen bei der Waren-
auslieferung wirken sich daher un-
mittelbar negativ auf die Lieferbereit-
schaft und Lieferzuverlässigkeit
aus.20
• Geringere Bestellmengen bei gleich-
zeitig höherer Bestellhäufigkeit der
Kunden führt zu höheren Anforde-
rungen an die Auftragsbearbeitung,
Kommissionierung und Distribution
der Produkte. Wenn diese logisti-
18 Vgl. hierzu bspw. Vahrenkamp, R. (1998b), S. 253; Inderfurth, K. (1998), S. 206.
19 Vgl. zu den mit dem Konzept des Single Sour-cing verbundenen Risiken Inderfurth, K. (1998), S. 204.
schen Funktionen nicht an die Kun-
denanforderungen angepasst wer-
den, steigt die Wahrscheinlichkeit
von Fehlern bei der Kommissionie-
rung und Auslieferung der bestellten
Waren.
• Die Verkürzung der Produktlebens-
zyklen bei gleichzeitiger Steigerung
der Produktkomplexität bedeutet,
dass erheblich mehr Bauteile und
Module (in unterschiedlichen Ent-
wicklungsstufen) benötigt und ge-
handhabt werden. Wenn keine stren-
ge, sowohl physische als auch buch-
halterische Separierung der Bauteile
und Module gewährleistet werden
kann, sind Fehler nahezu vorpro-
grammiert. Diese können umso we-
niger nachvollzogen werden, wenn
keine Identifizierung der Bauteile und
Module nach Entwicklungsstufen vor-
genommen werden kann.
• Der vermehrte Einsatz moderner In-
formationstechnologien kann dazu
verleiten, sowohl die ständige Ver-
fügbarkeit als auch die hohe Qualität
von Daten zur Planung und Steue-
rung vorauszusetzen. Der Ausfall von
Informations- und Kommunikations-
systemen (IuK-Systemen) kann zu
erheblichen negativen Folgen bei der
Lieferfähigkeit (und damit der Erfül-
lung der Kundenwünsche) führen,
insbesondere wenn keine Notfallpläne
oder kurzfristig verfügbaren Ersatz-
systeme existieren. Auch die Akzep-
tanz von Daten, die durch IuK-
Systeme generiert bzw. übermittelt
wurden, birgt Logistikrisiken, wenn
keine ausreichende Prüfung der Kon-
sistenz oder Identifizierung von mög-
20 Vgl. zu diesem Thema Vahrenkamp, R. (1998a), S. 25-26.
63 | www.risknews.de 01.2003 Risikomanagement Logistik
lichen „schleichenden“ (geringen, a-
ber stetig steigenden) Abweichungen
gewährleistet ist.
Allein diese Auflistung von beispielhaften
Risikoquellen macht deutlich, dass in
Logistiksystemen eine Vielzahl von Risi-
ken bestehen kann, die sich aus der Sys-
temstruktur und den Umweltentwicklun-
gen ergeben. Es stellt sich unmittelbar
die Frage, wie sich derartige Risiken i-
dentifizieren lassen. Ein Blick in die Fach-
literatur lässt keine abschließende Be-
antwortung der Frage zu: Logistikrisiken
werden nur vereinzelt, sporadisch und
selten explizit angesprochen (bspw. bei
der Darstellung von Vor- und Nachteilen
des Single Sourcing, des Global Sourcing
oder des Just in Time-Konzepts). Eine
strukturierte Vorgehensweise zur Identi-
fizierung der möglichen Logistikrisiken
jedoch existiert nicht. Dies macht es
unmöglich, die Risikoquellen von Logis-
tiksystemen (und damit die Schwachstel-
len der Systeme) und die möglichen ne-
gativen Auswirkungen analytisch und
umfassend aufzuspüren, um anschlie-
ßend gezielt Maßnahmen zur Risikover-
meidung oder -verminderung (und damit
zur logistischen Leistungsverbesserung)
zu entwickeln und umzusetzen. Mit an-
deren Worten: Es fehlt ein strukturierter
und konsistenter methodischer Ansatz
zur Identifizierung und Bewertung von
Logistikrisiken sowie zur Entwicklung
und Umsetzung von Maßnahmen, die zur
Vermeidung oder Verminderung der i-
dentifizierten logistischen Risiken beitra-
gen.
Risikomanagement als
elementarer Baustein
des Logistik-
managements
Der Begriff des
Risikomanagements
Einen derartig ganzheitlichen Ansatz bie-
tet das Risikomanagement.21 Risikoma-
nagement kann als Führungsaufgabe
definiert werden, deren Zweck es ist,
Risiken zu reduzieren, um Abweichungen
von den angestrebten Zielwerten eines
Systems zu vermindern oder zu vermei-
den, und die somit dazu beiträgt, die
Sicherung bzw. den Erhalt des Systems
zu gewährleisten.22
Risikomanagement lässt sich durch fünf
wesentliche Bausteine charakterisieren
(vgl. hierzu Abbildung 3):23
• Entwicklung einer Risikomanage-
ment-Strategie,
• Durchführung einer Risikoanalyse,
d.h. Identifizierung und Bewertung
von Risiken,
• Erzeugung und Bewertung von Hand-
lungsalternativen24 zur Behandlung
der identifizierten Risiken sowie Aus-
21 Vgl. hierzu Cleemann, L./Kreutzer, R. (1998), S. 63 und S. 66-67.
22 Vgl. zu Definitionen bspw. Haller, M. (1986), S. 21; Wolf, K./Runzheimer, B. (2000), S. 25.
23 Vgl. zu den Phasen des Risikomanagements bspw. Petts, J. (1998), S. 237; ähnlich auch Romeike, F. (2001), S. 13-15.
24 Unter einer Handlungsalternative wird im Fol-genden ein Bündel von Maßnahmen subsumiert. Ebenso kann darunter die Unterlassungsalterna-tive („keine Änderung des status quo“) verstan-den werden.
64 | www.risknews.de 01.2003 Risikomanagement Logistik
wahl einer umzusetzenden Hand-
lungsalternative,
• Realisierung der ausgewählten Hand-
lungsalternative und
• Kontrolle der Umsetzung sowie der
Wirksamkeit der ausgewählten Hand-
lungsalternative.
Auf Grund dieser ersten, wenn auch kur-
zen Charakterisierung wird deutlich, dass
Risikomanagement die derzeitigen Lü-
cken füllen kann, die sich bei der Identi-
fizierung und Behandlung von Logistikri-
siken gezeigt haben. Im Folgenden soll
dargestellt werden, welche Schwerpunk-
te im Rahmen des Risikomanagement in
der Logistik gesetzt werden müssen, um
Logistikrisiken strukturiert analysieren
und gezielt behandeln zu können.
Grundelemente des
Risikomanagements
in der Logistik
Das Konzept des Risikomanagements
stellt einen strukturierten und metho-
disch fundierten Ansatz dar, Risiken sys-
tematisch zu identifizieren, zu bewerten
und Maßnahmen zur Risikoreduktion zu
treffen und umzusetzen. Somit ist auch
die Integration des Risikomanagements
als ein wesentlicher Baustein des Logis-
tikmanagements begründet. Da bisher
im Rahmen des Logistikmanagements
Abbildung 3: Der Risikomanagement-Prozess (Quelle: eigene Darstellung)
RisikoanalyseK
ontr
olle
der
Um
setz
ung
und
der
Wirk
sam
keit
Realisierung einerHandlungsalternative
Erzeugung undB
ewertung von
Handlungsalternativen,
Ausw
ahlentscheidung
Risikomanagement-Strategie
Input
Output
65 | www.risknews.de 01.2003 Risikomanagement Logistik
kein systematischer Ansatz zur Analyse
und Behandlung von Logistikrisiken exis-
tierte, ist es sinnvoll, hierzu die Modelle
und Methoden des Risikomanagements
einzusetzen.
Grundlage für die Durchführung von Ri-
sikoanalysen und für die Generierung,
Bewertung, Auswahl, Umsetzung und
Kontrolle von Handlungsalternativen zur
Reduzierung logistischer Risiken sind
Entscheidungen, die die Risikomanage-
ment-Strategie betreffen. Dabei geht es
vor allem um die Formulierung einer „Ri-
sikopolitik“ und entsprechender risikopo-
litischer Ziele.25
Im Rahmen der Logistik-
Risikomanagementstrategie muss sich
die Risikopolitik an den „Auslösern“ der
Materialflüsse orientieren: Moderne Lo-
gistiksysteme sind nach dem Pull-Prinzip
ausgerichtet. Sie berücksichtigen, dass
Materialflüsse durch Kunden ausgelöst
werden. Dies bedeutet eine konsequente
Orientierung an und Erfüllung der Kun-
denbedürfnisse. Die Nicht-Erfüllung die-
ser Wünsche, sei es durch Fehlmengen
oder Lieferunterbrechungen, führt direkt
oder indirekt zu erhöhten Kosten. Hier-
aus leitet sich für das Logistik-
Risikomanagement das primäre Ziel ab,
Maßnahmen zu planen und umzusetzen,
die zur Vermeidung bzw. Verminderung
der genannten Risiken und dadurch zur
bedürfnisgerechten Belieferung der Kun-
den dienen.
Auf der Basis der durch die Logistik-
Risikomanagementstrategie definierten
Rahmenbedingungen wird zunächst eine
Risikoanalyse durchgeführt. Das Logis-
tiksystem ist dabei strukturiert nach Ri-
siken zu analysieren, durch die die im
Rahmen der Strategie gesetzten Ziele
gefährdet werden können.26 Die hohe
Komplexität von Logistiksystemen stellt
dabei erhebliche Anforderungen an die
Risikoanalyse. Eine Hilfestellung wird
durch den Prozesscharakter von Logis-
tiksystemen geleistet: Da Logistiksyste-
me durch logistische Prozesse und Pro-
zessketten gekennzeichnet sind, ist es
sinnvoll, die Risikoanalyse prozessbezo-
gen durchzuführen.27 Dementsprechend
sind sämtliche Prozesse, die im Logistik-
system durchgeführt werden, sowie ins-
besondere auch die Schnittstellen zwi-
schen Prozessen auf Risiken hin zu un-
tersuchen. Grundlage für die strukturier-
te Risikoanalyse ist somit eine geeignete
grafische und textuelle Prozessdokumen-
tation.28 Bei der grafischen Darstellung
bieten sich z.B. Netzpläne oder ereignis-
gesteuerte Prozessketten an. Im Rah-
men der Risikoanalyse erfolgt neben der
Identifizierung eine Bewertung der Logis-
tikrisiken.29 Dabei wird versucht, für ein
spezifisches Logistikrisiko die potenziel-
len Schäden (z.B. Fehlerfolgekosten) und
die entsprechenden Eintrittswahrschein-
lichkeiten abzuschätzen. (Eine ausführli-
che Darstellung des Ablaufs der Risiko-
analyse im Rahmen des Logistik-
Risikomanagements sowie der für die
Durchführung geeigneten Methoden er-
folgt in einem separaten Beitrag.)
Nach der Identifizierung und Bewertung
der Logistikrisiken erfolgt die Generie-
rung, Bewertung und Auswahl von Hand-
lungsalternativen, die zur Reduktion der
25 Vgl. bspw. Romeike, F. (2001), S. 13. 26 Vgl. Freidank, C.-C. (2000), S. 358-359. 27 Vgl. Cleemann, L./Kreutzer, R. (1998), S. 71;
auch Freidank, C.-C. (2000), S. 353. 28 Dabei kann bspw. auf eine im Rahmen des
Qualitätsmanagement-Systems existierende Prozessdokumentation zurückgegriffen werden.
29 Vgl. Freidank, C.-C. (2000), S. 359-360.
66 | www.risknews.de 01.2003 Risikomanagement Logistik
logistischen Risiken dienen.30 Die Hand-
lungsalternativen lassen sich unterteilen
in Maßnahmen zur
• vollständigen Risikovermeidung,
• Risikoverminderung (Reduktion der
Eintrittswahrscheinlichkeit und/oder
Verminderung der potenziellen Schä-
den),
• Risikoüberwälzung auf Dritte (bspw.
durch den Abschluss einer Versiche-
rung oder durch Integration eines
Logistikdienstleisters) sowie zum
• Risikoselbstbehalt.31
Diese Phase des Risikomanagements ist
ein eigenständiges, nicht-triviales Ent-
scheidungsproblem, das – wie auch die
Risikoanalyse – in einem separaten Bei-
trag ausführlich erläutert wird.
Nach der Entscheidung darüber, welche
Handlungsalternative realisiert werden
soll, erfolgt die Umsetzung der Maßnah-
me. Während der Umsetzung ist zu kon-
trollieren, ob die Umsetzung gemäß der
Vorgaben erfolgt. Weiterhin ist nach der
Realisierung zu überprüfen, ob die Maß-
nahmen zu den vorher abgeschätzten
Wirkungen (und damit der Risikoredukti-
on) geführt haben. Die gewonnenen In-
formationen werden zum einen genutzt,
um die Logistik-Risikomanagement-
Strategie anzupassen. Sie dienen zum
anderen als Informationsgrundlage bei
einem erneuten Durchlaufen der Phasen
des Risikomanagements.32
30 Teilweise wird auch von risikopolitischen Maß-nahmen gesprochen.
31 Vgl. hierzu Sauerwein, E./Thurner, M. (1998), S. 37-38.
32 Vgl. zur Überwachung des Risikomanagements PwC Deutsche Revision AG/Deutscher Industrie- und Handelstag (2000), S. 14.
Fazit
Zusammenfassend lassen sich die fol-
genden Erkenntnisse festhalten:
• Logistiksysteme zeichnen sich durch
eine hohe Komplexität aus. Die hohe
Komplexität ist eine Ursache für die
Existenz von Logistikrisiken.
• Neben der Komplexität entstehen
logistische Risiken durch die Entwick-
lungen der Umwelt und die dadurch
induzierten Anforderungen an
Logistiksysteme.
• Bislang existiert kein strukturierter
und fundierter Ansatz, um Logistikri-
siken zu identifizieren, zu bewerten
sowie durch geeignete Maßnahmen
zu reduzieren.
• Risikomanagement stellt einen etab-
lierten und methodenbasierten An-
satz zur Analyse und Behandlung von
Risiken dar.
Sinnvoll ist daher die Integration des
Risikomanagements als elementaren
Baustein des Logistikmanagements.
Hierdurch können die derzeitigen metho-
dischen Lücken im Rahmen des Mana-
gements logistischer Systeme geschlos-
sen werden. Somit ist – wenn auch Risi-
komanagement per se keine Novität dar-
stellt – Risikomanagement in der Logistik
für den Logistikmanager ein durchaus
neuer und wertvoller Ansatz zur Beherr-
schung von Logistiksystemen.
67 | www.risknews.de 01.2003 Risikomanagement Logistik
Kontakt:
Michael Huth
Hulocon Huth Logistics Consulting e.Kfm.
Im Uhrig 7
60433 Frankfurt am Main
Tel.: ++49.69.53086939
email: [email protected]
Internet: www.hulocon.de
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69 | www.risknews.de 01.2003 Rating und Basel II
Basel II – Ist der bayerische Mittelstand „fit“ für
Ratings?
Ergebnisse einer Umfrage unter mittelständischen Unter-
nehmen aus Bayern
Ein Beitrag von Jan Offerhaus
Wie wirken sich Basel II und Ratings auf
mittelständische Unternehmen aus? Wel-
chen Kenntnisstand bezüglich der neuen
Regelungen und deren Konsequenzen
haben die Firmen? Wie bereiten sich Un-
ternehmen auf Ratings vor? Fühlt sich
der Mittelstand „fit“ für Ratings?
Um gesicherte Antworten auf diese Fra-
gestellungen zu erhalten, hat Haarmann
Hemmelrath Management Consultants
GmbH in Zusammenarbeit mit der Fach-
hochschule Merseburg eine Umfrage
durchgeführt. Dabei wurde der Schwer-
punkt bewusst auf den Mittelstand und
auf Bayern gelegt: Auf den Mittelstand,
weil dieser einerseits die tragende Säule
der deutschen Wirtschaft ist, und ande-
rerseits aller Vorhersagen und auch un-
serer eigenen Einschätzung zufolge am
stärksten von Basel II und den struktu-
rellen Veränderungen im Finanzsektor
betroffen sein wird. Auf Bayern, weil die-
ses Bundesland zu den wirtschaftlich
stärksten Regionen Deutschlands zählt.
Wenn hier die Auswirkungen von Basel II
gravierend sind, dann werden sie es
nach unserer Auffassung für den Rest
Deutschlands ebenso sein.
Die Ergebnisse dieser Umfrage bestäti-
gen zum Teil andere Studien ähnlichen
Inhaltes, zum Teil zeigen Sie aber auch
neue Aspekte auf. Im folgenden werden
nach einer kurzen Darstellung des De-
signs der Studie ausgewählte Ergebnisse
der Umfrage vorgestellt und kommen-
tiert.
Das Design der Studie
Grundlage für die Studie war ein Frage-
bogen mit 12 Fragen zum Thema Rating
und Basel II, ergänzt um Fragen zur
Branchen- und Größenklasseneinteilung
der befragten Unternehmen. Die inhaltli-
chen Fragen bezogen sich auf 8 ver-
schiedene Themenblöcke:
• Einschätzung der momentanen
Kreditfinanzierungsmöglichkeiten
70 | www.risknews.de 01.2003 Rating und Basel II
• Informationsstand zu Basel II
und Rating
• Eigene Erfahrungen mit Rating-
verfahren
• Vergleichende Bewertung von ex-
ternen und bankinternen Ratings
• Informationsstand über Ratinga-
genturen
• Einschätzung der Ratingkriterien
• Erwartete Auswirkungen von Ra-
tingverfahren
• Einschätzung des eigenen Vorbe-
reitungsstandes auf Ratingverfah-
ren
Da die Fragen von unterschiedlicher
Komplexität und Art sind, wurde darauf
verzichtet, ein einheitliches Antwort-
schema zu verwenden. Bei einigen Fra-
gen gab es 3- oder 4-stufige Antwort-
möglichkeiten, bei anderen Fragen konn-
te aus einer Liste von Antwortmöglich-
keiten (zum Teil auch mit Mehrfachnen-
nung) ausgewählt werden.
Die schriftliche Umfrage wurde von April
bis Juni 2002 durchgeführt. Zielgruppe
waren bayerische mittelständische Un-
ternehmen aus allen Branchen. Insge-
samt 150 Firmen haben sich beteiligt.
Die Auswertung erfolgte im Zeitraum Juli
bis Oktober 2002.
Zur Auswertung wurden die Unterneh-
men in drei Größenklassen eingeteilt,
wobei sowohl Umsatz als auch Mitarbei-
terzahl als Kriterium berücksichtigt wur-
den. Bei einigen Fragestellungen zeigten
sich signifikante Unterschiede zwischen
den einzelnen Größenklassen. Diese
wurden in der Studie entsprechend be-
wertet.
Die empirische Erhebung und die Aus-
wertung der Antworten erfolgten in Zu-
sammenarbeit mit der Fachhochschule
Merseburg.
Einschätzung der Fi-
nanzierungsmöglich-
keiten
Aus der veröffentlichten Meinung in der
Presse konnte man in den letzten Jahren
stets entnehmen, dass sich die Banken -
insbesondere die Großbanken - aus dem
Firmenkreditgeschäft mehr und mehr
zurückziehen, da für die Kreditinstitute
dieses Geschäft unrentabel geworden ist.
Untersuchungen der Deutschen Bundes-
bank1 zeigen, dass in der Tat die Kredit-
vergabe zurückgegangen ist. Wie schät-
zen die Unternehmen aber selbst das
Kreditangebot ein?
Graphik 1: Einschätzung der Fremd-
finanzierungsmöglichkeiten
1 Deutsche Bundesbank: „Zur Entwicklung der Bankkredite an den privaten Sektor“, in: Monatsbe-richt Oktober 2002.
71 | www.risknews.de 01.2003 Rating und Basel II
Für 59% der befragten Unternehmen
haben sich die Möglichkeiten der Kredit-
finanzierung innerhalb des letzten Jahres
verschlechtert, für 37% blieben sie kon-
stant. Dass die Kreditversorgung vom
Mittelstand zur Zeit als kritisch einge-
schätzt wird, zeigt sich daran, dass sich
die Möglichkeiten der Fremdkapitalbe-
schaffung nur für 1% der Unternehmen
verbessert haben.
Eine kürzlich veröffentlichte Studie des
Deutschen Industrie- und Handelskam-
mertages2 kommt zu ähnlichen, aller-
dings nicht ganz so deutlichen Ergebnis-
sen wie die Umfrage von Haarmann
Hemmelrath Management Consultants
GmbH. Für die Gesamtheit der Unter-
nehmen fällt bei der DIHK-Studie das
Resultat der Frage nach einer Verände-
rung der Kreditkonditionen nicht ganz so
negativ aus. Allerdings verschlechtert
sich das Bild eindeutig, wenn in der
DIHK-Studie nur die kleineren und mit-
telständischen Unternehmen betrachtet
werden, so dass die „Mittelstandsfinan-
zierung in schwierigem Umfeld“ gesehen
wird.
Ein Rückgang der Kreditvergabe in der
derzeitigen konjunkturellen Situation
resultiert jedoch nicht nur aus einer Ver-
knappung des Kreditangebots durch die
Banken, sondern vor allem auch aus ei-
ner geringeren Investitionsneigung der
Unternehmen selbst. Die in dieser Studie gewählte Fragestellung zielt jedoch be-
wusst auf die Entwicklung der Fremdfi-
nanzierungsmöglichkeiten aus Sicht der
Unternehmen selbst ab und berücksich-
2 Deutscher Industrie- und Handelskammertag: „Mittelstandsfinanzierung in schwierigem Umfeld –
tigt damit in der Form der Frage das
Verhältnis von Angebot und Nachfrage.
Fazit: Aus Sicht der Unternehmen hat
sich das Kreditangebot im letzten Jahr
stärker verringert als ihre eigene Kredit-
nachfrage. Hierin scheinen sich die
strukturellen Veränderungen auf dem
Kreditmarkt widerzuspiegeln, zu denen
auch Basel II und das Rating von Unter-
nehmen gehören.
Informationsstand zu
Basel II und Ratings
Die Unternehmen müssten sich in Kon-
sequenz der eigenen Einschätzung des
Kreditmarktes mit dem wesentlichen
Faktor der strukturellen Veränderung,
nämlich Basel II, intensiv auseinander-
setzen. Haben die bayerischen Unter-
nehmen dies bereits getan? Erstaunli-
cherweise haben sich 5% der befragten
Unternehmen mit den neuen Regelungen
überhaupt noch nicht, 54% erst in gro-
ben Zügen damit auseinandergesetzt.
Immerhin 41% fühlen sich nach eigenem
Bekunden detailliert informiert über Ba-
sel II und die resultierenden Konsequen-
zen der Kreditvergabe.
Graphik 2: Informationsstand zu Ba-
sel II und Ratings
Ergebnisse einer Umfrage zur Unternehmensfinan-zierung“, Berlin, November 2002.
72 | www.risknews.de 01.2003 Rating und Basel II
Unterscheidet man die drei Größenklas-
sen, so lässt sich feststellen, dass sich
die größeren Unternehmen deutlich bes-
ser informiert fühlen als die kleineren
und mittleren.
Obwohl das Thema Basel II und die da-
mit verbundenen Konsequenzen zweifel-
los wesentliche Auswirkungen auf die
Kreditfinanzierung der Unternehmen ha-
ben, lässt das Ergebnis vermuten, dass
viele Unternehmen Basel II keinen sehr
hohen Stellenwert beimessen. Dies mag
an der wiederholten Verschiebung der
tatsächlichen Inkraftsetzung von Basel II
liegen, die die Auswirkungen der neuen
Regelung scheinbar in ferne Zukunft ver-
schiebt. Es mag aber auch in einer man-
gelnden Informationsversorgung der
Unternehmen durch die vorhandenen
Informationsquellen bedingt sein. Dieser
Frage wurde daher in der Untersuchung
ebenfalls nachgegangen.
Überwiegend nannten die Unternehmen
die Kreditinstitute als wesentliche Infor-
mationsquelle bezüglich Basel II.
Daneben kommen den Wirtschaftsprü-
fern und Steuerberatern sowie den Ver-
bänden und Kammern bedeutende Posi-
tionen bei der Informationsversorgung
zu.
Es wurde allerdings auch nach der Zu-
friedenheit mit der Informationsversor-
gung durch die genannten Quellen ge-
fragt. Ergebnis: Fast zwei Drittel der Un-
ternehmen erwarten sich zukünftig bes-
sere Informationen zu Basel II als bis-
her. Vorrangig werden auch hier die Kre-
ditinstitute sowie die Wirtschaftsprüfer
und Steuerberater genannt, von denen
weiterführende Auskünfte eingefordert
werden.
Unzufriedenheit mit
bankinternen Ratings
Welche eigenen Erfahrungen mit inter-
nen oder externen Ratingverfahren ha-
ben die Unternehmen bereits? Die Mehr-
heit der Unternehmen (nämlich 65%)
wurde bereits einem Ratingverfahren
unterzogen. Da aber erst 41% der Un-
ternehmen sich überhaupt umfassend
über Basel II und Ratings informiert ha-
ben bzw. von den Kreditinstituten und
anderen informiert wurden, bedeutet
dies, dass eine nicht unbedeutende Zahl
an Firmen bisher noch die Ratings der
Banken mehr oder weniger passiv und
schlecht informiert über sich ergehen
lassen. Erwartungsgemäß hat dagegen
nur eine Minderheit der Umfrageteilneh-
mer bereits ein externes Rating erhalten,
nämlich 10% der Gesamtheit der befrag-
ten Unternehmen.
In Deutschland gibt es gerade unter mit-
telständischen Unternehmen sehr wenige
publizierte externe Ratings. Daher ist
dieser auf den ersten Blick scheinbar
geringe Anteil von 10% der Umfrageteil-
nehmer mit einem externen Rating doch
erstaunlich hoch. Die Höhe des Anteils
lässt sich vermutlich nur durch zwei As-
pekte begründen:
• Es handelt sich hier um eine Rei-
he von Unternehmen, die zwar
ein externes Rating besitzen, die-
ses aber nicht veröffentlichen lie-
ßen.
• Die Unternehmen sehen auch
Analysen von Wirtschaftsprüfern
oder Unternehmensberatern be-
reits als externe Ratings an. Zu-
sätzliche Informationen auf ein-
73 | www.risknews.de 01.2003 Rating und Basel II
zelnen Fragebögen lassen diesen
Schluss zu.
Wie beurteilen aber die Unternehmen die
Ratingverfahren, mit denen sie selbst
Bekanntheit gemacht haben? Hier zeigen
sich deutliche Unterschiede zwischen den
bankinternen und den externen Rating-
verfahren. Fast 50% der Unternehmen
mit bankinternen Ratings finden sich
durch den Ratingprozess nicht zutreffend
beurteilt. Hier zeigt sich eine deutliche
Kritik an den Ratingverfahren der Ban-
ken. Es scheint, als ob Kreditinstitute
entweder ihre Ratingverfahren verbes-
sern oder ihren Kreditnehmern die Ra-
tingverfahren besser erläutern und die
darin verwendeten Kriterien transparen-
ter machen sollten.
Aus Sicht der Unternehmen ergibt sich
folgende Konsequenz aus der Unzufrie-
denheit mit den bankinternen Ratingver-
fahren: Eine intensive Vorbereitung soll-
te nicht nur für externe Ratingverfahren
zur Regel werden, sondern eben auch für
die bankinternen Ratingverfahren. Au-
ßerdem sollten die Kreditinstitute von
Seiten der Unternehmen intensiver in die
Pflicht genommen werden, wenn es um
Erläuterungen der Ratingverfahren, de-
ren Kriterien und Inhalte geht.
Wie schätzen die Unternehmen externe
und bankinterne Ratings in der verglei-
chenden Betrachtung ein? Von den be-
fragten Unternehmen würden immerhin
28% ein externes Rating einem bankin-
ternen vorziehen. 51% dagegen sehen
sich mit einem bankinternen Rating aus-
reichend bedient.
Interessanterweise liegt der Anteil der
Unternehmen, die externe Ratings ge-
genüber bankinternen bevorzugen, hö-
her als derjenige von Firmen, die tat-
sächlich schon ein externes Rating
durchgeführt haben. Die Unternehmen
scheinen bei dieser Vergleichsfrage somit
zu einem großen Teil nicht aus eigener
positiver Erfahrung mit externen Ra-
tings, sondern vielmehr aus ihren Erfah-
rungen mit Bankenratings zu urteilen.
Graphik 3: Vergleich externer mit
bankinternen Ratings
Fazit: Für die Ratingagenturen, die in
Deutschland in den letzten Jahren nicht
die zum Teil erwarteten Zuwachsraten
verzeichnen konnten, besteht hier noch
ein großes Potential. Für die Banken
wiederum sollte das Antwortverhalten
Anlass geben, ihre Informationspolitik
zum Thema Rating zu verbessern.
Vorbereitungsstand
der Firmen auf Ratings
Eine sehr wichtige Frage der Studie ist
die der Selbsteinschätzung der Unter-
nehmen bezüglich ihres momentanen
Vorbereitungsstandes auf ein Ratingver-
fahren. Fühlen sich die Unternehmen
also “fit” für ein Rating? Erstaunlicher-
weise beantworten diese Frage nur 59%
der Umfrageteilnehmer mit Ja. 21% füh-
74 | www.risknews.de 01.2003 Rating und Basel II
len sich nicht “fit” und 20% wollen oder
können keine Angabe machen. Interes-
sant ist, dass in der Gruppe der kleinen
Unternehmen der Anteil derjenigen, die
sich “fit” fühlen, signifikant auf 45%
sinkt.3
Graphik 4: Vorbereitungsstand auf
Ratingverfahren
Da es sich bei dieser Frage um eine
Selbsteinschätzung handelt, kann selbst-
verständlich keine Aussage getroffen
werden, ob die Unternehmen sich selbst
zutreffend beurteilen. Bei dem zum Teil
geringen Informationsstand der Unter-
nehmen zu Basel II und Ratings (siehe
Abschnitt 5) kann allerdings vermutet
werden, dass noch mehr Unternehmen
als angegeben nicht ausreichend auf ein
Ratingverfahren vorbereitet sind. Insge-
samt kann somit geschlossen werden,
dass bei einem bedeutenden Teil des
bayerischen Mittelstandes in nächster
3 Eine Umfrage des BDU im Juli 2001 unter baden-württembergischen Unternehmen kam bei der selben Fragestellung zu einem höheren Prozentsatz an Firmen, die sich fit fühlten, und zu geringeren Prozentsätzen an Firmen, die sich nicht fit fühlten oder die keine Aussage treffen konnten (BDU Regi-onalarbeitskreis Baden-Württemberg: „Rating von Unternehmen in Baden-Württemberg“, Dezember 2001, S.11). Unter Umständen ist die Verschlechte-rung der konjunkturellen Situation ausschlagge-bend für die negativere Einschätzung der Unter-
Zeit mit Maßnahmen zur Vorbereitung
auf ein Rating zu rechnen sein sollte.
Daher wurde auch danach gefragt, in
welchen Bereichen die Unternehmen
konkrete Optimierungen planen, die sie
für ein Rating “fit” machen könnten. Die
Bereiche, die am häufigsten genannt
wurden, können alle dem Bereich Unter-
nehmenssteuerung zugerechnet werden:
Controlling, Risikomanagement, Planung
und Finanzen. Die Unternehmen schei-
nen erkannt zu haben, dass eine Verbes-
serung in diesen Bereichen einerseits die
eigene Unternehmensführung verbessern
sowie zukunftsfähiger machen kann, und
dass andererseits diese Instrumente am
besten geeignet sind, den Banken oder
Ratingagenturen die in Ratingverfahren
notwendige Transparenz zu verschaffen.
Fazit
Die vorliegende Studie zeigt, dass es im
bayerischen Mittelstand noch große Un-
sicherheiten über die Auswirkungen von
Basel II und die Anforderungen von Ra-
tingverfahren gibt.
Das Fazit für die Unternehmen: Sie soll-
ten sich aktiv über Basel II und Ratings
informieren. Dies ist eine Hol-, keine
Bringschuld. Dieses Einholen von Infor-
mationen sollte aber über Informationen
allgemeiner Natur zu Basel II hinausge-
hen. Insbesondere sind die Inhalte und
Kriterien der Ratingverfahren der jeweili-
gen Bank bzw. Ratingagentur im Detail
zu erfragen. Entscheidend dazu gehört
auch das detaillierte Wissen über die
Einschätzung der eigenen Bonität durch
nehmen in der Studie von Haarmann Hemmelrath Management Consultants GmbH.
75 | www.risknews.de 01.2003 Rating und Basel II
die jeweiligen Banken. Insbesondere ist
es wichtig von den Kreditinsituten, die
Faktoren zu erfragen, die entscheidend
die Ratingeinstufung verbessern könn-
ten. Erst dann kann das Unternehmen
aufgrund der Kenntnis der eigenen Stär-
ken und Schwächen die geeigneten Maß-
nahmen für ein aktives Bonitätsmana-
gement treffen.
Entscheidend wird auch sein, dass die
Firmen gegenüber den Kreditinstituten
eine größere Transparenz bieten. Eine
Konsequenz von Basel II für die Banken
ist nämlich, dass sie die Unternehmen
detaillierter und systematischer analysie-
ren müssen. Dabei werden mangelnde
Informationen grundsätzlich als negativ
bewertet. Die kreditsuchenden Unter-
nehmen sollten daher abwägen, ob es
sinnvoll und vom Aufwand her vertretbar
ist, zum Zweck der verbesserten Darstel-
lung gegenüber den Banken die eigenen
Management-Informationssysteme wei-
terzuentwickeln. Dabei sollten allerdings
nicht nur kurzfristige Effekte auf die ak-
tuellen Kreditkonditionen im Entschei-
dungskalkül eine Rolle spielen. Vielmehr
ist zu berücksichtigen, dass durch die
optimierten Instrumente langfristig vor
allem die eigene Unternehmenssteue-
rung verbessert wird. Wie die Studie
gezeigt hat, befinden sich einige Unter-
nehmen mit den geplanten Verbesserun-
gen vor allem in den Bereichen der Un-
ternehmenssteuerung bereits auf gutem
Wege.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Ent-
scheidung für eine Finanzierungsstrate-
gie. Diese sollte einerseits die Eigenkapi-
talquote verbessern und andererseits
Alternativen zum Bankkredit aufbauen.
Als Ergänzung zum Bankkredit bieten
sich unter anderem Mezzanine-
Finanzierungen, Leasing, Factoring, un-
ter Umständen auch die Verbriefung von
Forderungen (Asset Backed Securities)
an.
Kontakt:
Jan Offerhaus
Haarmann Hemmelrath Management
Consultants GmbH
Maximilianstr. 35
80539 München
Tel.: +49 / 89 / 21636-390
email: [email protected]
website: www.hhmc.de
Die vollständige Studie kann bei obiger
Adresse bezogen werden.
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Serie: Bestimmung von
Ausfallwahrscheinlichkeiten - Teil 5
Integrative Modelle
– Credit Risk Evaluation Model
Ein Beitrag von Uwe Wehrspohn
Als Abschluss unserer Serie zur Bestimmung von Ausfallwahrscheinlichkeiten möchten wir als einen vierten ratingbasierten Ansatz1 das Credit Risk Evaluation Model2 (CRE Modell) darstellen.
Um die charakteristischen Eigenschaften einzelner Kundengruppen exakt abbilden zu können, hat das CRE Modell eine offene und flexible Architektur, die die Verwendung unterschiedlicher Schätz-methoden für unterschiedliche Kundensegmente erlaubt, insbesondere für Firmen in verschiedenen Branchen und Ländern und für Privatkunden.
Das CRE Modell fasst drei empirische Einflussfaktoren auf die Ausfallwahrscheinlichkeiten von Kun-den zusammen: Länderrisiken und mikro- und makroökonomische Einflüsse auf das Ausfallverhal-ten von Kunden. Wir werden im folgenden die drei Risikoebenen darstellen und konsistente Schätz-verfahren für die Modellparameter angeben.
Länderrisiko
Das Ausfallrisiko der Herkunftsländer der Kunden ist ein wesentlicher Faktor in der Einschätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten und von Portfoliorisiken, denn es hält oft Firmen und Privatkunden gegen ihren eigenen Willen und auch gegen ihre eigenen finanziellen Möglichkeiten davon ab ihren vertraglich vereinbarten Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.
Wir definieren den Ausfall eine Landes als vorübergehende Unterbrechung des Zahlungsverkehrs zwischen dem Land und dem Heimatland der Finanzinstitution, die die Analyse durchführt. Störun-gen des Zahlungsverkehrs können wirtschaftliche oder politische Ursachen haben, wie etwa Devi-
1 Vgl. RiskNEWS 05.2002, pp. 7-18 (Mittelwertmodell), RiskNEWS 09.2002, pp. 69-77 (Credit Risk+) und Risk-NEWS 11.2002, pp. 45-64 (Credit Portfolio View). 2 Das CRE Modell ist ein Warenzeichen des Centers for Risk & Evaluation GmbH & Co. KG, Heidelberg. www.risk-and-evaluation.com. Es umfasst nicht nur die Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten, sondern sämtliche Schritte bei der Modellierung, Analyse und Steuerung des Kreditrisikos des einzelnen Kunden und des Bankportfolios. Es wird ausführlich dargestellt in Wehrspohn (2002).
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senknappheit der Zentralbank oder Kriege. Zahlreiche solche Krisen wurden seit den 1960’er Jah-ren in Osteuropa, Asien, Latein- und Mittelamerika und Afrika beobachtet3.
Wenn eine Finanzinstitution keine eigenen Länderrisikoanalysen durchführt, können Länderratings und Schätzungen von Ausfallwahrscheinlichkeiten von Ländern von den internationalen Ratinga-genturen wie Standard and Poor’s, Moody’s oder Fitch’s bezogen werden.
Normalerweise wird das Länderrisiko in die Kreditrisikomodelle so integriert, dass alle Kunden aus einem gewissen Land mindestens auf das Rating des Landes heruntergestuft werden. Das heißt zum Beispiel, dass eine Firma in Mexiko (BBB bei Standard and Poor’s in 2002) kein A-Rating ha-ben kann, auch dann nicht wenn sie innovativ, wettbewerbsstark und finanziell gut gemanaged ist.
Dieses Verfahren hat zwei Nachteile. Es kann zum einen nicht mehr zwischen Kunden unterschei-den, die dasselbe oder ein höheres Rating besitzen als ihr Herkunftsland. Es ist allerdings kaum glaubwürdig, dass AAA-, A- und BBB-Firmen in Mexiko alle dieselben finanziellen Aussichten und dieselbe Kreditwürdigkeit besitzen. Zum anderen macht dieses Verfahren nicht deutlich, dass alle Kunden aus einem Land gleichzeitig von einem Krieg oder einer Finanzkrise betroffen sind. Dieses Argument zeigt, dass das Länderrisiko nicht nur im Blick auf die Ausfallwahrscheinlichkeit von Be-deutung ist, sondern dass es auch auf Portfolioebene Abhängigkeiten zwischen Kontrahenten er-zeugt und darstellt4.
Aus diesem Grund wird der Zustand eines Landes – ob es finanziell intakt oder ausgefallen ist – im CRE Modell als ein Hintergrundfaktor behandelt. Das Rating eines Kunden wird darauf bedingt, dass sein Herkunftsland zahlungsfähig ist. Es kann hier also eine mit A geratete Firma in einem BBB-Land wie Mexiko geben. Wenn auf der anderen Seite ein Land ausfällt, werden automatisch alle Kunden aus diesem Land mit betroffen5. Hierdurch kann das Länderrisiko, die Unterschiede in der Kreditqualität der einzelnen Ratings und insbesondere auch die Kettenreaktion, die durch den Aus-fall eines Landes ausgelöst wird, erfasst werden.
Das Heimatland der Finanzinstitution, die die Analyse durchführt, ist hier ein Spezialfall. Anders als ausländische Kunden benötigen die Landsleute der Finanzinstitution keine Devisen, um ihre Zah-lungsverpflichtungen zu erfüllen. Die Zentralbank des Landes ist hier nicht direkt in die Finanzbe-ziehung involviert. Selbst wenn die Zentralbank in Devisenknappheit gerät, können diese Kunden ihre Zahlungen leisten. Die Sonderrolle des Heimatlandes der Finanzinstitution resultiert aber auch daraus, dass eine politische Krise wie etwa ein Krieg sie hier direkt mitbetreffen würde. Dies ist eine Sondersituation, die weit über die Bedeutung des Kreditrisikomanagements hinausgeht. Wir nehmen deshalb an, dass das Heimatland der Bank risikofrei ist und nicht ausfallen kann.
Da Länder untereinander eng zusammenhängen können, können diese Überlegungen u.U. auf Gruppen von Ländern ausgeweitet werden, die mit dem Heimatland der Finanzinstitution quasi einen Risikoverbund bilden. Es ist zum Beispiel kaum vorstellbar, dass ein Land der Eurozone iso-liert zahlungsunfähig wird. Durch die gemeinsame Währung und die ausgeprägte Verflechtung der Wirtschaften über Ex- und Importe ist es mehr als wahrscheinlich, dass eine Krise sich sofort auf die Partnerländer ausdehnen würde. Für eine entsprechende Bank ist es also durchaus sinnvoll, die Eurozone als ihr „Heimatland“ anzusehen.
3 Zum Beispiel in Argentinien, Costa Rica, Iran, Ghana, Guatemala, Uganda, Indonesien, Nicaragua, Zaire, Yu-goslawien, Panama, Rumänien, Uruguay und andere (vgl. UBS (2001), p. 6). 4 Vgl. hierzu Wehrspohn (2002), pp. 149ff. 5 Für multinationale Firmen kann dieser Automatismus abgemildert werden (siehe unten).
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Eine Kundengruppe, die im Zusammenhang mit dem Länderrisiko besondere Aufmerksamkeit ver-dient, sind multinationale Konzerne, die zwischen mehreren Ländern gut diversifiziert sind. Wenn eine Firma bedeutende Niederlassungen in anderen Ländern besitzt, ist es möglich, dass sie auch dann ihren internationalen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann, wenn ihre Zentrale vorü-bergehend vom Zahlungsverkehr abgeschnitten ist. Dieser Effekt wird im CRE Modell durch Ran-domisierung beschrieben. D.h., wenn ein Land ausfällt, wird die Firma nicht automatisch davon mitbetroffen, sondern lediglich mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Betrachtung von Länderrisiken im CRE Modell nicht unbedingt erforderlich ist. Regional orientierte Banken haben oft nur wenig oder gar kein Geschäft mit dem Ausland. In diesem Fall ist es zur Erfassung der Risikosituation vielfach nicht notwendig Länderrisi-ken zu überwachen.
Mikroökonomische Einflüsse auf das Ausfallrisiko
Wenn eine Bank die Geschäftsbeziehungen ihrer Kunden und ihre Konkursgründe gut kennt, kann sie mikroökonomische Einflüsse auf das Ausfallrisiko mit in die Analyse einbeziehen.
Neben dem allgemeinen unternehmerischen Risiko tragen Firmen ähnlich wie Finanzinstitutionen selbst ein Ausfallrisiko. Die Zahlungsunfähigkeit eines Geschäftspartners kann ein Unternehmen unmittelbar selbst in eine bestandsgefährdende finanzielle Krise führen. Ein prominentes Beispiel ist der Zusammenbruch des Baukonzerns Schneider 1995. Dutzende kleinerer Baufirmen, die aus-schließlich auf den Baustellen der Schneider AG arbeiteten wären mit in die Insolvenz gezogen worden, wenn nicht die Deutsche Bank, einer der Hauptgläubiger der Schneider AG, ihre soziale Verantwortung als eine der führenden Finanzinstitutionen wahrgenommen und diesen Firmen ihre außenstehenden Forderungen bezahlt hätte.
Krisen können sich vor allem aus zwei Gründen von einem Unternehmen auf ein anderes übertra-gen. Zum einen kann eine Firma in Liquiditätsengpässe geraten, wenn die Zahlung eines substan-tiellen Teils ihrer kurzfristigen Forderungen nicht mehr in der nahen Zukunft erwartet werden kann, wenn überhaupt. Dies ist auch heute noch ein wesentlicher Konkursgrund in den neuen Bundeslän-dern. Zweitens kann eine Firma einen Teil ihres Absatzmarktes verlieren, wenn ein wichtiger Kunde ausfällt6. Dies ist vor allem dann gravierend, wenn der Markt klein ist und wenn die Firma nur we-nige Kunden hat. Beide Probleme traten in obigem Beispiel gemeinsam auf. Dieses Argument zeigt aber auch, dass Wirtschaftssubjekte nicht nur über systematische Risikofaktoren voneinander ab-hängen wie oft gesagt wird7.
Mikroökonomische Einflüsse auf das Ausfallrisiko können ein wertvolles Werkzeug sein, um Aus-fallwahrscheinlichkeiten zu modellieren, wenn eine regionale Wirtschaftsstruktur von wenigen gro-ßen Unternehmen dominiert wird. Industriezweige, in denen dies häufig der Fall ist, sind die tradi-tionellen Branchen wie die Stahl-, die Kohle- und die Autoindustrie. So hängt z.B. Wolfsburg stark von Volkswagen ab, Clermont Ferrand von Michelin, Longbridge von Dover und Leverkusen von Bayer. Ein Kollaps eines dieser Großunternehmen würde in den betroffenen Regionen tausende Arbeitnehmer gleichzeitig arbeitslos machen. Viele der entlassenen Arbeiter hätten Schwierigkeiten kurzfristig neue Arbeitsplätze zu finden, so dass Hypothekenkredite und andere Darlehen unmittel-bar in Frage gestellt wären. Darüber hinaus würde die gesamte wirtschaftliche Infrastruktur an
6 Oder ihrerseits in Lieferschwierigkeiten geraten, wenn ein Schlüssellieferant wegfällt. 7 Vgl. Wilson (1997a, b), Credit Suisse Financial Products (1996).
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kleinen und mittelständischen Unternehmen der Region durch die Schrumpfung des Marktes in Mitleidenschaft gezogen.
Beachte, dass eine ähnliche mikroökonomische Beziehung auch eine Verbesserung der Kreditquali-tät einer Firma bedeuten kann, wenn ein wichtiger Wettbewerber ausfällt. Dieses Phänomen ist jedoch wahrscheinlich von geringerer ökonomischer Bedeutung.
Neben mikroökonomischen Abhängigkeiten, die über den Markt vermittelt werden, treten individu-elle Beziehungen zwischen Firmen auch bei direkten Besitz- oder Beherrschungsverhältnissen auf. Bei Firmen, die demselben Eigentümer oder derselben Holding gehören, sind finanzielle Probleme wahrscheinlich, wenn die Holding oder der Eigentümer in Konkurs geht. Da Banken solche Risiko-verbünde den Aufsichtsbehörden melden müssen8, liegen in den Instituten insbesondere über die-sen Fall gut konsolidierte Daten vor.
Schließlich treten manche Kunden in einem Bankportfolio u.U. in verschiedenen Rollen auf. Ein Kunde kann ein Kreditnehmer oder ein Handelspartner sein. In diesem Fall resultiert sein Kreditri-siko direkt aus den Geschäften, die mit ihm gemacht werden. Eine Bank kann aber auch z.B. eine Short Put Option auf die Aktie einer Firma halten. Hier wäre jemand anderes der direkte Kontra-hent des Geschäftes und die Firma, auf deren Aktie die Option ausgeschrieben ist, wäre nur indi-rekt und möglicherweise ohne ihr Wissen involviert. Dennoch erzeugt sie ein substantielles Kredit-risiko für die Bank, denn die Put Option würde stark an Wert gewinnen, wenn die Firma konkurs ginge9. Für die Analyse marginaler Risiken, die Preisfindung von Krediten und die Exposurelimitie-rung macht es einen großen Unterschied, ob ein Kunde das Kreditrisiko bezahlen muss, das aus seinen eigenen Geschäften stammt, oder ob er für das gesamte Kreditrisiko verantwortlich ge-macht wird, das von ihm durch direkte oder indirekte finanzielle Interaktionen ausgelöst wird.
Dieses Problem kann leicht gelöst werden, wenn mikroökonomische Beziehungen in das Modell integriert werden. Hier kann der Kunde durch zwei identische Kopien seiner selbst dargestellt wer-den, die vollständig voneinander abhängen, d.h. die entweder gemeinsam ausfallen oder überle-ben. Beide Kopien unterscheiden sich lediglich in der ihnen zugeschriebenen Exposurehöhe und in ihrer ‚stand alone’-Ausfallwahrscheinlichkeit. Das erste Exemplar repräsentiert die Geschäfte, die direkt mit einem Kunden abgeschlossen wurden und hat die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kunden, während das andere das indirekt von ihm ausgelöste Kreditrisiko zusammenfasst und eine ‚stand alone’-Ausfallwahrscheinlichkeit von Null hat, es fällt nur mit seinem Spiegelbild zusammen aus. In allen weiteren Analysen und Risikomanagementmaßnahmen können so beide Risikoquellen exakt auseinandergehalten werden.
8 Vgl. z.B. KWG § 19, 2: “1 Im Sinne der §§ 10, 13 bis 18 gelten als ein Kreditnehmer zwei oder mehr natürli-che oder juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften, die insofern eine Einheit bilden, als eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluß auf die andere oder die anderen ausüben kann, oder die ohne Vorliegen eines solchen Beherrschungsverhältnisses als Risikoeinheit anzusehen sind, da die zwischen ihnen bestehenden Abhängigkeiten es wahrscheinlich erscheinen lassen, daß, wenn einer dieser Kreditnehmer in finanzielle Schwierigkeiten gerät, dies auch bei den anderen zu Zahlungsschwierigkeiten führt. 2 Dies ist insbe-sondere der Fall bei:
- allen Unternehmen, die demselben Konzern angehören oder durch Verträge verbunden sind, die vor-sehen, daß ein Unternehmen verpflichtet ist, seinen ganzen Gewinn an ein anderes abzuführen, sowie in Mehr-heitsbesitz stehenden Unternehmen und den an ihnen mit Mehrheit beteiligten Unternehmen oder Personen, (...)
- Personenhandelsgesellschaften und jedem persönlich haftenden Gesellschafter sowie Partnerschaften und jedem Partner und
- Personen und Unternehmen, für deren Rechnung Kredit aufgenommen wird, und denjenigen, die diesen Kredit im eigenen Namen aufnehmen. “ 9 Dies zeigt auch, dass nicht nur Forderungen einem Kreditrisiko unterliegen, sondern dass auch die Höhe von Verbindlichkeiten von der Kreditqualität einer Partei beieinflusst werden kann.
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Mikroökonomische Beziehungen werden im CRE Modell durch Randomisierung dargestellt. Gegeben den Ausfall einer Kunden fallen seine Geschäftspartner ihrerseits mit gewissen Wahrscheinlichkei-ten aus. Die Randomisierungsgewichte können hier frei gewählt werden. Sie können direkt aus der Ausfallerfahrung der Bank geschätzt werden.
Mikroökonomische Beziehungen zwischen Kontrahenten sind typischerweise asymmetrisch. Ein Angestellter hängt normalerweise wesentlich stärker von seinem Arbeitgeber ab als umgekehrt. Der Handwerker wird vom Konkurs des Baukonzerns hart getroffen, während der Baukonzern vom Schicksal der kleinen Handwerksfirmen, die für ihn arbeiten, vermutlich fast vollständig unabhän-gig ist.
Auch hier sei wieder erwähnt, dass mikroökonomische Einflüsse auf das Ausfallrisiko im Modell nicht betrachtet werden müssen, wenn sie für das Marktsegment der Bank nicht von Bedeutung sind oder wenn die Bank die notwendigen Daten nicht zur Verfügung hat.
Makroökonomische Einflüsse auf das Ausfallrisiko
Die beiden bisher diskutierten Einflüsse auf Ausfallwahrscheinlichkeiten haben das Rating des Kun-den nicht explizit verwendet. Nichtsdestotrotz ist das Rating eine entscheidende Information für die Einschätzung des zukünftigen Ausfallverhaltens eines Kontrahenten. Im folgenden nehmen wir an, dass bekannte Ausfälle, die auf das Länderrisiko oder mikroökonomische Beziehungen zurückzu-führen sind, aus der Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeiten einzelner Ratings herausgelassen werden.
Wie wir bereits in Teil 410 unserer Serie herausgestellt haben, hat das makroökonomische Umfeld einen entscheidenden Einfluss auf die Ausfallsituation eines Portfolios. Ein gegebenes makroöko-nomisches Szenario schlägt jedoch nicht auf alle Industriezweige gleich stark durch und insbeson-dere nicht auf alle Ratingklassen und alle Kundensegmente. So wurde z.B. der Ausfall einer AAA gerateten Firma noch nie innerhalb eines einjährigen Zeithorizontes beobachtet, noch nicht einmal in der finstersten Wirtschaftskrise. Aus diesem Grund ist es unmöglich systematische Einflüsse auf die Ausfallwahrscheinlichkeiten sehr gut gerateter Unternehmen direkt zu schätzen.
Ein weiteres Beispiel sind nicht-selbständige Privatkunden. Sie werden von makroökonomischen Schocks nur indirekt über ihren Arbeitgeber betroffen. Nur wenn die beschäftigende Firma zusam-menbricht oder wenn der betreffenden Angestellte entlassen wird, erreicht das wirtschaftliche Um-feld den Privatkunden.
Es sollte also möglich sein, auf die Berücksichtigung makroökonomischer Faktoren bei der Evalua-tion des Kreditrisikos mancher Kundengruppen zu verzichten. Im CRE Modell kann deshalb die Me-thode zur Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten für jede Kundengruppe unabhängig gewählt werden. Kundensegmente können von der Bank frei definiert werden. Für sehr gut geratete Fir-men, für Branchen, die nur schwach von Konjunkturschwankungen betroffen werden, und für Pri-vatkunden kann z.B. das Mittelwertmodell11 verwendet werden.
Im folgenden stellen wir ein Makromodell dar, das innerhalb des CRE Modells verwendet werden kann, um die Ausfallwahrscheinlichkeiten von Speculative Grade Firmen zu bewerten. Der Ausdruck ‚Makromodell’ kann hier irreführend sein, denn anders als manche anderen Ansätze enthält das CRE Modell keine explizite Prognosekomponente für die Entwicklung der makroökonomischen Fak-
10 Vgl. RiskNEWS 11.2002, pp. 45-64. 11 Vgl. RiskNEWS 05.2002, pp. 7-18.
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toren. Die Vorhersage von Makrofaktoren ist ein hochgradig nicht-triviales Unterfangen. Jahr für Jahr versuchen hochprofilierte Wirtschaftsforschungsinstitute vergeblich exakte Aussagen über die zukünftige Arbeitslosenquote, das Wachstum des Bruttosozialproduktes und anderer Faktoren zu machen. Jeder Versuch Schätzungen über die zukünftigen Werte makroökonomischer Faktoren in ein Kreditrisikomodell hereinzunehmen wird deshalb zwangsläufig simplizistisch und sogar irrefüh-rend sein.
Aus diesem Grund verwendet das CRE Modell nur Werte von Makrofaktoren, die zum Zeitpunkt der Analyse bereits beobachtbar sind, um das Ausfallverhalten der Firmen vorherzusagen. Dieser An-satz befindet sich in einem Duktus mit den meisten Analysen in der Literatur, die festgestellt ha-ben, dass die konjunkturelle Situation die Ausfallsituation in der betreffenden Volkswirtschaft mit einer gewissen Zeitverzögerung beeinflusst12. Die heute zur Verfügung stehenden Makrodaten sind demnach hinreichend, um das Ausfallverhalten der Firmen über einen Zeitraum von ein bis drei Jahren vorherzusagen. Aussagen über längere Zeithorizonte zu machen ist jedoch schwierig. Das CRE Modell verwendet deshalb makroökonomische Faktoren lediglich, um Ausfallwahrscheinlichkei-ten über kurze Zeiträume zu schätzen.
Wie bereits angedeutet, hängt die Auswirkung des Konjunkturzyklusses auf die Ausfallwahrschein-lichkeit einer Firma nicht nur von deren Branchenzugehörigkeit, sondern auch von ihrem Rating ab. Aus diesem Grund fasst das CRE Modell nicht alle Speculative Grade Firmen in einer Branche zu einem Kreditrisikoindikator zusammen wie dies in Wilson (1997a) oder in Kim (1999) geschieht, da die Ableitung ratingspezifischer Ausfallwahrscheinlichkeiten aus dem Indikator nicht möglich ist, ohne gravierende Ungenauigkeiten in die Analyse hineinzutragen13.
Ein Ausfall hat weit größere Auswirkungen auf das Kreditrisiko eines Kunden oder eines Portfolios als eine bloße Ratingmigration, die zu einer vergleichsweise kleinen Wertveränderung einer Position führt. Ungenauigkeiten müssen also vor allem bei der Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten vermieden werden. Die Regression von Ausfallraten gegen Makrofaktoren geschieht deshalb für jede Branche und jedes Speculative Grade Rating separat.
Um die systematischen wirtschaftlichen Faktoren mit den Ausfallraten der Firmen in Beziehung zu
setzen, schlagen wir folgendes einfache Modell vor. Seien niYi ,...,1, = die beobachteten Ausfallra-
ten in Periode i. Seien mii XX ,...,1 die makroökonomischen Faktoren, die das Ausfallverhalten in
Periode i erklären. Unter Berücksichtigung eines gewissen Time Lags können mii XX ,...,1 Beobach-
tungen sein, die in Periode i – 1 oder früher gemacht wurden. Das Modell wird dann beschrieben
durch die Gleichung
Yimimii XXY εβββ ++++= K110
Hierbei ist εYi ein Fehlerterm mit Erwartung Null und unbekannter, aber konstanter Varianz σ. Wir
machen keine Verteilungsannahmen über εYi.
Die Parameter β0,…,βm können mit kleinste-Quadrate-Methoden konsistent geschätzt werden. Die-
ses Modell ist gleichbedeutend mit dem Mittelwertmodell, wenn die Parameter β1,…,βm identisch
Null gesetzt werden.
12 Vgl. Bär (2000), Lehment et al. (1997). 13 Vgl. die Diskussion von Wilsons Modell in Teil 4 unserer Serie in RiskNEWS 11.2002, pp. 45-64.
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Es ist eine wichtige Eigenschaft dieses Modells, dass es nicht fordert, dass die Ausfälle der Kunden unabhängig sind bedingt auf einer makroökonomischen Situation14. Dies ist konsistent mit der grö-ßeren Architektur des CRE Modells, denn es nimmt an, dass die Branchen über die makroökonomi-schen Einflüsse auf die Ausfallwahrscheinlichkeiten hinaus korreliert sein können15.
Aufgrund der direkten linearen Regression könnten die extrapolierten Werte für Yi negativ sein oder
außerhalb des Einheitsintervalls liegen. In der Praxis ist dies jedoch kein drängendes Problem, da anders als in Credit Portfolio View die Schätzfehler hier nicht simuliert werden. Darüber hinaus kann Yi durch die Einführung oberer und unterer Schranken leicht auf sinnvolle Werte beschränkt
werden, d.h., wenn der extrapolierte Wert negativ ist oder unterhalb einer bestimmten Grenze, wird die erwartete Ausfallwahrscheinlichkeit auf den minimalen Wert gesetzt, der als annehmbar angesehen wird. Wenn allerdings das gegenwärtige makroökonomische Setting eine extreme Ab-weichung der geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten von ihrem langfristigen Mittel impliziert, sollte dieses Ergebnis mit Vorsicht behandelt werden, denn es könnte einen Strukturbruch andeu-ten, so dass u.U. die Auswahl der relevanten Makrofaktoren und die langfristige Gültigkeit alter Parameterschätzungen in Zweifel gezogen werden muss.
Anstelle oberer und unterer Grenzen könnte eine Probit- oder Logit-Regression verwendet werden, um zu gewährleisten, dass die geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten zwischen 0 und 1 liegen. Diese Modelle können durch nicht-lineare Verfahren wie Maximum-Likelihood konsistent geschätzt werden16.
Beispiel
Um einen Eindruck von den quantitativen Eigenschaften des Modells zu vermitteln, geben wir ein Beispiel. Wir nehmen an, die Ausfallwahrscheinlichkeiten hingen von einem makroökonomischen Faktor ab, d.h., wir haben
Yttt XY εββ ++= 10 .
Die Parameter wurden gewählt als β0 = 0.51% und β1 = 0.25%. Für die Schätzfehler wird keine
bestimmte Verteilung angenommen. Die historischen Realisationen des Makrofaktors werden durch denselben AR(2)-Prozess beschrieben, der für die Analyse von Credit Portfolio View in Teil 4 der Serie verwendet wurde, d.h. durch
Xtttt XXX ε1.04.04.0 21 ++= −−
wobei εX standardnormalverteilt ist. Beachte, dass der Makroprozess hier nur verwendet wird, um
für das Beispiel künstlich eine nachvollziehbare Datengrundlage zu schaffen. Der Makroprozess ist nicht Teil des CRE Modells und wird bei praktischer Anwendung durch historische Beobachtungsrei-hen ersetzt. Wir nehmen darüber hinaus an, die Kunden in einem Segment hätten eine Korrelation
14 Diese Annahme war zentral in Credit Risk+ und Credit Portfolio View. Ohne sie wären in diesen Modellen alle Schätzungen ungültig. 15 Vgl. Wehrspohn (2002), pp. 111ff. 16 Vgl. etwa Maddala (1983), pp. 25ff.
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von ρ.17 ρ variiert zwischen 0 und 90%. Die Schätzungen wurden mit unterschiedlich vielen Kunden
pro Segment und unterschiedlich langen Beobachtungsreihen durchgeführt.
Abbildung 1
Erwartungswerte des geschätzten Parameters β0
im CRE Modell(1.000 Simulationsläufe, ρ = 40%, wahrer Wert = 0.51%)
0,0%
0,1%
0,2%
0,3%
0,4%
0,5%
0,6%
0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
Anzahl Kunden
Sim
ulie
rte
Erw
artu
ngsw
erte
2 Perioden 5 Perioden 10 Perioden 20 Perioden 30 Perioden
Abbildung 1 zeigt die erwarteten Schätzergebnisse des Mittelwertparameters β0. Es ist offensicht-
lich, dass der Parameter bei beliebigen Kunden- und Periodenzahlen unverzerrt geschätzt wird, obwohl die Ausfälle nicht als unabhängig angenommen wurden, sondern signifikant korreliert sind.
Die Standardabweichung des geschätzten Parameterwertes hängt demgegenüber sehr wohl von der Kundenzahl und insbesondere von der verfügbaren Anzahl von Perioden ab, wie zu erwarten war. Der Informationsgehalt der Kundenzahl ist jedoch schnell erschöpft.
17 Das hier verwendete Korrelationskonzept ist das des Asset Value Modells, das etwa aus Credit Metrics oder dem KMV Modell bekannt ist. Zu Details und weitergehenden Analysen dieses Korrelationskonzeptes vgl. Wehrspohn (2002), pp. 102ff.
84 | www.risknews.de 01.2003 Kreditrisiko
Abbildung 2
Standardabweichung des geschätzten Parameters β0 im CRE Modell
(1.000 Simulationsläufe, ρ = 40%)
0,0%
0,5%
1,0%
1,5%
2,0%
2,5%
0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
Anzahl Kunden
Ges
chät
zte
Stan
dard
abw
eich
ung
2 Perioden 5 Perioden 10 Perioden 20 Perioden 30 Perioden
Dieselben Beobachtungen wiederholen sich, wenn wir den Volatilitätsparameter β1 ansehen.
Abbildung 3
Erwartungswert des Parameters β1 im CRE Modell
(1.000 Simulationsläufe, ρ = 40%, wahrer Wert = 0.25%)
0,00%
0,05%
0,10%
0,15%
0,20%
0,25%
0,30%
0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
Anzahl Kunden
Sim
ulie
rte
Erw
artu
ngsw
erte
5 Perioden 10 Perioden 20 Perioden 30 Perioden
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Die Schätzung ist erwartungstreu für jede Kunden- und Periodenzahl selbst wenn die Ausfälle ab-hängig sind. Die Standardabweichung des Schätzers hängt wiederum vor allem von der Perioden-zahl ab.
Abbildung 4
Standardabweichung des geschätzten Parameters β1
im CRE Modell(1.000 Simulationsläufe, ρ = 40%)
0,0%
0,5%
1,0%
1,5%
2,0%
2,5%
3,0%
0 100 200 300 400 500 600 700 800 900 1000
Anzahl Kunden
Ges
chät
zte
Stan
dard
abw
eich
ung
2 Perioden 5 Perioden 10 Perioden 20 Perioden 30 Perioden
Die Standardabweichung des Schätzers hängt neben den Kunden- und Periodenzahlen insbesonde-re noch von dem Grad der Abhängigkeit der Kunden untereinander ab. Wie im Mittelwertmodell sind die Standardabweichungen der Schätzer relativ groß im Verhältnis zur Größe des zu schätzen-den Parameters und steigen mit den Korrelationen an.
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Abbildung 5
Standardabweichung der geschätzten Parameter (β0,β1) im CRE Modell in Abhängigkeit von den Korrelationen
(300 Kunden, 15 Perioden 1.000 Simulationsläufe)
0,0%
0,5%
1,0%
1,5%
2,0%
2,5%
3,0%
0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%
Korrelationen
Ges
chät
zte
Stan
dard
abw
eich
ung
β1 β0
Abbildung 6 zeigt die gemeinsamen Verteilungen der Schätzwerte für β0 und β1 und illustriert die
ansteigende Variabilität und Schiefe der Verteilungen für hohe Korrelationen.
Abbildung 6
Verteilungen der geschätzten Parameterwerte (β0,β1) im CRE Modell
Standardabweichungen der gemeinsamen Schätzer: σρ = 0 = 0.53%, σ ρ = 0.2 = 1.67%,σρ = 0.4 = 2.76%, σρ = 0.6 = 4.28%, σρ = 0.8 = 7.21%
(1.000 simulierte Paare, 30 Perioden, 500 Kunden)
-0,25
-0,2
-0,15
-0,1
-0,05
0
0,05
0,1
0,15
0,2
0,25
-1,0% -0,5% 0,0% 0,5% 1,0% 1,5% 2,0% 2,5% 3,0% 3,5% 4,0%Geschätzter Parameterwert β0, wahrer Wert = 0.51%
Ges
chät
zter
Par
amet
erw
ert f
ür β
1, w
ahre
r Wer
t = 0
.25%
ρ = 0.8 ρ = 0.6 ρ = 0.4 ρ = 0.2 ρ = 0 wahrer Wert
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Tabelle 1 fasst die Hauptcharakteristiken der Verteilungen der Parameterschätzungen aus Abbildung 6 zusammen. Die Ähnlichkeiten mit den Ergebnissen für das Mittelwertmodell sind schlagend. Auch hier werden die Parameter erwartungstreu geschätzt, während sowohl die Schwankungsbreite als auch die Schiefe der Verteilungen mit den Korrelationen zunimmt. Dieser
Befund ist unverändert für beide Parameter β0 und β1.
Tabelle 1
β0 ρ = 0 ρ = 0.2 ρ = 0.4 ρ = 0.6 ρ = 0.8Mittelwert 0,511% 0,514% 0,513% 0,508% 0,527%Std.-Abw. 0,072% 0,211% 0,383% 0,558% 1,018%Skewness 9,10E-11 9,05E-09 1,10E-07 5,30E-07 6,06E-06Kurtosis 1,01E-12 1,01E-10 2,23E-09 2,25E-08 8,43E-07
β1Mittelwert 0,251% 0,259% 0,245% 0,256% 0,260%Std.-Abw. 0,527% 1,656% 2,738% 4,227% 7,140%Skewness 2,29E-08 3,77E-06 2,62E-05 2,25E-04 5,56E-04Kurtosis 2,50E-09 5,47E-07 1,17E-05 9,90E-05 7,32E-04
500 Kunden 30 Perioden 1.000 Simulationsläufe
Bedingte Migrationswahrscheinlichkeiten
Der letzte Schritt des Makromodells innerhalb des CRE Modells besteht in der Ableitung von appro-ximativen Ratingmigrationswahrscheinlichkeiten bedingt auf dem gegenwärtigen makroökonomi-schen Hintergrund. Da wir die Schätzung der bedingten Ausfallwahrscheinlichkeiten nicht nur für einzelne Industriezweige, sondern auch für einzelne Ratinggruppen durchgeführt haben, bleibt lediglich die Berechnung von Übergangswahrscheinlichkeiten in andere Ratings, die selbst noch keine Insolvenz bedeuten.
Ähnlich wie Wilsons Ansatz gründen wir die Ableitung von Übergangswahrscheinlichkeiten auf das Verhältnis der geschätzten bedingten Ausfallwahrscheinlichkeiten zu ihrem langfristigen Mittel. Genauer schlagen wir eine lineare Transformation der folgenden Form vor
jn
tnjtj p
ppwp +
−= 1
ˆˆ
für j = 1,…,n, wobei n für die Anzahl Ratingklassen steht, np für die langfristige mittlere Ausfall-
wahrscheinlichkeit der betrachteten Ratingklasse, tnp̂ für die geschätzte bedingte Ausfallwahr-
scheinlichkeit, jp für die geschätzte langfristige mittlere Übergangswahrscheinlichkeit vom gegen-
wärtigen Rating nach Rating j, tjp̂ für die geschätzte bedingte Übergangswahrscheinlichkeit und wj
für ein Sensitivitätsgewicht.
Da wir tnp̂ bereits geschätzt haben, wählen wir nn pw = . Die anderen Parameter wj für j = 1,…,n-
1, müssen aus dem Datenbestand der Bank geschätzt werden. Sie könnten z.B. für die Ratings j = 1,…,n-1 als kleinster-Quadrate-Schätzer von
88 | www.risknews.de 01.2003 Kreditrisiko
R∈=
=
+
−−∑
jw
m
ij
n
injij p
ppw min1ˆ !
2
1π
gewählt werden. Hierbei ist ijπ die beobachtete Übergangshäufigkeit nach Rating j in Periode i für i
= 1,…,m, wenn Daten über m Perioden zur Verfügung stehen, inp̂ ist die aus den geschätzten Wer-
ten für β0 und β1 und den beobachteten makroökonomischen Faktoren interpolierte Ausfallwahr-
scheinlichkeit für Periode i. Beachte, dass für beliebige Werte von wj der Mittelwert der resultieren-
den geschätzten Übergangswahrscheinlichkeiten gleich jp ist. Dies liegt am linearen Regressi-
onsmodell für tnp̂ bei dem die mittleren geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeiten immer gleich den
mittleren beobachteten Ausfallraten sind18.
Es ist nicht zwingend erforderlich, wäre aber intuitiv schön, wenn die Gewichte wj negativ wären für Ratings, die besser sind als das gegenwärtige, und positiv für Ratings, die schlechter sind als das gegenwärtige, so dass in einer Rezession eine Ratingverbesserung weniger wahrscheinlich und eine Ratingverschlechterung wahrscheinlicher wäre als im Durchschnitt.
Es ist jedoch möglich, dass die geschätzten zukünftigen Übergangswahrscheinlichkeiten jmp ,1ˆ +
negativ sind oder größer als 1 oder dass sich ihre Summe nicht zu 1 addiert. Wir führen deshalb 0 und 1 als untere und obere Grenze für die geschätzten Übergangswahrscheinlichkeiten ein und standardisieren sie durch
( )nmn
kkm
jmjm p
p
pp ,11
1,1
,1,1 ˆ1
ˆ
ˆˆ̂+−
=+
++ −=
∑
für die Ratingklassen j = 1,…,n-1. Beachte, dass hier wiederum die Güte der Schätzung von Aus-fallwahrscheinlichkeiten eindeutig Priorität von der Schätzung von bloßen Übergangswahrschein-lichkeiten erhält.
Fazit
Wir haben mit dem CRE Modell eine Methodik dargestellt, die es erlaubt, mit Länderrisiken und makro- und mikroökonomischen Faktoren die wesentlichen Einflüsse auf die Ausfallwahrscheinlich-keiten von Kunden simultan zu erfassen, und konsistente Schätzverfahren für die Modellparameter zur Verfügung gestellt19.
Damit ist erstmals ein integratives Modell für die Ausfallwahrscheinlichkeiten vorgeschlagen wor-den, das nicht nur unrealistische Annahmen über die Abhängigkeiten zwischen den Kunden ver-meidet, sondern die Treiber der Ausfallwahrscheinlichkeiten gleichzeitig als Eckpunkte der Portfo-liostruktur betrachtet und in ein weit über die alleinige Schätzung von Ausfallwahrscheinlichkeiten hinausgehendes Portfoliomodell einbettet.
18 XY 10 ββ += ist eine der Gleichungen, die bei der kleinsten-Quadrate-Schätzungen gelöst werden muss.
19 Für nicht-Default-Übergangswahrscheinlichkeiten, die nur sehr schwache Risikotreiber sind, gilt dies nur nähe-rungsweise.
89 | www.risknews.de 01.2003 Kreditrisiko
Kontakt:
Dr. Uwe Wehrspohn
Universität Heidelberg Alfred Weber Institut Grabengasse 14 69117 Heidelberg Tel.: ++49.173.66 18 784
Center for Risk & Evaluation GmbH & Co. KG Berwanger Straße 4 75031 Eppingen Email: [email protected]
Weitere Unterlagen finden Sie unter http://www.risk-and-evaluation.com.
Literatur:
Tobias Bär (2000): “Predicting business failure rates: empirical macroeconomic models for 16
German industries,” Working Paper, McKinsey & Co.
Jongwoo Kim (1999): “A way to condition the transition matrix on wind,” Working Paper, Risk-metrics Group
G.S. Maddala (1983): „Limited-dependent and qualitative variables in econometrics,” Econo-
metric Society monograps in quantitative econometrics 3, Cambridge University Press
UBS (Union Bank of Switzerland) (2001): “Morning News, January 16, 2001”
Uwe Wehrspohn (2002): Credit Risk Evaluation: Modeling – Analysis – Management, CRE, 2002,
http://www.risk-and-evaluation.com
Thomas C. Wilson (1997a): “Portfolio credit risk (I),” Risk 9.9, pp. 111-117
Thomas C. Wilson (1997b): “Portfolio credit risk (II),” Risk 9.10, pp. 56-62
90 | www.risknews.de 01.2003 Interview
Praxis der Unternehmensbewertung
Ein Interview mit Professor Dr. Volker H. Peemöller
Professor Dr. Volker H. Peemöller ist Inhaber des Lehrstuhls für Prüfungswesen an der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
In der RiskNEWS 11.2002 (Novem-
ber/Dezember 2002) hatten wir un-
seren Lesern das Praxishandbuch
zur Unternehmensbewertung vorge-
stellt: Praxishandbuch der Unter-
nehmensbewertung (Herausgege-
ben von Professor Dr. Volker H.
Peemöller unter Mitarbeit namhafter
Fachleute.), 2. Auflage 2002, Verlag
Neue Wirtschaftsbriefe, 764 Seiten.
In der vorliegenden RiskNEWS
01.2003 finden Sie nun ein Inter-
view mit Professor Dr. Volker H.
Peemöller zu Methoden der Unter-
nehmensbewertung sowie zum Stand und zur Entwicklung der Un-
ternehmensbewertung.
RiskNET: Den sogenannten „wei-
chen“ Faktoren wie z. B. Unterneh-
mensimage, Markenstärke oder dem
Wissen der Mitarbeiter kommt eine
immer größere Bedeutung für die
Wettbewerbsfähigkeit von Unter-
nehmen zu. Inwiefern und auf wel-
che Art und Weise können derartige
Faktoren im Rahmen der Unterneh-
mensbewertung berücksichtigt wer-
den? Welche Tendenzen zeichnen
sich in diesem Zusammenhang ab?
Peemöller: Im Rahmen der Ertrags-
wertverfahren sind derartige Werttreiber
in der Kapitalisierungsgröße und somit
im Zuge der Prognose der Zahlungsüber-
schüsse zu berücksichtigen. Bei Anwen-
dung des Multiplikatorverfahrens wäre
über Bewertungszu- bzw. -abschlag ge-
genüber der Peer Group nachzudenken,
wenn sich das Bewertungsobjekt hin-
91 | www.risknews.de 01.2003 Interview
sichtlich weicher Faktoren wesentlich von
seinen Konkurrenten unterscheidet. Mar-
ken werden z. T. separat bewertet. Un-
terschiedliche gesonderte Bewertungsan-
sätze haben sich hierfür in der Bewer-
tungspraxis herausgebildet.
RiskNET: Besteht nicht das Problem,
das gerade im Zusammenhang bei
der Bewertung der sogenannten
„weichen Faktoren“ die Bewertung
eher subjektiv ist und somit der Ma-
nipulation breiten Raum eingeräumt
wird?
Peemöller: Eine Bewertung ist immer
subjektiv, da sie vom Bewertungszweck
abhängt und eine Prognose der zukünfti-
gen Entwicklung des Bewertungsobjekts
erfordert. Grundsätzlich besteht eine
wesentliche Herausforderung für jede
Bewertung in der Übertragung qualitati-
ver Faktoren in quantitative Größen. Ma-
nipulation lässt sich nur soweit verhin-
dern, als dass auf eine begründete bzw.
detailliert dargelegte Wertermittlung ge-
achtet wird.
RiskNET: Insbesondere in Deutsch-
land hat sich das wirtschaftliche
Umfeld in den vergangenen Monaten
dramatisch verschlechtert. Welche
Herausforderungen ergeben sich
hieraus für die Unternehmensbewer-
tung? Muss die Unternehmensbe-
wertung in der Rezession mit ande-
ren Methoden arbeiten und/oder
andere Faktoren berücksichtigen als
im Aufschwung?
Peemöller: Die Methoden der Unter-
nehmensbewertung sind grundsätzlich
unabhängig von der konjunkturellen La-
ge. Bewertungsrelevant sind immer zu-
künftige finanzielle Überschüsse. Ge-
dämpfte gesamtwirtschaftliche Aussich-
ten sind im Einzelfall bei der Prognose
der Umsätze, Margen etc. zu berücksich-
tigen, z. B. in Form von niedrigeren bzw.
negativen Wachstumsraten. Zusätzlich
ist die Nachhaltigkeit einer solchen Si-
tuation zu hinterfragen. Die Bewertung
angeschlagener Unternehmen erfordert
eine kritische Hinterfragung der Restruk-
turierungspläne und damit der Fortfüh-
rungsprämisse. Die Erstellung unter-
schiedlicher Szenarien bietet sich hierbei
an. Zudem darf die Entwicklung der Li-
quidität des Bewertungsobjekts nicht
außer Acht gelassen werden, da insbe-
sondere die Zahlungsunfähigkeit Auslö-
ser einer Insolvenz sein kann.
Insgesamt ist zu beobachten, dass sich
der Markt für Unternehmenstransaktio-
nen aktuell eher zu einem Verkäufer-
markt entwickelt hat, mit entsprechen-
den Auswirkungen auf die Kaufpreisver-
handlungen.
RiskNET: Welche Faktoren würden
Sie im Falle des Aufschwungs bzw.
im Abschwung priorisieren?
Peemöller: Eine Priorisierung erscheint
nicht sinnvoll. Vielmehr ist grundsätzlich
darauf zu achten, dass die Planzahlen
des Bewertungsobjekts mit der erwarte-
ten Branchenentwicklung zu vereinbaren
92 | www.risknews.de 01.2003 Interview
sind bzw. größere Abweichung erklärt
werden können.
RiskNET: Im Zuge der Umsetzung
von Basel II gewinnt das Thema Ra-
ting zunehmend auch für Industrie
und Handel an Bedeutung. Unter-
nehmen, denen es gelingt, ihre
Chancen und Risiken transparent
darzustellen, können mit u. U. er-
heblichen Erleichterungen bei der
Kreditaufnahme rechnen und besse-
re Konditionen erzielen. Welche Rol-
le spielt das Vorhandensein eines
effektiven und effizienten Risikoma-
nagementsystems im Rahmen der
Unternehmensbewertung?
Peemöller: Fehlende Instrumente eines
Risikomanagementsystems können im
Einzelfall ein Argument für eine Erhö-
hung des Kapitalisierungszinses bzw. für
eine Kaufpreisminderung sein. Im Zu-
sammenhang mit Basel II sind insbeson-
dere die zukünftigen Refinanzierungs-
konditionen des Unternehmens zu wür-
digen. Grundsätzlich ist zu vermuten,
dass ein funktionierendes Risikomana-
gementsystem die Arbeiten im Rahmen
der Due Diligence erleichtern, mit Kon-
sequenzen für den Preis für die Gutach-
tenerstellung.
RiskNET: Besteht möglicherweise
das Problem, dass es zwar viele
Wirtschaftsprüfer gibt, die methodi-
sche Konzepte der Unternehmens-
bewertung anwenden können, im
Falle der Beurteilung des Risikoma-
nagementsystem hier in vielen Fäl-
len die Expertise fehlt?
Peemöller: Durch die Einführung des
KonTraG 1998 unterliegt nach § 317 IV
HGB das Risikomanagementsystem von
börsennotierten Aktiengesellschaften der
Prüfungspflicht im Rahmen der Jahres-
abschlussprüfung. Somit ist von einem
gewissen Erfahrungsschatz auf Seiten
der Wirtschaftsprüfer auszugehen. Eine
Auseinandersetzung mit dem Risikoma-
nagementsystem eines zu bewertenden
Unternehmens kann dem Bewerter wich-
tige Erkenntnisse liefern, die in die Be-
wertung mit einfließen. Allgemein hängt
die Qualität einer Bewertung neben dem
Methodenverständnis insbesondere von
der Fähigkeit des Bewerters ab, Märkte,
Produkte und Strategien beurteilen zu
können.
RiskNET: Die internationale Verein-
heitlichung der Rechnungslegungs-
vorschriften schreitet immer weiter
voran. Obwohl bspw. Jahresab-
schlüsse nach US-GAAP im Vergleich
zur HGB-Bilanzierung die Transpa-
renz und Vergleichbarkeit sicherlich
verbessern und u. U. eher den „wah-
ren“ Wert eines Unternehmens wie-
derspiegeln, sind die spektakulären
Firmenpleiten der jüngsten Vergan-
genheit nicht zuletzt darauf zurück
zu führen, dass bestehende Grauzo-
nen in diesem Regelwerk miss-
braucht wurden. Wie beurteilen Sie
die Aussagekraft der unterschiedli-
chen Regelwerke (HGB, US-GAAP,
93 | www.risknews.de 01.2003 Interview
IAS) im Hinblick auf eine fundierte
Unternehmensbewertung? Welche
„Schlupflöcher“ bestehen noch und
wie könnten diese am besten ge-
schlossen werden?
Peemöller: Im Bereich der Vergangen-
heitsanalyse spielt die Analyse von Jah-
resabschlüssen eine gewichtige Rolle.
Die internationalen Regelwerke wie IAS
und US-GAAP schränken tendenziell die
bilanzpolitischen Möglichkeiten ein und
sind insgesamt investororientierter, so
dass eine fundiertere Vergangenheits-
analyse gegenüber einem HGB-Abschluss
möglich wird. Die heute im Wesentlichen
akzeptierten Bewertungsverfahren stel-
len allesamt Gesamtbewertungsverfah-
ren dar und sind zukunftsorientiert. Bi-
lanzen stellen einen Einzelbewertungsan-
satz dar und sind vergangenheitsorien-
tiert. Inwieweit ein Bewerter in einem
Jahresabschluss auf zukunftsorientierte
bewertungsrelevante Informationen z. B.
im Lagebericht stößt, hängt weniger mit
den angewendeten Rechnungslegungs-
vorschriften zusammen, als vielmehr mit
der grundsätzlichen Informationsbereit-
schaft des Unternehmens.
RiskNET: Insbesondere US-Unter-
nehmen stellen in Ihrer Berichter-
stattung zunehmend sog. „Proforma
Earnings“ in den Vordergrund, d. h.
Ergebniszahlen, die um (vermeintli-
che oder tatsachliche) Sonderein-
flüsse bereinigt sind und daher von
den testierten Ergebnissen mitunter
erheblich abweichen. Können derar-
tige „Eigenkreationen“ zu einer fun-
dierteren Unternehmensbewertung
beitragen oder besteht nicht eher
die Gefahr, durch den Ausweis des
„Gewinns vor Kosten“ über die wah-
ren wirtschaftlichen Verhältnisse
eines Unternehmens hinweg zu täu-
schen?
Peemöller: Proforma-Ergebnisse haben
häufig den Vorteil, dass sie sehr aktuell
sind und demzufolge für die Bewertung
wesentliche Informationen liefern kön-
nen. Auf der anderen Seite sind diese
Zahlen ungeprüft und ihre Abgrenzung
sollte genau hinterfragt werden. Vielfach
ist es nicht unmittelbar möglich die ge-
naue Zusammensetzung des Proforma-
Ergebnisses zu erkennen. Der Bewerter
läuft deshalb Gefahr fehlgeleitet zu wer-
den.
RiskNET: Eine der interessantesten
Entwicklungen im Bereich der Un-
ternehmensbewertung stellt wohl
der sog. „Realoptionen-Ansatz“ dar.
Was ist hierunter genau zu verste-
hen und inwiefern kann diese Me-
thodik zu einer Verbesserung der
Unternehmensbewertung beitragen?
Peemöller: Der Realoptionen-Ansatz
versucht Bewertungsansätze aus der
Finanzoptionspreistheorie auf realwirt-
schaftliche Optionsrechte zu übertragen.
Geleitet wird dieser Versuch von der
Feststellung, dass Flexibilität des Mana-
gements insbesondere unter großer Un-
sicherheit einen erheblichen Wert haben
94 | www.risknews.de 01.2003 Interview
kann. Den traditionellen Verfahren wird
z. T. vorgeworfen, sie seien nicht in der
Lage diese werterhöhende Flexibilität
berücksichtigen zu können. Schwierig-
keiten ergeben sich allerdings bei der
Übertragung der Optionspreisverfahren,
da wesentliche Unterschiede zwischen
Finanz- und Realoptionen bestehen. So
sind die Realoptionen zugrundeliegenden
Basisinstrumente in der Regel nicht
marktgehandelt. Zudem erfordert der
Einsatz des Ansatzes einen besonders
hohen Informationsstand des Bewerters.
In erster Linie wird wohl das Denken in
Optionen als Ergänzung der Ertragswert-
verfahren im Bereich strategischer As-
pekte einen Platz in der Bewertungspra-
xis einnehmen.
RiskNET: In den Zeiten der New-
Economy-Euphorie war eine starke
Tendenz zu beobachten, die „traditi-
onellen“ Kenngrößen, die Rahmen
von Multiplikatoransätzen häufig
Verwendung fanden (wie etwa
Kurs/Gewinn-Verhältnis oder Kurs/
Buchwert-Verhältnis), für ungültig
zu erklären, da sie der „neuen Wirt-
schaftsordnung“ scheinbar nicht
mehr gerecht werden konnten.
Demgegenüber rückten neue Kenn-
größen (wie z. B. das Kurs/Umsatz-
Verhältnis oder die Preis/Earnings-
Growth-Ratio) zunehmend in den
Mittelpunkt des Interesses. Inwie-
fern bzw. unter welchen Vorausset-
zungen ist der Multiplikatorenansatz
überhaupt zu einer fundierten Un-
ternehmensbewertung geeignet?
Peemöller: Die Qualität des Bewer-
tungsergebnisses mit Hilfe des Multipli-
katoransatzes hängt wesentlich von der
Informationseffizienz der Kapitalmärkte
und von der Existenz ähnlicher Ver-
gleichsunternehmen ab. Eine intensive
Auseinandersetzung mit dem Bewer-
tungsobjekt und den potenziellen Ver-
gleichsunternehmen, eine bewusste
Auswahl des Multiplikators sowie Erfah-
rung des Bewerters sind auch bei diesem
Ansatz für die Anwendung unerlässlich.
Seine größte Nähe zum Kapitalmarkt im
Vergleich zu anderen Bewertungsansät-
zen und seine Beschränkung auf wesent-
liche Bewertungsfaktoren sind seine be-
sonderen Charakteristika. Die Bezeich-
nung als vereinfachtes Preisfindungsver-
fahren ist bei genauer Betrachtung miss-
verständlich.
RiskNET: Wie beurteilen Sie den ak-
tuellen Stand der Unternehmensbe-
wertung in Deutschland (Forschung
und Praxis), insbesondere auch im
internationalen Vergleich? Welche
wesentlichen Entwicklungen sind in
diesem Bereich in Zukunft zu erwar-
ten?
Peemöller: Die Forschung hat sich in
Deutschland in den letzten Jahren insbe-
sondere mit der Einbeziehung von per-
sönlichen Steuern in die Ertragswertkal-
küle beschäftigt. Zudem wurde die Über-
führbarkeit einzelner Ertragswertverfah-
ren (DCF-Ansätze und Ertragswertver-
fahren nach IDW) immer wieder disku-
tiert. Diese Diskussionen waren und sind
95 | www.risknews.de 01.2003 Interview
im angelsächsischen Raum kaum zu be-
obachten.
In der Bewertungspraxis ist in Deutsch-
land eine zunehmende Kapitalmarktori-
entierung zu beobachten (Verwendung
des CAPM, Einsatz von Multiplikatoren).
Im Bereich der Abfindung von Minder-
heitsaktionären nimmt der Börsenkurs
inzwischen eine gewichtige Stellung ein.
Ein weiterer Trend ist der Einzug der
Unternehmensbewertung in die Rech-
nungslegung. Als Stichworte seien hier
die stärkere Verbreitung von Fair Value-
Ansätzen, der Impairment-Test für den
Geschäfts- und Firmenwert nach US-
GAAP, wertorientierte Steuerung und
Value Reporting genannt. Grundsätzlich
ist zu hoffen, dass die Probleme bei der
Prognose der betriebswirtschaftlichen
Zukunft des zu bewertenden Unterneh-
mens vermehrt ins Zentrum der For-
schung rücken und die Verfahrensdis-
kussion somit ergänzt wird.
<fr>
| www.risknews.de 01.2003 Literatur
96
Das Buch widmet
sich zentralen Fragen
wie etwa Kosten und
Nutzen von externen
Ratings, dem Rating
der Volksbanken,
Raiffeisenbanken und
Sparkassen oder den
zukünftigen Anforde-
rungen an die Unterlagen bilanzierender
Kreditnehmer. „Basel II konkret“ trägt
den Untertitel „Auswege aus der Kredit-
klemme im Mittelstand“. Der Untertitel
sorgt zunächst für Verwirrung: Hat doch
gerade die Versachlichung der Diskussi-
onen rund um Basel II dafür gesorgt,
das sich die Erkenntnis durchgesetzt hat,
dass es diese Kreditklemme gar nicht
gibt.
Der Autor kam in seinem Buch zum Er-
gebnis, dass die „heutige Wettbewerbs-
geschwindigkeit und das zweite Konsul-
tationspapier des Basler Ausschusses für
Bankenaufsicht (Basel II) (...) neben
Intuition auch ein systematisches, be-
triebswirtschaftlich fundiertes Vorgehen“
fordert. Die neue Baseler Eigenkapital-
übereinkunft regelt zunächst einmal aus-
schließlich die Kapitalunterlegungspflicht
der Kreditwirtschaft und stellt keine For-
derungen an den Mittelstand. Erst im
Zusammenhang mit der bankinternen
Einstufung ihres Unternehmens werden
sich einige Kreditnehmer zukünftig mit
dem Themenkomplex Rating beschäfti-
gen müssen. Unternehmen mit einem
kleinen Kreditexposure (konsolidiert we-
niger als 1 Mio. €) werden zukünftig dem
sogenannten Retailportfolio zugeordnet,
wodurch die Risikovorsorge der Banken
deutlich sinken wird. Die Risikokosten
von Unternehmen mit einem Kreditvolu-
men von weniger als 1 Mio. € und einem
Jahrsumsatz von weniger als 50 Mio. €
werden aufgrund verringerter Eigenkapi-
talunterlegungsvorschriften um durch-
schnittlich 10 % und maximal 20 % ent-
lastet. Auch die LGD (Lossen Given De-
fault: Schätzgröße, die den prognosti-
zierten Verlust in der Folge eines Kredit-
ausfalls angibt) werden abgesenkt. Auf
diese wesentlichen Entwicklungen im
Rahmen des Konsultationsprozesses
geht der Autor nicht ein.
Im Kapitel „Externes Rating für den Mit-
telstand“ werden diverse international
tätige Ratingagenturen aufgezählt. Hier
hätte der Autor besser recherchieren
sollen: Euronation France (ENF) heißt
eigentlich Euronotation France S.A. (frz.
Zensur, Prädikat, Note, Zeugnis) und ist
seit etwa zehn Jahren vom Markt.
Der Autor schließt mit dem Fazit, dass
der Leser sich eingehender mit dem Un-
ternehmen beschäftigen sollte und Maß-
nahmen zur Sicherung und Verbesserung
der Wirtschaftlichkeit und des Eigenkapi-
tals ergreifen sollte. Zur Erreichung die-
Basel II für den Mittelstand
Bernd Nolte: Basel II konkret,
196 Seiten, Wiley-VCH Verlag, 2003.
| www.risknews.de 01.2003 Literatur
97
ses Ziels wird der Leser im Buch um-
fangreiche Informationen und Tipps fin-
den.
Untern Strich sind die praxisorientierten
Checklisten und Tabellen sowie die Tipps
auf der Suche nach Finanzierungsquellen
sehr hilfreich. Vermissen könnte man
jedoch an der einen oder anderen Stelle
mehr Tiefgang zu alternativen Finanzie-
rungsformen (etwa Leasing) und aktuel-
lere Informationen zum Baseler Konsul-
tationsprozess. Das Buch kommt insge-
samt ohne eine einzige Quellenangabe
aus – das überrascht.
Wünschenswert wäre – insbesondere für
den Mittelstand – eine Übersicht aller
Ratingagenturen und ihrer Angebote
(Zielgruppe, Dauer, Kosten, Notation).
Trotz alledem ein lesenswertes Buch
für einen ersten Überblick in die
komplexe Thematik Rating.
Autor der Rezension:
Frank Romeike
Email: [email protected]
Bestellen:
Alle rezensierten Bücher können Sie über unseren Partner Amazon bestellen. Die Lieferung erfolgt ab einem Bestellwert von 20 Euro versandkostenfrei (Deutsch-land, Schweiz, Österreich, Liechtenstein, Luxemburg) und mit 30-Tage Rückgabe-recht.
http://bookshop.risknet.de
| www.risknews.de 01.2003 Literatur
98
MedienTerrorKrieg ist
eine aktuelle Publikation
aus dem Telepolis Auto-
renkreis. Das Online-
Magazin Telepolis wurde
1996 gegründet und
begleitet seither die
Entwicklung der Netzkultur in allen Fa-
cetten: Politik und Gesetzgebung, Zen-
sur und Informationsfreiheit, Schutz der
Privatsphäre, wissenschaftliche Innovati-
onen, Entwicklungen digitaler Kultur in
Musik, Film, bildender Kunst und Litera-
tur. Telepolis ist zu finden unter
www.telepolis.de!
Das Buch gliedert sich in vier Teile: Im
ersten Abschnitt beschreiben die Autoren
einen Krieg zwischen Globalisierung und
nationaler Sicherheit. Wie werden die
Kriege des 21. Jahrhunderts geführt? Die
Front während des ersten Kriegs des 21.
Jahrhunderts in Afghanistan war ein „bi-
zarres, ständig wechselndes Linienge-
flecht ohne geopolitische Kultur“. Histo-
risch galten Kriege immer als Bankrott-
erklärung politischen Handelns, als letzte
Alternative. „High intensity conflicts“
werden durch „Low intensity conflicts“
abgelöst.
Kriege der Zukunft werden nicht nur von
großen Armeen mit schweren Waffen
geführt, sondern vor allem von kleinen,
vernetzten, mobilen, technisch-hochge-
rüsteten und vernetzten Spezialeinhei-
ten.
Das zweite Kapitel ist mit „Terrorismus
und Angstproduktion“ überschrieben und
beschreibt die Mechanismen des Terro-
rismus zur Erzeugung von Angst. Die
Autoren ziehen einen weiten Bogen von
der Geschichte der Biowaffen seit dem
Mittelalter bis zur „Schwarzen Biologie“
der Viren und Bakterien.
Das dritte Kapitel widmet sich den aktu-
ellen und zukünftigen Medienkriegen und
welche Rolle den Massenmedien in
Kriegzeiten zugeordnet wird. Während
die amerikanischen Armeen der vergan-
genen Jahrhunderte wegen ihrer Freizü-
gigkeit in der Fronberichterstattung als
Vorbild für eine moderne Mediendemo-
kratie galten, ist die Berichterstattung
seit Vietnam immer mehr durch eine
strikte Zensur gekennzeichnet. So wird
der CBS-Nachrichtenchef Dan Rather
zitiert: „George Bush ist der Präsident.
Er trifft die Entscheidungen und wie es
sich für einen Amerikaner gehört: wo
immer er mich haben will, ich reihe mich
ein, sag mir nur wo.“
Die Zukunft des Krieges wird im letzten
Kapitel thematisiert. Soldaten der Zu-
kunft werden immer mehr zu Hackern
und Bildschirmarbeitern. Moderne
Kriegsführung erinnert immer mehr an
Computerspiele und Computersimulatio-
Zum Kriegsdesign des 21. Jahrhunderts
Goedart Palm, Florian Rötzer (Hg.): MedienTerrorKrieg:
Zum neuen Kriegsparadigma des 21. Jahrhunderts, 293 Seiten, Heise/telepolis, Hannover 2002.
| www.risknews.de 01.2003 Literatur
99
nen. Trotzdem werden zukünftige Kriege
nach Ansicht der Autoren nicht unbe-
dingt unblutiger oder weniger grausam
werden. Aber „die Kontrolle über die
Kommunikationskanäle und Netzwerke
dürfte sich als kriegsentscheidend erwei-
sen“. Satelliten, Anti-Satellitensysteme,
Weltraumminen und andere Weltraum-
waffen führen seit Ronald Reagans „Star
Wars“-Vision auch zu einer Revolution
der Kriegsführung im Weltraum. Und
insgesamt ist eine immer höhere Tech-
nologieabhängigkeit zu beobachten.
Die meisten Passagen von Medien-
TerrorKrieg provozieren und hinter-
lassen an wenigen Stellen auch ei-
nen dogmatischen Eindruck. An der
einen oder anderen Stelle wäre si-
cherlich auch Platz für eine Gegen-
meinung gewesen. Doch insgesamt
helfen alle Artikel einen etwa kriti-
scheren Standpunkt, bzgl. der Ge-
schehnisse nach dem 11. Septem-
ber, einzunehmen. Der Leser wird
sensibilisiert, wie der Terrorismus
das staatliche Gewaltmonopol un-
tergräbt. Ein durchweg lesenswertes
Telepolis-Buch zum einem fairen
Preis. Unbedingt lesen!
Autor der Rezension:
Frank Romeike
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100
„Nichts ist so beständig
wie der Wandel“ – Seit
einiger Zeit erscheint
kaum ein Artikel, in dem
diese Binsenweisheit
nicht gebetsmühlenartig
wiederholt wird. Zwar ist
diese Erkenntnis weder neu noch innova-
tiv – hängt die Wettbewerbsfähigkeit
eines Unternehmens doch entscheidend
davon ab, ob bzw. inwieweit es ihm ge-
lingt, die zunehmende Umweltdynamik
zu bewältigen. Bei der konkreten Umset-
zung der erforderlichen Maßnahmen
(z. B. Strategiewechsel, Reorganisation,
Cost Containment, Stellenabbau) erge-
ben sich in aller Regel jedoch erhebliche
Schwierigkeiten.
Dabei sind solche schmerzlichen, aber
oft (überlebens)notwendigen Einschnitte
noch relativ leicht vermittelbar und da-
mit auch umzusetzen, falls sich ein Un-
ternehmen bereits in einer existenzbe-
drohenden Krise befindet, in der ein
dringender Veränderungsbedarf für alle
Akteure mehr als offensichtlich ist. Glei-
ches gilt für „lernende Organisationen“,
die auf schnelllebigen Märkten agieren
und bei denen radikale Veränderungen
schon lange zu einem integralen Be-
standteil des Tagesgeschäfts geworden
sind. Äußerst problematisch ist die Initi-
ierung tiefgreifender Changeprozesse
dagegen vor allem bei denjenigen Unter-
nehmen, die bisher immer erfolgreich
waren. Aufgrund der (noch!) komfortab-
len Situation ist die Einsicht, dass gravie-
rende Maßnahmen („Harte Schnitte“)
erforderlich sind, um die Erfolge der Ver-
gangenheit auch zukünftig zu sichern
(„Neues Wachstum“), oftmals gar nicht
vorhanden – warum sollte man anders
werden, wenn man doch gut ist? Die
Bereitschaft der Mitarbeiter zu radikalen
Veränderungen ist in derartigen Situatio-
nen sehr gering, der Widerstand gegen
Changeprojekte entsprechend groß. Zu-
sätzlich ergibt sich die Schwierigkeit,
dass Rationalisierungsmaßnahmen einer
völlig anderen Logik folgen (und daher
auch grundlegend andere Anforderungen
an das Management stellen), als die
gleichzeitig voranzutreibenden Innovati-
onsprozesse.
Dieses Spannungsfeld greifen Barbara
Heitger und Alexander Doujak in ihrem
aktuellen Buch auf. Aus einer system-
theoretisch geprägten Perspektive be-
schreiben sie die typischen Problembe-
reiche bei Changeprojekten und geben
den Verantwortlichen Hilfen und Werk-
zeuge an die Hand, damit die Gratwan-
derung zwischen „Zerstörung des Alten“
einerseits und „Aufbau des Neuen“ ande-
rerseits gelingen kann. Neben adäquaten
Antworten auf die vielfältigen betriebs-
Alles bleibt anders
Barbara Heitger/Alexander Doujak: Harte Schnitte Neues Wachstum.
Die Logik der Gefühle und die Macht der Zahlen im Change Management - Das Konzept der un:balanced transformation; 336 Seiten; Redline Wirtschaft bei Ueberreuter; Frankfurt/Wien 2002
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wirtschaftlichen Fragestellungen (wie
z. B. der Entwicklung von geeigneten
Controllingkonzepten für Veränderungs-
projekte) werden hierbei insbesondere
auch die weichen Faktoren betont. Chan-
gemanagement ist mehr als die
Abarbeitung eines Projektplans, Motor
(oder Bremse) für grundlegende Verän-
derungen sind in erster Linie die Emotio-
nen und Einstellungen der beteiligten
Akteure. Ohne die Unterstützung der
Mitarbeiter ist jeder Changeprozess von
vornherein zum Scheitern verurteilt und
ohne die klare Definition von Zielen, eine
stringente Planung und eine ebenso of-
fene wie glaubwürdige Kommunikation
von Seiten der Geschäftsleitung dürfte
diese Unterstützung nur ein frommer
Wunsch bleiben.
Von vielen vergleichbaren Werken hebt
sich das vorliegende Buch insbesondere
durch seinen ausgeprägten Praxisbezug
ab. Zusätzlich zu einem ganzen Kapitel
mit Fallstudien von Unternehmen, die
das Konzept „Harte Schnitte – Neues
Wachstum“ bereits umgesetzt haben,
finden sich zahlreiche Checklisten sowie
ein ausführliches Vorgehensmodell, das
die Phasen eines Changeprojekts von der
Initiierung bis zur nachhaltigen Siche-
rung der erreichten Ergebnisse detailliert
beschreibt.
Neben den oben genannten inhaltlichen
Aspekten unterscheidet sich das Buch
insbesondere auch durch sein Layout von
der Masse der Fachbücher. Dem Thema
entsprechend wurde fast jede Seite indi-
viduell gestaltet. Obwohl dieses Konzept
zweifellos einen gewissen Charme entfal-
tet, wird der Lesefluss durch das mitun-
ter etwas unruhig wirkende Layout an
manchen Stellen eher gehemmt als ge-
fördert. Etwas verwirrend wirkt zudem
die Vermischung von Elementen aus al-
ter und neuer Rechtschreibung. Großes
Lob verdienen demgegenüber die zahl-
reichen und fast ausnahmslos sehr ge-
lungenen Illustrationen und Schaubilder.
Insgesamt stellt das vorliegende
Werk einen sehr gelungenen Beitrag
zum Thema Changemanagement
dar. Ausgewiesene Change Manager
werden insbesondere von den zahl-
reichen Fallbeispielen und Werkzeu-
gen profitieren. Durch die umfassen-
den Einblicke in die „Psychologie des
Wandels“ kann das Buch jedoch
auch Lesern aus den oberen Füh-
rungsebenen empfohlen werden, die
Changeprozesse aus einer eher stra-
tegischen Perspektive betrachten.
Autor der Rezension:
Dr. Roland Franz Erben
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Originärer Geschäfts-
zweck von Banken ist
die Handhabung und
das „Managen“ von
Finanzrisiken jeglicher
Art. Der Fokus liegt
hierbei insbesondere
beim Kreditrisikomanagement.
Neben Basel II müssen sich Banken auch
mit den MaK, den Mindestanforderungen
für das Kreditgeschäft, beschäftigen.
Der vorliegende Band von Hofmann –
Basel II und MaK – zeigt die für die Ban-
ken wichtigen Neuerungen auf. Die Pub-
likation soll dem Leser relevante Infor-
mationen für die Bankpraxis vermitteln
und Anregungen für die Implementie-
rung der neuen Standards geben. Einlei-
tend bekommt der Leser einen guten
Überblick über Basel II. Die drei Säulen
von Basel II werden prägnant beschrie-
ben. Mögliche Konsequenzen wie die
„Förderung der Marktdisziplinierung
durch Publizitätsvorschriften“ oder eine
kritische Auseinandersetzung der Metho-
denwahl zwischen Standardansatz und
Interner Ratingansatz, fehlen ebenfalls
nicht.
Das Buch ist übersichtlich in vier Ab-
schnitte gegliedert. Im ersten Teil wer-
den die neuen Kapitalregeln von Basel II
aus den verschiedenen Perspektiven be-
trachtet. Neben der praktischen Sicht-
weise unterschiedlicher Banken, über
Konzeption und Umsetzung eines Rating-
ansatzes werden in zwei weiteren Bei-
trägen Aspekte der operationellen Risi-
ken und deren Folgen für kleine und mit-
telständische Unternehmen erörtert.
In den Beiträgen „Qualitative Überwa-
chung durch die Bankenaufsicht“ wird
aufgezeigt, das Basel II die bisherige
Praxis der Bankenkontrolle vor neue
Herausforderungen stellt. Im Einklang
dazu steht das Controlling der Banken
ebenfalls vor neuen Herausforderungen.
Die bisherigen Überprüfungsverfahren
und Informationsrechte der Bankenauf-
sicht kommen auf dem Prüfstand. Lag
der Schwerpunkt der Aufsicht in der Ver-
gangenheit eher auf quantitative Aspek-
te, so treten nun vermehrt auch qualita-
tive Aspekte in den Vordergrund. Es wird
hier die Auffassung vertreten, dass die
inhaltliche Bestimmung der qualitativen
Aspekte teilweise noch unbestimmt sind
und es weiterer Klarstellungen bedarf.
Intensiv werden auch die „Offenlegungs-
vorschriften“ erörtert. Auch wenn kleine-
re Institute „genügend Spielraum“ für
eine „differenzierte Offenlegunspolitik“
haben werden, so ist doch unverkenn-
bar, dass das Berichtswesen an Bedeu-
tung zunimmt. Abgerundet wird der In-
halt des Buches anhand eines Beitrages
aus Sicht einer Geschäftsbank, „inwie-
Basel II und MaK
Gerhard Hofmann (Hg.): Basel II und MaK.
Vorgaben, bankinterne Verfahren, Bewertungen; 318 Seiten, Bankakademie Verlag GmbH, Frankfurt am Main 2002.
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weit die MaK geeignet sind, den Banken
als Unterstützung bei der Erarbeitung
von geeigneten Rahmenbedingungen für
das Kreditgeschäft“ dienen.
Dem Herausgeber und den Autoren
ist es gelungen, eine interessante
und gut lesbare Publikation zum
Thema Basel II zu veröffentlichen.
Etwas höhere mathematische Anfor-
derungen werden dem Leser bei der
wissenschaftlichen Betrachtung
über die „Erfassung des Kreditrisi-
kos“, zugemutet. Aus meiner Sicht
fehlt eine kritische Auseinanderset-
zung, warum nicht nur Banken von
Basel II betroffen sind.
Autor der Rezension:
Christoph Tigges
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Dass 100-jährige Ver-
lagsjubiläum des 1902
in Leipzig gegründeten
C.E. Poeschel Verlages –
1992 durch Fusion mit
dem Schäffer Verlag
vereint – war Anlass für
die Publikation dieses Werkes. Wie der
Titel bereits aussagt, ist Ziel der Heraus-
geber, die Entwicklung der Betriebswirt-
schaftslehre darzustellen.
Die Wurzeln der Betriebswirtschaft rei-
chen zurück bis in die griechische Antike.
Vorwiegend islamische Gelehrte über-
nahmen die Lehren der griechischen
Ökonomik, wobei die Menschenführung,
und nicht mikroökonomische Fragestel-
lungen heutiger Ausprägung im Vorder-
grund standen. Die fortschreitende In-
dustrialisierung erforderte ein ausge-
prägteres Wissen über die Vorgänge der
Unternehmensökonomie. Auch die sich
weiterentwickelnden Wirtschaftstheorien
führten zu einer intensiveren Auseinan-
dersetzung mit mikroökonomischen Fra-
gestellungen. Das Spannungsverhältnis
zwischen gesamtwirtschaftlicher und
sozialwissenschaftlicher Ansichten einer-
seits, industriepolitischen und individuel-
ler Bedürfnissen andererseits, war immer
gegeben.
Das Werk greift einzelne Phasen der
Entwicklung auf. Beginnend mit der
Frühphase über die Gründung der ersten
Hochschulen, über den Nationalsozialis-
mus, die Zeit nach dem Zweiten Welt-
krieg und den Jahrzehnten danach bis
hin zu den jüngsten Entwicklungen.
Der Leser erfährt die Motive, die zur
Gründung der ersten Han-
delshochschulen führten. „Hohe geistige
Bildung“ oder das der Zweck der kauf-
männischen Arbeit nicht allein im Erwerb
und in der Anhäufung von Geld, sondern
in der „Bereicherung des Gemeinwesens“
besteht, zeigt, dass aktuelle Diskussio-
nen um den Shareholder Value keine
Neuerscheinungen sind, sondern das
diese Themen in der Vergangenheit in
einem anderen Kontext unterschiedlich
thematisiert worden sind.
Mit Beiträgen zu den verschiedenen Teil-
disziplinen erhält der Leser einen umfas-
senden Überblick über die Intensität der
Entwicklungen in den Fachgebieten. In-
ternationale Aspekte werden ebenfalls
angesprochen. Jedoch sind kritische An-
merkungen angebracht. In dem Buch ist
der Mangel an übergeordneten Konse-
quenzen mikroökonomischen Verhaltens
auf die Gesamtgesellschaft erkennbar.
Auch wenn, wie bereits einleitend be-
schrieben, dies nicht Gegenstand des
Buches ist, so wäre doch ein Beitrag
wünschenswert gewesen. Zumal die
Spannungen zwischen der Mikro-, und
der Makroökonomie immer bestand.
Gewollt ist, dass die Einzelbeiträge zu
Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre
Eduard Gaugler; Richard Köhler (Hrsg):
Entwicklungen der Betriebswirtschaftslehre, 100 Jahre Fachdisziplin - zugleich eine Verlagsgeschichte.
554 Seiten, Schäffer-Poeschel Verlag, Stuttgart 2002.
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weiteren Fragestellungen animieren, was
durchaus der Fall ist. Weiter ist anzu-
merken, dass der Beitrag zum Thema
Rechnungswesen sich eher wie eine Zu-
sammenstellung der Verlagspublikatio-
nen liest und der Leser über die Entwick-
lungen im Rechnungswesen leider wenig
erfährt.
Es ist ein lehrreiches Buch für Inte-
ressenten und Studenten der Mikro-
ökonomie. Aktuelle Diskussionen
erscheinen nach Lektüre des Bandes
in einem neuen Licht. Auch wenn
hier zugleich die Verlagsgeschichte
beschrieben wird, Priorität liegt bei
den Fachthemen. Weiterer Neben-
effekt ist die Erkenntnis, das durch
das Gespür und die Idee für das
Neue zugleich aufgezeigt wird, wie
durch Glück und Geschick Unter-
nehmensgeschichte wie die des Ver-
lages erfolgreich verlaufen kann.
Autor der Rezension:
Christoph Tigges
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Wüsste man es nicht
besser, man sollte
meinen, dass zum
thematischen Dauer-
brenner Kreditrisiko-
management eigentlich
alles geschrieben sein
müsste, was es zu
schreiben gibt. Die Bankenwelt schaut
gebannt nach Basel, und es hat eigent-
lich die Stunde der Praktiker geschlagen,
um die sich herauskristallisierenden an-
spruchsvollen Methoden der neuen Ei-
genkapitalregelungen zu verwirklichen.
Nichtsdestoweniger ist die Modellierung
von Kreditrisiken auch ein lebendiges
Thema in der wissenschaftlichen For-
schung, wo weiterhin um bessere und
trotzdem anwendbare Abbildungen der
Wirklichkeit gerungen wird.
In diesem Kontext ist auch die vorlie-
gende Monographie zu sehen. Der Autor
hat es sich zum Ziel gesetzt, einen um-
fassenden Überblick über verschiedene
einschlägige Methoden in der Kreditrisi-
komodellierung zu geben, namentlich
Credit Metrics, Credit Risk+, das KMV-
Modell und Credit Portfolio View, deren
Grenzen und Modellfehler zu analysieren
und ein eigenes Modell vorzustellen, das
ein getreueres Abbild der tatsächlichen
Verhältnisse verspricht.
Der Text ist dabei durch ein eingängiges
und systematisches Vorgehen gekenn-
zeichnet. Im ersten Teil der Arbeit wird
ausführlich auf unterschiedliche Verfah-
ren zur Bestimmung und Modellierung
von Ausfallwahrscheinlichkeiten, Exposu-
res und Verlustquoten der Einzelenga-
gements eingegangen. Dabei nehmen
die Ausfallwahrscheinlichkeiten den
größten Raum ein, wobei die Ansätze in
den verschiedenen Modellwelten gründ-
lich analysiert und beurteilt werden. Re-
gelmäßige Leser der RiskNEWS werden
die Aufsätze der hier erschienenen Serie
„Bestimmung von Ausfallwahrscheinlich-
keiten“ wiedererkennen (siehe auch die-
se Ausgabe der RiskNEWS, S. 76 ff.).
Der zweite Teil ist der Portfoliomodellie-
rung gewidmet. Auch hier geht der Autor
auf die Unterschiede und Schwächen der
bekannten Modelle ein, und setzt sich
u. a. kritisch mit veröffentlichten Resul-
taten auseinander, die die Unterschiede
der verschiedenen Modelle hauptsächlich
auf unterschiedliche Rahmenparameter
zurückführen. Betrachtungen über vor-
ausschauendes Risikomanagement und
Optimierung von Kreditportfolien runden
diesen Teil ab.
Leser, die es gewohnt sind, lektorierte
Aufsätze zum Thema zu lesen, seien ge-
warnt: Der vorliegende Text eignet sich
nicht als Bettlektüre, sondern ist eine
wissenschaftliche Arbeit, die sich neben
bankfachlichen auch intensiv und grund-
legend mit mathematischen Aspekten
Kreditrisikomanagement
Uwe Wehrspohn:
Credit Risk Evaluation Modeling – Analysis – Management, 195 Seiten, CRE 2002.
| www.risknews.de 01.2003 Literatur
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der Kreditrisikomodellierung beschäftigt.
Der Text verlangt aktive und gelegentlich
aufwendige Mitarbeit des Lesers. Wer
diese Mühen nicht scheut und bereit ist,
gelegentlich Abstriche bei Formalien zu
machen (etwa bei Abbildungsbeschrif-
tungen, die teilweise recht lakonisch
ausfallen), wird dafür allerdings auch mit
tiefgehenden, neuen und teils überra-
schenden Einsichten belohnt.
Zu solchen gelangt man insbesondere im
zweiten Teil der Arbeit. Der Autor erar-
beitet hier eine analytische Darstellung
der Portfolio-Verlustfunktion im Falle von
homogenen Portfolien im Grenzfall un-
endlich vieler Engagements im Normal-
verteilungs-Korrelationsmodell (das z. B.
Credit Metrics zu Grunde liegt) und fin-
det zwei wichtige Verallgemeinerungen:
Die eine betrifft den Fall eines Portfolios
mit solchen homogenen Sub-Portfolien,
die zweite ein verallgemeinertes Korre-
lationsschema, dass auf allgemein multi-
variaten elliptischen Verteilungen beruht.
Erstere ebnet möglicherweise struktu-
rierten Kreditrisikomodellen den Weg für
den Einsatz auch im Retail-Bereich, zwei-
tere stößt das Tor auf zu einer neuen,
vielversprechenden Klasse von Modellie-
rungsvarianten, die im Bereich der Kre-
ditportfolien neu sind und möglicherwei-
se eine realistischere Abbildung von Ab-
hängigkeitsstrukturen erlauben: Der Au-
tor zeigt, dass es kein Korrelationsmodell
gibt, das weniger Risiko für ein gegebe-
nes Portfolio ausweist als das klassische
Normalverteilungsmodell vom Typ Credit
Metrics oder KMV. Damit ist die Unter-
schätzung des Risikos bei den herkömm-
lichen Modellen quasi bewiesen. Ob sich
eine generell wirklichkeitsnähere Ermitt-
lung der Portfolio-Verlustfunktion durch
die Verwendung der allgemeineren Klas-
se von elliptischen Verteilungsfunktionen
erzielen lässt, muss auch der Autor da-
hingestellt sein lassen. Hier liegt noch
ein weites Feld von Forschungsbedarf,
insbesondere mit empirischen Kreditaus-
fall- und Marktdaten.
Neben vielen weiteren Anregungen, die
die Arbeit bietet, stellt der Autor im letz-
ten Abschnitt (Portfoliooptimierung) eine
Veröffentlichung von Rockafellar und
Uryasev vor, die zu Recht als bahnbre-
chend bezeichnet wird. Darin wird die
Optimierung eines Kreditportfolios hin-
sichtlich des Shortfalls unter Variation
der Exposures auf ein lineares Optimie-
rungsproblem zurückgeführt, zu wel-
chem effiziente Lösungsalgorithmen be-
kannt sind. Diese Art der Optimierung,
die einen größeren Bekanntheitsgrad
verdient hat, wird vom Autor illustrativ
auf ein Beispiel-Portfolio angewandt.
Sowohl im ersten als auch im zweiten
Teil baut der Autor, dessen Arbeit man
die intensive Auseinandersetzung mit der
Materie auch unter Praktikabilitätsge-
sichtspunkten deutlich anmerkt, sein
eigenes „CRE-Modell“ auf, wobei er die
von ihm dargelegten Ungenauigkeiten
der bekannten Modelle zu vermeiden
sucht. Besonders überzeugende Trans-
zendierungen der „althergebrachten“
Modellwelt werden dabei in der Imple-
mentierung der gegenseitigen Abhängig-
keiten der Kreditnehmer erreicht. Insbe-
sondere die Auswirkungen von Länderri-
siken sowie von mikroökonomischen,
asymmetrischen Einflüssen der Kredit-
nehmer aufeinander konnten in klarer
und überzeugender Weise in die Model-
lierung integriert werden.
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Heraus kommt ein modulares Modell,
das viele Aspekte in konsistenter Weise
berücksichtigt, aber auch eine Vielzahl
von freien Parametern und methodischen
Optionen hat (die verschiedenen Module
können dabei je nach Verfügbarkeit von
empirischen Daten entfernt, hinzugefügt
oder modifiziert werden). Insofern ist es
allerdings auch viel weniger festgelegt
als die bekannten Modelle und sollte da-
her eher als Meta-Modell angesehen
werden. Eine Art „Grund-Kanon“ von
bewährten Einstellungen und Auswahl-
möglichkeiten des CRE-Modells gibt es
vorläufig nicht und wird es für den all-
gemeinen Fall auch nicht geben: Die
Ausgestaltung hin zu einer konkreten
Implementierung wird stark von der Art
des Portfolios, der Art und Menge der
vorliegenden historischen Daten und
insbesondere von der Expertise, den
Bemühungen und sicher auch der Phan-
tasie der Implementierenden abhängen.
Dieser Arbeit, die der mehrjährigen
Erfahrung des Autors in Forschung
und Praxis ihr breites Ideenspekt-
rum verdankt, ist eine über den aka-
demischen Bereich hinausreichende
Leserschaft unbedingt zu wünschen.
Das Buch kann in elektronischer
Form kostenfrei im World Wide Web
unter
http://www.risk-and-evaluation.com
bezogen werden.
Autor der Rezension:
Jürgen Prahl
Email: [email protected]
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Sitzen Sie auch gelegentlich vor einem Excel-Sheet und versuchen aus der Zah-lenwüste die Zukunft zu lesen? Überlas-sen Sie diese Arbeit doch einfach Ihrem Computer. Fundierte Risikoabschätzung für Projekte, Business-Pläne, Investiti-onsentscheidungen, kurz, für alle zu-kunftsgerichteten Vorhaben. Eine Viel-zahl von Variablen unterschiedlicher Ein-trittswahrscheinlichkeit wollen gleichzei-tig abgewogen werden. Anstelle Ihre Entscheidungen auf Basis weniger Szenarien treffen zu müssen, können Sie mittels der Methode der Monte Carlo Simulation in Sekunden-schnelle ein auf Tausenden von Varian-ten basierendes Ergebnis präsentieren. Sie können Ihre Energie voll und ganz auf die Qualitätssicherung der Input-Variablen konzentrieren, während Ihr Computer die Rechenarbeit leistet. Die automatische grafische Auswertung der "what-if"-Prozesse lenkt Ihre Aufmerk-samkeit auf die maßgeblichen Erfolgsfak-toren und verborgenen Risiken. Inhalte des Seminars:
• Praxisorientierte Einführung in die quantitative Risikoanalyse und die Methode der Monte Carlo Simula-tion.
• Monte Carlo Simulation als natür-
lich Weiterentwicklung der Szena-rio-Technik. Einfluss auf Mana-gement-Entscheidungen.
• Einführende praktische Beispiele
und Übungen direkt am Computer und mit der dafür notwendigen Software.
• Der Umgang mit Wahrscheinlich-
keitsverteilungen.
• Der Einsatz der Monte Carlo Si-
mulation in der Praxis. Nach diesem Seminar sind Sie in der Lage, mit Unterstützung der Monte Carlo Simulation, fundiertere und damit besse-re Entscheidungen zu fällen. Die vom den Trainern aufgezeigten Beispiele ent-sprechen alle echten Modellen, die sich in der Praxis bewähren mussten. Teilnahmekosten: Die Teilnahmekosten betragen je Semi-nartag 695 € zzgl. der gesetzlichen Mehrwertsteuer. Für beide Seminartage zusammen beträgt der Preis 1.200 €. Im Preis inbegriffen sind umfassende Semi-narunterlagen, Mittagessen und Pausen-getränke. Jeder zweite Teilnehmer des-selben Unternehmens erhält 20% Ra-batt. Wer sollte teilnehmen: Das Seminar ist maßgeschneidert für Unternehmer, Strategie-Planer, Unter-nehmensberater, Finanzanalysten, Risiko Manager, Underwriter, Investoren, Buch-halter und Controller, Ingenieure, Wis-senschaftler und Marketing Managern – jede oder jeder, der mit Spreadsheets versucht, zukünftige Resultate vorherzu-sehen. Weitere Informationen und Anmeldung: http://www.riskmind.com oder bei Herbert C. Frey E-Mail: [email protected]
Monte Carlo Simulation Management Tool of the Future
Grundlagen- und Expertenseminar
12./13. Februar und 26./27. März 2003 in München, Deutschland
| www.risknews.de 01.2003 RiskNEWS Autoren
110
Joachim Brückmann Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Jens Deidersen Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Kai Gammerlin Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Michael Huth Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Kirsten-Annette Minz Dipl.-Kffr., nach einer Lehre zur Industriekauffrau studierte sie an der Philipps-Universität Marburg sowie an der Universität Siegen Wirtschaftswissenschaften mit den Schwerpunkten Finanz- und Bankmanagement, Personal-Management, Industriebetriebslehre und Wirtschafts- und Sozialgeschichte. Ihre Dissertationsschrift zum Thema „Opera-tionelle Risiken in Kreditinstituten“ ver-fasste sie während ihrer Assistententä-tigkeit an der Universität Siegen am Lehrstuhl für Finanz- und Bankmanage-ment von Prof. Dr. Arnd Wiedemann. Zur Zeit ist sie als Referentin im Bereich Strategie und Grundsatzfragen des Rhei-nischen Sparkassen- und Giroverbandes in Düsseldorf tätig. Jan Offerhaus ist Prokurist bei Haarmann Hemmelrath Management Consultants GmbH in Mün-chen. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Rating Advisory, Risikomanage-ment/Unternehmenssteuerung, Corpora-te Development und Sanierung. Zuvor war er bei der DG BANK und der Hypo-Vereinsbank AG mehrere Jahre im Be-reich Controlling/Risikocontrolling tätig. Seine Studien in Volkswirtschaftslehre und Geschichtswissenschaft schloss er an Universitäten in München und Detroit mit dem Diplom in VWL bzw. dem Master of Arts ab.
Prof. S.T. Rachev Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Stefan Trück Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Gerrit Jan van den Brink Kontaktinformationen siehe Fachbeitrag Alexander von Balduin Dipl. Ökonom, studierte an der Universi-tät Hohenheim Wirtschaftswissenschaf-ten mit den Schwerpunkten Controlling, Rechnungslegung & Finanzierung sowie Wirtschaftsinformatik. Zur Zeit liegen seine Arbeitsschwerpunkte bei der CSC Ploenzke AG im Competence Center Controlling und Risk Management auf dem Gebiet des Risikomanagements. Er beschäftigt sich unter anderem mit Me-thoden zur Identifikation, Bewertung und Steuerung von Risiken, dem Themen-komplex Operational Risk sowie der neu-en Basler Eigenkapitalvereinbarung (Ba-sel II). Uwe Wehrspohn Uwe Wehrspohn ist Wissenschaftler an der Universität Heidelberg und Ge-schäftsführer des Centers for Risk and Evaluation GmbH & Co. KG. Zuvor war er mehrere Jahre als Unternehmensberater im Bereich Risikomanagementstrategie, -methoden und -technologie im Compe-tence Center Risk Management & Cont-rolling der CSC Ploenzke AG tätig. Herr Wehrspohn hat Mathematik, Wirt-schaftswissenschaften und ev. Theologie in Montpellier, St. Andrews, München und Heidelberg studiert.
| www.risknews.de 01.2003 Impressum
111
RiskNEWS Das Risk Management Magazin von RiskNET.de
4. Jahrgang – Ausgabe 01.2003 – ISSN 1616-0045
Erscheinungsweise zweimonatlich Herausgeber: RiskNET – The Risk Management Network, http://www.risknet.de/ Frank Romeike, Meckelhof 5, 79110 Freiburg i. Br., Telefon: +49-(0)761-8982-142 Chefredaktion Frank Romeike, [email protected] (verantwortlich) Dr. Roland Erben, [email protected] (stellvertretend) Layout: Silke Berghof, [email protected] Anzeigen / Sponsoring: Bei Interesse an unseren Mediadaten bitte Email an: [email protected] Verantwortlich für den Inhalt: Die jeweiligen Autoren. Wir danken den Autoren und Interviewpartnern für Ihr Engage-ment. Kontakt: [email protected] Nachdruck und Copyright: Wir danken unseren Autoren und Risk Management Experten für die Erarbeitung der Tex-te. Nachdruck, auch auszugsweise, kommerzielle Weiterverbreitung und Aufnahme in kommerzielle Datenbanken nur mit schriftlicher Genehmigung der Herausgeber. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit sämtlicher Inhalte und Darstellungen übernehmen wir kei-ne Gewähr. Copyright © 1999-2003 by „RiskNet – The Risk Management Network“ und den jeweili-gen Autoren. Alle Rechte, insbesondere das Recht auf Verbreitung, Nachdruck von Text und Bild, Übersetzung in andere Sprachen sowie Vervielfältigung für alle veröffentlichten Beiträge einschließlich Abbildungen vorbehalten.